Vielleicht irgendwann von Juju ================================================================================ Epilog: Epilog, in dem ein Kind bleibt -------------------------------------- Leise stöhnte Hikari auf und verzog das Gesicht vor Schmerzen. Takeru presste die Lippen aufeinander, als er sie beobachtete. Ihre Hand umklammerte seine so fest, dass es schon weh tat, doch das bemerkte er kaum. Mit der freien Hand streichelte er ihr über den Handrücken. „Du machst das super“, sagte Kayoko, die Hebamme, und streichelte Hikari über das angewinkelte Knie. „Du darfst nur noch nicht pressen.“ Hikari nickte langsam und sah zu Takeru. Schweiß benetzte ihre Stirn und in ihrem Blick lag Verzweiflung. „Ich hab‘ solche Angst.“ „Das brauchst du nicht“, sagte er und bemühte sich um ein zuversichtliches Lächeln. „Alles wird gut. Es ist alles in Ordnung.“ Er fühlte sich ein wenig schuldig an der aktuellen Situation. Immerhin hatte er sie vor knapp einem Jahr dazu überredet, ein Kind zu bekommen. Es war nicht so, dass sie keine Kinder gewollt hatte, doch nach der Totgeburt war sie so verängstigt gewesen, dass sie eigentlich nicht noch einmal hatte schwanger werden wollen. Doch Takeru hatte es geschafft, sie umzustimmen, sodass sie sich von ihrer Ärztin hatte beraten lassen, das Internet durchwühlt und schließlich eingewilligt hatte, es mit einem Kind zu versuchen. Sofort beim ersten Versuch war sie schwanger geworden und alles war von Anfang an besser gelaufen als bei ihrer ersten Schwangerschaft. Zwar war ihr auch einige Wochen lang übel gewesen, jedoch war es nach ihrer Aussage nicht so schlimm wie beim ersten Mal. Auch dem Baby ging es gut. Alles war genau so gewesen, wie es sein sollte. Und doch war Hikari immer nervöser geworden, je näher der Geburtstermin gerückt war. Nicht weil sie Angst vor der Geburt an sich oder den Schmerzen hatte, sondern weil sie befürchtete, sie könnte wider ein totes Kind zur Welt bringen. Jede Kleinigkeit – sei es ein Ziehen im Bauch, eine bisher unbekannte Bewegung des Babys, Kopfschmerzen oder eine Erkältung gewesen – hatte sie nahezu panisch zum Arzt rennen lassen. Und nun lag sie hier und hatte trotz ordnungsgemäßen Herzschlags des Babys Angst vor einer Totgeburt. Behutsam strich Takeru ihr durchs Haar. „Denk‘ an was Schönes. Wenn es Laufen lernt. Oder Sprechen. Der erste Tag im Kindergarten. Die Einschulung. Irgendwas.“ Erneut nickte Hikari und stöhnte wieder auf, als eine weitere Wehe sie erfasste. Takeru küsste ihren Handrücken. Er konnte es kaum erwarten, das Baby endlich in seinen Armen zu halten. Sie hatten sich nicht sagen lassen, was es wurde. Sie wollten diesen neuen Lebensabschnitt völlig unbefangen antreten. „Ich hoffe so sehr, dass es gesund ist“, seufzte Hikari atemlos. „Wird es“, erwiderte Takeru überzeugt. „Ich bin mir ganz sicher.“ „Mit dem Baby ist alles in bester Ordnung. Und mit der nächsten Wehe kannst du pressen“, mischte Kayoko sich ein. Hilfesuchend sah Hikari zu Takeru, der schief lächelte. „Besser raus als rein.