Cursed Shadow von _-Merle-_ (- verliebt in einen Dämon -) ================================================================================ Kapitel 12: Warum? ------------------ Wir liefen schon eine ganze Weile durch die Stadt. Mit schnellem Schritt folgte ich dem Schattenmann. Er lief vor mir her und hatte ohne Weiteres ein rasches Tempo aufgelegt. Meine schmollenden Blicke sah er hinter sich nicht. Vielleicht bemerkte er sie, reagierte jedoch nicht darauf. Schließlich versuchte ich ihn einzuholen. „Warum hast du es denn so eilig?“, jammerte ich, „Es ist noch sehr früh. Nami wird noch lange genug in der Schule sein.“ Es erfolgte keine Antwort. Er lief strickt und gedankenversunken weiter, ohne sich nach mir umzudrehen. „Hey. Halloo? Das nervt total wenn du nicht antwortest!“, nörgelte ich und verlangsamte wieder mein Tempo. Er drehte seinen Kopf nur leicht zur Seite und sah mich kurz an. „Ich muss wissen, ob deine Freundin etwas über den Abend weiß.“, antwortete er leise und richtete sich wieder nach vorn. Dass ich Probleme hatte, mit ihm Schritt zu halten um ihn akustisch zu verstehen, interessierte ihn gar nicht erst. „Deeon MUSS etwas damit zu tun haben! Und falls sie auch unter einer Gedächtnislücke leidet, muss ein Engel etwas damit zu tun haben! Und dieser Engel ist Deeon.“, erklärte er immer leiser werdend. Aufmerksam hörte ich zu und steigerte mein Tempo, welches ich jedoch nicht lange halten konnte. Ich holte etwas Anlauf. Dann hopste ich ihm schnell nach, doch er war wieder schneller und wurde einfach nicht langsamer. Er faselte seinen Monolog ungeachtet weiter, ohne, dass ich mehr mitbekommen durfte, was er sich selber sagte. Also blieb ich schnurstracks stehen, „Hey!“, und stampfte auf den Boden. „Ohne mich kannst du sowieso nicht weiter!“, rief ich ihm hinterher und überkreuzte meine Arme wütend ineinander. Ich begann gerade mit dem Fuß auf den Boden zu klopfen und auf seine Reaktion zu warten. „Warum denkst du immer nur so schlecht von Deeon! Was ist, wenn er nichts damit zu tun hat? Fragen wir ihn doch einfach!“, fügte ich hinzu. Endlich blieb der Junge stehen. Einen Moment lang stand er nur schweigend dort und sah über seine rechte Schulter zurück. Dann drehte er sich zu mir um und sah mich mit seinem grimmigen Blick an. Diese Miene hatte ich schon oft genug gesehen. Sie machte mir schon keine Angst mehr. Unsicher, ob ich nun weiter sprechen sollte, konnte ich trotzdem nicht meinen Mund geschlossen halten. Als er mich schließlich aus der Ferne ansah und seine Hände wartend in seine Hosentaschen legte, forderte er mich schweigend auf, weiter zu laufen. Ich wollte seine Sturheit aber nicht unterstützen. „Du solltest unbedingt mal lockerer werden.“, riet ich ihm und hob den Finger grinsend. Nun hörte ich ein genervtes Stöhnen von ihm. Mit gleichbleibender genervter Art kam er plötzlich auf mich zu. Seine Augen blickten grimmig auf mich herab und er kam mir ganz nahe. Ich wich überrascht zurück und hob schützend die Arme vor mich. „Äh... erst so distanziert und jetzt plötzlich so bedrängen.“, sagte ich ängstlich und doch grinsend. Aber nur mit dem Hintergedanken, ihn mit ein wenig Spott von seinen finsteren Gedanken abzubringen. Doch sein Blick wurde nicht freundlicher. „Sei einfach still.“ Seine Reaktion erschrak mich etwas. Hatte ich wieder zu viel gesagt? Habe ich ihn mit meinen Worten verletzt? Immerhin war es für ihn ein ernstes Thema und ich respektierte es nicht. Im Gegenteil, ich versuchte ihn sogar zu ärgern.War das falsch? Ich biss auf meine Lippe und sah nachdenklich herab. Auch wenn er nun ein normaler Mensch war und mit mir nun in meiner heimischen Umgebung spazierte, vergaß ich, weshalb wir das taten. Für einen kurzen Moment hatte ich den Ärger und das Negative ausgeblendet. Ich wollte nicht, dass ständig eine düstere Stimmung herrschen sollte und versuchte unterbewusst, dagegen anzukämpfen. War das richtig? Ich erkannte nun die Situation. Bedrückt zupfte ich etwas an meinem Rock. „Es tut mir- WUA!“ doch ehe ich etwas sagen konnte, packte er meinen Arm, faste meine Hüfte und hob mich plötzlich mit Schwung über seine Schulter. „He.. Hey! Was wird das?!“, fragte ich panisch. Ich fuchtelte hektisch mit den Füßen und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. „Du bist mir zu langsam.“, bekam ich nur gelassen als Antwort. Ich hörte, wie seine Stimme von einem dezenten Grinsen untermalt wurde. Der Schattenmann hielt mich an meinen Beinen und an meinem rücken Rücken, drehte sich um und folgte wieder seinem Ziel. Ich musste kurz begreifen, was nun passiert war. Denn ich hatte die Situation wohl falsch gedeutet. Er war nicht sauer oder verletzt. Meine Worte nahm er sich nicht einmal zu Herzen. Es störte ihn nur, mein langsamer Gang. Ergeben und erleichtert ließ mich schlapp an seinem Rücken herunter hängen. „Pizza ersetzt wohl deine Kräfte, was?“, nuschelte ich lächelnd und und drehte gelangweilt meinen Kopf zur Seite, zwischen meinen herunter baumelnden Armen. Es war still. Ich genoss es von ihm getragen zu werden. Besonders aber erfreute mich die Tatsache, dass er nicht sauer auf mich war. Auch wenn ich meinen Mund wieder nicht zügeln konnte. Doch die Stille wurde nach einer nachdenklichen Minute des Schattenmannes unterbrochen. „Was findest du nur so besonders an dem Typen?“ Hörte ich ihn plötzlich fragen. „Ich denke, dir ist bewusst, dass er nur so besonders auf dich wirkt, weil er ein Engel ist.“, murmelte er mürrisch weiter. Sein Schritt wurde energischer. „Nein. Das ist es nicht.“, antwortete ich ehrlich während ich mit meinen Gedanken bei Deeon war. „Ich weiß was du meinst, aber es ist nicht diese Ausstrahlung die du meinst. Das was ich fühle, ist viel vertrauter. Seine Nähe fühlt sich so vertraut an. Als wäre er schon immer bei mir gewesen. Auch wenn wir uns kaum kennen, weiß ich, dass er so etwas... wie ein Verbündeter ist.“ „Wir sind doch auch Verbündete... Deeon ist doch nur ein Lügner.“, kam es unterschwellig und zögernd von ihm. Auch wenn wir uns nicht in die Augen sehen konnten, spürte ich seine Ehrlichkeit und seine Unsicherheit. Wie auch er meine Gefühle und mein pochendes Herz für Deeon aus meinen Worten hören konnte. Meine Wangen wurden rot und ich richtete mich etwas mit meinem Oberkörper auf. „DU!“, begann ich laut zu werden. „Von wegen Verbündete! Wegen DIR gerate ich immer nur in Schwierigkeiten! Du bist ein Spanner! Und du bist dickköpfig!