Cursed Shadow von _-Merle-_ (- verliebt in einen Dämon -) ================================================================================ Kapitel 26: Die heiße Quelle ---------------------------- Das Wetter war schön. Die Sonne schien so warm und angenehm auf meine Haut. Obwohl es doch mitten im tiefen Herbst war, fühlte es sich wie im Sommer an. Konnte man hier überhaupt von Jahreszeiten sprechen? Verblüffender als das Wetter, erschien mir jedoch die Umgebung. Shiro und ich waren durch den riesigen Torbogen gelaufen und fanden uns inmitten einer belebten Stadt wieder. Zusammen liefen wir eine Hauptstraße entlang die mit menschlich aussehenden Dämonen gefüllt war. Genau in der Mitte der langen Straße, waren kleine Büsche und Bäumchen gepflanzt. Hinter ihnen sah ich in der Ferne schon eine Art Marktplatz. Der Boden war aus Kopfsteinpflaster und dicken Steinplatten gebaut. Die Gebäude, entlang der Straße waren gleichmäßige, blockförmige Häuser aus hellem Stein. Entweder waren die Dächer mit rotem Ziegel bestückt oder flach, so dass sie als Terrasse dienten. Alles war im griechischen Stil gehalten. Aufgebaut war die Stadt sehr parallel und gerade. Hinter Säulen und Hausbögen konnte ich kleine offene Innenhöfe in der Mitte mancher kleiner Villen sehen. Viele Häuser waren eher in die Höhe gebaut, mit mehreren Stockwerken. Zwischen einigen Häuserblöcken waren enge Gassen die die große Hauptstraße rechtwinklig kreuzten. Darin führten oft kleine Stufen zu einem höher gelegten Teil der Stadt. Die hellen Steine und Sandsteine sowie das helle Gussmauerwerk aus weißem Beton ließ die Umgebung noch mehr erstrahlen. An einer Stelle erkannte ich ein großes Gebäude mit Freitreppen die zu einer Säulenhalle führte. Kleine Statuen verschönerten die Umgebung. Alles wirkte sehr prachtvoll, alt aber interessant. Je näher wir dem Markt kamen, desto mehr Geschäfte erkannte man an der Straßenfront der Gebäude. Auch die Anzahl der Personen stieg. Kleine Geschäfte mit offenen Ständen, überdeckt mit leichtem samtigen Stoff waren aufgebaut. Dahinter standen oft nett blickende Verkäufer. Jeder Dämon der hier entlang lief, hatte die Gestalt eines Menschen. Hier gab es weder Tierdämonen, noch Monster. Ebenso war es hier, trotz der ansteigenden Personenanzahl überhaupt nicht bedrängend wie in dem Atrium, welches ich bei Shiros Bibliothek kennen lernte. Hier schupste, bedrängte und verletzte man keinen. Beeindruckt von der Stadt, lief ich also mit Shiro hinein und sah mich erstaunt um. Mich überwältigte die gesamte Umgebung. Überall gab es etwas zu sehen. Ich konnte mich nicht entscheiden, wo ich zuerst hinsehen sollte. „Shiro! Schau mal!“, rief ich, als ich einen Stand mit goldenem, silbernem und glitzerndem Schmuck fand. Energisch packte ich Shiro am Arm und deutete mit meinem Finger darauf. „Oh! Das ist so hübsch!“, sagte ich starrend und lief auf den Stand zu. Während ich verspielt durch den Schmuck sah, blickte mich der alte Verkäufer lachend an. „Möchte die hübsche Dame eine genauso hübsche Kette kaufen? Diese hier passt sehr gut zu ihren Augen.“, meinte er und hob eine goldene Kette mit einem Anhänger aus blauen Opalen. Ich fixierte diese wunderschöne Kette lieblich an und freute mich. „Haach! Die sieht wirklich so hübsch aus!“, kicherte ich und beugte mich vor. Plötzlich packte Shiro mich jedoch an der Hüfte, hob mich hoch, drehte sich und stellte mich wieder ab. Der Verkäufer schaute mir fragend hinterher. „Lass das.“, sagte Shiro nur mürrisch und drängte mich voran. Ich schmollte und lief mit ihm weiter. „Mano..“, motzte ich und sah ihn grimmig an. „Oh! Schau mal da!“, als nächstes sah ich an ihm vorbei und erkannte ein Geschäft mit Kleidung. „Ohh! Das sieht ja toll aus!“, quietschte ich entzückt und rannte sofort wieder von Shiro weg. Mäntel hingen an Kleiderharken. Einen braunen Ledermantel griff ich mir und zeigte ihn Shiro. „Guck mal! Das ist etwas für dich! Das würde dir stehen!“, grinste ich ihn an. Er blieb mit überkreuzten Armen stehen, atmete tief aus und rollte die Augen. Während ich glücklich da stand erfasste mich plötzlich ein delikater Geruch. Begeistert legte ich den Mantel zurück und schnüffelte durch die Luft. „Hmmm… was… ist das?“, fragte ich und sah mich um. Neugierig folgte ich dem Duft und schaute auf eine Bäckerei. „Oh Shiro!“, begann ich wieder und starrte auf die Leckereien eines nächsten Geschäfts. Gerade als ich auf die andere Seite der Straße rennen wollte, griff Shiro mich am Arm und sah mich finster an. „Yuki….!“, ermahnte er mich. Irgendwie wirkte er angespannt. Warum nur? Wir waren doch erst einmal in Sicherheit. Ich drehte mich kurz erschrocken zu ihm um und grinste ertappt. „Hehe..