Cursed Shadow von _-Merle-_ (- verliebt in einen Dämon -) ================================================================================ Kapitel 29: Die Erinnerung -------------------------- Mein Herz wollte nicht aufhören zu schmerzen. Ich war mir nicht sicher, ob ich in der Realität oder einer Einbildung war. Vielleicht ein Albtraum, der mich alles Schlechte fühlen ließ. Ein Albtraum, der meine Welt mit einem Mal zerschmettern wollte und meine Existenz in Frage stellte. Weinend war ich in den Garten geflüchtet und saß auf der hölzernen Veranda. Meinen Kopf lehnte ich an einen Pfosten und starrte wimmernd ins Nichts. Ich brauchte meine Ruhe. Ich brauchte die Zeit für mich. Ich wollte gerade niemanden sehen. Ich musste erst begreifen, was das alles zu bedeuten hatte. Ich fühlte mich so leer und so belogen. Im Haus war es leise. Deeon stand noch mitten im Raum und blickte in Richtung des Gartens. Sprachlos blieb er da und schwieg. Mit geballten Fäusten stand Shiro hinter ihm und senkte seinen Blick. „Wie kannst du es wagen?“, fragte er voller Zorn. Nun drehte Deeon sich um. „Wie war das?“, erwiderte er mit ruhiger doch erhobener Stimme. Sofort packte Shiro ihn grob am Kragen. „Wie kannst du es wagen Yuki so zu verletzen? Wie konntest du es wagen, ihr das alles anzutun!“, schrie er ihn an. Seine Faust zitterte und seine Augen zeigten nur seinen puren Hass. Deeon blickte ihn jedoch nur an und behielt die Ruhe. „Lass es…“, sprach er ihm leise zu. Doch das provozierte Shiro nur noch mehr. Er riss ihn schroff am Kragen zu sich und biss die Zähne zusammen. „Du bist schuld an ihrem Leid! Du bist schuld an dem Tod ihrer Mutter. Du bist schuld an der gesamten Situation! Du bist schuld, dass sie jetzt weint!“, schrie er ihn jedoch an. „Nur wegen mir, kann sie überhaupt weinen!“, begegnete Deeon ihm. „Schnauze!“, wütend holte Shiro aus. Dann schlug er zu. Seine Faust traf Deeons rechte Wange. Sein gesamter Hass lag hinter dem Schlag. Es war seine geballte Kraft, die er ihn spüren ließ. Ein Windstoß entstand durch die Wucht des Schlages. Der Boden bebte leicht durch Shiros Kraft. Es war pure Abscheu, die er Deeon entgegen brachte. Sein Blick war düster. Sein Körper war angespannt. Kitsune und die anderen wichen bei der Kraft ängstlich zurück. Sie wussten, welche Macht hinter seinen Schlägen lauerte und auch welche Auswirkungen diese haben konnten. Doch sein Schlag, ließ Deeon unbeeindruckt. Er stand nur da, den Blick noch auf Shiro gerichtet. Ohne Schmerzen oder Wunden blieb er standhaft. Shiro riss sprachlos die Augen auf. „Was..?“, fragte er erstarrt. Auch Kistune stand mit schockiertem Blick da und blickte auf Deeon. „Wie.. kann das sein? Niemand hält so leicht einen Schlag von Shiro aus..“, kommentierte sie erschrocken. Deeons Blick wurde hochmütig. „Du bist schwach geworden.“, sagte er und stieß ihn mit einer leichten Handbewegung weg. Shiro wich zurück und stand ihm fassungslos gegenüber. „Ich sagte doch, du sollst es lassen.“, wiederholte Deeon ruhig. Doch Shiro ließ seinen Dolch ruhelos in seiner Hand erscheinen. „Ich lasse mir nichts von dir sagen! Halt dein verdammtes Maul!“, schrie er ihn an und stürmte direkt auf ihn zu. Wutentbrannt erhob er seinen Dolch gegen Deeon und stach zu. Es loderte so viel Hass in ihm. Die Luft war angespannt. Kitsune und die anderen gingen in Sicherheit, während sich der Raum immer mehr mit einem gefährlichen Eindruck füllte. Es geschah so schnell. Mit rasantem Schlag richtete Shiro den Dolch auf den Hals. Doch Deeon beobachtete seinen Angriff. Verärgert blickte er auf den Dolch, der sich ihm blitzschnell näherte. Geschickt wich er dem Schlag zur Seite aus. Dann packte er Shiros ausgestreckten Arm am Handgelenk und drückte seine Hand nach oben. „Was?!“, Shiro konnte nicht schnell genug reagieren. Ruckartig konterte Deeon seinen Schlag einfach aus. Sein Griff war fest und seine Bewegung präzise. Mit der anderen Hand schlug er gegen den Dolch um Shiro zu entwaffnen. Mit raschen Bewegungen griff Deeon den Dolch in der Luft, verdrehte Shiros Arm schmerzhaft und drehte sich. Mit dem Schwung trat er Shiros Beine weg und schmiss ihn rasant zu Boden. Ohne etwas tun zu können, fiel Shiro. Mit einem Mal krachte es laut. Schockiert stand die Fuchsfamilie am Rand und sah alles mit an. Regungslos hielt Kisho die Hände vor Kitsune um sie zu schützen. Kazumi hielt ihre Hände vor ihrer Brust und sah hilflos mit an, wie Deeon gegen Shiro gewann. Als Shiro sich am Boden wiederfand blickt er mit schmerzverzerrtem Blick auf. Doch er starrte direkt auf seinen eigenen Dolch, den Deeon ihm drohend vor sein Gesicht hielt. Shiro biss wütend die Zähne zusammen und musste sich seine Niederlage eingestehen. Er war starr. Er konnte sich nicht erklären, wie Deeon seinen Schlag aushalten konnte. Er konnte nicht begreifen, wie Deeon ihn besiegen konnte. Er sah am Dolch vorbei, in Deeons wütendes Gesicht. „Sie an, was aus dir geworden ist!“, kam es nun aufgebracht von ihm. Deeon nahm den Dolch zurück und schmiss ihn auf den Boden. Er schlug mit der Spitze im Holz neben Shiros Hand ein. Erschrocken riss dieser die Augen auf. Er war bewegungslos. „Was ist mit dir?! Du bist schwach geworden!