“, motzte ich ihn an und fuchtelte mit meinen Beinen herum. Er setzte seinen Griff nach und drückte mich mit seiner Schulter etwas hoch. „DU kümmerst dich doch selber darum, immer in Schwierigkeiten zu geraten! ICH habe keinen Dämon beschworen, den ich herausfordern wollte!“ „Nami hat mich gezwungen! Das war Gruppenzwang!“ „Ich habe auch keinen Dämon in der Schule dumm angestarrt, sodass er mich töten wollte!“ „Er hat mich angerempelt!“ „Und ich wollte auch nicht, - obwohl ich weiß dass ich klein und schwach bin, - in einer dunklen Seitengasse ein gruseliges, total auffälliges Mädchen trösten, das mich töten wollte!“ „Das war nicht meine Schuld, dass ich alleine war!“ „Und ich bin keine Heulsuse, die ständig gerettet werden-“ „Du bist zu weit gelaufen!“, unterbrach ich unseren Streit. Der Schattenmann zügelte seine Rage und blieb verdattert stehen. „He?“ Ich klopfte mit einer Hand auf seinen Rücken und mit der Anderen zeigte ich zur Seite. Stumm sah er den Weg entlang. Dort erkannten wir auch schon das große ummauerte Gebäude der Schule. „Endlich!“, atmete er gelassen aus und stellte mich wieder ab. Schnell richtete ich meine Kleidung und drehte mich in die gleiche Richtung. Ehe der Schattenmann weiter laufen konnte, hielt ich ihn jedoch an seinem weißen, hoch gekrämpelten Ärmel. „Warte!“, forderte ich ihn mit Bedenken auf. Er sah mich überrascht an. Dass ich ihn nun so nachdenklich und zurückhaltend ansprach, verwunderte ihn. „Also... die Schule ist ein Ort, wo ich fast mehr Zeit als zu Hause verbringe. Bitte stell nichts doofes an. Egal was andere sagen.“, zögerte ich und wurde immer leiser mit der Stimme. Ich faltete ein wenig meinen Rock hin und her und sah zu Boden. „Es.. gibt Leute an der Schule, die sind ziemliche Raufbolde. Und... die mögen mi- ... die mögen manche Leute nicht.“, versuchte ich stotternd zu erklären. „Sobald du zu auffällig wirst... dann... naja. Lass es einfach.“ Er sah kurz wieder zu Schule und überlegte nicht lange. Ohne zu zögern zuckte er mit den Schultern. „Hmh. Meinetwegen.“ Plötzlich merkte ich seine Hand auf meinem Kopf. „Mach dir keine Sorgen.“, lächelte er mich nun freundlich an. „Wenn etwas schief geht, benutze ich einfach die!“, grinste er und zückte die Engelsfeder aus seiner Hosentasche. „Für alle Menschen, die mich damit sehen, werde ich imponierend, anziehend, heroisch, attraktiv, respektabel und beachtlich wirken.“ erklärte er stolz und hielt die Feder selbst überzeugt hoch. Spannend sah ich erst auf die kleine, weiße Feder in seiner Hand. Danach wanderte mein Blick auf sein überhebliches Gesicht. Ich betrachtete ihn einen Moment. Schließlich grinste ich frech und blickte ihn direkt an. „Und warum wirkst du auf mich nur voreingenommen und arrogant?“ Sein Stolz zerfiel in ein genervtes Zähneknirschen und runzelnde Stirnfalten „Weil du einfach eine Ziege bist! Deswegen!“, motzte er und schlug mir leicht auf den Kopf. Auf den letzten Schritten bis zum Gelände, erklärte ich ihm einige, für Schüler selbstverständliche Regeln an diesem Ort. Dass man Lehrern Respekt zeigen muss, indem man ihnen zuhört oder sie zumindest nicht unterbricht, dass man bestimmte Orte nicht betreten darf, wie als Mann, die Frauentoilette, dass man den Raum während des Unterrichts nicht einfach verlassen darf und auch nicht von seinem Platz aufstehen sollte, waren dem Schattenmann ganz neue Regeln. Einfache Regeln, die jedoch nicht mit seinem Ego übereinstimmten. Stundenlanges Herumsitzen, nur um jemanden zuzuhören, danach das Aufgenommene anzuwenden und je nachdem wie gut der Lehrer den Inhalt erklärt hat, wie gut man es verstehen konnte und wie gut man es wiedergeben konnte, eine Benotung zu erhalten, die vorgibt, wie toll man im späteren Leben sein soll und was man arbeiten darf. Das fand er unangemessen um sich Wissen aneignen zu dürfen. Doch ihm den Sinn der Benotung zu erklären oder überhaupt mit ihm darüber zu diskutieren fand ich Aussichtslos. Ich hatte eher ein kleines Augenrollen mit einem Schmunzeln dafür übrig. Schließlich betraten wir den Schulhof. „So da sind wir!“, sagte ich erleichtert und deutete mit ausgestreckter Hand auf das große Gebäude, welches aus einem großen Gebäude in der Mitte bestand und links und rechts jeweils ein abstehendes, kleineres Gebäude angebaut wurde. Der Schattenmann lief neben mir her und war nicht weiter beeindruckt. Immerhin hatte er ja schon diesen Ort gesehen. Er wollte nur zu Nami, um an Informationen zu kommen, um alles zu erfahren, was sie wusste. Das war sein Ziel. Ich nahm meinen Arm wieder herunter und deutete mit einer kleinen Kopfbewegung auf den Eingang der rechten Seite. „Da durch, dann auf den Innenhof und zu der Bank. Es ist noch Pause. Entweder sitzen wir auf der Bank vor dem Gebäude oder hinter dem Gebäude. Da sie hier aber nicht sitzt, wird sie hinten wohl sitzen.“ erklärte ich und lief voraus. Der Schattenmann wirkte jedoch etwas angespannt und blieb noch einen Moment steif stehen. Er blickte sich unauffällig und kampfbereit um. Trotz lässiger Miene war er innerlich nervös. Er drehte seinen Kopf leicht zur Seite und beobachtete die anderen Schüler. Ich ging wieder zurück. „Was hast du denn?“, fragte ich und legte lächelnd einen Finger auf meine Wange. Ich kannte diesen Blick. So angespannt saß er beim Eisessen auch am Tisch und sah sich stets um. Dass er immer auf der Hut war, konnte ich ihm nicht verübeln. Doch nun war er bei mir und er war kein Dämon mehr. Ich fühlte mich dafür verantwortlich, mich um ihn in dieser Welt zu kümmern. Er war geschwächt und war aufgeschmissen in dieser Welt, in welcher ich mich jedoch sehr gut auskannte. Ich war die einzige Bezugsperson für ihn. Ich konnte ihn nicht dieser ständigen, angespannten Wachsamkeit überlassen. Also sanft seine Hand und deutete mit einem kleinen, langsamen Schritt auf den Eingang. „Du brauchst keine Angst zu haben. Deeon sagte mir, dass er aufpassen wird.“ Irgendwie versuchte ich ihm seine Angst zu nehmen. Doch er sah verblüfft meine Hand an, welche seine umfasste. Dann blickte er weg. „Vielleicht auf dich. Aber nicht auf mich.“, flüsterte er mir verärgert zu und stellte sich näher vor mich. „Merkst du nicht, dass wir ständig angestarrt werden? Jeder könnte ein Dämon sein. Und ich würde es nicht einmal merken.