“ Doch unser kurzer Weg wurde durch meine ständig anhaltende Tuhr immer länger. Ich wollte mir unbedingt so viel ansehen, wie ich konnte. Egal wir oft Shiro mich aufhielt, am Ende hielt meine Aufmerksamkeit nicht lange, und schon stand ich an einem nächsten Geschäft. Langsam kamen wir immer mehr in das Zentrum der Stadt. Dort gab es ein Geschäft mit Fischen. Ein riesiger karpfenähnlicher Fisch hing an einem Seil kopfüber. Er war mindestens so groß wie ich und könnte mich mit der Breite seines Maules glatt herunter schlucken. Neugierig beugte ich mich zu seinen riesigen Glubschaugen hinunter. Bis er sich plötzlich bewegte und am Seil zappelte. Ich rannte sofort zu Shiro zurück und versteckte mich hinter ihm. Er stand jedoch nur genervt da und wartete, bis wir endlich weiter gingen. Ein paar Meter weiter, stand ein kleiner hölzerner Zaun mit ein wenig Stroh auf dem Boden. Süße kleine Hasen mit Geweih und Flügel hüpften darin herum. Ich beugte mich verspielt über den Zaun und streichelte eines. Bedenkenlos ließ es sich von mir berühren, sodass ich es sogar auf den Arm nehmen konnte. Bezaubert von diesem kleinen Tier, zeigte ich Shiro dieses Wesen, das sich anscheinend Wolpertinger nannte. Da ich mich jedoch zu weit von dem Zaun entfernte, wurden wir sofort von dem Besitzer getadelt und ich lief schnell weiter, mit Shiros stechendem Blick im Nacken. Wir gingen gemütlich den Markt entlang. Die Händler waren alle so nett. Natürlich ließ ich mich von jedem Angebot verlocken. Dass sie anderen Dämonen mich verwirrt anstarrten, war mir egal. Ich freute mich über all das und war bezaubert von den neuen Dingen, die ich kennenlernte. Schließlich ließ Shiro auch meine quirlige Art einfach zu und lief mir still hinterher. Für ihn war das alles nichts Neues. Also interessierte es ihn nicht. Er sah lediglich auf mich. Er sah wie ich herum tanzte. Er sah wie ich lachte. Er sah wie ich mich freute. Ich war jedoch zu sehr auf meine Umgebung konzentriert. Also bemerkte ich nicht, wie seine Laune auflockerte, je mehr er mein Lächeln sah. Verträumt beobachtete er, wie ich mich von Herzen freute. Als ich heiter und sorglos herum spazierte und Shiro alles zeigen wollte, was ich interessant fand, blieb er plötzlich mitten auf einer Kreuzung stehen. Erst als ich einige Schritte weiter hüpfte bemerkte ich, dass er nicht mehr neben mir herlief und drehte mich zu ihm um. „Shiro?“, fragte ich überrascht und legte meinen Kopf schief. Er stand nur da, und schaute in den Weg zu seiner Linken. Auch ich sah nun seinem Blick nach. „Müssen wir da lang?“, fragte ich. „Hmh..“, er nickte mir nachdenklich zu. Anscheinend beunruhigte ihn etwas. Er war jedoch nicht hitzig wie sonst, sondern eher zurückhaltend. Verwundert runzelte ich die Augenbrauen und sah ihn schweigend an. Was hatte er nur? Er stand nur da und ballte die Fäuste. Langsam beruhigte auch ich mich. „Na.. dann los.“, sagte er leise und lief mit langsamen Schritten den Weg entlang. Es fühlte sich an, als würde er sich auf etwas vorbereiten müssen. Er schwieg eine Weile. Es war eine bedrückende Situation. Den ganzen Weg entlang, sprach er kein Wort. So schwieg auch ich. Er war nachdenklich. Doch egal wie neugierig ich war, ich passte mich ihm an, und wollte ihm nicht zur Last fallen. Nachdem wir der Straße bis zum Ende folgten, blieben wir vor einem großen Hof stehen. Das Haus vor welchem wir standen, stach zwischen all den anderen besonders wegen seines traditionell asiatischen Aufbaus hervor. Es war ein hoher hölzerner Zaun aus Bambus, der den langen Garten von der Straße abgrenzte. Das Tor stand jedoch offen und ein Pfad führte zu einem Eingang. Ich blickte umher. Ein kleiner Weg, der mit einzelnen flachen Steinen geebnet wurde, führte durch den Vorgarten, hinter das Haus, zu dem Rest des Gartens. Ich hörte seichtes Wasser plätschern. Die Vögel zwitscherten. Ein großer Kirschbaum ragte leicht hinter dem Haus hervor. Blumen strahlten, das Grün war so wunderschön. Eine kleine, metallische Schwengelpumpe, mit verziertem Griff und langem Hahn führte zu einem winzigen Teich, in welchem das Wasser aufgefangen wurde. Ein kleines Wasserspiel aus Bambus lies dieses Wasser zu einem tieferen Bereich des Teiches fließen. Dabei schaukelte es langsam vor und zurück, wobei ein beruhigendes Klopfen erklang, sobald das Rohr auf den Stein stieß. Hier sah es plötzlich aus, wie in einer anderen Welt. Ähnlich wie in der Stadt wirkte alles so harmonisch und friedlich. Alles gab einem das Gefühl, sich wohl zu fühlen. Hier war es jedoch nicht so laut, eher abgeschieden und idyllisch. Im Gegenteil zu den großen, robusten, steinigen Häusern aus der Stadt, welche mit Statuen und Säulen verziert waren, wirkte dieses Haus jedoch ruhig und natürlich. Es hatte zwei Etagen. Die Wände waren aus Holz und das Dach aus leicht geschwungenem Ziegel. Der hölzerne Engawa, führte wie eine etwas erhöhte Veranda am Haus entlang, bis in den hinteren Garten, hinter dem haus. Vor dem Eingang waren Steinstufen, die zu einer ebenso hölzernen Schiebetür führten. Eine kleine Überdachung führte auch am Haus entlang. An einem kleinen Holzbalken an der Eingangstür hing eine kleine, goldene Glocke. Der Klöppel darin war mit einem weißen Seil an der Seite mit einem kleinen Gewicht befestigt. Ein letztes Mal sah ich mich um. „Sind wir da?“, fragte ich Shiro, als er vor dem geöffneten Zaun stehen blieb. Er wirkte angespannt und blickte mich nicht an. Seine Augen waren nur auf dieses Haus gerichtet. Warum war er nur so konzentriert? Sollte dies nicht der Ort sein, an dem wir sicher sein sollten? Shiro nickte jedoch nur. Dann lief er auf den Eingang zu ohne mir zu antworten. Neugierig folgte ich ihm. „Wo sind wir denn? Was ist los? Shiro.“, sprach ich ihm leise zu, als ich neben ihm herlief. Doch er antwortete mir wieder nicht. Waren wir etwa doch nicht sicher? Doch ich vertraute ihm. Was würde sich hier nur verbergen? Ein Feind? Doch dann würde Shiro nicht so zögerlich sein. Als wir über den kleinen Weg zu den Steintreppen liefen, standen wir nun vor der Tür. Ich hatte mich etwas hinter ihn gestellt und sah aufmerksam zu ihm auf. Er biss die Zähne zusammen und ballte seine Faust. Was war nur los? Doch ich wartete ab, statt ihn wieder anzusprechen. Einen Moment stand er nur da. Er sagte nichts. Er atmete tief. Er war angespannt. Nach kurzer Zeit griff er zu der Glocke. Mit dem Seil ließ er sie drei Mal erklingen. Es war ein heller, doch sanfter Ton. Dann war es leise. Kurz darauf hörten wir auch schon eine Frauenstimme. „Ich komme!