I'm in Love with a Killer von Sakami-Mx (Sie leben unter uns) ================================================================================ Prolog: Anders als die Anderen ------------------------------ Langsam ließ ich meine Lider sinken und döste etwas vor mich hin. Ich saß draußen, an einen großen, alten Baum angelehnt und las ein langweiliges Buch. Naja, ich überflog es wohl eher und sah mir die Überschriften an. Es war so ein schöner Sommertag, eine leichte Brise wehte durch meine langen,  braunen Haare und die Vögel zwitscherten fröhlich über meinem Kopf. Wie gerne würde ich auch so fröhlich sein wie sie und mit ihnen singen, doch ich hatte einfach nur schlechte Laune und diese wuchs von Tag zu Tag. Ich hatte keine Lust mehr, hier zu vergammeln!  Mit hier, meinte ich den Schulkomplex der Privatschule, die ich besuchte. Klar, es war groß hier, schön eingerichtet sowieso und meine Mitschüler waren alle nett zu mir, aber dieses ganze freundliche Getue, das aufgesetzte Lächeln und diese Scheinheiligkeit, welche mir hier tagtäglich begegnete, gingen mir gewaltig auf die Nerven! Ich sollte so etwas gar nicht erst denken, da ich so nicht erzogen wurde. Meine Eltern waren strenge Katholiken und hatten mir von Anfang an eingetrichtert, ich solle nicht so schlecht über meine Mitmenschen denken. Meine Mitschüler waren nett, also sollte ich ihnen auch Nettigkeit entgegenbringen, doch das tat ich nicht. Nicht mehr!  Vor ein paar Jahren war ich genauso wie sie alle. Ich hatte gelächelt, hatte jeden freundlich begrüßt, der mir entgegen kam und hatte meine wirklichen Gefühle dem Ganzen hier für mich behalten, da ich mich nicht getraut hatte, meine Meinung zu äußern. Ich hatte mich von meinen Lehrern und Mitschülern einlullen lassen, hatte nie eine eigene Meinung gehabt und nur das Gesagt, was alle hören wollten. Jetzt war ich in ihren Augen eine Art Rebellin geworden, wenn auch nur eine klitzekleine. Mir war einfach nur klar geworden, dass das hier alles doch reinster Schwachsinn war. Ich hatte früher an so etwas wie einen Gott geglaubt, doch warum sollte ich an eine nicht existierende Persönlichkeit glauben, die auf der ganzen Welt leiden zuließ? Da konnte mir jeder noch so heilige Futzie von Gott und seinen guten Taten erzählen, ich würde nicht mehr daran glauben. Wofür beten, wenn die Gebete eh nicht erhört wurden? Meiner Meinung nach, gab es Gott nicht… Und dass hatte ich nach 16 Jahren endlich begriffen. Wäre meine beste Freundin, Rachel, nicht gewesen, wäre ich nie zu diesem Standpunkt gekommen. Ihre Eltern waren genau wie meine, nur dass Rachel von Anfang an ihre Meinung vertrat. Sie hielt nichts von diesem Gott der Allmächtige und Barmherzige beschützt uns alle Gequatsche, dass wussten auch ihre Eltern. Sie waren jedoch der Meinung gewesen, sie könnten ihre Ansichten vom Glauben ändern, indem sie sie an dieser katholischen Privatschule anmeldeten. Da hatten sie aber falsch gedacht. Rachel schwänzte des Öfteren den Unterricht und wenn sie mal da war, gab sie ständig ihren Senf dazu. Mich wunderte es nur, dass sie nicht schon längst von der Schule geflogen war. Ich denke, ihre Eltern bestachen die Lehrer, damit Rachel hierbleiben durfte. Ich bewunderte sie schon gleich vom ersten Tag an. So wie es aussah, waren alle an dieser Schule so langweilige und steife Christen, die keinen Spaß verstanden und nur nach den Regeln ihres Gottes handelten. Gott stand hier über allem, was auch kein großes Wunder war. Wir mussten jeden Tag vor Schulbeginn in die Kirche und an der Messe teilnehmen. Jeden verdammten Morgen um fünf Uhr aufstehen, damit ich rechtzeitig fertig wurde. Wer die Messe nicht besuchte, wurde zum Rektor geschickt und musste sich erklären, aus welchem Grund man nicht da gewesen war, die Kranken natürlich ausgeschlossen.     Seufzend strich ich mir eine lange, braune Strähne aus dem Gesicht, welche sich dahin verirrt hatten. Ich musste meine grünen Augen fester zusammenkneifen, da mir die Sonne direkt ins Gesicht fiel. „Anna? Bist du das?“, rief mich jemand. Diese Stimme würde ich unter tausenden wiedererkennen. „Ja“, lachte ich kurz auf und öffnete meine Augen. Ich sah, wie Rachel auf mich zu kam, ihre schwarzen Locken hatte sie zu einem Dutt zurück gebunden. Sie passten perfekt zu ihrem leicht, braunen Teint. Ihre Augen waren schwarz umrandet und ihre blauen Augen strahlten mir entgegen. „Na, du Schlafmütze. Ich hab dich überall gesucht“, grinste sie und ließ ihre Tasche neben mich auf den Boden fallen. Sie zog sich ihre grau, glänzende Lederjacke aus und warf sie ebenfalls zu mir. „Hast mich ja jetzt gefunden. Was gibt’s denn?“, fragte ich zurück und mustere sie von der Seite. Sie trug ein schwarzes Top; kurze, schwarze Leggins, die knapp bis zur Hälfte ihrer Schienbeine ging; darüber einen rot, schwarz, karierten Rock und schwarze Ballerinas. Ihr Nietengürtel, welchen sie über dem Rock trug, glitzerte im Sonnenlicht. Am Anfang war es noch etwas gewöhnungsbedürftig, sie in diesem Aufzug zu sehen, da es hier eine strickte Kleiderordnung gab, doch ich hatte mich schon längst daran gewöhnt. Ich selbst war eher ein kleiner Angsthase, der sich nicht traute, sich gegen die Regeln zu stellen. Oke, ein bisschen hatte Rachel mich schon dazu bringen können, mich von der grauen Masse abzuheben. Ich trug ebenfalls eine Lederjacke, doch darunter hatte ich, wie alle anderen, eine weiße Bluse und dunkle Jeans. „Ich habe beschlossen, dass wir heute Abend ausgehen werden!“, sagte sie bestimmt, zog eine Sonnenbrille aus ihrer Tasche, setzte sie auf und lehnte sich zurück an den großen, alten Baum. „Aber, wir dürfen doch nach acht Uhr nicht mehr das Gelände verlassen! Außerdem hätte ich eh nichts zum Anziehen“, erinnerte ich sie. „Ach, das ist mir sowas von schnuppe. Es ist Wochenende und wir müssen mal wieder weg von hier. Komm schon, du hast doch eigentlich extrem Lust darauf.“ Sie sah mich leicht auffordernd an und grinste. Ich kämpfte krampfhaft gegen das Lächeln, was sich auf meine Lippen durchkämpfen wollte, an und verlor leider den Kampf. „Hast ja Recht. Ich habe nur Angst, dass wir Ärger bekommen!“ Sie blies sich eine Haarsträhne, die sich aus dem Zopf gelöst hatte, aus dem Gesicht. „Stell dich nicht so an“, meinte sie und griff nach ihrer Tasche. Sie kramte etwas herum, bis sie ihre Papes, Filter und ihren Tabak fand. „Willst du etwa auf dem Schulgelände rauchen? Wir hatten doch ausgemacht, dass du das nicht mehr hier machst, wo uns alle sehen können“, fragte ich leicht erschrocken und legte das Buch, welches bis vor ein paar Sekunden noch auf meinem Schoss geruht hatte, auf die Seite ins weiche Gras. „Jaja, ist doch alles okay. Wir finden was Hübsches für dich zum Anziehen und dann gehen wir weg. Das letzte Mal hast du dich auch nicht so angestellt und du kannst jetzt nicht behaupten, dass der Abend so schrecklich war“, meinte sie beifällig und drehte sich ihre Zigarette. Als sie fertig war, betrachtete sie ihr Werk und lächelte zufrieden. Dann zog sie ein Feuerzeig hervor und zündete sie an. „Hm, ja“, gab ich zu und schloss wieder die Auge, um mich an den Abend zu erinnern. „Hast du noch Kontakt zu Colin?“, wollte Rachel wissen. „Nein, nachdem meine Eltern herausgefunden haben, dass ich mit ihm zusammen bin, haben sie in der Schule angerufen und den Lehrern gesagt, dass er nicht mehr auf das Schulgelände darf. Außerdem haben wir uns nur noch selten gesehen und er meinte dann, dass er keinen Sinn mehr in unserer Beziehung sieht und hat Schluss gemacht“, erzählte ich. Innerlich schüttelte ich immer noch den Kopf über die Tatsache, dass ich wirklich mit Colin zusammen war. Meine Eltern duldeten es keines Wegs, dass ich einen Freund hatte, bevor ich nicht in einem heiratsfähigen Alter war. Für sie, und die ganzen katholischen Gläubiger, war es eine Schande, mit einem Jungen zusammen zu sein, bevor man nicht mit ihm verheiratet war. Was den Sex anging, verhielten sie sich genauso. Keuschheit bis zur Ehe. Das war wirklich das dämlichste, was ich je gehört hatte. Wahrscheinlich würde ich laut den Geistlichen in die Hölle kommen, wenn sie herausfanden, wie oft ich schon gegen ihre Regeln verstoßen hatte. Colin und ich wären wahrscheinlich nie zusammengekommen, hätten wir nicht miteinander geschlafen. Rachel riss mich zurück in die Wirklichkeit, als sie  den weißen Rauch mit einem leicht verwirrten, leicht ungläubigen Ton aus blies. „Ihr ward zusammen? Wie lange das denn? Und warum hast du mir das nicht erzählt?“ Ich presste meine Lippen fest aufeinander. „Nicht so lange. Höchstens zwei Monate, länger hat es nicht gehalten. Und ich habe nichts erzählt, weil du ihn doch nicht so mochtest.“ Sie überlegte kurz. „Ach stimmt ja“, lachte sie auf und nahm einen neuen Zug. Aus den Augenwinkeln sah ich immer wieder ein paar Mitschüler über die Wege laufen. Sie starrten in unsere Richtung, doch sobald sie bemerkten, dass wir zu ihnen sahen, senkten sie ihre Köpfe und gingen weiter. „Also? Heute Abend feiern gehen? Vielleicht treffen wir ja ein paar nette Typen und können bei ihnen schlafen, wenn du verstehst, was ich meine.“ Ich nickte verstehend und lächelte etwas verlegen vor mich hin. „Hast du immer noch Schiss vor Sex?“ Ich sah sie mit großen Augen an, dann hektisch von links nach rechts. „Nicht so laut! Du weißt ganz genau, wenn rauskommt, dass wir schon, du weißt schon… Wir bekommen richtig großen Ärger!“ Sie lachte auf. „Also wirklich, dass kann den ganzen Gottesheuchlern doch scheiß egal sein, was ich in meinem Leben anstelle. Scheiß auf Gott und diese verkackte Kirche. Das sind doch eh alles Lügen, was die hier rumerzählen! Wir gehen Party machen! Und wenn da ein süßer Typ ist, lass ich mich auch gerne von ihm flachlegen!“ Zum Ende hin wurde sie immer lauter. „Rachi, nicht so laut, bitte…“, flehte ich sie an. Sie zog noch ein letztes Mal an ihrer Zigarette, dann drückte sie sie im Gras aus. „Komm, wir gucken jetzt nach Klamotten!“ Ich packte schnell meine Sachen zusammen und folgte ihr in das Mädchenschlafhaus. Ich teilte zwar ihre Meinung, doch ich war zu feige, so wie sie damit umzugehen. Ich traute mich zwar immer mehr, wie zum Beispiel vor der ganzen Klasse zu äußern, dass es Gott nicht gibt und wir hier alle nur verarscht wurden, aber das war bis jetzt auch die größte Leistung, die ich vollbracht hatte und stolz drauf sein konnte.   Kapitel 1: Erste Begegnung -------------------------- Wir gingen schnellen Schrittes zu Rachels Zimmer. Jeder von uns Mädchen hatte ein Einzelzimmer und Jungenbesuch war strengstens untersagt. Sogar die Jungs auf unserer Schule hatten keinen Zutritt, sogar wenn es nur darum ging, jemanden die Hausaufgaben zu bringen oder für etwas gemeinsam zu lernen. Dafür mussten wir immer in die große Bibliothek, wo wir unter strenger Beobachtung standen, da lauter Nonnen dort herumgeisterten und ein Auge auf uns warfen. Die Zimmer an sich waren groß genug für ein Bett, einen Schreibtisch, einen kleinen Kleiderschrank und eine kleine Kommode. Man konnte sich in dem kleinen, freien Platz, den man noch zwischen den Gegenständen hatte, einmal um die eigene Achse drehen, mehr Platz war da nicht. Ich ließ mich auf Rachels Bett fallen, sie knallte hinter sich die Tür zu und ging zum Kleiderschrank. Dort sah ich einen großen Haufen an schwarzer Wäsche. Zwischen den schwarzen Teilen blitzten ab und an mal knallige Farben auf, doch hauptsächlich war alles in einem Schwarzton. Sie nahm sich ein paar Kleider hinaus, begutachtete sie skeptisch und hängte sie wieder hinein. Draußen begann es schon zu dämmern. „Such aber bitte nichts allzu Knappes heraus. Wenn uns die Lehrer sehen…“ „Man Anna, stell dich nicht so an. Klar, die haben hier strenge Auflagen, aber denen ist doch alles egal, was sich nicht um ihren scheiß Gott dreht! Was denkst du, warum die hier niemanden rausschmeißen?“ Ich zuckte ratlos mit den Schultern. „Weil die hier nach ihrem Motto: Vergeben und Vergessen leben.“ Ich sah sie skeptisch an. „Als ob. Naja, wir sollten trotzdem vorsichtig sein“, meinte ich dann und richtete meinen Blick in den Schrank, aus dem Rachel nun endlich ein schwarzes Kleid rausnahm. „Da, das ziehst du an, Süße“, wies sie mich an und reichte es mir. Wir hatten eine ähnliche, bis gleiche Statue, deswegen würden mir ihre Sachen auch passen. Sie gab mir dann noch ein paar Absatzschuhe, die in einem matten Goldton schimmerten. Sie selbst nahm sich ebenfalls ein schwarzes Kleid hinaus. Es war hinten über den Rücken zusammengeschnürt und der vordere Teil wirkte eher wie ein Oberteil mit Rock, als ein zusammenhängendes Kleidungstück. Ich kam ihrer Anweisung endlich nach und zog mich um. Um den Brustbereich saß es etwas locker, aber das machte nichts. Meine braune Mähne band ich mir zuerst mit einem schwarzen Band zurück, entschied mich dann aber doch dafür, dass ich die Haare offen tragen wollte. Rachel hatte ihren Dutt geöffnet und ihre schwarzen Locken fielen ihr locker über die Schultern. Das Kleid saß perfekt und die Schuhe auch. Ich war es nicht so gewöhnt, mit solchen Absätzen herum zu laufen, deswegen ging ich ein paar Mal hin und her, damit ich mich daran gewöhnen konnte. Rachel zog mich zu ihrem Schreibtischstuhl und drückte mich darauf. Dann nahm sie sich ihre Schminkutensilien und richtete mich her. Zufrieden betrachte sie am Ende ihr Ergebnis und ging einen Schritt zurück. „Passt alles?“, fragte sie, als sie mich begutachtete. Ich nickte. „Hast du auch eine Tasche oder sowas?“ Sie ging zurück zum Schrank und wühlte kurz herum. Kurze Zeit später kam sie mit zwei fast identischen Taschen zurück. Ich packte ein paar Kleinigkeiten hinein, welche ich an dem Abend sicherlich gebrauchen konnte. Rachel grinste hinterhältig und stecke etwas in meine Tasche. Als ich es bemerkte und nachsah, was sie reingeworfen hatte, lief ich vor Scham etwas rosa an. „Nur für den Fall“, zwinkerte sie mir zu. Ich schüttelte nur meinen Kopf. Dass sie auch immer nur daran denken musste. Ich verstand wirklich nicht, wie sie es so lange mit ihren Eltern unter einem Dach ausgehalten hatte. Sie entsprach wirklich dem kompletten Gegenteil von dem, was sie eigentlich sein sollte:  Eine pflichtbewusste Katholikin, die nichts anderes als ihren Herren in ihrem Kopf hatte. „Auf geht’s“, meinte sie schließlich aufmunternd, und ging zur Tür. Ich folgte ihr langsam.   Auf dem Flur begegnete uns keiner, da alle beim Abendmahl, ich meine beim Abendessen waren. Na gut, es glich schon fast einem Abendmahl. Es gab trockenes Brot und Traubensaft für jeden, der unter 18 war. Die Erwachsenen tranken zwar Wein, aber nur in Maßen. Vereinzelt standen auch einige Schalen mit roten Trauben auf den Tischen. Fleischgerichte waren eine seltene Speise, die sie hier an dieser Schule zubereiteten. Rachel und ich stahlen uns ab und an in der großen Mittagspause vom Schulgelände und kauften uns etwas in der Stadt zu essen, wobei Rachel die meiste Zeit bezahlte. Ich wollte gar nicht wissen, woher sie das Geld hatte, da wir kein Taschengeld oder eher, sehr, sehr wenig Geld für den Monat bekamen und ihre Eltern gaben ihr sicherlich nichts. Wir schlichen uns um jede Ecke im Mädchentrakt, bis wir die Eingangstür erreicht hatten. Draußen sahen wir ein paar Nonnen über den Weg huschen. Zu dumm nur, dass unser Gebäude gleich neben der großen Kirche errichtet worden war. Rachel lief ein paar Schritte voraus und sah sich um. Sie winkte mich zu sich, als die Luft rein war und so huschten wir schnell über den Hof. „Wo gehen wir überhaupt hin?“, wollte ich wissen, als wir vom Schulgelände waren und wieder normal laufen konnten. „Ist so eine neue Bar, ein Freund hat sie mir empfohlen. Wir treffen uns auch mit ihm dort und seiner Schrulle“, klärte sie mich auf. Ich hatte bis jetzt nur zweimal Freunde von ihr getroffen. Für mich waren sie ein und derselbe Typ Mensch gewesen. Sie hatten wahrscheinlich irgendetwas intus gehabt, denn sie kamen mir beide so verpeilt und geistesabwesend vor. Ich hatte schon wieder vergessen, wie sie hießen, es war mir auch nicht so wichtig gewesen sie zu merken. Die Straßenbeleuchtung ging gerade an, als wir vor einen etwas heruntergekommenen Schuppen anhielten. „Hier wolltest du hin?“, fragte ich skeptisch und kam einen Schritt näher zu ihr. „Hm, ja. Sieht von innen um einiges besser aus“, meinte sie und nahm sich ihre Papes heraus. Während sie sich ihre Zigarette drehte, stand ich neben ihr und hielt ihren Tabak fest. „Wann wolltest du dich mit deinem Kumpel und seiner Freundin treffen?“ Sie sah auf und blickte hinter mich. „Da hinten kommen sie“, meinte sie und packte ihr Zeug weg, nahm ihr Feuerzeug heraus und zündete sich die Zigarette an. „Hey Eric, lang nicht mehr gesehen“, grinste sie und umarmte den großen, breitschultrigen Jungen, der aus der Dunkelheit aufgetaucht war. Er hatte kurze dunkle Haare, blond vermutlich, und grau, blaue Augen. Hinter ihm kam eine Frau, ungefähr im selben Alter wie er, aus dem Schatten getreten und gesellte sich zu uns. Sie hatte lange, glatte, schwarze Haare und einen Piercing an der rechten Seite ihrer Unterlippe. „Hey Kleine, wie geht’s so? Was macht der Himmel?“ Rachel lachte auf. Ich zuckte leicht zusammen, als ich seine tiefe, dunkle Stimme hörte. So hatte ich sie mir nicht vorgestellt. „Du weißt doch, dass ich in die Hölle komme“, grinste sie und umarmte nun auch die Frau. „Eric, Gill, das ist Anna“, stellte sie mich vor und ich grüßte die beiden ebenfalls. Erst jetzt viel mir auf, das Eric ein paar Tattoos besaß, die am oberen Saum seines weißen T-Shirts herausschaute. „Nicht so schüchtern, wir beißen schon nicht“, grinste Eric und umarmte mich auch zur Begrüßung. Leicht überrascht über die nette Geste, tat ich es ihm gleich. Gill umarmte mich auch. Eric und sie nahmen sich nun ebenfalls eine Zigarette heraus und zündeten sie an. Eric hielt mir fragend das Päckchen hin, doch ich lehnte dankend ab. „Sie ist mein kleiner Passivraucher“, grinste Rachel und stieß mir neckend in die Seite. Ich lächelte daraufhin nur leicht vor mich hin. So blieben wir noch ein paar Minuten vor dem Laden stehen, bis wir dann endlich hinein kamen.     Mir fiel sofort die Lautstärke auf, welche uns entgegen geschleudert wurde, nachdem wir eingetreten waren. Es war nicht gerade die Musikrichtung, welche ich tagtäglich hörte, doch sie war ganz in Ordnung. Wir bahnten uns einen Weg an die Bar und Rachel bestellte für uns alle etwas zu trinken. Als dann jeder von uns einen Drink mit einer bläulichen Flüssigkeit in der Hand hielt, stießen wir an. „Auf einen lustigen Abend“, rief sie und wir stimmten mit ein. Es war nicht gerade etwas Alltägliches für mich, Alkohol zu trinken. Es war schon eher eine Seltenheit, daher war ich auch nicht so trinkfest wie die anderen, doch nach ein paar Drinks würde es schon gehen. Ich würde die Anspannung verlieren und die ganzen Sorgen, welche ich mir immer noch wegen der Schule machte, würden verblassen. Aus den Augenwinkeln fiel mir ein Typ, mit dunkelblonden Haaren auf, der immer wieder zu uns, mit seinen dunklen Augen, hinüber starrte. Um ihn herum standen noch ein paar Kerle: Ein Schwarzhaarige mit roten Strähnen, ein Braunhaariger, ein Braunhaariger mit blonden und violetten Strähnen, ein Rothaariger und einer mit eisblauen Strähnen in seinen dunklen Haaren. Auch bei diesen würde ich auf Schwarz tippen. Der Blondhaarige lächelte mich an, als sich unsere Blicke trafen und ich sah sofort schüchtern auf die Seite. Es war ein sehr anzügliches Lächeln, doch ich war noch zu nüchtern um darauf einzugehen. Meine Wangen begannen bereits sich leicht rosa zu verfärben. Ich konnte nichts dagegen tun, es passierte jedes Mal automatisch, wenn mich ein hübscher Junge anlächelte. Ich wandte mich Rachel zu, die ihren Drink bereits geleert hatte. Ich hatte noch über die Hälfte im Glas. „Wenn du so langsam trinkst, wirkt der Alkohol nicht!“, meinte sie bestimmt und orderte sich schon das nächste Getränk, was diesmal leicht violett schimmerte. Ich grinste verschmitzt und überlegte kurz, dann nahm ich ein paar große Schlucke und leerte das Glas. „Du hast Recht“, rief ich ihr entgegen und holte mir auch schon das nächste Getränk.    Schon komisch, dass hier niemand die Ausweise sehen will. Naja, mir soll es Recht sein.    Die Dunkelhaarige lachte auf und stieß wieder mit mir an. So vergingen ein paar Minuten, in denen wir mir Eric und Gill an der Bar standen, uns unterhielten und etwas tranken. Unterhielten war untertrieben. Wir mussten uns schon fast anschreien, weil die Musik so laut war. Irgendwann zog mich Rachel mit einem Arm auf die Tanzfläche und wir begannen uns im Rhythmus mit zu bewegen. Ich fühlte mich so frei wie ein Vogel und konnte alles um mich herum vergessen. Die Schule war nun nur noch Nebensache und nicht mehr von Wichtigkeit. „Hey Anna, ist dir der Typ dahinten schon aufgefallen? Er guckt ständig auf deinen Hintern“, rief die Dunkelhaarige dicht neben meinem Ohr, um die Musik zu übertönen. Unauffällig drehte ich mich um und sah in die Richtung, in die sie nickte. Da war er wieder, der blondhaarige Typ von eben. Seine Freunde, die bei ihm gestanden hatten, waren nun im ganzen Raum verteilt und hatten sich unter die Menschen gemischt. Gill und Eric hatte ich aus den Augen verloren. „Ja, der guckt schon, seit wir reingekommen sind“, antwortete ich belustigt und beugte mich zu ihr vor, damit sie mich besser verstehen konnte. „Er sieht schon heiß aus“, meinte sie nachdenklich und tanzte vor mir weiter. Ich nickte nur und warf erneut einen Blick über meine Schulter. Neben dem Blondhaarigen war plötzlich der Typ mit den eisblauen Strähnen, wie aus dem Nichts, aufgetaucht. Er hatte sich zu ihm hinübergebeugt und unterhielt sich mit ihm. Dann drehte er seinen Kopf in meine Richtung und blickte mir direkt in die Augen. Ich war wie versteinert. Der Kerl mit den eisblauen Strähnen sah genauso, eigentlich sogar noch viel besser als sein blondhaariger Freund aus. Dieser stand gerade auf und mischte sich ebenfalls unter die Feiernden, der Schwarzhaarige mit den Strähnen blieb am Tresen stehen. „Dir ist schon klar, dass du den Kerl da extrem angaffst?“, lachte Rachel neben mir auf. Ich zuckte zusammen, da ich alles um mich herum für einen Moment vergessen und den Jungen, wie hypnotisiert, angesehen hatte. Ich wandte schnell meinen Blick ab und lachte nervös auf. „Oh Gott, wie peinlich“ Ich schlug mir eine Hand vor das Gesicht. „Hey, er kommt auf uns zu“, sagte sie und stieß mich damit in die Seite. Zuerst dachte ich, sie verarscht mich, doch als ich mich verwundert umdrehte und zur Theke sah, war er weg. Er stand tatsächlich nur ein paar Meter vor mir und tanzte ebenfalls auf der Tanzfläche. Schnell wandte ich mich wieder um und verbarg meine rotglühenden Wangen vor ihm. Das Licht um uns herum wurde dunkler, die Nebelmaschine blies dichten, weißen Rauch aus und die buntblinkenden Lichter erschwerten einem die Sicht. Nur die Person, die direkt vor einem stand, konnte man deutlich erkennen. Rachel grinste mir entgegen und nickte wieder hinter mich. „Süß ist er, das stimmt“, grinste sie und zog mich an den Händen zu sich, nur um mich dann in die Menge zu stoßen. Ihr lautes Lachen hallte in meinen Ohren wieder und ich konnte nur belustigt den Kopf darüber schütteln. Trotzdem sah ich ihr böse entgegen, weil ich gegen jemanden geprallt war. Ich drehte mich schnell um und wollte mich bei der Person entschuldigen, die ich angerempelt hatte und starrte in leuchtend blaue Augen. Sie musterten mich belustigt und dann erkannte ich auch die Person vor mir. Rachel hatte mich doch tatsächlich und zudem auch noch mit voller Absicht, gegen ihn geschubst! „Tut- tut mir leid!“, entschuldigte ich mich sofort. Meine Stimme bebte vor Aufregung. „Schon gut. Ist ja nichts passiert“, grinste er leicht. Seine Stimme war etwas rau, trotzdem klang sie wie eine wunderschöne Melodie in meinen Ohren. „Ich nehme mal an, dass das jetzt nicht mit voller Absicht war?“ Er zog belustigt eine dünne, schwarze, schöngeschwungene Augenbraue hoch, sah kurz in Rachels Richtung, die sich schon umgedreht hatte und mit einem fremden Typen tanzte und ich senkte schnell meinen hochroten Kopf. „Haha, schon gut. Ich bin Pey. Verrätst du mir auch deinen Namen, Süße?“ Ich richtete mich wieder auf und hielt seinem Blick diesmal stand. „Anna“, stellte ich mich mit fester Stimme vor. Diesmal hatte ich sie besser unter Kontrolle. „Hübscher Name. Hatte auch nichts anderes von so einer Schönheit wie dir erwartet.“ Meine Wangen begannen erneut zu glühen. Er machte mir ein Kompliment nach dem anderen. „Willst du was trinken? Ich lad dich ein“, lächelte er mich flirtend an und ich nahm sein Angebot, ebenfalls lächelnd, an. Ich folgte Pey an die Theke und stellte mich ihm gegenüber. Er bestellte uns zwei Cocktails. Der Barkeeper ließ nicht lange auf sich warten und servierte sie uns. Ich nippte kurz an dem rötlichen Getränk und stellte fest, dass es sehr viel Alkohol enthielt. Trotzdem war er lecker, deswegen lächelte ich Pey dankend an. „Willst du mir auch verraten, wie alt du bist?“ „Du zuerst“, kam ich ihm zuvor und lächelte freundlich weiter. Es kam vielleicht etwas zu hastig, trotzdem lächelte er. „Was schätzt du denn?“ Er lehnte sich etwas weiter nach vorne und sah mir wieder tief in die Augen. Sie waren so anziehend, dass ich für einen kurzen Moment beinahe seine Frage vergessen hätte. „20?“ „21“, meinte er schmunzelnd. Es war schon beinahe ein verführerisches Lächeln und wirkte einfach so anziehend. Kein Junge hatte vorher so verführerisch gewirkt. Klar, die Jungs sahen alle gut aus, aber Pey war da was ganz besonderes. Waren es seine Augen? Nein, das konnte nicht sein, aber irgendetwas war es, was ihn so anziehend wirken ließ. „Jetzt du“, forderte er mich auf. „19“, antwortete ich überzeugend. Natürlich war ich erst 16, beinahe 17, aber das musste er ja nicht wissen. „Soso, und dann bist du ohne deinen Freund hier? So ganz allein?“ Ich ahnte schon, worauf das hier alles raus lief. „Ich habe keinen Freund. Ich bin mit einer Freundin und Freunden von ihr hier“, erklärte ich mit einem schmeichelnden Lächeln und nippte erneut an meinem Drink. „Single bist du also auch noch. Dann ist ja heute mein Glückstag“, grinste er. Ich grinste zurück. Er fragte mich regelrecht aus, aber er umspielte es mit schmeichelnden Worten, sodass es mir nicht sofort auffiel. Er fragte mich, woher ich kam, was ich so machte, also Hobby mäßig, fragte mich, ob ich Geschwister hatte. Ganz komische Fragen, doch ich bemerkte es einfach nicht. Während unserem Gespräch bestellte er immer wieder neue Cocktails, wenn unsere Gläser leer wurden. Ich hatte keine Ahnung, was er da eigentlich bestellte, doch die Getränke waren immer sehr lecker. Den Alkohol konnte man immer weniger heraus schmecken. Da wir so vertieft in unsere Unterhaltung waren, bemerkte ich gar nicht, wie angetrunken ich schon war. Erst als ich aufstehen wollte, um auf die Toilette zu gehen, schwankte ich deutlich hin und her. Pey stützte mich und bot mir an, mich zu den Toiletten zu begleiten, damit ich einen Halt hatte. Er war einfach so süß und nett zu mir, da konnte ich nicht Nein sagen. Als ich zurück kam, wartete er vor der Tür auf mich und lächelte mich wieder an. Wir kehrten nicht zur Bar zurück, denn er forderte mich auf zu tanzen und ich kam seiner Bitte natürlich sehr gerne nach. Mir war nicht mehr ganz so schummrig vor den Augen, trotzdem wankte ich noch leicht beim Laufen. Pey stützte mich von der Seite und zog mich eng an sich, damit ich meine Hände um seinen Nacken schlingen konnte. In meinem Kopf waberten schon imaginäre Rauchschwaden herum, die mein Urteilsvermögen total benebelten und ich nicht mehr richtig entscheiden konnte, was richtig und was falsch war. Rachel hatte ich schon nach längerer Zeit nicht mehr gesehen, wahrscheinlich war sie anderweitig beschäftigt, oder hatte sich schon einen süßen Typen geangelt und war mit ihm zusammen abgehauen. Durch meinen leicht verschleierten Blick sah ich Peys Lächeln noch ganz deutlich vor meinen Augen. Wer weiß, wie der restliche Abend noch laufen würde.     Er ist süß und nett sowieso, ich sollte mich ganz auf ihn einlassen…    Immer wieder hörte ich eine dunkle Stimme diesen Satz in meinem Inneren wiederholen. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, doch ich wusste nicht, woher. Sie hatte Recht. Pey war nett und süß. Ich sollte mich gegen keinen weiteren Annäherungsversuch von ihm wehren. Wie, als ob er meinen kurzen inneren Konflikt mitbekommen hätte, beugte er sich vor und küsste mich. Ich war wie betäubt, als seine warmen Lippen auf meine trafen. Ich konnte den bitteren Geschmack, des Alkohols, auf seinen Lippen schmecken und wehrte mich nicht im Geringsten. Ich erwiderte den Kuss und drückte mich ein Stück näher an ihn, damit hielt ich mich mit einem eisernen Griff an seinem Nacken fest. Er fuhr mit seinen Fingern weiter hinunter, bis sie auf meiner Taille stoppten und mich dort festhielten. Viel zu schnell löste er sich wieder von mir und blickte mir durchdringend in die Augen. „Wollen wir von hier verschwinden?“ Ich nickte sofort. Seine Augen glitzerten begierig, doch ich ignorierte es einfach. Er nahm mich an die Hand und führte mich zur Tür. Draußen wehte uns die kalte Nachtluft entgegen und jetzt bemerkte ich erstrecht, wie betrunken ich wirklich war. Der ganze Rauch und die stickige Luft hatten es mir schwer gemacht zu erkennen, wann genug war. Pey legte meinen Arm um seine Taille und zog mich ein Stück zu sich. Doch bevor wir uns auf den Weg machen konnten, kam eine weitere Person aus der Bar getreten. „Frischfleisch“, kicherte die Person hinter uns. Es war der Blonde von der Theke, der mich zu Beginn angelächelt hatte. „Nicht für dich“, zischte Pey an meiner Seite und machte einen Schritt voraus. Ich ging mit, da ich ja immer noch einen Arm um seine Taille geschlungen hatte. „Komm schon, Bruder. Warum teilst du nicht? Nur ein kleiner-“ „Such dir gefälligst selbst jemanden, Rel!“, knurrte meine Begleitung schon fast bedrohlich. Dass dies eigentlich ein Zeichen dafür sein sollte, dass es gefährlich werden könnte, wenn ich noch länger bei dem Schwarzhaarigen blieb, überhörte ich gekonnt. Der Alkohol hatte meine Sinne viel zu sehr getrübt, sodass ich mich an Pey lehnte und kichern musste. Der Blondhaarige, Rel, drehte sich trotzig um und ging wieder in die Bar. Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen atmete tief durch. Der Alkohol schien ihm keine Schwierigkeiten zu machen. „So, wo waren wir stehengeblieben?“, fragte er mit seiner rauen, tiefen, anzüglichen Stimme. Dann beugte er sich zu mir hinunter und küsste mich erneut. Nur allzu gerne erwiderte ich diesen süßen Kuss mit bitterem Beigeschmack.  Im Handumdrehen packte er mich an meinem Handgelenk und zog mich mit sich. Ich konnte nicht anders und kicherte weiter vor mich hin. „Is es denn weit bis su dir?“, fragte ich. Ich begann schon leicht zu lallen. „Nein, wir sind gleich da, Süße. Dann kannst du dich hinlegen und deinen Rausch ausschlafen“, lachte er vor mir. Mittlerweile hatten sich unsere Finger ineinander verschränkt und ich hatte meinen Kopf an seinen Arm gelehnt. Da er gut 2 Köpfe größer war als ich, erwies es sich daher als eher schwierig, den Kopf auf seine Schulter zu legen. „Ich hab echt noch niee so ein Typn getroffn wie dich, hihi“, kicherte ich und hickste. „Das glaub ich dir aufs Wort.“ Seine Stimme hatte einen tieferen, hinterhältigen Tonfall angenommen. Ich machte mir dennoch keine Gedanken darüber und lief mit ihm weiter. Hätte ich gewusst, dass dieser Abend wohlmöglich mein komplettes Leben umkrempeln würde, wäre ich wahrscheinlich lieber zu Hause geblieben. Kapitel 2: Der Anfang des Untergangs ------------------------------------ Die Zeit verging wie im Flug, ich hatte keine Ahnung, wie lange wir wirklich gelaufen waren, da erreichten wir ein kleines Hochhaus. Pey schloss schnell dir Tür auf und zog mich mit in den Hausflur. Gemeinsam stiegen wir die Treppen hoch, drei, um genau zu sein, und wir hielten vor einer schwarzen Tür an. Während er nach dem passenden Schlüssel suchte, lehnte ich mich an die Wand und sah mich um. Das Gebäude sah ziemlich heruntergekommen und verlassen aus. Das Treppenhaus war schmutzig und staubig. In ein paar Ecken konnte ich sogar ein paar Spinnenweben sehen. Wer sich hier her verirrte, musste wirklich arm dran sein. In meinen hintersten Gedanken schrie eine Stimme, dass ich von hier fliehen und bloß nicht mit in seine Wohnung gehen sollte, doch ich war zu betrunken um einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Kopf schmerzte schon ein bisschen von dem Nachdenken, deswegen ließ ich es besser bleiben. Das Klacken des sich öffnenden Türschloss riss mich zurück in die Wirklichkeit und ich sah auf. Pey grinste mich düster an, kam näher und küsste mich. Ich konnte nicht anders und erwiderte ihn. Ich merkte, wie er sich mit mir in die Wohnung drängte und ich ging automatisch rückwärts. Als wir im Wohnungsflur standen, warf er die Tür mit seinem Fuß zurück in die Angeln. Das nächste Zeichen, das ich eigentlich gar nicht hier sein sollte war, dass er die Tür wieder abschloss. „Warum schließt du ab?“, wollte ich wissen. „Sicherheitsmaßnamen“, grinste er. Darauf beließ ich es dann ruhen und machte einen Schritt auf ihn zu. Diesmal war ich diejenige, die ihn küsste. Ich spürte, wie er wieder anfing zu grinsen und seine Hände auf meine Schultern legte. Er ließ von meinen Lippen ab und küsste nun meinen Nacken. Seufzend legte ich meinen Kopf in den Nacken, krallte mich in seiner Jacke fest und genoss die Liebkosung. Als er mich dann mit einem Ruck hochnahm, schlang ich automatisch meine Beine um seine Hüfte und quiekte auf. Er schmunzelte und drückte mich gegen die Wand. „Hm~ wäre es nicht bequemer, wenn wir uns hinlegen?“, schlug er dicht neben meinem Ohr vor. Es war ein tiefes Raunen, was schon beinahe einem Knurren glich. „Warum nicht“, meinte ich und beugte mich zu ihm hinunter. Ich hatte mich definitiv nicht mehr unter Kontrolle. Pey packte mich erneut und trug mich den kurzen Gang entlang in sein Schlafzimmer. Dort ließ er mich langsam auf seinem Bett runter und küsste mich wieder. Er wollte sich gerade aufrichten, als ich ihn zu mir runterzog und den Kontakt zwischen unseren Lippen wieder aufbaute. Der Dunkelhaarige lachte belustigt auf, dann drückte er mich unter sich in die Lacken und ließ sich ganz auf den Kuss ein. Seine Zunge stupste fordernd gegen meine Lippen und ich ließ ihn gewähren. Anders als ich erwartet hatte, war er ganz vorsichtig und nicht zu voreilig. Er fuhr mit seinen Händen bis runter an den Rand meines Kleides und schob den störenden Stoff ein Stück nach oben. Ich musste aufseufzen und er beendete den Kuss, nur um sich die Jacke auszuziehen. Ich hingegen schnippte meine Schuhe mit den Zehen runter, sodass ich diese auch los war. Als sich mein Gegenüber wieder zu mir hinab beugte, stoppte er kurz vor meinen Lippen, entschied sich dann doch dafür, meinen Nacken entlang zu küssen und biss mir neckisch in die Halsbeuge. Ich musste auf keuchen, da er eine sehr empfindliche Stelle von mir getroffen hatte. Ganz benebelt bemerkte ich gar nicht, wie sich seine andere Hand ebenfalls zum Saum meines Kleides bahnte und es noch weiter nach oben schob. Seine langen, warmen Finger strichen sanft über meinen Bauch. Meine Finger hingegen fuhren blindlings über den Kragen seines dunkelblauen Hemdes und bahnten sich einen Weg zu den ersten Knöpfen. Als ich einen zu fassen bekam, öffnete ich ihn auch sogleich und nahm mir den nächsten vor. Auf einmal bemerkte ich seine Hand um meine. Er drückte sie sanft und ich ließ los. „Lass mich das machen“, raunte er und ich ließ von ihm ab. Kurz richtete sich Pey über mir auf und begann nun selbst, sein Hemd aufzuknöpfen. Ich musste schlucken, als mein Blick auf seinen Oberkörper traf. Er war gut durchtrainiert und ein großes Tattoo zog sich über die rechte Seite seine Brust und seinen Bauch. Es schlang sich um den kompletten rechten Arm und endete irgendwo auf dem Rücken. Es sah einfach nur atemberaubend aus. Nach einem Moment beugte er sich wieder zu mir runter und griff wieder nach meinem Kleid. Ich kam ihm entgegen und lächelte neckisch. Er lächelte zurück, lehnte sich zu mir vor und öffnete den Verschluss des Kleides. Dann zog er es quälend langsam über meinem Kopf. Nun lag ich nur noch in meiner Unterwäsche bekleidet unter ihm. Mir wurde richtig heiß, als er sich wieder auf mich legte und mich küsste. Ich bemerkte es deutlich an meinen glühenden Wangen. Ein paar Minuten verstrichen, in denen wir einfach nur auf seinem Bett lagen, uns küssten und mit den Fingern den Körper des anderen erkundigten. Jedes Mal, wenn er meine Seite entlangfuhr, jagte es mir einen angenehmen Schauer über den Rücken. Doch so sollte es nicht bleiben. Ich bemerkte selbst, dass meine Küsse drängender wurden und meine Fingerspitzen wanderten immer wieder über seine Gürtelschnalle. „Da kann es wohl jemand nicht abwarten.“ Sein Grinsen konnte ich nur erahnen, da er momentan meinen Bauch mit Küssen liebkoste. „Hm~ was hast du erwartet“, schmunzelte ich und fasste ihn unter seinem Kinn an, dass er mich angucken musste. „Warum warten wir noch?“ Sein Grinsen wurde breiter, dann beugte er sich vor und gab mir einen schnellen Kuss. „Na schön. Ab hier gibt es kein Zurück mehr“, lächelte er düster. „Glaub mir, das ist nicht das erste Mal für mich“, sagte ich mir einem leichten Unterton in meiner Stimme. Dachte er wirklich, ich sei noch Jungfrau? „Haha, nein. So habe ich das nicht gemeint.“ Er stand kurz auf, öffnete langsam seine Gürtelschnalle und zog sich die Hosen aus, sodass er nur noch in Boxer bekleidet vor mir stand. Ich musterte ihn von oben bis unten und war einfach nur sprachlos. Er sah einfach nur verdammt gut aus und er hatte sich gerade für mich entschieden?! Das war wirklich unfassbar, da ich selbst nie so wirklich zufrieden mit mir selbst war. Aber welches Mädchen war das schon? Bevor er sich wieder über mich beugen konnte, richtete ich mich auf und zupfte am Verschluss meines BH’s, damit er aufsprang. Nach kurzem Ziehen tat er es auch und ich ließ ihn auf den Boden fallen. Seine Augen funkelten und er leckte sich fast schon begierig über die Lippen. Ich wusste nicht warum, aber er machte mir jetzt doch ein bisschen Angst, doch ich ließ mir nichts anmerken und legte mich zurück in sein Bett. Es war so weich, dass ich am liebsten für immer hier liegengeblieben wäre. „Na komm schon, wenn du dich traust“, raunte ich ihm entgegen. „Oh Kleine, du weißt wirklich nicht, worauf du dich hier einlässt“, lachte er schon fast höhnisch und kam mir endlich entgegen. Die sanfte Phase hatten wir endgültig verlassen, denn seine Küsse wurden fester und stürmischer. Außerdem waren seine Liebkosungen nicht mehr so leicht wie noch vor ein paar Minuten. Seine Hände fuhren wild über meine Brüste und drückten sie, was mir ein erneutes Keuchen entlockte. Es war nicht schmerzhaft, noch nicht. Nun konnte ich auch deutlich spüren, dass er es auf mich abgesehen hatte, denn seine Erregung drückte sich mir fest entgegen. Er hatte Recht, jetzt gab es wirklich kein Zurück mehr. Doch warum sollte ich auch noch einen Rückzieher machen? Ich hatte mit ihm einen Glückstreffer gelandet, so dachte ich jedenfalls. Seine Hände ließen meine Brüste los und fanden sich schnell an meinem Höschen wieder, was er auch sogleich ein Stück hinunterzog und mich eine gedachte Linie am Bauch hinunter küsste. Ich musste die Luft scharf einziehen, als er mit den Fingern immer weiter höher zwischen meine Oberschenkel fuhr. Mein Kopf drohte bald zu platzen, wenn er nicht endlich zur Sache kam! Anscheinend bemerkte er auch, dass ich langsam ungeduldiger wurde, denn nur einen Handgriff später, hatte er sich seine Boxer ausgezogen. Mir wurde schon schwindelig vor Aufregung und ich musste mich innerlich immer wieder beruhigen. Es war nicht schmerzhaft, als er in mich eindrang, trotzdem erschreckte ich mich etwas. Es war schon eine Zeit lang her, dass ich mit einem Jungen geschlafen hatte. Das letzte Mal war mit Colin gewesen, kurz bevor er mit mir Schluss gemacht hatte. Doch das hier war kein Vergleich zu dem, was ich erlebt hatte. Die Erfahrungen die ich mit meinem Ex gemacht hatte, verschwanden viel zu schnell aus meinem Gedächtnis, denn das war damals nichts im Vergleich zu jetzt gewesen. Pey war keiner von der sanften Sorte, dem wurde ich mir nun auch bewusst. Es war noch stark an der Grenze, bevor es mir Schmerzen bereitete. Ich stöhnte immer wieder auf, als er zustieß und schloss genüsslich meine Augen. Meine ganze Konzentration lag nur noch auf den warmen Atem, der immer und immer wieder gegen meinen Hals schlug und das leise Keuchen neben meinem Ohr. Ich hörte, wie auch er ab und an Aufstöhnen musste und es gefiel mir. So wirkte er auch ein bisschen schwächer, als er sich mir präsentierte. Als ich meine Augen einen spaltbreit öffnete sah ich nur seinen Kopf neben mir und spürte, wie sich seine Finger mit meinen verschränkten und sie fest ins Laken drückten. Ein schwaches Lächeln bereitete sich auf meinen Lippen aus und ich schloss wieder meine Augen. Ich bemerkte, dass er etwas langsamer wurde. Macht er das mit Absicht? Will er mich quälen? „Hör bloß nicht auf!“, keuchte ich auf. „Heh, hatte ich nicht vor“, lachte er etwas und küsste meinen Nacken. Er war keinesfalls erschöpft, denn seine Stimme klang genauso fest wie vorher. Dann begann er erneut sich in mir zu bewegen. Anfangs noch langsam, dann immer schneller. Das Keuchen, was kurzzeitig abgeklungen war, kehrte zurück und wurde immer lauter. Unsere verschränkten Finger hatten sich gelockert und meine Hände lagen locker auf seinen Schulterblättern. Ich krallte meine Fingernägel in seinem Rücken fest was ihn ein lauteres Aufstöhnen entlockte und ich spürte einen kleinen Stich in meiner Schulter. Es dauerte nicht mehr lange und ich kam zum Höhepunkt, er nur wenige Sekunden nach mir. Ich hatte meine Augen immer noch geschlossen und atmete stoßweise weiter. Der Schmerz war wieder abgeklungen, doch es pochte immer noch etwas. Zum Ende hin war es mir einfach zu schnell geworden, weswegen sich ein paar schwarze Punkte vor meinen Augen gebildet hatten. Ich spürte, wie sich seine Finger fester um meine schlossen, die von seinem Rücken hinunter geglitten waren und im Bett lagen. Er krallte sich schon beinahe an ihnen fest. Seine Fingernägel bohrten sich schließlich richtig in meinen Handrücken, was mich schmerzhaft aufschreien ließ. Was soll das denn? Ich wollte meine Augen öffnen und nachsehen, was um Himmelswillen er gemacht hatte. „Lass die Augen zu!