“, sprach Deeon nun. „Deine Arroganz vernebelt deinen Blick! Du bist einfach schwach geworden! Du versuchst deine Angst und deine Hilflosigkeit mit deiner Wut zu verstecken! Aber das ist der falsche Weg! Wo ist der stolze Junge, der nie aufhören wollte zu lernen? Und der immer nach vorn gesehen hat! Der nie aufgegeben hat!“ Shiro setzte sich auf. „Hör auf!“, schrie er. Doch Deeon sprach mit lauterer Stimme weiter. „Du bist schwächer als die Hälfte meiner Engelskraft! Hast du etwa aufgegeben?“ „HÖR AUF!“, kam ihm wütend entgegen. Doch Deeon trat vor. Er baute sich vor Shiro auf und begann ihn einzuschüchtern. „Willst du einfach weiter weggucken?! Und hoffen, dass alles wieder gut wird?! Das wird es nicht! Das weißt du! Egal wie lange du wartest! Du musst etwas tun! Und nicht alles verdrängen! Dich nicht verstecken! Dich als jemanden ausgeben, der du gar nicht bist, .. Schattenmann.. niemand kennt dich oder deinen Namen! Du hast kein Leben! Lass das! Und zeige wer du bist!“, sprach er und konfrontierte ihn. Doch Shiro konnte seinen Blicken nicht standhalten. „ICH SAGTE DU SOLLST AUFHÖREN!“, schrie er laut und kniff die Augen zu. „Sei einfach still! Sei still.“, befahl er ihm und hielt sich die Hand vor sein Gesicht. Deeon sah überrascht zu ihm herunter und hielt inne. „Lass mich doch einfach in Ruhe.“, sprach Shiro verzweifelt weiter und hielt die Hände nervös an seinen Kopf. Plötzlich kniete Deeon sich neben ihn. Er legte seine Armen an Shiros Schultern und zog ihn zu sich. „Nein. Ich werde immer für dich da sein.“, sprach er ihm leise zu und umarmte ihn. Erschrocken starrte Shiro auf. Dann biss er verbittert die die Zähne aufeinander und seine Augen füllten sich mit Tränen. „Und wo.. warst du.. als ich dich am meisten brauchte?..“, fragte er ihn verzweifelt. Eine Träne kullerte an seiner Wange herunter als er schwach da saß, von Deeon umarmt. „Ich war nicht weg.“, antwortete er still. „Ich weiß, was du durch gemacht hast. Besonders die letzten Jahre. Ich weiß was du tun wolltest. Ich weiß, wie schwer es für dich war. Doch ich wusste… ich wusste, dass du meine Hilfe nicht annehmen würdest… und… und.. ich habe dir jemanden geschickt… die dich verstehen würde… und die Kraft hat, dich zu heilen. Und du würdest die Kraft haben, sie zu beschützen…“ Shiro war starr. Seine Hände begannen zu zittern. Deeon sprach von mir. Er hatte all die Jahre im Verborgenen mit angesehen, wie Shiro sich verändert hatte. Wie dieser Vertrauensbruch ihn zerstörte. Wie sehr er gelitten hatte, bis er sich das Leben nehmen wollte. Doch bevor es zu spät war brachte er mich in sein Leben. Es war von ihm geplant, dass wir aufeinander treffen würden. Von Anfang an hatte er uns beobachtet. Seine Worte trafen Shiro tief. Erstarrt saß er dort und blickte gedankenverloren ins Nichts. Doch Deeon umarmte ihn immer noch. Auch ihn schmerzten die Worte, von denen er sich endlich befreien konnte. „Ich habe dich nie alleine gelassen. Ich musste mich eine Zeit lang um etwas anderes kümmern, doch habe immer nach dir gesehen… Und nach einer Zeit.. war.. dein Hass auf mich so riesig.. dass.. ich.. mich nicht traute dir unter die Augen zu treten. Ich habe… dich verletzt. Und es tut mir so leid. Aber ich bitte dich… hasse mich nicht…“ Deeons Stimme wurde immer sanfter und seine Umarmung stärker. Er schloss die Augen und sprach aus tiefsten Herzen. „Bitte… hasse mich nicht..“, wiederholte er. Shiro blickte erst stur weg. Doch er konnte sein Zittern nicht mehr unterdrücken und seine Trauer nicht mehr verstecken. Er legte seinen Kopf auf Deeons Schulter und erwiderte die Umarmung. Er legte seine Arme an seinen Rücken, dann begann er schwer zu atmen. Schließlich begann er zu weinen. Er konnte seine Trauer nicht mehr verbergen. Er konnte seine enttäuschte Hoffnung über Deeon nicht mehr als Hass verkaufen. Er konnte nicht mehr verstecken, dass Deeon ihm so wichtig war, wie seine Familie. Der sonst harte und grausame Schattenmann zeigte, dass er doch ein liebender Mensch war. Er saß einfach da, ließ sich von Deeon halten und weinte leise. „Shiro..“, hörte er Kitsune dann vorsichtig sprechen. Sie sah ihn mitfühlend an und näherte sich ihm langsam. Es war neu für sie, zu sehen, dass Shiro seine Gefühle zeigte. All seine Wut war doch nur eine Maske, die seine ständige Trauer verdeckte. Deeon löste die Umarmung und blieb neben ihm knien. „Shiro..“, sagte sie wieder. „Du musst nicht weinen.“, erklärte sie vorsichtig, mit Tränen in den Augen. „Wir sind alle für dich da. Egal was passiert.“ Shiro sah beschämt weg und antwortete ihr nicht. Plötzlich schmiss sie sich um seinen Hals und umarmte ihn fest. „Shiro. Wir sind alle für dich da!“, versprach sie ihm. Überrascht von ihrer Umarmung blickte er verwundert auf und legte langsam auch seinen Arm um sie. Dann erkannte er Kisho hervor treten und blickte zu ihm. „Shiro. Du kannst dich auf uns verlassen. Wir stehen immer auf deiner Seite.“, grinste er ihn an und legte gelassen die Hände in seine Hüfte. Erst war Shiro verblüfft. Doch dann lächelte auch er und nickte ihm wortlos zu. „Shiro!“, rief Kazumi nun überraschend laut. Sie eilte unbeholfen zu ihm, schmiss sich auf ihre Knie und fiel ihm ebenso um den Hals. „Shiro! Du gehörst zu unserer Familie! Du darfst immer her kommen, wenn du etwas hast. Wir werden dir immer helfen, wenn du Kummer hast. Auch wenn ich nicht weiß, was dich alles belastet, werde ich dir immer helfen!