“, gab er misslaunig zu. Nichtsahnend sah auch ich mich nun um. Mir blieb der Atem stehen. Er hatte recht. Entgeistert erkannte ich gaffende Blicke, die wir auf uns gezogen hatten. Sie tuschelten, richteten sich zu uns und drehten sich schnell wieder weg. Es war nur vereinzelnd, bereitete mir dennoch Bedenken. Unter dieser Atmosphäre wurde ich nervös. Warum sahen sie her? Was flüsterten sie? Ich drehte mich ratlos zum Schattenmann. Auch er fühlte sich unwohl. Wir wirkte wie zwei Außenseiter, auf denen ein heller Spot gerichtet war. Langsam drehte ich mich etwas zur Seite und stellte mich näher an ihn. Wir fasten unsere Hände fester ineinander. Ob seine Nähe nun mich beruhigen oder meine Nähe ihn beschützen sollte, war mir unklar. Beides würde wohl nicht helfen. Sollte uns ein Dämon angreifen, wären wir ihm kraftlos ausgeliefert. Ich hoffte nur noch auf Deeons Hilfe. Es ergriff mich der Ernst und die Angst. Leicht schaute ich über meine Schulter und beobachtete aus welcher Richtung das Starren kam. Es waren überwiegend Mädchen, die uns beobachteten. Manche zeigten ein entzücktes Lächeln, andere ein böses Grübeln. Einige dieser Gesichter kamen mir sogar bekannt vor und gehörten meinem Jahrgang an. Da kam es mir plötzlich wie ein Blitz! Ertappt riss ich die Augen auf und richtete mich vom Schattenmann weg. Sofort richtete ich meinen Blick verlegen zu Boden und faste mir mit der anderen Hand vor den Mund. Mein Gesicht wurde glühend rot. „Yuki! Was hast du?“, ihn beunruhigte meine plötzliche Reaktion. Doch vor Scham drehte ich mich nicht zu ihm um. „Komm schon! Mach dir keine Sorgen. Es ist alles ok. Vertrau mir.“, antwortete ich ihm nur abgewandt. Ich wollte nicht, dass er mein beschämtes Gesicht sieht. Aus meinem sanften Halten seiner Hand wurde nun ein fester Griff an seinem Arm. Ich packte ihn sofort am Handgelenk und zerrte ihn schweigend hinter mir her. Wir ernteten diese Stielaugen, da ich mit dem Schattenmann hier war. Der Junge, der vor Kurzem noch von einem Schwarm Mädchen begrüßt wurde, nur weil er an dem Schultor stand. Und nun konnte jeder sehen, dass ich ihm irgendwie nahe stand. Das letzte Mal ging die Meute verärgert weg, als sie erkannten, dass er nur meinetwegen gekommen war. Ich stellte Konkurrenz dar. Aber gerade ich, die nie etwas mit dem anderen Geschlecht zu tun hatte und allem versuchte aus dem Weg zu gehen, macht nun so auf sich aufmerksam. Immerhin war er tatsächlich hübsch und ansehnlich. Besonders, nachdem er nun menschlicher aussah. Was glauben sie nur über mich? Hoffentlich komme ich dadurch nicht in Schwierigkeiten. Ich malte mir alle typischen Möglichkeiten aus, wie über mich hergezogen werden konnte. Während ich mich innerlich extrem ärgerte, folgte der Schattenmann mir nur stillschweigend. Zwar wusste er die Situation nicht richtig einzuschätzen, doch bemerkte er wohl, dass ich die Angelegenheit durchschaut hatte und konnte sie als ungefährlich einstufen. Er war von meinen gelaunten und doch drängenden Worten etwas konfus, nahm es jedoch bedenkenlos hin und ließ sich von mir wegbringen. Da ich nun wusste, um welches Thema es sich bei der Tuschellei handelte, verstand ich sogar diesen und jenen Satz. „Yuki mit dem heißen Typen? Wer ist das? Oh schnell weg, sie guckt.“ „Was macht so einer zusammen mit Yuki?“ „Die ist doch sonst unattraktiv.“ „Der wird sich doch nie so eine aussuchen.“ „Er hat bestimmt eine Wette verloren. Das ist immerhin Yuki.“ Ich drückte die Zähne nachdenklich aufeinander und stampfte einfach weiter. Einige ihrer Worte verletzten mich. Diese Lästereien kannte ich nur zu gut. Sobald sie merken, dass man sich nicht wehrt, ist man ein gutes Ziel. Daher war es wichtig für mich, nicht aufzufallen, damit es auch kein Gesprächsstoff über mich geben konnte. Auch wenn ich nie etwas falsch gemacht hätte, fänden Menschen immer ein Thema zum lästern. Nur um ihre Langeweile zu füllen, suchen sie nach dem nächsten Opfer. Nicht immer ist ein Angriff damit beabsichtigt, doch viele merken nicht, dass diese Worte oft bemerkt werden und verletzen. Mein Gang war nun schnell und verbissen. Die fragenden Blicke des Schattenmannes merkte ich in meinem Rücken, konnte sie aber nicht beantworten. Also machte ich stur einen Schritt nach dem anderen, ohne aufzublicken. Meine Haare verdeckten mein errötetes Gesicht. Schnell flüchtete ich mit ihm in das Gebäude. Eine kleine Gruppe von Mädchen standen direkt am nächsten Fenster. Sie sahen uns überrascht an und suchten sofort das Weite. Ich hatte das Gefühl, als würden wir verfolgt werden. „Was ist denn los?“, hörte ich den Jungen aufmerksam hinter mir. Seine Worte versuchte ich zu ignorieren und einfach meinem Weg zu folgen. Sollten wir gleich an der Bank ankommen, müsste sich das Getuschel legen. Denn dieser Ort war sehr abgelegen. Doch besonders hier im Gebäude gerieten wir extrem unter den Beschuss neugieriger Blicke. Also nur noch schnell durch den Flur und der anderen Tür zum Hinterhof. Doch dann spürte ich, wie der Schattenmann meine Hand faste und mich zu sich zog „Yuki!“, er blieb verärgert stehen und drückte mich an einen der Spinde, die an der Wand standen. Mit einer Hand versperrte mir den Weg. „Was ist los mit dir? Ich vertrau dir, aber du musst mit mir reden, sonst kann ich dich nicht beschützen!“, flüsterte er mir deutlich und aufrecht zu. Mein Puls wurde immer schneller. Mein Kopf platze fast vor Röte. Ich hörte mein Herzklopfen klar und deutlich. Es pochte so laut, dass ich seine Worte kaum noch vernahm. Doch ich konnte mein Gesicht und meine Verlegenheit noch mit meinen Haaren verstecken. Schüchtern und aufgeregt biss ich auf meine Lippen und konnte nur nervöse Töne von mir geben. Überfordert spielte ich an meinem Shirt. Ich wollte, dass er geht. Er sollte mir nicht so nahe treten und einen falschen Eindruck vermitteln. Ich drehte mich von ihm weg und erkannte am Ausgang sogar kichernde Mitschüler. Mit großen Augen sahen sie, wie der Schattenmann mir schon schamhaft nahe kam. Dampfte mein Kopf etwa schon? Warum war mir das überhaupt so peinlich? Bemerkte er überhaupt, wie das aussehen musste? War das Absicht? Er wollte nur eine Antwort für mein Verhalten. Doch es wagte sich kein Wort von meinen Lippen. Zart aber grummelig faste er mir nun an meine Wange und drehte meinen Kopf zu sich. Es war so weit. Mein Herz sprang aus meiner Brust. Mein Körper brannte. Mein Atem blieb stehen und ich spürte meine Beine nicht mehr. Warum machte mir seine Nähe so viel aus? Warum wurde ich vor ihm plötzlich so nervös? Es lag an den Blicken der Anderen. Daran musste es gelegen haben! Im Hintergrund hörten wir ein quietschendes, freudiges Gekreische. Mit riesigen, ertappten Augen blickte ich ihn nun an. Vor Aufregung war mein ganzes Gesicht rot angelaufen. Zitternd verschränkte ich meine Hände vor meine Brust. Als meine Maske fiel und unsere Blicke sich kreuzten, sah ich erst ein wenig Wut und Sorgen in seinen Augen. Nachdem er jedoch mein peinlich berührtes Gesicht erkannte, wich er perplex zurück. „W.. Was hast du?!!!