Vielleicht irgendwann von Juju ================================================================================ 66. Kapitel, in dem alle die wahre Liebe finden ----------------------------------------------- Zwei Monate später hatte Hikaris Situation sich wieder ein wenig beruhigt. Der Sommer stand vor der Tür und mit den Temperaturen war auch ihre Laune ein wenig gestiegen. Sie redete nicht mehr jeden Tag über den Verlust ihres Sohnes und schien auch über die Trennung von Willis hinweg zu sein, auch wenn dieser seitdem kein Wort mehr mit ihr gesprochen hatte. Sie waren gerade auf dem Weg zu Takerus Eltern, die vor einer Woche überraschend zusammengezogen waren. Dafür hatte Hiroaki seine Wohnung aufgegeben und sie lebten nun in der von Natsuko. Um das zu feiern, hatten sie ihre Söhne inklusive Anhang zum Essen und Feiern eingeladen. „Ich finde es immer noch einfach unglaublich, dass deine Eltern jetzt zusammenwohnen“, sagte Hikari kopfschüttelnd. „Ich habe es auch noch nicht ganz gerafft“, gab Takeru mit einem Grinsen zu. „Da fällt mir ein… ich habe dir nie erzählt, dass ich sie vor ein paar Monaten beim Sex erwischt habe.“ „Du hast was?!“, rief Hikari und blieb wie angewurzelt stehen. „Nicht dein Ernst!“ „Doch.“ Er drehte sich mit gequältem Blick zu ihr um. „Da wollte ich sie besuchen und kam eher als geplant. Sie waren auf der Couch im Wohnzimmer zugange.“ „Oh mein Gott!“ Sie machte große Augen. „Warum hast du mir das nicht erzählt?“ „Weil es mir total peinlich war! Und ihnen auch.“ „Aber sowas musst du mir doch erzählen! Das ist echt unglaublich!“ „Zu dem Zeitpunkt waren sie aber noch nicht zusammen. War alles irgendwie heimlich.“ „Mein Gott, wie zwei Vierzehnjährige.“ Hikari lachte. „Wem sagst du das?“ „Aber umso besser! Dein größter Wunsch ist in Erfüllung gegangen, T.K.! Ihr seid wieder eine Familie.“ Sie strahlte und setzte sich endlich wieder in Bewegung. „Ja naja… ich weiß noch nicht so richtig, was ich davon halten soll“, gab Takeru schulterzuckend zu. „Wieso nicht? Genau das hast du doch immer gewollt“, erwiderte Hikari verwirrt. „Was, wenn es wieder schief geht? Sie haben sich getrennt, weil mein Vater so wenig Zeit für die Familie hatte und er arbeitet jetzt nicht weniger als vor zwanzig Jahren.“ „Aber jetzt haben deine Eltern keine kleinen Kinder mehr zu Hause, um die sie sich neben der Arbeit kümmern müssen“, gab Hikari zu bedenken. „Das ist doch eine ganz andere Basis als damals. Jetzt kann deine Mutter sicher eher damit leben, wenn dein Vater mal wieder wochenlang zu viel arbeitet.“ „Vielleicht hast du Recht“, meinte er nachdenklich. Schließlich funktionierte diese Beziehung der beiden ja nun schon seit fast einem Jahr. Er hoffte einfach, dass seine Mutter andernfalls schon gemerkt hätte, dass es wieder nichts werden würde. „Natürlich habe ich Recht. Und jetzt lass‘ uns mal einen Zahn zulegen, sonst kommen wir noch zu spät.“ Yamato, Sora und Yuki waren schon da, als auch Takeru und Hikari endlich eintrafen. Yuki war inzwischen eineinhalb Jahre alt, lief relativ sicher durch die Gegend, konnte kurze Sätze sprechen und war gerade Hiroakis und Natsukos Mittelpunkt. Die beiden saßen auf dem Boden und halfen der Kleinen, mit Bauklötzen einen Turm zu bauen. Takeru und Hikari bekamen nur ein Lächeln zur Begrüßung, bevor sie sich wieder ihrer Enkelin zuwandten. „Prima machst du das!