“, aufdringlich drückte sie seinen Kopf an sich und umarmte ihn fest. Kitsune wich dabei etwas zurück. „Mutter! Ist ja gut. Erdrück ihn nicht.“, meinte sie und stand wieder auf. „Oh.. entschuldige..“, verdutzt trat sie zurück und legte ihre Hände lächelnd auf ihre Wangen. „Ach herrje. Ich wollte dich nicht so überfordern.“, kicherte sie und legte ihren Kopf schief. Shiro blickte zu ihnen auf. Sie standen vor ihm, bereit ihm zu helfen. Sie waren für ihn da. Sie würden ihn nicht alleine lassen. Kitsune, Kazumi und auch Kisho. Sie würden ihn niemals verletzen wollen. Sprachlos sah er zwischen ihnen umher. Überwältigt von ihrem Mitgefühl begannen sich wieder Tränen in seinen Augen zu füllen, die er tapfer zurückhielt. „D… danke..“, kam es zögerlich aus seinem Mund. Aber Kisho hielt ihm die Hand lächelnd hin. „Bedank dich nicht. Das ist selbstverständlich!“ Nun grinste auch Shiro glücklich. Er griff seinen Arm, dann half Kisho ihm auf. „Und wenn du mal Zeit hast, erklärst du uns einfach mal alles.“, fügte Kisho noch hinzu und packte ihm brüderlich auf die Schulter. Diese Güte kannte Shiro nicht. Er war es gewohnt immer hintergangen und ausgenutzt zu werden. Er kannte es nicht anders, als immer auf der Hut sein zu müssen, mit der Angst, dass ihn jemand töten wollte. Es war für ihn üblich, alles alleine schaffen zu müssen um sein Geheimnis für sich zu bewahren, das sein Leben so gefährlich machte. Und als die einzige Person, die sein Geheimnis kannte und der er vertraute verschwand, hielt ihn nur noch der Hass am Leben. Somit sperrte er alle anderen aus seinem Leben aus und versteckte sich. Doch jetzt war der Moment gekommen, an dem er sich traute, einen kleinen Schritt vorzugehen und Hilfe anzunehmen. Etwas, das ihn beängstigte und doch so glücklich machte. „Shiro. Ich muss mit Yuki sprechen..“, kam es nun von Deeon, der zur Gartentür zeigte. Aber Shiro drehte sich zu ihm. „Warte.“, hielt Shiro ihn schnell auf und packte ihn am Arm. Ich saß immer noch nachdenklich im Garten und ließ die Beine von der Veranda hängen. Die Sonne die ich eigentlich immer genoss, begann mich zu stören. Den Vogelgesang, den ich so gerne hörte, empfand ich nun als lästig. Und die Einsamkeit, die ich sonst so hasste, fühlte sich gerade als einzig erträglich an. Mit der Zeit hatte ich mich beruhigt, doch ich konnte immer noch nicht begreifen, was Deeon getan hatte. Es war ein stechendes Gefühl, welches mein Herz quälte. Ich saß nur da und tat nichts. Die Wolken zogen am Himmel vorbei. Die Vögel flogen über die Stadt und die Sonne stand hell leuchtend über dem Horizont. Mein Weinen hatte sich in leises Schluchzen verändert und schließlich zu einem trauernden Schweigen. Dann hörte ich, wie jemand vorsichtig die Tür aufschob und leise zu mir trat. Doch ich bewegte mich nicht. Es war mir egal. Ich wollte niemanden sehen. Also ignorierte ich diese Person einfach und blickte in den Garten. Auch die Person schwieg und sah mich wohl nur an. Es war leise. Würde ich die sie nur lang genug ignorieren, würde sie wohl verschwinden. Egal wer es war. Ich wollte niemanden sehen. Es war einfach nur tiefer Hass, den ich in mir spürte. Plötzlich bemerkte ich Bewegung auf den Holzplatten, die sich mir näherten. Doch ich ignorierte sie noch immer. Im nächsten Augenblick erkannte ich Beine links und rechts neben mir, bekleidet mit einer schwarzen Hose mit Riemen. Es war Shiro der sich hinter mich setzte. Ich versuchte standhaft meine Abneigung gegen alles aufrecht zu erhalten und wollte auch ihn stur ignorieren. Doch das gelang mir nur schwer. Denn nun faste Shiro mich an meiner Hüfte und hob mich unbeschwert hoch. Dann setzte er mich auf seinen Schoß wieder ab. Überrascht blickte ich um mich. „Was soll das?!“, fauchte ich mürrisch, ohne ihn anzusehen. Gereizt blieb ich jedoch sitzen und überkreuzte meine Arme sturr. Shiro wirkte ruhig. Er setzte mich einfach ab und legte seine Arme um meinen Bauch. Seine Hände waren kalt. Sein Körper war kalt. Doch mich erfüllte seine Nähe mit Wärme. Obwohl er nur schwieg, milderte er damit meine Wut. Nachdenklich sah ich herab und zügelte meinen Zorn gegen ihn. „Was willst du?“, fragte ich nun. Sanft beugte er sich etwas vor und lehnte seinen Kopf an meine Schulter. „Ich weiß, wie du dich fühlst.“, flüsterte er mir leise ins Ohr. Erschrocken riss ich die Augen auf. Dann bis ich die Zähne zusammen. Sofort begannen Tränen an meinen Wangen herunter zu kullern und tropften zu Boden. Ich schluckte schwer. „Warum… tut das nur so weh..“, fragte ich leidend. „Warum… schmerzt das so.. ich.. halte es nicht aus..“, winselte ich. Dann legte ich meine Hände vor mein Gesicht und begann zu weinen. Ich weinte laut. Ich weinte aus tiefstem Herzen. Ich weinte vor Schmerzen. Ich weinte über meine Hilflosigkeit. Würde Shiro mich nicht halten, wäre ich vor Trauer zusammengebrochen. „Shiro.. es.. tut so weh…“ Mein Herz schmerzte so sehr, als würde es zerspringen. Doch Shiro drückte mich fest an sich. „Ich weiß..“, antwortete er leise. Ich drückte mich an ihn und weinte. Ich konnte nichts anderes tun, außer zu weinen. Ich spürte meine Beine nicht mehr. Mein Herz raste. Meine Hände zitterten. Ich wollte nur noch sterben. Weinend drehte ich mich zur Seite und legte meinen Kopf an seine Brust. „Wie… kannst du diesen Schmerz nur aushalten..