“, knurrte er in mein Ohr. Ich erschrak richtig vor seiner Stimme. Sie hatte einen ganz anderen Klang, als vorher. Sie war bedrohlich und kratzig. Ich bekam leichte Panik und wand mich unter ihm, doch er drückte mich fester in das Bett. „Wenn du weiter so rumzappelst, könnte es gleich noch viel schmerzhafter für dich werden“, knurrte er, aber in einem leicht belustigten Tonfall. „Lass mich los! Du tust mir weh“, zischte ich ihn an. Dann spürte ich seine Zunge, welche über meinen Hals leckte. Was sollten denn auf einmal diese schrägen Sachen? „Ich weiß.“ Seine Lippen formten ein Lächeln, welches ich auf meiner Haut spüren konnte, als er mit seinen Lippen über sie fuhr. „Ich sagte doch, du weißt nicht, worauf du dich eingelassen hast.“ Seine kratzige Stimme wurde melodischer, dennoch blieb sie so tief, wie das Knurren eines Hundes. Panisch musste ich schlucken. „Na, hast du Angst?“ „Du scheiß Psycho! Lass mich los“, schrie ich. Doch ich konnte nichts Weiteres sagen, denn er drückte mir seine Lippen auf den Mund. Sofort bahnte er sich mit seiner Zunge wieder einen Weg in meinen Mund und umkreiste meine Zunge. Da ich keinen anderen Ausweg wusste, biss ich ihm in diese und es wirkte tatsächlich. Er zog sich zurück, jedoch nicht weit genug, dass ich unter ihm drunter wegkrabbeln konnte. „Das war aber nicht nett, Süße“, raunte er süffisant. Ich hatte immer noch meine Augen zusammengekniffen, doch jetzt riss ich sie weit auf, als ich einen erneuten stichartigen Schmerz an meinem Hals spürte. Wie eine zu Stein erstarrte Staue lag ich da und konnte mich keinen Millimeter bewegen. „Lass mich gehen“, flehte ich jetzt und begann zu schluchzen. Ich hätte nie mir ihm mitgehen dürfen! „Macht es dir denn keinen Spaß mehr?“ fragte er mit gespielt bedrückter Stimme. „NEIN, verdammte Scheiße!“, schluchzte ich erneut und begann mich wieder gegen ihn zu wehren, jedoch ohne Erfolg. Er war einfach zu stark für mich. Durch die ganze Aufregung hatte ich nicht bemerkt, wie der Schmerz an meinem Hals nun ebenfalls zu einem nervtötenden Pochen wurde. Scheiße, was ist hier los? Pey stützte sich leicht vom Bett ab und beugte sich über mich, sodass sein Gesicht genau vor meinem schwebte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an. Seine Augen leuchteten regelrecht und eine maßlose Belustigung war deutlich in seinem Blick zu erkennen. Bei seinem Anblick fing ich an zu zittern und riss meine Handgelenke los. „Verdammte Scheiße, lass mich gehen!“, krisch ich panisch und schlug mit den Fäusten gegen seine Brust. „Aber, aber Schätzchen. Warum auf einmal so panisch?“, fragte er höhnisch. Mit aller Kraft kniff ich meine Augen zusammen und betete inständig, dass ich gerade am Träumen war. Wirklich? In so einer Situation fange ich an zu beten? Das muss mein Tiefpunkt sein! Das kann nicht wahr sein! Wahrscheinlich bin ich schon lange am Schlafen. Ja, das muss es sein. Rachel hat mich zurück in mein Zimmer gebracht und ich habe nur einen Alptraum! Ich hatte sein Bild immer noch vor Augen. Eisblaue Augen, die sich von dem schwarz seiner Augäpfel abhob. Sie waren so hell, dass sie schon beinahe zu leuchten schienen. Bei seinen Worten hatte er die scharfen Reißzähne entblößt, welche wie Dolche blitzten. Seine Ohren waren spitz, wie die eines Kobolds. Äußerlich sah er fast aus wie ein Mensch, bis auf diese paar Merkmale. Was war er? Ein menschliches Wesen keinesfalls. „Da du meine wahre Gestalt gesehen hast, muss ich dich jetzt erst Recht töten!“, verkündete er aus heiterem Himmel. Dicke Tränen kullerten über meine Wangen und ich schluchzte. Wo war ich hier nur rein geraten?! Das war wahrhaftig ein realer Alptraum. „Ich werde alles vergessen, wenn du mich gehen lässt! Ich schwöre es!“, bettelte ich. Tatsächlich richtete er sich etwas auf und hob eine Augenbraue. „Na wenn das so ist…“, begann er. Ich dachte schon, er meinte es ernst und richtete mich schnell auf, doch er packte mich an den Schultern und warf mich zurück auf das Bett. „Für wie blöd hältst du mich?“, lachte er ironisch. Seine spitzen Krallen, welche ich erst jetzt bemerkte, gruben sich tief in meine Schultern und ich musste schmerzerfüllt aufschreien. „Sorry, aber ich bin ein kleine Sadist und liebe es, meine Opfer zu quälen“, grinste er mich mit seinen scharfkantigen Zähnen an. Ich schloss wieder die Augen. Hoffentlich ist das hier alles bald vorbei… „Hey, wenn du nicht mitspielst, macht es gar keinen Spaß“, schmollte er leicht und stand auf. Ich blinzelte und sah durch einen verschwommenen Vorhang, welchen meine Tränen bildeten. Wie armselig ich doch war. Ich war in der Wohnung eines unmenschlichen Sadisten, lag nackt und ohne jeden Schutz auf seinem Bett und betete, dass er mich einfach schnell umbringen würde. „Steh auf“, befahl er. Ich rührte mich zuerst nicht, doch als er mich an einem Handgelenk packte, stand ich schnell auf. Seine Finger mit den spitzen Krallen schlossen sich immer fester darum und ich konnte schon ein paar vereinzelte Blutstropfen hinunterlaufen spüren. Er drehte mich mit dem Rücken zu sich, sodass ich auf das Bett sehen konnte. Dort waren überall Blutflecken zu sehen und ich begann erneut zu schluchzen. „Es war wirklich ein schöner Abend, doch alles muss irgendwann ein Ende haben.“ Seine kratzige Stimme hatte einen monotonen Tonfall angenommen. Ich blickte starr auf den Boden, als er sich wieder über meine Schulter beugte. Als er wieder hineinbiss, schoss mir der Schmerz bis in den Kopf und ich begann schwarze Flecken vor meinen Augen zu sehen. Irgendwann war der Schmerz so heftig, dass ich das Bewusstsein verlor und nach vorne kippte. Ich spürte noch, wie er mich festhielt, dann wurde alles schwarz vor meinen Augen und ich sackte zusammen. Wenigstens bemerke ich es nicht, wenn mein Herz aufhört zu schlagen… Kapitel 3: Zum Scheitern verurteilt ----------------------------------- Ich saß fest, in einer dunklen, klebrigen Masse und kam weder vor, noch zurück. Je mehr ich mich versuchte zu befreien, desto tiefer versank ich. Schließlich gab ich den Kampf auf und ließ mich einfach treiben. Komischerweise ging ich nicht unter, sonder trieb vor mich hin, meine Augen waren geöffnet und starrten in die Leere. Es fühlte sich an wie Wasser, doch es war eine zähflüssige, schleimige Flüssigkeit. War ich in einem Sumpf oder so? Was war nur passiert? Ich war in dieser Wohnung…mit Pey. Oh mein Gott, Pey! Was zum Teufel war er nur? Sein Abbild hatte mir eine riesige Angst eingejagt. War es vielleicht nur ein schlechter Witz gewesen? Aber wie hätte er sich so schnell, ja was eigentlich? Schminken? Verkleiden? Ich schloss die Augen, da ich eh nichts sehen konnte, außer Schwarz. Um mich herum rauschte es, wie als ob jemand einen Wasserhahn aufgedreht hätte und um mich herum begann es Wellen zu schlagen. Da ich mich immer noch nicht bewegen konnte, musste ich mich meinem Schicksal ergeben und schwamm mit den hohen Wellen mit. Keine Ahnung, wohin sie mich trieben, Hauptsache weg von diesem Ort. Pey meinte, er wollte mich umbringen. Hatte er es schon erledigt? War ich schon tot? Sollte das der Himmel sein? Oder doch besser, die Hölle?? Dann hatten die Schwestern recht gehabt. Unartige Leute, die sich nicht nach den Grundsätzen des Glaubens verhielten, kamen in die ewige Verdammnis. Hätte ich mich doch nicht gegen sie alle gestellt… Hätte ich doch an ihre Worte geglaubt. Das war jetzt wahrscheinlich meine Strafe. Vielleicht war Pey auf meine persönliche Bestrafung gewesen, damit ich begriff, dass ich mit meiner Meinung im Unrecht war. Naja, vielleicht würde ich Rachel hier irgendwann wiedersehen. Sie hatte mindestens, wenn nicht sogar noch mehr Mist gebaut, als ich. Die Wellen um mich herum hatten aufgehört zu schlagen und ich trieb wieder in ruhigem Wasser. Als ich mich vorsichtig versuchte aufzusetzen, gelang es mir gleich beim ersten Versuch. Unter mir fühlte ich immer noch das Wasser, wurde aber nicht nass. Ich schien auf dem Wasser zu laufen. Mein Weg war mir unbekannt, doch ich machte einen Schritt vor den anderen. Wie lange ich so lief, wusste ich selbst nicht, irgendwann begann sich jedoch das Wasser wieder zu einem Sumpf zu verwandeln. Meine Knöchel waren schon nach kurzer Zeit verschwunden und ich versuchte verzweifel heraus zu kommen, genau wie am Anfang. Als ich dann bis zur Hüfte in dem schlammigen Untergrund steckte, zog ich mich mit meinen Händen voran. In der Ferne erkannte ich eine schwache Silhouette von einem Baum. Er schien zu leuchten. Krampfhaft und mit aller Gewalt zog ich mich immer näher zu ihm, ging aber immer weiter unter. Kurz vor meinem Ziel dachte ich, dass ich ihn noch erreichen würde, versank dennoch gänzlich. So knapp vor meinem Ziel, war ich doch noch gescheitert. Mit einem tiefen Luftzug riss ich meine Augen auf. Hecktisch sah ich mich um. Ich lag in einem großen Bett, gegenüber von mir war ein großes Bild, welches einen Wasserfall und zwei Bäume zeigte. Im Hintergrund war mittig eine große Sonne, die gelb schimmerte. Vor ihr waren Nebelschwaden in Weiß, Hellblau, Rosa und zum Teil auch Grün. Die Schaumkronen des Wasserfalls wiesen die gleichen Farben auf. Der Rest war in Blautönen gehalten, einzig die Bäume und die Wand des Wasserfalls waren in einem Graubraun bis Schwarz gehalten. Das Zimmer in dem ich lag, war auch in verschiedenen Blautönen gehalten. Es sah ziemlich kahl aus, denn außer dem Bett waren nur noch ein großer Kleiderschrank und eine Kommode in dem Zimmer. Kein Fenster zum Rausgucken. Ich richtete mich langsam auf und zuckte zusammen, als mich ein Wall von Schmerzen überfiel. Vorsichtig tastete ich mit meinen Fingerspitzen an meinen Hals. Dort spürte ich etwas Weiches, konnte jedoch nicht feststellen, was es war. Als ich mit meiner Hand weiter runterrutschte, spürte ich das gleiche Material auf meiner Schule und drehte leicht meinen Kopf. Eine Kompresse war mit einem weißen Verband darum gewickelt. Mein Blick wanderte nun zu meinen Händen. Sie waren ebenfalls mit Verbänden umwickelt, nur meine Fingerspitzen guckten heraus. Langsam, damit mir nicht schwindelig wurde, schlug ich die Decke beiseite und schwang mich aus dem Bett. Ich bemerkte, dass ich mein Kleid trug, mit welchem ich in die Bar gegangen war. Die Bar… Ich erinnerte mich wieder an den Abend und Panik bereitete sich in mir aus. Wo war ich und wo war Pey? Hatte ich ihn wirklich in der Bar getroffen? War das alles real gewesen? Ich tastete mich mit meinen Füßen etwas auf dem Boden hin und her, dann stand ich auf. Neben der Tür fielen mir meine Schuhe auf, die ich schnell an mich nahm. Mit Bedacht öffnete ich die Zimmertür einen spaltbreit und schielte heraus. Vor mir erstreckte sich ein kurzer Flur mit drei Türen und einem offenen Durchgang. Aus dem Raum mit dem offenen Durchgang war Geklapper zu hören. Es klang wie Geschirr, was jemand aufeinander stapelte. „Erklär mir mal bitte, was da los war!“, forderte eine dunkle Stimme. „Scheiße man, ich weiß es nicht! Ich habe das gleiche gemacht wie sonst auch, doch irgendwie hat es nicht funktioniert!“, erklärte sich eine andere Stimme. Sie kam mir bekannt vor. Erschrocken stellte ich fest, dass es Peys Stimme war. Ich war also immer noch in seiner Wohnung. „Warum hast du ihr nicht einfach das Genick gebrochen? Das wäre um einiges einfacherer gewesen!“, klagte die andere Person. „Ich hab’s ja versucht, doch ich habe irgendwie einen beschissenen Stromschlag bekommen, jedes verdammte Mal, als ich kurz davor war, sie zu töten!“, rechtfertigte sich Pey. „Und was machen wir jetzt?“, fragte eine dritte Person. Verdammt, wie viele sind denn hier? Verzweifelt blickte ich mich um und fixierte eine Tür, welche mir doch schwer nach einer Haustür aussah. Wenn ich es schaffen würde, unbemerkt dorthin zu gelangen, könnte ich vielleicht fliehen. „Ihr könnt es ja selbst versuchen, aber ich denke ihr werdet genauso viel Erfolg haben wie ich!“, fuhr Pey seine Besucher an. „Na schön, meinetwegen gerne. Ich habe eh Hunger.“ Die Stimme der dritten Person klang schon beinahe animalisch. Ich hatte Angst, doch ich durfte mich nicht unterkriegen lassen. Fest entschlossen, hier heraus zu kommen, tappte ich schnell zur Haustür. Ich hatte nur eine Chance, ich durfte sie nicht vermasseln. Vorsichtig prüfte ich, ob diese verschlossen war, zum Glück war sie es nicht! Da der Raum mit dem offenen Durchgang noch eine Tür weiter befand, bemerkte mich auch keiner. Ich riss die Tür auf und rannte das Treppenhaus hinunter. Über mir hörte ich nur ein Scheiße, wer hat vergessen die Tür abzuschließen?, dann hörte ich auch schon die schweren Schritte meines Verfolgers. Ich rannte so schnell ich konnte und erreichte auch die Tür, wollte sie aufreißen, doch eine Hand legte sich an den Griff. „Na na, Süße. Was rennst du denn weg?“ Es war Pey, der hinter mir stand. Ich konnte sein Spiegelbild in der Scheibe erkennen. „Du drehst dich jetzt um und gehst schön wieder nach oben, haben wir uns verstanden?“ Seine Stimme war so bedrohlich, ganz das Gegenteil von der Stimme, mit der er mich an geflirtet hatte. Ich schluckte schwer, biss mir erst auf die Lippen und begann dann wie wild zu kreischen. Hinter mir hörte ich nur ein amüsiertes Lachen. „Du kannst so viel schreien, wie du willst. Dir wird keiner zur Hilfe eilen. Die einzigen Personen hier sind: du, ich und meine Freunde!“ Mir schossen die Tränen in die Augen, als ich erkannte, wie aussichtslos meine Situation war. „Komm jetzt“, zischte er mich an, packte mich unter dem Arm und zerrte mich die Treppen wieder mit hoch. Die Tür stand noch sperrangelweit offen. Mit einem lauten Knall warf er sie wieder ins Schloss zurück und drehte den Schlüssel um. „Damit du mir nicht wieder wegläufst, Kleine“, grinste er düster und schob mich in die Küche. Dort saßen zwei Typen, die ich schon am Vorabend gesehen hatte. War es wirklich gestern? Wie lange ich wohl in diesem Bett gelegen habe… „Uh, das Frischfleisch“, lachte der Junge mit den dunkelblonden Haaren auf. Sein Name war Rel, wenn ich mich richtig erinnerte. Neben ihm, am Tisch, saß der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen. „So, dann versucht euer Glück!“, forderte Pey hinter mir die beiden Jungs auf. Zuerst stand Rel auf und näherte sich mir. „Du schmeckst bestimmt genauso süß, wie du aussiehst!“ Sein Gesicht wurde breiter, es war eine unheimliche Fratze. Seine Augen begannen hell aufzuleuchten, in einer unnatürlichen Farbe: Weiß! Um seine weißen Pupillen hatte sich ein goldschimmernder Rand gebildet, der seine Augen umso faszinierender wirken ließ. Meine Augen weiteten sich noch ein Stück mehr, als ich sah, wie sich seine Augäpfel von dem natürlichen Weiß in ein tiefes Schwarz verwandelten. Er bleckte seine spitzen Reißzähne, welche bis vor ein paar Sekunden noch nicht da gewesen waren. „Mach schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit! Ich habe gestern kein Essen bekommen und ich werde unwiderstehlich, wenn ich nicht bald etwas zwischen den Zähnen habe!“, drängte Pey und schubste mich in Rels Arme. Ich musste kurz erschrocken auf quietschen, als sich seine spitzen Krallen in die Verbände an meinen Schultern krallten. „Was soll eigentlich der Scheiß, Pey?“, fragte der Junge, welcher noch am Tisch saß. „Ich konnte sie nicht töten, hab ich ja schon gesagt. Hätte ich die Wunden nicht verbunden, hätte sie mein ganzes Bett versaut!“ „Ist jetzt auch egal. Sie wird dir bald nicht mehr lästig sein.“ Rel drehte mich mit dem Rücken zu sich und ich blickte nun in Peys Gesicht. Es sah wieder ganz normal aus, wie als ob nichts gewesen wäre. Meine Augen brannten, als ich gegen die Tränen ankämpfte. Rels Finger fuhren langsam meinen Hals hinauf und schlossen sich sanft um ihn. Wird er mich erwürgen, oder doch das Genick brechen? Hauptsache, es geht schnell! Ich spürte, wie sich sein Griff verstärkte und ich begann schon zu Röcheln. Peys Abbild verschwamm langsam vor meinen Augen und schwarze Punkte bildeten sich vor meinem Sichtfeld. Ich bekam immer weniger Luft! Kurz bevor ich vollends das Bewusstsein verlor, spürte ich, wie Rel mich schlagartig los ließ, doch für mich war es zu spät. Ich klappte in mich zusammen und sackte auf den Boden. Das war es dann wohl gewesen. Um mich herum war wieder diese drückende Dunkelheit, doch es war trocken um mich herum. Ich tastete vorsichtig an meiner Seite entlang und spürte nichts anderes als festen Untergrund. Fast schon, wie ein Stein. Plötzlich wurde es um mich herum einen ticken heller, sodass meine Umgebung in einem dunklen Grauton erstrahlte und ich sah, dass ich auf einer Steinplatte lag. Langsam setzte ich mich auf und sah an der Seite herunter. Ich war in weiß Gott nicht wie großer Höhe, denn vor mir erstreckte sich ein tiefer dunkler Abgrund. Meine Beine zitterten und ich wandte sofort meinen Blick von dem erschreckenden Bild ab. Ich hatte keine Möglichkeit, woanders hin zu kletter, da es nichts gab, wo ich hin klettern konnte. Es begann um mich herum an zu wehen und der Wind peitschte in meine Ohren. Ich klammerte mich richtig an der Steinplatte fest, um nicht davon geweht zu werden, doch die Oberfläche des Steins war so glatt, dass ich nichts zu fassen bekam. Verzweifelt griff ich immer wieder nach ihr, ohne irgendeinen Halt zu spüren und merkte, wie ich immer weiter zum Rand rutschte. Ich näherte mich dem Abgrund Stück für Stück. „Nein, nicht!“, schrie ich auf, als meine Füße schon über der schwarzen Tiefe hingen und ich immer weiter ihr entgegen rutschte. Meine Finger hatten schon angefangen zu bluten und meine Nägel waren aufgerissen vom verzweifelten Festhalten. Als dann auch meine Hüfte über dem Abgrund hing, gab ich schließlich auf. Es war ausweglos, das musste ich nun endlich begreifen. Ich ließ los und fiel in ein schwarzes Nichts. Meine Haare flatterten im Wind und ich schloss die Augen, damit ich nicht sah, wie schnell ich dem Boden entgegen sauste. Nach einiger Zeit, ich wusste nicht, wie lange ich schon in diesem fliegenden Zustand war, öffnete ich doch wieder meine Augen. Ich hatte mich auf den Rücken gedreht und starrte gen Himmel. Die Steinplatte auf der ich gelegen hatte, war noch deutlich zu erkennen. Es schien, als ob ich mich kein Stück von ihr entfernte. Es war eigenartig, weswegen ich mich nun auf den Bauch drehte und nach unten sah. Dort war immer noch die unheimliche Schwärze. Es waren keine Umrisse vom Boden zu erkennen, nur schwarz. Wenn ich ehrlich war, gefiel es mir schon ein bisschen, so zu fliegen. Irgendwie hatte es doch seine guten Seiten. Es war ein Gefühl von Freiheit. Wenn ich die Augen wieder schloss und mich einfach auf das Rauschen an meinen Ohren konzentrierte, konnte ich alles vergessen, was mich belastete. Also schloss ich wieder meine Augen und begann mich auf das Rauschen zu konzentrieren. Plötzlich hörte ich noch ein anderes Geräusch und schlug schnell meine Augen auf. Es war das Krächzen eines Raben oder einer Krähe, was mich abgelenkt hatte. Da ich immer noch auf dem Bauch lag, begannen meine Augen zu tränen. Der Wind peitschte mir wieder entgegen und ich raste schlagartig auf einen Boden zu, der urplötzlich unter mir aufgetaucht war. Panisch ruderte ich mit meinen Armen um mich, in der Hoffnung mich irgendwo festzuhalte, doch es war zu spät und ich schlug krachend auf den Boden auf. Mit einem erschrockenen Schrei in der Kehle fuhr ich hoch. Meine Augen waren weit aufgerissen und ich zitterte am ganzen Leib. Dann schlang ich meine Arme um mein Knie, befand mich so in einer Embryostellung und kniff die Augen zusammen. Ich schluchzte auf und vergrub meinen Kopf zwischen meinen Knien. „Man, jetzt heul hier nicht so rum!“, fuhr mich eine dunkle Stimme an. Ich sah auf und erkannte, dass ich auf einem Sofa saß, die drei Jungs mir gegenüber und der Fernseher lief. Rel hatte eine beleidigte Miene aufgesetzt und starrte auf den Bildschirm. Sofort hörte ich auf und blickte wieder zu Pey, der seine Arme vor der Brust verschränkt hatte und mich total ignorierte. Der andere Junge, dessen Namen ich noch nicht kannte, blickte mich abschätzig an, dann wandte auch er sich ab. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe und zog die Decke etwas höher, die über meinen Beinen lag. Ich hatte sie wohl von mir geworfen, als ich aufgewacht war. Wie kann das sein? Ich dachte, Rel hätte mich getötet! Die Sendung, welche sich die Jungs ansahen war vorbei und Pey schaltete den Fernseher aus, dann drehte er sich zu mir und musterte mich. „Ich versteh einfach nicht, warum du nicht stirbst…“, murmelte er und stand auf. Dann ging er aus dem Raum. Rel hatte nun ebenfalls die Arme vor der Brust verschränkt und starrte trotzig gen Boden. „Aber, ich dachte...“, begann ich, stoppte aber in meinem Satz. Pey kehrte zurück in den Raum und stellte einen Teller mit Essen auf den Couchtisch. Verwunderte blickte ich ihn an, als er sich wieder auf seinen Platz setzte. „Ess, bevor ich es mir anders überlege und dich verhungern lasse!“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und schnappte mir den Teller. Erst jetzt bemerkte ich, was für einen großen Hunger ich hatte und aß schnell auf. Es waren Nudeln mit einer dunklen Soße und Fleischstückchen darin. Zu meiner Überraschung schmeckte es wirklich köstlich. Nein, es darf dir nicht schmecken. Er hat versucht dich umzubringen und unheimlich ist er auch noch! „Und was machen wir jetzt mit ihr? Wir können sie nicht laufen lassen“, wandte sich plötzlich der Namenlose an Pey, dieser zuckte nur mit den Schultern. Es herrschte kurzes Schweigen, bis ich mich dazu durchringen konnte, eine Frage zu stellen, die ich schon seit dem letzten Mal, als ich aufgewacht war, auf der Zunge hatte. „Welcher Tag ist heute?“ Meine Stimme war so leise, das es schon fast nur ein Flüsterton war. „Dienstag“, antwortete Rel monoton. Meine Augen weiteten sich noch ein kleines Stückchen mehr. Ich bin schon seit Freitagabend hier. Die anderen werden sich sicherlich schon sorgen um mich machen! Ich muss hier raus, so schnell wie möglich! Rel schien meine Panik im Blick zu bemerken, denn er verzog nur mürrisch seine Lippen und schnaubte verächtlich. „Was ist los? Überlegst du schon wieder, von hier abzuhauen? Das kannst du vergessen“, zerstörte Pey meine Hoffnungen, hier irgendwie rauszukommen. Wahrscheinlich hatte er die Haustür diesmal wirklich abgeschlossen. „Wann kommen die anderen? Sie wollten schon vor einer halben Stunde hier sein“, fragte der Namenlose. „Keine Ahnung. Die müssten bald kommen“, meinte Rel von seiner Seite der Couch. Wie aufs Stichwort, klopfte es an der Tür. „Ah, na endlich.“ Pey erhob sich und verließ den Raum. Aus dem Flur hörte ich, wie er zuerst die Tür entriegelte und sie dann öffnete. „So, wo drückt der Schuh“, lachte eine mir unbekannte Stimme auf. „Kommt einfach rein“, knurrte Pey und ließ seine Besucher rein. Das Poltern ließ mich darauf schließen, dass es vielleicht so drei bis vier Leute waren. Es klopfte an die offene Wohnzimmertür und ich drehte mich erschrocken um. In dem Türrahmen stand ein großer Junge mit schwarzen Haaren und roten Strähnen. Auch ihn erkannte ich aus der Bar wieder. Er musterte mich kurz, dann begrüßte er die Jungs auf der Couch. Hinter ihm kam ein Rothaariger, dann noch ein Braunhaariger durch die Tür spaziert. Dann kam Pey zurück. Er stellte sich, die Arme verschränkt hinter mich und schnaubte. „Hier ist das Problem!“ Bei dem klang seiner angepissten Stimme, versank ich immer mehr in die Couch und machte mich so klein wie möglich. Der Rothaarige musterte mich eingehend. Er hatte ein kurzes Shirt mit tiefem Ausschnitt an, wo sein Tattoo unterhalb seines Halses deutlich hervorschaute. Der Braunhaarige kratzte sich nachdenklich am Kinn und betrachtete mich nun auch ausgiebig. Ich kam mir langsam echt vor, wie ein seltenes Tier im Zoo, was alle begafften. „Töte sie doch einfach, dann ist sie auch kein Problem mehr“, meinte der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen überzeugt. Rel seufzte tief und massierte sich mit einer Hand die Schläfen. „Denkst du, das haben wir nicht schon versucht, Bana?“ Bana biss sich auf die Unterlippe. „Was weiß ich, was ihr schon versucht habt. Musst mich ja nicht gleich so anfahren!“, maulte er und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Warum ist sie dann noch am Leben?“, mischte sich nun der Braunhaarige ein. „Keine Ahnung“, antwortete der Typ, den ich schon aus der Küche kannte. „Ich hab es zuerst versucht und wurde irgendwie, wie von einem Stromschlag von ihr getroffen, als sie ohnmächtig war. Dann hat Rel es am Sonntag auch nochmal versucht. Ihm ist das gleiche passiert wie mir. Pira hat es gestern ausprobiert und da war es genauso wie bei uns!“ Pey wirkte etwas fassungslos, als er mit seinen Erzählungen geendet hatte. Also haben sie jetzt schon das dritte Mal versucht mich zu töten. Aber das dritte Mal habe ich es gar nicht mitbekommen. Vielleicht hat Pira es versucht, als ich noch ohnmächtig war… „Soll also heißen, dass sie unsterblich ist?“, fragte der Rothaarige verwirrt. „Mensch Piwi, du bist ja heute wieder ein Blitzmerker!“, lobte Pira ihn, mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. „Regt euch doch mal ab! Wir werden schon irgendeinen Weg finden, sie zum Schweigen zu bringen. Vorerst solltest du sie aber noch etwas bei dir in der Wohnung festhalten, Pey“, wandte sich nun der Braunhaarige an den Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen. „Baka hat Recht. Wenn nicht, ich kann sie auch gerne mitnehmen. Dann wird es nicht so langweilig bei mir“, schmunzelte Piwi. Es war wirklich unheimlich zuzuhören, wie sie alle über mich sprachen und so taten, als sei ich nicht anwesend. „Bitte… Ich werde niemandem etwas erzählen, wenn ihr mich gehen lasst!“ Meine Stimme war zwar nicht so gefasst und laut wie sonst, sie glich eher einem Wimmern, dennoch schienen sie mich zu verstehen. „Aber Süße, das geht leider nicht“, antwortete Bana mit einer zuckersüßen Stimme, „Es besteht für uns alle immer noch ein Restrisiko und das können wir nur beseitigen, wenn du tot bist.“ Er grinste mich so lieb an, dass seine Worte viel harmloser klangen, als sie eigentlich gemeint waren. Ich musste fest schlucken. „Na schön, sie bleibt vorerst hier“, seufzte Pey auf und verließ wieder den Raum. Rel folgte ihm, der Rest blieb sitzen und starrte mich nachdenklich an. „Ich wüsste nur zu gern, warum es bei dir nicht funktioniert“, grübelte Bana laut vor sich hin und lehnte sich auf seinem Platz zurück. „Wie habt ihr denn versucht sie zu töten? Vielleicht habt ihr euch auch nur zu blöd angestellt“, wandte sich Piwi an Pira. Mir wurde es immer unangenehmer und ich begann wieder, auf meiner Lippe herum zu kauen. Auf einmal hatte ich das dringende Verlange, eine Toilette aufzusuchen, doch ich wusste ja nicht wo sie war. Ich überlegte kurz, ob ich die Jungs wirklich fragen sollte, doch als der Druck immer größer wurde, hielt ich es nicht mehr aus. „Wo ist hier die Toilette?“, platzte es aus mir heraus. „Links rum raus und dann die letzte Tür auf der linken Seite“, erklärte Piwi normal, als würde er mit einem Freund reden. Ich sprang sofort auf und rannte wortwörtlich aus dem Raum. Kapitel 4: Verbündeter? ----------------------- „Wie lange es wohl dauern wird, bis wir einen Weg gefunden haben sie zu beseitigen…“, dachte Bana laut und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Anna hatte das Wohnzimmer derweil verlassen, um die Toilette aufzusuchen. „Hm, wie wärs, wenn wir sie lebendig begraben?“, schlug Baka kichernd vor. „Hm, eigentlich keine so schlechte Idee… Oder wir reseten ihre Erinnerungen…“, meinte Pira. „Sind wir Men in Black? Wir können das nicht du Spaßvogel!“, seufzte Baka auf. „Man, ist ja gut. Musst mich ja nicht gleich so anfahren“, schnaufte Pira und verschränkte die Arme vor der Brust. Rel und Pey waren wieder ins Wohnzimmer zurück gekehrt. „Eh, wo ist sie?“, fragte der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen sofort. „Bad“, kam es von Piwi. „Sie macht mich echt wahnsinnig!“, knirschte Pey vor sich hin und setzte sich zu seinen Freunden auf das Sofa. Rel blieb stehen. „Also gut, wir haben uns abgesprochen. Vorerst wird die Kleine hier bleiben, bis uns was eingefallen ist. Heute jedoch machen wir eine Ausnahme und einer von euch nimmt sie mir zu sich!“ Ein Grummeln war von allen zu hören. Einzig Piwi grinste. „Ich melde mich freiwillig“, grinste er. Pey verdrehte genervt die Augen. Dieser Junge war ihm definitiv zu gut drauf. „Wehe, du lässt sie laufen“, knurrte Rel bedrohlich. Er war nicht länger der nette Typ wie zuvor. Die Situation wurde selbst ihm zu viel. Er war derjenige, der einen kühlen Kopf bewahren musste. Schließlich war er für den Haufen Idioten hier verantwortlich. Als Anna wieder zurückkam, lagen alle Augen auf ihr. Ihr war es sehr unangenehm, dass konnte man direkt aus ihrem Blick herauslesen. „Also gut, pack deine Sachen, du gehst mit Piwi!“, wies Rel sie an. Sie blickte ihn zuerst verwirrt an, traute sich nicht irgendwas zu sagen. Der Rothaarige stand auf und kramte aus seiner Hosentasche einen Autoschlüssel. „Fein, dann bis morgen Abend“, verabschiedete er sich von seinen Freunden und packte die Braunhaarige unter dem Arm. Sie ließ sich einfach mit zerren, ganz ohne Proteste. Sie hatte nun auch eingesehen, dass Widerstand zwecklos war. Als Piwi mit dem Mädchen verschwunden war, rieb sich Rel angestrengt über den Nasenrücken. „Pey… wenn du das nächste Mal noch so eine anschleppst...“ „Hab schon verstanden. Ich pass auf…“, murrte er noch. Dann löste sich das verbliebene Grüppchen ebenfalls auf und jeder machte sich auf den Weg. Anna: Ich war dem Rothaarigen schweigend die Treppen hinunter gefolgt. Wahrscheinlich besaß er genauso schnelle Reflexe wie Pey, deswegen wollte ich erst gar nicht versuchen, abzuhauen. Meine Sachen hatte ich im Flur wiedergefunden und mitgenommen. Mein Handy war tatsächlich noch in meiner Tasche gewesen, der Akku war jedoch leer. Wir verließen soeben das Gebäude und steuerten einen schwarzen Seat Leon an. Piwi schloss ihn schon aus einiger Entfernung auf, blieb dann neben der Tür des Beifahrers stehen und hielt sie mir auf. „Steig ein“, bat er mich. Verwundert über seine freundliche Stimme stieg ich ein. Wie ein Roboter schnallte ich mich an und starrte auf die Straße. Die Gegend war mir unbekannt und ich war komplett orientierungslos. Es hätte sich nicht gelohnt, wegzulaufen, da sie mich eh sehr schnell finden würden. Sie kannten sich bestimmt sehr viel besser hier aus. Piwi hatte neben mir Platz genommen und nahm zuerst sein Handy raus. Anscheinend hatte er es nicht so eilig wegzufahren. Immer wieder schielte ich zu dem Türgriff. Ich hätte wahrscheinlich nicht genügend Zeit, mich schnell abzuschnallen und dann die Tür aufzureißen. Angestrengt biss ich mir auf die Unterlippe. Sobald ich aussteigen musste, würde ich wegrennen, so schnell ich nur konnte! Draußen hatte es schon angefangen zu dämmern und die Straßenlaternen leuchteten. Als ich neben mir eine Bewegung wahrnahm, zuckte ich zusammen. „Hey, hey. Brauchst doch nicht so schreckhaft zu sein“, grinste er mich an. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Warum war er der einzige, der so nett zu mir war? Er steckte den Autoschlüssel ins Zündschloss und tippte irgendwas an seinem Radio herum. Plötzlich begann ein Lied. Es war erst sehr leise, da Piwi den Rückwärtsgang eingelegt hatte. Als er dann in den ersten Gang schaltete, wurde das Lied lauter. Irgendwie kam es mir bekannt vor, ich hatte nur keine Ahnung, woher. Ein Blick auf das Display zeigte mir, dass es eine Techno Remix Version von Pirates of the Caribbean war. Der Bass dröhnte laut aus den Lautsprechern und ich spürte den Sitz vibrieren. „Ist die Lautstärke okay?“, rief Piwi, als es etwas leiser wurde. Ich nickte und bemerkte sein Grinsen. Ich konnte es mir nicht verkneifen und lächelte ebenfalls ein bisschen. Vielleicht war er ja ganz nett und versuchte nicht, mich gleich zu töten. Die Fahrt dauerte knapp zwanzig Minuten und ich hatte definitiv keine Ahnung, wo wir waren. Auch nicht, als wir durch die Innenstadt gefahren waren. Piwi hielt vor einem Hochhaus an und parkte auf einem Parkplatz mit einem Nummernschild. „So, da wären wir… Hör mal, ich weiß, dass es grad alles ein bisschen scheiße für dich ist und du gerne zurück möchtest, aber das klappt nicht. Ich bin nicht wie die anderen, dennoch kann ich dich nicht einfach so laufen lassen…“ Ich schwieg. „Versuch nur bitte nicht abzuhauen, sonst kann ich auch ganz anders!“ Ich schluckte. Ich sollte mein Glück nicht herausfordern und darauf hören, was er sagt. „O-okay“, antwortete ich dann und er stieg aus. Ich tat es ihm gleich und blieb neben dem Auto stehen. Ich würde das alles hier schon irgendwie überleben. Bei dem Wort überleben lachte ich innerlich frustriert auf. Anscheinend konnten sie mich nicht einfach so töten, aber foltern konnten sie mich. Die Gegend war ruhig und es war bereits stock dunkel, als Piwi die Haustür aufschloss. Bei einem kurzen Blick auf die Briefkästen erkannte ich, dass dieses Hochhaus tatsächlich bewohnt war, ganz im Gegensatz zu dem Geisterhaus in dem Pey wohnte. „Es wäre auch nett von dir, wenn du keinen Aufstand oder sowas machst. Ich versuche wenigstens, mich an euer Leben anzupassen..." Verwirrt blickte ich ihn an, als wir vor dem Fahrstuhl stehen blieben. „Euer Leben?!", hakte ich nach. Verdutzt starrte er mich an. „Eh, ich dachte du hättest Pey gesehen, also... in seiner wahren Gestalt..." Zögerlich nickte ich. Also hatte ich doch Recht gehabt, sie waren alle keine menschlichen Wesen. „Aber, was seid ihr dann?" Er senkte den Kopf. „Warte bis wir oben sind..." Warum ist er so nett? Er unterhält sich ganz normal mit mir... Versucht er nur irgendwie mein Vertrauen zu gewinnen, nur um mich dann leichter zu töten? Der Fahrstuhl kam an und die Türen sprangen mit einem „Kling" auf. „Du brauchst auch keine Angst vor mir zu haben. Ich bin harmlos", lächelte er schwach. Er sah beinahe so aus, als ob er es leid wäre, als ein Böser betrachtet zu werden. Er war einfach das komplette Gegenteil von den Jungs die ich in Pey's Wohnung erlebt hatte. Piwi schien auch kein Interesse an meinem Tod gehabt zu haben. Er hatte sich ganz aus dem Gespräch ausgeklinkt. Das stetige aufleuchten der Stockwerke zeigte mir, dass wir im siebten Stock an unserem Ziel ankamen. Schweigend folgte ich dem Rothaarigen. Er blieb vor der Wohnung mit der Nummer 7A5 stehen. Piwi schloss schnell auf und wir traten ein. „Hier hinten ist das Bad", informierte er mich, als er die Tür ins Schloss fallen ließ, dann schloss er ab und verstaute den Schlüssel in seiner Hosentasche. Ich nickte verstehend, dann folgte ich ihm in den Raum mit dem offenen Durchgang. Er deutete auf die Ledersofas die vor dem Küchenbereich standen. Zögerlich ging ich auf eines zu und setzte mich. Diese Wohnung bestand lediglich aus 2 Räumen und dem Flur. Schon komisch, aber es hatte auch etwas an sich. Der Raum war riesengroß und hier passte alles hinein. Die Sofa’s standen an einem großen Fenster, welches einen schönen Ausblick auf die Stadt ermöglichte. Gegenüber dieses Wohnzimmers ?! war der Küchenbereich. Er war nicht besonders groß, bestand nur aus einer kleinen Arbeitsplatte und einer Kochinsel mit einem kleinen Tresen vor dem drei Barhocker standen. Vor mir erblickte ich einen großen Esstisch mit einem Platz für sechs Personen. Dahinter stand sein Bett. Als ich mich umdrehte und zum Durchgang blickte, sah ich an der Wand, zwischen Durchgang und einer Glastür die auf einen Balkon führte, einen großen Kleiderschrank stehen. Die Ecke hinter dem Sofa auf dem ich saß, füllte eine Kommode, welche nur knapp so hoch war, wie das Sofa. Auch wenn alles in einem Raum war, so war es dennoch gemütlich und man hatte noch viel Platz zwischen den Bereichen. „Sag mal… Wie groß ist deine Wohnung?“, wollte ich von ihm wissen, als er sich mir gegenüber setzte. „Hm… ich glaub… 85 Quadratmeter… warum?“ Ich sah mich nochmal um. „Das sieht so riesig aus!“ Er lachte. „Das kann auch an den Decken liegen. Die sind knapp 3 Meter hoch.“ Ich staunte nicht schlecht. Das war mir zuerst gar nicht aufgefallen. Er jetzt bemerkte ich die ganzen Regale an den Wänden. Eigentlich war es nur knapp 3 Wände, da der Bereich von den Sofa’s, bis zu seinem Kleiderschrank nur aus Glas bestand. Es war wirklich schön hier… „Also, du wolltest mir die Sache erst erzählen, wenn wir in deiner Wohnung sind… Jetzt sitzen wir hier…“ Er zögerte einen Moment. „Ich weiß nicht, ob es wirklich so eine gute Idee wäre, dir davon zu erzählen. Ich hab keine Lust, das Rel mir noch den Kopf abreißt und glaub mir, das macht er wortwörtlich!“ Ich schluckte. „Rel scheint sehr… gewalttätig zu sein, oder?“ Piwi lachte bitter. „Nicht nur er. Die anderen sind genauso geworden…“ Ich horchte auf. „Geworden?“ Er nickte. „Du musst wissen, wir waren vorher auch Menschen… Naja, ist jetzt auch nicht so wichtig. Hast du Hunger? Bist du müde? Wenn etwas ist, musst du es nur sagen!“ Dankbar lächelte ich. Er schien wirklich Angst davor zu haben, mir etwas von sich und den anderen zu erzählen. Okay, Piwi scheint sich wirklich von den anderen zu unterscheiden. Vielleicht kann ich ihm wirklich vertrauen… „Piwi?“ Er blickte auf. „Hast du Angst vor Rel und den anderen?“ Er starrte mich an. „Das würde ich jetzt nicht so sagen. Wohl eher einen gewissen Respekt nachdem was sie alles schon gemacht haben. Ich… hör auf mich auszuhorchen!“ Er hatte mich durchschaut. „Tut mir leid. Ich dachte nur…“ Ja, was dachte ich eigentlich? Dass er mich in Schutz nehmen würde wenn wir wieder in Pey’s Wohnung waren und sie wieder diskutieren konnten, wie sie mich am besten los wurden? Der Rothaarige stand auf und ging zu seinem Schrank hinüber. „Ich schätze es ist unbequem, ständig in den Sachen da rumzulaufen. Wenn du willst, kannst du duschen gehen und das hier anziehen“, grummelte er und hielt mir eine Jogginghose und ein T-Shirt von sich hin. Die Sachen würden mir 100%ig zu groß sein, aber er hatte Recht. Ich wollte meine Klamotten wirklich gerne wechseln, zumal ich ja immer noch mein Kleid an hatte. „Dankeschön.“ Ich stand auf, nahm ihm die Sachen ab und ging ins Bad. Ich hätte auch gar keine Gelegenheit gehabt von hier abzuhauen, da Piwi den Wohnungsschlüssel hatte. Unter der Dusche hatte ich endlich mal einen Moment für mich alleine. Ich musste mir irgendetwas überlegen, wie ich Kontakt zu Rachel aufnehmen konnte. Mein Handyakku war leer, vielleicht hatte Piwi ja ein Aufladekabel, doch ich bezweifelte stark, dass er es mir freiwillig geben würde. Das warme Wasser floss in gleichmäßigen Strömen an meinem Körper hinab. Irgendwie ein richtig angenehmes Gefühl. Die Verbände hatte ich, bevor ich unter die Dusche gestiegen war, abgestreift und meine Wunden betrachtet. Sie waren zum größten Teil wieder verheilt und ich konnte noch kleine Punkte sehen, an denen Pey seine Reißzähne in mein Fleisch gerammt hatte. Mir war immer noch sehr suspekt, warum er mir nicht einfach das Genick gebrochen hatte. Das wäre doch einfacher gewesen. Er war einfach ein Sadist, das war alles. Kurz überlegte ich. Rel hat versucht mich zu erwürgen, doch bei ihm ist der Versuch auch gescheitert. Kann es sein, dass ich wirklich unsterblich bin, so wie Piwi es in der Wohnung gesagt hatte? Ach quatsch… so ein Blödsinn. Unsterblich, dass ich nicht lache. Andererseits… Solche Wesen wie sie habe ich auch noch nie gesehen… Kann es also wirklich sein, dass ich… Ich schüttelte heftig meinen Kopf. So ein Unsinn! Unsterbliche gab es nicht! Der erste Begriff, der mir zur Unsterblichkeit einfiel war ein Vampir und bei aller Liebe, das war ich sicherlich nicht! Und wenn… Das hätte ich doch sicherlich gewusst. Ein gequältes Lächeln huschte über meine Lippen. In was für eine Scheiße war ich hier eigentlich geraten? Kapitel 5: Wer verarscht hier eigentlich wen? --------------------------------------------- Am nächsten Morgen wachte ich mit leichten Rückenschmerzen auf. Piwi hatte mir tausendmal angeboten, dass er auf dem Sofa schlafen könne und ich dafür in seinem Bett, doch ich war stur geblieben und hatte verlangt, selbst auf dem Sofa zu schlafen. Als ich mich umsah, lag der Rothaarige immer noch in seinem Bett. Sein Shirt war ein Stück hochgerutscht, die Decke hatte er aus dem Bett getreten und das Kissen lag auch auf dem Boden. Hätte ich ihn so als erstes gesehen und die anderen nie kennengelernt, dann hätte ich ihn für einen ganz normalen Jungen halten können. Plötzlich bewegte er sich und ich zuckte erschrocken zusammen. Piwi hatte sich auf den Bauch gedreht. Erleichtert stieß ich die Luft aus. Leise und auf Zehenspitzen stand ich auf und ging ins Bad. Dort betrachtete ich mich im Spiegel und schob mir das viel zu große T-Shirt von meinem Gastgeber über die Schultern und betrachtete meine Wunden. Sie waren nun gänzlich verschwunden. Eigenartig… das es so schnell heilt… wirklich komisch. Als ich im Bad fertig war, tappste ich leise wieder zum Sofa zurück und Piwi pennte immer noch. Wer weiß, vielleicht waren sie ja alle eher nachtaktiv und ich konnte doch abhauen. Bei Pey war das was anderes gewesen. Bei ihm fiel es gar nicht erst auf, ob es Tag oder Nacht war, so dunkel wie es dort größtenteils war. Der Rothaarige wälzte sich unruhig hin und her. Was er wohl träumt? Komischerweise hatte ich diesmal keinen Alptraum… ob das mit meinen beinah Toderfahrungen etwas zu tun hatte?! Ich konnte nicht anders und beobachtete ihn. Es war schon ein seltsames Phänomen, seinen eigentlichen Feind beim Schlafen zu beobachten… Auch wenn ich Piwi nicht als meinen Feind kategorisieren konnte. Er sah einfach, auch wenn er sich so hin und her wälzte, irgendwie friedlich aus. Als es mir langsam zu langweilig wurde, stand ich wieder auf und schlich mich zu seinem Kühlschrank. Als ich ihn öffnete, fiel ich beinahe aus allen Wolken. Der Kühlschrank war bis oben hin mit Essen gefüllt! Zuerst zögerte ich, aber dann nahm ich mir doch etwas raus. Mein Magen knurrte schon und ich wollte nicht, dass Piwi wegen so etwas aufwachte. Immer wieder sah ich zu dem Bett, doch Piwi schien nichts mitzubekommen. Ich setzte mich mit dem Brot auf das Sofa, welches in Blickrichtung von seinem Bett stand. So konnte ich essen und ihn beobachten. Mit einem kurzen Blick auf eine Uhr, welche ich neben seinem Bett sah, fand ich heraus, dass es schon kurz vor elf war. Hoffentlich ist er nicht nachtaktiv… Sonst kann ich mich die ganze Zeit selbst beschäftigen… Ich könnte ihn aber auch aufwecken… ODER ich suche den Schlüssel und haue von hier ab! Der letzte Gedanke gefiel mir am besten. Besser ich riskierte mein Leben, indem ich hier irgendwie raus kam oder ich würde wieder zu Pey zurück müssen. Und bei aller Liebe… Das wollte ich sicherlich nicht. Nachdem ich fertig gegessen hatte, stellte ich den Teller, welchen ich mir aus irgendeinem Schrank zuvor geholt hatte, leise in die Spüle. Vorsichtig näherte ich mich dem Bett. Davor lagen Piwi’s Klamotten wild auf dem Boden verstreut. Und ich wusste ganz genau, dass er den Schlüssel in seine Jeans gesteckt hatte. Ich begann die Hosentaschen zu durchsuchen, doch sie waren leer. Deprimiert setzte ich mich auf den Boden und überlegte. Wo konnte er den verdammten Schlüssel nur hingetan haben? Ich blickte mich um und erhaschte einen kurzen Blick auf seinen, jetzt, nackten Oberkörper. Sein Shirt war ihm bis zum Hals hinauf gerutscht. Ich musste schwer schlucken. Nicht nur, dass er verdammt gut durchtrainiert war, nein… Er trug den gesuchten Schlüssel um eine dünne, silberne Halskette. Also konnte ich mir meinen Fluchtplan gleich abschminken. Mit meinen zerstörten Hoffnungen auf baldige Freiheit, stand ich auf und wäre beinahe über das Kabel, was unter seinem Bett hinaus guckte, gefallen. Perplex starrte ich den Anschluss an. Aber… das ist doch genau das Kabel, was ich zum Aufladen brauche! Schnell eilte ich zu meiner Tasche und zog mein leeres Handy heraus. Dann schloss ich es mit zitternden Händen am Kabel an und siehe da, es passte. Wie hypnotisiert starrte ich auf meinen Display, bis der Startbildschirm aufleuchtete. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen. Jetzt musste ich nur noch Internet haben und ich konnte Rachel schreiben! Ich tippte eilig den Code ein und wartete einen Augenblick. Dann ploppten tausende von Nachrichten auf. 10 verpasste Anrufe 56 Nachrichten in Abwesenheit Die meisten Anrufe waren von Rachel, doch ich konnte keinen davon Abhören. Meine Angst war viel zu groß, dass Piwi die Geräusche hörte. Die Nachrichten überflog ich nur kurz. Auch hier waren die meisten von Rachel, aber auch von ein paar anderen Leuten, die ich aus der Schule kannte. Sie machten sich alle sehr große Sorgen und wollten wissen wo ich war. Schließlich war ich schon seit fünf Tagen spurlos verschwunden. Meine Lippen bebten. Rachel’s aktuellste Nachricht war vom gestrigen Tag. Rachel: Maus… wo bist du nur? Ich vermisse dich und mache mir so große Schuldgefühle. Wären wir doch nur am Freitag im Internat geblieben, dann wärst du jetzt nicht verschwunden. Es tut mir leid, aber ich gehe nicht davon aus, dass du abgehauen bist, dafür kenne ich dich zu gut. Süße, du hast bestimmt Angst, da wo du jetzt bist und ich schwöre dir, ich werde dich finden und da raus holen! Solltest du diese Nachricht irgendwann lesen, dann um gotteswillen SCHREIB MIR SOFORT! Ich hab Angst dich nie wieder zu sehen… Die Polizei sucht schon nach dir, also keine Sorge, wir sehen uns bald wieder. :) Ich hab dich ganz doll lieb und bitte gib die Hoffnung nicht auf. Ich war zu Tränen gerührt. Schnell tippte ich ihr kurz eine Nachricht. Ich hatte ja weder eine Ahnung, wo ich war, noch wie ich hier weg kam. Aber die Polizei könnte mein Handy orten und dann würden sie mich finden… Anna: Rachi. Ich hab keine Ahnung wo ich bin! Momentan bin ich in einem Hochhaus und die Aussicht ist riesig. Ich kann von hier aus die Stadt sehen, also kann ich nicht so weit weg sein. Der Typ, gegen den du mich geschubst hattest, er hat mich verschleppt und ich weiß noch nicht einmal was für ein Typ er ist. Ich glaube sie sind das, was die Schwestern als Teufelsbrut bezeichnen… Sie sind nicht menschlich… Bitte du musst mir helfen, hier raus zu kommen! Es gibt 6 von ihnen. Einer scheint der Anführer zu sein. Er ist brutal und grausam. Rachi sie haben versucht mich zu töten! Aber sie hatten keine Chance… Ich glaube deinen Worten und vertraue dir. Bis bald… Gerade als ich die Nachricht abschicken wollte, wurde mir das Handy aus der Hand gerissen. Rotglühende Augen funkelten mich an. „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst keinen Ärger provozieren?“, zischte der Rothaarige mich an. Meine Augen hatten sich vor Schreck geweitet. Piwi sah aus wie Pey! Seine Augen, welche in seinem normalen Zustand so freundlich und verständnisvoll wirkten, waren wutverzerrt und es schien, als bestünde das Rot seiner Iriden aus Blut. Seine Augäpfel hatten sich wie zuvor bei Rel und Pey schwarz verfärbt. Er knurrte mich an und bleckte seine Reiszähne. „Ich hatte dich gewarnt!“, knurrte er bedrohlich und stand auf. Seine Hände ballte er zu Fäusten und zertrümmerte damit auch mein Handy. Jetzt waren wirklich alle meine Hoffnungen auf meine Freiheit verblasst. Ich kniff meine Augen fest zusammen und machte mich ganz klein. Wie konnte ich nur so dumm sein… Er wird mich töten! Doch anstatt sich auf mich zu stürzen, stand er auf und ging an mir vorbei. Ich hörte, wie er im Bad verschwand und den Wasserhahn aufdrehte. Langsam öffnete ich die Augen. Was um Himmelswillen war das denn gewesen? Piwi war sauer, das hatte man sofort gemerkt, doch anstatt sich auf mich zu schmeißen und mich zu zerfetzen, ging er an mir vorbei und verschonte mich? Vor seinem Bett kauerte ich mich zusammen und vergrub mein Gesicht zwischen meinen Beinen und begann zu weinen. Ich konnte einfach nicht mehr! Ein paar Minuten später kehrte der Rothaarige in das Zimmer zurück. Er sah wieder ganz normal aus. Langsam hob ich den Kopf und blickte in seine Richtung. Er jedoch ignorierte mich völlig, ging zum Kühlschrank und nahm sich einen Saft heraus, der sehr an Blutorangen erinnerte. Bei dem Wort Blut fuhr mir ein Schauer kalt den Rücken hinunter. „Es… es tut mir leid“, stammelte ich beinahe tonlos. Piwi schwieg und goss sich seinen Saft in einen großen, durchsichtigen Becher und schraubte einen Deckel darauf. Zum Schluss steckte er einen Strohhalm hinein und nahm ihn in die Hand. Dann drehte er sich endlich zu mir und musterte mich. „Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass du etwas schlauer bist…“ Ich schluckte. Was hatte er wohl mit mir vor? „Sei froh dass du so gesehen noch mit einem blauen Auge davon kommst. Aber du kannst dir auch sicher sein, dass ich dich nicht in Schutz nehmen werde, wenn sie einen Weg finden, dich kalt zu machen.“ Seine Stimme hatte den Klang der Dunkelheit angenommen. Da war kein Funken Freundlichkeit wieder zu finden. Bedrückt nickte ich. Den Schlamassel hatte ich mir ja nun wirklich selbst eingebrockt. Piwi kam zu mir herüber, hockte sich vor mich und schlürfte sein Getränk. Was es auch immer war, es sah aus der Nähe betrachtet echt komisch aus. „Willst du mal kosten?“, fragte er, mit einer zuckersüßen Stimme. Ich wusste nicht so Recht, ob ich Ja oder Nein sagen sollte. Nach kurzem hin und her nickte ich vorsichtig und er hielt mir den Strohhalm hin. Schon als die ersten Tropfen in meine Mundhöhle fielen, hätte ich es am liebsten sofort wieder ausgespuckt. Diesen leicht metallischen Geschmack, auch wenn er einen Hauch von Süße enthielt, würde ich unter tausenden wiedererkennen. Blutorgangensaft war das keineswegs. Piwi kicherte leicht. „Nicht gerade das, was du erwartet hast, stimmt‘s?“ Ich schüttelte heftig den Kopf und hielt mir eine Hand vor den Mund. „Schön runterschlucken!“, sagte er mit einem beharrlichen Ton in der Stimme, der keine Wiederrede duldete. Er starrte mich so lange an, bis ich es wirklich runtergeschluckt hatte, dann nickte er zufrieden. „Geht doch.“ Jetzt war mir schlecht. Dieser verrückte Kerl hatte mir gerade wirklich Blut angeboten. Dieser Bastard! Ich hätte es mir denken können. Aber was genau war er? Ein Vampir? Nein, er sah keineswegs so aus, wie ich es aus Büchern oder aus Filmen kannte. „Der Tagesplan sieht wie folgt aus:“, begann der Rothaarige, stand auf und stellte sich vor eines der großen Fenster, „Entweder wir bleiben hier, ich kann weiter schlafen und du kannst meinetwegen Fernsehen oder wir fahren jetzt schon zu Pey. Ich liefere dich da ab, kann nach Hause und in Ruhe weiterschlafen.“ Stellte er mir gerade wirklich zur Auswahl, ob ich lieber jetzt, als später zu Pey zurück wollte? War er denn nur bescheuert? Er konnte sich doch denken, dass ich nie im Leben freiwillig zurück in dieses Geisterhaus wollte. „Ich werde keine Schwierigkeiten mehr bereiten, wenn wir hierbleiben können…“, sagte ich kleinlaut. „Andernfalls tust du was?“, fragte er mit einem belustigten Unterton. Ich schwieg. Nichts… was soll ich denn auch großartiges machen? So ein Spaßvogel. Innerlich verdrehte ich die Augen. Piwi entschied sich dann doch zu meinen Gunsten und wir blieben in seiner Wohnung. Der Rothaarige verzog sich auf eines der Sofa’s und ich konnte es mir auf seinem Bett gemütlich machen. Dann schaltete ich den Fernseher ein und zappte durch die Programme. Im Internat gab es nicht sehr oft die Möglichkeit, dass wir fernsehen durften. Wenn, dann nur Dokumentationen oder diesen scheiß BibelTV. Die restlichen Programme hielten die Schwestern für das Werk des Teufels und waren uns demnach verboten. Rachel und ich hatten uns aber an manchen Tagen, wenn wir mal außerhalb des Geländes herum streiften, bei einem ihrer Kumpels eingenistet und konnten dort fernsehen. „Komm ja nicht auf die Idee nach meinem Handy zu suchen oder wieder irgendwas um hier raus zu kommen. Sonst schlitz ich dich auf, verstanden?“ Seinen letzten Satz sagte er mit so einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, dass man die Drohung fast überhört hätte. Ich nickte artig und blickte wie gebannt auf die Flimmerkiste. Nein, ich würde wahrlich nicht noch eine solche Dummheit an diesen Tag begehen. Und ab heute Abend konnte ich meinem geliebten Leben eh Adieu sagen, also konnte ich es jetzt noch ein wenig genießen. Gegen halb sieben am Abend stand Piwi auf und machte sich im Bad fertig. Am Morgen war er nur dorthin gegangen, um sich abzureagieren. Der Rothaarige ging Duschen und ließ sich reichlich viel Zeit. Vorher jedoch hatte er mir ein paar Sachen von sich gegeben, die ihm zu klein waren. Klar, sie schlabberten sehr an meinem Körper herunter, aber so würde mich eh keiner mehr sehen, außer den seltsamen Kreaturen, die mich als ihre Gefangene hielten. Gegen acht Uhr fuhren wir los… Zurück in mein Verderben. Von Minute zu Minute wurde ich nervöser und als wir dann endlich vor der Haustür von Pey’s Geisterhaus standen, bibberte ich am ganzen Körper. Ich wäre auch gar nicht im Stande gewesen, aus dem Wagen auszusteigen, hätte Piwi mich nicht herausgeholt… Und das nicht mehr auf die sanfte Weise. Ich hätte ja einen Verbündeten haben können, doch ich hatte es mir mit ihm reichlich verscherzt. Gerade als wir zur Tür hinein wollten, rief eine Stimme Piwi’s Namen. „Hey, Piwi. Na, wie war die Nacht mit dem Frischfleisch? Hast du’s schön ausgenutzt?“, lachte ein Schwarzhaariger mit roten Strähnen. Wenn ich mich Recht erinnerte, war sein Name Bana gewesen. „Glaubst du wirklich, ich würde mich an etwas abgelegten von Pey bedienen? Wohl kaum“, antwortete er monoton. „Na, nicht gut geschlafen? Was hast du denn mit unserer Frohnatur hier gemacht?“, fragte ein anderer Typ kichernd, der plötzlich direkt hinter mir aufgetaucht war. Es war der Braunhaarige. Sein Name war Baka. An diesen Namen konnte ich mich noch sehr gut erinnern. Er war derjenige gewesen, der mich lebendig begraben wollte… Gott, ich weiß, ich war nie wirklich eine gute Gläubigerin, aber wenn du mir hilfst, dass alles zu überstehen, dann hast du was gut bei mir. „Scheiße man, was ist das?“, keuchte Baka auf und hielt sich schmerzend den Kopf. „Hört ihr das auch?“, fragte er seine beiden Freunde. Auch Piwi und Bana schienen etwas bemerkt zu haben, denn sie verzogen ebenfalls ihr Gesicht. „Argh… Diese Töne… Mach das es aufhört!“, schrie Baka auf und sackte zu Boden. Was ist hier los? Was haben sie auf einmal?? Mit weit aufgerissenen Augen taumelte ich einen Schritt zurück. „Sie darf nicht abhauen!“, knirschte Bana mit zusammengebissenen Zähnen und machte einen Schritt auf mich zu. Ihm schien es deutlich besser zu gehen als dem Braunhaarigen. Dieser krümmte sich nun auf dem Boden und hatte seine Finger in seine Haare gekrallt. „Was machst du mit mir? Hör auf mit der Scheiße!“, schrie er gequält in meine Richtung. „Ich mache gar nichts!“, piepste ich zurück. Was ging hier nur vor sich. „Piwi, mach das es aufhört! TÖTE SIE, VERDAMMTE SCHEIßE!“, schrie Baka nun in die Richtung des Rothaarigen. „Man kann sie nicht töten, Vollidiot!“, zischte Piwi, kam dennoch auf mich zu. Was er wohl vorhatte. „Bei Rel hat es funktioniert, also sollte es klappen…“ Er umfasste meinen Hals und drückte zu. Also versuchte er mich zu erwürgen. Dass hatte ich ja schon mal hinter mir gehabt… Vor meinen Augen tauchten wieder diese schwarzen Punkte auf und ich sackte in mich zusammen. Genau wie Rel ließ Piwi mich im letzten Moment schlagartig los. Ein sanftes Rauschen um mich herum erweckte mich. Ich lag an einem langen Sandstrand. Vor mir rauschte das Meer in sanften Wellen. Immer und immer wieder schlugen sie sanft gegen meine nackten Füße. Moment, nackt? Ich sah an mir herunter und bemerkte, dass ich nur ein weißes Gewand an hatte. Fast schon wie die Nachthemden im Internat. Ich rappelte mich langsam auf und sah mich um. Der Strand war menschenleer. In einiger Entfernung konnte ich eine kleine Muschel entdecken, die wahrscheinlich angespült wurde. Langsam stand ich auf und tappste auf meinen Fund zu. Es war so eine Muschel, in der man das Meeresrauchen hören konnte. Ich hielt sie mir ans Ohr, doch ich hörte kein sanftes, beruhigendes Rausche, sondern einen Schrei! Er klang so qualvoll und so schmerzhaft, dass ich die Muschel weit von mir weg schmiss. Warum mussten diese beschissenen Träume immer so gut anfangen und sich dann zu einem Alptraum entwickeln? Ich atmete tief durch. Was kam wohl als nächstes? Plötzlich erschien vor mir ein Regenbogen. Er sah wunderschön aus. Und wie ich ihn so betrachtete, bemerkte ich gar nicht, wie sich ein bunter Strahl näherte. Er endete genau vor meinen Füßen und erst da sah ich, dass der Regenbogen eine Treppe war. Mein Blick richtete sich in den Himmel, wo der leuchtend, bunte Strahl verschwand. Wer weiß, vielleicht würde endlich alles vorbei sein, wenn ich diese Treppe empor stieg?! Also zögerte ich nicht lange und setzte einen Fuß auf eine Stufe. Immer und immer weiter stieg ich empor und es passierten keine seltsamen Zwischenfälle. Ich hatte mein Ziel fast erreicht und das strahlende Licht der Himmelstore blendete mich. Ich machte den letzten Schritt und dann… tappte ich in Leere. Den Blick unter mir bestätigte, dass der Regenbogen sich um mich in Luft aufgelöst hatte. Ich hatte einfach nicht bemerkt, dass er von Zeit zu Zeit verblasste und somit seine Wirkung verlor. Ich hingegen, die ihrem Ziel so nah gewesen war, fiel hinab. Wie einer von tausend Regentropfen viel ich aus den Wolken, hinein in das tosende, graue Wasser des unendlich tiefen Meeres aus vergossenen Tränen der Schmerzen. In meinem Kopf hallte der Schrei wieder und dann war wieder alles schwarz um mich und ich spürte nichts, außer Dunkelheit. Ich keuchte, hustete und prustete. Was war nur verdammt noch einmal falsch mit mir? „Scheiße, sie kommt zu sich…“, sagte eine panische Stimme. Ich drehte mich auf dem alt, bekannten Sofa um und blickte in Baka’s vor Schreck geweitete Augen. Einen Moment starrten wir uns nur an, dann senkte er den Blick. „Ein Glück, es hat aufgehört.“ Erleichtert blies er die Luft aus. „So, da du nun auch endlich mal wieder unter den Lebenden bist, könne wir ja anfangen“, sagte Rel, der auf einen Stuhl vor dem Fernseher saß. Die anderen fünf saßen auf dem Sofa. Piwi wich meinen Blicken aus. Erst gestern hatte er mir noch versichert, dass er anders als seine Freunde war und jetzt hatte er selbst versucht mich zu töten. „Wie lange war ich diesmal weg?“, fragte ich leise. „Knappe fünf Stunden“, beantwortete Rel gleichgültig. „Wie lautet dein Name?“, fragte er. Ich verstand nicht Recht. Was sollte das nun werden? „A-Anna“, stammelte ich. „Und weiter?“, fragte er barsch. Was wollte er jetzt mit meinem Namen? „Russo“, sagte ich. „Muss man dir alles aus der Nase ziehen? Wie lautet dein kompletter Name?!“ Rel wirkte sichtlich genervt. Woher weiß er, dass ich einen Doppelnamen habe? „Anna-Maria Russo. Aber warum willst du das wissen?“ Meine Stimme hatte sich ein wenig gefestigt. „Ich stelle die Fragen. Du beantwortest sie nur. Wie alt bist du?“ Ich schluckte. Pey hatte ich gesagt, dass ich schon volljährig war. Aber ich bezweifelte, dass Rel mir meine Flunkerei abkaufen würde. „16“, sagte ich knapp. Pey schienen fast die Augen aus dem Kopf zu fallen. Ich wich seinem Blick sofort aus. „Pey… So viel dazu“, knurrte der Blondhaarige und schüttelte den Kopf. „Zu mir sagte sie, sie sei 19!“ „Du glaubst ja auch jeden Scheiß, den man dir erzählt“, murmelte Pira ein paar Plätze neben ihm. „Schnauz, Flachwichser!“ Rel sah die beiden mit einem mordlustigen Funkeln in den Augen an. „Gut jetzt?“ Beide nickten. „Oke Anna. Und wo kommst du her?“ Seine Stimme wirkte so ungewohnt freundlich. „Aus der katholischen Privatschule, aus der Stadt.“ Es würde mir eh nichts bringen, jetzt noch irgendwelche Märchen zu erfinden. „Scheiße, eine Nonne“, sagte Bana und sprang auf. „Setzt dich!“, zischte der Blondhaarige und Bana setzte sich sofort. Rel selbst rutschte ein Stück mit seinem Stuhl von mir weg. „Das erklärt auch so langsam, warum du nicht stirbst…“, murmelte er vor sich hin. Ich verstand nur Bahnhof. „Okay. Wir haben keine andere Wahl. Entweder wie lassen sie laufen, oder halten sie auf ewig hier fest.“ Alle sahen ihn, inklusive mir, gebannt an. Hatte er gerade wirklich vorgeschlagen, mich frei zu lassen? „Aber, Rel?! Bist du irgendwie durchgeknallt? Du kannst sie doch nicht einfach laufen lassen!“, sagte Pira entrüstet. „Hast du schon vergessen, wozu diese scheiß Gottesanbeter im Stande sind?“, fuhr Rel den Braunhaarigen mit den blonden und violetten Strähnen an. Pira schluckte und sah zu Boden. Die Jungs verbargen ein großes Geheimnis und irgendwie war ich doch sehr davon angetan, herauszufinden, was es war. Aber, sollte ich meine Freiheit dafür aufs Spiel setzten, nur um meine Neugierde zu stillen? Kapitel 6: Ewiges hin und her ----------------------------- Ungeduldig biss ich auf meiner Unterlippe herum. Die Jungs starrten alle vor sich. Keiner wusste was er sagen sollte. Da hatte Rel doch tatsächlich vorgeschlagen, mich gehen zu lassen. Eigentlich sollte ich mich darüber freuen, aber den Gesichtern um mich herum zu urteilen, würde mich hier keiner raus lassen. Rel hatte sich, die Arme vor der Brust verschränkt, in den Türrahmen gestellt und die Augen geschlossen. Er schien nachzudenken. Seiner Äußerung von eben zu urteilen, hatten die Jungs doch schon mal einen ähnlichen Fall wie mich gehabt. Anders konnte ich es mir einfach nicht erklären. „Wir können sie nicht gehen lassen… Außerdem hat sie doch keine Ahnung, wie sie diesen Scheiß kontrollieren kann“, ergriff Pey das Wort. „Ja, sag es doch noch lauter… Am besten erklärst du es ihr noch!“ Pira funkelte ihn an. „Jetzt beruhig dich doch, Pira. Sie hat doch eh keine Ahnung, wovon wir hier reden“, versuchte Piwi den Braunhaarigen mir den blonden und violetten Strähnen zu beruhigen. Leider musste ich ihm recht geben… Ich hatte keinen blassen Schimmer. „Verteidigen kann sie sich auch nicht so gut, also können wir sie hier festhalten“, meinte Pey dann noch. Ich musste mir ein verbittertes Schnauben unterdrücken. Warum redeten sie so, als sei ich nicht anwesend? „Andererseits ist sie dazu im Stande, einem fast das Hirn wegzubrutzeln! Wenn sie die Kräfte nicht kontrollieren kann, stellt es für uns eine große Gefahr da. Das nächste Mal könnte sie vielleicht-“ „Sei still!“, fuhr Rel Baka an. Dieser schloss sofort den Mund und sah zu Boden. „Ich weiß es doch selbst, dass es für uns eine Gefahr gibt! Aber wenn ihr sie nicht gehen lassen wollt, dann seht zu, dass ihr euch darum kümmert, dass sie keine Bedrohung darstellt. Ganz einfach!“ Der Blondhaarige schien ziemlich sauer zu sein, deswegen wiedersprach ihm keiner. „Wenn wir sie gehen lassen, was denkst du wird dann passieren? Die Polizei wird Nachforschungen anstellen und wer weiß… vielleicht werden sie uns finden?! Hast du schon mal daran gedacht?“, fuhr Pey nun seinen Freund an. Rel rümpfte die Nase. Es war schon erstaunlich, den beiden zuzusehen. Rel war der Anführer dieser Truppe und Pey stand unter ihm, das war auch klar. Aber wie er ihn manchmal anschnauzte… Vielleicht hatte der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen doch einen anderen Stellenwert, als ich dachte. „Dann töten wir sie. Wo ist da das Problem?“, mischte sich nun Pira ein. „Man Pira, stellst du dich immer so dumm oder bist du es einfach??“ Bana schüttelte den Kopf. Selbst ich verstand, warum sie das nicht machen konnten. „Aber-„ „Nein!“ Nun war es Piwi, der seine Stimme erhob. Er stand auf und stand genau in dem Winkel, in dem er alle im Blick hatte. „Wir haben jetzt seit verdammten 6 Jahren endlich einen Platz gefunden, an dem wir halbwegs neu anfangen konnten! Ich sehe es nicht ein, wegen euch schon wieder davon zu laufen!“ Die Jungs schwiegen. Nun wandte sich der Rothaarige an Rel. „Du hast versprochen, dass es nicht wieder so ablaufen wird, wie in der letzten Stadt! Du hast versprochen, dass wir in Ruhe hier leben können, ohne dass uns jemand auf die Schliche kommt!“ Rel starrte ihn durchdringend an. Doch anstatt auf irgendeine Antwort zu warten, ging Piwi schnurstracks an ihm vorbei und verschwand aus der Wohnungstür. Zurück ließ er einen Haufen Jungs, die sich alles, Wort für Wort, noch einmal durch den Kopf gehen ließen. Bana war der erste, der sich nach gefühlten Stunden regte, seine Jacke in die Hand nahm und sich räusperte. „Piwi hat Recht. Ich greife nur zu gern Baka’s Plan von neulich auf. Wir sollten sie lebendig begraben, dann hat sich die Sache und wir müssen uns keine Gedanken mehr machen, ob sie was ausplaudert oder nicht. Es ist die sicherste Methode und sie wird am Ende, ohne unsere Beihilfe sterben. Es wird nur nicht so schnell gehen, das ist der einzige Nachteil an allem.“ Meine Augen weiteten sich vor Schreck. Was? Aber eben wollten sie mich doch noch gehen lassen! Nein… oh bitte nicht!!! „Ja, ich bin dafür!“, befürwortete Baka seinen Plan als erster. „Hm, dann müssten wir uns wirklich keine Sorgen mehr machen. Ich bin auch dafür“, meinte Pira. Erwartungsvolle Blicke lagen auf Pey und Rel. Rel verdrehte die Augen. „Na gut, aber dann macht ihr das. Ich hab noch was vor“, bewilligte er den Plan ebenso. In meinem Inneren drehte sich alles. Nein… NEIN! Ich will noch nicht sterben! „Pey sollte das machen. Er hat sie ja auch erst hier her gebracht!“, forderte Pira. Die anderen beiden neben ihm nickten ebenfalls. „Machst dus?“, wandte sich Rel an den Bestimmten. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Is mir schnuppe“, meinte er nur, stand auf und verließ das Wohnzimmer. „Gut dann wäre das ja erledigt. Ich muss noch wohin“, verabschiedete sich Bana und eilte schon aus der Tür hinaus. Pira und Baka blieben noch einen Moment, dann verschwanden sie auch. Ich war wie versteinert und konnte mich nicht bewegen. Selbst blinzeln konnte ich nicht mehr. Rel kam langsam auf mich zu und hockte sich vor mich. Ich traute mich gar nicht, ihn anzusehen und starrte weiter auf einen unsichtbaren Punkt an der Wand. „Eigentlich schade“, murmelte er und strich mir eine verirrte Strähne hinter das Ohr. Seine Berührung ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Ich fing an zu zittern und merkte, wie meine Wangen feucht wurden. „Ich würde dir ja gerne ein paar aufmunternde Worte sagen, aber das wäre sicherlich nicht angebracht…“, hauchte er in mein Ohr und stand wieder auf. „Pey, ich verschwinde. Mach es am besten noch heute Abend. Dann hast du es hinter dir.“ Es war keine Antwort mehr zu hören, nur die sich öffnende und schließende Wohnungstür. Dann war alles still. Ich starrte immer noch weiter auf die Wand. Es war so unwirklich. Ich wusste, dass ich sterben würde und dass auch noch an diesem Abend. Es gab keinen Ausweg und ich wurde nicht hysterisch oder dergleichen. Es schien, als wäre mir das gesagte egal. Als hätte ich mich damit abgefunden. Aber das hatte ich nicht. Ganz und gar nicht! Ich wollte nicht sterben. Ich durfte noch nicht sterben! Jetzt noch nicht… Plötzlich horchte ich auf. Es war ein leises Klavierspiel zu hören. Ich drehte mich zum Fenster, doch dieses war zu. Wie von der Musik magisch angezogen, tappte ich in den Flur und lauschte. Die Melodie kam aus dem Schlafzimmer. Ich überlegte nicht, sondern machte die Tür einfach auf. Der Ton wurde lauter, aber ich konnte immer noch nichts sehen. Erst jetzt viel mir die kleine Tür auf, welche dieselbe Farbe wie die Wandfarbe hatte. Sie war einen Spaltbreit geöffnet. Ich spähte durch den Schlitz, konnte jedoch nur einen großen Raum erblicken. Ich machte die Tür noch ein Stück weiter auf und entdeckte einen großen, schwarzen Flügel vor einem, bis zu dem Boden reichendem Fenster stehen sehen. An diesem saß Pey und spielte gedankenverloren vor sich hin. Er sah aus dem Fenster, welches einen tollen Ausblick auf eine Brücke mit einem Fluss bot. Zu Beginn war die Melodie noch langsam, doch dann wurde er lauter und vor allem schneller. Seine Finger schienen regelrecht über die Tasten zu fliegen. Ich ließ mich an der Wand nieder, schloss die Augen und lauschte seinem Spiel. So hatte ich wenigstens noch eine schöne Erinnerung, bevor ich die Welt verlassen musste. Und das nur, weil ich so blöd gewesen war, mit einem Fremden nach Hause zu gehen. Die Leute hatten damals immer Recht gehabt. Man sollte keinem Fremden vertrauen, auch wenn er noch so nett zu einem war. Eine kleine Träne kullerte meine Wangen herunter, als er auf einmal zu singen anfing. My secrets are burning a hole through my heart And my bones catch a fever When it cuts you up this deep It's hard to find a way to breathe Your eyes are swallowing me Mirrors start to whisper Shadows start to sing My skin's smothering me Help me find a way to breathe Time stood still The way it did before It's like I'm sleepwalking Fell into another hole again It's like I'm sleepwalking I'm at the edge of the world Where do I go from here? Do I disappear? Edge of the world Should I sink or swim? Or simply disappear? Your eyes are swallowing me Mirrors start to whisper Shadows start to sing My skin's smothering me Help me find a way to breathe Sing it! Time stood still The way it did before It's like I'm sleepwalking Fell into another hole again It's like I'm sleepwalking Wake up! Take my hand and Give me a reason to start again Wake up! Pull me out and Give me a reason to start again Time stands still (Time stands still) Time stands still (Time stands still) Your eyes are swallowing me Mirrors start to whisper Shadows start to sing My skin's smothering me Help me find a way to breathe Time stood still The way it did before It's like I'm sleepwalking Fell into another hole again It's like I'm sleepwalking (It's like I'm sleepwalking) (It's like I'm sleepwalking) (It's like I'm sleepwalking) Time stood still The way it did before It's like I'm sleepwalking Während des ganzen Liedes, waren meine Augen geschlossen. Seine Stimme war so schön und passte so harmonisch zu seinem Spiel. Ich musste leicht lächelnd den Kopf schütteln. Warum musste er auch so ein Lied spielen? Es klang so traurig… War er auch einer der Menschen, die mit Musik ihre eigentlichen Gedanken ausdrückten? Na gut, Mensch traf jetzt nicht wirklich bei ihm zu, aber wie sollte ich es anders ausdrücken? War er ein Killer, der eigentlich ein ganz lieber war? Vielleicht war das alles ja auch nur Show gewesen… Das Spiel hatte aufgehört und ich klammerte meine Finger in den Boden. Was würde er sagen, wenn er mich hier sah? Tief atmete ich ein und aus, ganz darauf bedacht, ruhig zu bleiben. Doch da begann hörte ich nur, wie eine Musikanlage angeschaltet wurde. Langsam drehte ich mich um und spähte erneut durch den Türspalt. Wenn ich ihn noch ein bisschen größer machen könnte, würde ich auch etwas in diesem Raum erkennen. Aber es war einfach zu dunkel. Das Lied, welches er anmachte, war keinen Deut besser als das andere gewesen. Mein Herz zog sich zusammen. Wie konnte jemand wie er nur so tiefgründige Musik hören? Oke, ich hätte ihn keine Ahnung was zugetraut, aber das? Ich bließ etwas erleichtert die Luft aus. Es war stockduster draußen. Bald würde es also so weit sein… Wie lange ich so vor der Tür gesessen hatte, wusste ich nicht, aber irgendwann bemerkte ich, dass die Musik verstummt war. Panisch stand ich auf, doch da stand er schon hinter mir. „Wie lange sitzt du schon hier?“, fragte er mit rauer Stimme. Was war nur mit ihm los? Er sah auf einmal so… zerbrechlich aus. Ihm fehlte jede Kraft in der Stimme. „Ei-Eine Weile…“, stotterte ich und wischte mir schnell eine verräterische Träne aus dem Gesicht. Er musterte mich kurz, dann ging er an mir vorbei. Perplex stand ich da und wusste nicht, was ich machen sollte. Einen Augenblick kehrte er wieder in das Schlafzimmer zurück, schnaufte kurz, nahm meine Hand und zog mich in die Küche. „Du musst sicherlich Hunger haben“, meinte er und suchte in seinem Kühlschrank nach etwas essbaren. Verbittert lachte ich auf. „Wird wohl meine Henkersmahlzeit sein.“ Er stockte in seiner Bewegung und lehnte dann langsam seinen Kopf gegen die Schranktür. Was war nur plötzlich mit ihm los? „Alles okay?“, fragte ich vorsichtshalber, erntete aber nur ein kaltes Seufzen. „Du fragst mich wirklich ob alles okay ist? Du? Ich sollte eher dich fragen, ob alles okay ist. Du stehst hier und tust so taff, dabei weiß ich ganz genau, wie große Angst du hast. Wie gerne du einfach davon laufen würdest…“ Sprachlos starrte ich seinen Rücken an. „Was?“, hauchte ich nur und ging einen Schritt zurück. Das klang ja beinahe so, als ob er gleich anfangen würde, in Tränen auszubrechen. Was um Himmelswillen war hier los? Wen hatte ich da vor mir? War das wirklich der Kerl, der mich noch vor einigen Tagen töten wollte? „Verdammt. Ich hab da keinen Bock drauf! Wenn sie dich unbedingt töten wollen, dann sollen sie es doch selbst machen!“ Er knallte die Kühlschranktür zu und zog wieder ab. Diesmal jedoch nicht in sein Zimmer, sondern aus der Wohnungstür. Er hatte sie so heftig zugeknallt, dass sie aus dem Schloss gesprungen war und nun einen spaltbreit offen stand. Abermals blinzelte ich. Pey war soeben abgehauen, aus welchem Grund auch immer. Er war wütend, und ich hatte keine Ahnung warum. Hatte er nicht noch vor ein paar Stunden in den Plan eingewilligt? Lag es vielleicht daran, dass er die Drecksarbeit erledigen musste? Innerlich lachte ich auf. So ein Flachwitz aber auch. Jedenfalls würde es sicherlich seine Zeit dauern, bis er sich abreagiert hatte. Ich hatte daher einen Freifahrtsschein nach draußen. Vor der Wohnungstür stoppte ich und trat mit zitternden Beinen in den Hausflur hinaus. Es war kalt und ich konnte mein Glück kaum fassen. Schnell beeilte ich mich und rannte die Treppen hinunter. Jetzt hieß es nur: Lauf um dein Leben! Ich war erst ein paar Schritte gerannt, war schon um die nächste Ecke gebogen und meine Beine trugen mich immer weiter weg. Doch ich wurde von Meter zu Meter langsamer. Ein tiefer Stich zog sich durch meine Brust. Reiß dich zusammen! Geh, solange du noch kannst! Ich lief und lief, wurde langsamer und blieb schlussendlich stehen. Der Mond prangte weit über meinem Kopf und erhellte die Gegend. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hier war und was ich hier machte. Ich müsste nur einen Menschen finden der ein Handy besaß. Oder an irgendeiner Tür klopfen. Doch die Gegend war menschenleer. In weiter Ferne konnte ich die Hauptstraße hören. Die Auto’s welche über die Straße rasten. Aber was genau sollte ich zu den Leuten sagen, wenn ich wieder zu ihnen kam? „Sorry, dass ich solange verschollen war. Mich hat nur ein Fremder in seine Wohnung verschleppt, mich verführt und dann wollte er mich töten? Und dann hab ich das wie durch ein Wunder überlebt und seine Freunde haben auch versucht mich zu töten? Nur so nebenbei, ich glaub ja, oder eher ich hab gesehen, dass sie keine menschlichen Wesen sind. Aber halb so schlimm. Jetzt bin ich ja wieder da und wir können weiter machen wie gehabt.“?! Wohl kaum. Erst jetzt merkte ich, wie kühl es hier draußen doch war. Ich begann zu frieren. Ich wusste, ich musste weiter. Ich musste unter Menschen kommen! Doch meine Beine bewegten sich keinen Millimeter. Verdammt noch mal! Er wird dich bei lebendigem Leibe vergraben, wenn du dich nicht vom Acker machst! Geh einfach! Die Stimme in meinem Inneren schrie immer weiter, wurde immer lauter und ich sank ineinander. Ich konnte nicht mehr. Was brachte es schon, wenn ich weglief? Er würde mich finden. Und wenn nicht er, dann einer der anderen. Vielleicht Baka… Er war glaube ich derjenige, der am meisten sauer auf mich war. Ich wusste nicht genau, was es gewesen war, dass ihn hatte diese Schmerzen erleiden lassen und es tat mir wirklich leid. Ja, es war komisch, dass einer Person verzog, die mich töten wollte, aber ich konnte nicht anders. Es war schwer für mich, nachtragend zu sein. Ich lebte wahrscheinlich wirklich nach dem Motto: Vergeben und Vergessen… Was sollte ich also tun? Mich dazu zwingen, einen Schritt vor den anderen zu schaffen, zurück zum Internat laufen und versuchen, dort solange in Sicherheit zu leben, bis einer von ihnen mich holte? Sie wussten doch nun alle wo ich lebte. Wer weiß, vielleicht würden sie mich mit meiner Familie oder meinen Freunden erpressen, wenn ich nicht zurück kam und mich begraben ließ. Oder würden sie es so weit bringen, dass ich mir selbst etwas antat, weil sie einfach nicht im Stande waren, mich direkt zu töten? Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Was sollte ich nur machen? Kapitel 7: Entscheidung für die Ewigkeit ---------------------------------------- Ich saß im Hausflur auf der staubigen Treppe. Ich war wirklich so dämlich gewesen, umzukehren und zurück in mein Verderben zu laufen. Da ich nun mal so blöd gewesen war und die Tür hinter mir geschlossen hatte, als ich ging, blieb mir jetzt nichts anderes übrig, als auf Pey zu warten. Ich bezweifelte stark, dass er in seinem Rausch einen Schlüssel mitgenommen hatte, aber er besaß doch irgendwo einen Ersatzschlüssel, der für solche Situationen geschaffen war… Hoffentlich. Wie lange ich hier so saß, wusste ich selbst nicht. Es kam mir vor, wie eine Ewigkeit. Das quietschen der Eingangstür ließ mich aufhorchen. Schwere Schritte erklommen jede einzelne Stufe. Und dann stand er, ungefähr zehn Stufen entfernt vor mir. Sein helles Shirt, welches er an hatte, zierten lauter dunkle Flecken. Ich musste gar nicht erst nachfragen, was es war. Der metallische Geruch klebte noch an ihm. Sein Gesicht war übersät mit Kratzern und rote Striemen waren an seinen Handgelenken zu sehen. Was er wohl gemacht hatte? „Ich dachte, du bist weggelaufen“, knurrte er mit seiner tiefen Stimme. Seine Augen glühten noch, die Krallen waren auch noch zu erkennen. Genau wie seine Reißzähne. „Bin ich auch“, sagte ich schwach. Er kam die Treppe weiter hinauf und mit jedem Schritt, verwandelte er sich in einen Menschen zurück. „Warum bist du zurück gekommen? Du hättest verschwinden sollen!“, fuhr er mich an, blieb jedoch vor mir stehen und rannte nicht schon wieder weg. „Und weiter? Dann hätten Rel und die anderen mich gefunden und irgendwann später getötet! Außerdem kann ich nicht zurück. Was soll ich ihnen denn sagen?!“ Tränen glitzerten in meinen Augen. Ich wusste nicht weiter, rannte zurück zu meinem Peiniger und wurde dann noch von ihm angeschnauzt, dass ich nicht weggelaufen war? In was für einer Welt befand ich mich hier eigentlich? Er schwieg und starrte mich nur durchdringend an. „Und was soll ich jetzt mit dir machen?“, fragte er eher sich selbst. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. „Das, was du machen solltest. Du… Du wirst nicht drum herum kommen…“ Meine Stimme war gebrochen und versagte zum Ende hin immer mehr. Er sagte nichts, schwieg wieder und atmete ganz flach. Und so standen wir eine ganze Weile, bis er seine Hand ausstreckte und mein Gesicht zu sich drehte. „Das werde ich nicht machen.“ Seine Stimme war ganz ernst. Verwirrt sah ich ihn an. Hatte ich mich verhört, oder hatte er sich gerade dem Befehl von Rel wiedersetzt?! Pey stieg die Treppen hinauf und zog aus einem kleinen Loch in der Wand einen Ersatzschlüssel. Also hat er doch einen! Er schloss auf und legte den Schlüssel zurück. „Willst du jetzt da draußen stehen bleiben, oder rein kommen?“, riss er mich aus meinen Gedanken. Ich beeilte mich und huschte wieder in die Wohnung. „Aber… was wird Rel sagen?“, fragte ich, als er wieder in die Küche abbog. „Ach, das ist egal. Meine Wohnung, meine Entscheidung. Da hat er nichts mit zu reden. Ich war ja auch derjenige, der dich her gebracht hat.“ Ich war immer noch verwirrt. Musste er nicht das machen, was Rel von ihm verlangte? Die anderen hatten sich doch auch alle dafür entschieden, dass ich nun endlich mal beseitigt werden sollte. „Hast du jetzt hunger?“, fragte er wieder. Ich nickte. Er holte aus einem der oberen Schränke eine Dose Ravioli hervor. „Ich hab hier eigentlich so gut wie nichts zu Essen. Ich brauch den Fraß auch nicht… aber ab und an kann man sowas ja gebrauchen…“, murmelte er vor sich hin. Ich musste leicht schmunzeln, als ich an Piwi's überfüllten Kühlschrank dachte. „Wenn ihr nichts essen müsst, warum hat Piwi dann so einen vollen Kühlschrank?“, fragte ich deshalb nach. „Jeder von uns hat andere Bedürfnisse… Piwi braucht ab und an auch mal was Normales zu Essen. Er tötet ja auch keine Menschen.“ Während der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen das Essen zubereitete, setzte ich mich an den kleinen Tisch. Es war wirklich kein großes Meisterwerk, eine Dose Fertigessen aufzuwärmen. „Aber neulich hast du doch sogar was gekocht…“, hakte ich nach. „Das war nur aufgewärmt. Ich koche nicht“, murrte er nur. Ich musste lächeln. Hätte er jetzt nicht seine blutverschmierten Sachen an, würde er als normaler Junge durchgehen. Nachdem er ein paar Mal umgerührt hatte, kramte er einen Teller, Besteck und einen Untersetzter aus verschiedenen Schränken heraus. „Da. Ich bin duschen“, sagte er noch, stellte mir den Topf auf den Tisch und verschwand aus der Küche. Irgendwie witzig. Eben noch dachtest du, du würdest sterben, und dass jetzt schon zum wievielten Mal und jetzt wirst du hier notdürftig bekocht. Ich frag mich nur, wie es weiter geht… Es dauerte eine knappe halbe Stunde, bis er wieder zu mir stieß und sich mir gegenüber setzte. „Und wie soll es jetzt weiter gehen?“, fragte er mich und stützte seinen Kopf in seine Hände. Ich zuckte mit den Schultern und aß weiter. Erst jetzt hatte ich gemerkt, was für einen großen Hunger ich hatte. „Schlag was vor“, sagte ich nachdem ich runtergeschluckt hatte. „Wo anders hin, als hier geht ja nicht… Also wirst du wohl oder übel bei mir bleiben müssen.“ Er lächelte knapp. „Und was sagst du deinen Freunden?“, wollte ich wissen. „Die werden sich damit abfinden müssen. Du musst mir nur versprechen, niemanden mehr das Hirn zu frittieren.“ „Ich weiß doch nicht mal, wie ich das gemacht hab!“ „Ist ja gut“, beschwichtigte er mich. „Ich weiß doch noch nicht einmal, wovon ihr da im Wohnzimmer gesprochen habt“, fügte ich noch hinzu. „Musst du auch nicht. Es ist besser, wenn du nichts weißt. Zumindest für uns ist das besser.“ Ich sah ihn fragend an. „Was?“ „Wenn ich wirklich hier bleibe… dann muss ich doch auch wissen, was hier los ist“, meinte ich von mir selbst überzeugt. „Erwartest du, dass ich dir das alles auch noch erkläre?“ Ich nickte. „Das bist du mir schuldig. Schließlich wolltest du mich töten“, beharrte ich. „Wollte“, betonte er. „Ja. Und ich versteh auch nicht, warum du deine Meinung so schnell ändern konntest. Vorhin warst du doch auch noch dafür.“ Er blickte auf die Tischplatte. „Ja… nein, nicht so wirklich. Deswegen bin ich auch gegangen“, nuschelte er vor sich hin. „Warum?“ Ich ließ nicht locker. Zwar war es nicht wirklich meine Art, jemanden so auszufragen, aber die Umstände verlangten es einfach so. „Ist doch egal. Sei doch einfach froh darüber, dass ich es nicht gemacht habe und fertig!“ Oke, Notiz an mich selbst: Wenn er sich eingeengt fühlt, dann wird er schnell sauer. „Danke“, sagte ich etwas kleinlaut und legte den Löffel in den leeren Teller. Ich hatte doch tatsächlich alles aufgegessen. „Oh man. Ich seh schon das wird teuer…“, sagte er augenverdrehend und räumte ab. Ja, da musste ich ihm Recht geben. Ich brauchte nun mal Essen um zu überleben. Nachdem ich ihm geholfen hatte, die Küche wieder aufzuräumen, gingen wir in sein Wohnzimmer und setzten uns auf das Sofa. Er schaltete den Fernseher ein und sank etwas zurück in die Lehne. Ich tat es ihm gleich und versuchte mich auf das Programm zu konzentrieren, doch mein Blick wanderte immer wieder zu ihm. Irgendwann machte er den Fernseher aus, seufzte und drehte sich zu mir. „Was ist?“, wollte er etwas genervt wissen. „Was soll sein?“, stellte ich als Gegenfrage. „Du guckst ständig so, als ob du was sagen willst. Also, was ist?“ Einen Moment hielt ich seinem Blick stand, doch dann gab ich auf. „Ich frag mich einfach, was genau du bist… das ist alles. Piwi… Er wollte es mir erzählen, hat es aber nicht gemacht…“ Pey überlegte kurz, dann lächelte er etwas geheimnisvoll. „Was denkst du denn?“ Ich überlegte. „Keine Ahnung. Mein schlimmster Albtraum?“ Er lachte. „Das könnte wahrscheinlich die beste Erklärung sein.“ Ich erwiderte sein Lächeln nur knapp. „Ich denke der Überbegriff Dämon sollte genügen.“ Ich schluckte leicht. „Das ist so unwirklich… Ich hätte nie gedacht, dass es sowas in Echt gibt“, meinte ich bedacht leise. „Ihr bemerkt es nur nicht, dass ist alles. Wer weiß, vielleicht ist ja einer deiner Freunde auch ein Anhänger von uns.“ Ich weitete die Augen. „Wirklich?“ Er lachte. „Nein, quatsch. Wenn es hier in der Stadt noch andere geben würde, dann wüssten wir das. Dann wären wir wahrscheinlich nicht hier her gekommen…“ Ich wollte unbedingt, dass er weiter erzählte. Ich musste so viel wie möglich wissen. „Was hatte Piwi gemeint, als er Rel so angefahren hatte?“ Pey schüttelte nur den Kopf. „Nicht so wichtig.“ „Pey… bitte erzähl es mir.“ Man konnte ihm genau ansehen, dass er nicht darüber reden wollte. „Ich kann es dir nicht erzählen… Ich will mich nicht daran erinnern. Das ist Vergangenheit und es ist vorbei.“ Er hatte seine Hand in eines der Kissen verkrampft. Seine Augen wirken so abwesend, dass ich vermutete dass er sich doch daran erinnerte. „Wir haben damals ziemlich viel Scheiße gebaut und haben dadurch auf uns Aufmerksam gemacht. Zuerst kam die Polizei und dann…“ Er brach ab, schloss die Augen und biss die Zähne aufeinander. Er drehte sich von mir weg. Anscheinend war damals wirklich etwas Schlimmes passiert. „Wer kam dann?“, fragte ich leise. Seine Stimme zitterte. „…Die Kleriker“ Pey stand auf. Ja, weglaufen konnte er wohl sehr gut. „Warte, wo willst du hin?