“, kam es uns entgegen. Ich hörte die Schritte im Raum. Ich hörte das Knarren des Holzes. Ich hörte Shiros nervösen Atem. Dann schob eine ältere, wunderschöne Fuchsfrau die Eingangstür auf. „Sind die Blumen schon da?“, fragte sie lächelnd. Sie trug eine kleine Vase in ihrer Hand. Gekleidet war sie mit einem traditionellen Kimono. Ihre Stimme klang so nett und sympathisch. „Ich hatte doch erst morgen mit…“, doch plötzlich verstummte ihre freundliche Stimme. Mit ihrem, leicht vom Alter geprägten, faltigen Gesicht starrte sie Shiro fassungslos an. Sie riss ihre Augen auf und hielt den Atem an. Auch Shiro wurde ganz starr. Dann lies sie entsetzt die Vase aus ihren Händen fallen und das Porzellan schepperte zu Boden. Es klirrte laut. Erschrocken blickte ich auf die Scherben und trat einen Schritt zurück. Doch Shiro kümmerte dies nicht. Demütig wich er den Blicken dieser Frau aus und sah herab, ohne der Frau in die Augen blicken zu können. Ich war sprachlos. Den Tränen nahe machte die Frau einen großen Schritt vor. „… Shiro!“, sprach sie aus tiefstem Herzen erleichtert. Plötzlich fiel sie ihm um den Hals und umarmte ihn mit aller Liebe. Aus ihren Augen kullerten kleine Freudentränen. Shiro blieb streng demütig, doch erwiderte die Umarmung sanft. Er biss die Zähne fest aufeinander. „Hallo…“, sagte er leise. Verwirrt von alle dem, ging ich einen Schritt zurück. Was ging hier vor sich? Plötzlich hörte ich jemanden aus dem Haus rufen. „Mutter! Ist dir etwas passiert? Ist alles in Ordnung?!“, rief eine junge Männerstimme. Ich sah, wie ein Fuchsmann die Treppe herunter stürmte, doch mitten auf den Stufen stehen blieb. Auch er trug einen traditionellen Tempelkimono. Seine Haare waren genau so rot wie die der Frau. Und seine spitzen Fuchsohren standen aufgebracht auf. Ein genauso roter Fuchsschwanz ragte entsetzt hervor. Wie auch die Frau, starrte er fassungslos doch erfreut in unsere Richtung. „Shiro..! Du… lebst?!“ Mir blieb kurz der Atem stehen. Anscheinend kannten die beiden Shiro. Aber warum waren sie so außer sich? Ich wusste nicht ob ich schockiert sein sollte. Diese Frau begann leise zu wimmern. Sie drückte ihr Gesicht an ihn und weinte herzzerreißend. Ihre glückliche Stimme zitterte nun. „Ich dachte.. ich dachte…“, stotterte sie und begann zu weinen. „Ich dachte, wir würden dich nie wieder sehen.“, flüsterte sie. Shiro wirkte wie gefesselt. Er umarmte sie nur und schwieg. War er deshalb die ganze Zeit so mürrisch gewesen? Dachte er schon die ganze Zeit an diese Situation, die ihm anscheinend unangenehm war? Nun trat der Mann zu uns. „Mutter. Beruhige dich.“, sagte er sanft und faste sie an den Schulter. Sie stellte sich wieder hin und versuchte zart mit dem Handrücken ihre Tränen wegzuwischen. Ihre Augen waren ganz rot. So vielen Tränen kullerten über ihre Wangen. Ihr erschöpftes Gesicht sah so verweint aus und dennoch lächelte sie. Es war ein mitreißender Moment. Doch ich wusste nicht, was ich tun sollte. Konfus stand ich nur da und wusste nicht, was gerade geschah. Eingeschüchtert ging ich etwas zurück. Der Fuchsmann hielt nun diese Frau in seinen Armen. Er war größer als sie und es wirkte, als wolle er sie beschützen. Dann blickte er Shiro an. Ihm konnte Shiro in die Augen sehen, auch wenn sein Blick voller Reue war. „Shiro. Schön dich zu sehen. Aber wo ist meine Schwester?“, fragte der Junge nun. Shiro blieb noch einen Moment still uns sah ihn nur ernst an. Der Junge sprach von einer Schwester. Wie aus dem nichts blickte ich ihn überrascht an. „Kitsune?“, kam es plötzlich aus meinem Mund geschossen. Irgendwie wollte ich auch etwas zu der Situation beitragen. Außerdem konnte ich es nicht ertragen, wie Shiro sich alleine dort, demütig präsentierte. Da die beiden Personen vor mir die gleichen roten Haare und Fuchsschwanz sowie Fuchsohren wie Kitsune hatten, war sie die erste Person die mir in den Kopf kam. Verwundert sahen sie mich an und bemerkten mich wohl erst jetzt hinter Shiro stehen. „Hmh..?“, beide warfen ihre überraschten Blicke auf mich. Errötet riss ich die Augen auf. Ich hatte ihr herzliches Wiedersehen gestört. Beschämt legte ich meine Hände auf meine Brust und ging einen erneuten Schritt zurück. „Oh… ehm.. entschuldigt bitte.. ich..“, stotterte ich und legte mein Haar hinter mein Ohr. Dann biss ich mir verlegen auf die Lippe. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich hier falsch. Es war ein wichtiger Moment zwischen den Dreien. Ich hatte hiermit nichts zu tun. Und doch musste ich mich einmischen. Hätte ich nur besser den Mund gehalten. Ich kam mir so dumm vor. „Junge Dame.“, begann der Fuchsjunge zu sprechen. Nervös blickte ich zu ihm hinauf. „Bist du mit Shiro hier?“, fragte er mit ruhiger Stimme und lächelte mich lieb an. „Ehm.. j.. ja… also.. ja!“, plapperte ich verwirrt und wusste nicht wohin mit meinen Händen. Doch nun stieg der Fuchsjunge mit einem kleinen eleganten Sprung von der Veranda herab zu mir. Ich wich verblüfft zurück doch vorsichtig fasste er meine Hand und hielt sie wärmend in seinen. „Entschuldige bitte mein egoistisches Verhalten.