“, fragte er total überfordert, zog seine Hände weg und gab mir einen angepassten Freiraum. Er hatte sie Situation tatsächlich nicht verstanden. Zwar war es mir peinlich, wegen ihm so in Verlegenheit zu geraten, doch nun war ich auch sauer. Da er wohl nichts von alle dem begriffen hatte, konnte ich es ihm doch nicht noch erklären! Wütend kniff ich meine Augen zusammen und ballte meine Fäuste „Das verstehst du nicht!!!“, motzte ich ihn an und flüchtete sofort zum Ausgang. Nur noch um die Ecke und wir waren angekommen. Verärgert stampfte ich die letzten Schritte zur Bank. „Was? Wo ist sie denn?“, fragte ich und blieb starr stehen. Der Schattenmann ging einen Schritt nachdenklich vor. „Vielleicht hat Deeon sie! Er weiß genau was wir vorhaben. Wir sind nur schwache dumme Menschen. Vielleicht gibt er ihr noch eine Gehirnwäsche, oder hält sie gefangen, hat einen Fluch auf sie gelegt oder.. wird sie ausschalten...“, dachte er laut nach und verschränkte die Arme ineinander. Genervt richtete ich mich zu ihm. „Oder sie ist wo anders, weil sie hier nicht alleine sitzen wollte.“, rollte ich die Augen. Dann sah ich an dem Gebäude hinauf, in die Richtung meines Klassenraumes. „Vielleicht werden sie in der Klasse finden. Es beginnt gleich schon der Unterricht.“ Der Schattenmann steuerte schon startbereit dem Eingang zu. „Wir sollten keine Zeit verlieren!“, meinte er gelassen und öffnete bereits die Tür. „Halt warte!“, stoppte ich ihn jedoch. „Du kannst doch nicht einfach los gehen! Du weißt doch gar nicht wohin!“, moserte ich ihn an und zog wieder an seinem Ärmel. „Dann geh vor.“, kam es mir kalt als Antwort entgegen. Er deutete in den Flur hinein und machte mir Platz. Im Gegensatz zu mir war er strukturiert, mit einem Plan. Auch wenn er nur zielstrebig darauf zu arbeitete und nichts anderes im Kopf hatte. Ich jedoch war ganz durcheinander und wusste nicht so genau, was ich tun sollte. Mein Unbehagen versuchte ich mit der aufgesetzten Motzerei zu überspielen. Ich fühlte mich wie benommen und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es fühlte sich seltsam an, hier mit ihm alleine zu sein. Sonst machte es mir nichts aus. Aber hier schon. Besonders nach dieser Aktion gerade. Kopflos ging ich also an ihm vorbei in das Gebäude. Mein Puls war immer noch nicht wirklich entspannt. Auffällig unauffällig lief ich mit angespannten, weiten Schritten in den Flur. Durch den Versuch mich normal zu verhalten, wirkte ich jedoch nur noch absurder. „Was ist mit dir los?“, maulte der Schattenmann und lief mir wieder hinterher. Ertappt blieb ich stehen. Als würden sich meine Nackenhaare aufstellen schüttelte sich mein Körper kurz und ich drehte mich zu ihm. Gerade als ich ausholte um ihm wieder schlecht gelaunte Worte an den Kopf zu werfen, erblickte ich jedoch ein blondes Mädchen hinter ihm auf dem Hinterhof. Ich schluckte meine unnötigen Nörgeleien herunter und lief an ihm vorbei. „Nami!“, rief ich und hob meine Hand. Ich erkannte diese langen, blonden Haare und die Silhouette dieses perfekten weiblichen Körpers überall. Doch einen Moment lief sie noch weiter. Hatte sie mich nicht gehört? „Nami! Warte!“, rief ich noch einmal lauter. Dann blieb sie endlich stehen. Erleichtert begann ich zu lächeln. Überrumpelt drehte Nami sich zu mir um. „Ah. Eh. Yuki.“, lächelte sie mir zu. „Was machst du denn plötzlich hier? Geht es dir besser? Deine Tasche habe ich in deinen Spind gelegt.“, erklärte sie direkt. Glücklich blieb ich vor ihr stehen und umarmte sie. „Hay. Danke! Ja. Ja mir geht es schon viel besser.“, antwortete ich ihr fröhlich und stellte mich wieder aufrecht vor sie. Ein Stein fiel mir vom Herzen als ich sie endlich fand. Ich war nicht mehr so allein. Endlich war jemand da, mit dem ich reden konnte. Verdächtig sah sie hinter mich. „Wer ist das denn?“, fragte sie und streifte nervös ihre Haare hinter ihr Ohr. Der Schattenmann folgt mir schlendernd mit seinen Händen in den Hosentaschen und stellte sich zu uns. „Nami?“, fragte er ernst und sah sie angespannt an. Ehe ich etwas sagen konnte lächelte sie ihn nett an und reichte ihm die Hand. „Hay. Ja. Ich bin Nami. Kennen wir uns?“, fragte sie höflich. Der Schattenmann antwortete ihr aber nicht. Er begrüßte sie auch nicht angemessen, sondern starrte sie immer noch ernst an. Doch Nami hatte keine Furcht vor seinem richtenden Blick und schien der Situation gewachsen zu sein. „Wie ist denn dein Name? Du musst wissen, dass Yuki eine sehr gute Freundin von mir ist. Da wundert es mich, wenn ich ihren Freund nicht kenne.“, lächelte sie noch immer lieb und nahm ihre Hand wieder zurück. Der Schattenmann durchbohrte sie fast mit seinem Starren und antwortete ihr wieder nicht. Ich jedoch ging perplex einen Schritt vor. „Nein! Nein! Das ist nicht mein Freund!“, lachte ich und wedelte schamhaft mit meinen Händen. Dann boxte ich dem Schattenmann mit meinem Ellenbogen gegen den Bauch. „Hey! Jetzt hör auf so stur zu sein! Begrüß sie! Stell dich vor oder sowas! Sonst wird sie dir gar nichts sagen!“, flüsterte ich ihm mahnend zu. „Sagen? Was soll ich sagen?“, kicherte sie und legte ihre Hand vergnügt vor ihre Lippen. Plötzlich war mein Mund verstummt. Als würde eine hohe Mauer meinen Worten den Weg versperren. Ich wusste nicht wie ich das Thema anfangen sollte. Wo sollte ich beginnen? Was wollte ich genau fragen? „Ehm. Ehm. Also.“, stammelte ich und kratze mir mit meinen Fingern über meine Wange. Nami legte ihre Hand behutsam auf meine Schulter. „Reden wir doch, wenn wir wieder zur Klasse gehen.“, unterbrach sie diese unangenehme Situation. Ich hörte auf zu stottern und konnte nicht aufhören zu schmunzeln. Es ging mir immer so gut, sobald Nami da war. Sie wusste immer, was zu tun war. Ihre Nähe beruhigte mich jedes Mal, dass ich all den Stress vergessen konnte. „Dann kommt mal mit!“, forderte sie uns auf und harkte sich mit ihren Arm, in meinen Arm ein. Während wir zurück in das Gebäude gingen, waren mir auch die Blicke der anderen Schüler egal. Nami und ich gingen voraus. Der Schattenmann folgte uns still grummelnd. „Das ist aber nicht der Typ, von dem du mir erzählt hast.“, tuschelte sie grinsend „Deshalb warst du die letzte Zeit nicht in der Schule. Du hast dich mit dem Brummbären da getroffen oder?