“ „Ich kann nicht…“, sagte er nur und verschwand in seinem Zimmer. Zumindest läuft er nicht wieder so weit weg und lässt seinen Frust an jemand unschuldigen aus. Ich wartete einen Moment, bis ich ihm hinterher ging. Er war nicht in seinem Zimmer, sondern in dem Versteckten dahinter. Die Tür war wie am Tag zuvor nur angelehnt. Da es mittlerweile schon wieder hell wurde, konnte ich mehr erkennen. Pey saß wieder an dem großen Flügel. Er hatte seinen Kopf auf den Deckel gelegt. Nach einer Weile setzte er sich aufrecht hin, schob den Deckel nach oben und ließ seine Finger über den Tasten schweben. Anscheinend überlegte er noch, ob und was er spielen sollte. Mich hatte er noch nicht bemerkt, auch nicht, als ich im Türrahmen stand und ihn ansah. Der komplette Raum war vollgestellt mit Musikinstrumenten. Der Flügel war jedoch das einzige, welches Pey benutzte. Die anderen waren mit dünnen Stoffen zugehängt worden oder befanden sich in ihren Hüllen. „Jedes Mal, wenn ich nicht weiter weiß, komme ich hierher… Also musst du dich nicht wundern, solltest du mich mitten in der Nacht spielen hören…“ Ich erschrak mich richtig, als ich seine Stimme hörte. Also hatte er mich doch bemerkt! Ich trat etwas näher an ihn heran und blickte ihm über die Schulter. Er spielte ganz ohne Noten. Dass er sich die Lieder alle so merken konnte war schon erstaunlich. Er rückte etwas auf die Seite, damit ich mich neben ihn setzen konnte. Stillschweigend kam ich seiner unausgesprochenen Forderung nach und nahm Platz. „Spielst du was?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich wüsste nicht, was…“ „Du wolltest doch eben noch was spielen… Spiel doch das.“ Er lachte knapp auf. „Wirklich?“ Ich nickte. Einen Moment zögerte er noch, dann atmete er tief durch und begann. When I was younger I was certain That I'd be fine without a queen Just a king inside his castle With an ocean in between Now all I do is sit And count the miles from you to me Oh, calamity We get older by the hour Watch the changes from afar Keep forgetting to remember Where we've been is who we are Now all I do is wonder Why we ever set the scene Oh, calamity It's such a shame that we play strangers No act to change what we've become Damn, it's such a shame that we've built a wreck out of me Oh, calamity Oh, calamity I'll remember nights alone And waking up to dial tones Always found my greatest moments In the sound of your hello's Now I struggle to recall The reasons you would come to leave Oh, calamity It's such a shame that we play strangers No act to change what we've become Damn, it's such a shame that we've built a wreck out of me Oh, calamity Oh, calamity If I catch you on the corner Will you even know it's me? Will I look familiar to you? Do you offer me a seat? Can we find a new beginning? Do you turn the other cheek? Oh, calamity It's such a shame that we play strangers No act to change what we've become Damn, it's such a shame that we play strangers No act to change what we've become Damn, it's such a shame that we've built a wreck out of me Oh, calamity Oh, calamity Oh, calamity Come back to me Er spielte mit so einer hohen Konzentration, dass er alles um sich herum ausblenden konnte. Nichts konnte ihn aus der Ruhe bringen lassen. Nachdem er fertig war, ließ er das Lied leise ausklingen. Es war wunderschön, einfach so neben ihm zu sitzen und ihm zuzuhören. Als er den letzten Ton verklingen ließ, atmete er tief durch. Ich war nicht im Stande, irgendetwas zu sagen. Ich wollte den Moment nicht zerstören. Pey erhob sich und klappte den Deckel wieder hinunter. „Wenn du schlafen willst, kannst du in meinem Bett pennen. Ich muss nochmal weg. Ich bring dir auch was zu essen für morgen mit.“ Ich nickte und sah ihm hinterher, als er aus dem Raum ging. Dann war ich alleine. Langsam machte sich die Müdigkeit wirklich in mir breit. Ich war nun mehr als zwölf Stunden wach. Die Zeit in der ich so halbwegs wieder am sterben war ignorierte ich einfach, da das nicht wirklich als Erholung zählte. Die ganzen Strapazen, die ständigen Adrenalinschübe hatten das Gefühl von Müdigkeit in die hinterste Ecke meiner Gedanken verbannt. Gerade so konnte ich mir noch ein Gähnen unterdrücken und stand auch auf. Bis zu seinem Bett war es ja nicht mehr so weit, also schlurfte ich langsam dahin und legte mich samt Klamotten hinein. Ein paar Tage zuvor wollte Pey mich hier noch umbringen… mich interessiert es brennend, warum er seine Meinung geändert hat… Das Bett war so schön weich. Warum hatte ich es das letzte Mal nicht bemerkt? Ach ja… ich wurde fast zerfleischt… Ich driftete ziemlich schnell weg und bekam um mich herum nichts mehr mit. Da das Zimmer an sich ja so dunkel war, konnte man auch sehr schlecht sagen, was für eine Tageszeit war. Das einzige, was ich am nächsten Tag, oder eher ein paar Stunden später, merkte war, dass Pey neben mir lag und tief und fest schlief. Ich hatte keine Ahnung, wann er nach Hause gekommen war, doch anscheinend hatte ich so tief geschlafen, dass ich ihn nicht bemerkt hatte. Gerade als ich mich aus dem Bett schwang, berührte ich ihn leicht und zuckte sofort zusammen. Er hatte kein Oberteil an. Oh… mein Gott. Nicht hyperventilieren! Schließlich hast du schon mit ihm geschlafen. Also sollte es kein Problem für dich sein, wenn er die ganze Zeit, halb nackt neben dir gelegen hat. Beruhig dich… Tief ein und wieder aus atmen… Leise schlich ich mich aus dem düsteren Raum und tappste ins Badezimmer. Dort machte ich mich notdürftig fertig. Als ich fertig war mit Duschen, bemerkte ich, dass auf dem Schränkchen, in welches das Waschbecken eingelassen war, ein Becher und Zahnputzzeug stand. Es war alles noch fein, säuberlich verpackt. Ich war mir zu einhundert Prozent sicher, dass es das letzte Mal, als ich diesen Ort besucht hatte, noch nicht da war. Also war es wahrscheinlich für mich. Auch ein kleines Handtuch, ein Waschlappen und eine Bürste lagen daneben. Er wird doch nicht wohl alles neu gekauft haben…?! Dennoch glücklich darüber, benutzte ich die Sachen mit einer großen Freude. Das letzte Mal als ich mich so perfekt fertig machen konnte war in Piwi’s Wohnung gewesen. Sicher, das war jetzt noch nicht so ewig lange her, aber immerhin mehr als 24 Stunden. Bestimmt! In dieser Wohnung verging aber auch wirklich jedes verdammte Zeitgefühl. Zumindest hatte ich bis jetzt noch keine Uhr gesehen. Als ich im Bad fertig war, ging ich in den Flur zurück und in die Küche. Da der werte Herr ja noch einkaufen gewesen war, ich konnte mir echt nicht vorstellen wo bitte um diese unchristliche Zeit noch ein Supermarkt aufgehabt hatte, erhoffte ich mir einen halbwegs vollen Kühlschrank. Ich konnte mich ja nicht nur von Dosen ernähren. Zu meiner großen Überraschung war tatsächlich etwas Essen im Kühlschrank. Er hatte sogar Brötchen gekauft, welche in einer Schüssel neben dem Herd standen. Aber am meisten war ich ja von der Obstschale auf dem Küchentisch begeistert. Das war ja nun wirklich nicht nötig gewesen, aber es war trotzdem schön, so viel Auswahl zu haben. Auf einem der Stühle stand eine große Tüte. Auf dem Griff klebte ein Zettel. Du kannst ja nicht die ganze Zeit in deinem Kleid oder Piwi’s Klamotten herum laufen… Und ich will kein Danke hören oder sonst was. Nimm es und freu dich einfach. Als ich das gelesen hatte, konnte ich mir schon sehr gut vorstellen, was sich darin befand. Pey hatte wirklich nicht übertrieben… Nein, ganz und gar nicht. Er hatte nur einen Haufen Hosen, Shirts, Socken und sogar Unterwäsche gekauft! War er ein Millionär oder wo hatte er das alles her? Und dazu noch über Nacht!! Unglaublich. Er überraschte mich doch immer wieder aufs Neue. Ich nahm die Tüte mit ins Wohnzimmer, um mich dort umzuziehen. Die Sachen passten wie angegossen. Wo er nur meine Größe her hatte? Das Kleid war schon so zerfetzt, zerknittert und eigentlich gar nicht mehr als tolles Abendkleid zu identifizieren gewesen, da konnte er wohl schlecht die Größe gelesen habe. In den neuen Sachen kehrte ich wieder in die Küche zurück und bereitete mir ein kleines Frühstück vor. Da ich ja nicht wusste, wann Pey aufstand, versorgte ich mich zunächst selbst. Essen tat ich in der Küche, danach räumte ich mein Geschirr weg und ging wieder ins Wohnzimmer zurück. Jetzt blieb mir ja nichts anderes übrig, als fernzusehen. Da ich ja überhaupt kein Zeitgefühl hatte, verging die Zeit nur schleichend und irgendwann schaltete ich die Flimmerkiste wieder aus. Irgendwie doch langweilig. Erst da viel mir wieder ein, dass ja jeder Fernseher irgendwie eine Anzeige haben musste, wo eine Uhrzeit drauf stand. Also schaltete ich ihn an und achtete diesmal ganz genau auf jedes Zeichen, Kästchen oder sonst was, das aufblinkte. Und da sah ich mein erhofftes Ziel. 14:56 Ungläubig wiederholte ich die Uhrzeit noch einmal in meinem Kopf. Das bedeutete ja, dass ich ja noch viel zu viel Zeit von diesem Tag übrig hatte. Besorgt, dass Pey ja immer noch nicht auf war, kehrte ich zum Schlafzimmer und machte es einen spaltbreit auf. Das Licht, welches durch den Flur fiel, machte seine Silhouette nur schwach sichtbar. Er schien immer noch tief und fest zu schlummern. Doch dabei konnte ich es einfach nicht belassen. Mir war langweilig und auf Fernsehen hatte ich keine Lust mehr. „Hey… Pey… wie lange willst du denn noch schlafen?“ Sanft rüttelte ich an seiner Schulter. „Isses noch hell draußen?“, nuschelte er verschlafen in sein Kissen. Es hatte nicht lange gedauert, bis er sich grummelnd geregt hatte. „Ja“, sagte ich. Er zog sich die Decke über den Kopf. „Dann lass mich schlafen“, maulte er. „Mir ist aber langweilig“, jammerte ich nun herum und seufzte theatralisch. „Das is nicht mein Problem.“ Damit war für ihn das Thema abgehakt. „Doch. Als Mitbewohner musst du dich um mich kümmern.“ Er seufzte. Dann schob er die Decke ein Stück weit herunter und blitzte mich an. Seine Augen waren wieder so unmenschlich. Das grelle Blau hob sich deutlich von der Dunkelheit ab. „Ich könnte dir auch einfach wieder das Genick brechen. Vielleicht lässt du mich ja dann schlafen“, knurrte er. Ich rümpfte die Nase. Dieser Blödmann legte es wirklich drauf an. Aber wenn er schon zu solchen Mitteln griff, konnte ich auch noch trumpfen. „Ich kann dein Hirn ja auch ein bisschen brutzeln lassen. Hilft dir vielleicht gastfreundlicher zu sein.“ Sofort verengte er die Augen. „Du hast doch noch nicht mal ne Ahnung, wie das geht. Du Amateur.“ Seine Stimme klang wegen dieser Unterhaltung nicht gerade erfreut. Er wollte schlafen, ich wollte mich nicht langweilen. Da war es mir lieber wenn er mich so anmotzte. Dann unterhielt er sich endlich mal mit mir. „Willst du es drauf anlegen lassen?“ Meine Stimme hatte einen neckenden Unterton. „Das gleiche könnte ich dich auch fragen“, knurrte er. Aber ich konnte einen amüsierten Unterton vernehmen. Dann war er anscheinend doch nicht so angepisst, wie er sich zu erkennen gab. Ich schmunzelte. „Mir ist trotzdem langweilig!“ „Dann guck fern“, schlug er vor und drehte sich von mir weg. Die Decke wieder bis über beide Ohren gezogen. „Hab ich schon.“ „Dann lies was“, murrte er. „Und was? Ich habe noch keine Bücher gesehen.“ „Ich hab ja auch keine.“ „Du Spaßvogel, was soll ich dann lesen??“ „Man keine Ahnung! Jetzt verschwinde. Ich will verdammt nochmal schlafen! Ich bin nachtaktiv, falls dir das entgangen sein sollte!“ Ich verdrehte die Augen. „Ihr habt euch hier auch schon tagsüber getroffen!“ „Du warst ja auch ein Notfall!“ Seine Stimme wurde immer lauter und meine Antworten immer pampiger. „Anna… Wenn du nicht gleich aus dem Zimmer verschwunden bist, schwör ich dir, dreh ich dir wirklich den Hals um!“ Seine Stimme wurde immer bedrohlicher. „Versuchs doch“, provozierte ich weiter. Mit einem Ruck hatte er sich umgedreht und mich zu sich gezogen. Die Entfernung war ja nicht so weit gewesen. Schließlich hatte ich auf der Bettkante gesessen. Und da hatte ich nun den Salat. Er hatte mich mit den Händen buchstäblich an der Matratze festgenagelt. Ich konnte mich nicht mehr wehren. „Na, spuckst du immer noch so große Töne?“ Ich sah ihn neckisch an. Ich war ja selbst über mich verwundert, wie ich mich hier von Zeit zu Zeit veränderte. Aber irgendwas an Pey verlangte ja förmlich von mir, dass ich ihn so provozierte. Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen erwiderte das Lächeln knapp. „Du hast zwei Möglichkeiten. Die erste: du verschwindest aus meinem Zimmer und lässt mich in Ruhe schlafen, oder du bleibst hier und hältst die Klappe. Die Wahl liegt ganz bei dir.“ „Gut“, sagte ich nur und machte die Augen zu. „Eh, wie jetzt?“, fragte er verdattert. Damit hatte er wahrscheinlich nicht gerechnet. „Ist vielleicht besser, als sich zu langweilen.“ Er ließ meine Handgelenke los und legte sich neben mich. „Frauen… müsst ihr immer so kompliziert sein?“, seufzte er. Ich lachte nur. „Nein. Ist vielleicht einfacher für dich wenn du gar nicht erst versuchst meine Beweggründe zu verstehen.“ Kapitel 8: Demons ----------------- Als ich das nächste Mal aufwachte, war ich alleine in dem Zimmer. Die Tür war geschlossen und es war stockdunkel. Langsam schälte ich mich aus der Decke und setzte mich an die Bettkante. Dort streckte ich mich erst einmal ausgiebig und stand dann auf. Das Licht im Flur blendete mich einen kurzen Moment. Daher kniff ich die Augen kurz zusammen. „Na, auch mal auferstanden?“, begrüßte mich eine Stimme aus dem Wohnzimmer. Dort saß Pey und schaltete gerade den Fernseher aus. „Du schläfst ja noch tiefer als ich“, sagte er amüsiert und kam auf mich zu. „Wenn mir langweilig ist, kann ich auch automatisch schlafen…“ Mein Magen knurrte und ich machte mich auf in die Küche. „Sag mal, warum hast du keine Uhr in deiner Wohnung?“, rief ich laut genug dass er mich hören konnte. Plötzliche tauchte er im Türrahmen auf. „Zeit ist für mich eigentlich irrelevant… Ich hab eine, hänge sie aber nicht auf.“ Ich stand mittlerweile vor dem Kühlschrank und überlegte, was ich essen sollte. „Willst du auch was?“, fragte ich nebenbei. „Nein, danke. Ich bevorzuge andere Sachen.“ Ich konnte mir schon ungefähr denken, was er meinte. Wahrscheinlich war er so wie Piwi eingestellt… Ich hatte ihn aber noch nie so ein Zeug trinken sehen, wie Piwi. Was er dann wohl meinte?! „Apropos Essen. Ich muss nachher nochmal kurz weg. Kann später werden, bis ich wieder komme.“ Ich nickte knapp und nahm mir eine Kleinigkeit heraus. Mit meinem Fund setzte ich mich an den Esstisch und schmierte mir ein Brot. Ich hatte nicht wirklich Lust mir jetzt noch irgendwas zu kochen oder zu braten. Brote waren dann immer die einfachste Lösung. Ungefähr eine geschätzte Stunde später ging Pey. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mir die Zeit jetzt vertreiben sollte. Es war doch auch keine Lösung, die ganze Zeit fern zu sehen. Pey musste doch irgendwas in dieser Wohnung haben, was mich unterhalten konnte… Ich schlenderte suchend durch seine Wohnung und spähte in jeden Schrank, jedes Regal, jede Schublade. Irgendwo musste er doch was Interessantes haben. Im Wohnzimmer fand ich eine neuwertige Spielkonsole mit dazugehörigen Spielen. Warum er mir davon nichts gesagt hatte war mir nicht klar. Hätte er mir vorher gesagt, dass er sowas besaß, dann hätte ich ihn auch nicht so genervt. Ich sah mir die Spiele an. Sie gehörten alle zum gleichen Genre. Hauptsache andere Leute abknallen, sonst hatten die Spiele wahrscheinlich keinen tiefgründigeren Sinn. Aber damit kannte ich mich ja eh nicht so aus. Im Internat gab es sowas nicht. Auch sowas wurde eher als Teufelswerk betrachtet, da es sehr schnell abhängig machen sollte und die Spiele auch nicht gerade alle moralisch sinnvoll waren. Ich überlegte kurz, ob ich es nicht doch mal wagen sollte, eine Disc einzuschmeißen und eines der Spiele zu testen, doch am Ende entschied ich mich eher dagegen. Mir war nicht so wohl dabei, ein Ballerspiel zu spielen. Das gehörte jetzt nicht wirklich zu den Dingen, dich ich unbedingt mal testen wollte. Für die Jungs waren solche Spiele vielleicht ganz harmlos. Schließlich scheuten sie sich nicht davor, andere Menschen umzubringen. Das hatte ich ja am eigenen Leibe miterleben können. Vom Wohnzimmer aus trat ich wieder in den Flur und stöberte weiter herum. Er musste doch noch irgendwas anderes hier haben, dass mich vielleicht eher ansprach, als sowas. Im Schlafzimmer schaltete ich den Lichtschalter an, damit ich überhaupt etwas sehen konnte. Im Kleiderschrank hatte er nichts versteckt. Da waren wirklich nur Klamotten drin. Die Schubladen des Nachttischschränkchens waren so gut wie leer. Bis auf ein paar Kleinigkeiten die nicht der Rede wert waren. Ich setzte mich auf das Bett und sah mich um. Mir viel wieder das Bild ins Auge, welches ja direkt gegenüber des Bettes hang. Ich stand auf und stellte mich ein Stück davor. Warum besaß Pey ein so schönes Bild in einem dunklen Raum, wo es so gut wie gar nicht auffiel? Es war ja wirklich nur ein Zufall gewesen, dass ich es gesehen hatte. Erst jetzt kam mir die Sache etwas suspekt vor. Das Zimmer war dunkel… aber das Bild hatte ich sofort gesehen? Da konnte doch etwas nicht stimmen. Leicht tippte ich von der Seite an den Rahmen und schob ihn weg. Tatsächlich befand sich hinter dem Bild das, was ich vermutet hatte: Ein Fenster! Es war nicht sonderlich groß, gerade ausreichend für ein Zimmer. Dahinter konnte man nicht wirklich viel erkennen. Man hatte einen wunderschönen Ausblick auf eine gräuliche Ziegelwand. Das Licht war nicht sehr stark, welches hier tagsüber reinfallen konnte, aber dennoch stark genug um das Bild regelrecht zum Leuchten zu bringen. Mir vielen Pey’s Worte wieder ein. Er sagte, er sei nachtaktiv. Oke, das konnte ich ihm auch nicht verübeln. Er war ein Nachtwesen, da konnte ich nichts dran drehen oder wenden. Langsam ließ ich das Bild wieder auf seinen Platz zurückgleiten. Gut, jetzt hab ich ein kleines Geheimnis aufgedeckt, aber das bringt mich jetzt auch nicht wirklich weiter. Das war jetzt eine Beschäftigung für immerhin eine Minute…. Der Kerl muss hier doch irgendwas haben. Oder besteht sein Tagesablauf nur aus: schlafen, fernsehen beziehungsweise Klavier spielen und um die Häuserstreifen und sich irgendeine Fremde aufzugabeln, nur um sie dann zu töten? Aber warum tötete er die Menschen eigentlich? Nur um seinen Spaß zu haben? Nein, wenn ich mir alles zu Recht reimte… dann aß er sie auf! Oh Gott und ich war eigentlich als Futter gedacht gewesen. Und dann blieb ich wirklich hier. Nervös kicherte ich. Da hatte ich doch wirklich Glück, dass sie mich nicht töten konnten. Ja… das war ja auch noch eine Sache, die es aufzuklären gab. Ich würde Pey sofort fragen, wenn er wieder da war, was es damit auf sich hatte. Vielleicht würde er mir ja meine Fragen beantworten. Mein Blick schweifte zu der kleinen, versteckten Tür. Vielleicht würde ich ja in dem Raum etwas Interessantes finden. Es dauerte eine Weile, bis ich die Tür aufbekam, dabei war es eigentlich ganz simpel. Zuerst das kleine Loch finden, in das man gerade so einen Finger stecken konnte und dann musste man kräftig ziehen. Dann sprang sie ganz von alleine auf. Mit leisen Schritten tappte ich in den großen Raum. Der Flügel stand an seinem üblichen Platz. Als ich ihn so ansah, kamen mir die Lieder wieder in den Kopf, welche Pey darauf gespielt hatte. Ein sanftes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich ging jedoch nicht zu dem großen Instrument, sondern widmete mich den anderen. Ich wollte gerne sehen, was so alles unter den Tüchern versteckt war. Durch manche formen konnte ich schon erkennen, was sich in den Koffern befand. Da war eine Gitarre, eine Geige, sogar eine Trompete besaß er. In einer anderen Ecke stand ein zugehängtes Schlagzeug. Woher er nur die ganzen Sachen hatte…? An der anderen Wand, wo auch die Musikanlage stand, entdeckte ich einen großen, aus dunklem Holz angefertigten, Schrank. Irgendwie wirkte er ein bisschen unheimlich, weil er so riesig war. Aber nicht nur hoch, sondern auch breit. Beinahe dachte ich, dass er die Form eines Quadrates hatte. Ich ging auf ihn zu und rüttelte leicht an einer Tür. Sie schien verschlossen. Dann versuchte ich es an der anderen. Diese öffnete sich, nachdem ich ganz liebevoll an ihr herum gezerrt hatte. Der Schrank war innen komplett ausgestattet mit Regalbrettern und diese waren vollbelegt mit Schmuck, Bildern und anderem Krimskrams. Die Bilder jedoch schienen nicht ihm zu gehören, da sie verschiedene Familien, Kinder oder andere Personen abbildeten. Am Ende gehörten sie ihm doch, und das waren dann seine Verwandten. Naja, so ganz sicher konnte ich mit meiner Vermutung ja eh nicht sein. Den Schmuck überflog ich kurz. Perlenohrringe? Silberkettchen? Goldschmuck? Das ist unmöglich der Schmuck für einen Typen. Wem das wohl alles gehört…? Vielleicht sind es ja Erbstücke. In den untersten Reihen standen Schuhe, Taschen und noch andere Sachen wie Regenschirme und sogar Hüte. Jetzt wurde mir das Ganze doch etwas suspekt. Was waren das alles nur für Sachen? Ein Poltern ließ mich von meinen Überlegungen aufschrecken. Wo kam das Geräusch nur her? „Anna?“, rief eine mir allzu bekannte Stimme. Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen war also wieder da. „Hier hinten!“, rief ich zurück. Kurze Zeit später stand er im Türrahmen. „Was machst du da?“, fragte er entgeistert und kam mit großen Schritten auf mich zu. „Schnüffelst du immer in Sachen herum, die dich nichts angehen?“ Ich zuckte zusammen. „Das is doch jetzt nichts Schlimmes. Das is doch nur Geröll“, meinte ich etwas pampig. „Was ist das überhaupt?“, fragte ich dann etwas interessiert. „Nichts Wichtiges“, antwortete er knapp. An seiner Kleidung konnte ich wieder ein paar Blutspritzer ausmachen. „Wenn du so weiter machst, musst du dir ja ständig neue Sachen kaufen.“ Er sah mich verwundert an. „Womit?“ Ich deutete auf sein Shirt. „Ach das… Ja, das kann schon mal vorkommen. Wäre ein Wunder wenn ich nichts abbekommen würde“, murrte er nur und zog sich kurzer Hand das Shirt über den Kopf. „Was machst du denn??“ „Das kann in die Wäsche“, meinte er nur resigniert und zog aus seiner hinteren Hosentasche eine Uhr und legte sie neben die anderen in den Schrank. „Wo hast du die denn her? Die sieht teuer aus.“ „War sie bestimmt auch.“ Dann schloss er die Schranktüren. „Komm jetzt“, wiederholte er sich und wartete, dass ich Anstalten machte aus dem Zimmer zu gehen. „Pey, wem gehören die ganzen Sachen? Dir?“ Er nickte. „Jetzt schon.“ Mit großen Augen lief ich ihm hinterher. „Soll das heißen…“ „…dass die Sachen von jemanden sind, der mir vor die Füße gelaufen ist und ich ihn getötet habe? Dann ja, so ist es.“ Ich schluckte. „Das… Das sind aber ganz schön viele Sachen“, murmelte ich kleinlaut. „Ich muss ja auch irgendwie überleben. Und außerdem hat sich das so über die Jahre angesammelt.“ „Über die Jahre?“, hakte ich vorsichtig nach. Wir waren mittlerweile vor dem Bad angekommen, in dass er gerade verschwinden wollte. „Ja. Ich bin ja nicht erst seit gestern so…“, sagte er augenverdrehend und verschwand hinter der Tür. „Ich bin ja nicht erst seit gestern so…“ Was heißt das? Was war er denn vorher? Etwa ein ganz normaler Mensch? „Wie meinst du das?“, fragte ich durch die Tür hindurch. „Was? Dass ich nicht erst seit gestern so bin?“ „Ja“, rief ich als Antwort zurück. Er öffnete die Tür und ich trat einen Schritt weiter zurück. „So wie ich es gesagt habe.“ Ich wollte gerade zu einer neuen Frage ansetzten, da klingelte sein Handy. Wer wollte denn mitten in der Nacht etwas von ihm? „WILLST DU MICH VERARSCHEN??“ Es war Rel’s Stimme. Pey hatte den Hörer einige Zentimeter von seinem Ohr weg gehalten, so laut hatte Rel in sein Handy geschrien. „Jetzt beruhig dich doch mal. Was ist denn?“ „WO steckst du?“ „Ich bin zu Hause aber wa-“ „Ich bin in einer halben Stunde da. Solltest du langsam checken wovon ich rede und abgehauen sein, werd ich dir eigenhändig deine verfickten Gedärme aus dem Körper reißen, nur um sie dir dann in den Rachen zu stopfen und dich dann qualvoll daran ersticken zu lassen!“ Pey war auf einmal ganz bleich. „Ich- Ich ka-“ „Spar dir dein Gerede für gleich. Ich bin verdammt sauer!“ Mein Gegenüber schluckte schwer und legte auf. „Scheiße….“ „Was ist denn los?“, wollte ich besorgt wissen. „Er hat wohl rausbekommen, dass du noch am Leben bist“, meinte er. „FUCK! Ich dachte er würde es nicht so schnell herausfinden!“ Pey war auf einmal total durch den Wind. Er hatte Panik, dass konnte ich ihm ganz deutlich ansehen. Nun wurde ich auch ganz bleich. Stimmt. Pey hatte Rel’s Anweisungen nicht befolgt und mich am Leben gelassen. Was würde der Blondhaarige jetzt mit uns machen? Meine Hände begannen vor Panik zu zittern. „Was machen wir jetzt?“, fragte ich mit bebender Stimme. „Uns bleibt nichts anderes übrig als hier zu bleiben“, sagte er mit versucht, gefasster Stimme. Ich nickte stockend. Die Minuten die wir auf den Blondhaarigen warteten, schienen eine Ewigkeit anzudauern. Kurz nach dem Anruf hatte Pey eine Nachricht bekommen. Rel hatte an alle Mitglieder eine Nachricht geschrieben, dass alle zu Pey’s Wohnung kommen sollten. Also würde das hier die reinste Folter werden. Als man dann irgendwann ein Geräusch, welches sich sehr verdächtig nach Schritten die auf die Treppe stampften, verhören konnte, sahen wir uns leicht geschockt an. Aus diesem Schlamassel konnten wir uns jetzt nicht mehr herausreden. Die Schritte verstummten und gedämpfte Stimmen waren zu hören. Pey stand schon auf und ging langsam zur Wohnungstür. „Was ist hier los?“, fragte einer seine Freunde. Es könnte Pira gewesen sein. „Ich hab vielleicht schon wieder ein bisschen Mist gebaut“, sagte Pey knapp und lief vor den Ankömmlingen ins Wohnzimmer zu mir zurück. Pira und Bana, welche die ersten waren, starrten mich ungläubig an. „Is sie etwas noch nicht mal dadurch gestorben??“, fragte Bana ungläubig. „Kein Staub, keine Erde? Hast du sie überhaupt dorthin gebracht?“, fragte nun Pira total verwundert. Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen verneinte knapp mit einem Kopfschütteln. „Rel wird dir den Kopf abreißen!“, kommentierte Bana die Antwort. „Ich weiß. Er hat mir schon am Handy gedroht.“ Pira schlug sich mit der Hand auf die Stirn. „Ist Piwi irgendwie ansteckend? Er hatte zuerst mit dem Mist angefangen. Jetzt du… wer wird es wohl als nächstes sein?“, meinte er kopfschüttelnd und ließ sich auf das Sofa fallen. „Wer weiß, vielleicht bist du ja der Nächste“, sagte Bana mit einer verheißungsvollen Stimme. „Ach sei doch leise. Wahrscheinlich eher du!“ „Seid doch mal still! Ich hab grad echt andere Sorgen, als eurem Kinderkram zuzuhören!“, herrschte sie Pey an. Seine Stimme hatte einen ganz anderen Klang angenommen. War es Angst, Panik? Er hatte die letzten Male gewirkt, als ob es ihm egal war, ob er einen Befehl von Rel ausführte oder nicht. Aber das schien jetzt etwas anderes zu sein. Als sich die nächsten Ankömmlinge bemerkbar machten, stand Pey wieder auf, um ihnen die Tür zu öffnen. „Du willst Rel echt nicht erleben, wenn er sauer ist“, meinte Pira zu mir. Er saß nur ein paar Zentimeter von mir entfernt. Ich schluckte. „Töten kann er mich ja nicht…“, murmelte ich. „Er wird einen Weg finden. Und vorher wird er dich quälen bis du dich vielleicht am Ende selbst umbringst!“ Bana grinste. „Siehst du nicht, dass sie eh schon Schiss hat? Dann lass sie doch wenigstens jetzt noch ein bisschen Hoffnung haben, dass es nicht so schlimm wird.“ „Sie ist der Grund, warum Pey jetzt auch auf die Ich-verschon-dich-Schiene aufgesprungen ist. Vor ihr war er genauso wie Rel… aber jetzt mutiert er immer mehr zum Weichei!“ „Wie bitte?“, knirschte Pey, der gerade, im Schlepptau mit Piwi und Baka in das Wohnzimmer zurückkehrte. „Ist doch wahr. Ich mein, guck dich doch an, was aus dir geworden ist, du Waschlappen!“ Pira beleidigte ihn immer mehr. Oder wollte er ihn nur anstacheln, dass er sauer wurde und ausrastete? Ein lautes Klopfen ließ alle verstummen. Jetzt fehlte ja nur noch einer… Pey schien im ersten Moment wie versteinert und bewegte sich keinen Millimeter. Doch dann gab er sich einen Ruck und öffnete die Tür. „Was zum? Was soll das?“, konnte man seine Stimme aus dem Flur hören. „Geh!“, wies Rel ihn an. Pey trottete zu uns ins Wohnzimmer, hinter ihm kam Rel in unser Sichtfeld… und er hatte ein Mädchen im Schlepptau. Sie sah aus, als wäre sie ungefähr in meinem Alter. Was soll das? Was hast du mit ihr vor? „Wie ihr sehen könnt, hat sich Mister Oberschlau meinem Befehl wiedersetzt. Und ich bin momentan mega angepisst, falls es noch keinem aufgefallen sein sollte!“ Das Mädchen hinter ihm wimmerte. „Klappe jetzt!“, schrie er sie an und sie verstummte. Aus ihren großen Kullerauen flossen die Tränen nur so in Strömen. „Beruhig dich… dann macht es halt einer von-“ „NEIN! Es war Pey’s Aufgabe und jetzt muss er mit den Konsequenzen leben!“ Rel’s Gesicht veränderte sich zu der dämonischen Fratze. „Wie willst du dein Vergehen rechtfertigen?“ Pey sah zu Boden und schwieg. „REDE, verdammte Scheiße!“ Pey biss seine Zähne aufeinander. „Ich mag sie, okay?!“ Mein Herz begann urplötzlich schneller zu schlagen. „Du weißt, dass sie zu den Klerikern gehört. Diejenigen, die Raym getötet haben! Erinnerst du dich, wie sie ihn qualvoll verrecken lassen haben? ERINNERT IHR EUCH?!“, fauchte er schon beinahe animalisch. Um mich herum schwiegen alle. „Dass ist doch jetzt schon drei Jahre her…“, sagte Pey kleinlaut. Dafür fing er sich eine Ohrfeige ein. „Falsche Antwort!“ „Rel, bitte beruhig dich!“, flehte nun Piwi. Der Rothaarige saß am anderen Ende des Sofa’s von mir. „Oh nein, sicherlich nicht!“, knurrte der Blondhaarige. Er zerrte das Mädchen nach vorne. „ Verknallt… in eine Klerikerin. Ich glaub‘s einfach nicht“, schüttelte er lachend seinen Kopf. Es war kein amüsiertes, sondern eher ein verächtliches Lachen. „Na schön, aber hast du ihr gezeigt, wer du eigentlich bist, Damien?“ Pey knirschte mir den Zähnen. „Diesen Name habe ich vor langer Zeit abgelegt. Ich hab kein Problem damit, ihr mein Wahres Ich zu zeigen, Lucien!“ Pey spuckte den Namen aus, als bestünde er aus ätzender Säure. „Na schön. Bitte, tu dir keinen Zwang an.“ Damit packte er das Mädchen und schubste sie in Pey’s Arme. Dieser sah kurz auf. Unsere Blicke trafen sich. Ich konnte erkennen, dass er das eigentlich nicht machen wollte, aber er tat es trotzdem. Aus reinem Stolz. Das Mädchen schrie auf, als er seine Reißzähne in ihrem Fleisch versenkte. Im ersten Moment sah es aus, als würde er ihr das Blut aussaugen, doch dann, biss er fester zur und zog seinen Kopf zurück. Er hatte ihr ein großes Stück aus ihrem Hals gerissen, kaute darauf herum und schluckte es hinunter. Mir wurde schlecht, als das ganze Blut über ihren zierlichen Körper floss. Um mich herum konnte ich eine Spannung spüren. Mit kurzen Seitenblicken sah ich, wie alle mit den Augen gebannt an der offenen Kehle hingen. Ihre Augen hatten sich alle verändert und sie starrte wie hypnotisiert auf das Mädchen. Sie lebte noch, hatte vor Schock geweitete Augen. Dann plötzlich begann sie wieder zu schreien. So qualvoll, so herzzerreißend. Ich konnte nichts anderes tun, als sie durch einen Tränenschleier hindurch zu beobachten. Pey beugte sich wieder über sein Opfer und wiederholte sein Vorgehen, diesmal jedoch an einer anderen Stelle. Und das tat er immer und immer wieder. Mir wurde so schlecht, dass ich aufspringen musste und mich ins Bad stürzte. Das war anscheinend auch für die anderen ein Zeichen gewesen, denn sie stürzten sich mit einem Mal alle auf das Mädchen. Sie tat mir so leid. Einem so qualvollen Tod mitzuerleben. Warum erlösten sie sie nicht einfach und machten dann weiter? Ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, während ich über der Kloschüssel hing und mich herzhaft übergab. Ich musste mich nur darauf konzentrieren, nicht an meiner eigenen Kotze zu ersticken. Kapitel 9: Wie alles begann --------------------------- Es verstrich bestimmt eine halbe Stunde oder sogar noch mehr Zeit, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Danach hatte ich mich nicht mehr getraut, ins Wohnzimmer zurück zu gehen und war im Bad geblieben. Die Tür hatte ich abgeschlossen und mich selbst in die hinterste Ecke verkrümelt. Meine Beine hatte ich mir bis zu meiner Brust gezogen und mit den Armen umschlungen. Und so saß ich da und wartete, bis sich irgendwas tat. Meine Augen waren rot geschwollen und brannten schon. Ich wollte mir nicht ansehen, was sie mit dem Mädchen gemacht hatten. Das Bild von ihr, wie sie mich so verzweifelt angesehen hatte, schwirrte immer noch in meinem Kopf herum. Plötzlich klopfte es an der Tür und ich schreckte aus meinen Gedanken auf. „Anna?“ Ich schwieg. Pey stand vor der Tür. Seiner Stimme zu urteilen, war er wieder ganz normal. „Komm bitte raus“, bat er mich. „Verschwinde!“, schrie ich der Tür entgegen. Er seufzte. „Komm raus“, wiederholte er seinen Satz nochmal. „Nein!“ Ich blieb trotzig und zog meine Beine fester an mich. „Stell dich nicht so an.“ Das war nun Rel’s Stimme. „Geht weg! Alle beide!“ „Ich kann die Tür auch aufbrechen, wenn du nicht gleich draußen bist“, zischte der Blondhaarige. „Lass sie“, verteidigte mich Pey. „Anna bitte. Komm raus und wieder ins Wohnzimmer.“ Ich schüttelte heftig den Kopf. Klar, sie konnten mich nicht sehen, doch es half mir, meiner Meinung stand zu halten. Plötzlich war ein Krachen zu hören und die Türklinge drückte sich runter. „Spinnst du??? Du kannst doch nicht einfach meine Badtür zerstören!!!“, schrie Pey entgeistert auf. „Siehst du doch, dass ich es kann“, knurrte Rel. Seine Stimmung hatte sich anscheinend immer noch nicht geändert. Er machte die Tür nun komplett auf und baute sich im Türrahmen auf. „Raus jetzt und ab ins Wohnzimmer“, herrschte er mich an. Pey drückte sich an ihm vorbei und kniete sich vor mich hin. „Bitte“, fügte mein Gegenüber noch hinzu. Rel verließ den Raum mit einem verächtlichen Schnauben. „Ich kann da nicht zurück“, meinte ich einen Schluchzer unterdrückend. „Sie ist nicht mehr da. Wir haben alles beseitigt“, sagte er mit fester Stimme. „Ich frag mich eh, was dich so schockiert, du wusstest es doch eh.“ Ich starrte ihn fassungslos an. „Das bedeutet aber nicht, dass ich es sehen will!“ Er stand wieder auf und hielt mir auffordernd seine Hand hin. Einen Moment zögerte ich noch, ergriff sie dann doch und er zog mich auf die Beine. Dort stand ich erst ein bisschen wackelig und brauchte ein paar Sekunden um mich zu sammeln. „Warum muss ich wieder zurück?“, fragte ich ihn, als wir aus dem Zimmer traten. „Weil du jetzt sozusagen ein Teil von uns bist und daher alles wissen solltest, was du wissen möchtest.“ „Was?“, fragte ich verwirrt. „Aber Rel-“ „Er hat sich wieder beruhigt. Und die Mehrheit hat dafür gestimmt, dich in Ruhe zu lassen. Aber nur unter der Bedingung, wenn ich aufpasse, dass du niemanden irgendetwas über uns erzählst.“ Ich lachte kurz auf. „Wem soll ICH denn etwas sagen? Ich sitze doch hier in der Wohnung fest." Er lächelte. „Vielleicht können wir das ja ändern. Aber zuerst…“ Mittlerweile waren wir im Wohnzimmer angekommen und wir wurden mit gleichgültigen Blicken gemustert. „Na das kann ja heiter werden…“, murmelte Bana und lehnte sich auf dem Sofa zurück. Jemand hatte zwei Stühle aus der Küche geholt, auf welche wir uns setzten. Mir gegenüber saß der Blondhaarige. Na ich war mir ja nicht so sicher, ob er sich wirklich beruhigt hatte. Er sah mich mit einem sehr mürrischen Blick an. Dann herrschte Stille und ich guckte unter mich. Sollte ich jetzt etwas sagen? Und wenn ja, was? „Wenn du irgendwelche Fragen hast, dann musst du sie uns stellen“, sagte Pey neben mir mit einer sehr ruhigen und sanften Stimme. Aus einer Ecke konnte ich ein amüsiertes Lachen vernehmen. „Mensch Pey, du bist ja echt ein Weichei geworden“, grinste Baka ihn an. „Halt die Klappe“, zischte dieser ihn an. „Es wird bald hell“, kommentierte Piwi, als er einen abschätzenden Blick aus dem Fenster warf. Ich zögerte noch einen Moment. „Mü-Müsst ihr denn unbedingt Menschen töten, um zu überleben?“, fragte ich dann, als ich meinen ganzen Mut zusammengesammelt hatte. „Ja“ sagte ein Teil, der andere sagte „Nein“. Verwirrt sah ich sie an. „Wir müssen sie nicht unbedingt töten… Wir müssen eigentlich auch nicht jeden Tag etwas Essen…“, erklärte Bana. „Aber es macht Spaß“, kicherte Baka. Ich biss meine Zähne fest aufeinander. Damit hatte ich schon irgendwie gerechnet. „Wir können durchschnittlich bis zu einem Monat ohne etwas zu Essen auskommen… Aber bis jetzt ist es zum Ende hin immer schwieriger gewesen, den Hunger zu kontrollieren“, klärte Pira mich nun auf. „Ich hab bis jetzt maximal ne Woche geschafft“, sagte Bana. „Du frisst ja auch ständig. Ich hab‘s schon knapp zwei Wochen ausgehalten“, sagte Baka stolz. „Sei doch leise. Du bist am Ende extrem ausgetickt!“, motze Bana ihn an. „Na und?“, fauchte der Angesprochene zurück. Ein leicht amüsiertes Grinsen konnte ich mir nur mit aller Mühe verkneifen. Sie waren Mörder! Das musste ich mir ständig wieder in den Kopf rufen. Aber es war schon unterhaltsam, wenn sie sich wie kleine Mädchen zofften. Pira seufzte. „Was willst du denn? Du hast es noch nicht mal vier Tage ausgehalten!“, zischte Baka ihn an. „Bist du dumm oder so? Ich hab es immerhin einen Tag länger als du ausgehalten!“ Ich sah Pey von der Seite her an. Er kämpfte auch damit, sich das Lachen zu verkneifen. „Und du?“, fragte ich ihn leise. „Knapp drei Wochen“, sagte er stolz. „Piwi, sag mal, wie lange hattest du es geschafft?“, fragte Bana nun den Rothaarigen. Dieser hielt sich abseits und blickte immer wieder besorgt aus dem Fenster. „Vier Wochen und drei Tage“, sagte er monoton. „Angeber“, sagte der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Aber es war sehr anstrengend“, fügte Piwi noch hinzu. Bana drehte sich beleidigt weg. „Und Rel, was ist mit dir? Du hältst es sicherlich keine zwei Tage aus“, lachte Pira. Rel zog eine Augenbraue hoch. „Bevor ich auf euch Idioten getroffen bin, musste ich fast drei Monate untertauchen… Was denkst du, wie anstrengend das war?“, sagte er mürrisch. Die Jungs waren urplötzlich leise. „Dr-Drei Monate???“ Rel blickte zu Boden. „Ohne Raym hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft…“ Die Stimmung kippte sofort. Lauter bedröppelte Gesichter waren zu erkennen. „Wer ist das?“, fragte ich nach einer kurzen Stille. „Mein Bruder“, antwortete der Blondhaarige knapp. Ich nickte verstehend. „…Was meintest du eben damit… dass die Kleriker ihn…“, meine Stimme brach ab. Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, ihn danach zu fragen. Sein Gesicht zierte ein schmerzliches Lächeln. „Leute wie du haben die Fähigkeit, Wesen wie uns zu töten. Vor drei Jahren sind wir ihnen in die Falle getappt und sie haben ihn vor unseren Augen geläutert…“ Man konnte ihm genau ansehen, dass er nicht wirklich gerne darüber sprach, daher erstaunte es mich nur umso mehr, dass er es überhaupt über die Lippen brachte. „Wir konnten nichts mehr für ihn tun und haben die Flucht ergriffen…“, fügte Pey hinzu. Ich wollte die Jungs ja nicht irgendwie mit schlimmen Erinnerungen belasten… Aber es interessierte mich schon, wie das damals alles passieren konnte. Und dann war da noch die Frage, welche mir schon die ganze Zeit in dem Kopf herum schwirrte. „Erinnerst du dich noch an unser Gespräch, bevor du gegangen bist?“, wandte ich mich an Pey. Er überlegte und nickte dann, als es ihm wieder einfiel. „Was meintest du damit?“ Er lächelte knapp. „Dann müsste ich von ganz vorne anfangen… Und das ist schon über sechs Jahre her…“ Die Jungs blickten einer nach dem anderen auf. „Was meint sie? Etwa wie wir so-?“ „Ja“, nickte Pey Pira zu. Rel stöhnte genervt auf. „Na dann fang mal an zu erzählen“, grinste er dann doch. Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen verdrehte die Augen. „Du weißt doch selbst, dass es ewig dauern wird.“ „Es hat alles mit dem Buch begonnen“, sagte Piwi plötzlich. „Na, eigentlich damit, dass wir in diesen Laden gegangen sind“, meinte Bana nachdenklich. „Quatsch. Das hat schon einige Tage vorher angefangen“, sagte Baka. „Vielleicht wäre es erstmal gut, wenn sie unsere Namen wüsste“, seufzte Piwi auf. „Eh, warum denn das?“, fragte Baka verwirrt. „Ist vielleicht einfacher alles zu erzählen“, meinte der Rothaarige und wandte sich mir zu. „Ich heiße eigentlich Samuel. Nach der Verwandlung, als wir so wurden, haben wir uns alle einen neuen Namen angelegt, der unseren Charakter etwas besser beschreibt. Wir haben unsere Namen von Dämonen, die schon lange tot sind. Da ich mich hauptsächlich von Blut ernähre, weil ich nicht gerne Menschen töte habe ich den Namen Piwichen angenommen.“ Baka lachte. „Ach ja, das chen ist immer so süß“, kicherte er. „Sei doch leise. Dein Name bedeutet Idiot. Findest du das besser? Naja, passen tut’s ja“, fuhr Piwi ihn an. „Wie bitte??“ „Ruhe jetzt!“, zischte Bana. „Na gut. Dann mach ich weiter. Mein richtiger Name ist Luka. Bana hat an sich keine wirkliche Bedeutung. Ist hinduistisch und bedeutet einfach Dämon.“ Ich nickte aufmerksam. Bana stubste Baka in die Seite. „Du bist.“ Dieser verdrehte nur die Augen. „Na schön… Ich heißte eigentlich Justin. Mein Name hat keineswegs was mit der japanischen Übersetzung zu tun.“ Er sah Piwi finster an. „Eigentlich ist es haitisch und beschreibt mein jetziges Wesen eigentlich am Besten. Dämon, der als so genannter Wiedergänger auf die Erde zurück kommt, um sich von Menschenfleisch zu ernähren. So hieß es damals jedenfalls.“ Rel verschränkte die Arme vor der Brust. „Vergesst es“, sagte er nur. Pira, welcher neben ihn saß, seufzte und machte weiter mit der Vorstellung. „Ich heiße Devin und was Samu eben nicht erwähnt hatte war, dass wir Brüder sind. Eigentlich ist mein jetziger Name auch nur eine Abkürzung. Curupira ist mir einfach zu lang gewesen… Hm was soll ich sonst noch sagen. Mein Name hat eine ähnliche Bedeutung wie die von Justin, hat aber eine andere Herkunft.“ Jetzt war Pey dran. „Was soll ich großartiges sagen? Mein richtiger Name ist Damien, wie Rel eben schon so schön erwähnte. Pey wird eine Sorte von Dämonen genannt, welche vampirähnliche Kobolde sind, die Nachts Unheil bringen und sich mit Vorliebe auf den Kriegsschauplätzen vom Fleische der Gefallenen ernähren. Das hatte mich damals so fasziniert, dass ich den Namen übernommen habe.“ Ich nickte wieder. Das waren wirklich interessante Informationen gewesen. Aber einer interessierte mich schon noch. Rel erwiderte meinen neugierigen Blick nur mit einem nervösen Augenzucken. „Was ist?“ Ich schluckte. „Du bist der Einzige, welcher sich nicht vorstellen wollte“, sagte ich knapp. „Ist ja auch nicht so wichtig“, murrte er nur. „Er heißt Lucien und ist der älteste von uns. Aber sein richtiges Alter will er nicht verraten. Wir fünf waren damals in einer Schule, aber in unterschiedlichen Klassen und Jahrgängen. Da wir uns aber schon von früher kannten, sind wir auch noch weiterhin Freunde geblieben. Lucien ist damals in Damiens Klasse gekommen. So haben wir ihn kennengelernt“, sagte Pira und wurde von Rel mit einem tödlichen Blick gestraft. „Und er ist ein vollwertiger Dämon, der sich mit uns nur angefreundet hatte, weil er was haben wollte, was wir zu dem Zeitpunkt besaßen“, fügte Bana hinzu. Auch er wurde mit einem tödlichen Blick gestraft. Ich war verwirrt. „Vollwertiger Dämon? Wie meinst du das?