“, sagte er und hob nun meine Hand. Mit einem zarten Kuss auf meinem Handrücken, begrüßte er mich. „Dass ich ein so süßes Mädchen ignoriert hatte, tut mir schrecklich leid.“, sagte er und sah mich treuherzig leidend an. Er hatte so warme, weiche Hände. Und mit seiner Bewegung erfasste mich so ein angenehmer Duft von Blumen. Sprachlos blickte ich ihn mit weiten Augen an und meine Wangen erröteten stark. „Mein Name ist Kisho.“, sagte er und sah mir tief in die Augen. Er stand mir sehr nah und schaute mit einem so liebevollen Lächeln zu mir hinab. Überwältigt von seiner Begrüßung versuchte auch ich sein Lächeln zu erwidern, doch sehr viel zaghafter. „Ehm… ich.. heiße Yuki..“, antwortete ich ihm zögerlich. „Ah. Ein sehr hübscher Name. Dein Name bedeutet Mut.“, erklärte er mir. Seine Worte waren irgendwie so aufmunternd und freundlich. War ich nicht das genaue Gegenteil von Mut? „Wieso reist du mit diesem störrischen Typen hier her?“, lachte er leicht. Noch immer hielt er meine Hand. Doch plötzlich griff Shiro ihn am Nacken seiner Kleidung und zog ihn grimmig zurück. „Lass sie.“, ermahnte er ihn. Kisho ließ sich jedoch nicht unter und warf ihm einen ebenso grimmigen und doch grinsenden Blick zurück. Sie wirkten wie zwei streitende Brüder. Die Frau begann nun lauter zu sprechen. „Fängt das schon wieder an?“, stoppte sie beide und grinste glücklich. „Lasst uns hinein gehen. Bitte. Kommt.“ Shiro gehorchte sofort und ließ ihn auch sofort los. Dann blickten wir zu der Frau hinauf. Sie lächelte und schloss die Augen erfreut. „Na los. Ich mache uns Tee.“ Nach einer kurzen Weile traten wir auch schon in das Haus ein. Ich folgte Shiro einfach still und leise. Ihm war diese Umgebung wohl schon bekannt. Meine einfachen Lederschuhe, die ich noch von Nagisa bei hatte und Shiros schwarze Schuhe, die er noch vom Ballabend trug zogen wir im Eingangsbereich aus und stellten sie vor die kleine Stufe, die in das Haus führte. Es war alles sehr traditionell. Die Wände dienten gleichzeitig als Schiebetüren. Die Räume waren mit einfachem Tatamiboden ausgestattet. Er war weder hart wie Stein noch weich wie ein Teppich. Er war einfach angenehm nachgebend und stabil. Shiro und ich saßen schließlich an einem breiten Kaffeetisch. Er war so tief, dass wir auf kleinen Sitzkissen Platz nahmen. Ich kniete auf meinen Beinen, während Shiro im Schneidersitz neben mir saß. Hinter uns führte eine geschlossene Tür in den Garten. Ich hörte das Plätschern des Wasserspiels und das Vogelgezwitscher durch die dünne Schiebetür. „So. Also. Erzählt mal. Was treibt euch hier hin?“, fragte Kisho und lief in den Raum hinein. Er stellte vier Tassen auf den Tisch und setzte sich uns gegenüber. Shiro blickte ihn ernst an. „Wir, brauchen eure Hilfe.“, begann er. „Wir benötigen eine Unterkunft. Mehr kann ich dir nicht sagen.“, erklärte er nur. Doch Kishos haute plötzlich wütend auf den Tisch und beugte sich vor. „Unsere Hilfe? Du willst unsere Hilfe? Weißt du eigentlich, was Mutter durchgemacht hat wegen dir?“, sagte er leise, damit die Frau im Nebenzimmer nicht mithören konnte. Nun sah Shiro weg und biss die Zähne aufeinander. Er schwieg nur. Ich schreckte leicht auf und sah ihn mit weiten Augen an. Da wurde Kishos Stimme wieder freundlicher. „Oh entschuldige.. Es tut mir leid, wen ich dich erschreckt habe..“, sagte er mir mit einem sanften Lächeln. Doch ich hob die Hände und wedelte in der Luft herum. „Ach. Nein. Schon gut.“, grinste ich ertappt. „Aber wenn ich fragen darf… wovon sprechen sie?“, tastete ich mich langsam ans Thema. Das Lächeln des Fuchsjungen wurde immer breiter. „Ohhh.Yuki. Wie süß du einfach bist. Du musst bei mir nicht so höflich sein. Aber das zeigt deine gute Erziehung.“, sagte er fröhlich und lehnte seinen Kopf auf seine Hand. „Naja.. also das mit Shiro.. ist eine lange Geschichte. Er gehört irgendwie zur Familie. Meine Schwester kennst du ja schon. Kitsune. Sie lebt bei ihm.. und ehm.. ach.. Es tut mir wirklich leid, aber ich glaube, es wäre nicht gut jetzt darüber zu reden.“, versuchte er dem Thema auszuweichen. „Shiro macht manchmal dumme Sachen, weißt du? Haha.“ „Ah.. Ja. Das stimmt.“, begann auch ich zu grinsen. Wir versuchten die Stimmung etwas aufzulockern auf Shiros Kosten. Verträumt sah Kisho mich an und lachte mit mir zusammen. Doch dann mischte Shiro sich ein. „Sie weiß es schon.“, sagte er betroffen, ohne aufzusehen. Sofort verschwand das dezente Gelächter. Wir sahen Shiro an. „Was?“, fragte ich überrascht. „Ich verleugne das nicht.“, begann er zu erklären. „Kitsune lebt seit einigen Jahren bei mir. Ich hatte ihrer Familie geschworen, auf sie aufzupassen, so lange ich lebe… und.. dann..“, seine Stimme wurde immer leiser. Dann verstummte er ganz. Er packte mit seinen Händen fest an seine Knie. Kisho sprach für ihn weiter. „Und dann bekamen wir die Nachricht, von ihm, dass er Kitsune zurückschicken würde. Und wir ihn nie wieder sehen werden. Eiskalt und trocken. Wie wir ihn kennen.“, meinte er ernst. Ich erschrak. Worauf wollte Kisho hinaus? Obwohl ich die Antwort doch kannte, wollte ich sie nicht wahrhaben. „Das bedeutete also, dass er sterben würde…“, sprach Kisho weiter. Dann begann er nachdenklich zu grinsen. „Und weil wir ja alle wissen, dass Shiro ein Sturkopf ist, der von niemanden besiegt werden kann, konnte das nur eines bedeuten..