“, quietschte Natsuko und klatschte in die Hände, als Yuki gerade einen Baustein auf den Turm gelegt hatte. „Du bist wirklich clever. Wer ist mein cleveres Mädchen?“ Takeru warf Yamato und Sora, die auf der Couch saßen und das Geschehen beobachteten, einen verstörten Blick zu. „Was ist denn mit denen nicht richtig?“ Yamato verdrehte zur Antwort die Augen. „Wir wurden genauso begrüßt. Oder auch nicht begrüßt.“ „Das ist ganz schön deprimierend“, grummelte Sora mit einem genervten Gesichtsausdruck. „Ja. Bekommt bloß niemals Kinder. Sie beachten dich dann einfach nicht mehr.“ Yamato verschränkte die Arme und musterte seine Eltern mit gehobenen Augenbrauen. „Mama“, sagte Yuki da, rappelte sich vom Boden auf und brachte Sora mit strahlendem Lächeln einen Baustein. „Danke, Süße“, sagte Sora und nahm ihr den Stein aus der Hand. „Auch“, quietschte Yuki, griff mit ihren kleinen Fingern nach Soras Hand und zog daran. „Auch!“ Sora seufzte mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. „Das Schöne ist, für das Kind bleibt man die Nummer eins.“ Sie stand auf und setzte sich zu Yuki, Natsuko und Hiroaki auf den Boden. „Aber auch nur, wenn man die Mama ist“, murmelte Yamato, sodass sie es nicht hören konnte. „Schon mal was von Geschlechtsumwandlung gehört?“, fragte Takeru ihn grinsend. „Danke, ich verzichte.“ „Vielleicht solltest du mal genauer darüber nachdenken.“ Hikari kicherte und Natsuko stand endlich auf. „Ich gehe mal das Essen vorbereiten. Komm‘ mit, Takeru, bevor du weiter komische Ratschläge erteilst.“ „Das hast du gehört?“, fragte Takeru ungläubig. „Ich dachte, du hast noch gar nicht bemerkt, dass ich hier bin.“ „Halt‘ mich nicht für blöd, klar?“ Sie gingen in die Küche und Hikari setze sich neben Yamato auf die Couch. Takeru und Natsuko machten sich daran, das Abendessen aufzutischen. Der Großteil war schon vorbereitet. Natsuko hatte verschiedene kleine Speisen zubereitet, sowohl japanische als auch französische Gerichte, und begann, sie auf Tellern anzurichten. „Kari sieht wieder besser aus“, bemerkte sie wie beiläufig. „Oh, du hast gemerkt, dass sie auch hier ist?“, witzelte Takeru. Sie warf ihm einen genervten Blick zu. „Nun ist es aber gut, sonst gibt’s kein Essen für dich.“ „Ja, es geht ihr ganz gut“, meinte er nun ernst. „Das freut mich. Ich habe mir wirklich Sorgen um sie gemacht“, erwiderte Natsuko. „Sie war schon immer so zart und empfindlich und dann passiert ihr auch noch so etwas.“ „Sie ist stärker, als sie aussieht“, widersprach er. „Ja, sie ist erwachsen geworden. Ihr seid beide erwachsen geworden.“ Sie sah ihn vielsagend an. „Wie sieht es denn aus? Hast du eine Freundin in Aussicht?“ „Ähm…“ Verwirrt hielt er inne, Baguette in Scheiben zu schneiden. „Nicht wirklich.“ „Hm. Nicht mal in Aussicht“, murmelte Natsuko nachdenklich vor sich hin. „Ja und?“, erwiderte er ein wenig gereizt. „Naja, du bist fast dreiundzwanzig. Das ist durchaus ein Alter, in dem man den Partner fürs Leben kennenlernt“, erklärte sie langsam. „Ich bin in fast einem halben Jahr dreiundzwanzig“, entgegnete Takeru genervt. „Soll ich mir jetzt etwa irgendeine von der Straße aufsammeln, nur damit ich in einer Beziehung bin?“ „So meine ich das doch gar nicht“, seufzte Natsuko resigniert. „Ich meine nur, dass ich nicht verstehe, warum ein hübscher, netter junger Mann noch nie für längere Zeit eine Freundin hatte.“ „Mama…“ „Nicht schon wieder in diesem Ton!