“, hakte ich nach. „Dass ich es nicht durch irgendeinen Zauber herbei geführt habe, weil ich neugierig war“, meinte Rel mit zusammengebissenen Zähnen. Jetzt war ich noch verwirrter. „Ja… Wir konnten ja nicht wissen, dass es funktioniert!“, zischte Piwi genervt. Ich sah Pey fragend an. „Das erzähl ich dir gleich… oder nachher. Ich weiß nicht. Es wird immer heller. Sollen wir weiter machen?“, wandte er sich an seine Freunde. Piwi stand auf uns sah aus dem Fenster. Dann zog er die Vorhänge zusammen und es wurde im ganzen Raum dunkler. „So sollte es gehen“, meinte der Rothaarige und setzte sich wieder auf seinen Platz. „Okay, ähm… Wie soll ich bloß anfangen?“ „Am besten am Anfang.“ „Ja und der war wo?“ Pey kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Vor fast sieben Jahren, nach dem Sommerfest. Da begannen doch diese Gerüchte von dem Laden in der Stadt“, begann Bana. „Damien und Justin waren doch die ersten die in dem Laden waren, oder?“, überlegte Pira laut. „Ja, aber nur weil ihr euch nicht getraut habt“, meinte Baka und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ah, jetzt erinner ich mich wieder“, sagte der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen und richtete sich auf. Dann räusperte er sich. „Also vor fast sieben Jahren, nach dem Sommerfest, welches unsere Schule jedes Jahr veranstaltete, ging ein Gerücht in der Schule rum, dass es in einem heruntergekommenen Teil der Stadt, in der wir gelebt haben, ein kleiner Laden sei, der merkwürdige Sachen verkaufen sollte. Ein paar aus meiner Klasse meinten, sie wäre schon drin gewesen. Der Laden sollte angeblich mit lauter alten Kram zu gemüllt sein und der Besitzer, ein alter, grantiger Mann, der unheimlich zu sein schien, wollte ihnen irgendwas andrehen. Sie meinten er sprach irgendwas von dunkler Magie und so nem Scheiß. Ich hab ihnen damals nicht so wirklich geglaubt, hab mir dann aber trotzdem sagen lassen, wo sie diesen Laden angeblich gefunden hatten. Sie haben mir dann gesagt wo er war und ich bin hin…“ ~Rückblende~ Ich streifte durch die Straßen und hielt die Augen offen. Irgendwo musste der Laden doch sein. Oder aber sie hatten mich total verarscht und beobachteten mich von irgendwoher und machten sich über mich lustig. Ich knirschte angepisst mit meinen Zähnen. So musste es einfach sein, denn in dieser verlassenen Gegend gab es einfach nichts, was verdächtig nach einem Laden aussah. Als ich die Hoffnungen schon beinahe aufgegeben hatte, entdeckte ich eine unscheinbare Tür. Sie war modrig und sah auch nicht gerade sehr stabil aus. Die Fenster waren mit Brettern zugenagelt wurden, daher konnte man keinen Blick nach innen erhaschen. An der Tür hing ein kleines Schild mit der Aufschrift: Shuju’s Second Hand – Etwas magisches erwartet dich Ich knipste schnell ein Foto von der Tür und verschwand wieder. Alleine wollte ich da keineswegs rein. Auf dem Weg nach Hause rief ich meinen besten Freund an. „Greg? Ich hab den Laden gefunden! Pete und Jacob haben doch keinen Mist erzählt. Wir müssen uns mit den anderen treffen!“ „Heute noch? Aber hast du mal auf die Uhr geguckt? Samu und Devin werden sicherlich nicht mehr kommen, geschweige denn von Luka und Justin.“ Ich zog einen Schmollmund, welchen er natürlich nicht sehen konnte. „Na gut. Morgen ist ja Samstag. Dann treffen wir uns morgen am üblichen Treffpunkt. Ich sag Devin und Samu Bescheid. Kannst du Luka und Justin schreiben? Ich hab so gut wie kein Guthaben mehr.“ Greg seufzte. „Ja gut, mach ich. Dann leg jetzt auf, sonst hast du nachher gar nichts mehr.“ „Ist gut“, sagte ich und legte auf. Dann schrieb ich Samuel eine Nachricht. Dieser antwortete auch nur ein paar Minuten später mit einem okay. Am nächsten Tag war ich schon so aufgeregt, dass ich eine Stunde vor dem Treffen in der Lagerhalle an kam, in der wir uns ein kleines Versteck eingerichtet hatten. Die Halle war vorher ein Lagerhaus für Möbel gewesen. Der Laden ging pleite und er wurde geschlossen. Ein Großteil der Möbel welcher hier gestanden hatte, wurde abgeholt, aber die Teile, welche keiner mehr wollte, hatten sie hier stehen gelassen. Ich schritt unruhig auf und ab. Warum ich jetzt doch so aufgeregt war, wusste ich selbst nicht. Ich hatte die ganze Nacht wach gelegen und mir Gedanken gemacht. Einerseits war es total schwachsinnig und in dem Laden würde bestimmt nur irgendein Ramsch stehen. Andererseits… Was war, wenn es wirklich sowas wie dunkle Magie gab? Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Der erste der kam war Greg. „Man Damien. Wieso bist du denn so hibbelig? Wir können da heute doch eh nicht hin.“ Ich schnaufte. „Vielleicht ja doch. Ich meine gelesen zu haben, dass der Laden die ganze Woche geöffnet ist.“ Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Und wenn schon. Was erwartest du da, zu finden?“ Ich sah ihn einen Moment an. Ja, was wollte ich da eigentlich? „Keine Ahnung. Ich möchte nur sehen, ob die beiden Recht hatte“, sagte ich dann. Als nächstes kamen die Kijen-Brüder. „So und was war jetzt so wichtig, dass wir um diese Uhrzeit hier her mussten?“, fragte Devin verschlafen. Samuel gähnte erstmal herzhaft. „Ich hab den Laden gefunden von dem Pete und Jacob geredet haben“, klärte ich die beiden auf. „Und deswegen mussten wir jetzt hier her?“ Devin schüttelte den Kopf und machte wieder auf dem Absatz kehrt. „Man jetzt warte doch!“, rief ich ihn zurück. „Glaubst du etwa wirklich an den Mist, den deine Klassenkameraden gesagt haben?“, fragte Samuel und kickte einen Stein weg, der ihm gerade in den Weg gekommen war. Gerade in dem Moment kam Justin an. „Guten Morgen allerseits“, grinste er über beide Ohren. „Eh… So gute Laune um diese Uhrzeit…“, grummelte Devin. Man konnte ihm ansehen, dass er lieber wieder in sein Bett wollte. „Ich glaub nicht daran… aber sollte es wahr sein… Wäre das nicht irgendwie cool?“ Samuel schüttelte den Kopf. Ich setzte nur eine beleidigte Miene auf. „Können wir los?“, fragte Justin aufgeregt. Wenigstens einer, der meine Begeisterung teilte. „Wir warten noch auf Luka“, meinte Greg zu ihm. Und so warteten wir noch ein paar Minuten. Luka kam mit einer satten halben Stunde Verspätung. „Sorry Leute. Meine Mum hatte mich noch zum Spülmaschine ausräumen verdonnert. Also was steht an?“ „Ich hab den Laden gefunden von den Pete und Jacob geredet haben.“ Luka sah mich mit offenem Mund an. „Und wegen SOWAS bin ich jetzt den ganzen Weg hier her gekommen??“ „Seh ich auch so“, meinte Devin und stellte sich neben den Neuankömmling. Samuel trotte seinem Bruder hinterher. War ja klar gewesen. Wenn der große Bruder irgendwas entschied, dann musste der Kleine immer an ihm kleben und alles nachmachen. Justin stellte sich neben mich. „Zwei zu Drei. Wir gehen da nicht hin“, sagte Devin mit verschränkten Armen vor der Brust. „Greeeeg, komm. Bitteeee!“, flehte Justin ihn an. Dieser drehte sich von uns beiden weg. „Gib dir nen Ruck. Vielleicht findest du ja was Schönes“, versuchte ich nun auch. „Der Laden hat eh zu“, meinte er und setzte sich auf ein Sofa. Ich stellte mich vor ihn und sah ihn durchdringend an. „Man, na gut!“, gab er sich endlich geschlagen. Nun sah ich Samuel an, der sich ein Stück hinter Devin versteckte. „Komm schon… Du willst da doch eigentlich auch hin.“ Samuel schüttelte heftig den Kopf. „Ich geb dir auch nachher was aus“, versuchte ich ihn zu bestechen. Jetzt wurde er hellhörig. „Und was?“ Devin blies kopfschüttelnd die Luft aus. „Was zu essen?“ Der Kleine überlegte. „Hm na gut.“ Ich grinste. „Vier zu Zwei!“, sagte ich triumphierend. Devin blickte düster zu seinem kleinen Bruder. Dieser grinste verschmitzt. „Gut, also auf“, sagte Justin und Schritt voran. An dem Hallenausgang blieb er stehen. „Eh, es wäre besser, wenn Damien vorgeht.“ Ich lachte auf und ging voran. Hinter mir meine besten Freunde. Hätten wir es bei der Erstwahl gelassen und wären bloß nicht dahin gegangen. Denn dieser Tag veränderte unser ganzes Leben und dazu nicht mal zum Vorteil… Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis wir an dem Laden ankamen. Ich Dummkopf hatte mir nur so zur Hälfte den Weg gemerkt, deswegen mussten wir alle zusammen suchen. Devin und Luka bildeten das Schlusslicht. Sie wären lieber wieder umgedreht, aber uns zur Liebe waren sie dann doch mitgekommen. Endlich standen wir vor dem Gebäude, welches stark danach aussah, als würde es jeden Moment einstürzen. „D-Da willst du doch nicht allen Ernstes rein?!“, fragte Greg unglaubwürdig. „Doch“, sagte ich bestimmt und legte eine Hand an die Türklinke. Ich stoppte. „Ich will da aber nicht alleine rein…“, murmelte ich. Sofort stand Justin neben mir. „Auf geht’s“, sagte er begeistert und wir gingen rein. Im ersten Moment schlug uns ein modriger Geruch entgegen. Dieser Laden war wirklich aufs extremste heruntergekommen. Von außen hatte man gar nicht gesehen, wie groß er doch war. Naja, was hieß hier groß. Er bestand eher aus drei längeren Gängen. „Guten Tag Jungs. Kann ich was für euch tun?“, fragte ein Mann mit einer kratzigen Stimme. „Eh-eh… Wir wollten uns nur mal… umgucken“, stammelte ich. Ich hatte den Alten gar nicht bemerkt gehabt. Justin war schon staunend weiter gegangen. „Warte“, zischte ich und lief ihm schnell hinterher. Die Regale waren alle vollgestellt. Es herrschte eine große Unordnung. Noch nicht einmal Schilder waren zu finden, wo beschrieben war, was sich in dem Gang, beziehungsweise dem Regalfach, befand. Lose Blätter, Bücher, Stoffe, Krimskrams, einfach alles Mögliche, bunt zusammen gewürfelt. Justin befand sich ein Stück vor mir und stöberte herum. Immer wieder war ein Oh oder ein Wow zu hören. So wirklich toll waren die Sachen jetzt nicht. Die Klamotten, welche ich sah, waren durchlöchert und verstaubt. Ich wollte wirklich nicht wissen, wie alt die Dinger schon waren. Wie konnte jemand wie dieser komische Kauz überhaupt einen Laden leiten, der bestimmt pleite war?! Hier verirrte sich doch keiner hin… Ja gut.. Ich zählte jetzt nicht wirklich. Schließlich hatte ich ja nur ein Gerücht von diesem Schuppen hier gehört. Aber was die Jungs wohl mit dunkler Magie gemeint hatten? Ja klar, hier drin war es nur spärlich beleuchtet. Aber man konnte außer Jahrhunderte alten Büchern, die wahrscheinlich keine Sau kannte, von Motten zerfressene Kleidung oder mit Spinnenweben zugehängte Bilder, hier nichts Brauchbares finden. Ich ekelte mich regelrecht, die Sachen überhaupt anzufassen. „Damien, komm mal her!“, rief Justin aus der hintersten Ecke. Ich kämpfte mir einen Weg durch die Spinnenweben in die Ecke, in der er sich befand. „Was denn?“, fragte ich und schielte über seine Schulter. Er stand vor einem kleinen Altar, oder wie man dieses Teil auch nannte. Ich hätte ihn gar nicht bemerkt, hätte Justin mich nicht gerufen. Er hielt ein sehr staubiges Buch in der Hand. „Was ist das?“, hakte ich nach und betrachtete es. Die Staubschicht war bestimmt fünf Zentimeter dick! „Ich hab keinen Plan“, sagte er mit leuchtenden Augen. „Dann leg’s wieder weg“, meinte ich und ging weiter. „Aber jetzt warte doch mal. Guck es dir doch mal an“, forderte er und gab mir den Wälzer in die Hand. Ich wischte darüber und zum Vorschein kam eine goldene, geschwungene Schrift. „Kannst du lesen, was da drauf steht?“, fragte ich Justin, doch dieser schüttelte den Kopf. „Sieht aber cool aus, oder?“ Ich verdrehte die Augen. „Du fandest dass jetzt nur so toll, weil es so komisch aussah?“ Er nickte eifrig. „Oh man“, sagte ich nur und legte das Buch zurück auf den Altar. Dann sah ich mich weiter um. In dieser Ecke waren lauter schwarze Tücher, schwarze Kerzen und verstörende Bilder. Die Kerzenständer reflektierten das gedämmte Licht an manchen Stellen. Dadurch tauchte die Umgebung in einen unheimlichen Glanz. Diese Sachen hatten irgendetwas an sich, dass sie interessant wirken ließen. Plötzlich packte mich eine Hand an der Schulter. Ich zuckte heftig zusammen. „Was denn? So schreckhaft?“, kicherte Greg. Ich grummelte nur etwas Unverständliches und schüttelte seine Hand ab. „Warum bist du hier drin? Ich dachte ihr wolltet nicht rein.“ Er zuckte mit den Achseln. „Die anderen sind weiter vorne im Laden“, meinte er nur uns sah sich um. „Hm… also ich weiß nicht. Es sieht hier irgendwie etwas komisch aus, findest du nicht?“ Ich nahm mir etwas aus dem Regal und zuckte ebenfalls mit den Achseln. „Schon möglich. Ich finde hier auch nichts Tolles. Sieht halt alles etwas zu alt aus, für meinen Geschmack.“ „Was hast du denn auch anderes erwartet?“, ertönte auf einmal Devin‘s Stimme von der anderen Seite. „Ach ja, bist ja auch hier drin“, lachte ich knapp. „Ja… Ich hatte jetzt keine Lust, alleine da draußen zu stehen…“, murmelte er grimmig. So nach und nach kamen alle in den hinteren Teil des Ladens zu uns. „Kommt, lasst uns nach Hause gehen. Hier gibt es nur Schrott“, meinte Luka und hielt angewidert einen Stofffetzen hoch, der sehr verdächtig nach einem alten Stofftaschentuch aussah. Die anderen grummelten ihre Zustimmung und auch ich wollte gerade gehen, da stieß mir etwas ins Auge. Es lag versteckt unter einem Haufen Papieren. Es war ein dickes, großes, schwarzes Buch mit goldenen Lettern. Es sah fast so aus, wie das Teil, welches auf dem kleinem Altar lag, nur war dieses ein Tick dicker. Die Jungs waren schon auf dem Weg nach draußen, aber ich ließ mir alle Zeit der Welt und zog es aus dem Stapel heraus. „Damien, kommst du?“, rief Greg nach hinten. „Ja, gleich“, antwortete ich und klappte das Buch auf. Außen besaß es keinen Titel, also hoffte ich hier dring fündig zu werden. Die Lettern waren einfach nicht zu entziffern gewesen. Auf der ersten Seite prangte ein großes Symbol. Irgendwoher kannte ich es, aber ich wusste einfach nicht, was es war. Ein Kreis mit einem Stern darin. Aber der Stern sah irgendwie komisch aus. Kurzerhand beschloss ich, das Buch mitzunehmen. Irgendetwas hatte es an sich, sodass ich es nicht mehr aus der Hand legen wollte. Nein. Wohl eher, nicht legen konnte. Im vorderen Teil warteten alle auf mich. „Was ist das?“, fragte Justin, als ich es auf den Tresen legte. „Keine Ahnung. Sieht aber cool aus“, sagte ich zu ihm. „Wie viel kostet das?“, wandte ich mich an den alten Mann. Er blickte das Buch mit einem breiten Grinsen an. Dann sah er zu mir. „Wie alt bist du denn?“, wollte er wissen. „Vier…zehn“, stammelte ich. Seine Stimme klang irgendwie unheimlich. „Bist du dir denn auch wirklich sicher, dass du die Verantwortung für den Inhalt übernehmen möchtest, junger Mann?“ Ich schluckte. „Wie meinen Sie dann das?“, mischte sich Justin ein, „Das ist doch nur ein Buch.“ Der Verkäufer lachte auf. „Nur ein Buch. So, so…“ Mir war etwas unheimlich zumute. „Na schön. Das Buch soll es also sein. Es kostet 20€.“ Ich stutzte. Das war eine Menge Geld. Einen Moment überdachte ich nochmal mein Vorhaben, dann kramte ich meinen Geldbeutel aus meiner Hosentasche und kippte den Inhalt auf den Tresen. „Da“, sagte ich nur. Ich hatte dem alten Mann einen Haufen Münzen auf die Platte gekippt. „Ich kann Ihnen nur das anbieten.“ Erwartungsvoll biss ich die Zähne aufeinander. Der alte Mann beäugte die Münzen skeptisch und begann sie abzuzählen. Als er fertig war, sah er mich und meine Freunde an. „Na schön. Es gehört dir.“ Triumphierend lächelte ich und schnappte mir das Buch. „Aber sei vorsichtig, sonst wird es schlimm enden. Beachte die Warnungen“, rief er mir noch hinterher, als wir raus gingen. ~Rückblende~ Kapitel 10: Das Buch -------------------- Anna: „Ja oke, es klingt wirklich wie ein Märchen wenn ich so Recht darüber nachdenke“, meint Pey und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Allerdings“, stimmte ich ihm zu. „Wer ist denn dieser Greg, von dem du erzählt hast?“, wollte ich wissen. Der Schwarzhaarige blickte betrübt auf die Seite. „Er war mein bester Freund…“ Ich biss mir auf die Unterlippe. Irgendwas musste ja passiert sein… „Irgendwie hatten wir schon „Glück“, dass wir an dem Tag in diesem Laden waren, denn als wir nochmal vorbei wollten war er bis auf die Grundmauern abgebrannt.“ Ich sah ihn verwundert an. „Warum das denn?“ Er zuckte die Schultern. „Keine Ahnung.“ „Ich denke ja, der Typ hat seinen Schuppen selbst abgefackelt. Vielleicht ist ihm klar geworden, dass er mit dem Scheiß nicht wirklich etwas verdienen konnte“, gab Pira seine Meinung bekannt. Plötzlich war ein leises Lachen zu vernehmen. Es kam vom Blondhaarigen, der seine Arme vor der Brust verschränkt hatte. Auf seinem Gesicht lag ein amüsiertes Lächeln. „Warum lachst du?“, wollte Baka wissen. „Ach nichts, schon gut“, wehrte Rel ab. „Weißt du etwa, was damals da passiert ist?“ „Oh ja“, grinste der Blondhaarige. Seine Augen begannen belustigt zu glühen. „Hä? Aber damals bist du doch noch gar nicht da gewesen“, meinte Bana. „Woher willst du dass denn wissen, Schwachmat?“, grinste Rel. „Man, dann sag schon. Was ist denn passiert?“ „Ich sag schon was dazu, wenn es soweit ist.“ Die Jungs waren nicht wirklich damit einverstanden, dennoch erzählte Pey weiter. ~Rückblende~ „Und was genau hast du jetzt mit dem Buch vor?“, fragte Greg, als wir draußen waren. „Keinen Plan, lesen vermute ich“, sagte ich kopfschüttelnd. Was machte man wohl mit einem Buch?! So ne bescheuerte Frage. „Okay, dann bis Morgen“, meinte Devin und wollte schon wieder abzischen. „Hey! Damien hat mir was zu essen versprochen!“, meckerte Samu schon los. „Ich bin pleite, ich hab kein Geld mehr“, meinte ich und lächelte entschuldigend. „Boa ej, das is ja voll mies!“ Samuel war sichtlich beleidigt. „Na gut, dann sehen wir uns morgen. Ich hab auch noch was Besseres zu tun, als mir ein altes, vergilbtes und müffelndes Buch anzugucken“, grummelte Luka und machte sich auf den Heimweg. Die Kijen-Brüder gingen ihm hinterher. „Hast du Lust, noch mit zu mir zu kommen?“, fragte ich Greg, der neben mir lief. Justin hatte sich ebenfalls auf den Heimweg gemacht und somit waren wir die letzten gewesen, die vor dem Laden standen. „Ich dachte schon, du fragst nie“, grinste mein bester Freund und wir steuerten meinen Heimweg an. Wir waren total aufgeregt, was in diesem geheimnisvollen Buch drin stand und rannten sofort die Treppen zu meinem Zimmer hinauf. Meine Mutter war noch nicht zu Hause, ebenso wenig meine Schwester. In meinem Zimmer angekommen setzten wir uns auf den Boden und klappten das Buch auf. „Sieht mal, dieses Zeichen. Irgendwo hab ich das schon mal gesehen…“, wies mich Greg darauf hin. „Ich auch… Warte kurz“, meinte ich und schnappte mir meinen Laptop. Ich gab als Suchwort umgedrehter Stern ein. Der erste Treffer war ein Link auf eine Frageseite. „Guck mal, das könnte uns vielleicht weiterhelfen“, meinte ich und begann laut vorzulesen. „Hallo Leute, mein Name ist Denise und ich habe eine Frage. Neulich war ich mit ein paar Freunden auf einem Mittelaltermarkt und habe eine voll schöne Kette gefunden und sie mir gekauft. Meine Freunde haben mich später darauf hingewiesen, dass dieses Pentagramm (welches das Symbol der Kette ist) ein Zeichen des Bösen ist. Es ist ein umgedrehter Stern und zeigt somit mit der Spitze nach unten. Stimmt es? Ist das wirklich ein Zeichen des Teufels? Bitte schnellstmöglich um eine Antwort…“ „Scroll mal runter, ich möchte ein paar Antworten lesen“, meinte er zu mir und ich scrollte ein paar Beiträge herunter. „Hey Denise, ein normales Pentagramm (Spitze nach oben) hat etwas mit der Kirche zu tun und ein umgedrehtes Pentagramm (Spitze nach unten) ist ein Zeichen des Teufels. Ist doch ne ganz simple Erklärung, oder? Wenn das eine gut ist, dann ist es andersrum schlecht! Hatte mich auch mal informiert nachdem ich eins von meiner Tante geschenkt bekommen hatte. Aber es steht nicht nur für den Satan sondern auch für die verschiedenen Elemente. Ein "normales Pentagramm" ist ein weißmagisches Schutzsymbol und ein umgedrehtes Pentagramm ein schwarzmagisches Symbol, das für die Widergeburt des Bösen und gegen die Kirche steht. Hoffentlich konnte dir diese Antwort weiterhelfen“ „Cool. Dann hat dieses Buch mit schwarzer Magie zu tun“, grinste er. Also hatten Pete und Jacob doch keinen Mist erzählt. „Also ich weiß nicht. Bestimmt ist das nur ein Fake“, sagte ich mit skeptischer Stimme. Das Buch hatte mich von Anfang an fasziniert, doch sowas wurde mir dann doch etwas zu blöd. Magie, wer glaubte denn an so einen Mist?! „Vielleicht ja nicht. Komm wir gucken mal was darin steht.“ Seine Laune hatte sich von Sekunde zu Sekunde ins unermessliche gesteigert. „Guck mal, da steht noch was: Nach unten ist das eine Anrufung alles Bösen und wenn ein Kreis darum ist und zusätzlich in hebräischer Schrift LVJTN gegen den Uhrzeigersinn steht, ist es das Siegel des leibhaftigen Bösen. Wer das Gegenteil behauptet ist nicht ganz dicht! Ich weiß wovon ich rede, denn ich bin Satanist!“, las ich vor, „Also, echt… Da kann ja wirklich jeder Depp etwas reinschreiben… Und diese Buchstaben. Was meint er denn damit?“ Greg zuckte die Schultern. „Wollen wir nicht einfach mal weiter rein gucken?“ Ich nickte und blätterte um. Die ganze Seite war mit komischen Schriftzeichen vollgekritzelt. „Oh man, kannst du da was entziffern?“ Greg beugte sich weiter vor und studierte jedes einzelne Zeichen. „Ich glaube das ist ne ganz alte Schrift. Sütterlin oder sowas…“ „Sütter- was?“, hakte ich nach. „Sütterlin. Das ist eine altdeutsche Schrift. Sag bloß nicht, du hast noch nie davon gehört?!“ Ich schüttelte den Kopf. „Man, weißt du eigentlich irgendwas?“ Jetzt sah ich ihn mit einem missbilligenden Blick an. „Und woher kannst du das?“ „Von meiner Oma, die hat mir das früher mal beigebracht“, erklärte er. „Na gut, Schlaumeier, was steht denn da?“ Ich hatte meine Arme vor der Brust verschränkt. „Moment…“ Er überflog die Seite. „Unwürdiger, der du liest dieses Buch. Nicht gemacht für deinesgleichen, zerstören wird es dich. Der du nutztest die Kraft der Heiligen, vergehen wirst im Untergrund. Auf immer dir werde Unglück wiederfahren, da du dich hast entschieden für die Macht des Bösen. Bist du sicher, dass du diese Bürde auf dich nehmen willst?“ Einen Moment herrschte Stille, dann brach er in lautes Gelächter aus. „Wahaha was eine bekloppte Scheiße“, lachte er übertrieben laut. Ich grinste auch. „Man, das muss uralt sein. Keiner würde heutzutage noch so schreiben.“ Ich nickte ihm zustimmend zu. Mein bester Freund blätterte weiter und überflog die Seiten. Ab und an waren komische Zeichnungen rein gekritzelt worden, um vielleicht das Geschriebene besser zu verdeutlichen. Greg machte sich nicht wirklich die Mühe, um alle Sachen durchzulesen, da es viel zu viel Text zu lesen gab. Mit der Zeit konnte ich auch ab und an mal ein Wort entziffern. Es war wirklich schwer, aber machbar. „Dun-kler Zau-ber“, las ich stockend vor. „Was steht denn da?“ Mein Kumpel beugte sich vor und las sich die ersten Sätze durch. „Soweit ich es verstehe, wollen die einem hier weiß machen, dass man irgendwas umwandeln kann… Ich weiß nur noch nicht was… Und der Zauber von der Schwierigkeitsstufe Sieben.“ Ich ließ ihm etwas Zeit, damit er die Seite besser studieren konnte. „Okay, hier steht: Um das Ritual der Dunkelheit durchführen zu können, musst du Opfer bringen. Blut gegen Blut, damit der Zauber wirkt. Bei Vollmond musst du dich im Zentrum des heiligen Luzifers befinden und die Schwestern der Sonne dich umringen. Vertreten sein muss die Familie der Welt, jeder an seinem rechtmäßigen Platz, um Gutes in das Richtige umzuwandeln. Der Zeitraum zur Unterwelt wird dir 12 Monde offenstehen. Nutze die Zeit, sonst wirst du immer vergessen sein. Murmle im Wind die Worte der Nacht: O nox, Noctis concitare meus animus somnus tenuis et leniter ad hoc necare plerumque, vestire semper in ater vestimentum plaga meus cordis in altus pectus spirare ego ater aer nam in umbra hic ponere noster volupas Dies ist das Wiegelied der Toten...” Ich sah Greg mit großen Augen an. „Das… ist… der Wahnsinn!“ Verstört musterte ich ihn. „Also ich finde das ja schon etwas unheimlich…“, meinte ich und klappte das Buch zu. „Quatsch, was redest du denn da? Das klingt doch voll spannend. Wir müssen den anderen davon erzählen!“ Ich schüttelte den Kopf. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass dieser Schwachsinn wirklich funktioniert. Und Devin wird wahrscheinlich der Erste sein, der dich auslachen wird“, murrte ich und stand auf. „Oke warte, ich denke dass hier noch mehr Zaubersprüche drin stehen. Wir suchen einen leichten raus und testen ihn, dann wirst du schon sehen, dass es funktioniert.“ Er wirkte sehr von sich überzeugt. „Und was bringt dir das, sollte es funktionieren?“ Greg zuckte mit den Schultern. „Keinen Plan, aber ich habe dann auf jeden Fall Recht“, grinste er. Ich schüttelte belustigt meinen Kopf. Greg nahm sich das Buch auf den Schoß und blätterte die Seiten durch, dabei überflog er die Überschriften. „Na also, guck mal hier: Hausgeister. Schwierigkeitsstufe Zwei. Um diesen Zauber zu bewirken musst du nur drei Dinge beachten. Erstens: Jungfräuliches Blut wirkt am Stärksten. Zweitens: Vollziehe den Zauber nie bei Tage. Drittens: Trage das Symbol des Lebens bei dir. Heil, Satan!“ Greg sah mich grinsend an. „Übernachtungsparty?“ Ich verdrehte die Augen. „Morgen ist Schule, ich denke nicht.“ „Aber du kannst doch sagen, dass es wichtig für die Schule ist und wir noch was fertig machen müssen.“ Der Junge vor mir zog einen Schmollmund. „Oh man, guck mich bloß nicht so an. Scheiße man, ja oke ich geh nachher fragen…“ Und so kam es, dass Greg doch tatsächlich bei mir übernachtete. Er fieberte den restlichen Tag dem Sonnenuntergang freudestrahlend entgegen. „Okay, Punkt eins und zwei haben wir erfüllt. Aber ich frage mich was mit Symbol des Lebens gemeint ist“, grübelte Greg und überflog abermals an diesem Abend die Anweisungen. „Keine Ahnung. Vielleicht ein Kreuz oder sowas?“, vermutete ich. „Ne, wenn da: Heil Satan, steht, wird es wohl kaum ein Kreuz sein…“ „Dann ein umgekehrtes? Ich hab gehört, dass ein Symbol, welches zur Kirche gehört automatisch böse wird, wenn du es umdrehst“, meinte ich stolz auch mal etwas zu wissen. „Also genau wie das Pentagramm… Moment… DAS PENTAGRAMM!“, rief er aus und schnappte sich den Wälzer, um die erste Seite aufzuschlagen. „Die meinen bestimmt so ein Pentagramm. Es symbolisiert den Teufel höchstpersönlich! Sieh doch: die beiden Zacken hier sind die Hörner und der Zacken hier unten der Bart“, begann er zu erklären. „Und woher willst du wissen, dass das stimmt?“, hakte ich nach. „Weil ich es gelesen habe. Wir müssen dieses Symbol also nur irgendwo aufmalen oder so und dann das Ritual durchführen.“ Er grinste mich teuflisch an. „Greg, du machst mir langsam echt Angst…“, meinte ich mir einem abschätzenden Blick. Er grinste weiter. „Man, das ist so aufregend!“ Da Sommer war, wurde es sehr spät dunkel und somit mussten wir bis nach zwölf Uhr warten, bis Greg meinte, dass die Sonne endgültig untergegangen sei. Er nahm sich einen weißen Zettel von meinem Schreibtisch und zeichnete fein, säuberlich mit einem dicken, schwarzen Filzstift ein Pentagramm darauf. „Aber das ist doch jetzt wieder ein gutes Symbol, oder?“, fragte ich, als ich auf den Boden sah. „Setz dich auf meine Seite, dann ist es richtig herum.“ Ich schüttelte den Kopf und setzte mich neben ihn. Ich hatte meine Nachttischlampe eingeschaltet, welche mein Zimmer in ein unheimliches Licht rückte. „Hast du ein Taschenmesser?“, fragte er mich, als er sich das Buch wieder geschnappt hatte und neben sich legte. „Ja, Moment…“ Ich stand auf und holte es aus meiner Schreibtischschublade. Wieder bei Greg angekommen hockte ich mich neben ihn und sah ihm über die Schulter. „Hier steht, ich soll eine Blutlinie zu Satan zeichnen… Denkst du ich sollte das Pentagramm nachfahren?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich werde es einfach versuchen…“ Greg schnitt sich in seinen Zeigefinger und fuhr langsam die schwarzen Linien nach, dabei murmelte er immer wieder: Geist der Finsternis, ich rufe dich an. Komm und verbreite die Furcht der Nacht. Geist der Finsternis, ich rufe dich an. Sodass du hier und fortan immer über mich wachst. Während er diese Worte immer wieder murmelte fuhr mir ein kalter Schauer den Rücken herunter. Was, wenn es wirklich funktionierte? Dann beschwor er hier doch tatsächlich einen Geist, welcher von nun an in diesem Haus herum spuken würde. Na klasse. Echt super Greg… Greg blickte auf. „Hat es funktioniert?“, fragte er, ich schüttelte verneinend den Kopf. „Aber ich hab doch alles richtig gemacht. Es ist dunkel, wir haben das Symbol und starkes Blut haben wir auch.“ Ich grinste. „Jungfräuliches Blut“, lachte ich. „Na und? Du hättest das ja auch machen können.“ Mein Lachen verstummte. „Man, das enttäuscht mich wirklich. Ich dachte wirklich, dass es funktionieren würde“, jammerte mein Kumpel. Ich zuckte die Achseln. „Ich hab doch gesagt, dass es nicht klappt. Da hat sich nur jemand einen Scherz er-“ Mitten im Satz brach ich ab. Ein lauter Knall hallte durch die Wohnung. „Was war das?“, fragte ich Greg verängstigt. „Ich-ich weiß es nicht. Vi-vielleicht hat es ja doch geklappt“, stotterte er. „Fang nicht mit dem Scheiß an“, fauchte ich und stand auf. Dann nahm ich mein Handy in die Hand und schaltete meine Taschenlampe ein. „Warte! Wo willst du hin?“, rief mich mein bester Freund zurück. „Nachgucken, was das war…“, sagte ich mit versucht, fester Stimme. „Damien, warte!“, zischte er und tappte mir in den dunklen Flur hinterher. Wir liefen langsam zur Treppe und ich leuchtete vorsichtig um die Ecke. „Das Geräusch kam von unten“, flüsterte ich leise. Greg nickte und schluckte seine Angst herunter. Langsam und gemächlich schritten wir herab. Plötzlich war ein Trampeln zu hören. „DAMIEN!“, schrie auf einmal eine hohe Stimme. Greg und ich schrien panisch auf und stolperten die letzten Stufen herunter. „OH MEIN GOTT!! DU HATTEST RECHT!!“, schrie ich Greg entgegen, der sich ebenfalls aufrappelte und zurückwich. Das Handy war mit der Taschenlampe nach oben aus meiner Hand gefallen und leuchtete den Flur entlang, aus dem gerade eine Person in Weiß auf uns zukam. Sie stampfte wütend auf den Boden und kam immer näher. „Greg, es tut mir so leid dass ich an dir gezweifelt habe. Hätte ich dir doch nur gleich geglaubt, dann wäre der Geist niemals aufgetaucht…“, wimmerte ich und krabbelte rückwärts auf allen vieren weg. „Lass mich nicht alleine“, quietsche Greg und kam mir hinterher. „Oh mein Gott, er wird uns umbringen. ICH BIN NOCH NICHT BEREIT ZU STERBEN!“, schrie ich panisch und kniff die Augen zusammen. „DAMIEN, du kleiner Scheißer! Ich bring dich um!“ Plötzlich machte ich die Augen einen spaltbreit auf. Diese Stimme, sie kam mir sehr bekannt vor. „J-Jamie?“, fragte ich vorsichtig. „Wer denn sonst?!“, fuhr sie mich an. „Hä? Jamie?“, fragte nun auch Greg nach. Oben im Flur ging das Licht an und meine Mutter schaute die Treppe hinab. „Was geht denn hier unten bitteschön ab?“, fragte sie in strenger Tonlage. „Damien hat eine Mehlbombe in meinem Zimmer hochgehen lassen, als ich die Tür aufgemacht habe und in mein Zimmer wollte.“ „Bitte was? Ich hab gar nichts gemacht! Wir waren oben in meinem Zimmer und…“ Ich glaube es ist besser, wenn ich das mit dem Ritual nicht erwähne… „Ist klar!“, motze meine Schwester weiter. „Wer soll es denn sonst gewesen sein? Der Heilige Geist etwa? Man, mein ganzes Zimmer ist verunstaltet. Die Sauerei machst du weg. Und wenn dein Freund hier mitgemacht hat, dann kann er dir ja helfen. Das ist total widerlich!“ „Jamie, gut jetzt“, herrschte meine Mutter sie an. „Jungs ihr geht ins Bett. Darüber reden wir morgen. Und du junge Dame, kannst dir auch schon mal eine passende Antwort überlegen, warum du um diese Uhrzeit dich ins Haus geschlichen hast. Du hast Hausarrest und bist trotzdem auf diese Party, stimmt’s?“ „Boa ej, Mama. Sei doch nicht so spießig!“ „Alle jetzt ins Bett. Ihr müsst in ein paar Stunden in die Schule“, wies meine Mutter uns an. „Und wo soll ich schlafen? In meinem Zimmer ist das undenkbar!“, schnauzte meine Schwester drauf los. Sie war schon 17 und meinte sich auch dementsprechend zu verhalten. Wahrscheinlich war das cool, sich nachts aus dem Haus zu schleichen und auf Partys zu gehen. Naja, sollte sie halt machen. Ich würde nie so drauf sein, wenn ich endlich 17 wurde. „Dann schlaf auf dem Sofa. Ruhe jetzt. Ich muss auch bald auf die Arbeit!“ Damit stampfte meine Mutter wieder in ihr Schlafzimmer und warf die Tür hinter sich zu. „Du kleiner Pisser, das zahl ich dir heim“, knirschte Jamie und ging ins Wohnzimmer. Oben in meinem Zimmer atmeten wir beide erst einmal kräftig durch. Das war wirklich ein riesiger Schock gewesen. Aber, wovon hatte Jamie geredet? Ich hatte nichts dergleichen gemacht. Okay, ich gebe zu, dass ich gerne mal ein paar Scherze auf ihre Kosten machte, aber sowas war echt fies. Wahrscheinlich hatte sie das selbst gemacht, nur um mich an unsere Mutter zu verpfeifen, dass ich ärger bekam. Aber das wäre sehr dämlich gewesen, da unsere Mutter nun auf jeden Fall sauer auf sie war, weil sie etwas Verbotenes gemacht hatte. Vielleicht klärte sich das Ganze ja in ein paar Stunden auf. Greg und ich schwiegen uns die restlichen Minuten, bevor wir ins Bett gingen, an. Er hatte nur den Kopf gesenkt, den Zettel weggeschmissen und sich in seinem Schlafsack verkrochen. Ich hatte das komische Buch, welches sich nun auch wirklich als einen Fake herausgestellt hatte, in meiner Schreibtischschublade verstaut. Das Messer lag auf der Tischplatte, damit ich es nicht vergaß am nächsten Tag sauber zu machen. Immer noch klebte etwas Blut von Greg’s Zeigefinger daran. „Schlaf gut“, murmelte ich und löschte das Licht. Greg antwortete mir nicht mehr, sondern schien schon eingeschlafen zu sein. ~Rückblende~ Pey: Anna schwieg, als ich zu Ende gesprochen hatte. „Also, hat dieses komische Buch nicht funktioniert?“, hakte sie nach. „Doch, wie man sieht sogar sehr gut“, knirschte Pira verbittert. „Ach komm, so schlimm ist unser jetziges Leben nun auch wieder nicht verlaufen“, meinte Bana und stand auf. „Leute, machen wir hier einen Cut. Ich bin echt hundemüde und will nur noch schlafen“, meinte der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen noch und gähnte herzhaft. „Ja, die Sonne ist schon aufgegangen und es wird langsam echt Zeit sich aufs Ohr zu hauen“, pflichtete ihm Piwi bei, welcher auch aufstand. „Leute, wollt ihr jetzt wirklich alle heimfahren? Ihr wollt jetzt noch raus gehen?“, fragte Baka angestrengt nach und legte sich mit dem Oberkörper auf das Sofa. „Ja. Was anderes bleibt uns ja nicht übrig.“ „Ihr könnt alle hier schlafen“, schlug ich vor. Ich sah mittlerweile auch ziemlich müde aus und hatte meinen Kopf auf einer Hand abgestützt. „Uh, eine Übernachtungsparty“, grinste Baka. „So in etwa“, fügte ich hinzu. „Meinetwegen“, grummelte Bana. „Und wo sollen wir schlafen?“, fragte Piwi nach. „Nicht im Wohnzimmer!“, rief Anna plötzlich aus. „Hä, warum das denn nicht?“, wollte Pira wissen. „Weil ihr länger schlaft als ich und ich mir ja irgendwie die Zeit vertreiben muss“, erklärte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mir egal… hier ist es eh zu hell“, meinte Piwi und setzte sich wieder. „Na gut, dann schlafen wir in meinem Zimmer“, meinte ich und stand auf. „Etwa auf dem Boden?“, fragte Baka entsetzt. „Wir passen nicht alle in mein Bett“, grummelte ich. Also standen die Jungs auf und trotteten in den dunklen Raum. Einzig und allein Rel blieb auf dem Sofa sitzen. „Willst du nicht schlafen gehen?“, fragte ich und unterdrückte ein Gähnen. „Ich bleib noch ein Weilchen auf“, antwortete er nur und schaltete den Fernseher ein. Anna sah mich leicht ängstlich an. „Keine Angst, er hat gesagt er lässt dich in Ruhe“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Ja, sagen kann man viel…“, meinte sie noch, setzte sich dann aber doch wiederwillig mit auf das Sofa um fernzusehen. Sie schien noch ganz munter zu sein, deswegen lies ich sie in Ruhe. Rel beachtete mich keines Blickes, als ich den Raum verließ. Hoffentlich hielt er sein Versprechen und ließ Anna in Frieden. Kapitel 11: Der Neue -------------------- Anna: Immer wieder betrachtete ich den Blondhaarigen aus den Augenwinkeln. So ganz vertrauen konnte ich ihm einfach nicht. „Und du willst wirklich hier bleiben?“, ertönte wie aus dem Nichts seine Stimme. „Ja“, antwortete ich etwas unsicher. „Und dir ist es egal, wie viele Leute er schon auf dem Gewissen hat?“ Ich schluckte. „Daran kann man wohl schlecht etwas ändern“, murmelte ich. Er lachte spöttisch. „Du bist wirklich eigenartig. Er hat versucht dich des Öfteren zu töten und du vertraust ihm doch so viel?! Nur weil er sich von seiner netten Seite zeigt? Pey könnte schnell wieder zu dem werden, wer er war, bevor er dich getroffen hat“, sagte er mit einem hinterhältigen Grinsen im Gesicht. „Was meinst du damit?“, wollte ich wissen und wandte mich endlich um. „Pey ist ein Killer. Ihm ist es scheißegal wer sein Opfer ist, Hauptsache er wird satt. Er macht keinen Halt vor Kindern oder zierlichen Frauen, nur weil sein Gewissen ihm einreden könnte, dass es falsch ist.“ Ich biss mir auf die Unterlippe. Das brauchst du mir doch nicht alles sagen… Das hab ich mir alles schon gedacht. Doch anscheinend hat er sich zum Besseren verändert, daher will ich nicht wissen, was in seiner Vergangenheit passiert ist… Geschehen ist geschehen und das kann man jetzt eh nicht mehr geradebiegen… „Willst du wissen, wie es weitergegangen ist?“ Ich horchte auf. „Aber ich dachte ihr wolltet eine Pause machen…“ „Interessiert mich doch nicht, was die anderen wollen. Ich will hier so schnell wie möglich wieder weg, also kann ich dir den Rest auch so erzählen.“ Zögerlich nickte ich. Es war keiner da, der seinen Teil der Geschichte bejahen konnte, dennoch ging ich nicht davon aus, dass er mich jetzt noch verarschen wollte. Sonst müsste er ja noch länger hier bleiben. ~Rückblende~ „Wie lange müssen wir noch in dieser beschissenen Welt bleiben? Wir haben doch den größten Teil der Reliquien wieder eingesammelt. Vater sollte es dabei beruhen lassen und wir gehen wieder nach Hause!“, motze ich meinen Bruder an, der neben mir auf einem Ast hockte und eine Schule beobachtete. „Jetzt halt doch mal deine Fresse, Rel! Es ist nur noch eine Sache übrig, okay?! Wenn wir das Buch in die Hände bekommen, können wie wieder nach Hause. Es ist echt nicht zum Aushalten mit dir… Vater hätte mir alleine den Auftrag überreichen sollen, dann hätte ich dich nicht an der Backe hängen!“ Raym war schon ziemlich angepisst, da es nicht das erste Mal an diesem Tag war, dass ich rum meckerte. „Ich bin müde“, quengelte ich weiter. „Ich schmeiß dich gleich runter“, knurrte der Türkishaarige mit den goldenen Strähnen. „Für mich ist es zu auffällig, wenn ich da rein spaziere“, zischte er und sah mich durchdringend an. „Waaarte mal, du erwartest doch nicht wirklich von mir, dass ich DA reingehe?!“ „Was denkst du, warum wir die Eingangshallen die ganze Zeit observieren? Wir müssen diesen Type finden, der das Buch gekauft hat…“ Ich verdrehte die Augen. Vor vier Tagen hatten wir von einem Informanten unseres Vaters erfahren, dass das Buch in diese Stadt gelangt war und in einem Laden lag, der sehr schwer zu finden sei. Viele Läufer waren schon ausgeschwärmt, um diesen Laden zu finden, doch bis dato ohne Erfolg. Raym und ich hatten uns sogar unter das Frischfleisch gemischt und umher gefragt… Ja, so tief waren wir schon gesunken. Einen Tag später hatten wir tatsächlich einen brauchbaren Hinweis bekommen und den Laden aufgesucht. Der alte, müffige Verkäufer hatte uns zuerst keines Blickes gewürdigt, doch als mein Bruder direkt auf ihn zugesteuert war und ihn beim Kragen gepackt hatte, hatte er uns registriert. Sein Blick war panisch umher gehuscht. „Wir suchen ein dickes, schwarzes Buch. In der Innenseite prangt ein großes umgedrehtes Pentagramm. Wir wissen dass es in deinem Besitz ist, also rück es raus!“, hatte mein Bruder ihn angezischt. „Ich-ich habe dieses Buch nicht mehr. Ge-gestern kam eine Gruppe j-junger Leute und einer ha-hat es gekauft…“, hatte er gewimmert. Die Augen meines Bruders hatten vor Zorn schon angefangen Türkis zu leuchten. „Wie lautet der Name??“ Der Verkäufer hatte gewimmert und schon Rotz und Wasser geheult, er wolle nicht sterben und er wusste ja nicht dass dieses Buch so wichtig war und, und, und… Das Gejammer hatte ich mir nicht bis zum Ende angehört. Ich hatte mich in der Zwischenzeit ein bisschen umgesehen und interessante Dinge gefunden. Raym hatte kurzen Prozess mit dem alten Sack gemacht und ihm die Kehle rausgerissen, nachdem er endlich brauchbare Informationen bekommen hatte. „Fertig?“, hatte ich ihn gefragt und war wieder zu ihm getreten. Nachdem er genickt hatte, zeigte ich ihm eine Kette, an der ein umgedrehtes Pentagramm hing. Sechs Rubine verzierten es, sie sahen aus wie Blutstropfen. Die Kette hatte ich noch mitgenommen, dann waren wir aus dem Laden gegangen. Mein Bruder hatte noch ein paar Worte gemurmelt und der Laden war in Flammen aufgegangen. Und jetzt waren wir seit verdammten zwei Tagen auf der Suche nach diesem Typen der das Buch gekauft hatte. Die spärliche Beschreibung half uns nicht wirklich weiter, denn es gab einen Haufen schwarzhaariger Typen auf einer Schule. Zum Glück gab es in dieser Stadt nur eine Gesamtschule, was uns unsere Suche sichtlich erleichterte. Der Verkäufer hatte gesagt, dass der Junge ungefähr 1,63m groß war und das Alter hatte er auf 14 oder 15 geschätzt. Also mussten wir nach einem Acht- oder Neuntklässler ausschauhalten. „Vielleicht ist es wirklich besser, wenn du in der Schule spionierst. Da bekommt man eher was raus, als von hier oben die Schüler zu beobachten, ob sich einer verdächtig verhält“, meinte Raym nachdenklich. „Never!“ „Man Rel, je länger du dich meinen Vorschlägen wiedersetzt, desto länger müssen wir hier bleiben“, seufzte er genervt. „Ach scheiße… Meinetwegen…“, knurrte ich, „Ab morgen geh ich da runter… Es sollte nicht allzu schwer sein, sich dort unterzumischen.“ Mein Bruder nickte und so zogen wir uns für den heutigen Tag zurück. Am nächsten Tag standen wir schon in aller Frühe vor dem Haupteingang. Durch einen kleinen Zauber hatte ich es hinbekommen, mein Aussehen in das eines 14-Jährigen verändert. Glücklicherweise hatte ich meinen schwarzen Rucksack von zu Hause mitgenommen, den ich jetzt notdürftig als Ranzen benutzte. Was Stifte und Blöcke anging, so hatten wir uns gestern wirklich noch auf den Weg gemacht und hatten ein paar gekauft. „Verdammt… ich hab da keinen Bock drauf… Was ist, wenn ich die Beherrschung verliere und jemanden so ganz ausversehen die Kehle raus reiß?