“, fragte ich ihn und schloss schmerzerfüllt die Augen. Ich lag in seinen Armen und wimmerte. Es wäre ein Wunsch von mir, dass dieser Schmerz einfach aufhörte. Ich wollte nichts mehr fühlen. Ich wollte einfach einschlafen und nie wieder aufwachen. „Ich… habe einfach keine Lust mehr… Wie schafft du das nur..?“, weinte ich. Doch plötzlich spürte ich etwas auf meine Wange fallen. Ich hielt die Luft an und öffnete verwundert die Augen. Es war kalt. Ich legte meine Hand auf meine Wange und spürte eine eisige Träne von Shiro. Verwundert blickte ich zu ihm auf und erschrak. Ich schaute sprachlos in seine verweinten Augen. Doch er lächelte sanft. „Alleine ist es ist nicht auszuhalten..“, antwortete er ehrlich. Seine Worte wirkten so liebevoll. Obwohl auch er weinte, schien er glücklich und doch traurig zugleich. Seine hellen Augen blickten tief in meine. Einen Moment blieb die Zeit stehen. Mein Körper wurde schwach und mein Herz beruhigte sich. Ich erkannte, dass er mich brauchte, so wie ich ihn brauchte. Ich sah, dass er verwirrt war, genauso wie ich verwirrt war. Ich spürte, dass er einsam war, so wie auch ich einsam war. Ich wusste, dass er die einzige Person war, die mich verstehen konnte, so wie ich ihn verstehen konnte. „Yuki. Wenn du willst, bleibe ich bei dir, solange du möchtest. Ich werde dich nicht alleine lassen, wenn du mich brauchst.. auch wenn es für immer bedeutet.“ Schweigend sah ich ihn an. Es war leise. Die Sonne schien auf uns. Unsere Blicke kreuzten sich lange. Kein Wort traute sich von meinen Lippen. Seine Nähe fühlte sich so angenehm an. Ich wollte, dass er bei mir blieb. Ich wollte, dass er mich immer halten würde. Ich wollte, dass er mich immer so ansah, wie in diesem Moment. Doch ich konnte es ihm nicht sagen. Ich konnte ihm nicht antworten. Auch wenn ich es wollte. Doch ich traute mich nicht. Ich schaffte es nicht. Ich konnte ihm nicht sagen, wie wichtig er mir war. Warum nicht? Zurückhaltend senkte ich wieder meinen Blick und legte meinen Kopf wieder an seine Brust. Meine Tränen hielten an und mein Herz war beruhigt. Doch warum, konnte ich ihm nicht antworten? „Was.. ist das für ein Gefühl..“, fragte ich ihn ehrlich und sah verlegen weg. Mein Körper fühlte sich so schwach an. „Ich.. ich..“, kam es nur stotternd von mir. Doch Shiro lächelte und rückte mich an sich. „Ist es denn das gleiche, was ich fühle?“, fragte er leise. Ich wollte mir einreden, nicht zu wissen, was er fühlte. Doch ich fühlte es. Ich wusste es. Denn ich empfand genau das gleiche. Meine Wangen wurden rot. Schamhaft drückte ich mich näher an ihn. „Ja…“, flüsterte ich ohne ihn anzusehen. „Soll ich bei dir bleiben?“, fragte er nun. Mein Bauch begann zu kribbeln. Aufgewühlt drückte ich einen Fuß gegen den anderen. „Ja…“, antwortete ich wieder und nickte nervös. Doch jetzt lehnte er sich etwas zurück. Sanft legte er seine Hand an meine Wange und drehte mich zu sich. Ich blickte in seine Augen. Er sah mich so innig an, als würde er meine Gedanken lesen können. „Für immer?“, fragte er zuletzt. Seine Stimme klang liebevoll. Wieder verschlug es mir die Sprache als ich ihn ansah. In diesem Augenblick ging es nur um uns. Ich blendete alles andere aus. Ich fühlte, wie er mich behutsam in seinen Armen hielt. Ich fühlte mein Verlangen, ihn an meiner Seite haben zu wollen. „… Ja…“, antwortete ich leise und konnte meine Blicke nicht von ihm nehmen. Mein Herz schlug kraftvoll. Doch es fühlte sich so schön an. Obwohl mich in diesem Moment ein Gefühl von Hilflosigkeit erfasste, half Shiro mir, standhaft zu bleiben. Er lächelte süß. „Das freut mich..“, flüsterte er erleichtert. Dann lehnte er sich wieder vor und küsste mich sanft auf meine Stirn. „Das freut mich wirklich..“, sprach er leise und drückte mich an sich. Auch ich legte mich zurückhaltend doch glücklich in seine Arme. Ich blendete alles andere aus. Ich legte meine Hand auf seine Brust und schwieg. Es brauchte keine Worte mehr in diesem Moment. Das unausgesprochene war uns bewusst, doch traute weder er, noch ich es in Worte zu fassen. Also blieben wir sitzen und genossen die Nähe des anderen. Zusammen saßen wir dort und ließen uns von der Sonne wärmen. Nichts sollte uns stören. Wir wollten nur unsere gegenseitige Nähe spüren. Wir wollten einfach nur zusammen sein. Egal was passiert war. Wir gaben uns gegenseitig die Kraft, weiter zu machen und nach vorn zu sehen. Ich hatte mein Zeitgefühl verloren. Die Sonne schien noch hell am Himmel doch es fühlte sich an, als hätten wir den gesamten Tag dort gesessen. Ich hatte meine Augen geschlossen und döste vor mich hin. Mein Kopf war an seiner Schulter gelehnt und meine Hand lag auf seiner Brust. Ich erholte mich. Shiro hatte sich an den Holzpfosten gelehnt und blickte träumend in den Himmel. Seine Hand lag auf meinen Beinen. Nach einer Weile hörte ich wieder die Vögel zwitschern, öffnete müde die Augen und sah in den Garten. Ich kuschelte mich in seine Arme und atmete beruhigt ein. Nun sah Shiro zu mir. „Hmh.. Geht es dir besser?“, fragte er. Meine Augen waren noch müde und geschwollen von den Tränen. Aber mein Körper war entspannt. Nachdem er mich das fragte, begann ich auf einmal zu kichern. „Hmh.. Ja. Hihi.“ Auch er begann fragend zu lächeln. „Was ist denn so lustig?