“. Unsicher musste ich mit erröteten Wangen anfangen zu grinsen. „Nein nein. So ist das nicht wie du denkst!“ „Nicht?“, fragte sie enttäuscht. „Schade. Denn er sieht echt nicht schlecht aus.“, antwortete sie und zwinkerte mir zu. Ich rollte verlegen mit den Augen „Ach Nami. Du wieder.“, musste ich lachen. Nami ließ mich los und hüpfte kichernd voraus. Sie tapste zur Treppe und sprang einige Stufen hoch. „Hihi. Das freut mich, dass du endlich- Wha!“, plötzlich rutschte sie von einer Stufe ab und verlor den Halt. Starr vor Schreck sah ich, wie sie plötzlich rückwärts von der Treppe viel. Sie konnte nicht nach dem Geländer greifen und war nun im freien Fall. Wieso machte der Schattenmann nichts? Sie fiel genau auf ihn zu. Wie in Zeitlupe sah ich, wie er sogar gelassen einen Schritt zur Seite machte. Ich konnte nicht fassen, dass er sie nicht auffangen wollte. Sofort, ohne zu zögern, stürmte ich auf sie zu. Ich übersprang einige Stufen und hob meine Hände. Rechtzeitig konnte ich sie noch auffangen und mit meinen Händen nach oben stemmen. „Nami! Pass auf!“, rief ich noch, als ich sie mit Schwung wieder nach oben hievte. Doch im gleichen Augenblick griff jemand Namis Hand und zog sie nach oben. Ich verlor nun das Gleichgewicht und rutschte mit meinem Fuß über die Stufe. Auch ich konnte nach keinem Geländer greifen. „Ahh!“ Verzweifelt fiel ich einfach nach vorn und kam auf dem harten Steinstufen auf. „Aua!“, motzte ich und drehte mich zum Schattenmann. „Hättest du nicht mal helfen können?“, fragte ich und hielt mir meine Schulter fest. „Du solltest deine Umgebung besser beobachten. Tollpatsch!“, begegnete er mir jedoch nur. Zwar sagte er dies mit einem genervten Unterton, doch er hielt mir helfend seine Hand hin. Schmollend griff ich diese und wurde mit einem Ruck von ihm aufgehoben. „Hey! Was sollte das?!“, rief plötzlich jemand von oben. Überrascht sahen wir hinauf. Ein blonder Junge stand dort und hielt Nami schützend in seinen Armen. Er zeigte wütend auf den Schattenmann. „Wer bist du?! Wie kann man nur so egoistisch sein und diese Mädchen fallen lassen!“, brüllte er. Eine kleine Schülermasse formte sich um ihn herum. Sie wollten alle begaffen, was passierte. „Das ist Takumi! Der Jahrgangssprecher!“, flüsterte ich dem Schattenmann zu. „Diese Information ist für mich nicht von Interesse. Komm, wir müssen weiter.“, sagte er nur und ging gelassen hinauf. Der Jahrgangssprecher war dafür bekannt edel, gutmütig, klug und dazu noch stark und hübsch zu sein. Es war kein Wunder, dass er Jahre lang der Jahrgangssprecher blieb. Trotz der vielen Liebesgeständnisse wurde er nie hochmütig und setzte sich selbst für den Schwächsten dieser Schule ein. Er lebte aber in einer Welt, an welcher ich niemals heranreichen würde. Oben angekommen stellte er sich vor Nami und wartete. „Du kommst nicht von dieser Schule! Dann geh auch wieder! Solche Egoisten wie dich brauchen wir hier nicht!“, forderte Takumi und zeigte mit dem Finger weg. Doch der Schattenmann ignorierte ihn und hatte nur ein leises Seufzen für ihn über. Dann sah er träumend aus dem Fenster und wartete. Er wartete, dass Nami weiter gehen würde. „Ignoriert der mich etwa?“, maulte Takumi in die Runde. Ein Gemurmel begann. „Wer ist der?“ „Den hat doch Yuki mitgebracht!“ „Was macht der hier?“ „Hat er die Mädchen vielleicht geschubst?“ Das Gemenge wurde größer und das Getuschel lauter. „Wie heißt du!“, fragte er wieder, ohne eine Antwort zu erhalten. Der Jahrgangssprecher ging mit schnellem Schritt auf den Schattenmann zu und packte ihn an seiner Schulter. „Du solltest mich besser ernst nehmen!“ Kalt sah der Schattenmann ihn seitlich an und zog die Augenbraue hoch. „Wenn du keinen Namen hast und auch nicht sagst was du hier willst, kannst du auch gehen. Man sollte dir mal Manieren beibringen!“, schüttelte Takumi verständnislos den Kopf. „So ein Ego vertuscht doch nur, dass du schwach bist.“, fügte er noch hinzu und wollte sich auch schon vom Schattenmann abwenden. Doch er hatte seinen wunden Punkt getroffen. Der Schattenmann riss verärgert die Augen auf. Auf einmal griff er Takumis Arm, riss ihn zu sich und griff ihn an seinem Kragen. Wütend sah er ihm ins Gesicht und biss seine Zähne zurückhaltend aufeinander. „Du hast ja keine Ahnung!“, drohte er unterschwellig und zog seinen Kragen hoch. Doch Takumi grinste. „Du kannst ja doch reden!“ und wich seinem Blick nicht aus. „Hört auf!“, rief Nami plötzlich und schlichtete die Auseinandersetzung. Es war einen Moment still. Dann sahen alle zu ihr. „Takumi. Bitte lass gut sein. Es war doch nicht seine Schuld.“, bat sie und ging zu den Beiden sich streitenden. Der Schattenmann ließ Takumi los und ging einen Schritt zurück. „Bitte Takumi. Lass ihn. Ich weiß, du möchtest nur, dass alles gerecht abläuft. Und du bist ein sehr guter Jahrgangssprecher. Aber bitte lass ihn.“, mit dem süßesten Blick den sie hatte, sah sie ihn tief in die Augen und fasste zart seine Hand. „Bitte.“ „Hmh..“, grübelnd sah er weg, dann nickte er und richtete sich wieder dem Schattenmann. „Es tut mir leid. Ich war etwas forsch zu dir.“, erklärte er und reichte ihm die Hand. Doch der Schattenmann stellte sich locker hin und überkreuzte die Arme ineinander. „Hmpf.“ Innerlich kochte er. Das wusste ich. Doch er musste sich zurückhalten. Ich stand noch immer auf der Treppe und beobachtete alles von einem sicheren Abstand. Am ende blieb mir nur ein Grinsen für diese Situation übrig. Ich stellte mir vor, was er tun würde, wenn er seine Kräfte wieder hätte. Dann würde sich niemand wagen, so mit ihm zu reden. Es ist bestimmt schon lange her, dass ihm so wenig Respekt gezeigt wurde. Das alles so mit anzusehen war belustigend. „Los Leute. Hier gibt es nichts zu sehen!“, rief Takumi den Schaulustigen zu. Dann ging auch Nami vor. „Leute. Ich verstehe, dass es interessant ist, was hier passiert. Aber es ist gemein von euch, uns so zur Schau zu stellen. Bitte geht!“, sie drehte sich zur Masse und hob bittend die Hände vor sich. Enttäuscht aber verständnisvoll löste sich nun der Menschenknubbel auf. „Wie öde.“ „Wer hätte wohl gewonnen?“ „Takumi hätte den Hübschling besiegt!“ Nachdem auch die letzten endlich in ihren Räumen verschwunden waren, richtete Nami die Hand zu mir. „Yuki. Komm. Der Unterricht beginnt gleich.“ „Ja!“, ich nickte ihr zu und lief schnell hinauf. Doch bevor ich zu ihr ging, stand ich vor dem Schattenmann. „Du brauchst einen Namen! Und wann willst du Nami endlich fragen?