“ „Nicht hilfreich“, grummelte sie. Und dann ging es los. Die nächste Wehe ließ sie kurz wimmern, doch dann kniff sie die Augen zu und presste. Es war so anders, als es immer überall gezeigt und erzählt wurde. Hikari gab keinen Mucks von sich. Keine Spur von schmerzerfüllten Schreien und wilden Anschuldigungen Takeru gegenüber. Dafür zerquetschte sie seine Hand. Doch sie japste, als sie wieder Luft holen konnte. „Du machst das super. Schön neue Kraft sammeln. Es geht gleich weiter“, wies Kayoko sie an. Hikari rang nach Atem und Takeru streichelte beruhigend ihren Arm. Hikari musste schon ziemlich erschöpft sein und er hoffte, dass sie noch genügend Kraft übrig hatte. Immerhin waren sie schon seit fünf Stunden im Krankenhaus. Die folgenden Minuten schienen sich ewig hinzuziehen. Unter Kayokos Anweisung presste Hikari, holte keuchend Luft und presste wieder. Takeru fühlte sich unterdessen vollkommen hilflos und unnütz. Er konnte nichts machen, als dort an ihrem Bett zu sitzen, ihre Hand zu halten und ihr hin und wieder mit einem feuchten Tuch die Stirn abzutupfen. „Ich kann schon das Köpfchen sehen!“, rief Kayoko freudig. Hikari gab einen wimmernden Laut von sich und Takeru machte Anstalten, nachzusehen, doch sie hielt seine Hand fest und zog ihn zurück. „Du hast… es versprochen“, keuchte sie. Schon Wochen vor der Geburt hatte er ihr schwören müssen, nicht hinzusehen, da sie Angst hatte, es könnte ihn traumatisieren und anschließend würde er sie abstoßend finden. Er hatte versucht, ihr zu erklären, dass das Blödsinn war, doch davon hatte sie nichts hören wollen. Erneut presste Hikari und ein breites Grinsen legte sich auf Kayokos Lippen. „Der Kopf ist da“, sagte sie freudestrahlend. „Gleich hast du es geschafft. Ich muss es nur ein wenig drehen.“ Auch Takeru konnte nun nicht anders als zu grinsen. Endlich war es soweit. Hikari hingegen schien noch nicht nach Freude zumute zu sein. Ihr Gesicht war noch immer schmerzverzerrt und sie seufzte leise. „Noch einmal pressen, dann haben wir es“, feuerte Kayoko sie an. Und Hikari presste ein letztes Mal mit zusammengekniffenen Augen, ein Ruck ging durch ihren Körper und der erste Schrei des Babys ertönte. „Geschafft!“, rief Kayoko erfreut, die das sich beschwerende Baby in den Händen hielt und sogleich auf Hikaris Brust legte. „Es ist ein Mädchen.“ Geräuschvoll keuchend legte Hikari die Hände auf das winzige Mädchen, das eine graublaue Hautfarbe hatte. Hikari wirkte völlig erschöpft. Tränen liefen ihr über die Wangen, doch ein erleichtertes Lächeln lag auf ihren Lippen. Überglücklich küsste Takeru sie auf die Stirn und streichelte seinem Baby vorsichtig über das kleine Köpfchen. „Das hast du super gemacht.“ „Möchtest du die Nabelschnur durchschneiden?“, fragte Kayoko lächelnd an Takeru gewandt und hielt ihm eine Schere entgegen. Seine Hände zitterten, als er seine Tochter von ihrer Lebensader trennte, die sie nun, da sie endlich auf der Welt war, nicht mehr brauchte. Anschließend, während Hikari versorgt wurde, entfernte Kayoko sich mit dem kleinen Mädchen auf dem Arm und Takeru auf den Fersen, um das Baby zu untersuchen, zu säubern und anzuziehen. Takeru sah aufmerksam dabei zu, wie seine winzige, sich beschwerende Tochter gemessen, gewogen, gewaschen und gewickelt wurde. Er durfte helfen, sie anzuziehen, wobei er Angst hatte, ihr wehzutun. Kayoko jedoch bestand darauf, dass er es selbst machte und gab ihm gut gelaunt Anweisungen. Schließlich steckte die Kleine in ihrem ersten Strampler und Takeru trug sie behutsam zurück zu Hikari. Lächelnd nahm sie das Baby in ihre Arme und Takeru ließ sich wieder neben ihr auf dem Hocker nieder. Verliebt betrachteten sie beide das Leben, das sie erschaffen hatten. „Wie soll sie denn heißen?“, fragte Kayoko und musterte alle drei erwartungsvoll. Takeru tauschte einen Blick mit Hikari, bevor sie gleichzeitig antworteten. „Sumiko.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)