“, fragte er mich neugierig. Ich raffte mich ein wenig auf und legte meine Hand um seinen Hals. Dann lehnte ich meinen Kopf wieder träumend an seine Schulter und sah herab. „Ich weiß nicht warum mir das gerade einfällt.. aber.. ich denke gerade daran, was wir schon alles erlebt haben. Du hast mich alleine in die Dämonenmasse laufen lassen, als ich den ersten Tag in dieser Welt war, aber hast mich vor dem Dämonenmädchen beschützt. Du hast mich alleine im Regen sitzen lassen, aber hast dich um mich gekümmert als ich krank war. Du hast mich vom Dach der Schule geschmissen. Aber hast mich damals vor Darius beschützt.“ Shiro runzelte etwas die Stirn. „Also.. das mit dem Dach..“, unterbrach er mich und kratze sich an der Schläfe. „Ich.. hoffe du weißt, dass ich alles unter Kontrolle hatte. Auch wenn es nicht so aussah.. Aber ich würde dich nie einer Gefahr aussetzen!“, begann er ertappt zu erklären. Vergnügt von seiner stotternden Rechtfertigung drückte ich mich an ihn. Dann flüsterte ich ihm vertraut zu. „Ich habe dir gesagt, dass ich dir vertraue. Weißt du noch? Und das ist auch immer noch so. Ich vertraue dir.. Shiro..“, antwortete ich leise und beruhigte ihn. Shiros Körper entspannte sich wieder und er atmete beruhigt aus. Verträumt blickte ich in den Garten. „Wir haben gegen Räuber in einer Höhle gekämpft und waren zusammen Eis essen. Du warst als Mensch bei mir und hast in meinem Zimmer übernachtet. Und wir waren bei Atropos. Wir sind durch meine Heimatstadt gelaufen und ich war dir zu langsam. Du hast mich den ganzen Weg lang getragen.“, zählte ich glücklich auf. „Wir haben Kintaro geholfen. Ich hatte dich in meinem Schrank eingeschlossen, als ich dachte, dass mein Vater in mein Zimmer käme. Aber dann war es doch nur Mephisto. Wir… waren auf einem Ball und haben getanzt.. Und.. wir sind.. zusammen vom Atrium gesprungen und sind geflohen…“, zuletzt wurde meine Stimme immer leiser und zurückhaltender. Denn es erinnerte mich an die harte Realität und dass wir Lilith noch immer als Feind hatten. Doch ich sah nun zu ihm auf. Shiro hörte mir zu. Er lauschte jedes meiner Worte und erinnerte sich ebenso wie ich. „Shiro…“, sagte ich nun sicher. „Ich.. kann mir nicht vorstellen, dass du nicht mehr bei mir wärst. Und ich kann mir nicht vorstellen, nicht mehr bei dir zu sein.“, fügte ich hinzu. Er sah mich mit einem liebevollen Blick an und streifte ein paar Haare von meiner Wange. Dann zeigte er mir nur sein wunderschönes, erleichtertes Lächeln. „Aber..“, nun runzelte ich nachdenklich die Stirn und sah wieder weg. Dann blickte ich in den Garten hinein. „Egal wie sehr ich diesen Moment genießen möchte… Wie wird es denn nur weiter gehen? Ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken.“, gestand ich ihm. Shiro atmete tief aus und sah ebenso in den Garten. „Ich denke, wir sollten das nicht alleine entscheiden. Sondern mit den anderen zusammen.“ „Hmh…“, nickte ich ihm zu. „Wir sollten zu den anderen.“, sagte ich und versuchte mich aufzuraffen. Ich stützte mich auf meine Arme und drückte meinen Körper hoch. Doch im nächsten Moment ließ ich mich erschöpft zurück in seine Arme fallen. „Aber ich will gar nicht aufstehen..“, jammerte ich und kuschelte mich weiter an ihn. Doch er hielt mich in seinen Armen und stand mit mir zusammen auf. Dabei hob er mich von sich und stellte mich aufrecht hin. „Sei nicht so träge.“, begegnete er mir. Schlapp stand ich vor ihm und lehnte meinen Kopf gegen seinen Arm. „Lass mich.. ich bin… müde.“, beklagte ich mich. Shiro legte seine Hand auf meine Schulter und drückte mich vorsichtig von sich. .„Deeon wollte noch mit dir sprechen.“, sagte er vorsichtig. Als er diesen Namen erwähnte, schmollte ich und wandte mich von ihm. „Hmg… Warum..?“, fragte ich ihn mürrisch und umklammerte mich mit meinen Armen. „Wieso ist er überhaupt noch hier. Und warum akzeptierst du das?“, fragte ich als nächstes. Doch Shiro grinste und streichelte mir über den Kopf. Er erkannte diese Abneigung die ich gegen Deeon hatte. Denn genau diese hatte auch er für eine lange Zeit. „Komm jetzt“, sagte er jedoch und zeigte mit einer leichten Kopfbewegung zur Tür ohne mir eine Antwort zu geben. „Wieso bleibst du auf einmal so locker, wenn es um Deeon geht?“, fragte ich ihn mürrisch. Shiro legte gerade seine Hand an die Tür doch stoppte nach meiner Frage. „Weil… ich es jetzt verstehe..“, antwortete er mir, ohne mich anzusehen. Seine Antwort war ehrlich. Doch warum hatte er seine Meinung plötzlich gegen ihn geändert? Ohne weiter darauf einzugehen sah ich ihn verwundert an. Nun schob Shiro die Tür auf. Ich blickte an ihn vorbei, in den Raum hinein. Es war mir unangenehm, denn ich hatte das Gefühl, als wenn alle auf uns warten würden. Kisho, Kitsune und Kazumi saßen an dem Teetisch und hatten sich mit Deeon unterhalten, der an der Wand stand und sich anlehnte. Als Shiro jedoch die Tür öffnete, drehten sie sich schweigend zu uns. Ich schluckte leicht bei diesem Anblick. Besonders als ich Deeon dort stehen sah. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Sie waren alle so still und beobachteten uns. Doch als ich zögernd etwas zurückschreckte, spürte ich Shiros kalte Hand. Ich sah herab. Er faste kommentarlos meine Hand und ließ sie nicht mehr los. Dann lief er voraus und ich folgte ihm in den Raum hinein. Auch als wir vor ihnen stehen blieben, ließ er meine Hand nicht los. „Yuki. Ich hoffe, dir geht es besser.