“, flüsterte ich erwartungsvoll. Er lief mit mir weiter. „Ich will noch etwas beobachten.“, flüsterte er. Dann blieb er entschlossen stehen und hielt mich kurz an meinem Arm. „Ich mag deine Freundin nicht. Der Grund fehlt mir nur noch.“, erklärte er angespannt. Kurz sahen wir zu Nami. Sie lächelte uns an und wartete, bis wir weiter liefen. „Spricht da vielleicht die Paranoia aus dir? Hast du lange keine netten Menschen mehr getroffen?“, grinste ich. „Was? Nein. Ich spreche mit dir! Irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Aber mit meiner schwachen Menschenseele kann ich es nicht erkennen.“ „Das ist Nami! Ich kenne sie seit der Kindheit! Mach dir keine Sorgen!“, ich klopfte ihm gelassen auf den Rücken und ging vergnügt zu Nami. „So! Lass uns gehen.“ Ich mochte es nicht, dass er meine beste Freundin unter Verdacht hatte. Doch ich verstand seine Sorgen. Immerhin war ihre Freundlichkeit wirklich nicht weit verbreitet. Nicht alle hatten so ein Verständnis und eine so große Güte wie sie. Und da er nun Jahre unter gewalttätigen Wesen lebte, in der die einzige Regel – fressen oder gefressen werden – lautete, musste ein so lieber Mensch ihm wohl komisch vorkommen. Er würde bestimmt seine Meinung zu ihr ändern! Ich fragte mich nur, was er noch beobachten wollte? Auch den restlichen Weg zur Klasse befragten wir Nami nicht nach dem, weshalb wir überhaupt gekommen waren. Der Schattenmann sollte einen Plan haben. Solange er nichts tat, ließ ich das Thema auch bei Seite. Das Einzige was er tat, war schweigen und beobachten. Als wir endlich in der Klasse angekommen waren, bewegten wir uns direkt zu unseren Plätzen. Einige Schüler saßen schon und andere kamen erst noch. Nami und ich saßen nebeneinander. Wohin sollte der Schattenmann sich setzen? Nachdenklich sah ich mich um und überlegte nach einer Lösung. „Hmh. Wie machen wir das denn am besten?“ Doch im nächsten Augenblick sah ich, wie Nami zu ihrer Sitznachbarin ging. Ein braunhaariges Mädchen mit langem Zopf saß dort und unterhielt sich mit Freunden. „Cleo?“, sprach Nami sie lieb an, berührte sie an ihrer Schulter und lehnte sich von der Seite zu ihr rüber. „Du. Ich weiß, das kommt jetzt total unangemeldet. Aber Yuki hat einen Besucher mitgebracht, es wäre total lieb, wenn wir drei nebeneinander sitzen könnten. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir deinen Platz haben dürfen? Nur für heute! Und wenn du das nicht möchtest, verstehe ich das natürlich.“, fragte sie ganz lieb. „Gar kein Problem! Klar.“, antwortete Cleo und packte direkt ihre Tasche. „Ich kann mich dahinten hinsetzen. Heute habe ich sowieso keine Lust zuzuhören!“, lachte sie. „Oh. Das ist so lieb von dir! Ehrlich! Danke.“, bedankte sich Nami herzlich und verbeugte sich leicht. Dann richtete sie sich erfolgreich zu uns. „So! Geschafft! Ich setze mich hier hin! Dein Freund kann dann zwischen uns!“, zwinkerte sie mir wieder zu und zeigte mir mit zwei Fingern das Peace-Zeichen. „So. Ich helfe Cleo eben, ihre Sachen an den anderen Platz zu bringen.“ Ich setzte mich verblüfft auf meinen Platz und sah Nami träumend hinterher. „Hach...“, seufzte ich. Der Schattenmann war noch immer brummig. „Was?“, fragte er genervt und stellte sich vor mich an den Tisch. „Ich wünschte, ich wäre auch so taff wie sie. Und wüsste immer, was zu tun ist...“, schwärmte ich von ihr und lehnte meinen Kopf auf meinen Arm. „Ich bin so froh, dass sie meine beste Freundin ist.“ Doch diese Antwort gefiel ihm nicht. „Pa...“, murmelte er grimmig und beobachtete Nami mit bösem Blick. Wie kann man einem so lieben Menschen nur so wenig vertrauen? „Sie ist das genaue Gegenteil von mir.“, begann ich deprimiert zu reden. „Sie hat es gerade geschafft, alle gaffenden Leute zu beruhigen und weg zu schicken. Und was kann ich? … Ich bin total überfordert und beschämt wenn mich alle anstarren. Ich versuche allem aus den Weg zu gehen. Während sie oben stand und alles regelte, stand ich unten an der Treppe und versuchte mich raus zu halten...“ Ich runzelte die Stirn und sah herab. Es war schon immer so. Zwar wirkte sie mit mir zusammen total verspielt und kindisch. Aber in Wirklichkeit war sie es, die immer einen Rat hatte. Das mache mich stolz. Denn sie blieb immer an meiner Seite. Aber neidisch war ich auch. Warum traute ich mich nie, vor anderen zu reden? Warum musste ich nur so ein Angsthase sein? Es ärgerte mich, zu sehen wie toll Nami mit allem klar kam und ich am liebsten schüchtern in der letzten Ecke stehen wollte. „Hör auf dich mit anderen vergleichen zu wollen. Denn dann bist du immer der Verlierer.“, hörte ich vom Schattenmann, der sich gerade an seinen Platz setzte. Ich blickte überrascht zu ihm rüber und lächelte. „Hmh. Stimmt.“ Plötzlich rannten drei, geschminkte und von oben bis unten herausgeputzte Mädchen zu uns und stellten sich zwischen mir und den Schattenmann. „Oh! Du bist so süß!“ „Wie heißt du?“ „Bist du neu hier?“ „Hast du eine Freundin?“ „Du siehst echt gut aus!“, überrumpelten sie ihn. Sie setzten sich auf seinen Tisch um ihre Beine zu präsentieren, oder lehnten sich vor um ihren Ausschnitt zu zeigen. Er lehnte sich mit offenem Mund und weiten Augen zurück. Seine Wangen wurde etwas rot und es verstummte jedes Wort. „Eh... Ich.. eh...“, stotterte er. „Hihi du bist wirklich süß“ Da lief auch schon der Lehrer in das Klassenzimmer. „Setzen!“, rief ein älterer, großer, weiß bärtiger Mann mit Brille und legte mit einem lauten knall sein Buch auf das Pult. Sofort verließen die Mädchen den Platz und gingen zu ihren Stühlen. „Bis nachher“, sagte eine noch leise und warf ihm einen Kuss zu. Wie eine steife Puppe saß er dort und zuckte nur kurz mit dem Auge. Er bewegte sich keinen Zentimeter. Ich belächelte seine vereiste Gestalt und kicherte leise. „Wir haben einen neuen Schüler?! Warum weiß ich von nichts?!“, schimpfte der Lehrer und schob seine Brille auf seine Nasenspitze. Ich fühlte mich ertappt. Natürlich sollte diese Situation kommen. Ich hatte vergessen ihn anzumelden oder Bescheid zu geben. Zögernd wollte ich aufstehen. „Ehm. Also-“ „Herr Unohara!“, sagte Nami laut und stand von ihrem Stuhl auf. „Bitte erlauben sie, dass dieser Schüler für diesen Tag hier bleiben darf. Er ist ein Bekannter von Yuki und mir. Wir hatten vergessen die Formulare auszufüllen. Bitte verzeihen sie uns. Durch familiäre Schwierigkeiten haben wir eine Anmeldung vergessen.“, sagte sie standhaft. Der Lehrer sah Nami mit runzelnder Stirn an. Dann wandte er seinen Blick zum Schattenmann. Schließlich sah er mich an, die nervös an ihrem Rock zupfte. „Hmmh...