Vielleicht irgendwann von Juju ================================================================================ 39. Kapitel, in dem man zusammen weniger allein ist --------------------------------------------------- Auf einmal kamen Hikari die Tage merkwürdig trostlos und öde vor. In der Schule starrte sie nur aus dem Fenster und dachte an Yamato und daran, wie er sie zurückgewiesen hatte. Noch nie hatte sie sich so entwürdigt, niedergeschlagen und ungeliebt gefühlt. Dabei versuchten sowohl Takeru als auch ihre Freundinnen Momoko und Kazumi nahezu dauerhaft, sie abzulenken und aufzumuntern. Sie war shoppen mit den Mädchen und verbrachte die Nachmittage mit Takeru, doch es änderte nichts. Sie lenkten sie alle ab, solange sie bei ihr waren, doch sobald sie allein war, schweiften ihre Gedanken sofort zu Yamato und dem, was sie verloren hatte. Zwei Wochen nach dem Vorfall, als sie gerade dabei war, sich für den Ausflug mit Takeru fertig zu machen, klopfte Taichi an ihre Zimmertür und trat unaufgefordert ein. „Warum klopfst du überhaupt, wenn dir sowieso egal ist, ob du rein darfst oder nicht?“, fragte sie, ohne ihn anzusehen. Sie stand vor dem Spiegel und schminkte sich. „Ich wollte nur mal wissen, wie es dir so geht“, sagte er, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen. „Gut, warum?“, erwiderte sie skeptisch. „Naja, hab‘ zufällig mitbekommen, dass da was Blödes passiert ist“, meinte er beiläufig. Hikari starrte ihn an. „Hat Matt dir etwa was erzählt?“ Er zuckte mit den Schultern. „Könnte man so sagen.“ „Oh nein“, stöhnte Hikari und fasste sich an die Stirn, wobei sie sich aus Versehen mit ihrer Wimperntusche anmalte. „Mist.“ „Es klang so, als wärst du ziemlich am Ende gewesen und Mama macht sich auch schon Sorgen um dich, weil du immer so traurig aussiehst“, erklärte Taichi und setzte sich auf Hikaris Bett. „Ist halt nicht so geil, eine Abfuhr zu bekommen“, murrte sie und wischte mit einem Taschentuch auf ihrer Stirn herum. „Mann, Kari. Ich dachte, diese Schwärmerei wäre schon seit einer Ewigkeit wieder vorbei“, sagte Taichi ungläubig und schüttelte den Kopf, während er sie beobachtete. „Es war keine Schwärmerei!“, rief Hikari. „Das hast du nur so abgestempelt. Du hast das einfach nicht ernst genommen.“ „Tut mir leid“, nuschelte er. „Was hat Matt gesagt?“, fragte sie und fragte sich gleichzeitig, warum sie das überhaupt wissen wollte. „Nur, dass du anscheinend in ihn verliebt bist und er glaubt, dass er dich ziemlich verletzt hat. Er hat es echt nicht geahnt.“ Hikari schnaubte verächtlich. Den schwarzen Strich auf ihrer Stirn hatte sie inzwischen weggerubbelt, dafür hatte sie an der Stelle nun einen roten Fleck. „Und er meinte, er hätte ein paarmal versucht, dich anzurufen, aber du bist nicht rangegangen“, redete Taichi weiter. „Mhm“, machte sie. Dreimal hatte er sie in den letzten zwei Wochen versucht, anzurufen, doch sie wollte unter keinen Umständen mit ihm reden. Am besten nie wieder. „Ähm… wie geht es dir denn jetzt?“, fragte er zögerlich. „Keine Ahnung“, grummelte Hikari und griff nach ihrer Tasche, um noch einmal zu kontrollieren, ob sie alles eingepackt hatte. „Kari, ähm“, begann Taichi zögerlich, „Matt hängt echt noch ziemlich an Sora und… ich glaube nicht, dass… naja, du bist eben…“ Hikari stellte ihre Tasche wieder ab, sah ihn an und verschränkte die Arme vor der Brust. Taichi seufzte tief. „Glaub mir, er hat dich echt gern, aber ungefähr so, wie ich dich gern hab‘. Und zumindest ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das in absehbarer Zeit ändert, weißt du?