“ Raym verpasste mir mit seiner Faust einen Schlag auf den Kopf. „Au! Man, wofür war das denn?“, grummelte ich. „Nicht so laut, du Schwachkopf! Wenn das jemand hört können wir das hier gleich sein lassen!“ Ich kniff meine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Die Schule war menschenleer, als wir eintraten. Da ich mich ja nicht einfach in irgendeine Klasse setzten konnte, musste ich mich zuerst anmelden. Es war mitten im Schuljahr, doch Raym hatte sich eine gute Geschichte ausgedacht, dass sie mich noch aufnehmen würden. Die Sekretärin musterte uns einen Augenblick. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie meinen Bruder. „Mein Name ist Pan Saitan, wir haben einen Termin mit dem Schulleiter.“ „Haben Sie gestern angerufen?“ Raym nickte. Wenigstens unsere richtigen Namen hätte der Idiot ändern können… Die Sekretärin führte uns zum Büro des Schulleiters und klopfte an. Dann verschwand sie einen Augenblick darin, um etwas zu klären. „Du wirst kein Wort sagen, verstanden?! Die Story muss glaubwürdig rüber kommen, also musst du verstört wirken… oder so.“ Ich sah ihn missbilligend an. „Glaub mir, ich bin verstört.“ Er boxte mir in die Seite. „Scheiße man, lass den Mist!“ Die ging auf und wir wurden hereingebeten. Vor dem großen Tisch standen zwei Stühle auf denen wir Platz nahmen. „Guten Morgen“, begrüßte uns der Schulleiter. Er war ein dicklicher Mann mit einem komischen Schnurrbart. In meinen Augen wirkte er echt schräg. Diese aufgesetzte Freundlichkeit, dieses ekelhafte Grinsen. „Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“, fragte er, nachdem mein Bruder uns vorgestellt hatte. „Wir sind heute hier, um meinen Bruder wieder in der Schule anzumelden. Vor einem Jahr hatten unsere Eltern einen tödlichen Autounfall und seit dem ist Lucien der Schule ferngeblieben. Wir sind zu dem Endschluss gekommen, dass es vorerst nur ein Versuch ist, ob er schon bereit ist, wieder am Schulalltag teilzunehmen, deswegen bitte ich Sie, meinen Bruder an Ihrer Schule aufzunehmen.“ Der Mann grübelte kurz. „Aber wieso so kurz vor den Sommerferien? Es sind noch knapp vier Wochen bis dahin. Wäre es nicht sinnvoller, Ihren Bruder erst nächstes Jahr einzuschulen?“ „Natürlich wäre das sinnvoller, jedoch wollten wir ausprobieren, ob es nicht doch schon zu früh ist und er sich übernimmt.“ Der Schulleiter nickte. „Das ist ein sehr guter Gedanke. Nun ja, wenn das so ist, kann er die kommenden Wochen gerne die Schule besuchen. Er würde dann nach den Sommerferien im neuen Schuljahr mit den anderen Schülern das Neunte Schuljahr starten, wenn ich das hier richtig lese. Sie sind 14?“ Die letzte Frage war an mich gerichtet und ich nickte zaghaft. Innerlich hätte ich kotzen können. Warum musste ich auch so eine Memme spielen?! „Okay, wenn Sie möchten, können Sie Ihren Bruder gleich hier lassen und er kann sich den heutigen Tag mal ansehen.“ „Das klingt wirklich gut, was meinst du Lucien?“ Wieder nickte ich. Lange würde ich diese Rolle nicht aushalten… Der Schulleiter und Raym regelten noch die restlichen Papiere, dann verabschiedete sich mein Bruder von mir und ich war dem Irrsinn hier alleine ausgesetzt. Zusammen mit dem dicklichen Mann schritt ich die Flure entlang zu dem Klassenzimmer meiner neuen Klasse. „Wenn es Ihnen zu viel wird, kann ich das verstehen. Sie müssen auch nicht auf Anhieb mitmachen. Folgen Sie dem Unterricht so gut Sie können.“ „Sie können mich ruhig Duzen. Sonst komm ich mir so alt vor“, sagte ich mit einem leichten Lächeln. Wenn der Fette wie alt ich wirklich bin. Dem würde die Kinnlade bis auf den Boden reichen. Vor dem Klassenzimmer blieb er stehen und klopfte einmal, dann öffnete er die Tür. Alle Augenpaare richteten sich auf mich und den Dicken. „Guten Morgen“, grüßte er die Schüler, welche ihm sofort zurückgrüßten. „Kai, könntest du bitte kurz mit raus kommen?“ Der Lehrer nickte und gab seinen Schülern noch schnell einen Arbeitsauftrag. Draußen vor der Tür musterte er mich kurz, dann wandte er sich fragend an seinen Chef. „Das hier ist Lucien Saitan. Er wird die letzten vier Wochen noch in deiner Klasse unterkommen. Aus persönlichen Gründen konnte er am Unterricht nicht teilnehmen und sieht sich mal den Unterricht an. Die Arbeiten und Tests wird er nicht mitschreiben, das werde ich den Kollegen auch noch mitteilen.“ Der Lehrer nickte. „Okay, ich denke das wird funktionieren.“ Dabei lächelte er mich freundlich an, was ich ebenfalls mit einem Lächeln registrierte. Dann verabschiedete sich der Rektor und ich war mit dem Lehrer allein. „Lucien war dein Name?“, fragte er mich. Ich nickte. „Ich bin Herr Bartels. Freut mich dich in meiner Klasse willkommen zu heißen. Du brauchst keine Angst haben, deine neuen Mitschüler sind sehr nett und ich denke ihr werdet euch auch gleich ganz super verstehen.“ Dieser Enthusiasmus war nichts für mich, dennoch kam ich hier nicht mehr weg und bedankte mich einfach. Herr Bartels öffnete die Tür und somit begann der eigentliche Teil meines Aufenthalts. Ich musste herausfinden, wer von diesen Pisskindern das Buch gekauft hatte. Kinder erzählten sich so viel, da würde ich bestimmt etwas herausbekommen. In der Klasse kam sofort heftiges Gemurmel auf, als ich mit Herrn Bartels zusammen in den Raum trat. „Leute, seid mal ruhiger. Ich möchte euch euren neuen Klassenkameraden vorstellen. Das ist Lucien Saitan und er wird die letzten vier Wochen ein Teil dieser Gemeinschaft sein. Bitte seid nett zu ihm okay?“ Ein einheitliches Ja wurde durch den Raum gebrüllt. Nun kam die nächste Aufgabe… Wo verdammt sollte ich mich hinsetzten? Ein Junge in der letzten Reihe rief mich dann schließlich zu sich und ich setzte mich neben ihn. „Hi, ich bin Greg“, stellte er sich vor. „Lucien“, antworte ich eintönig und nahm einen Block heraus. Ich hatte noch nicht einmal einen Plan, was das hier gerade für ein Fach war. „Wie kommt es, dass du in den letzten vier Wochen erst hier auftauchst?“, wollte er wissen. Oh man, diese Menschenkinder… Fragten die immer so viel? „Aus persönlichen Gründen“, sagte ich und nahm mir nun einen Stift aus meinem Mäppchen. „Bist nicht so gesprächig, was?“ Ich schüttelte den Kopf. Der Lehrer fuhr mit dem Unterricht fort. Ziemlich schnell wurde mir klar, dass ich mich gerade im Deutschunterricht befand. Innerlich fing ich fast an zu heulen. Schule war wirklich das Schlimmste, was es auf der Erde gab. Ja, da hatte ich doch ein bisschen Mitleid mit den Menschen. Aber sie konnten froh sein, dass sie nur 10 – 13 Jahre in die Schule gehen mussten. Bei uns dauerte die Schulzeit wesentlich länger. Es kam immer darauf an, in welchem Stand man geboren wurde. Wenn man wie ich zum höchsten Rang gehörte, musste man auch mehr lernen. Der Unterricht flog regelrecht an mir vorbei und ich überlegte krampfhaft, wie ich meine Mission erfüllen konnte. Greg und seine Freunde führten mich in der Schule herum und gaben mir sogar einen Stundenplan. Sie waren so nett zu mir. Wenn sie wüssten, dass sie gerade mit einem mehrfachen Mörder durch die Schule rannten, der nichts anderes im Kopf hatte, als diesen verdammten Hunger zu unterdrücken, würden sie sich nicht so viel mit mir unterhalten, geschweige denn mir blind vertrauen. „Leute, das ist Lucien“, stellte Greg mich seinen restlichen Freunden vor. Wir waren außerhalb des Schulgebäudes und standen zusammen mit den anderen hinter der Turnhalle. In der Nähe sah ich ältere Schüler, die am rauchen waren. „Was machen wir hier?“, fragte ich Greg und verlagerte mein Gewicht von einem Bein auf das andere. „Glaubst du an dunkle Magie?“, fragte mich der Schwarzhaarige aus heiterem Himmel. „Was?“ Hatte ich mich da verhört oder hatte er das ernst gemeint?! „Man Greg, fang nicht schon wieder damit an!“, herrschte ihn ein Braunhaariger an. „Es hat doch nicht funktioniert, schon vergessen? Oder ist dir irgendwas aufgefallen?“, fragte der kleine Junge mit den roten Haaren. „Wir müssen es noch einmal machen. Wahrscheinlich haben wir eine Kleinigkeit nicht beachtet“, meinte der Schwarzhaarige. Ein anderer Schwarzhaariger, welcher ein paar Zentimeter kleiner als Greg war schnaufte angestrengt auf. „Nochmal mach ich den Mist bestimmt nicht mit. Mir ist es immer noch peinlich, dass ich da überhaupt zugestimmt habe.“ Der Braunhaarige nickte ihm zu. „Wenn ich fragen darf, wovon redet ihr?“, wollte ich wissen. Das konnte doch nicht wahr sein. Da war ich gerade einmal zwei Schulstunden hier und schon hatte ich den Typen gefunden? Das konnte doch echt nicht wahr sein. „Damien hat vor ein paar Tagen in so nem komischen Laden ein Buch gekauft und seitdem labert Greg nur noch von dunkler Magie und so nem Schwachsinn.“ „Warte, warte… Wer hat das Buch gekauft?“, fragte ich nach. Der kleinere Schwarzhaarige hob die Hand. „Aber frag mich nicht, warum ich es gemacht habe. Letztendlich ist Greg der Einzige, der an den Scheiß glaubt und deswegen so aufgedreht ist“, sagte Damien augenverdrehend. Bingo! Das sind die Flachpfeifen! „Und, wo ist das Buch jetzt?“, fragte ich interessiert. „Bitte sag nicht, dass du auch darauf abfährst?!“, fragte mich ein anderer Junge verstört. Er hatte ebenfalls schwarze Haare, jedoch mit rötlichem Ansatz. Wahrscheinlich hatte er sie sich gefärbt. Wenn ich mich Recht erinnerte, war sein Name Luka. „Ist doch ganz cool“, meinte ich und schmunzelte innerlich. Das lief ja wie am Schnürchen. „Bei mir zu Hause“, sagte Damien. „Darf ich es mal sehen?“ Die Jungs um mich herum sahen mich mit gemischten Ausdrücken im Gesicht an. Greg grinste über beide Ohren, Damien und Devin schüttelten den Kopf und der Rest schien eher ungläubig zu sein. „Ja! Treffen wir uns heute Abend in der Halle!“, grinste Greg. „Warum erst heute Abend?“, wollte Damien wissen. „Weil ich noch was zu erledigen habe“, kam als Antwort. Den restlichen Tag konnte ich kaum noch abwarten. Ich musste Raym so schnell wie möglich Bescheid sagen, dass ich das Buch so gut wie in meinen Händen hatte. Greg nannte mir am Ende der letzten Stunde die Adresse zu der ich kommen sollte und eine Uhrzeit, dann verabschiedete er sich von mir und ich konnte endlich dieses öde Gebäude verlassen. „Und? Hast du was rausgefunden?“, fragte mein Bruder, der mich am Haupteingang abfing. „Ich hab‘s“, grinste ich. „Was? Wo?“ Er war sichtlich verwundert und glaubte mir kein Wort. „Jetzt noch nicht. Heute Abend bekomm ich es.“ Ich erzählte ihm von meinem Tag und von den Jungs. „Was machen wir mit ihnen? Sie wissen über den Inhalt Bescheid.“ Ich überlegte nicht lange. „Wir killen sie, ganz klar. Soweit ich weiß haben sie es noch niemanden erzählt. Tragisch, tragisch. Aber gut für uns, dann bleibt der Inhalt unter uns und keiner wird je von den Zaubersprüchen erfahren.“ Raym nickte zustimmend. Also mussten wir nur noch ein paar Stunden abwarten und dann konnten wir uns unser Eigentum zurück holen. ~Rückblende~ „Du verarschst mich doch, oder?“, fragte ich den Blondhaarigen. „Nope. So war der Plan und wir haben ihn auch durchgezogen… Dumm nur, dass die Jungs zu dem Zeitpunkt das Ritual schon durchgeführt hatten. Den ausschlaggebenden Punkt haben mein Bruder und ich gemacht. Damals hatte ich es für einen Scherz gehalten, dass sie diesen Zauber ausgesprochen hatten. Und seit dem hab ich die Jungs an der Backe. Eigentlich sind sie gar nicht so nervig, wie ich es am Anfang dachte. Wir haben uns gut zusammengerafft und uns in schwierigen Situationen geholfen…“ Er lächelte sacht. Er kam mir plötzlich so nett und freundlich vor, aber das konnte auch nur eine Masche sein. „Wer ist dein Vater, dass er dir und deinem Bruder so eine Aufgabe auferlegt hatte?“ Rel lachte. „Mein Vater ist der Teufel höchstpersönlich.“ Ich sah ihn missverständlich an. Seine Miene wurde ernster. „Nein, ich meinte das ernst. Mein Vater ist der Teufel.“ Sprachlos starrte ich ihn an. „Du glaubst mir nicht, stimmt‘s?“ Ich schüttelte den Kopf. Er setzte sich aufrecht hin und nahm sein ledernes Armband ab, welches ich bis dato nicht bemerkt hatte. Auf der Innenseite seines Handgelenks prangten zwei Zeichen. Das erste war die Zahl 666, darunter ein umgedrehtes Pentagramm. „Dieses Zeichen bekommt jeder hochrangige Dämon in unserer Welt und diese Zahl“, er deutete auf die 666, „bekommt jeder Dämon, der zum Stammbaum unserer Blutlinie gehört. Diese Zeichen wachsen von selbst und man bekommt sie nie wieder los. Die Tätowierungen die du bei Pey und bei den anderen gesehen hast, unteranderem auch bei mir, bilden sich nach der Verwandlung oder nach der Geburt aus. Du wirst nie einen Dämon ohne eine Tätowierung sehen. Das ist sozusagen unser Markenzeichen.“ Nachdem er mir das erklärt hatte, bedeckte er die Zeichen wieder mit dem Armband. „Und warum verdeckst du sie dann?“ Er sog scharf die Luft ein. „Es ist eine Qual in diese Familie herein geboren zu sein. Ich kann von Glück reden, dass ich noch mehr Geschwister habe, die vor mir die Thronfolge annehmen können. Würde ich auf ewig in dieser Welt festsitzen würde ich mich wahrscheinlich am Ende freiwillig von jemanden Läutern lassen…“ Er fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. „Aber damals wolltest du doch so unbedingt zurück, oder?“ Er lachte düster. „Ja, das stimmt. Aber nachdem mein Bruder gestorben ist, hat es für mich keinen Sinn mehr gemacht, nach Hause zurück zu kehren. Dort erwarten mich nur meine bescheuerten Halbgeschwister und mein Vater…“ „Was-was ist mit deiner Mutter?“, fragte ich zaghaft. „Ich hatte nie eine Mutter. Mein Vater hat viele Frauen und nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatten, hat er sie getötet. Er hält sie alle wie Sklavinnen und würdigt seine Kinder noch nicht mal eines Blickes. Einzig und allein sein ältester Sohn ist ihm wichtig. Jaromir… so ein beschissener Name…“ Der Blondhaarige stand auf. „Den Rest kann dir Pey erzählen, ich hau mich jetzt auch aufs Ohr.“ Ich nickte und sah ihm hinterher, bis er im dunklen Schlafzimmer verschwand. Da ich ein leichtes Hungergefühl verspürte, machte ich mir noch eine Kleinigkeit zu essen, legte mich danach auf das Sofa und schaltete den Fernseher aus. Ich war selbst schon ziemlich müde, daher schloss ich die Augen und versuchte zu schlafen. Die gesammelten Informationen wirbelten wie Irre durch meinen Kopf. Ich musste sie sortieren und auswerten, aber das verschob ich lieber auf später. Und so kam es, dass ich unruhig ins Land der Träume versank. Kapitel 12: Albträume und verbotene Rituale ------------------------------------------- Albträume und verbotene Rituale Vor mir hellte sich ein Platz auf. Es war der Schulhof des Internats und es war alles dunkel. Um mich herum wehte eine sanfte Briese und umspielte meine Haare. Was ich hier machte wusste ich selbst nicht, wie ich hier her gekommen war ebenso wenig. Es mussten alle Schlafen, denn die Lichter in den Zimmern waren alle gelöscht. Der Mond prangte in seiner vollen, silbernen Scheibe über mir und leuchtete auf die Eingangshalle des Mädchenwohnheims. Sollte ich rein gehen? Es schien mir wie eine Ewigkeit, dass ich das letzte Mal hier gewesen war. Ob sich was verändert hatte? Wie ganz automatisch bewegten sich meine Füße zu der gläsernen Tür. Vor ihr stoppte ich abrupt. Vereinzelte Blutstropfen klebten am Türgriff. Was war hier nur passiert? Ich beeilte mich und riss die Tür in einem Zug auf. Sofort stieß mir ein fauliger Geruch in die Nase und ich musste den aufkommenden Würgereiz herunterschlucken. Es stank nach Verwesung und Tod! Mit zittrigen Schritten ging ich weiter, tastete mich behutsam Stück für Stück vor. Was mich wohl um die nächste Ecke erwarten würde? An den Wänden konnte ich in der schwachen Beleuchtung klebrige, rote Spuren ausmachen, an denen der Geruch von geronnenem Blut noch haftete. Hier sah es aus, als hätte hier ein Massaker stattgefunden! Die Türen an denen ich vorbei ging waren fest verschlossen, so als hätte sich jemand in seinem inneren darin verbarrikadiert. Mein Weg führte mich zu meinem alten Schlafzimmer, welches ich mit Rachel geteilt hatte. Rachel… Was sie wohl gerade machte? Wie ging es ihr? Was war hier geschehen? Ging es ihr gut? War sie… noch am Leben? Ängstlich spähte ich um die Ecke. Die Tür zu unserem Schlafraum stand einen spaltbreit offen. Langsam und bedacht stieß ich sie mit dem großen Zeh auf und lunzte hinein. Alles war dunkel und sah genauso aus, wie an dem Tag an dem ich das Internat verlassen hatte. Nun wagte ich mich doch hinein und sah mich um. Eine komische Hitze stieg in mir auf, als ich einfach nichts verdächtiges entdeckte. Warum die Blutspuren im Gang, wenn hier doch alles sauber war? Mein Blick wanderte die Wände entlang, wanderte über jedes Möbelstück und blieb schlussendlich am Fenster hängen. Durch dieses strahlte der Mond in seinem vollen Glanz und brachte die Schrift, welche in blutigen Buchstaben darauf geschrieben war, unheimlich zum Leuchten. WARUM HAST DU MICH VERLASSEN? Unterhalb des Fensters lag Rachel, ihre Hand war noch ausgestreckt nach dem Fenster. Warum hatte ich sie nicht bemerkt? Ihr ganzer Körper war mit Wunden übersät und unter ihr prangte… eine riesige Blutlache. Mit einem lauten Schrei wachte ich schweißgebadet auf. Was war das für ein Traum gewesen? Was hatte er zu bedeuten? Tränen rannen meine Wangen herunter. War etwas passiert und ich hatte es nicht mitbekommen? Ich musste zum Internat, ich musste nachsehen ob noch alles in Ordnung war. Eine warme Hand legte sich plötzlich auf meinen Kopf. „Na, schlecht geträumt?“ Panisch blickte ich in Rel’s Gesicht. War er nicht eben noch schlafen gegangen? „Was, was machst du hier? Wo-wolltest du nicht schlafen gehen?“, überschlug sich meine Stimme. „Hab ich, dass ist jetzt aber auch schon fünf Stunden her und bald beginnt es zu dämmern“, meinte er und nahm seine Hand von meinem Haar. Was war das? Wollte er mich etwa… beruhigen? Verdutzt über diese ungewohnte Geste beruhigte ich mich tatsächlich sehr schnell, mein Blick blieb an ihm hängen. „Wo, wo sind die anderen?“, fragte ich dann. „Die Schlafen noch“, meinte er und stand auf. „Du hast noch geschlafen, also hab ich mich einfach hier hingesetzt und mich beschäftigt“, erklärte er. Mit einem Seitenblick neben mich entdeckte ich einen Kontroller und auf dem Bildschirm ein pausiertes Spiel. Ich hatte von dem ganzen nichts mitbekommen? Mein Blick veränderte sich schlagartig. „Was hast du gespielt?“, fragte ich mit einem stechenden Blick. „Mortal Kombat X“, antwortete er wie selbstverständlich. „Ist das so ein Metzelspiel?“ Er begann zu grinsen. „Naja, Metzelspiel würde ich es jetzt nicht nennen. Aber ein bisschen brutal ist es schon.“ „Man, dann kein Wunder dass ich so ne Scheiße träume!“, fauchte ich und vergrub mein Gesicht in der Decke. Rel verschwand aus dem Raum, sehr wahrscheinlich ging er in die Küche oder ins Bad. Mein Blick huschte neugierig zum Kontroller. Konnte es wirklich sein, dass ich durch die Geräusche des Spiels so schlecht geträumt hatte? Oder hatte ich doch eine Vorahnung, dass etwas passiert sein konnte? Das ungute Gefühl in meiner Magengegend wuchs wieder. Ich musste wenigstens nachsehen, ob alles okay war… Der Blondhaarige kehrte mit einer Schüssel, wahrscheinlich eine Müslischüssel, zurück und setze sich auf seinen Platz und zu meiner großen Verwunderung aß er es selbst. „Eh… ich dachte ihr esst keine normalen Sachen?!“, fragte ich verblüfft und starrte ihm regelrecht das Essen vom Löffel. „Tun wir ja auch nicht“, meinte er und aß weiter. „Aber… du isst es doch gerade.“ Auf seinen Lippen entstand ein breites Grinsen. „Was denkst du denn was ich esse?“, lachte er schon beinahe. „Mü-sli?“, sagte ich etwas verdattert. Er begann zu lachen. „Ach man, deine Naivität ist manchmal echt knuffig.“ Dann hielt er mir die Schüssel hin. Das was sich darin befand sah aber sowas von gar nicht nach Müsli aus. Eher nach einer zähen, klebrigen, roten Masse. „Was ist das?“, fragte ich entsetzt. „Nach was sieht es denn aus?“, stichelte er mich an. „Das sieht ekelhaft aus!“, meinte ich empört und drehte meinen Kopf weg. „Schmeckt besser, als es aussieht“, schmunzelte er und aß das Zeug weiter. Nachdem er fertig war, stellte er die Schüssel vor sich auf dem Tisch ab, schnappte sich wieder den Kontroller und drückte auf Play. Meine Kinnlade viel gefühlt schlagartig auf den Boden und meine Augen weiteten sich enorm. „Das… Das nennst du ein- ein bisschen brutal?“ Mir stockte der Atem. Nun war ich mir definitiv sicher, dass dies der Grund meines Albtraums gewesen war. „Das ist doch harmlos. Das ist ein Spiel.“ Bei seiner Betonung huschte mir ein kalter Schauer über den Rücken. Da gab ich ihm wiederrum Recht. Für ihn war das nur ein harmloses Spiel, das die Realität für ihn keinen Deut besser war. Sollte ich ihn und die anderen deswegen bemitleiden? Eigentlich hatten sie es sich selbst zuzuschreiben dass sie nun das waren, was sie nun mal waren. „Du Rel… Was ist damals eigentlich noch passiert? Müsste dieser Greg nicht eigentlich auch hier sein?“ Der Ältere pausierte erneut das Spiel. „Er ist tot“, sagte der Blondhaarige monoton. „Wie das denn?“, wollte ich wissen. Pey’s Vergangenheit interessierte mich irgendwie doch. Ich wollte zwar nicht wissen, was und besonders wen er schon alles getötet, beziehungsweise verspeist hatte, aber ich wollte mehr über sein damaliges Leben erfahren… Einfach alles was nicht direkt mit dem töten zu tun hatte. Rel musterte mich kurz. „Was denkst du was mit einem Menschen passiert, wenn ihm das Genick gebrochen wird?“ Ich schluckte. „Aber… das Ritual? Ich dachte es hätte funktioniert…“ „Hat es auch, aber nicht bei dem, der das Ritual ausgeführt hat“, unterbrach mich die Stimme des Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen. Pey stand, nur in einer Jogginghose bekleidet im Türrahmen und blickte uns verschlafen an. Draußen war mittlerweile die Sonne am untergehen, also würden die Jungs bald wach werden. „Was hast du ihr denn noch alles erzählt nachdem wir schlafen sind?“ wollte er von Rel wissen. „Nur, wie ich mich bei euch untergemischt habe“, antwortete dieser genau im gleichen Tonfall wie bei der Antwort zuvor. „Ich versteh nicht ganz. Ist doch etwas schief gelaufen?“, fragte ich nun den Neuankömmling. „Nein… Naja doch… Irgendwie hatten wir halt einen Faktor nicht beachtet, das war alles…“ ~Rückblende~ Ein paar Tage vorher: „Schade dass es nicht geklappt hat“, murmelte Greg auf dem Weg zur Schule. „Ach, sei bloß leise. Wegen dem Mist hab ich mir gestern fast in die Hose gemacht! Die Aktion mit Jamie hat mir echt den Rest gegeben!“ Ich war sichtlich angepisst vom vergangenen Abend. Da beschuldigte meine doofe Schwester mich doch tatsächlich, dass ich die Sauerei in ihrem Zimmer gemacht hätte und verlangte von mir, dass ich das sauber machen sollte. Noch dazu hatte meine Mutter mir für die nächsten Tage Hausarrest gegeben, da sie ebenfalls glaubte, dass ich Jamie wieder einen Streich spielen wollte. Aber dabei war ich es doch gar nicht gewesen! Jamie musste das selbst inszeniert haben, anders konnte ich es mir echt nicht erklären. Wie durch… Geisterhand… „Du Greg… Ich glaub zwar nicht an den Scheiß, aber hältst du es für möglich, dass es vielleicht doch geklappt haben könnte?“, meinte ich etwas leiser, als wir aus dem Bus ausstiegen. „Wie meinst du das?“ Sein Blick hellte sich etwas auf. „Na die Sache mit Jamie gestern Abend. Ich schwöre dass ich wirklich nichts mit der Mehlbombe zu tun hatte. Entweder hat sie das selbst gemacht, oder jemand anderes war das…“ Greg blickte mich irritiert an. „Du glaubst doch nicht wirklich dass deine Schwester es in Kauf nimmt erwischt zu werden wenn sie Hausarrest hat, nur um dir eins auszuwischen?!“ Da musste ich ihm zustimmen. So blöd war sie nun auch wieder nicht. Also blieb ja nur noch eine Möglichkeit übrig. „Aber, wie können wir denn Prüfen, ob es funktioniert hat? Ich kann ja schlecht heute Nacht durch das Haus laufen und rufen ‚Uh Geisti, Geisti. Ja wo bist du denn?‘.“ Greg lachte auf. „Kannst es ja mal versuchen“, grinste er und erntete einen Schlag in die Seite. „Vielleicht gibt es ja einen Zauberspruch mit dem man Geister sichtbar machen kann“, murmelte er in Gedanken versunken. „Du meinst, ich soll nachher mal gucken ob da was drin steht?“ Der Schwarzhaarige nickte. Also blieb mir nach der Schule nichts anderes übrig als das Gesagte zu machen. Als ich mich am Abend bettfertig machte, zögerte ich noch einen Moment bevor ich mir das Buch schnappte und begann darin herum zu blättern. Ich kam mir bei meinem Vorhaben wirklich dämlich vor. Es gab keine Geister, Jamie hatte sich das alles selbst eingebrockt. Wer wusste schon was in ihrem Tussenhirn alles vor ging. Es kostete mich einige Zeit, bis ich die Schrift ansatzweise entziffern konnte. So grob sahen manche Buchstaben wie die heutigen aus, auch wenn wir nicht mehr so geschwungen schrieben. Irgendwann schlug ich eine Seite auf die mit dem Titel Anrufung eines Geschöpfes der Nacht. Ich zog erstaunt eine Augenbraue hoch. Die Macher dieses Buches hatten wirkliche allerlei Arbeit hineingesteckt um es glaubwürdiger herüber zu bringen. Als benötigte Materialien wurde lediglich auf ein leeres Glas verwiesen. Das ist ja wirklich keine große Sache. Sowas bekomme selbst ich hin. Ich tapste herunter in die Küche, nahm mir ein Glas aus dem Schrank und ging wieder nach oben. Momentan war nur meine Schwester zu Hause da unsere Mutter nochmal wegen eines dringenden Notfalls weg musste. Oben angekommen nahm ich das Buch wieder auf meinen Schoß und überflog die Seite. Dort stand irgendwas von Wasser und Kerzen. Was genau damit gemeint war wusste ich nicht, da an manchen Stellen die Schrift zu verblassen schien. Ich schloss daraus, dass es bestimmt nichts Wichtiges war und las mir den untersten Teil durch. „Spiritus Sanctus. Ego concalo tibi“, las ich laut vor, doch nichts geschah. Ich versuchte erneut den Teil mit dem Wasser und den Kerzen zu verstehen, scheiterte jedoch kläglich. Schlussendlich entschied ich mich dafür, dass es eh alles nur Hirngespinste gewesen waren und es einfach keine Geister gab. Sollte Greg mich morgen fragen, ob es geklappt hatte würde ich einfach nein sagen und fertig. Greg schien ziemlich enttäuscht davon zu sein, dass es nicht geklappt hatte aber so war es nun mal. Dass ich ihm den Teil verschwieg, den ich nicht verstanden hatte, musste er ja nicht wissen. Vielleicht war es auch besser so, doch kaum ein paar Tage später fing er wieder an. „Auch wenn der kleine Zauber nicht funktioniert hat, können wir doch trotzdem mal den anderen ausprobieren, oder? Ich meine, ich wollte schon immer einmal ein Ritual durchführen“, meinte er mit leuchtenden Augen. „Greg… Du hast doch ein Ritual durchgeführt. Reicht dir das nicht?“, jammerte ich. Langsam konnte ich es auch nicht mehr hören. Zwar hatte ich das Buch gekauft, aber es war fast ausschließlich nur in Greg’s Besitz. Okay, ich konnte es wirklich kaum lesen und so wirklich interessant fand ich es jetzt doch nicht mehr, da ich ja alles für schwachsinnig hielt was da drin stand, aber im Endeffekt war es dennoch mein Buch. Ich hatte immer hin eine Menge Geld hingeblättert. Wenn Greg das Ding so toll fand, konnte er mir auch einfach das Geld dafür geben und er konnte es behalten. Aber irgendwie wehrte sich ein Teil in mir, ihm das Buch zu überlassen. „Also wenn ich das jetzt richtig verstehe, dann hörst du auf so rumzuquengeln, wenn wir dieses dämliche Ritual durchführen?“, hakte Devin nach. Greg nickte sofort. „Okay, dann stimme ich zu“, meinte Samuel’s Bruder. Ich sah ihn erstaunt an. „Du stimmst zu? Wer bist du und was hast du mit dem Morgenmuffel gemacht?“, lachte ich amüsiert. „Ach halt doch die Klappe. Hättest du einfach für dich behalten, dass der Laden wirklich existiert, dann hättest du nie das Buch gekauft und Greg wäre nicht so besessen davon“, grummelte mein Gegenüber. „Ej, ich bin nicht besessen!“, verteidigte sich der Schwarzhaarige sofort. „Aber es ist doch schwachsinnig“, mischte sich nun der Jüngste von uns ein. „Leute bitte! Ich werde euch auch nie wieder mit sowas nerven! Nur dieses eine Mal!“, bettelte Greg erneut. Warum musste er auch so einen blöden einstudierten Hundeblick draufhaben? Kurz tauschten wir übrigen einen verheißungsvollen Blick aus und nickten dann ergeben. Der Schwarzhaarige grinste über beide Ohren. „Okay, dann treffen wir uns am Samstag in der Halle?“, schlug der Begeisterte vor. Wir nickten zustimmend. Drei Tage nach unserem Gespräch trafen wir uns gegen zehn Uhr in der Halle. Draußen war es schon ziemlich dunkel und kalt und wir froren uns richtig den Arsch ab. Es gab keine wirkliche Beleuchtung, daher schafften wir uns mit unseren Taschenlampen an unseren Handys etwas Licht. „Man… wo bleibt Greg denn?“, fragte Samu und hopste von einem Bein aufs andere. „Er hat eben noch geschrieben, dass er ein paar Sachen besorgen muss, dann wollte er auch schon kommen“, ließ ich meine Freunde wissen. Wir warteten eine geschlagene halbe Stunde auf ihn, bis er stolpernd und vollgepackt mit Tüten auftauchte. „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Aber ich konnte so schnell die ganzen Utensilien nicht auftreiben“, entschuldigte er sich und ließ die Taschen auf dem Boden nieder. „Scheiße man, willst du hier ne Party veranstalten? Was ist da denn alles drin?“, fragte Devin und hockte sich hin, um in die Tüten zu spähen. „Och so allerlei. Kerzen, ein Feuerzeug, Kreide, ein Taschenmesser, ein Schälchen, Tücher und Taschentücher-“ „Ja ja ich habs verstanden“, unterbrach ihn der Braunhaarige und stand wieder auf. „Also gut, hier ist das Buch. Was genau müssen wir machen?“, fragte ich und reichte dem Größeren das alte Buch. „Warte kurz… Ich muss nachlesen…“ Und so warteten wir bis unser Freund die Stelle im Buch gefunden hatte und sie nochmal vorlas, damit die anderen auch wussten worum es hier ging. „Um das Ritual der Dunkelheit durchführen zu können, musst du Opfer bringen. Blut gegen Blut, damit der Zauber wirkt. Bei Vollmond musst du dich im Zentrum des heiligen Luzifers befinden und die Schwestern der Sonne dich umringen. Vertreten sein muss die Familie der Welt, jeder an seinem rechtmäßigen Platz, um Gutes in das Richtige umzuwandeln. Der Zeitraum zur Unterwelt wird dir 12 Monde offenstehen. Nutze die Zeit, sonst wirst du immer vergessen sein. Murmle im Wind die Worte der Nacht: O nox, Noctis concitare meus animus somnus tenuis et leniter ad hoc necare plerumque, vestire semper in ater vestimentum plaga meus cordis in altus pectus spirare ego ater aer nam in umbra hic ponere noster volupas Dies ist das Wiegelied der Toten.” Die Jungs um uns herum sahen uns verstört an. „Das ist ja der Wahnsinn!“, quiekte auf einmal Justin auf. Er hatte sich in den letzten Tagen wirklich stark zurückgehalten. Jetzt merkte man erst Recht, dass er sich beinahe schon genauso freute wie Greg. Was lief bei den Jungs nur schief?“ „Ah… deswegen heute…. Weil heute Vollmond ist.“ Greg nickte eifrig. „Ich weiß jetzt auch, was neulich schief gelaufen ist. Es war gar kein richtiger Vollmond!“, meinte der Schwarzhaarige an mich gewandt. „Aber da stand doch nur, dass der Zauber nie bei Tag ausgeführt werden sollte. Da stand nichts mit Vollmond“, meinte ich resigniert und Greg’s eifriges Lächeln erstarb. „Man, jetzt war ich mir deswegen so sicher gewesen“, meinte er bedrückt, schüttelte den Kopf und wandte sich seinen Sachen zu. „Also dann sehen wir mal ob ich alles dabei hab“, begann er und stellte alles fein, säuberlich in einer Reihe auf den Boden und besah sich die Dinge. „Die Messer für das Blut, die Tücher um die Blutung dann zu stillen, die Kerzen als Lichtquelle, die Kreide um das Symbol aufzumalen… was ich nur nicht so ganz kapiert hab war was die mit Familie der Welt gemeint haben.“ Wir überlegten gemeinsam. „Vertreten sein muss die Familie der Welt… aber halt, na klar. Schon mal an die fünf Elemente gedacht?“, dachte Devin laut. „Fünf Elemente? Ich dachte es gibt nur vier“, meinte sein kleiner Bruder verwirrt. „Feuer, Wasser, Luft, Erde und was noch?“ „Geist“, meinte Devin selbst von sich überzeugt. „Eh? Woher kennst du dich denn mit sowas aus?“, fragte Justin verwundert. „Ich… ich hab‘s irgendwo mal aufgeschnappt“, meinte Samuel’s Bruder und verschränkte trotzig die Hände vor der Brust. „Er hat zu viel House of Night gelesen“, witzelte der kleine Rothaarige rum und erntete einen Tritt von seinem Bruder. „Also gut. Wasser kann man mit Wasser symbolisieren. Feuer am besten mit einer glühenden Kohle oder etwas das brennt, Erde mir Erde und Luft mit… einem Windrad? Aber wie sollen wir denn bitte Geist symbolisieren?“, hakte ich nach. „Mir nem Bettlaken“, lachte Justin auf. Ich sah ihn missbilligend an. „Ja… genau…“ „Kann man einen Geist nicht auch mit der Seele vergleichen? Jeder Mensch hat eine, also kann doch einer die Rolle des Elements übernehmen“, sagte auf einmal Luka. Alle sahen ihn erschrocken an. Er hatte sich bis jetzt noch kein einziges Mal zu unserem Vorhaben geäußert. Niemand wusste so Recht, was man darauf antworten sollte. „Das… wäre eine Möglichkeit“, meinte Samuel nach einer Weile. „Also gut. Da wir nicht mehr allzu viel Zeit haben schlage ich vor, dass wir das wie folgt machen. Jemand geht raus und holt etwas Erde. Für Feuer können wir ein Feuerzeug benutzen. Was den Geist angeht schätze ich, wird einer von euch die Rolle übernehmen. Wir haben nur das Problem, dass wir hier kein Wasser oder irgendwas für Wind haben“, durchdachte Greg und ließ es uns alle wissen. „…Ich hab was zu trinken dabei…“, meinte Samu so ganz nebenbei und zug ein Trinkpäckchen aus seiner Hosentasche. „Alter… Warum hast du so nen scheiß dabei?“, wollte Devin wissen. „Hatte Durst…“, kam lediglich als Antwort. „Also… dann fehlt uns nur noch eine Sache“, sagte ich und überlegte. Womit könnte man Luft symbolisieren? „Hier isses doch eh windig“, beschwerte sich Justin und zog sich den Reißverschluss seiner Jacke ganz zu. „Oke gut, dann lassen wir das jetzt so wie es ist und fangen an.“ Greg nahm sich die Kreide aus der Tasche und schritt in die Mitte der Halle. Dann setzte er die Kreide an und ging in Zickzacklinien über den Boden. „Was genau malst du da?“, fragte Devin und versuchte sich einem Überblick zu machen. Die Taschenlampen konnten das Gesamtbild nicht umfassen. „Ein Pentagramm. Und jetzt kommt an jede Spitze eine Kerze. Gut dass ich diese Grableuchten mitgenommen habe, die gehen nicht so schnell aus bei dem Wind“, erläuterte er sein Vorhaben. Wir nahmen uns jeder eine Kerze und stellten sie an eine der fünf Ecken, welche wir erst einmal suchen mussten. Nach getaner Arbeit ging Greg herum und zündete alle Dochte an. „Okay, als nächstes gehe ich herum und jeder muss sich in die Hand schneiden und etwas Blut in dieses Schälchen tropfen lassen!“ „Das ist doch absurd“, meinte Devin angeekelt. „Mach es doch einfach. Schon vergessen was Greg gesagt hat?“, erinnerte ich ihn und der Braunhaarige nickte ergebend. Wir benötigten nun keine Taschenlampen mehr, da die Kerzen genügend Licht spendeten um uns den Platz etwas zu erhellen. Greg machte langsam die Runde und wartete geduldig auf uns, danach stellte er sich in die Mitte und schnitt sich ebenfalls in die Hand. „Nehmt bitte einen Platz in den Zacken ein“, wies uns der Schwarzhaarige an und setzte sich auf den Boden. Ziemlich schnell hatte jeder einen Platz gefunden und wartete geduldig, dabei die Taschentücher auf die Wunden haltend. „Okay, laut meiner Uhr ist es jetzt kurz vor zwölf… man haben wir uns Zeit gelassen“, murmelte Greg und überflog noch ein letztes Mal die Seiten. „Dann müssen wir noch warten bis es Mitternacht ist…Erzählt doch mal so, was bei euch die Woche über abging“, wechselte er wie selbstverständlich das Thema. „Alter… ernsthaft?“, seufzte Luka und verschränkte die Arme. Wir vertrödelten dann aber wirklich noch die letzten paar Minuten mit quatschen. Um Punkt zwölf klingelte Greg’s Wecker, welchen er vorsichtshalber gestellt hatte. „Dann beginnen wir mal…“ Greg stand auf und räusperte sich: „O nox, Noctis concitare meus animus somnus tenuis et leniter ad hoc necare plerumque, vestire semper in ater vestimentum plaga meus cordis in altus pectus spirare ego ater aer nam in umbra hic ponere noster volupas .” Greg wiederholte diesen Spruch bestimmt drei Mal und schwenkte immer wieder das Schälchen mit dem Blut herum, doch wie zu erwarten geschah…nichts. „Ich hab doch von Anfang an gesagt dass das Schwachsinn ist. Was genau sollte dieser Zauber überhaupt bewirken?“, fragte der ältere der Kijen Brüder erbost. „Keine Ahnung“, murmelte Greg. Er war sichtlich enttäuscht, dass es schon wieder nicht geklappt hatte. „Am besten wir vergessen den Mist einfach…“, mischte sich Luka ein und blas die Kerze hinter sich aus. Wir taten es ihm gleich. Nachdem wir noch ein paar Worte ausgetauscht hatten, ging jeder wieder seiner Wege. Unsere Eltern waren natürlich keineswegs darüber erfreut, dass wir mitten in der Nacht noch herumgeistert waren und so erhielt, zumindest ich, einen riesigen Anschiss zu Hause. Meine Mutter war es jedoch am Ende leid mir jedes Mal Hausarrest zu geben, deswegen verschwand ich einfach in meinem Zimmer, machte mich bettfertig und ging schlafen. Irgendwie hatte das vergangene dennoch ein aufregendes Kribbeln in meiner Magengegend hinterlassen, welches es mir auch sichtlich erschwerte schnell einzuschlafen. Als mir dann doch gegen drei Uhr morgens langsam die Augen zufielen hätte ich schwören können, einen kalten Lufthauch gespürt zu haben. Das war komisch… denn ich hatte ja gar kein Fenster aufgehabt! Montag der darauffolgenden Woche: …„Treffen wir uns heute Abend in der Halle!“, grinste Greg. „Warum erst heute Abend?“, wollte ich wissen. „Weil ich noch was zu erledigen habe“, kam als Antwort. Ein zustimmendes Geraune ging durch die Runde. Mir war klar, dass niemand so wirklich Bock darauf hatte aber Greg zur Liebe machten wir alle mit. Gegen sieben Uhr machte ich mich auf den Weg zu unserem Treffpunkt, im Schlepptau das dicke, alte, schwarze Buch. Warum? Warum mach ich diesen Scheiß schon wieder? Und jetzt fängt Greg auch noch an irgendwelche fremden Leute mit da reinzuziehen. Devin hatte Recht, Greg ist wirklich von diesem Buch besessen! Pünktlich wie immer schritt ich durch den Eingangsbereich auf die Sofa’s zu, wenige Minuten später folgten Luka und Justin. Zuletzt kamen Greg und die Brüder an. „So und wo ist nun dein neuer Kumpel?“, fragte Luka und sah sich um. Von diesem Lucien war noch nirgendwo eine Spur zu sehen. „Er wird bestimmt gleich kommen. Es hat ja auch ein bisschen gedauert ihm den Weg zu erklären“, verteidigte Greg ihn und nahm auf einem Sofa Platz. Die Dämmerung war schon im vollen Gange und somit wurde es immer dunkler in dem Gebäude. Plötzlich hörten wir ein Knacken, dann ein Rascheln und Schritte, welche immer näher kamen. Doch es mussten mehrere Personen sein, denn dazu waren sie nicht gleichmäßig genug. „Sind sie das?“, hörten wir auf einmal eine tiefe Stimme. „Ja. Und er müsste das Buch haben“, antwortete eine andere Stimme. Sie war ebenfalls tief, aber dennoch irgendwie bekannt. „Wer seid ihr und was wollt ihr hier?“, rief Justin ihnen mutig entgegen. „Sorry, hab deinen Namen vergessen“, sagte die zweite Stimme. Die Person kam mit funkelnden, weißen Augen näher. „Schon klar dass ihr mich nicht erkennt. Ich sah das letzte Mal leicht verändert aus“, lachte er auf. Je näher er kam, desto bekannter kam mir das Gesicht vor. Seine blonden Haare schienen in der Dunkelheit wahrlich zu leuchten. „Ist das nicht Lucien?“, wandte ich mich an Luka welcher neben mir stand. Aufgrund der plötzlichen Besucher waren wir alle aufgesprungen. Die andere Person, welche gut einen Kopf größer als Lucien war, kam ebenfalls näher. Seine Augen blitzten ebenfalls auf und begannen türkis und golden zu glühen. „Scheiße man, was seid ihr?“, rief Justin panisch aus und wich einen Schritt zurück. „Dein schlimmster Albtraum“, grinste Lucien und sprintete auf uns zu. Im Sekundenbruchteil hatte er meinen Freunden das Genick gebrochen und stand dann vor mir. Ich zitterte am ganzen Leib und sah ihn mit großen, vor Schreck geweiteten Augen an. „Damien… gib mir das Buch“, knurrte er bedrohlich. Ich konnte mich keinen Millimeter bewegen, war wie zu einer Salzsäule erstarrt. „Gib mir das Buch!“, knurrte er noch einmal und endlich reagierte ich. Ich griff hinter mich auf das Sofa und machte meinen Rucksack auf, doch unser Blickkontakt wurde keine Millisekunde unterbrochen. „Braver Junge“, sagte er mit einer zuckersüßen Stimme und riss mir das Ding aus der Hand. Er besah es sich genauer und wandte sich dann an die Person hinter ihm. „Das ist es“, ließ er seinen Kumpanen wissen und warf ihm das olle Teil zu. Was war daran so wichtig, dass sie meine Freunde umbringen mussten? Wer oder was waren sie? Menschlich sahen sie jedenfalls nicht aus. Was würde jetzt mit mir passieren? Bläute mir das gleiche Schicksal wie meinen Freunden? Ich blickte zu meinen Seiten und betrachtete ungläubig die schlaffen Körper. Vor wenigen Minuten hatten wir uns noch über belanglose Dinge unterhalten und jetzt? Jetzt waren sie alle tot und ihr Mörder stand immer noch vor mir. Dieser wandte sich nun um und grinste süffisant. „Ich danke dir für deine Hilfe.“ Dann spürte ich noch, wie sich kühle Finger um meinen Nacken legten, ein Knacken ertönte und dann war alles Schwarz um mich… ~Rückblende~ Pey: Anna sah mich entgeistert an, dann blickte sie zu Rel. „Du hast ihnen einfach das Genick gebrochen?“, fragte sie mit rauer Stimme. Je mehr ich erzählt hatte, desto weiter war ihr die Kinnlade herunter gefallen. „Ich hätte sie ja auch bei lebendigem Leib häuten können“, grummelte der Angesprochene muffelig. „Aber wie… ihr seid gestorben… wie kann das möglich sein?“ Sie war noch verwirrter als zuvor. „Innerhalb dieser 12 Monate hätten sie nicht sterben dürfen, dann wäre das Ritual ungültig geworden und sie hätten ihr Leben normal weiterführen können“, erklärte ihr Rel monoton. „Aber da musste ja jemand kommen und uns alle umbringen“, grummelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Passiert nun mal wenn man das Eigentum von anderen benutzt.“ „Das konnten wir ja nicht wissen!“, meinte ich nun miesgelaunter als vorher. „Und… was ist mit Greg passiert?“, wollte Anna wissen. „Er hat nicht aktiv am Ritual teilgenommen. Daher war der Genickbruch für ihn wirklich tödlich. Außerdem meinten ja zwei gefräßige Dämonen an ihm herumknabbern zu müssen.“ Meine Augen verzogen sich zu kleinen Schlitzen und trafen Rel’s Blick. „Wir hatten Hunger“, verteidigte er sich. „Jedenfalls… als wir nach einer gefühlten Ewigkeit wieder wachgeworden sind, waren Rel und Raym immer noch da und waren sichtlich verärgert, dass wir wieder am Leben waren“, erzählte ich der Braunhaarigen. „Und trotzdem seid ihr zusammen weiter gezogen?