“, einen Moment überlegte er noch. Dann schloss er nachdenklich die Augen und setzte sich. „Das ist eine Ausnahme!“, stöhnte er und schob seine Brille wieder hoch. Ich atmete glücklich auf. „Vielen Dank!“, sagte Nami und verbeugte sich leicht. „Dann sollte der junge Mann sich mal vorstellen, würde ich sagen!“, forderte Herr Unohara und nickte dem Schattenmann zu. Dieser richtete jedoch nur fragende Blicke zurück. Dann sah er mich fragend an. „Du musst nach vorne! Stell dich vor!“, flüsterte ich ihm energisch zu. „Was? Das geht nicht!“, motzte er genau so leise zurück. Ich bemerkte wie uns alle ansahen. „Los!“, sagte ich lauter und deutete mit meinem Kopf nach vorn. „Geh!“ Nun drehte er sich wieder zum Lehrer. Auch dieser wartete auf eine Vorstellung. Der Schattenmann legte seine Hände auf die Oberfläche seines Tisches, drückte den Stuhl etwas zurück und stellte sich hin. Dann ging er zur Tafel und drehte sich zur Klasse. Er blickte durch den Raum und betrachtete alle Schüler einmal. Die Mädchen himmelten ihn an. Manche quietschten leise und tuschelten. Dann atmete er schwer ein und wieder aus. „Ihr könnt mich... Shiro nennen. Meine Anwesenheit ist nur für kurze Zeit als Besucher bei Yuki. Das sollte genügen.“, sagte er emotionslos und wollte sich direkt wieder seinem Platz nähern. „Wie heißt du mit Nachnamen!“ „Gibst du mir deine Handynummer?“ „Von welcher Schule kommst du?“ „Der war bestimmt auf einer Privatschule! Hör mal seine Aussprache!“ „Das klingt so cool!“ „RUHE!“, schrie Herr Unohara nun und sorgte damit für Stille. Ich sah den Schattenmann verblüfft an. Denn er hatte sich selber einen Namen gegeben. Bisher hatte ich ihn nie mit Namen angesprochen. Das bemerkte ich erst jetzt. Es war ein komisches Gefühl. Denn er war für mich der namenlose Dämonenmensch. Und nun? Wie sollte ich damit umgehen? Es war der Name, den Kitzune ihm immer gab. Wohl die beste und schnellste Lösung für diesen Augenblick. Durfte ich ihn nun auch so nennen? Heimlich musste ich grinsen. Ich mochte es, dass er immer mehr den Eindruck eines Menschen machte. Jetzt hatte er sogar einen Namen. Das freute mich. „Gut. Setzt dich Shiro!“, meinte der Lehrer noch und stand wieder auf. „Dann machen wir mal weiter, mit der Vektorrechnung im dreidimensionalem Raum.“ Nach dieser Ansage kam ein lautes, unüberhörbares, negatives Gestöhne von der gesamten Klasse. Der Unterricht war nicht weiter interessant. Der Schattenmann durfte seinen Tisch an meinen schieben, damit ich ihm einiges dazu erklären konnte. Glücklicherweise waren meine Unterlagen sicher in meinem Tischkasten untergebracht. Somit musste ich nicht noch zu meinem Spind rennen, um meine Tasche zu holen. Der Junge jedoch blickte die meiste Zeit nachdenklich aus dem Fenster. „Du..“, flüsterte ich ihm zu. „Hm?“ „Darf ich dich auch Shiro nennen?“, schmunzelte ich ihn an. Er sah genervt weg. Dann blickte er nach vorn zum Lehrer. Danach auf das Buch auf meinem Tisch. „Mach was du willst.“, erlaubte er mir unterschwellig. Ich lächelte ihn glücklich an. Dann arbeitete ich an meinen Unterlagen weiter. Doch ich sah noch im Augenwinkel, wie auch er lächelte. Nachdem endlich zwei Stunden Mathematik vorbei waren, sprangen alle auf und spurteten in die Pause. Ich lehnte mich erst einmal zurück und streckte mich gähnend. „Uhhaa. Ich hasse Mathe!“, nörgelte ich. „Aber wenigstens bekomme ich jetzt wieder etwas vom Thema mit!“ Shiro stand auf. „Ich erkenne immer noch keinen schwerwiegenden Grund, den Unterricht so zu gestalten! Es funktioniert nicht über eine so lange Zeitspanne! Menschen können sich nicht durchgehend auf eine Sache konzentrieren.“, regte er sich auf und stellte sich hin. Ich lachte kurz. Es war ein ständiges, niemals endendes Thema. „Naja. So ist es halt. Und man kann es nicht ändern.“ „Schwachsinn.“, murmelte er. Dann lehnte er sich auf meinen Tisch. „Yuki! Wir müssen gleich auf das Dach!“, sagte er mir plötzlich ganz ernst. Ich sah ihn verdattert an. „Eh. Oke?“, da rief Nami mir schon zu. „Yuki! Treffen wir uns gleich unten? Ich muss kurz noch Bücher schleppen! Ich nehme Cleo die Aufgabe ab.“, hörte ich von Nami, die winkend an der Tür stand. „Warte! Nein lass uns auf dem Dach treffen! Aber wir können dir helfen!“, schnell sprang ich auf und ging auf sie zu. „Nein. Passt schon! Bis gleich!“, waren ihre letzten Worte dazu. Dann verschwand sie auch schon aus der Tür. „Hmh. Komisch.“, ich stand da und und fühlte mich zurück gelassen. „Wirkt sie heute anders als sonst?“, Shiro trat neben mich. „Nein. Also. Naja. Es ist heute nur etwas anders, weil du ja da bist. Sie setzt sich immer so sehr für mich ein. Und ich kann mich nie revanchieren.“, erklärte ich betrübt. Doch dann schüttelte ich kurz meinen Kopf. „Na los! Dann lass uns mal rauf gehen! Wirst du Nami denn gleich fragen?“ Zusammen gingen wir den Flur entlang und die Treppen hinauf. „Ich werde sie fragen. Ich habe schon fast genug gesehen!“, meinte er. „Nur fast?“ „Irgendwas stimmt mit ihr nicht. Siehst du das nicht!“ „Hör auf immer so negativ zu sein! So ist sie immer. Jeder mag sie!“ „Dann hör du auf, solch ein Tolpatsch zu sein!“ „Hey! Das mache ich nicht extra! Das kann ich nicht abstellen!“ Als wir auf dem Dach ankamen, setzte ich mich direkt auf die nächste Bank. Shiro aber blieb vor mir stehen und sah sich wieder um. Obwohl es sehr weit oben war, spielten einige jüngere Schüler auf dem Dach mit einem Ball. Da das Dach sehr groß war, war sogar ein kleiner Sportbereich mit einem Zaun abgegrenzt, auf welchem sich jedoch nur die paar Kinder austobten. „Versuch dich doch mal zu entspannen.“, sagte ich und legte meinen Kopf gemütlich in den Nacken. „Wenn dich ein Dämon angreift und tötet, dann kannst du dich genug entspannen!“, begegnete er mir kalt. „Ach. Ich habe doch gesagt, dass Deeon auf mich aufpasst! Und ich glaube nicht, dass er dich nicht beschützen würde.“ „Beschützen...“, er rieb nachdenklich sein Kinn. „Beschützen! Genau!“, sagte er nun und sah auf. „ACHTUNG!“, schrie jemand aus dem Hintergrund. Erschrocken drehten wir uns zum Schrei. Ein schwarz weißer Fußball kam geradewegs auf uns zu gestürmt. Er kam so schnell angeflogen, dass ich kaum sehen konnte, wo er aufprallen würde. Doch im nächsten Augenblick schnellte der Ball direkt auf Shiro zu und traf ihn mit einem lauten Geräusch auf der Stirn zwischen seinen Augen. Der Ball fiel in die Luft und der Schattenmann wurde mit einem Mal auf den Boden geschleudert. Wie erstarrt hielt ich die Hand vor meinem Mund und konnte nur mit ansehen, was passierte. Ich sah wie er stürzte und wie er am Boden ankam. Doch kaum lag er, verwandelte sich meine Schockstarre in ein tosendes Gelächter. „PFFF-PAHAHA!