“, wies sie ihn zurecht. „Ich meine es doch nur gut mit dir.“ Sie drehte sich zu ihm und sah ihn durchdringend an. In ihren Augen erkannte Takeru seine eigenen Augen wieder. „Takeru…“, begann sie verheißungsvoll und legte eine Hand auf seinen Arm. „Ja?“ Argwöhnisch erwiderte er ihren Blick. „Ich möchte, dass du weißt, dass wenn du… also… wenn du Männer lieber hast als Frauen, dann ist das völlig in Ordnung. Das musst du nicht geheim halten. Für mich und Papa wäre das total okay.“ Einen Augenblick lang war Takeru sprachlos. „Tja, also… cool, dann kann ich es ja jetzt sagen. Ich habe seit sechs Jahren einen Freund und habe mich nur nie getraut, ihn euch vorzustellen. Aber jetzt, da ich euren Segen habe, werde ich ihn euch morgen vorstellen.“ Nun war es Natsuko, der die Worte fehlten. Mit offenem Mund starrte sie ihn an und schien zu überlegen, was sie erwidern sollte. „Das war ein Scherz“, sagte Takeru trocken. „Ich bin nicht schwul, Mama. Ich bin sehr sicher nicht schwul.“ Sie brauchte noch einige Sekunden, doch dann lachte sie ein wenig hysterisch. „Okay. Wenn das so ist, dann… okay. Schön.“ Takeru verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Was hatte diese seltsame Unterhaltung denn nur zu bedeuten? „Aber dann verstehe ich trotzdem nicht, warum du keine Freundin hast“, sagte Natsuko nun und machte sich wieder an die Arbeit. „Es war eben noch keine Passende dabei“, grummelte er und zuckte mit den Schultern. Wenn seine Mutter wüsste, wie viele Mädchen er schon getestet hatte… „Das heißt, du hast aber wenigstens ein paar Verabredungen?“, mutmaßte sie. „Könnte man so sagen.“ „Gut.“ Sie nickte und schien endlich so zufrieden zu sein, dass sie das Thema wechselte. „Wie läuft es mit deinem Buch?“ „Ganz gut soweit. Es hat sich ein Verlag gemeldet, der die Geschichte so verlegen würde, wie sie ist“, antwortete Takeru. „Oh, wirklich?“, erwiderte Natsuko überrascht. „Mit dem Ende?“ „Ja. Und so schlimm ist das Ende nun auch wieder nicht“, murmelte er ein wenig gereizt. Er verstand nicht, dass sowohl Yamato als auch seine Mutter sich ständig über das Ende ausließen. Es war doch nicht Takerus Schuld, dass im Leben der beiden doch noch alles glatt gelaufen war in Liebesdingen. Deshalb galt das noch lange nicht für alle anderen Menschen. Und es wäre doch ziemlich daneben, nur Bücher zu veröffentlichen, an deren Ende alle glücklich waren. „Es ist nicht schlimm. Nur ein wenig… unbefriedigend“, kommentierte Natsuko nachdenklich. „Aber es freut mich, dass es jetzt veröffentlicht wird. Du solltest dich viel mehr darüber freuen!“ „Ich freue mich doch“, erwiderte er. „Ich kann es nur noch nicht so ganz glauben.“ „Ich auch nicht. Das ist wirklich eine große Sache“, meinte sie euphorisch. „Vielleicht startest du jetzt eine ganz neue Karriere.“ „Oder es floppt total“, seufzte Takeru. „Ach was, es floppt bestimmt nicht. Du wirst schon sehen. In zwei Jahren bist du Millionär.“ Sie klopfte ihm auf die Schulter und grinste ihn an. „Haha“, machte er trocken. „Abwarten, mein Lieber.“ Sie zwinkerte verschwörerisch. „So und jetzt habe ich langsam echt Hunger.