“ „Raym hatte ein schlechtes Gewissen“, lachte Rel kopfschüttelnd. „Ein Mörder der Gewissensbisse hat nur weil er ein paar Jugendliche in Dämonen verwandelt hat. Schon echt witzig.“ „Aber… was war mit euren Eltern?“, fragte mich Anna etwas verunsichert. „Wahrscheinlich haben sie uns schon längst für tot erklärt… Außerdem waren wir noch so lange in der Stadt, bis die Polizei Greg’s Leichnam gefunden hatte. Danach sind wir gegangen und haben alles hinter uns gelassen…“ Meine Stimme war etwas geknickt. Anfangs hatte ich meine Schwester und meine Mutter noch sehr vermisst, besonders für Piwi war es damals schlimm gewesen, da er ja der Jüngste von uns gewesen war. Aus Wut und Frustration war er damals wirklich sehr oft ausgetickt und konnte nur durch Pira wieder beruhigt werden. Anna nickte verstehend, doch auf einmal veränderte sich ihr Ausdruck. „Ich.. ich habe eine kleine Bitte“, sagte sie etwas kleinlaut. Ich wurde hellhörig. „Was denn?“, wollte ich wissen. „Ich muss zurück zum Internat. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt…“ Rel und ich tauschten kurz einen Blick aus. „Das geht nicht“, meinte der Blondhaarige bestimmt. „Bitte! Es ist nur diese eine Sache!“ Nun schüttelte auch ich den Kopf. „Da muss ich Rel zustimmen. Das steht außer Frage dass du raus kannst. Wenn du entdeckt wirst ist das Trara wieder riesengroß.“ Sie zog einen Schmollmund. „Bitte. Wir können auch nachts kurz vorbeigehen. Ich muss wissen wie es Rachel geht. Sie klang total aufgewühlt-“ „Warte was? Du hattest Kontakt zu ihr?“, unterbracht Rel sie augenblicklich. Er sah sie mit einem düsteren Blick an. „Nein… Also nicht so wirklich… Ich hatte mein Handy bei Piwi versucht aufzuladen und habe dort gesehen das Rachel mir so viele Nachrichten geschrieben hatte. Und da waren so viele verpasste Anrufe und-“ „Oh man, ich glaubs nicht. Bist du denn des Wahnsinns? Das Signal kann zurückverfolgt werden! Die Bullen werden bei Piwi zu Hause auftauchen und jeden im Haus befragen. Was, wenn dich da jemand gesehen hat?“ Rel war aufgestanden und raufte sich die Haare. Das hatte gerade noch gefehlt. „Aber, ich habe doch gar keine Nachricht verschickt“, sagte Anna sofort. „Jetzt hör mal zu Schätzchen. Du bist doch nicht von gestern um zu wissen, dass ein Handy ein Signal von sich gibt wenn die Nachricht verschickt wurde, wenn sie auf dem anderen Handy angekommen ist und wenn sie verdammt nochmal gelesen wurde!“ Rel stand nun direkt vor ihr. „Wir können nachher ja mal gucken ob die wirklich schon Wind bekommen haben“, meinte ich beschwichtigend. „Sehr wahrscheinlich liegt das kaputte Handy auch noch da rum. Wenn sie es finden haben wir ein Problem!“ Kapitel 13: Eiserner Irrgarten ------------------------------ Eiserner Irrgarten Anna: Rel lief vor mir auf und ab. Das hatte ich komplett vergessen, dass mein Handy sofort geortet werden konnte, sobald es angeschaltet wurde und eine Verbindung zum Internet bestand. Der Blondhaarige hatte eine nachdenkliche Miene aufgesetzt. Anfangs hatte ich noch gedacht, dass er jetzt wieder total ausrasten würde, aber komischerweise blieb er ruhig. Naja, einigermaßen zumindest. Als nun auch die Restlichen im Wohnzimmer eingetrudelt waren, begann er seine Überlegungen kundzutun. „Piwi, Pira, Bana. Ihr drei fahrt zur Wohnung sobald es angefangen hat zu dämmern. Um diese Uhrzeit sollte keine Streife mehr vor dem Haus lungern, es sei denn sie beobachten es. Da jedoch nicht klar sein sollte, aus welcher Wohnung das Signal kam, müssten sie morgen oder an einem anderen Tag wieder kommen. Wir müssen die Beweise so schnell wie möglich beseitigen. Am besten, ihr bringt den Müll mit und wir entsorgen es hier.“ „Und was ist, wenn wir doch angehalten werden und die in die Wohnung wollen?“, hakte der Rothaarige nach. „Dann lasst ihr sie hoch in die Wohnung und schmeißt sie von der Terrasse. Der Sturz aus dieser Höhe sollte sie regelrecht zerfetzen lassen.“ Mir wurde schon bei der Vorstellung schlecht. Wie konnte Rel so etwas Grausames sagen? So, als sei es etwas ganz normales, dass jemand aus dem siebten Stock sprang. Selbstmord bei einem zu untersuchenden Fall? Kam ja ganz bestimmt alltäglich vor. „Das fällt doch noch mehr auf“, mischte ich mich nun doch ein. „Ach sei doch leise. Deinetwegen haben wir dem ganzen Mist am Laufen!“, fuhr mich der Älteste von ihnen an. „Wenn das also wirklich der Fall sein sollte, packt ihr alle verdächtigen Sachen ein und nehmt sie mit hier her.“ „Warum? Wir könne sie doch einfach am Leben lassen und versuchen die Beweise zu verstecken. Wir sind zu dritt, also sollte es kein Problem sein, dass einer von uns die Teile schnell aufsammeln kann und-“ „Junge, raffst du es nicht? Die werden deine Wohnung durchsuchen und sie werden was finden. Wenn sie den Schrott nicht finden, werden sie andere Sachen entdecken, wenn du weißt, was ich meine. Also was ist bitteschön nicht zu verstehen wenn ich sage, dass ihr sie beseitigen sollt? Meinetwegen könnt ihr sie auf vertilgen, aber es läuft aufs Gleiche hinaus. Der Gestank von den verwesenden Teilen die übrig bleiben, wird sich im ganzen Haus verteilen und dann bist du erst Recht dran“, unterbrach Rel Piwi. Dieser setzte nun ein grimmiges Gesicht auf. „Das bedeutet, dass ich jetzt so oder so die Wohnung aufgeben muss?“ „Ja“, seufzte Rel resigniert. Pira’s Bruder sah mich mit einem missbilligenden Blick an. „Danke auch.“ Ich versuchte ein entschuldigendes Lächeln zustande zu bringen. „Kann ich nicht auch mitkommen? Ich möchte ungern hier bleiben…“, murmelte Baka etwas bissig. Ich war der festen Überzeugung, dass ich es mir mit ihm verscherzt hatte. Er blieb immer noch sehr auf Abstand. „Meinetwegen.“ „Und wenn jetzt niemand da ist, dann reicht es, wenn wir die Teile mitbringen?“ Rel nickte. Gut eine Stunde später machten sich die Jungs auf den Weg. „Hoffentlich ist niemand da“, murmelte ich. „Wenn doch dann kannst du mit dem Gedanken leben, dass die Opfer auf deine Kappe gehen“, zischte der Blondhaarige. Pey seufzte und stand auf. „Ich hab Hunger, kommst du mit?“, fragte er seinen Gegenüber. „Du lässt sie hier alleine?“ Rel zog eine Augenbraue hoch. „Anna läuft nicht weg. Zumindest kommt sie wieder zurück.“ Ich blitzte den Jungen mit den eisblauen Strähnen von unten herab an. „Ja super. Damit sie in der Stadt rumrennen kann, sich Hilfe holt, wieder zurück kommt und wie alle draufgehen?!“ „Nein, sowas mache ich nicht!“, warf ich dazwischen. „Und dennoch wolltest du zu deiner Schule… Denkst du wirklich dass es eine schlaue Idee ist, sie hier zu lassen?“ Pey nickte. Der Oberdämon sah mich prüfend an. „Wenn du noch mehr Schwierigkeiten machst, vergrab ich dich bei lebendigem Leib! Glaub mir, Kleines, ich gebe keine leeren Versprechungen!“ Ich schluckte, nickte jedoch sofort. „Ich gehen nicht weg. Keine Sorge.“ Nachdem auf die beiden weg waren atmete ich erleichtert aus. Es musste einfach alles glattlaufen, es musste! Ich wollte nicht, dass noch mehr unschuldige Menschen ihr Leben ließen und erst Recht nicht wegen mir. Ach hätte ich doch einfach mein Handy ausgelassen, dann würde ich jetzt nicht in diesem Schlamassel sitzen. Aus Langeweile und einem aufkommendem Hungergefühl machte ich mich in die Küche und bereitete etwas zu Essen vor. Aus dem Küchenfenster konnte ich in der Ferne die blinkenden Lichter der belebten Stadt sehen. Was Rachel jetzt bloß machte? Hatte sie die Hoffnung schon längst aufgegeben, da ich ihr nicht geantwortet hatte, oder hatte sie neue Hoffnung geschöpft, weil sie vielleicht gesehen hatte, dass ich ihr schrieb? Es war einfach zum Verzweifeln! Mit einem Brot in der Hand stellte ich mich wieder an das Fenster und blickte hinaus. Das war mal eine kleine Ablenkung von dem langweiligen Zeug hier in der Wohnung. Pey sollte sich langsam mal andere Dinge anschaffen, sonst starb ich hier wahrscheinlich noch vor Langweile! Bis Rel und Pey wieder hier waren, verging bestimmt noch einige Zeit, vielleicht sollte ich mich doch wagen mal kurz vor die Tür zu gehen. Nur einen klitzekleinen Moment… Aus dem Stapel an Klamotten welche Pey mir besorgt hatte zog ich einen schwarzen Kapuzenpullover und eine dunkle Jeans hervor. Ich wollte mich der Nacht anpassen, damit ich nicht auffiel. Mir fehlte es einfach unter normalen Menschen zu sein. Mit unsicheren Schritten tapste ich die Treppe herunter und zog die Haustür auf. Ich werde mich beeilen. Sie werden gar nicht wissen, dass ich weggewesen bin. Mein Tempo steigerte sich ein bisschen und so ging ich mit großen Schritten in Richtung der blinkenden Lichter. An einer wenig befahrenen Straße hielt ich an und sah mich um. Vielleicht konnte ich mich ja nun besser orientieren und wusste vielleicht sogar, wo ich war. Doch leider kam mir keines von den Gebäuden bekannt vor. Ich bog nach rechts ab und lief die Straße entlang, bis ich tatsächlich zu einem etwas größeren Platz kam und auf ein paar Leute traf. Die Kapuze hatte ich mir tief ins Gesicht gezogen, die Hände in meine Pullovertaschen gesteckt. Den Blick hatte ich gen Boden gerichtet und war darauf bedacht, dass ich auch ja nicht zu lange weg blieb und mir behielt, wo ich wieder hin zurück musste. Eigentlich war es schon ziemlich dumm von mir, dass ich tatsächlich wieder zurückgehen wollte, doch dann vielen mir meine Überlegungen von neulich wieder ein: Sie würden mich finden und Rel würde mich töten. Der Blondhaarige würde mich auch jetzt töten, wenn er wüsste, dass ich weg war. Langsam wurde mir etwas mulmig zumute und ich blieb stehen. Ich musste wieder zurück, sonst würden sie es bemerken. Rel würde es bemerken. Pey wäre es bestimmt egal gewesen, da er mir blind zu vertrauen schien, dass ich nicht abhaute oder mir von irgendjemandem Hilfe holte. Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe. Wie viel Zeit war schon vergangen? Waren sie schon wieder zu Hause? Ich drehte mich um und wollte gerade zurückgehen, als mich jemand an der Schulter festhielt. „Na Kleine, was machst du denn noch um diese Uhrzeit alleine hier draußen? Wie alt bist du denn?“ Ich schluckte und drehte mich erschrocken um. Es war ein großer Junge mit kurzen, dunklen, strubbeligen Haaren. Weiter hinten konnte ich ein Grüppchen Jugendlicher erkennen, die vielleicht in meinem Alter waren. Ich zog meine Schulter zurück und begann zu laufen, doch nur wenige Sekunden später spürte ich wieder eine Hand auf der Schulter. „Warum denn so schüchtern? Willst du nicht mit uns mit kommen? Wir können bestimmt viel Spaß haben“, grinste er mich an. „Lass mich los!“, fauchte ich und wand mich aus seinem Griff, doch er packte fester zu. „Hey, hey. Was bist du denn so zimperlich? Ich mache dir hier so ein großzügiges Angebot und willst einfach abhauen? Das ist aber nicht nett, weißt du?!“ „Verdammt, lass mich los!“, rief ich nun etwas lauter. Meine Kapuze rutschte zurück und ich funkelte ihn wütend an. „Dich kenn ich doch… Bist du nicht diese…“ „Finger weg, du kleiner Bastard“, vernahm ich plötzlich ein Knurren hinter meinem Rücken. Ich schluckte und wäre am liebsten in einem Erdloch versunken. Warum musste ausgerechnet er hier sein? „Verdammt“, zischte ich und versuchte mich abermals aus dem Griff des Jungens zu lösen. „Bist du nicht das Mädchen, was die ganze Stadt sucht?“ „Keine Ahnung wovon du redest“, log ich. „Ich hab gesagt, du sollst sie los lassen!“, knurrte Pey erneut. „Was willst du eigentlich?“, fuhr der Junge, welcher mich einfach nicht loslassen wollte, Pey an. „Was ist so schwer an seinen Worten zu verstehen, du Flachpfeife. Wenn du sie nicht loslässt und sofort die Fliege macht, brech ich dir dein Genick, verstanden?“, erklang nun die bittersüße Stimme des Blondhaarigen. Das hatte gerade noch gefehlt. „Hast du nicht gesagt, du bleibst in der Wohnung?“, wandte er sich nun an mich. „Es… es tut mir leid“, war das einzige, was ich noch zustande brachte. „Das klären wir später“, murmelte er dicht neben meinem Ohr, dann bemerkte ich aus den Augenwinkeln eine Hand, welche sich um das Handgelenk des Jungens schloss und seinen Griff um meine Schulter lockerte. Erst jetzt bemerkte ich den stechenden Schmerz, welchen seine Finger hinterlassen hatten. Das gab bestimmt blaue Flecken! Doch kaum dass sich diese Hand von meiner Schulter gelöst hatte, legten sich zwei starke Arme um meine Taille und zogen mich an einen gut durchtrainierten Oberkörper. „Komm wir gehen“, flüsterte Pey in mein Ohr und zog mich mit sich. „HEY! Du kleiner Spast kannst sie doch nicht einfach mitnehmen! Seid ihr etwa die Kerle die sie entführt haben?“, schrie er uns hinterher. „Fresse zu, du Würmchen. Keine Ahnung wovon du eigentlich redest, aber besorg dir mal ne Brille, bevor du hier wildfremde Leute anblaffst, verstanden?“, knurrte Rel bedrohlich zu ihm. „Aber sie… sie sieht ihr so ähnlich!“ „Tja, Zufälle gibt’s. Und jetzt verzieh dich mit deinen Schoßhündchen.“ Jetzt erst hatte ich bemerkt, dass wir einige Blicke auf uns gezogen hatten. So wie ich Rel einschätzte, hätte er dem Typen lieber den Kopf abgerissen, als ihn mit dieser Lüge laufen zu lassen. „Kannst du eigentlich auch was anderes, außer Ärger machen?“, fragte mich der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen, als wir in einem normalen Schritttempo zurückliefen. „Es tut mir so leid“, wimmerte ich schon beinahe und vergrub seitlich mein Gesicht in seinem Sweatshirt. „Ist schon gut. Ich kannst ja irgendwie verstehen“, meinte er und streichelte mir über den Kopf. „Nichts ist gut“, vernahm ich nun von meiner linken Seite Rel’s verärgerte Stimme. „Die Leute suchen nach dir und da fällt dir nichts Besseres ein, als in die Stadt zu rennen, wo dich jeder erkennen kann?“ Komischerweise hatte er nicht diese angepisste Stimmlage, sondern eher eine mahnende. „Ich… ich musste einfach mal wieder unter normale Menschen.“ „Tze, das is ja schon ein bisschen beleidigend“, meinte nun Pey in einer leicht beleidigten Stimme. Mein Kopf wurde hochrot. Er musste doch verstehen wie ich das meinte. „Vielleicht ist eine kleine Bestrafung an dieser Stelle angebracht“, murmelte Rel in seiner leicht sadistischen Stimme und kaum dass ich reagieren konnte, bekam ich nur noch mit, wie mein Oberkörper zusammenklappte. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, spürte nicht den harten Asphalt unter meiner Wange. Meine Augen waren nur leicht geöffnet doch egal wie sehr ich mich dazu zwang, weiter gingen sie nicht auf. „Spinnst du? Du kannst sie doch nicht ausknocken!“, hörte ich aus einiger Entfernung Pey’s hysterische Stimme. „Siehst du doch“, lachte Rel und kniete sich vor mein Gesicht. „Ich hab doch gesagt ich mach keine leeren Versprechungen“, flüsterte er in mein Ohr und hob mich hoch. „REL! Wag es dich sie zu vergraben!“, schrie Pey hinter uns. „REL!“, rief er noch etwas lauter, doch seine Stimme hallte nur noch aus weiter Ferne zu meinem Gehör. Seine Stimme wurde immer leiser, bis sie irgendwann verschwand. Um mich herum sah ich Gebäude vorbei huschen, sie verschwammen zu einem langen, grauen Streifen und ich erkannte irgendwann gar keinen Unterschied mehr. Das taube Gefühl verschwand von Minute zu Minute und ich spürte, wie mich der Blondhaarige an seinen Oberkörper presse und einen unbekannten Weg entlang rannte. Er ist so schnell… Kann Pey auch so schnell rennen? Wohl kaum, sonst hätte er Rel aufgehalten. Was wird er mit mir anstellen? Wird er mich wirklich vergraben? Nein, bitte nicht! „Ws..hst du vor?“, nuschelte ich mit meinen noch leicht tauben Lippen. Sie klebten aufeinander, als wären Gewichte daran befestigt. Der Blondhaarige antwortete nicht, verlangsamte jedoch sein Tempo. „Rel?“, versuchte ich es noch einmal. „Klappe“, zischte er. Wenig später blieb er stehen und setzte mich ab. Mein ganzer Körper fühlte sich schwer wie ein Sack Kartoffeln an, also hockte ich zusammengekauert auf dem Boden. Hinter mir höre ich irgendwas aufbrechen, dann etwas zerbersten, dann war alles leise. Nur sehr schwerfällig schaffte ich es, mich herumzudrehen. Was auch immer der Kerl eben mit mir gemacht hatte, es hatte mir ziemlich heftig zugesetzt. Rel hatte mich zu einer Art Schrottplatz gebracht und machte sich an einer komischen Truhe zu schaffen. Oh nein, er zieht es wirklich durch! Ich muss hier weg! Sofort! Auch wenn meine Beine noch Wackelpudding ähnelten schaffte ich es dennoch auf die Beine und schleppte mich voran. Er durfte das nicht machen! Wenn er mich wirklich begraben würde, dann würde ich sterben, hundertprozentig! Tausend Nadelstiche hämmerten durch meine Waden und ließen meinen ganzen Körper kribbeln. So allmählich kehrte doch das Gefühlt wieder zurück und ich musste mich beeilen. Er würde mich bestimmt schnell einholen, also musste ich mich irgendwo verstecken. Ein lautes Klacken ertönte und der Platz erhellte sich. Riesige Scheinwerfer erleuchteten jeden noch so kleinen Winkel, ich hatte also keine Chance mich zu verstecken. Kurz nach dem Erleuchten der Scheinwerfer zog sich ein komischer Piepston über den Platz, so als würde jemand etwas an Lautsprecher oder ähnliches anschließen. „Du willst verstecken spielen, meinetwegen gern. Du hast einen Vorsprung von genau zwei Minuten. Hier steht der Hauptgewinn“, ertönte Rels Stimme. Sie hallte über den ganzen Platz, doch ich konnte nicht sagen von woher genau. Plötzlich leuchtete ein anderer Scheinwerfer auf und erleuchtete die Truhe, an welcher er sich eben noch zu schaffen gemacht hatte. Sie war aufgeklappt, machte dadurch eine einladende Geste. Glaubte er wirklich, dass Pey das durchgehen lassen würde? Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen würde mich finden, daran glaubte ich felsenfest. Er würde nicht zulassen, dass mich dieser Gestörte tötete. Warum hatte ich den Blondhaarigen nicht ernstgenommen? Wäre ich in der Wohnung geblieben, wäre er vielleicht nicht so weit gegangen. Er hätte sich einen anderen Weg gesucht, dich zu beseitigen. Du bist ihm doch schon die ganze Zeit ein Dorn im Auge! Der schrille Ton ertönte erneut und plötzlich begann ein Lied an zu spielen und wurde immer lauter. Dieser Kleine Psycho! Whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh Whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh Whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh Whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, I wish there was another way out Voices won't go away They stay for days and days They say some awful things, ways to make you fade away I don't think no one's home And we're just here alone I better find you first, before you find the phone You better run, better run, better run, yeah I'm coming after you When you're sleeping at night, yeah there's nothing you can do There's no place you can hide cause I'm coming after you I wish there was another way ou-ou-ou-ou-oooouuuut for you I wish there was another way ou-ou-ou-ou-oooouuuut for you I wish there was another way out (whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh) I wish there was another way out (whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh) I wish there was another way out You gave up, I'll check and see No one cares less than me Dead wrong I guess you'll be These voices won't let you leave Got you down on bended knee What should my next weapon be? It's over, you can't breathe Just sleep now, rest in peace You better run, better run, better run, yeah I'm coming after you When you're sleeping at night, yeah there's nothing you can do There's no place you can hide cause I'm coming after you I wish there was another way ou-ou-ou-ou-oooouuuut for you I wish there was another way ou-ou-ou-ou-oooouuuut for you I wish there was another way out (whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh) I wish there was another way out (whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh) I wish there was another way out Break you down, now put it back together again I'll break you down, now put it back together again Break you down, now put it back together again I'll break you down, now put it back together again I wish there was another way out (whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh) I wish there was another way out (whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh, whoa-oh-oh) I wish there was another way out I wish there was another way out Ich hetzte über den Platz, kam immer mehr zu Kräften und suchte verzweifelt nach einem Ausgang. Er musste hier ganz in der Nähe sein, denn ich hörte wie er meinen Namen rief. „Anna~ Dir ist doch klar, dass meine Sinne ausgeprägter sind, als die meiner Abkömmlinge? Ich weiß wo du bist, ich kann deine Aufregung spüren. Wäre aber zu Langweilig, wenn ich dich jetzt schon fangen würde, oder nicht?“ Das Lied wechselte zu einem etwas langsameren. Don't even try to save me tonight Don't even try to save me tonight Don't even try to save me tonight Cause I don't know No I don't know But here I go Here I go Here I go But here I go Here I go Love's a drug, I'm an addict Ditch my heart just to kick the habit People might think I'm problematic Fuck it I'm alone in a world of static Tragic but I stand alone With an empty chest it's a dial tone And I must confess so pick up the phone And If there's nothing left, then I'm leaving home Living in the shadow of someone else Till I took a deep breath and I found myself Heard the bang from the ricochet Maybe I was born just a cast away I'll stay away from This pain I came from Can't run away from What's been said and done With all these days gone Been fighting so long I can't break away from it all Don't even try to save me tonight Don't even try to save me tonight Don't even try to save me tonight Cause I don't know No I don't know But here I go Here I go Here I go But here I go Here I go So easy to hate with no one to love It's hard to dream what I'm thinking of So hard to watch when I'm starting to run And now it's all over, overdone I'm just a victim with this, sickness within I'm just a memory faded slowly and only the lonely know me Stand on top of a building so Staring down now with the world below Half way to heaven with nowhere to go Can anybody out there help me? No I'll stay away from This pain I came from Can't run away from What's been said and done With all these days gone Been fighting so long I can't break away from it all Don't even try to save me tonight Don't even try to save me tonight Don't even try to save me tonight Cause I don't know No I don't know Don't even try to save me tonight Don't even try to save me tonight Don't even try to save me tonight Cause I don't know No I don't know But here I go All those times without you, out you Here I go All those times without you But here I go All those times without you, out you All those times without you Here I go Oooohhhh But here I go Oooohhhh Here I go Wenn er glaubte, mich mit seiner Playliste einzuschüchtern, dann hatte er verdammt noch einmal recht. Scheiße, ich machte mir schon fast in die Hose! Es war mitten in der Nacht, ich lief durch ein Labyrinth aus Schrott und wurde von einem Psycho verfolgt, der mich lebendig begraben wollte. In was für eine Scheiße hatte ich mich hier hineinmanövriert? Meine Augen blickten gehetzt von links nach rechts, von rechts nach links. Immer wieder drehte ich mich ruckartig herum und machte dann wieder ruckartig ein paar Schritte nach vorne. Bestimmt beobachtete er mich aus der Nähe und machte sich über mich lustig. Was mir jetzt jedoch erst in den Sinn kam, war der Gedanke, dass uns doch bestimmt jemand bemerken musste. Rel hatte die Lautsprecher auf volle Pulle aufgedreht sodass sogar einzelne Teile um mich herum zu vibrieren zu begannen. Bemerkte man diesen Lärm nicht? Waren wir etwa so weit von der Stadt entfernt? Wo zu Teufel hatte er mich hingebracht? I think I've lost my mind I think I've lost my mind I think I've lost my mind I think I've lost my mind... Kapitel 14: Engelsflügel ------------------------ Engelsflügel Pey: Wo war dieses Arschloch bloß hingerannt? Er hatte sich so schnell mit ihr aus dem Staub gemacht, dass ich sie sofort aus den Augen verloren hatte. Nun folgte ich seinen Fußabdrücken, welche nur schwer zu erkennen waren. Sobald er die Straße verlassen hatte, war er über einen Feldweg in Richtung der nächstgelegenen Stadt gelaufen, das hatte ich dank meines guten Spürsinns herausgefunden. Vielleicht hatte er seine Spuren auch extra nicht beseitigt, weil er wollte dass ich ihnen hinterher lief. Ihm musste doch klar sein, dass ich sie da rausholen würde, komme was wolle. Was hatte er wohl mit ihr vor? Würde er sie wirklich vergraben, weil ich es nicht geschafft hatte? Nein, ich musste das verhindern! Völlig aus der Puste lehnte ich mich an einen Baum an, welcher nur wenige Zentimeter neben mir stand. Aus einiger Entfernung konnte ich ein grelles Licht erkennen und eine Melodie schwappte zu mir herüber. Aber… ist das nicht der Schrottplatz in unserer Nähe? Er wird sie doch nicht dort hingebracht haben? Oh nein, er wird sie doch nicht in die Schrottpresse schmeißen wollen?! Dieser kleine Bastard! Das kann er nicht machen! Die Pause wehrte nicht lange und so rannte ich los, mein Ziel klar vor Augen. Je näher ich dem Platz kam, desto lauter wurde die Musik. Rel wusste, dass kein Mensch im Umkreis von 5 Kilometer etwas von dem Szenario hier mitbekommen würde, da der Platz umsäumt von Bäumen war und nur ein kleiner Pfad hier her führte. Die Arbeiter kamen erst in knappen 7 Stunden, also konnte er sich nach Lust und Laune austoben. Verdammt, wieso hatte ich nicht auf sie aufgepasst? Rel hatte bestimmt nur auf eine passende Gelegenheit gewartet um sie selbst beseitigen zu können. Dieser Wichser! Nur noch knappe 100 Meter trennten mich vom Eingang. Allein an der Band konnte man erkennen, dass Rel dort sein Unwesen trieb. Er hörte diese Gruppe täglich und konnte schon die meisten Texte auswendig. Je näher ich kam, desto deutlicher wurde der Text. … Shut your eyes let darkness lead the fight, say goodnight The rest will watch their future die, buried alive! say goodnight It's time to let out the dead, dead come alive, we wave the flag for the rest of our life So shut your eyes let darkness lead the fight, say goodnight, say good night… Ein greller Schrei erklang, meine Füße schwebten schon fast über dem Boden, so schnell rannte ich. „REL!“, schrie ich und riss das Gittertor auf. „Wo verdammt steckst du?“ Um mich herum dröhnte die Musik aus allen Lautsprechern und ich musste mich konzentrieren. „Antworte gefälligst!“ Natürlich kam er meiner Aufforderung nicht nach und ich suchte auf Hochtouren nach ihnen. Eine Bewegung aus den Augenwinkeln ließ mich zu einem der Schrottberge hinaufsehen. Dort stand der Blondhaarige, hielt Anna in einem festen Klammergriff und versuchte sie in eine Holztruhe zu manövrieren. Die Braunhaarige wehrte sich mit aller Kraft und stemmte sich mit den Füßen an den Öffnungen ab. Anscheinend benutzte er nicht seine ganze Kraft, sonst hätte er sie schon längst in die Truhe gesperrt. Wieder entwich ihrer Kehle ein Hilfeschrei, meine Beine waren wie angewurzelt und ich konnte mich keinen Meter bewegen. Ich musste ihr helfen! Ich musste zu ihr und sie aus seinem Griff befreien! Innerlich schrie ich mich so lange an, bis sich die Erstarrung löste und ich den Berg hinauf kletterte. Der letzte Meter trennte mich von den beiden, als Rel mit einer Hand ihren Kopf packte und ihn mit einem Ruck zur Seite drehte. Ein lautes Knacken ertönte und er wurde rückwärts von ihr weggestoßen. Der Impuls war so stark, dass es auch mich zu Boden riss. „NEIN!“, schrie ich auf und starrte die Truhe an. Ihr Körper war wie ein Klappstuhl in sich zusammengefallen und schlug mit einem hohlen Klong auf der Innenseite der Truhe auf. „Was hast du getan?“, drehte ich mit einem wutverzerrten Blick zu dem Blondhaarigen um, welcher sich langsam wieder aufrappelte. Zuerst sah er mich total irritiert an, bis er begriff warum ich auf einmal so erbost war. „Jetzt reg dich ab“, meinte er und rieb sich seinen schmerzenden Rücken. „Sie war doch eh nur ein zerbrechlicher Mensch!“ „Wie bitte?“, knirschte ich mit meinen Zähnen und stand auf. Ein ruhigeres Lied erklang im Hintergrund. I don't believe in all your demons anymore It's hard to see with any reason from before I lie awake and face these shadows in the night I see the truth through crimson eyes Take me home Take me home where the restless go Reckless to the day I rest my bones There's no use trying to save my soul There's no use trying to save my soul Take me home where the restless go Reckless till the day I rest my bones There's no use trying to save my soul There's no use trying to save my soul Whoa, Whoa There's no use trying to save my soul… Gerade als ich mich auf ihn stürzen wollte, begann der Berg auf den wir standen zu rütteln und ich verlor erneut mein Gleichgewicht und viel vorneüber. „Was zum-“, begann Rel vor mir, verstummte jedoch sofort. Sein Blick verriet mir, dass irgendwas nicht stimmen konnte also drehte ich mich nun ebenfalls um. Die Kiste erstrahlte in einem hellen Weiß, es blendete schon beinahe, so grell war es. Plötzlich erhob sich der braune Schopf aus der Truhe, dann langsam ihr restlicher Körper. Sie schwebte einige Meter über unseren Köpfen und wir mussten uns schützend eine Hand vor die Augen halten. „Was hast du mit ihr gemacht?“ „Scheiße man! Ich hab ihr das Genick gebrochen, mehr nicht!“, antwortete er und stellte sich zu mir. Der grelle Schein um ihren Körper begann zu erlöschen und zog sich regelrecht in ihren Körper zurück. Zuletzt strahlten nur noch zwei schemenhafte Flügel um ihren Körper, doch auch diese verblassten nur einige Sekunden später. Dann sank sie wieder zu Boden, genau in die Öffnung der Truhe hinein. Rel und ich sahen uns ratlos an, bis einige Sekunden später eine Hand am Rand auftauchte und sich die Braunhaarige daran heraufzog. Sie bemerkte unsere irritierten Blicke und sah uns nun ebenfalls mit einem verwirrten Blick an. Als sie Rel erblickte änderte sich der verwirrte Blick zu einem etwas ängstlichen. Ich sah zwischen den beiden hin und her, machte einen Schritt auf sie zu und hob sie aus der Truhe heraus. „Es ist alles gut“, meinte ich und strich ihr sanft über den Kopf. „Wir sprechen später“, wandte ich mich an den Blondhaarigen. Rel konnte nicht anders, als uns verwirrt hinterher zu sehen. „Was ist passiert?“, fragte mich das Mädchen nach einiger Zeit. „Es scheint, dass hinter deinen Kräften eine weitaus größere Sache steckt, als wir bisher angenommen haben“, erklärte ich ihr. „Wie meinst du das?“ Ihre Stimme war etwas rau und sie rieb sich den schmerzenden Nacken. Kein Wunder, da Rel ihr ja angeblich das Genick gebrochen hatte. Wie hatte er das nur hinbekommen? Bis jetzt hatte es noch keiner geschafft, sie umzubringen. Er war doch selbst beim ersten Mal gescheitert, warum hatte er es diesmal geschafft? Oder hatte er nur das Gefühl gehabt sie getötet zu haben? „Wie fühlst du dich?“, fragte ich sie und legte eine Hand um ihre Seite. Rel sollte nicht noch einmal die Möglichkeit bekommen, sie mir wegzuschnappen. „Hab ein bisschen Nacken- und Kopfschmerzen, aber sonst geht es. Was hat er nur eben gemacht?“ Ich verlangsamte etwas meinen Schritt. „Rel meinte, er hätte dir das Genick gebrochen…“ Anna blieb stehen und sah mich mit großen Augen an. „Aber… wenn das wirklich so ist, wie kann es sein, dass ich hier neben dir stehe?“ Ich kratzte mir nachdenklich den Hinterkopf. „Ich habe keine Ahnung. Kurz nachdem du in der Truhe zusammengesackt bist, flog auf einmal dein Körper in die Luft und du hast geleuchtet. Und dann waren da diese komischen, grellen Flügel…“ „Soll das etwa heißen, dass ich tot bin?“, fragte sie entgeistert. All die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. „Nein! Nein, bist du nicht! Du redest doch mit mir, oder nicht? Du lebst!“, versicherte ich ihr und blickte ihr tief in die Augen. „Aber ich-“ „Du bist nicht gestorben. Scheint, als wärst du wirklich unsterblich. Ich habe noch nie einen Engel mit meinen eigenen Augen gesehen“, ertönte hinter uns Rel’s Stimme. Wir drehten uns um und ich schob sie sofort hinter meinen Rücken. Er hielt sich noch leicht den Bauch, schien ihn ja wirklich schwer getroffen zu haben. „Beruhig dich, ich lass sie in Ruhe“, sprach er dann mit erhobenen Händen und lief geradewegs an uns vorbei. „Engel?“, hakte Anna nach und lief schnurstracks ihm hinterher. „Hallo? Er hat dich gerade getötet!“, erinnerte ich sie und schloss zu den beiden schnell auf. „Hab ich nicht. Zumindest war das nicht tödlich für sie. In der Welt muss es immer einen Ausgleich für jedes Geschöpf geben, warum sollten dann nicht auch Engel existieren?“, fuhr der Dämon fort. „Aber, das kann doch gar nicht sein. Es gibt keine Engel! Ich bin kein Engel!“, meinte die Braunhaarige bestimmt. „Denk doch mal nach. Wäre es nicht eine logische Antwort für deine Brutzelfähigkeiten? Und dann noch die Tatsache dass du nicht durch die Hand eines Dämons sterben kannst. Es würde alles passen!“ Anna schüttelte den Kopf. Irgendwie schienen mich die beiden regelrecht zu ignorieren. „Dann hast du eben versucht sie zu töten, schon wieder. Anna, wie kannst du da so leichtfertig mit ihm reden?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ach macht doch was ihr wollt. Ihr habt sie doch nicht mehr alle.“ Beleidigt drehte ich mich zur Seite. Dann sollte sie eben machen, was sie für richtig hielt. Auf unserem Rückweg schwiegen die beiden jedoch. Vielleicht hatte das Mädchen endlich mal realisiert, dass Rel sie gerade wirklich getötet oder zumindest schon wieder versucht hatte zu töten. Sie ging dicht an meiner Seite und hielt meine Hand fest mit ihrer umklammert. Rel schien zu überlegen, über was auch immer. Er wirkte so abwesend, dass er schon fast zweimal gegen einen Baum gelaufen wäre, hätte ich ihn nicht in letzter Sekunde angesprochen. Es wäre wirklich zu witzig gewesen, wenn er sich von uns auf die Schnauze gelegt hätte, jedoch wollte ich ihm dann doch nicht die Blöße vor uns geben. „Wir sollten jetzt mal klare Regeln festlegen“, begann ich, wurde jedoch durch das Klingeln von Rel’s Handy unterbrochen. Dieser zog es mit einem Zug aus seiner Tasche und nahm den Anruf entgegen. „Es sind die Jungs“, meinte er zu uns und stellte sie dann auf Laut. „Na, wie sieht’s aus?“, erkundigte sich der Blondhaarige. „Da stand ernsthaft ein Streifenwagen vor dem Haus“, ertönte Piwi’s angespannte Stimme. „Also habt ihr das gemacht, wozu ich euch geraten habe?“ „So in etwa“, erklang aus dem Hintergrund Pira’s Stimme. „Was soll das heißen?“ Rel’s Stimme war nun ebenfalls angespannt. „Jetzt gib mir das Handy!“, fuhr Bana Piwi an, welcher ihm sogleich auch das Handy übergab. „Wir haben die Bullen in die Wohnung gelassen und Pira hat schnell die Überreste vom Handy unter das Bett gekickt. Es wäre alles so gut gelaufen, hätten sie Piwi nicht den Durchsuchungsbeschluss unter die Nase gehalten.“ Ein Grummeln war aus dem Hintergrund zu hören. „Und weiter?“, hakte Rel nach. „Piwi hat sie machen lassen und sie haben sich umgesehen. Sie haben nichts gefunden und zum Schluss wollte der eine von beiden halt, dass Piwi sein Bett hochklappt. Und er hat sich halt geweigert, also haben die mit den Pistolen herumgefuchtelt und Pira ist dann ausgerastet und hat dem ersten den Kopf abgerissen. Und dann haben wir den zweiten gezwungen, die Leiche seines Partners über den Balkon zu schmeißen…“, beendete Bana seine Erklärung kurz und knapp. „Und dann haben wir ihm den Kopf seines Partners in die Hand gedrückt und ihn gezwungen diesen vom Balkon zu schmeißen. Wusstest du, dass ein zerplatzter Kopf mit einer Melone Ähnlichkeiten hat? Sie sehen nachdem sie auf dem Boden aufgekommen sind identisch aus. Die ganze Hirnmasse hat sich über dem Asphalt verteilt“, lachte auf einmal Baka in den Hörer. Anna neben mir hielt sich eine Hand vor den Mund und gab würgende Geräusche von sich. „Und was habt ihr mit dem anderen gemacht?“ „Ihn gegessen. Und um alles noch ein bisschen dramatischer wirken zu lassen, haben wir die Fenster mit den Resten eingeworfen. Jetzt hängen da noch einige Fleischfetzen an den zersplitterten Scheiben und das Blut is meine ich auch noch am Fenster herunter gelaufen. Ganze schöne Sauerei“, meinte Bana gleichgültig. „Okay dann Treffen wir uns in Pey’s Wohnung. Den Schrott könnt ihr jetzt auch da lassen“, wies Rel die Jungs an, welche alle mit sofortigem Gehorsam antworteten. Wir drei waren mittlerweile vor meinem Haus angekommen und gingen durch die Glastür ins Treppenhaus. „Die ganze Situation hat sich schon wieder zugespitzt. Wäre es nicht besser, wenn wir wieder unseren Aufenthaltsort wechseln?“ Der Blondhaarige zuckte nur mit den Schultern. „Die Polizei wird nach Piwi suchen“, bestärkte ich nun meine Bedenken. „Außerdem schätze ich, dass die Typen von vorhin auch zu den Bullen rennen. Dann suchen sie die ganze Gegend nach Anna ab.“ Abermals zuckte Rel mit den Schultern und schritt durch die Wohnungstür, welche ich soeben geöffnet hatte. „Rel?“ „Vielleicht hast du Recht. Ich würde ungern die gleiche Situation wie vor ein paar Jahren heraufbeschwören.“ Seine Worte enthielten einen gewissen traurigen Unterton. Damals, als wir nicht auf uns aufgepasst und uns richtig hatten gehen lassen wurde ein Klerikerzirkel auf uns aufmerksam und machte kurzen Prozess mit uns. Raym hatte sich damals für uns geopfert, damit wir fliehen konnten. Rel war die darauffolgenden Wochen nicht mehr er selbst und mordete noch schlimmer als ohnehin schon. Das war seine Antwort auf den Verlust seines Bruders gewesen. Rel hatte sich von dem Tod seines Bruders nur schwer erholt und tickte heutzutage auch ab und an mal aus. Wir waren es gewöhnt und ahnten daher schon einige Tage vorher, wann es wieder ausarten würde, daher hielten wir uns dann immer von ihm fern. Kurz nach Raym’s Tod wollte sich ein junger Dämon unserer kleinen Gruppe anschließen, welcher jedoch zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort aufgetaucht war. Rel hatte ihn regelrecht in Stücke zerfetzt, weil er sich erdreistet hatte uns anzusprechen. Das musste man erst einmal begreifen! Rel war wirklich wegen jeder Kleinigkeit ausgetickt. Jetzt war er komischerweise wieder komplett gechillt und immer noch leicht abwesend. Was war denn los mit ihm? So kannte ich ihn gar nicht. Kaum eine Stunde verstrich und die Jungs kamen endlich in die Wohnung zurück. Piwi hatte eine betrübte Miene aufgesetzt, war er doch jetzt derjenige, welcher seine Wohnung als erster aufgeben musste. „Wir haben endlich herausgefunden wer oder eher was sie ist und warum wir sie nicht töten können“, eröffnete Rel die Runde und nickte in Anna’s Richtung. Fragend musterten die vier ihn. „Es gibt Wesen, welche als Ausgleich für unsere oder eher meine Welt existieren, damit das Universum nicht zusammenbricht. So habe ich es jedenfalls damals in der Schule gelernt-“ „Du warst in der Schule?“, unterbrach Baka ihn. „Ja“, antwortete der Blondhaarige resigniert und strich sich unterbewusst über den Bauch. Hatte er etwa immer noch Schmerzen von dem Rückstoß? „Die Kleriker stehen ebenfalls im klaren Kontrast zu meiner Welt, weswegen göttliche Wesen, so wie zum Beispiel Engel, ebenfalls auf der Erde herum wandeln können. Meistens wissen diese Geschöpfe noch nicht einmal was sie sind. Erst nach bestimmten Ereignissen, wie zum Beispiel nach dem eigenen Tod, verursacht durch ein anderes unmenschliches Wesen, entfaltet sich ihre Macht. Dummerweise habe ich heute Nacht ein solches Geschöpf zum Leben erweckt…“ Die Jungs starrten alle zur Braunhaarigen. „Du… du hast sie getötet? Wie hast du das geschafft??“, wollte Pira gebannt wissen. „Genickbruch. Schnell und schmerzlos.“ „Ja und dann wurdest du von einem komischen Impuls zurückgeschleudert und bist zu Boden gegangen“, pflichtete ich ihm bei. „Wie auch immer“, fuhr er fort und setzte sich endlich hin. Sein hin- und hergelaufe machte einen irgendwann wahnsinnig! „Die gute Nachricht ist, dass sie keinen blassen Schimmer von ihren Fähigkeiten hat, was natürlich ein Pluspunkt für uns ist. Die schlechte Nachricht ist: sollte sie es herausfinden, sind wir am Arsch.“ „Jetzt reicht es aber langsam mal! Auch wenn ihr mich versucht habt zu töten, seid ihr die einzigen bei denen ich momentan bleiben kann. Aus dem Grund werde ich sicherlich nichts machen, was euch schaden könnte! Dass was neulich passiert ist, war nicht geplant und ich habe auch keine Ahnung, wie das passieren konnte! Hör einfach auf so einen Mist zu erzählen! Ich bin nicht so ein… Ding!“, meckerte die Braunhaarige los. Wo hatte sie auf einmal dieses Selbstbewusstsein her? Lag das an ihrem Tod? Leugnen konnte sie es einfach nicht, ich hatte es doch selbst gesehen. Rel hatte ihr den Hals umgedreht und dann war sie leblos zusammengesackt! Dieser musterte sie kurz. „Pey kann bezeugen dass sich nach deinem Tod deine Flügel ausgebreitet haben. Leugne es, aber es stimmt, ob du es willst oder nicht“, wandte er sich an den vermeidlichen Engel. Sie verschränkte trotzig die Arme voreinander. „Persönlichkeitsschwankungen gehören auch dazu?“, wisperte Bana neben mir und ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Das hat sehr wahrscheinlich andere Gründe…“ Er verstand erst nicht, doch als er endlich begriff was ich meinte, war nur ein ‚Oh‘ zu hören. Die Sonne begann bereits am Horizont aufzusteigen, als sich alle auf den Heimweg machten. Rel war der erste der sich verabschiedete, verkündete jedoch, dass wir uns bei Sonnenuntergang wieder bei mir trafen. Er schien sich immer noch nicht besser zu fühlen. Morgen wird es ihm bestimmt wieder besser gehen. Es kann doch nicht sein, dass ihn dieser Impuls oder was es war, so umgehauen hat. Ich dachte, dass er alles einfach so wegstecken kann. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie wie er sagte ein göttliches Wesen ist. Und das unterscheidet die beiden ja grundlegend… Eigentlich unterscheidet sie sich damit von uns allen… Was hat Rel nur angestellt… Später, als Anna und ich in meinem Bett lagen konnte ich die ganze Zeit nicht einschlafen. Was, wenn sie wieder abhauen würde? Nein, das würde sie sicherlich nicht machen. „Du… Pey?“, fragte sie nach einer Weile. „Mh?“, ließ ich trüb meine Stimme ertönen. Die Augen hatte ich geschlossen. Die Braunhaarige rutschte etwas näher zu mir und kuschelte sich an meinen Arm. „Was… wenn Rel wirklich Recht hat mit dem was ich bin?“ „Was soll damit sein?