“ Eine Weile sahen sie einander an, dann wandte Hikari sich ab und tat, als würde sie noch einmal ihre Tasche kontrollieren. Sie hockte sich auf den Boden und wandte ihm den Rücken zu, damit er ihren verletzten Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Sie hörte, wie er aufstand und auf sie zukam. Sie spürte seine Hand auf ihrer Schulter. „Es gibt so viele nette Jungs da draußen und du bist sowieso noch viel zu jung. Überstürz‘ es nicht, okay?“ „Um es nicht zu überstürzen, ist es ein bisschen zu spät“, platzte Hikari schnippisch heraus, verärgert darüber, dass ihr Bruder sie schon wieder als kleines Mädchen betrachtete. „Wieso? Es ist doch noch nichts passiert und noch kannst du einfach…“ „Ich hatte schon Sex, okay?!“, rief sie und starrte ihn an. Er starrte zurück. „Du hattest was? Mit Matt?“ „Nein, natürlich nicht!“ Sie sprang auf, schnappte ihre Tasche und stürmte aus dem Zimmer. Taichi eilte ihr nach und hielt sie am Arm fest. „Mit wem dann?“ „Das geht dich nichts an!“, fauchte sie. „Geht es wohl! Raus mit der Sprache! Wer war es? Wolltest du das?“ „Lass‘ mich in Ruhe! Ich muss jetzt los!“ Sie riss sich von ihm los und griff nach dem Picknickkorb, den sie in der Küche bereitgestellt hatte. Yuuko warf den beiden irritierte Blicke zu. „Du kannst jetzt nicht einfach abhauen! Wer war der Typ? Takeru?“ „Oh mein Gott, nein!“ „Was war Takeru?“, mischte Yuuko sich neugierig ein und folgte Hikari und Taichi zur Wohnungstür, wo Hikari in ihre Schuhe schlüpfte. „Nichts!“, riefen sie und Taichi wie aus einem Munde. „Warum streitet ihr? Was ist los?“, fragte Yuuko und blickte vom einen zum anderen. „Könnt ihr mich nicht mal alle in Ruhe lassen?“, motzte Hikari, zog sich eilig die Jacke über und rannte aus der Wohnung, bevor ihr Bruder und ihre Mutter ihr noch weitere nervige Fragen stellen konnten.   Genüsslich schloss Hikari die Augen und ließ die wärmende Herbstsonne auf ihr Gesicht scheinen. Sie und Takeru saßen auf einer gepunkteten Decke im Park und ließen sich das Essen schmecken, das Hikari extra für heute vorbereitet hatte. Neben ihnen räucherte ein großer Haufen Herbstlaub vor sich hin. Süßkartoffeln schlummerten in seinem Inneren und warteten schon darauf, endlich gegessen zu werden. Hikari konnte es kaum erwarten. Sie beide liebten Süßkartoffeln. Zunächst waren sie eine Stunde mit dem Fahrrad gefahren und verbrachten nun ihre wohlverdiente Pause auf einer Wiese im schönsten Park Tokios. Natürlich hatte Hikari Takeru schon von dem Gespräch mit Taichi erzählt. „Ich würde am liebsten einfach hier bleiben. Für immer“, seufzte sie, ohne die Augen zu öffnen. „Ich glaube, du hast eine große Portion Ablenkung noch nötiger als ich“, stellte Takeru nüchtern fest. „Wir können das beide ganz gut gebrauchen, denke ich“, murmelte Hikari und lächelte leicht. Sie öffnete die Augen, um ihn anzusehen. Er musterte sie mit nachdenklicher Miene. „Ja, wahrscheinlich.“ Takeru stocherte mit einem Stock in dem rauchenden Laubhaufen herum und prüfte, ob die Kartoffeln schon weich genug waren, während Hikari sich aus einer Thermoskanne Tee einschenkte. „Sag‘ mal“, begann sie zögerlich, „glaubst du, du kannst irgendwann wieder normal mit Tai reden?