“, begann Kazumi sanft zu sprechen und blickte zu mir auf. Ich begann meine Hände zu ballen. Dabei drückte ich auch Shiros Hand, wodurch ich mich sicherer fühlte. „J.. ja…“, antwortete ich und blickte weg. „Hihi. Was hat Shiro denn gemacht? Hmh?“, fragte Kitsune auffällig und zog eine Augenbraue grinsend hoch. Ich blickte sie erschrocken mit großen Augen an. „Was?!“, fragte ich errötet und zog meine Hand zu mir. Sofort begann Kitsune zu lachen. „Haha. War doch nur ein Scherz! Oder so..“, grinste sie mich an. Als nächstes bemerkte ich Deeon vortreten. „Yuki..“, begann er und lief auf mich zu. Verschreckt ging ich einen Schritt zurück und blickte ihn mit schockiertem Blick an. Bevor er mir näher kommen konnte, stellte Shiro sich jedoch vor mich und packte Deeon an seinem Arm. Schweigend blieb er stehen und sah Shiro, über seine Schulter blickend an. „Nur, weil ich dich nicht mehr töten werde, heißt es nicht, dass ich dir nicht im Weg stehen werde.“, sprach Shiro mit drohenden Unterton. Nun wandte Deeon sich mir zu, doch ich konnte ihn nicht ansehen. Ich versuchte ihn in diesen Moment zu hassen. Doch tief im Innern konnte ich es nicht. Ich schaffte es nicht, ihm mit so viel Unmut entgegen zu stehen, wie ich es eigentlich wollte doch ich schaffte es auch nicht Freundlichkeit zu zeigen. Ich begegnete ihm nur mit einem verurteilenden Schweigen. Am liebsten wäre ich gegangen. Seine Worte wollte ich nicht hören. Seine Stimme wollte ich nicht hören. Denn sie machte nicht rückgängig, was geschehen war. Der Gedanke, dass ich ihm vertraute, schmerzte nur noch mehr. Ich fühlte mich so von ihm hintergangen. Ich hätte den anderen glauben sollen. Es war nur die Kraft der Engel, die mich so an ihm faszinierte. Es war nur die Nähe von Nami, die ich in ihm wiederfand und so liebte. Es war nicht er selbst, der meine Gefühle gewann, sondern nur seine Illusion, die meine Blicke trübte. Nachdenklich sah Deeon nun zu Boden. „Es ist ironisch, dass ich ständig den Menschen schade, die mir am wichtigsten sind...“, hörte ich ihn nun sprechen. Erschrocken blickte ich zu ihm. Es war, als wenn es mir die Luft weg schnürte, sobald ich seine Stimme hörte. „Misaki war stark.“, sprach er weiter. „Sie war immer ehrlich. Sie hat einfach alles geschafft was sie wollte und war immer selbstlos. Anfangs dachte ich, sie wäre ein Engel gewesen.“ „Deeon! Lass es.“, hielt Shiro ihn auf und drückte ihn zurück. Doch als Deeon den Namen meiner Mutter erwähnte, wurde ich aufmerksam. Mein Herz schmerzte, wenn er ihren Namen sagte, doch ich hatte so viele Fragen. Ich wollte so viel wissen. „Warte Shiro.“, sagte ich laut und lief auf sie zu. „Hmh?“, überrascht drehte Shiro sich zu mir und nahm den Arm runter. „Wie.. hast du sie kennen gelernt?“, fragte ich Deeon zögerlich und stellte mich zu Shiro. Ich legte meine Hände auf meine Brust und blieb vorsichtig stehen. Deeon blickte herab und dachte nach. „Ich.. erinner mich an sie, als wenn nur wenige Tage vergangen wären..“ antwortete er mir. Aus seinen Augen strahlte die Liebe der Erinnerung, doch ebenso die Trauer seines Verlustes. „Erzähl es mir. Ich .. will es wissen.“, sprach ich selbstbewusst und sah ihn fordernd an. Shiro stand noch immer schützend vor mir und wartete ab. Doch Deeon drehte sich von uns weg. „Ich kann nicht..-“ „Erzähl mir alles. Deeon! Das ist das Mindeste!“, sprach ich befehlend und sah ihn ernst an. Nun war es still. Deeon hätte meiner Worte nicht nachkommen müssen. Er musste sich nicht von Shiro aufhalten lassen. Er hätte uns alle ignorieren können, doch das tat er nicht. Sein Wille, sich zu entschuldigen und unsere Freundschaft nicht zu verlieren, war ihm wichtig. Auch wenn ich ihm negativ gegenüberstand, begann er sanft zu lächeln. Wir sahen gespannt zu ihm. Mit nachdenklichem Blick, wandte er sich von uns ab und lief zurück an die Wand. „Wo.. fange ich an..?“ begann er zu erzählen. „Ich.. Ich war nie ein Engel, der sich an Regeln hielt.“ Dann drehte er sich zu uns und lehnte sich wieder mit seinem Rücken an. „Ich weiß nicht, ob das eher meine größte Schwäche oder meine größte Stärke war, immer gegen den Strom zu schwimmen.“, erklärte er weiter und sah wieder auf. Wir beobachteten ihn und hörten ihm genau zu. „Wir, die gefallenen Engel leben nicht wirklich in dieser Welt oder gar in der Menschenwelt. Wir leben alle zusammen im Haus der Engel und arbeiten für unsere Zukunft. Eine große Bürde, wenn man weiß, wie wichtig unsere Arbeit für das große Ganze ist!