Vielleicht irgendwann von Juju ================================================================================ 16. Kapitel, in dem Hikari allein aufs Konzert geht --------------------------------------------------- Mit verschränkten Armen und argwöhnischem Blick lehnte sich Yuuko gegen die Wand und beobachtete Hikari dabei, wie sie sich die Schuhe anzog und ihre Tasche überprüfte. Hikari wusste, dass sie Verdacht schöpfte. Sie sollte über eine Karriere als Detektiv nachdenken. Als Hausfrau verschwendete sie nur ihre Talente. „Und du bist sicher, dass du nur zu Takeru gehst?“, fragte sie mit einem merkwürdigen Unterton in der Stimme. „Klar, wo soll ich denn sonst hingehen? Auf das Konzert lässt du mich ja nicht“, murrte Hikari, ohne ihr in die Augen zu sehen. Zu sehr fürchtete sie sich davor, sich selbst unter dem strengen Blick ihrer Mutter zu verraten. „Und es ist reiner Zufall, dass du ausgerechnet heute bei Takeru übernachten möchtest?“, fragte Yuuko weiter. „Ich will eben nicht den ganzen Abend zu Hause sitzen und nichts machen, nur weil ich nicht auf das Konzert darf!“, fauchte Hikari ungeduldig. „Außerdem habe ich bestimmt schon seit zwei Monaten nicht mehr bei T.K. übernachtet.“ Darauf schien Yuuko keine Antwort mehr zu wissen, sondern verabschiedete sich nur von Hikari, bevor diese endlich die Wohnung verließ. Auf dem Weg zur Metrostation traf sie sich mit Takeru. „Und? Hat deine Mutter es geschluckt?“, fragte sie nervös. Es reichte, dass eine der beiden Mütter misstrauisch war. „Ja, als ich ihr das erzählt habe, meinte sie, das passt perfekt, weil sie sowieso was vorhat heute Abend“, antwortete Takeru. „Sie geht auch gleich los.“ „Ach echt? Was hat sie denn vor?“, fragte Hikari neugierig und musterte ihn von der Seite. „Sie meinte, sie hat eine Verabredung.“ Gleichgültig zuckte er mit den Schultern, doch Hikari schlug erschrocken eine Hand vor den Mund. „Etwa mit einem Mann?“ „Nein, mit…“ Er zögerte, bevor er sie mit skeptischem Blick ansah. „Keine Ahnung. Bestimmt mit Kollegen oder so.“ „An einem Samstag?“ „Oder mit einer Freundin. Oder… was weiß ich.“ „Sie hat dir also nicht gesagt, mit wem sie sich verabredet hat?“, hakte Hikari neugierig nach. „Nee.“ „Woher willst du dann wissen, dass es kein Mann ist?“ Takeru antwortete nicht, sondern kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. Auch wenn er anscheinend nicht daran glaubte, dass seine Mutter eine Verabredung mit einem Mann haben könnte, war Hikari davon überzeugt, dass es so war. Immerhin hatte Natsuko seit der Scheidung von Hiroaki keine feste Beziehung mehr gehabt. Doch das wäre furchtbar für Takeru. „Hat deine Mutter dir geglaubt?“, wechselte er schließlich das Thema. „Nicht so wirklich. Ich glaube, sie ist echt misstrauisch. Ich hoffe, sie ruft deine Mutter nicht an oder so“, antwortete Hikari. „Was? Oh Mann“, stöhnte Takeru und fasste sich an die Stirn. „Wenn das rauskommt, sind wir am Arsch und du bist schuld.“ „Ich?!“, rief Hikari entrüstet. „Ja, weil es deine Idee war“, antwortete Takeru giftig. „Du wolltest dich unbedingt zu diesem Konzert schleichen.“ „Du willst doch auch hingehen!“, feuerte Hikari empört zurück. „Jetzt tu‘ nicht so, als wäre ich die Einzige, die dieses Verbot ankotzt!“ „Nein, mich kotzt es auch an, aber ich wollte trotzdem zu Hause bleiben, weil ich keinen Stress will!“, rief Takeru hitzig. „Ach ja? Und warum bist du dann nicht zu Hause geblieben?“, fauchte Hikari. „Weil ich dich nicht alleine gehen lassen wollte und du so gedrängelt hast! Und das nur, weil du unbedingt meinen ach so tollen Bruder sehen willst, bei dem du eh keine Chance hast!“ Hikari blieb der Mund offen stehen. Sie spürte, dass sie rot anlief. „Ach, weißt du was? Bleib‘ doch einfach zu Hause, du Langweiler! Kein Wunder, dass kein Mädchen sich für dich interessiert!“ Nun war es Takeru, der stehen blieb und sie finster ansah. „Mach‘ ich auch. Viel Spaß auf deinem bescheuerten Konzert.