“ Stirnrunzelnd sah er sie an. „Warum?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das mit Mimi ist jetzt schon über drei Monate her. Und ihr habt euch so gut verstanden. Er will sich wirklich wieder mit dir vertragen.“ „Das hätte er sich überlegen müssen, bevor er mir die Freundin ausgespannt hat“, erwiderte Takeru mit finsterer Miene. Sie biss sich auf die Unterlippe. „Naja, Matt“, es tat schon fast weh, seinen Namen auszusprechen, „hat da am Samstag irgendwie was Komisches gesagt.“ „Ach ja?“ Er klang argwöhnisch. „Ja. Er glaubt, dass es auch ohne Tai mit dir und Mimi nicht mehr lang gehalten hätte“, sagte Hikari. Takeru stöhnte genervt auf. „Ich hatte schon von Anfang an den Eindruck, dass er was gegen uns hat.“ „Und er glaubt auch, dass es besser so ist, wie es jetzt ist“, fügte Hikari hinzu. „Was?“ Ungläubig starrte Takeru sie an. „Naja, ich glaube, er meint damit, dass du und Mimi einfach nicht gut zueinander gepasst habt“, erklärte sie leise. Er schwieg einen Moment. „Glaubst du das auch?“ Sie sah ihn an. „Ich weiß es nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass es da noch jemanden gibt, der besser zu dir passt als sie.“ „Ach ja? Und wer soll das bitte sein?“, murrte Takeru desinteressiert. „Keine Ahnung.“ Er sah sie durchdringend an. „Das Gleiche kann ich dir übrigens auch über Matt sagen. Bin mir hundertprozentig sicher, dass es tausende Jungs gibt, die viel besser zu dir passen als er.“ „Jaja“, grummelte Hikari. Dann schwiegen sie beide wieder einen Augenblick lang. „Sieht so aus, als müssten wir jetzt beide suchen“, sagte er dann. „Mhm“, machte sie. „Und wir sollten wohl beide endlich versuchen, das, was war und nichts gebracht hat, abzuhaken und zu vergessen“, fügte Takeru hinzu. Hikari antwortete nicht. Sie wusste nicht, ob sie schon bereit war, Yamato loszulassen und zu vergessen. Er hatte in den letzten Jahren eine so wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt, dass es ihr unmöglich erschien, ihn einfach aus ihrem Herzen zu verbannen. Andererseits hatte er all die Jahre nichts davon gewusst. Ihm schien nicht einmal ansatzweise klar gewesen zu sein, welche Gefühle Hikari für ihn gehegt hatte. Und man konnte wohl nichts verlieren, was man nie besessen hatte. „Wenn wir das zusammen machen, ist es vielleicht nicht so schwer“, riss Takeru sie aus ihren Gedanken. Fragend sah sie ihn an. „Irgendwie müssen wir doch gerade beide durch eine ähnliche Sache durch und ich glaub‘, das macht es leichter. Zu zweit ist doch alles leichter und irgendwie, auch wenn das jetzt komisch klingt, bin ich froh, dass es dir gerade so geht wie mir. Und dass wir uns gegenseitig verstehen. Dann geht es bestimmt schneller.“ Sie lächelte leicht und nickte. „Irgendwie hast du ja Recht. Dann lass uns da zusammen durch und darüber hinwegkommen. Das schaffen wir locker.“ „Klar. Gar kein Problem.“ Sie lächelten sich an und schlugen ein. Hikari fühlte sich tatsächlich endlich einmal bedeutend besser. Es tat gut, Takeru immer an ihrer Seite zu wissen. Was auch war, sie konnte sich immer auf ihn verlassen und es wurde Zeit, dass sie das schätzen lernte. „Was machen eigentlich die Kartoffeln? Die sind doch da jetzt schon mindestens zehn Stunden drin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)