“, ich hielt mir vor Lachen den Bauch und kugelte mich zur Seite auf die Bank. „Von wegen nur ich wäre tollpatschig!“, lachte ich laut. Seine gelassene und kalte Art verging als er wütend aufstand. „Was soll der Scheiß!“, maulte er und griff sich den Ball. Auf seiner Stirn war nun ein roter Abdruck des Balles zu erkennen. „Drecksteil!“, schrie er und schoss den Ball wütend zurück, weiter als er ihn eigentlich schießen müsste. „Scheiße! Das tat weh! Verdammt!“ Der Ball flog jedoch über den Zaun und schließlich vom Gebäude herunter. „Haut gefälligst ab! Ich hasse Kinder!“, motzte er die und verfolgte sie mit seinem hasserfüllten Blick, als sie schnell wieder in das Gebäude rannten. Dann waren wir alleine. Ich versuchte mein Lachen zu unterbinden, als er mich erzürnt anblickte. Doch es gelang mir nur sehr schwer. Dieser Moment zeigte mir, dass auch er nur ein Mensch war. Der zwar versuchte alles irgendwie zu durchschauen, doch am Ende auch nicht fehlerfrei war. Vergnügt wischte ich die Tränen von meinen Augen und kicherte noch. „So lange du Schmerzen spürst, weißt du, dass du noch lebst!“, versuchte ich ihn aufzumuntern und hielt mir noch die Hand vor dem Mund. Er richtete seine Kleidung und stellte sich wieder aufrecht hin. Verärgert sah er von mir weg und streifte über seine Stirn. „Haha. Das tut mir voll Leid, dass ich dich so auslache! Aber es war so witzig.“, nuschelte ich und rollte mich noch immer über die Bank. „Was ist denn hier so witzig? Ich will auch lachen!“, Nami kam aus dem Gebäude direkt auf uns zu. „Was ist das denn für eine Feder?“, fragte sie nun. Sofort sprangen Shiro und ich gleichzeitig auf und sahen Nami sprachlos an. „Feder?“ Die Engelsfeder war aus seiner Hose gefallen und fand den Weg vor Namis Füßen. „Sie ist so weich.. und so schön.“, erwähnte sie verträumt und drehte sie in den Fingern. „Nami!“, sagte Shiro plötzlich ganz deutlich. Er trat vor sie und nahm ihr die Feder aus der Hand. „Als du und Yuki euch das letzte mal zuhause saht, woran kannst du dich noch erinnern? Wie ist Yuki gegangen?“, fragte er ernst und hielt die Feder vor sich. Sie schmunzelte etwas und ging einen Schritt zurück. Aufmerksam sah ich zu beiden hoch. Das war die Frage, die wir uns seit Tagen stellten. Es war ein wichtiger Augenblick. Sollte Nami auch ein Gedächtnisverlust haben? Sollte sie vielleicht mehr wissen? Was wusste sie noch? Damals hatte Shiro mich einfach mitgenommen. Ohne, dass jemand etwas davon gesehen hatte. Was war nun ihre Antwort? Shiro presste neugierig seine Fäuste zusammen. Auch mich plagte die Neugier. Doch Nami runzelte die Stirn. „Ehm. Wann haben wir uns das letzte mal gesehen? Ist das nicht schon total lange her? Eigentlich hatten wir vor, noch einen Filmeabend zu machen. Aber dazu kam es letztes Wochenende nicht.“, grinste sie verwirrt. „Eh?!“, ich ging geschockt auf sie zu. „Was?!“ Hatte sie gar keine Erinnerung mehr an den Abend? Wusste sie gar nichts mehr? Wieso!? „Yuki! Warte!“, stoppte der Schattenmann mich und hob die Hand. „Was ist denn los?“, fragte Nami. „Wir müssen gleich wieder in die Klasse. Wir sollten wieder runter gehen.“ Sie hob verwirrt die Hände vor sich und wollte zurück. „Kommt.“, sagte sie und ging nervös zum Eingang. Shiro war plötzlich so ernst. Was ist passiert? Was hatte er nur vor? „Vertrau mir!“, er sah mich über seine linke Schulter blickend an. Mir war sofort klar, dass es sein voller Ernst war. Warum war er nur so angespannt? Plötzlich ging der Schattenmann mit schnellem Schritt auf Nami zu. Dann holte er aus und verpasste ihr eine Ohrfeige. Schockiert sprang ich zurück. „Was soll das?!!!“, fragte ich entgeistert. Ich rannte auf ihn zu. „Bist du verrückt! Was soll das!?“ Doch er ignorierte meine Worte und wandte sich Nami nicht ab. Diese hielt sich genau so geschockt die Hand vor ihrer Wange. Einige Haare verdeckten nun ihr errötetes Gesicht. Dann wimmerte sie leise. „Warum?... Was.. was auch immer ich getan habe. Es tut mir leid.“, sagte sie zögernd und sah ihn mit verweinten Augen an. „Verarsch mich nicht!“, schrie Shiro wütend und griff sie am Hals. „Lass sie in ruhe!!! Hör auf damit!“, ich schlug panisch gegen seine Hand. Doch sein eiskalter Blick schockierte mich. Mein Atem blieb stehen. Es fühlte sich an, als würde mein Herz für einen Moment aussetzen. Diese hassenden Augen. Es war der gleiche Blick, den er Deeon stets schenkte. Dann riss er seine Hand von Nami weg und schubste sie leicht nach hinten. Zitternd viel sie zu Boden. „Was soll das!!!?“, schrie ich ihn wieder an und rannte zu Nami. Ich kniete mich neben ihr hin. „Es tut mir leid.“, sagte ich mit zitternder Stimme. Doch Shiro ging schweigend von mir weg. „Hör auf so zu sein!!! Hör auf so zu sein!!! Hör auf damit!“, schrie ich immer wieder erschüttert und lief ihm hinterher. Ich hatte keine Angst vor ihm. Aber ich hatte Angst vor dem, was er Nami antun wollte. Kurz vor dem Dachende blieb er jedoch stehen. „Was ist los mit dir!? Scheiße!“, schrie ich mit Tränen in den Augen. Dann drehte er sich zu mir um. Doch er sah an mir vorbei. Er beobachtete nur Nami. Ich drehte mich ebenso zu ihr. Sie stand langsam auf und hielt sich noch immer die Wange. „HÖR AUF DIE SCHWACHE ZU SPIELEN!“, hörte ich Shiro plötzlich brüllen. „MACH WAS!“ Dann spürte ich, wie er meinen Arm griff. Ich erschrak. Mit Schwung zog er mich plötzlich zu sich, und drückte mich wieder von sich weg. Ich merkte wie ich fiel. Ich merkte, wie ich den Halt verlor. Schnell versuchte ich noch nach Shiros Hand zu greifen, doch er zog seinen Arm zurück. Er machte keine Anstalten sich auch nur nach mir umzudrehen. „Warum?“ Wie versteinert fiel ich vom Dach. Ich riss meine Augen auf. Ich sah das Gebäude. Über den Rand des Daches sah ich Namis schockierten Blick. Ich spürte die Tiefe unter mir. Ich spürte die Luft über mir. Ich spürte die plötzliche Angst in mir. Ich spürte meine innere Leere. „Warum?“ Ich sah die dicken Wolken. Ich sah, wie ich mich Shiro immer mehr entfernte. Egal wie weit ich meine Hände ausstreckte. Ich fiel. Ich sah wie eine Träne sich von meinem Auge löste und langsamer fiel als ich. „Warum?“ Und dann sah ich einen riesigen, weißen Flügel, der sich am Himmel über mir ausbreitete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)