“ Entsetzt legte ich die Hände vor meinen Mund. Ich erinnerte mich. Ich erinnerte mich an den Moment, an dem Shiro so bitterlich weinte. Ich erinnerte mich an den Tag, an dem wir auf dem Dach der Schule saßen und er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Ich erinnerte mich an den Moment, als er mir erzählte, dass er sich umbringen wollte. Als ich mich zu Shiro drehte, wich er meinen Blicken aus und schwieg. „Ich… weiß..“, sagte ich leise. „Aber Kisho!“, sprach ich nun laut. Ich legte meine Hände auf den Tisch und sah ihn ernst an. „Ich weiß, dass ihr sauer auf ihn seid! Und das ist auch euer gutes Recht! Aber bitte… seid nicht zu hart mit ihm. Bitte helft ihm. Er weiß, dass es falsch war. Aber er musste so viel durchmachen, dass dieser Ausweg für ihn als einziger zu erreichen schien. Er war so durcheinander. Ich weiß, dass es schwer ist, für alle Beteiligten! Aber die Augen zu verschließen und nicht zu sehen, dass er, obwohl er am Ende angekommen war, und den einfachsten Ausweg nehmen wollte, er trotzdem noch seine Kraft gesammelt hat um weiter zu leben! Er war kurz davor, und trotzdem hat er sich noch für den schweren Weg entschieden! Ja. Ihr dürft wütend sein! Und seine Entscheidung war egoistisch! Und er ist provozierend und eigensinnig und tut, als würde ihn nichts anhaben! Aber ihr dürft nicht vergessen, was ihn zu seiner Entscheidung geführt hat! Und dass er euch brauch! Und dass er doch nicht aufgegeben hat! Bitte…“ Überrascht sah Kisho mich an. Meine Worte verschlugen ihm die Sprache. Jedoch war er nicht wütend. Er war eher erstaunt. Mein Herz pochte aufgeregt. Ich wusste nicht, welche Geschichte die beiden gemeinsam hatten, jedoch wusste ich, welche Geschichte ich mit Shiro hatte. Und ich wollte für ihn da sein. Ich wollte ihm helfen. Auch Shiro sah mich überrascht an. Doch auch er schwieg und war zu gefesselt um etwas dazu zu sagen. Warum starrten beide mich denn so an? Schließlich schloss Kisho den Mund und grinste locker. „Yuki. Keine Sorge. Wir werden euch natürlich helfen. Und besonders bei deiner zuckersüßen Bitte kann ich doch gar nicht nein sagen.“, sagte er entschlossen. Stocksteif lehnte ich mich wieder zurück und erschreckte errötet. Zuckersüße Ansprache? „Eh..“, verlegen wusste ich nicht wie ich reagieren sollte und stotterte leise. „Ich.. eh.. also.. danke.?.. Eh..“ „Kisho. Würdest du mir helfen?“, hörten wir nun aus der Tür. Die Fuchsfrau kam gerade mit einer heißen, dampfenden Kanne herein gelaufen. Wegen ihres Kimonos lief sie nur kleine, elegante Schritte. „Natürlich.“, sofort stand Kisho auf und half ihr den Tee zum Tisch zu tragen. Dann setzten sich beide uns gegenüber. Die ältere Frau hatte ein so aufmunterndes, schönes Lächeln. Doch Shiro konnte es noch immer nicht übers Herz bringen, sie anzusehen. „Nun..“, begann die Frau und schenkte uns das heiße Getränk ein. „Ich hatte ganz vergessen mich vorzustellen. Mein Name ist Kazumi. Kisho ist mein Sohn. Und wie ich hörte, hast du auch schon Kitsune kennen gelernt, meine Tochter.“, dann stellte sie die Kanne vorsichtig auf einen Untersetzer auf den Tisch. „Ja. Wir kommen sehr gut miteinander aus. Sie ist sehr freundlich zu mir gewesen. Sie kann zwar manchmal etwas… lebendig sein, aber in den richtigen Situationen ist sie doch sehr erwachsen.“, antwortete ich sofort und nahm meine Tasse zu mir. Während ich trank legte Kisho seinen Kopf schief. „Lebendig? Sie kann eine echte Nervensäge sein. Aber ich glaube Shiro hat ihr schon sehr gut helfen können.“ „Helfen?“, fragte ich bevor ich von dem Tee nippen konnte. „Oh. Ich dachte, du wüsstest, warum Kitsune bei Shiro wäre? Hat dir das keiner gesagt?“, fragte er mich. Ich sah fragend zu Shiro. Dieser saß jedoch nur mürrisch an seinem Platz und trank vom Tee. „Eh.. nein..“, antwortete ich zögerlich. Dann sah ich wieder zu Kisho. „Ich kenne den Grund nicht.“ Der Fuchsjunge lehnte sich wieder zurück und überkreuzte die Arme. Dann schloss er, sich erinnernd die Augen, sah etwas herab und nickte einige Male. „Ja.. also Shiro hat uns damals geholfen, her zu ziehen. Wir lebten damals beim Atrium Bellum. Und das soll ja schon was heißen. Die Stadt der Krieger und Kämpfer. Dort wo die übelsten Kerle herkommen. Wie Shiro! Naja, eigentlich lebten wir dort, um die Kranken zu versorgen. Wir sind keine Kämpfer. Doch es war uns untersagt, dort wegzuziehen. Wir.. besonders unsere Mutter, wurden dort.. wie das Letzte behandelt. Shiro half uns dann von dort zu entkommen. Es war eine Nacht- und Nebelaktion mit vielen Verletzten. Kitsune verlor dabei ihre komplette Kraft und Magie. Kurz gesagt: Shiro setzte sich dann dafür ein, dass sie ihre Kraft wieder erlangt. Und sie wollte unbedingt von ihm lernen. Also zogen sie gemeinsam weiter und seitdem lebt sie bei ihm.“ Interessiert an der Geschichte, lauschte ich seinen Worten und trank aus meiner kleinen grünen Tasse. Somit war mir also auch diese Vorgeschichte zwischen Kitsune und Shiro bekannt. Ich legte die Arme auf den Tisch, mit der Tasse in meinen Händen und dachte nach. „Ihr nennt ihn auch Shiro. Ich dachte, diesen Namen hätte Kitsune sich nur einfallen lassen? Wie habt ihr euch denn eigentlich kennen gelernt?“, fragte ich nun. Kisho freute sich, dass ich seinen Worten so neugierig folgte und kicherte kurz. „Ach. Das.. also, das war so. An einem Tag in der Stadt des Atrium Bellum, kam so ein total verletzter Typ durch die Straßen. Er war voller Blut und konnte kaum laufen. Ich war gerade auf dem Heimweg nach einem harten Tag. Dieser Typ humpelte a mir vorbei, hockte sich in die nächste Gasse und brach zusammen. Und da wir Fuchsdämonen nun mal nicht anders können als zu helfen, nahm ich diesen schwachen, halb toten Dämonentypen mit. Er war wirklich schwach.