“   Es wurde ein überaus angenehmer Abend voll guter Laune und mit etwas zu viel Alkohol. Die kleine Yuki wurde am Abend in ihr Reisebett gepackt und würde die Nacht bei ihren Großeltern verbringen, worüber vor allem Yamato sich freute. Er hatte Takeru in einer ruhigen Minute zu verstehen gegeben, dass sein Liebesleben unter dem Kind litt und dass dies seine erste Nacht mit Sora ohne Yuki war. „Ich liebe die Kleine über alles, aber in der Hinsicht ist es echt anstrengend“, murmelte er. „Aber sie ist doch noch so klein, dass sie eh nichts mitbekommt“, antwortete Takeru ein wenig verständnislos. „Trotzdem fühlt man sich beobachtet und muss sich zurückhalten, damit sie nicht aufwacht“, grummelte Yamato mit finsterer Miene. „Danke, dass du mir einen Einblick lieferst, wie ihr die Nacht verbringen werdet.“ Nun lachte er und verpasste ihm einen Klaps auf die Schulter. „Ach komm‘ schon. Du bist doch kein Kind mehr.“ Ein dreckiges Grinsen schlich sich auf seine Lippen, sodass Takeru schon skeptisch die Augenbraue hob. „Als ob du und Kari die Nacht anders verbringen würdet.“ „Alter, wenn du jetzt wieder damit anfängst…“, fing Takeru mit drohender Stimme an, doch Yamato machte eine wegwerfende Handbewegung. „Jaja, schon gut. War ja nur ein Witz. Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass ihr es doch irgendwann mal auf die Reihe bekommt.“ Takeru wusste nicht, was er von dieser Bemerkung halten sollte. Natürlich hatte sein Bruder ihn immer damit genervt. Wie oft hatte er ihm Tipps geben wollen, wie aus ihm und Hikari doch noch etwas werden konnte? Wie oft hatte Takeru ihm klar gemacht, dass das keinen Sinn hatte und wie oft war Yamato das egal gewesen? Und nun glaubte selbst er nicht mehr daran. „Kein Grund, gleich so ein Gesicht zu machen“, meinte Yamato und stieß mit dem Ellbogen gegen seinen Arm. „Das Mädchen deiner Träume kommt schon noch. Und bis dahin lässt du einfach deinen Trieben freien Lauf.“ „Matt, du bist echt dämlich“, murmelte Takeru, sodass Yamato erneut lachte. „Aber jetzt mal im Ernst“, sagte er dann und wurde tatsächlich ernst. „Tai und ich hatten letztens so eine Idee.“ „Aha?“ Argwöhnisch hob Takeru eine Augenbraue. „Wir dachten uns, wir könnten mal wieder etwas zu viert unternehmen. Das haben wir doch schon ewig nicht mehr gemacht.“ „Ja…“ „Und wir dachten da eventuell ans Rock in Japan.“ Überrascht sah Takeru ihn an. Das Rock in Japan war ein beliebtes Festival in Hitachinaka, ganz in der Nähe von Tokio. Dort traten hauptsächlich nationale Rock- und Popbands auf, jedoch auch einige internationale Künstler. Das Festival ging über drei Tage und fand Anfang August statt. „Wir dachten, es könnte vielleicht witzig werden und bestimmt würde es Kari gut tun, mal ein bisschen die Sau rauszulassen.“ Sie sahen beide zu Hikari, die sich gerade mit Sora und Hiroaki unterhielt. „Klingt eigentlich gar nicht schlecht“, meinte Takeru nachdenklich. Es würde ihnen sicher allen gut tun, mal raus zu kommen und ein paar Tage lang den anstrengenden Alltag komplett zu vergessen. „Dann bist du also dabei? Super.“ Yamato grinste. „Wir könnten Kari ja damit überraschen. Wir tun einfach so, als würdest du mit ihr einen Ausflug machen und dann landet ihr zufällig beim Festival.“ „Hm.“ Takeru überlegte, ob Hikari sich über so eine Überraschung wohl freuen würde. Wahrscheinlich schon. Sie hatte öfter erwähnt, dass sie es schade fand, dass sie gar nichts mehr zu viert unternahmen und sie die alten Zeiten vermisste. Also sollte diese Idee sie eigentlich begeistern. „Ich glaube, das könnten wir so ins Auge fassen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)