“, versuchte er sich zu rechtfertig. Doch betrübt blickte er aus dem Fenster. „Aber… ich.. wollte diese Bürde nie haben. Und ich versuchte ständig davor zu flüchten… und an diesem Tag war eigentlich alles wie immer. …“, erklärte er, und erinnerte sich. Deeon spähte vorsichtig durch den Spalt einer weißen Tür heraus. Er blickte in eine große, hell erleuchtete Halle. Massen von anderen Engeln liefen konzentriert herum und an ihm vorbei. Es war eine riesige Halle die auf zwei Ebenen aufgeteilt war. Durch die Tür sah er direkt zu einer breiten, steinigen Treppe, die zu zwei verschiedenen Korridoren hinauf führte. Die oberen Bereiche waren mit Geländer gesichert. Viele Türen führten zu anderen Räumen und Büros, zu Lagerräumen und Aufenthaltsräume. Es ähnelte einem riesigen Gebäudekomplex mit dem Design eines Schlosses. Nur Engel lebten dort. Sie trugen neumodische und moderne Kleidung und zeigten ihre Flügel. Nur Deeon hielt seine versteckt. Einige trugen schneeweiße Federn, andere waren grau oder rot, braun und sogar lila. Anders als in der Dämonenwelt, die zurückgeblieben und traditionell wirkte, war es dort modern. Sie trugen Anzüge, lässige Kleider, moderne Brillen oder Uhren. Neuzeitige, elektronische Geräte waren dort Standard. Routiniert und strukturiert folgten sie ihren alltäglichen Arbeiten. Manche genossen eine kurze Pause, andere bereiteten sich auf ihre nächste Schicht vor. Vereinzelt trafen sich kleine Gruppen für ein kurzes Gespräch, ehe es wieder an die Arbeit ging. Grundsätzlich hatte jeder nur seine Arbeit im Sinn. Es war ihr gewohnter Tagesablauf. Da sie die einfache Möglichkeit hatten in die Menschenwelt zu reisen, waren ihnen die neuzeitige Erfindungen und Kulturen nicht fremd. Sie nutzten das Wissend er Menschen für sich und galten damit in der Dämonenwelt als weise. Es war ihnen nicht nur möglich, unbeschwert in die Menschenwelt zu reisen, es war sogar ihre Arbeit, den Überblick in der Menschenwelt zu behalten. Doch nicht als Schutzengel um die Menschen zu schützen, wie man es aus Mythen kannte. Sondern alleine um ihre eigene Existenz zu sichern, selbst wenn es dafür Menschenleben kostete. Es ging nur um die Arbeit und darum ihr Ziel zu erreichen, egal welche Opfer es dafür geben musste. Deeon lief rasch aus der Tür heraus und schloss sie leise hinter sich. Dabei blickte er sich stets um, denn er wollte unbemerkt bleiben. Nachdem er kurz seine Kleidung richtete, die traditionell wirkte, statt modern, sah er zur Seite. Am Ende dieser Halle war ein offenes, großes Tor welches in ein helles Licht führte. Er wollte sich unbemerkt durch die Masse seiner Geschwister schleichen. Auf eine Konfrontation wollte er verzichten. Also begann er mit schnellen, aber unauffälligen Schritten weiter zu laufen. Er lief an der Treppe vorbei und wollte sich schleunigst dem Ausgang nähern. Die anderen Engel wirkten uninteressiert an ihm. Sie hatten ihre eigene Arbeit vor sich und bemerkten seine heimliche Art nicht. Doch gerade als er am Fuße der Treppe vorbei lief, hörte er plötzlich seinen Namen. „Deeon!“, rief jemand auffordernd von der obersten Stufe der Treppe. Ertappt blieb Deeon stehen und rollte die Augen genervt. „Du haust schon wieder ab?“, wurde er kontrollierend gefragt. Versuchend ruhig zu bleiben, drehte er sich nun zur Treppe und sah hinauf. Ein attraktiver Mann mit langen schwarzen Haaren und pechschwarzen Flügeln stand oben und schaute zu ihm hinab. Er trug ein schwarzes Hemd und eine schwarze Anzugweste darüber. Sein Jackett ließ er lässig über die Schulter hängen. Dazu trug er eine schwarze Anzughose und schwarze Lackschuhe. Die Ärmel seines Hemdes waren hochgekrempelt und an seinen Handgelenken trug er vier Uhren, die unterschiedliche Zeiten angaben. „Ich habe noch etwas zu erledigen. Keine Sorge.“, antwortete Deeon und versteckte sich hinter einen lieben Lächeln. Doch der Mann zog eine Augenbraue hoch. „Was für Kleidung trägst du denn da? So gehst du nicht zu den Menschen oder?“ Deeon sah an sich herab. „Ehm. Natürlich nicht.“, antwortete er zögerlich. „Aber kritisier bitte nicht meinen Stil. Ich mag ihn.“, fügte er dann hinzu und lächelte wieder sanft um gelassen zu wirken. Doch der Mann bemerkte seine innere Unruhe und legte seinen Kopf etwas schief. „Das ist uralter Fummel. Du solltest nicht mehr in der Vergangenheit leben.“, sprach er weiter und überkreuzte seine Arme. Dann machte er eine auffordernde Kopfbewegung. „Arbeitest du?“, fragte er als nächstes. Deeon hob die Schultern locker. „Natürlich. Was sollte ich sonst tun.“, log er ihn an, um den Mann zu beruhigen. „Deeon, vergiss nicht, wie wichtig unsere Arbeit ist. Ich habe keine Zeit jeden zu kontrollieren. Wir müssen alle zusammenhalten.“, sprach er mahnend und doch freundschaftlich. „Beeile dich also.“, ließ er ihn trotz der Mahnung gehen. „Ich weiß, Bruder.“, begegnete Deeon ihm und drehte sich wieder um. Dann lief er mit unauffälligen Schritten die Halle hinunter, gefolgt von den beobachtenden Blicken des schwarzhaarigen Mannes. Doch Deeon lies sich davon nicht weiter beeinflussen. Er folgte dennoch seinem eigenen Plan. Und dieser war es, sich in die Menschenwelt zu flüchten und seine Sorgen zu vergessen. Also lief er weiter bis zu dem Tor, ohne stehen zu bleiben. Einige Engel kamen ihm aus dem Tor entgegen. Andere gingen wie er hindurch. Es war der schnellste Weg in die Menschenwelt. Deeon machte einen Schritt nach dem anderen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Dann trat der hindurch. Es war hell und warm, als er durch ein weißes Nichts lief. Der Weg zur Menschenwelt war nur durch wenige Schritte mit dem Tor verbunden. Und im nächsten Augenblick, fand er sich schon in einem kleinen Wald eines Parks wieder. Er war endlich in der Menschenwelt angekommen. Erleichtert blickte er in den Himmel und atmete beruhigt aus. „Hmh. Endlich.“, lächelte er. „Oh.. Moment.