“, Kishos Stimme klang immer amüsierter. Er hob die Hand und machte passende Bewegungen zu seiner Geschichte. Ein wenig schaffte er es sogar, Shiro zu necken. Anscheinend wusste auch er, dass Shiro es nicht leiden konnte als schwach bezeichnet zu werden. Ich ließ mich von seiner fesselnden Geschichte und seiner mitreißenden Emotionen in den Bann ziehen und begann auch leise zu kichern. „Ich nahm also diesen Jungen, der keinen Namen hatte und brachte ihn in unsere Unterkunft. Er war so mürrisch, obwohl ich ihm das Leben rettete! Aber so kennen wir ihn ja. Meine Mutter und meine Schwester kümmerten sich dann um-“ „Kisho!“, unterbrach Kazumi ihn auffordernd freundlich. Er schreckte auf und sah sie mit großen Augen an. Sofort hörte er mit dem erzählen auf. „Diese Geschichte musst du nun wirklich nicht so sehr ausschmücken. Und ich denke, es ist gerade auch nicht der richtige Zeitpunkt das zu erzählen.“, meinte sie und legte ihre Tasse auf den Tisch. Ich sah Kisho fragend an. Dann drehte ich mich zu Shiro, der noch immer mürrisch neben mir saß, schwieg und seinen Tee bereits ausgetrunken hatte. Ich hingegen hatte kaum von dem Tee getrunken, da ich Kisho so neugierig zuhörte. Kazumi wollte Shiro wohl in Schutz nehmen. Nun fühlte ich mich etwas schuldig. Auch wenn er nichts gegen das Gespräch sagte, obwohl er sich stets negativ äußerte, wenn ihm etwas nicht passte, war ihm das Gespräch über seine Vergangenheit unangenehm. Ich verstand ihren Beweggrund. Sie merkte, dass es Shiro nicht gut ging. „Entschuldige Mutter..“, sagte Kisho brav und spielte an seiner Tasse. „Entschuldige dich nicht bei mir.“, lächelte sie ihn an und deutete zu Shiro herüber. Unzufrieden aber verständnisvoll schmollte er etwas. „Entschuldige Shiro.“ Ich sah zwischen beiden hin und her. Shiro hatte einen so nachdenklichen Blick. Kisho saß dort eher gelangweilt. „Shiro, Yuki.“, hörte ich nun Kazumis sanfte Stimme. „Ich bin zwar neugierig, aber eurem Verhalten und eurer Kleidung nach, seid ihr wohl etwas länger unterwegs.“, dann lächelte sie uns lieb an. „Ihr müsst mir nicht verraten, was euch so bedrückt und weshalb ihr unsere Hilfe braucht.“, nun lehnte sie sich zurück und stand langsam auf. „Wir werden euch gerne helfen. Keine Sorge. Nun nehmt noch ein Bad und ruht euch aus. Es wird schon dunkel. Morgen, können wir weiter reden.“ Kisho stand blitzartig auf und freute sich. „Ja! Lasst uns in die heiße Quelle gehen! Yuki komm, ich zeige dir, wo sie ist!“, meinte er gut gelaunt. Doch ich lächelte bescheiden. „Ach.. ein Bad würde ich gerne nehmen, wenn das in Ordnung ist. Doch bei der heißen Quelle muss ich wohl leider nein sagen.“, erklärte ich und biss mir zurückhaltend auf die Lippe. Ich mochte das Gefühl des warmen Wassers und dem darüber schwebenden Dampf. Doch war es mir unangenehm, mit anderen zu Baden und bevorzugte eine Dusche alleine. „Ach schade.. vielleicht ein anderes Mal... Aber Shiro!“, nun sprang er zu ihm und griff mit seinem Arm um seinen Hals. „Du kommst doch sicher mit! Du stinkst! Was ist das überhaupt für eine Kleidung, die du trägst?“ Genervt legte Shiro seine Hand in Kishos Gesicht und drückte ihn von sich weg. „Vergiss es.“, lehnte er ab. Kazumi kicherte und legte vornehm ihre Hand vor ihren Mund. „Hihi.. Macht was ihr möchtet. Fühlt euch wie zuhause.“, dann reichte sie mir ihre Hand. „Yuki. Ich werde dir das Bad zeigen. Und ich werde dir neue Kleidung geben, wenn du möchtest.“ Ich blickte überrascht zu ihr und sie half mir aufzustehen „Oh! Gerne! Vielen Dank!“ – „Na, dann komm mal mit.“, sie drehte sich um und ging voraus. Doch bevor ich ihr folgte blieb ich stehen. Es kam mir vor, als würde mir etwas fehlen. Dann drehte ich mich um und blickte auf Shiro. Er würde mir nicht folgen. Natürlich nicht. Obwohl wir noch im gleichen Haus waren, fühlte es sich falsch an, sich von ihm zu trennen, auch wenn es nur die Räume waren, die zwischen uns standen. In diesem Moment fiel mir auf, dass wir die letzten Tage zusammen verbracht hatten. Wir hatten ja sogar die letzten Nächte immer im gleichen Raum verbracht und die letzte Nacht sogar nebeneinander. Zwar war es besonders aus Schutzmaßnahmen, jedoch gewöhnten wir uns sehr daran. Shiro blickte schweigend zu mir auf. Er wusste, was mich aufhielt weiter zu gehen. Auch er spürte diese Veränderung, als wir uns trennten. Aber er deutete sicher den Gang entlang. „Geh ruhig.“, sprach er. „Du brauchst hier keine Angst zu haben. Vertrau mir.“ Diese Worte. – Vertrau mir. – Ich hörte sie oft von ihm. Doch auch dieses Mal nahm ich sie herzlich an und nickte ihm zu. Es wirkte, als bräuchte ich seine Genehmigung, ehe ich irgendwo hingehen durfte. Doch so war es ganz und gar nicht. Es war eher so, dass ich um seine Sicherheit bat, wenn ich mich von ihm entfernte. Dass er mir versprach bei mir zu bleiben, auch wenn ich ihn nicht sehen konnte. Zufrieden drehte ich mich schließlich wieder zu Kazumi und lief ihr mit schnellen Schritten hinterher. Dann zeigte sie mir den Weg ins Bad. Kisho hatte sich neben Shiro gesetzt und lehnte sich müde auf den Tisch. Er winkelte seinen Arm an und legte seinen Kopf auf seine Hand. Die Stimmung war nun wieder etwas ruhiger. Shiro saß dort und sah mir noch nachdenklich hinterher. Kisho gähnte kurz mit breitem Mund und hielt sich die Hand vor. „Haaaahhg… Hmh.. Shiro?