“ Er machte auf dem Absatz kehrt und ging in die Richtung davon, aus der sie gerade gekommen waren. Entgeistert starrte Hikari ihm hinterher. Jetzt ließ er sie auch noch wirklich allein! Für einen Augenblick überlegte sie, ihm nachzulaufen, doch dann entschied sie sich dagegen und ging rauchend vor Wut weiter zur Metrostation. Sollte der langweilige Takeru eben zu Hause vergammeln. Auf der Fahrt zum Nachtclub, in dem das Konzert stattfand, dachte Hikari, während sie sich etwas ungeschickt schminkte, über den Streit nach. Je mehr ihre Wut sich legte, desto mehr Platz breitete sich in ihrem Kopf für ein schlechtes Gewissen aus. Sie hatte ihm nicht eine solche Gemeinheit an den Kopf werfen wollen. Sie war nur wütend und enttäuscht darüber gewesen, dass er gesagt hatte, sie hätte sowieso keine Chance bei Yamato, obwohl das nur der Wahrheit entsprach. Aus Rache hatte sie ihn mit etwas verletzt, von dem sie wusste, dass es ihn verletzen würde. Sie musste ihn morgen unbedingt anrufen und sich bei ihm entschuldigen. Takeru verschwand allmählich aus ihren Gedanken, als sie aus der Metro stieg und den Weg zum Nachtclub suchte. Einmal bog sie falsch ab, doch beim zweiten Anlauf schaffte sie es. Es gelang ihr, sich in einer größeren Gruppe Jugendlicher in den Club zu schmuggeln, ohne vom Türsteher nach einem Ausweis gefragt zu werden. Ganz offensichtlich war er etwas lustlos. Im Club, der bereits ziemlich gut gefüllt war, sah sie sich nach ihrem Bruder um. Er musste irgendwo hier unterwegs sein. Hoffte sie zumindest. Sie drängte sich zwischen all den Menschen hindurch, um sich den Club anzusehen und hoffte, dass sie nicht allzu sehr auffiel. Die Menschen hier waren alle mindestens sechzehn oder siebzehn, die meisten eher älter. Hikari hatte sich die größte Mühe gegeben, sich ihr Alter nicht ansehen zu lassen. Sie trug einen kurzen Rock und eine Strumpfhose, ein T-Shirt und einen Cardigan darüber. Ihre Augen hatte sie dunkel geschminkt, ihre Lippen mit rosafarbenem Lipgloss nachgezogen. Sie reckte das Kinn und bemühte sich um einen selbstbewussten Gesichtsausdruck. Bei ihrer zweiten Runde allein durch den Club entdeckte sie endlich den unverkennbaren wuscheligen Haarschopf ihres Bruders und steuerte erleichtert auf ihn zu. So ganz ohne Begleitung fand sie es in dem Club tatsächlich ein wenig unheimlich. Und ohne Takeru unterwegs zu sein, fühlte sich auch komisch an. „Hey Tai!“ Er unterbrach das Gespräch mit dem Mädchen, in das er bis eben noch vertieft gewesen war, und drehte sich mit verdutztem Blick zu ihr um, als sie ihn an der Schulter berührte. „Kari? Alter, was machst du hier?!“ Das Mädchen musterte sie neugierig. „Ich gehe auf Matts Konzert“, antwortete sie schnippisch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wolltest du nicht bei T.K. übernachten?“, fragte Taichi verdattert und kratzte sich am Kopf. „Ja. Nein. Wir wollten heimlich zusammen herkommen, aber jetzt bin ich allein hier. Ich wollte mir das Konzert nicht entgehen lassen“, antwortete Hikari. „Und wieso ist er nicht mitgekommen?“ Ihre selbstbewusste Fassade bröckelte. „Er… naja… ist doch egal.“ Taichi runzelte die Stirn und musterte sie argwöhnisch und sah dabei Yuuko nicht unähnlich. „Du solltest echt wieder nach Hause gehen. Wenn Mama das rausfindet, bist du tot“, sagte Taichi trocken. „Du wirst ihr doch nichts sagen, oder?“ Sie versuchte, bedrohlich zu klingen, klang jedoch eher ängstlich. Taichi machte ein nachdenkliches Gesicht und fuhr sich durch die Haare. „Mann, Kari, wenn dir was passiert… und ich wusste, dass du hier bist… ich bin sozusagen der Verantwortliche.“ „Ich bin kein Kind mehr, okay?“, fuhr sie ihn an. „Ich hab‘ genauso ein Recht auszugehen wie du!“ „Okay, okay. Aber mach‘ keinen Scheiß, kapiert? Lass‘ dein Getränk nicht irgendwo stehen. Rede nicht mit schrägen Typen. Rede am besten mit niemandem, den du nicht kennst. Und trink‘ keinen Alkohol, klar? Und nach dem Konzert fährst du gemeinsam mit mir nach Hause.“ Er sah sie streng an. „Jaja, schon klar“, murrte Hikari peinlich berührt. Das Mädchen hatte alles mitangehört. „Ach, das ist übrigens Sora. Matts Freundin“, stellte Taichi nun seine Begleitung vor und betonte dabei besonders das Wort Freundin. Hikari ärgerte sich darüber, schenkte besagter Sora jedoch ein Lächeln, das diese erwiderte. Nun erkannte Hikari das Mädchen, dessen Aussehen Takeru ihr mal geschildert hatte: normal groß, sportlich, schulterlanges, rötliches Haar, hübsches Gesicht. „Das ist meine Schwester Kari“, stellte Taichi nun Hikari vor und schenkte ihr dabei einen mürrischen Blick. „Schön, dich endlich mal kennenzulernen. Tai hat schon viel von dir erzählt“, sagte Sora noch immer lächelnd. „Hat er das?“, fragte Hikari und hätte ihren Bruder am liebsten geschlagen. Wer wusste schon, was er dieser Sora alles über sie erzählt hatte? „Ja. Du sollst eine ziemlich gute Balletttänzerin sein“, erwiderte Sora. „Ich bewundere Menschen, die gut tanzen können. Ich kann das nämlich überhaupt nicht.“ „Kann sie echt nicht. Du solltest sie mal sehen“, kommentierte Taichi. „Mann, Tai!“, rief Sora gespielt beleidigt und verpasste ihm einen Klaps auf den Arm. Hikari kicherte gegen ihren Willen. Vielleicht war diese Sora ja gar nicht so schlimm, wie sie angenommen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)