“, sprach er sich schnell zu und sah erneut an sich herab. Mit einem Schnipsen veränderte sich seine Kleidung. Statt der traditionellen, weißen Kleidung, trug er nun eine einfache Jeanshose, ein blaues Shirt mit einer dunkelblauen Stoffjacke und bequemen Schuhen. „Das sollte besser sein.“ Nun blickte er sich um. „Hmh.. wo bin ich dieses Mal gelandet?“, fragte er sich. Deeon wollte nicht seiner Arbeit nachgehen. Stattdessen wollte er eine Auszeit genießen und reiste immer an andere Orte der Menschenwelt. Dennoch brauchte er ein Ziel auf seiner Reise. Es erfüllte ihn, den Menschen einfach nur zu helfen. Er gab ihnen das, was sie sich wünschten. Die Lebenszeit der Menschen war nur begrenzt. Sein Leben dagegen war unendlich. Er wurde erst sehr spät erschaffen. Somit war er zwar mehrere Tausend Jahre alt, hatte jedoch nicht die Erschaffung der Welt miterlebt. In seinem früheren Leben, als er Gott diente, war er den Angeloi zugeordnet. Es waren Engel, die Menschen halfen und ihnen Botschaften überbrachten. Über ihm standen Engel die Dynameis zugeordnet waren, sie sorgten, für ein gewisses Gleichgewicht in der Menschenwelt. Nur die Seraphim hatten eine noch höhere Position. Sie standen neben Gott und waren seine erstgeborenen, wie Malakhim, Gabriel, Harut und Luzifer. Die gefallenen Engel, wie Deeon und seine Geschwiter, folgten Luzifers Anweisungen. Sie glaubten, dass nur er sie anführen könnte um ihnen einen grausamen Tot zu ersparen. Denn Luzifer forderte Freiheit und ein eigenständiges Leben. Alle die seiner Meinung waren, fielen mit ihm vom Himmel und wurden verbannt. Somit blieb Deeon nichts anderes übrig, als sich seinen gefallenen Geschwistern anzuschließen, auch wenn er das nie wollte. Da er damals viel Zeit mit den Menschen verbrachte, waren sie auch nach seinem Fall interessant für ihn geblieben. Er war fasziniert von den Ideen und den Gefühlen, der Stärke und der Freude der Menschen. Obwohl sie so schwach waren, waren sie stark. Sie erschufen nur durch Willenskraft, alles was sie wollten. Trotz der grausamen Menschen, gab es immer noch die Liebenden, die sich für andere opferten. Sie waren zu so vieles in der Lage. Trotz ihres Unwissens über ihr eigenes Leben und der Welt, gaben sie nie auf. Egal wie oft sie schwere Krisen überwältigen mussten, machten sie immer weiter. Auch wenn es eine schlechte Seite der Menschen gab, faszinierte Deeon immer nur das Gute im Menschen. Er wollte, dass Menschen glücklich sind. Denn das Leben als Menschen war in seinen Augen hart. Daher war es noch schöner für ihn zu sehen, wenn sie sich freuten. Das war sein Ziel. Er wollte Menschen glücklich machen und ihnen das geben, was sie sich wünschten. Deeon lief aus dem Gebüsch heraus und lief in die Mitte des Parks hinein. Es wirkte alles friedlich und ruhig. In der Mitte des Parks war ein Springbrunnen an dem eine Frau mit ihrem Kind entlang lief. „Mama! Bitte! Ich möchte das so gerne! Nur Schokolade!“, flehte sie ihre Mutter an und zeigte auf einen kleinen Eisstand, der auf der anderen Seite des Brunnens stand. Sie ließ sich von ihrer Mutter ziehen und wollte ihren Willen durchsetzen. Doch die Mutter lief mit ihr weiter. „Nein! Du weißt warum! Hör auf so zu quengeln! Wir müssen das Fahrrad holen!“, fauchte sie ihr Kind an und zeigte auf die Fahrräder am Rande des Parks. Doch die Kleine zog ihre Hand weg. „Aber Mama! Bitte!“ „Kein Aber.“, antwortete die Mutter und hob gestresst ihren Finger. „Ich habe dafür keine Nerven! Bleib kurz da, ich hole das Fahrrad.“, sagte sie nur wütend und drehte sich wieder um. Schnell ging sie zu den Fahrrädern, die sich nur wenige Meter von ihnen befanden. Deeon blickte das traurige Mädchen an. Sie hatte rote Augen und weinte beinahe. Unglücklich stand sie da und blickte ihrer Mutter nach. Nun lächelte Deeon und lief auf die Kleine zu. Er wusste, was er zu tun hatte. „Na du.“, sprach er sie an und kniete sich zu ihr. Dabei hielt er eine Hand hinter seinem Rücken. Sie drehte sich fragend zu ihm aber ging einen Schritt zurück. „Ich.. darf nicht mit Fremden sprechen!“, blockte sie sofort. Doch Deeon lächelte sie liebevoll an. „Du musst nicht mit mir sprechen.“, lachte er nett. „Ich habe mitbekommen, dass du dieses Eis haben wolltest, stimmt das?“ Sie sah ihn zurückhaltend an, aber nickte. „Weißt du was? Ich arbeite da, und habe zufällig ein Schokoladeneis für dich!“, erklärte er nun und holte ein Schokoladeneis in einer Waffel hinter seinem Rücken hervor. Die Augen des kleinen Mädchens wurden riesig. Sie strahlte ihn glücklich an. „Haa! Darf.. darf ich das haben?“, fragte sie ihn und riss den Mund auf. „Natürlich. Aber nur, wenn du lieb zu deiner Mutter bist.“, grinste er und gab ihr das Eis. „Ja! Ja!! Ich bleibe artig!“, sprach sie hastig und nahm mit beiden Händen das Eis. „Danke!“, strahlte sie ihn an und begann an dem Eis zu lecken. „Hmhh! Lecker!“, nuschelte sie während sie von ihm weg ging. Deeon war stolz auf sich. Er hatte einem kleinen Mädchen die Tränen getrocknet und hat etwas Gutes getan. Dies war das Gefühl, was er suchte um selber Glücklich zu sein. Gelassen legte er nun seine Hände in die Hosentasche und lief weiter. „Hmh. In dieser Stadt war ich noch nicht. Mal sehen, wo ich noch helfen kann. Danach werde ich mal bei Mephisto vorbeischauen und Ar-… ach.. er nennt sich ja jetzt Schattenmann…“, sagte er zu sich. Dann lief er aus dem Park hinaus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)