“, fragte er dann. „Hmh?“ „Seid ihr beide… ach egal.“, kam es gelassen von dem Fuchsjungen. Dann stand auch er auf. Seine Stimme wurde auffällig wacher. „Los! Komm lass uns in die Quelle!“ Das warme Wasser plätscherte auf mich herab. Während ich die Wärme genoss, legte ich meine Hände auf meine Schultern und dachte nach. Ich träumte vor mich hin und fuhr sacht über meine Haut. Das Wasser perlte etwas von meinem Gesicht herab. Mein Atem war leicht und gleichmäßig und mein Körper fühlte sich erschöpft an. Shiro wurde hier aufgenommen wie ein Familienmitglied. Kisho wirkt wie ein Bruder und Kazumi wie eine Mutter. Und dennoch war es nicht seine Familie. Es musste sich seltsam anfühlen, von einer Familie aufgenommen zu werden, obwohl man eine eigene hatte, die vor den Augen getötet wurde. Egal wie lieb sie zu ihm waren. Sie würden nie seine echte Familie ersetzen können. Shiro hat also eine lange Zeit mit Mephisto und Deeon gelebt. Doch beiden gezeigt, dass er alleine leben wollte. Auch sie waren immer für ihn da. Und nun sehe ich diese Familie hier, die sich um ihn kümmerte. Aber auch sie ließ er nicht an sich heran. Was war es nur, das Shiro so beschäftigte, dass er einfach nicht glücklich sein konnte? War es immer der Gedanke an Lilith? Oder ein noch schlimmerer Gedanke? Warum war er nur so stur? Warum wollte er denn nicht einfach glücklich sein? „Arrgh!“, ich ärgerte mich über meine eigenen Gedanken und wische über mein Gesicht. Ich wollte doch gerne helfen aber ich konnte nicht! Nun wollte ich mich einfach von meinen negativen Gedanken ablenken. Ich sollte das hier doch genießen, nach allem was geschehen war. Ich drehte mich also um und ließ nun das Wasser auf meinen Rücken plätschern Das Bad war sehr groß. Es waren drei Duschen an den Wänden angebracht. Auf der anderen Seite des Raumes war eine gläserne Tür, die einen beschlagenen Blick auf die heiße Quelle im hinteren Garten erahnen ließ. Als ich das erkannte klimperte ich kurz mit den Augen. „Das ist bestimmt diese Quelle.“, sagte ich mir selber. „Sollte ich es doch mal probieren?“, fragte ich mich und drehte im gleichen Moment das Wasser zu. Wieso nicht? Wenn Kisho und Shiro nicht da sein würden, dann kann ich ja doch alleine das Bad genießen. Vorsichtig tapste ich durch den nebeligen Raum, über den nassen Boden. Von der Wand nahm ich mir ein Handtuch, das dort hing und wischte leicht einen kleinen Kreis an der Scheibe frei. Vorsichtig spähte ich hindurch um den Garten sehen zu können. Da erkannte ich auch schon die heiße Quelle. Sie war gerade mal so groß wie ein kleiner Pool und hatte mitten drin eine, bis zur Hälfte durchgezogene, gerade eben über die Wasseroberfläche herausragende Bambuswand, die mit Steinen im Wasser ausgeschmückt war, um sich zu setzen. Die Steine die den Kreis der Quelle formten, waren ebenfalls zum sitzen. Draußen war es bereits dunkel geworden. Jedoch erkannte ich niemanden in dem Wasser sitzen. Also schob ich leicht die Tür auf und streckte meinen Kopf hinaus. Mit einem Blick nach links und rechts vergewisserte ich mich, dass auch niemand da war. Diese Quellen betrat man ohne Kleidung. Also schlang ich schnell das Handtuch um mich und tapste hinaus. Die Luft war etwas kälter, aber angenehm. Mit meinem Fuß tastete ich erst nach dem Wasser. Es war so schön warm. Erleichtert ging ich schließlich die kleinen Stufen in das Wasser hinab. Das Handtuch ließ ich dabei um. Als mich das warme Wasser erfasste wurde mir so wohl um Herz. Ich setzte mich an die Bambuswand und ließ nur noch meinen Kopf aus dem Wasser ragen. „Hmmmh… Ist das schön..“ Entspannt schloss ich die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Genau das beruhigte mich. Die Wärme durchzog meinen ganzen Körper. Mein Herz pochte angenehm langsam und ich atmete befreit von allen Sorgen. Doch gerade als es mir gelang, an nichts zu denken, hörte ich plötzlich eine Stimme aus der Ferne. „Das wird dir bestimmt gut tun. Meine Mutter hat vollkommen recht!“, sprach Kisho zu Shiro. Beide trugen nur ein Handtuch um ihre Hüfte. Während Shiro griesgrämig, mit überkreuzten Armen lief, tapste Kisho vergnügt neben ihm her. Seine Fuchsohren waren verspielt zur Seite gedreht und sein Grinsen war nicht zu übersehen. Ich drehte mich zu ihnen um und versteckte mich halb hinter der kleinen Bambuswand. Zurückhaltend griff ich das Tuch um meiner Brust und starrte sie nur sprachlos an. Es war nur kein knallroter Kopf zu sehen. Als die beiden nun den kleinen weg von der Tür des anderen Bads zur Quelle liefen, entdeckte Shiro mich sofort und blieb abrupt stehen. „Eh..?“ Auch er war überrascht und starrte mich an. Etwas beschämt versteckte ich mich nun weiter hinter der kleinen Wand. Weder er, noch ich sagten etwas. Anscheinend war es ihm genau so peinlich wie mir. Nun wunderte Kisho sich. „Was ist denn?“, dann schaute er in die Richtung, in die Shiro starrte. „Ah! Yuki!“, sagte er fröhlich und lief auf das Wasser zu. „Du bist also doch gekommen.“ Aber dann griff Shiro ihn an der Schulter und hielt ihn zurück. „Kisho. Wenn sie alleine Baden will, lass sie.“, knurrte er ihn an und wollte ihn zurückziehen. Kisho überlegte kurz und drehte sich zu Shiro. Aus seinem nachdenklichen, erst zustimmenden Gesicht wurde jedoch ein breites Grinsen. „Nö.“, sagte er nur und sprang sofort auf mich zu. „Yuki!“, rief er erfreut und platschte vergnügt in das Wasser. „Ahh!“, verlegen zog ich mich zurück und hielt meinen Arm etwas vor dem Gesicht, um mich vor den Wassertropfen zu schützen. Doch den gleichen Arm fasste Kisho und nahm ihn elegant herunter. „Oh Yuki. Dein hübsches Gesicht zu sehen, lässt ein warmes Bad doch sofort schöner werden.“, lächelte er mich liebevoll an und stellte sich direkt vor mich. „Kisho!“, brummte Shiro nun. Auch er war ins Wasser gekommen und griff den Fuchsjungen an der Schulter. Er drehte sich lächelnd um. „Ah. Bist du doch rein gekommen?“, fragte er und hob eine Augenbraue. „Ihr solltet beide mal lockerer werden.“ Miesgelaunt zog Shiro ihn sofort weg und drückte ihn unter Wasser. „Du kleiner..!“ Als ich dieses Schauspiel mit ansehen durfte, begann ich zu kichern. Kisho hatte recht. „Shiro.“, lächelte ich ihn an. „Lass ihn. Jetzt sind wir drei halt zusammen hier drin.“, erklärte ich erfreut. Shiro sah mich verwundert an. Nein mehr sogar. Er sah mich verträumt an. Das Wasser tropfte von meinem Gesicht. Mit meiner einen Hand legte ich meine nassen Haare hinter mein Ohr und mit der anderen hielt ich noch immer das Tuch vor mich. Der Dampf des Wassers stieg neben mir auf. Meine Wangen waren etwas errötet. War es wegen des warmen Wassers oder doch eher wegen der Situation? Jedenfalls lächelte auch ich ihn vergnügt an und lachte leise. Shiros Blick betrachtete mich einen Moment. Plötzlich ruckelte es an seiner Hand und er klimperte etwas mit den Augen. Dann kam er wieder zu sich und schaute in das Wasser hinab. Er hatte Kisho noch immer unter Wasser gedrückt. Dieser begann langsam zu zappeln. Als Shiro ihn dann wieder los lies, sprang er sofort auf und holte tief Luft. „Ahh! Shiro. Danke für den hübschen Einblick unter Wasser, aber so lange kann ich nicht die Luft anhalten.“, lachte er und wischte die Haare aus seinem Gesicht. Ich riss die Augen auf und überkreuzte sofort meine Beine. Dazu zog ich das Handtuch stramm herunter. Auch Shiro riss die Augen auf und sah Kisho mit einem tödlichen Blick an. Der Junge hob aber die Hände. „Das war ein Scherz!“, lachte er und ging etwas zurück. Bevor Shiro wieder seine Wut an ihm auslassen konnte, begann ich jedoch zu lachen. Ich legte meine Hand etwas vor den Mund und kicherte vergnügt. „Hihihi.“ Mein Lachen beruhigte Shiro. Er hielt sich zurück, und blickte nur grimmig weg. „Hmpf..“ Statt wieder zu mir zu kommen, lehnte Kisho sich nun auf der anderen Seite an die Steine und genoss das Wasser. „Ahh.. schön.“, schwärmte er und legte die Arme auf den Steinen ab. „So schön war schon lange kein Bad mehr.“ Auch Shiro setzte sich abseits von uns und begann das Wasser zu genießen. Dann war es leise. Wir hörten nur das Wasserplätschern des kleinen Teichs und einen sanften Wind durch den Garten wehen. Zusammen konnten wir nun einfach in dieser Stille erfrischen. Auch wenn es mir erst unangenehm war, mit beiden Männern zu Baden, fand ich am Ende heraus, dass es sogar schöner war, nicht alleine zu Baden. Diese Gesellschaft verhalf mir, von meinen schlechten Gedanken wegzukommen. Ich war einfach nur glücklich. Als ich kurz in die Runde blickte, erkannte ich, dass Shiro die Augen geschlossen hatte und seinen Kopf nachdenklich herabgesenkt hatte. Woran er wohl dachte? „Dann werde ich euch gleich mal eure Zimmer zeigen.“, unterbrach Kisho nun die Stille. „Zimmer?“, fragte ich. „Natürlich. Oder möchtest du hier im Wasser übernachten?“, grinste er mich an. „Ehm. Nein.. Aber. Jeder von uns bekommt ein Zimmer?“, fragte ich, ohne weiter über meine Worte nachzudenken. So wie es mir vorhin schwer fiel, mich überhaupt von Shiro zu trennen, so war der Gedanke, alleine in einem Zimmer zu schlafen noch beunruhigender für mich. Ich wusste, dass ich hier sicher sein konnte, aber meine Gewohnheit wollte, dass Shiro bei mir übernachtet. „Oha? Weiß ich da von etwas nicht?“, Kisho zog die Augenbrauen immer wieder hoch und sah mich verdächtig an. „Hmh? Hmh?“ Ich schreckte auf und schüttelte den Kopf. „Eh! Nein! Alles gut! Zwei Zimmer sind genau richtig!“, stotterte ich, ehe Gerüchte entstehen würden. „Hmh.“, dann schaute Kisho zwischen Shiro und mir her. Ich war etwas eingeschüchtert, doch Shiro saß ernst dort und sagte nichts. „Seid ihr ein Paar?“, kam es nun plötzlich von Kisho. „Nein!“, kam es im Duett von Shiro und mir als Antwort. Von mir eher überrascht. Von Shiro eher ernst. Überrascht von seiner Antwort schaute ich ihn an. Ich wusste, dass wir kein Paar waren. - Natürlich nicht. Wir haben einen Pakt geschlossen. Mehr nicht. Außerdem würde sich so jemand doch niemals in mich verlieben. Was sollte ich schon an mir haben, dass mich besonders macht? Ja. Wir haben viel zusammen durch gemacht. Aber er ist ein mächtiger Dämon. Der jedes Mädchen an seiner Seite haben könnte. Besonders… Frauen wie Bastet.. Ich komme doch niemals an Bastet heran. Weder von meinen Fähigkeiten, noch vom Aussehen. Nein.. Shiro würde mich nicht lieben wollen…- Meine Gedanken schwirrten konfus durcheinander. Warum dachte ich überhaupt an die Möglichkeit? Und warum verletzte mich Shiros Antwort eigentlich, obwohl es die gleiche wie meine war? Betrübt sah ich wieder weg. Mein Gesicht begann rot zu glühen. Blubbernd setzte ich mich tiefer ins Wasser, bis nur noch meine Augen heraus blickten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)