“, stellte ich als Gegenfrage. „Naja… er meinte doch dass ich gefährlich werden könnte…“ Nun schlug ich die Augen auf und drehte mich zur Seite, schloss sie dann in eine engere Umarmung. „Das warst du schon die ganze Zeit“, meinte ich mit belustigter Stimme. „Ich finde das nicht amüsant…“, grummelte sie. „Naja überleg doch mal. Du hast uns allen in den letzten Tagen nur Schwierigkeiten verursacht: Ich musste unnötig Geld ausgeben, damit du dich hier besser einleben kannst, Piwi hat seine Wohnung verloren und Baka hat Schiss vor dir, weil du ihm das Hirn verbrutzelt hast. Rel scheint auch nicht ganz heil aus der Sache gekommen zu sein. Ist dir aufgefallen, dass er sich ständig über den Bauch gestrichen hat? Wahrscheinlich hat ihn dein ‚übermächtiger Schlag‘ doch heftiger getroffen, als er zugeben will. Die einzigen die jetzt noch nichts abbekommen haben sind Bana und Pira. Naja, Pira muss seine Wohnung jetzt wieder mit seinem Bruder teilen.“ Nachdem ich mit meiner Auflistung geendet hatte, schwieg das Mädchen in meinen Armen wieder. „Aber mach dir keine Sorgen, sowas kommt vor.“ „Kommt vor? Wohl kaum… ich bin das Chaos in Person!“ Über diese Aussage konnte ich nur Schmunzeln. „Wäre ja auch langweilig wenn nichts passieren würde. Das bringt ein bisschen Schwung in mein träges Leben.“ Sie kuschelte sich noch enger an mich. „Dann bin ich ja erleichtert, dass du mich nicht wegen den ganzen Sachen hasst.“ Ihre Stimme wurde immer leiser, schien als würde sie so langsam wegdämmern. „Dich könnte ich nie hassen“, wisperte ich in ihr Ohr und schloss nun ebenfalls die Augen. Der Abend war wirklich aufregend genug gewesen, da konnten wir uns auch mal eine Erholung gönnen. Kapitel 15: Abschied -------------------- Abschied Anna: Am nächsten Tag, naja wohl eher Abend, standen wir gegen sechs Uhr auf. Pey war anfangs noch ein bisschen mürrisch, da draußen immer noch die Sonne schien, doch mit der Zeit regte er sich langsam ab. Ich machte mir mein „Frühstück“ und so saßen wir zusammen in der Küche und schwiegen uns an. Heute würden wir wohl entscheiden ob es wirklich Sinn machte noch länger hier zu bleiben. „Denkst du die in meiner Schule sind auch der Meinung, dass es Engel wirklich gibt?“, fragte ich total zusammenhangslos. „Keine Ahnung. Immerhin ist deine Schule sehr mit der Kirche verbunden. Warum also nicht? Aber warum fragst du mich das?“ Ein unschuldiges Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Fang bitte nicht schon wieder damit an. Du solltest doch jetzt noch mehr Gründe kennen, warum du nicht einfach mal so da vorbeischauen kannst!“, stöhnte er auf und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Nicht einmal eine Minute?“ „Nein!“ Beleidigt zog ich eine Schnute. „Ist dir nicht klar, dass da ebenfalls die Polizei rumlungern könnte? Auch wenn die anderen mitkommen besteht die Gefahr, dass wir nicht gegen alle ankommen. Wenn sich wirklich schon Kleriker oder so in den Fall mit eingemischt haben, stehen die Chancen gleich Null, dass wir lebend aus der Sache rauskommen. Und außerdem… Willst du wirklich riskieren dass noch mehr unschuldige sterben müssen?“ Er sah mich mit einen durchdringenden Blick an, welcher meine Frustration nur noch verstärkte. Musste er mir immer alles unter die Nase reiben und mir immer wieder verdeutlichen dass es nicht ging? Ich wollte doch nur noch ein letztes Mal sehen wie es Rachel ging! Sie durfte nicht den Rest ihres Lebens darauf hoffen, dass ich zurück kam. Und sie sollte sich nicht unendlich viele Schuldgefühle einreden, weil ich an dem Tag an dem wir uns aus dem Internat geschlichen hatten, verschwunden war. „Auch nicht nachts? Da schlafen doch eh alle…“ „Ich hab NEIN gesagt! Was ist daran so schwer zu verstehen?“ Seine Stimme wurde immer lauter, seine Miene immer grimmiger. Leichte Tränen sammelten sich in meinen Augen. Er hatte mich schon lange nicht mehr so angeschrien. „Es-es tut mir leid“, murmelte er daraufhin sofort. Sein Blick wurde wieder sanfter und er ergriff meine Hand. „Versteh doch. Ich möchte nicht riskieren, dass jemand von meinen Freunden zu Schaden kommt. Aber der eigentliche Grund warum ich dich da nicht hinlassen gehen möchte ist eigentlich, dass ich Angst habe, dass du erwischt wirst. Und dann werden sie dich in Gewahrsam nehmen und werden alles aus dir herausquetschen. Es wird nicht viele Menschen geben die dir glauben werden, dass Dämonen oder andere übernatürliche Wesen existieren. Sie werden dir nicht glauben dass du gestorben bist und erst recht nicht dass du ebenfalls kein normaler Mensch bist. Sie werden dich einsperren! Sie werden dich für verrückt erklären. Für ein Mädchen dass sich die ganze Geschichte nur eingebildet hat um Aufmerksamkeit zu bekommen. Am Ende werden sie noch glauben dass du es warst, die die Polizisten getötet hat.“ Ich schluckte schwer. Er machte sich wirklich große Sorgen um mich. Das war schon irgendwie süß und es rührte mich zutiefst. Hätte ich vorher gewusst dass ich einen so liebevollen Jungen kennenlernen würde, nachdem ich den ganzen Horror hier durchleben musste, ich hätte mir wahrlich selbst nicht geglaubt. Langsam brachte ich ein dankbares Lächeln zustande. „Aber wenn ich wirklich mit meinem jetzigen Leben abschließe soll, muss ich sie noch ein allerletztes Mal sehen“, meinte ich immer noch hartnäckig. „Scheint so, als würde dir das nicht mehr aus dem Kopf gehen, oder?“ Ich schüttelte beharrlich den Kopf. „Okay, aber wir machen das auf meine Art.“ Jetzt brachte ich sogar ein strahlendes Lächeln zustande und konnte nicht anders, als mich quer über den Tisch zu werfen und ihm um den Hals zu fallen. „Danke, Pey. Ich danke dir vielmals.“ „Aber das bleibt unter uns. Rel wird das nicht gutheißen.“ Ich blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Würde er nicht die ganze Zeit hier wie ein Spürhund herumlungern, wären viele Sachen gar nicht erst ans Licht gekommen“, sagte ich mit einem bestimmten Unterton. „Okay. Aber heute wird das nichts mehr. Wir gehen morgen früh, wenn die Sonne aufgeht. Morgen ist Sonntag. Ich schätze ihr müsst da erst Recht in die Kirche gehen?“ Ich nickte. „Aber Rachel geht da nicht hin. Sie schwänzt so gut wie immer den Gottesdienst. Sie ist dann eigentlich die meiste Zeit bei ihren Freunden in der Stadt.“ Pey fuhr sich mit der Hand durch seine Haare. „Okay, das könnte die ganze Sache erheblich schwieriger machen. Aber ich denke es sollte klappen.“ Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und muffelte grinsend mein Essen. Pey konnte nicht anders und musste schmunzeln. „Deine gute Laune wird dich doch hoffentlich nachher nicht verraten?“ Ich schüttelte heftig den Kopf. „Wo glaubst du denn hin? Das ist die einzige Chance mich von meinem alten Leben zu verabschieden. Die verspiele ich doch nicht einfach, nur weil ich glücklich bin.“ Er grinste leicht. „Aber sag mal… geht das denn überhaupt klar? Ich meine ja nur… Die Sonne wird scheinen.“ „Das klappt schon. Ich mach das ja nicht jeden Tag. Aber wenn ich morgen früh schlechte Laune haben sollte, verurteile mich nicht.“ Genau in dem Moment vibrierte sein Handy und er zog es aus der Hosentasche. „Was ist los?“, fragte ich, als ich seine gerunzelte Stirn betrachtete. „Rel hat das Treffen abgesagt. Er meint es sei was dazwischen gekommen“, antwortete er, während er schnell seine Finger über Tastatur huschen ließ. „Habt ihr eigentlich sowas wie einen Gruppenchat?“ „Was?“ „Na, ihr schreibt doch ständig oder telefoniert miteinander. Ihr seid dann doch in einer Gruppe, oder nicht?“, erklärte ich meine Frage. „Eh ja. Sorry ich muss mal kurz telefonieren gehen“, meinte er mit einer sehr konzentrierten Stimme und stand auf. Kaum zehn Minuten später kam er wieder. „Rel geht nicht an sein Handy und schreiben tut er auch nicht mehr. Ich frag mich was da los ist.“ „Mach dir keine Sorgen. Er hat bestimmt seine Gründe“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Er sah sehr aufgewühlt aus. „Ja das kann schon sein… Dennoch… Ihm ging es gestern nach dem Rückstoß schon die ganze Zeit nicht gut.“ Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen stand nur wenige Schritte neben mir, weswegen ich aufstand und ihn umarmte. „Ihm geht’s bestimmt gut, auch wenn ich gerne das Gegenteil behaupten würde“, nuschelte ich in sein Oberteil. Pey lachte schwach auf. „Er kann nett sein wenn er will.“ „Wenn er will“, wiederholte ich und kuschelte mich an ihn. Er legte seine Arme um meine Schultern und drückte mich nun ebenfalls an sich. So standen wir einige Zeit, bis er sich von mir löste. „Macht es dir was aus wenn ich… mir auch mal was zu essen besorge? Gestern hat’s ja nicht so wirklich geklappt… Mal wieder.“ Er erinnerte mich daran, dass er und Rel auf den kleinen Platz auf mich getroffen und sozusagen meine Retter in der Not gewesen waren. Was wäre wohl passiert, wenn sie nicht da gewesen wären? Was hätte der Junge mit mir gemacht? Wahrscheinlich hätte er mir die komplette Schulter zermatscht. Seine Hand glich ja fast einem Schraubstock. „Schon okay. Ich kann ja etwas fernsehen… Oder so“, erwiderte ich. „Danke“, brummte er und verschwand aus der Tür. Pey: Ich schlenderte gedankenverloren durch die Straßen der Nachbarstadt. So wirklichen Hunger hatte ich ja nicht wirklich, solange ich nicht wusste was mit dem Blondhaarigen los war. Sonst sagte er nie ein Treffen ab und wenn doch, dann ließ er uns auch immer wissen was los war. Seine Nachricht eben passte so überhaupt nicht zu ihm. Der größte Mist an der Sache war, dass keiner von uns so genau wusste wo er sich aufhielt. Er hatte uns nie gesagt wo er eigentlich wohnte. Wohnte er überhaupt irgendwo? Ich konnte mir gut vorstellen, dass er ständig auf Achse war, wenn wir nicht zusammen unterwegs waren. Er hatte auch schon ein paar Mal bei einem von uns übernachtet, hatte nie ein Wort über seine eigene Behausung verloren. Einmal da hatte er in einer ähnlichen Bruchbude gehaust wie ich, jedoch hatte er dieses Lager schnell aufgegeben, weil es ihm ein zu weiter Weg gewesen war, die Mädchen die abschleppte dorthin zu bringen. Er konnte sie ja nicht vor Ort töten. In den letzten Tagen seit Anna bei mir wohnte hatten wir unsere Opfer meistens in den Wald gelockt und dort auch die Überreste vergraben. Man musste ja nicht sofort auf unsere Spur kommen. In der Nähe leuchteten in grellen Neonfarben die Buchstaben eines Nachtclubs. Es war das einfachste von allem eine betrunkene Schnapsdrossel dort abzuschleppen. Wir als unsere Gruppe hatten uns darauf geeinigt unser Essensrevier immer wieder abwechselnd in eine andere Stadt zu verlegen und nur ganz selten in der eigenen Stadt zu jagen. Es wäre sehr schnell aufgefallen, wenn innerhalb eines Monats mehrere Menschen spurlos verschwanden und dann irgendwann ihre Gebeine aus der Müllpresse oder aus dem Wald geborgen wurden. Das wäre viel zu auffällig geworden. Ich steuerte den mir noch unbekannten Nachtclub zielstrebig an und reihte mich in die Schlage. Vor mir standen ein paar junge Mädchen, wahrscheinlich ein bis zwei Jahre älter als Anna. Immer wieder drehten sie sich um und musterten mich. Eine von ihnen grinste mir ständig zu, was ich nur mit einem dunklen Lächeln erwiderte. Sie würde sehr wahrscheinlich mein nächstes Opfer sein. Kaum zwei Stunden später hatte ich es wirklich geschafft sie von ihren Freundinne wegzulocken, raus aus dem Club. Sie war schon ziemlich angetrunken und wankte hin und her. Diese Szene erinnerte mich stark an Anna. Sie wankte damals auch so über die Straße und hielt sich an mir fest. Der einzige Unterschied an jetzt war, dass Rel mich damals um einen Happen gebeten hatte, welchen ich ihm damals natürlich verwehrte. Heute wäre es mir wahrscheinlich lieber gewesen, wenn er hier gewesen wäre. Scheiße, ich mache mir schon wieder viel zu viele Gedanken. Aber was ist, wenn etwas passiert ist? Das Mädchen schmiegte sich seitlich an mich und ich lotste sie so durch die Straßen. „Wohns du weid weg?“, lallte sie leicht. „Eigentlich schon, aber ich hab mir heute mal die Mühe gemacht und bin weiter weg gefahren. Ich konnte ja nicht wissen dass es so einfach werden würde“, grummelte ich und schulterte sie. „Hui, da gehd aber jemand ran~, säuselte sie und kicherte vor sich hin. „Ich hab ja auch mordsmäßigen Hunger“, knurrte ich und lief etwas schneller. Meine Anspielung hatte sie natürlich nicht bemerkt, war daher auch total unwissend. Es dauerte einen Moment, bis wir an die Waldlichtung kamen und ich weiter hinein ging. „Du bist aber ein komischer Vogel. Eine Dame hier her zu bringen~“, kicherte sie immer noch benebelt. „Eine Dame würde nicht mit einem wildfremden Kerl aus einem Club verschwinden und das nach noch nicht einmal einer Stunde nachdem sie ihn kennengelernt hat.“ „Was redest du denn soooo viel? Wollen wir nicht lieber rumknutschen?“ Ich setzte sie grob ab und presste sie gegen einen Baum. „Nein danke, kein Bedarf“, meinte ich und ließ langsam meine Verwandlung über mich ergehen. „Hast du ne Freundin?“, hakte sie nach und beäugte ihr Top, welches sie ein Stück weiter herunter zog um noch anzüglicher zu erscheinen. Ich zögerte einen Moment. „Kann man so nicht sagen“, knurrte ich und starrte ihre Kehle an. Endlich richtete sich ihr Blick wieder auf mein Gesicht und sie schreckte zurück. „Scheiße man, was bist du denn für ein Freak?“, krisch sie beinahe, doch ich hielt ihr den Mund zu. „Scht… Ich steh nicht so auf zickiges Essen!“ Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als ich meinen Mund zum Reden geöffnet hatte. Sicherlich hatte sie die spitzen, scharfkantigen Reißzähne bemerkt. Mehr wollte ich auch nicht. Ich liebte es einfach, wenn meine Opfer vor Angst beinahe den Verstand verloren und totale Panik sich ihn ihnen breit machte. Heute jedoch konnte ich nicht zulassen, dass sie sich die Seele aus dem Leib schrie, da sie sonst womöglich die Aufmerksamkeit auf uns ziehen würde. Ihre Augen weiteten sich noch ein Stück, als sie mir gezwungenermaßen in die Augen blickte. Ich hatte ihren Kopf nach oben gedrückt, damit ich besser an ihre Kehle konnte. Ich sollte jedoch heute etwas netter zu meinem Opfer sein und sie schon vorher töten, bevor ich sie verspeisen konnte. Ich hätte nichts lieber gesehen, als die verzweifelten Tränen die aus ihren Augen quellen würden, vor Schmerz und Panik, doch darauf musste ich leider verzichten. ‚Kurz und schmerzlos‘ hallten Rels Worte in meinem Kopf wieder, als ich ihren kleinen Kopf zur Seite riss. Mit einem lauten Knack, als würde jemand einen dickeren Ast zerbrechen ertönte das Geräusch ihres brechenden Genicks. Ihr Körper erschlaffte sofort, was das Signal für mich war, dass ich anfangen konnte. Schnell vergrub ich meine Zähne in ihrem sanften Fleisch vergraben und riss die einzelnen Stücke heraus. Ihr Blut aus der Halsschlagader verteilte sich sofort über ihren Körper und ich wich ein bisschen zurück. Meine Intension war keineswegs, dass ich mich so einsauen musste. Es war schon so lange her, dass ich wirklich mal mein Essen genießen konnte. Entweder wir waren in Eile oder aber irgendwas kam dazwischen. Heute konnte mich keiner davon abhalten mir Zeit zu nehmen. Keiner! Anna: Kaum sechs Stunden nachdem ich aufgestanden war, lag ich schon wieder im Bett. Ich wollte ja fit sein, wenn wir morgen unseren Ausflug in die Stadt machten und nach Rachel schauten. Meine Vorfreude war unbegrenzt, daher konnte ich einfach nicht einschlafen. Als Pey zurückkam, schaute er sehr verwundert ins Schlafzimmer. „Was machst du hier?“, wollte er wissen und schaltete ohne zu fragen das Licht an. „Ich versuche zu schlafen. In ein paar Stunden wollen wir doch los.“ Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen ging an seinen Schrank und zog sich frische Klamotten raus. Seine Kleidung hatte schon wieder lauter Blutflecken, welche ich aus meiner Position jedoch nicht alle erkennen konnte. „War sie hübsch?“, fragte ich leise unter der Decke hervor. „Wen meinst du?“, fragte er gleichgültig und schloss den Schrank wieder. Ich nickte in die Richtung seines blutbefleckten Shirts. „Nicht der Rede wert“, tat er schnell ab und verschwand im Bad. Ich machte ich grimmiges Gesicht und zog mir die Decke darüber. War ich etwa auf eine Tote eifersüchtig? Auf sein Essen?? Schnell vertrieb ich den Gedanken aus meinem Geist und lauschte dem Geräusch des Wasserhahns, welchen er gerade aufdrehte. Nach einer Weile kam das mir schon ein wenig vertraute Geräusch der sich öffnenden Duschkabinentür und ein paar Minuten später kam er wieder in das Schlafzimmer zurück. „Ich bleib noch etwas auf“, ließ er mich wissen und ging ins Wohnzimmer. Ich hingegen schloss meine Augen und drehte mich zur Seite. Eingekuschelt in die warme Decke versuchte ich einen leeren Kopf zu bekommen, damit ich endlich einschlafen konnte. Die Zeit verging doch bekanntlich am schnellsten, wenn man sich nicht ständig Gedanken machte, wie spät es eigentlich war. Meines Erachtens half Schlaf in einer solchen Situation am besten, dann verging die Zeit wie im Flug. Pey: Ich war noch lange nicht müde, wenn auch ein bisschen erschöpft, daher ließ ich mich auf meinem Sofa nieder und schaltete meine XBOX ein. Mit einem kurzen Blick auf den Spielstand meines Spieles erkannte ich sofort, dass Rel sich daran vergnügt hatte. Warum musste er immer meinen Spielstand benutzen und konnte kein neues Spiel starten? Sichtlich genervt, dass ich nun weniger zu tun hatte startete ich das Spiel trotzdem und zockte bis mir dann doch vor Ermüdung die Augen langsam zu fielen. Mit einem Blick auf die Uhr im Fernseher stellte ich fest, dass nur knappe vier Stunden vergangen waren. Dann bleiben mir noch ungefähr fünf bis sechs Stunden, bis sie los will… Vielleicht wäre es doch gut, wenn ich mich nochmal ein bisschen aufs Ohr lege. Mühselig schaltete ich die Geräte aus und schlurfte in mein Schlafzimmer. Die Braunhaarige lag quer auf der Matratze, weswegen ich sie erst einmal auf die Seite schieben musste. Ihrerseits ertönte nur ein Gegrummel, sie wachte jedoch nicht auf. Schnell entkleidete ich mich bis auf meine Boxershorts und legte mich zu ihr. Sie war eine richtige Deckenklauerin, dass hatte ich leider feststellen müssen. Ihre kleinen Finger umklammerten fest den Saum meiner Decke und ließen sich nur schwer lösen. Mit einem leichten Kraftaufwand schaffte ich es, ihr die Decke zu entreißen und deckte uns dann beide zu. Sie drückte sich sofort an mich, was mir ein zufriedenes Lächeln endlockte. Was das hier auch immer war oder werden sollte, ich fand es gut. Anna: Pünktlich um neun Uhr schlug ich meine Augen auf. „Aufwachen!“, rüttelte ich an Pey’s Schulter. Er rollte sich zur Seite und vergrub sein Gesicht im Kissen. „Du hast es versprochen“, erinnerte ich ihn und huschte aus dem Zimmer. „Is ja gut“, murmelte er, rührte sich jedoch kein Stück. Ich eilte sofort ins Bad um mich fertig zu machen und als ich wieder ins Schlafzimmer zurückkam, lag der wehrte Herr immer noch da und döste vor sich hin. Pfiffig wie ich war, und das war eigentlich eine Art an mir, die ich nicht kannte, nahm ich das Gemälde von der Wand und ließ das Sonnenlicht in das sonst so düstere Schlafzimmer scheinen. Pey war urplötzlich wach und fiel erschrocken von der Matratze. „Schön das du wach bist“, stellte ich zufrieden fest und hängte das Bild wieder an seinen Platz. „Das hätte auch freundlicher klappen können“, brummte er verschlafen und stand auf. Träge schlurfte er zu seinem Schrank und griff wahllos nach irgendwelchen Kleidungsstücken. Ich hatte mich erneut für einen unauffälligen Look entschieden: dunkler Kapuzenpullover, dunkle Hose. Mein anschließender Weg führte in die Küche wo ich mir freudestrahlend ein Brot machte und summend hineinbiss. Pey kam ein paar Augenblicke, nachdem auch er das Bad aufgesucht hatte zu mir und stellte sich in den Türrahmen. Er trug eine dunkle Sonnenbrille in der rechten Hand und in seiner Linken eine schwarze Beanie. Er war ebenfalls in dunklere Klamotten gehüllt, trug jedoch ein weißes T-Shirt. „Fertig?“, fragte er und musste sich ein herzhaftes Gähnen unterdrücken. „Jap“, ließ ich ihn grinsend wissen und drängte mich an ihm vorbei in den Flur. „Jetzt mach doch mal langsam“, meinte er ruhig und holte sich noch sein Portemonnaie aus der obersten Schublade der Kommode aus seinem Zimmer. „Können wir los?“ Meine Freude glich fast schon einem Hund der es nicht abwarten konnte, Gassie geführt zu werden. „Ja“, seufzte er und machte die Wohnungstür auf. Die Treppenstufen hopste ich Stück für Stück mit einem breiten Grinsen hinunter. „Man könnte meinen du wärst Zehn“, grummelte er und schloss zu mir auf. Beleidigt blickte ich ihn an. „Darf ich mich nicht freuen?“ „Das macht dich auffällig“, meinte er düster und zog die Haustür auf. Ich ging hochnäsig an ihm vorbei und stolzierte auf dem Bürgersteig herum. Was ist denn bloß los mit mir? Das sind ja lauter eigenarten, die ich noch nie gemacht habe! Ich bin ja wie ausgewechselt… Fast schon eine andere Persönlichkeit. Was ist aus dem schüchternen Mädchen von vor einer knappen Woche geworden? Wow… ich kann es gar nicht glauben. Es ist erst eine Woche vorbei und ich habe das Gefühl, als wäre ich schon seit Ewigkeiten hier. Das muss das ständige Adrenalin in meinem Körper verursacht haben! „Und wie kommen wir jetzt in die Stadt? Mit dem Bus fahren wir sicherlich nicht“, fragte ich, als wir ein paar Schritte in Richtung Hauptstraße gingen. „Weder Bus, Straßenbahn oder sonst was. Dann kann ich dir ja gleich einen leuchtenden Neonanhänger um den Hals binden und ‚Hier ist sie‘ schreien. Wir nehmen meinen Wagen.“ Ich sah ihn verblüfft an. „Du…du hast ein Auto?“ „Ja?! Ist das so eigenartig?“, fragte er und zog zu meinem Erstaunen einen Autoschlüssel aus seiner Jackentasche. „Irgendwie schon.“ „Du hast doch neulich die ganzen Autos gesehen. Glaubst du etwa, wir laufen die ganze Zeit von A nach B?“ Ich kicherte verlegen. „Naja, keine Ahnung. Ich bin ja schon mit Piwi gefahren. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass ihr so wie andere mit einem Auto durch die Stadt fahrt“, erklärte ich meine Überlegungen laut. „Die sind ja auch nicht auf unseren richtigen Namen angemeldet. Die sind eigentlich überhaupt nicht angemeldet. Wir haben sie mal irgendwo geklaut und haben eine Zeit lang immer wieder an anderen Autos die Nummernschilder ausgetauscht.“ Ich sah ihn ungläubig an. „Die Nummernschilder ausgetauscht?“ Er nickte zustimmend. „Soll ich es dir zeigen?“ Irgendwie interessierte es mich schon da ich mir nicht denken konnte, dass er das meinte, was er sagte. An der Straßenecke angekommen bogen überquerten wir die Straße und gingen weiter hoch in eine Seitenstraße. Dort hielt Pey vor einem grauen Audi A5. „Deiner?“, fragte ich und betrachtete das Auto. „Jep“, antwortete er und kniete sich vor das Auto. Ein paar Seitenblicke genügten und er versicherte sich somit, dass uns niemand sah. Mit einem Ruck riss er das Nummernschild ab und ging hinter seinen Wagen und wiederholte dort seinen Vorgang. Zuletzt machte er die Plakette in seinem Auto von der Scheibe und sah sich um. Mit seinem Gepäck ging er zu einem Auto weiter die Straße hoch und suchte sich einen kleinen, unscheinbaren Renault Twingo aus. Dort knackte er zuerst das Türschloss, indem er mit dem kleinen Taschenmesser an seinem Schlüsselbund im Schloss herum bohrte und tauschte die grüne Plakette aus. Als nächstes tauschte er tauschte er die Nummernschilder und setzte sie zuletzt bei sich ein. „So einfach“, sagte er nach seiner getanen Arbeit. Ich grinste leicht. Wirklich interessant was die Jungs alles machten um keine Aufmerksamkeit zu bekommen. „Und wie oft habt ihr das gemacht?“ „Naja, wenn es auffliegt wird natürlich nach dem Nummernschild gesucht, aber es ist schwer wenn man nicht weiß, nach welchem Auto man Ausschau halten muss. Aber wir haben das eigentlich wöchentlich gemacht und bis jetzt ist uns niemand auf die Spur gekommen.“ Er stieg ein und ich tat es ihm gleich. Der Wagen war wirklich geräumig und der Sitzt sehr bequem. „Und wo könnte sie sich aufhalten?“, fragte er und startete den Motor. „Stadtmitte. Dort sollte es auch nicht so überfüllt sein.“ „Aber Kameras sind dort. Naja wir werden ja eh nicht mehr lange bleiben. Sobald Rel sich mal melden sollte werden wir wahrscheinlich unsere Sachen packen und von hier verschwinden.“ Ich nickte zustimmend, wenn auch ein bisschen traurig darüber. „Was ist eigentlich mir deinen Eltern? Willst du sie auch sehen?“ Ich schwieg lange vor mich hin. „Nein“, entkam es mir nach einer gefühlten Ewigkeit. „Warum?“, wollte er wissen, blieb also hartnäckig. „Ich möchte es einfach nicht. Das bringe ich nicht übers Herz.“ „Verstehe… Konnte ich damals auch nicht…Und dennoch mache ich mir manchmal große Vorwürfe, weil ich es nicht gemacht habe.“ Mein Blick wanderte zu seinem ernsten Gesicht, welches starr auf die Straße blickte. „Würdest du sie gerne mal besuchen, wenn du könntest?“ „Wahrscheinlich schon. Zumindest würde ich gerne mal sehen, wie es meiner Mutter und meiner Schwester geht und wie sie meinen ‚Tod‘ verkraftet haben. Das Ganze ist jetzt schon sieben Jahre her, sie müssten es eigentlich verarbeitet haben.“ Die restliche Fahrt über sagte keiner ein Wort und hing seinen Gedanken hinterher. Pey parkte in der Nähe der Altstadt und wir stiegen aus. Ich hätte nicht erwartet, dass wir so am Stadtzentrum gewesen waren. Kaum eine halbe Stunde hatte es bei dem mäßigen Verkehr bis hier her gedauert. Sollte ich mit meiner Vermutung richtig liegen, lag die Bar nur ein paar Blocks entfernt von hier. Ich zog meine Kapuze tief in das Gesicht und hackte mich bei dem Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen, welche nun nur vereinzelt unter der Beanie hervor lugten, ein. „Denkst du man wird mich erkennen?“, murmelte ich in meinen Pullover. „Wenn du dich nicht auffällig verhältst, dann nicht. Und sollte dich jemand erkennen, hauen wir schnell von hier ab. Den Wagen wollte ich eh hier stehen lassen. Den brauchen wir nicht mehr.“ „Was? Warum? Du kannst ihn doch nicht einfach hier stehen lassen. Den wirst du später doch gebrauchen!“, meinte ich empört und stemmte seitlich meine freie Hand in die Seite. „Dann kann ich mir einen neuen holen. Ist doch nur ein Auto“, lachte er. „Außerdem könnte ich mir jederzeit einen neuen kaufen“, fügte er etwas leiser hinzu. Ich sah mich in den Straßen um und lotste meinen Kumpanen mit zu einem etwas größeren, heruntergekommenem Gebäude. Ein Bauunternehmen hatte hier mal ein Projekt für eine Firma gehabt, jedoch wurde es aus Geldmangel abgeblasen. Später hatte niemand den angefangenen Rohbau gekauft und so war er über die Jahre schon ansatzweise in sich zusammengefallen. „Hier hält sie sich meistens auf“, meinte ich und nickte in Richtung der Bruchbude. „Hat das Ding nur einen Eingang?“ Ich schüttelte verneinend den Kopf. „Es gibt noch einen anderen, aber dazu müssen wir etwas Akrobatik machen“, kicherte ich. Der Große zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Rachel hat mir den Eingang gezeigt. Den hat sie mal benutzt um ihre Freunde zu erschrecken. Glaub mir, die werden uns nicht entdecken.“ „Na wenn du das sagst, dann glaub ich dir mal“, meinte er sichtlich überzeugt und kam hinter mir her. Mein Weg führte mich zu dem benachbarten Gebäude und wir zwängten uns durch ein Loch in der Außenwand. Weiter ging der Weg in den dritten Stock, bis wohin die Treppenstufen nur vereinzelt vorhanden waren. Wir mussten richtig aufpassen, nicht abzurutschen. Als nächstes kam ein Raum, welcher mit unserem eigentlichen Ziel durch ein großes, klaffendes Loch in der Wand verbunden war. „Pass auf. Wir müssen jetzt rüber springen.“ „Das ist ja der reinste Hindernissparkur“, seufzte er und besah sich die Lücke zwischen den Gebäuden. Ich sprang zuerst und rollte mich in einer perfekten Rolle auf dem Boden ab, wenig später stand der Dämon neben mir und klopfte sich den Staub von den Klamotten. „Hätte ich das gewusst, wären wir besser durch den richtigen Eingang gegangen“, brummte er. Ich legte indes meinen Zeigefinger an die Lippen und bedeutete ihm, leise zu sein. Unter uns konnte man schon vereinzelte Stimmen durch den brüchigen Beton hören. „Wir hätten wirklich durch den richtigen Eingang gehen können. Sie sind im zweiten Stock“, wisperte ich in seine Richtung und schlich mich in einen weiteren kahlen Raum. Im Boden war wieder ein Loch zu sehen, wenn auch ein etwas Kleineres. Das einzige Gerüst, was den Boden zusammen hielt war ein Eisennetz, dessen Stäbe freigelegt waren. „…Ich versteh einfach nicht, warum wir sie nicht finden. Wir suchen sie jetzt schon seit einer geschlagenen Woche, aber sie ist wie vom Erdboden verschluckt!“, hörte ich Eric’s tiefe Stimme. Auch wenn ich den Riesen nur ein einziges Mal gesehen hatte, so hatte er doch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Aber es gab doch eine Fährte. Vielleicht hält sie sich immer noch hier auf! Ich ab doch gesehen, dass sie mir geschrieben hat!“, meinte Rachel entschlossen. „Du hast doch mitbekommen was sie gefunden haben!“, ertönte die Stimme eines anderen Jungen. Ihn kannte ich noch nicht, zumindest konnte ich mich nicht dran erinnern, ihn jemals gesehen zu haben. „Siehst du!“, zischte Pey neben mir, welcher sich wie ich auf den Bauch gelegt hatte und durch das Loch spähte und die Gruppe unter uns belauschte. „Vielleicht… vielleicht ist Anna längst nicht mehr-“ „Sag das nicht! Sie wartet bestimmt nur darauf dass wir sie finden. Die Polizei ist einfach nur zu unfähig!“, rief die gelockte Schwarzhaarige laut aus. Sie war also noch der festen Überzeugung, dass ich auf sie wartete. Wahrscheinlich dachte sie, ich säße in irgendeinem heruntergekommenen Keller, gefesselt und geknebelt, ohne Essen und Trinken und vielleicht sogar Misshandelt von meinem Peiniger. Wenn sie nur wüsste, ich was ich da hineingeraten war… Sie hätte sofort jegliche Hoffnung verloren mich jemals wieder zu sehen. „Ich habe eine Idee, wie sie endlich Ruhe findet“, flüsterte ich Pey zu und zog einen Stift und ein Blatt Papier aus der Tasche. „Wo hast du das her?“, fragte er leise und überrascht. „Hab ich in deiner Kommode gefunden“, erzählte ich ihm. „Darf ich?“ Er nickte zögernd, wenn auch nicht ganz einverstanden. Liebe Rachel, ich weiß, dass du dir große Sorgen um mich machst, aber dir würde es besser gehen, wenn du damit endlich aufhören würdest. Mir geht es gut und mir wird es auch gut gehen, wenn du aufhörst nach mir zu suchen. Du kannst mir glauben, dass ich das nicht aus zwang schreibe sondern einfach, weil ich mir Sorgen mache. Du darfst dein Leben nicht damit verbringen vergeblich nach mir zu suchen, denn jedes Mal wenn es für uns brenzlig wird, werden wir weiter ziehen. Ich habe mich einer Gruppe Leute angeschlossen, die auf mich aufpassen werden. Ich bin leider etwas zu tief in die Scheiße gerutscht, was mir die Hoffnung auf ein normales Leben verwehrt. Ich werde über dich wachen, so wie ein Schutzengel und sollte sich irgendwann die Zeit ergeben, wo es nicht mehr so anstrengend ist, dann komme ich zu dir. Aber bitte, leb dein Leben ohne mich weiter. Das ist das Gesündeste für dich. Es dürfen nicht noch mehr da mit reingezogen werden. Maus, ich vermisse dich jetzt schon, aber ich muss gehen. Die Zeit drängt. Deine Anna PS: Und schmeiß endlich diese verkorkste Schule und mach was aus deinem Leben ;) Pey las jedes einzelne Wort mit, was ich schrieb und nickte zuletzt. „Und wie willst du ihr das geben?“ Noch im selben Moment hatte ich das Papier zusammengeknüllt und durch die Öffnung im Boden geschmissen. „Bist du denn bescheuert?“, zischte Pey, doch es war schon zu spät. „Was denn?“ „Man die könnten hochkommen!“, zischte er wütend zurück und rappelte sich auf. „Komm jetzt, wir gehen wieder nach Hause“, befahl er und ich stand ebenfalls auf. „Der ist von Anna!“, ertönte Rachels Ausruf. „Anna? Anna! Wenn du hier bist, dann antworte bitte“, rief sie nach oben. Pey starrte mich starr an. „Fuck komm jetzt!“ Er ergriff meine Hand und zog mich mit. „Da oben ist jemand!“, rief auf einmal Eric und wir hörten die holpernden Schritte von unten die Treppe hinauf eilen. „Scheiße das wird zu knapp“, meinte Pey, packte mich an der Hüfte und sprang mit mir aus einem der leeren, quadratischen Löcher, die für Fenster freigelassen wurden. „Du kannst doch nicht einfach aus dem Fenster springen!“, quickte ich auf, meine Finger noch immer in seine Schultern geklammert. Er hatte wirklich Glück, dass sich niemand auf der Straße befunden hatte, er uns hätte sehen können. Oben am Fenster, aus dem wir soeben gesprungen waren tauchten Eric, Rachel und die anderen auf. „Anna!“, schrie sie über den Platz. Mein Blick wanderte nach oben und traf auf die großen Augen der gelockten Schwarzhaarigen. Der Dämon neben mir, welcher mich immer noch an der Hüfte festhielt blickte ebenfalls aus Reflex zu ihr hoch. Im selben Augenblick jedoch schlossen sich seine Arme enger um meinen Körper und rannte los. Ich klammerte mich an ihn und ließ mich mit tragen. „WARTE!“, rief Rachel, doch wir waren schon zu weit entfernt. In meinen Augen tanzte ein kalter Tränenschleier und verflog im Winde. Das war das letzte Mal dass ich sie in meinem Leben wieder sah. Der Abschied war gekommen. Kapitel 16: Innere Reinigung ---------------------------- Innere Reinigung Pey: Seit ihrem Abschied von ihrer Freundin waren nun rund drei Tage vergangen. Anna fiel es sichtlich schwer ihr altes Leben hinter sich zu lassen, sie hatte viel geweint und war frustriert bis zum geht-nicht-mehr. Rel hatte sich in der Zwischenzeit immer noch nicht gemeldet und meine Sorge um ihn wurde von Zeit zu Zeit größer. Dieser Arsch hatte wirklich schon viel Mist gebaut, dennoch war er einer meiner Freunde und Freunde ließen sich nicht im Stich. Piwi und Pira waren am vergangenen Tag bei uns gewesen, hatten sich erkundigt ob sich Rel bei mir gemeldet hätte, was ich leider verneinen musste. Es war schon eigenartig dass er, kurz bevor wir den Entschluss festigen konnten von hier zu verschwinden, wie vom Erdboden verschluckt war und auch nicht mehr auftauchte. Mit der Zeit hatte ich ein komisches Gefühl im Magen: Bauchgrummeln und stechende Schmerzen. Konnten das wirklich nur meine Sorgen verursachen? Ich kauerte mich auf dem Sofa zusammen und hielt mir den Bauch fest. Wieder hatten diese komischen Bauchschmerzen begonnen und zogen sich hin. „Schon wieder?“, fragte Anna, welche neben mir auf dem Sofa saß und mit fern sah. Ich nickte stockend und mir entwich ein leises Aufkeuchen. „Scheiße man, das wird von Tag zu Tag schlimmer“, brummte ich und kugelte mich noch weiter zusammen. „Soll ich dir irgendwas holen? Vielleicht eine Wärmfalsche oder so?“ Missbilligend sah ich sie an. „Ich bin nicht krank! Ich kann gar nicht krank werden, weil mein Immunsystem um einiges mehr aushält als das eines Menschen. Außerdem bin ich tot und Tote können schlecht ne Grippe oder so bekommen.“ Die Braunhaarige zog einen Schmollmund. „Ich wollte bloß nett sein“, grummelte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Schon gut… Es geht ja gleich wieder“, seufzte ich und entspannte mich sichtlich. Das krampfartige Zusammenziehen hatte endlich nachgelassen. „Aber irgendwas muss ja mit dir sein“, meinte sie und sah mich abschätzig an. „Ich mache mir einfach nur sau viele Sorge, weil sich Rel nicht mehr meldet. Das passt gar nicht zu ihm!“ „Du willst mir doch nicht wirklich weiß machen, dass deine Bauchschmerzen da herrühren?!“, fragte sie mit einem ungläubigen Lächeln. „Ach was weiß ich…“ Schwermütig erhob ich mich und trottete in das Schlafzimmer. Wie die Tage zuvor versuchte ich wieder Rel zu erreichen, doch er hob einfach nicht ab. Was machte er nur? Und wo war er? Als ich schon fast die Hoffnung auf irgendein Lebenszeichen aufgegeben hatte, wurde der Anruf wirklich entgegen genommen. „Rel?“, fragte ich sofort, erhielt aber keine Antwort. „Rel? Man mach keinen Scheiß und verarsch mich nicht! Sag was du Pfosten!“, schrie ich ungeduldig in den Hörer. „Scheiße man… schrei doch nicht so“, krächzte er schon beinahe. „Fuck man, was ist denn mit dir passiert?!“ Meine Stimme wurde unruhiger. Anna schien gemerkt zu haben, dass ich mit jemanden sprach, denn sie stand im Türrahmen und sah mich fragend an. „Ich… hab… nur noch ein Prozent“, sprach er langsam und kraftlos. Was war passiert? Was hatte er? „Wo bist du?“, wollte ich sofort wissen. Auf der anderen Seite der Leitung vernahm ich nur ein Aufkeuchen und dann… war die Leitung tot. „Scheiß, Scheiße, Scheiße!“ Ich stand sprunghaft auf und wählte die Nummer erneut, aber der Blondhaarige nahm nicht mehr ab. „Fuck!“, war mein einziger Ausruf. „Beruhig dich, was ist denn los?“ Das Mädchen war an mich herangetreten und legte beruhigend eine Hand auf meinen Rücken. „Rel. Er hat abgenommen. Verdammt irgendwas muss passiert sein und ich hab keinen blassen Schimmer wo er steckt!“ Die Haare raufend lief ich auf und ab und schüttelte immer wieder den Kopf. Ich hatte also Recht mit meinen Befürchtungen gehabt! Plötzlich vibrierte mein Handy und zeigte eine neue Nachricht in der Gruppe an. Meine Augen weiteten sich schlagartig als ich sah, wer die Nachricht geschickt hatte. „Er hat einen Standort geschickt. Komm wir müssen los!“ Die Kleine am Arm packend zog ich sie mit aus der Wohnung und benachrichtigte meine Freunde, dass sie zu dem Standort kommen sollten. „Und wie sollen wir da hinkommen?“, fragte Anna leicht aus der Puste. Ich hatte sie die ganze Zeit über noch am Handgelenk gepackt und hinter mir hergezogen. „Das ist gar nicht so weit weg von hier. Wir können laufen!“, antwortete ich sofort und folgte dem kleinen blauen Pfeil auf meinem Display. Kurze Zeit später trafen wir in einer Straße ein, welche auf einen großen Platz führte, der überall mit Garagen bestückt war. Ungeduldig lief ich vor dem Eingang des Geländes herum und wartete, bis die anderen kamen. Diese ließen auch nicht lange auf sich warten und somit durchsuchten wir jede einzelne dieser Blechdosen nach einem Anhaltspunkt. Rel musste hier irgendwo sein, sonst hätte er uns nicht hier her gelotst! „Wir teilen uns auf!“, wies ich sie an und jeder nahm sich einen Abschnitt vor. Die Zeit drängte, das wusste ich. Kaum fünf Minuten später ertönte Pira’s Stimme über das Gelände. „Kommt mal hier her! Ich glaub ich kann Musik hören!“ Wir eilten sofort herbei und tatsächlich hörte man aus der einen Hütte ganz leise Rel’s Musik. Sie war einfach unverkennbar, daher ließ ich nicht lange auf mich warten, knackte mit meinen Händen das Schloss der Garage auf und zog das Tor nach oben. Wir stürmten in den kleinen Raum und sahen uns ungläubig um. Er war leer, wenn auch ein paar Kartons an der Wand gestapelt standen. Wie konnte das sein? Die Musik war doch lauter geworden. „Hey, hier ist eine Luke!“, meinte Piwi und deutete auf den Boden. Das Mondlicht in unserem Rücken beleuchtete nur ganz schwach einen Griff, welcher im Boden eingelassen war. Der Rothaarige ging in die Hocke und zog an dem eisernen Griff und tatsächlich öffnete sich eine unscheinbare Tür im Boden. Unter ihr befand sich eine Steintreppe, welche in den unterirdischen Keller führte. Die Musik war schlagartig lauter geworden, wenn auch nicht so laut dass es uns in den Ohren weh tat. Wir gingen langsam die Treppe hinunter, hatten ja keine Ahnung wo sie hin führte. Ein paar wenige Schritte später standen wir in einem gigantischen Raum, welcher komplett aus Stein bestand. Es waren unebene, dunkle Wände, von denen eine gewisse Kühle ausging. Unter uns erstreckte sich ein riesiger Betonboden, welcher eine unnatürliche Wärme ausstrahle. Es schien, als besäße er eine Fußbodenheizung oder sonst etwas in der Art. Der Raum war teilweise mit bis zur Decke reichenden Regalen ausgestattet, welche wohlmöglich auch als Stütze dienen sollten. An einer Wand leuchtete schwach das Licht einer kleinen Lampe, erhellte also nur minimal den Raum. Ich sah mich verwundert um. Wo waren wir denn hier gelandet? Schwarze Vorhänge hingen teilweise an den Steinwänden und gleichfarbige schwarze Teppiche schmückten das Ambiente. Weiter hinten war eine kleine Küche zu erkennen, schlicht in schwarz und weiß gehalten. Der Boden an dieser Stelle war mit helleren Fliesen bedeckt, welche zum grauen Betonboden im starken Kontrast standen. In der Mitte des Raumes säumten die ähnlichen deckenhohen Regale, welche an der Wand standen, einen runden Kreis und in ihm… stand ein schlichtes Doppelbett, was eher einem Meer aus Matratzen glich. Und auf diesem Matratzenmeer lag der Blondhaarige zusammengekauert in eine Decke eingewickelt. „Oh scheiße, was ist denn mit dem passiert?“, hauchte Bana beinahe tonlos und machte einen Schritt auf den halbnackten Kerl zu, welcher zu schlafen schien. „Rel!“, entkam es mir und ich stürzte sofort auf ihn zu und rüttelte an seiner Schulter. „Nicht so heftig… sonst muss ich kotzen…“, murmelte der Blondhaarige schwach und kraftlos. Er war total bleich und sein Tattoo auf dem rechten Oberarm stach total hervor. Als ich ihn zur Seite drehte bemerkte ich, dass sein kompletter Oberkörper blutverschmiert war. Seinen linken Arm, welcher unter seinem Kopf gelegen hatte zierte eine Bisswunde die allem Anschein nach von ihm selbst zu stammen schien. An seinem Mund war die gleiche Farbe des Blutes zu erkennen, dunkelrot beinahe schon schwarz! „Was ist passiert?“, fragte ich ihn sofort, achtet jedoch darauf ihn nicht zu schnell in eine sitzende Position zu zwingen. „Mir ist schlecht“, murmelte er, fasste sich schlagartig an den Bauch und krümmte sich zusammen. Aus seiner Kehle war ein würgendes Geräusch zu hören und er presste sich die andere, bis eben noch freie Hand auf den Mund. Ich schulterte ihn schlagartig und brachte ihn zur Küchenzeile. Dort beugte er sich sofort über die Spüle und erbrach erst einmal nur Blut. Ich hatte ja wenigstens noch erwartet, dass irgendwas von einer vergangenen Mahlzeit übriggeblieben wäre, aber da war nichts außer der dunkelroten Flüssigkeit. „Fuck man, was geht hier ab?!“ Baka war schon leicht panisch, da noch keiner von uns Rel in einer solch miserablen Verfassung erlebt hatte. Anna hatte sich auf eine der Steinstufen gesetzt und hielt sich am rostigen Geländer fest. Mit einem kurzen Blick über die Schulter stellte ich fest, dass ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen war. „Geht’s wieder?“, fragte ich den Blondhaarigen, der wie ein schlaffer Sack in meinen Armen hing. Er hatte mit dem Würgen aufgehört und atmete schwer. „Schätze…schon“, meint er. Seine Beine schienen nachzugeben, weswegen ich Piwi zu mir orderte, der mir half Rel wieder zu seinem Bett zu bringen. Dort legten wir ihn zuerst hin, als auch schon Piwi total erschrocken zurück wich. Er war gegen etwas mit dem Fuß gestoßen, was allem Anschein nach ein menschlicher Kopf zu sein schien. Sein Bruder war ebenfalls an das Bett herangetreten und zog die Bettdecke zurück. Unter ihr kam das passende Anschlussstück zum Vorschein. „Rel was ist hier passiert?“, hakte ich erneut nach und wartete, bis er wieder seine Augen öffnete. Diese hatten schon einen leicht glasigen Glanz, welchen ich nur von meiner Schwester kannte, wenn sie eine Grippe hatte. „Wann… wollten wir uns treffen?“, wollte er jedoch zuerst wissen. „Vor gut vier Tagen“, gab ihm Pira die Antwort. „Scheiße… Dann lieg ich schon seit vier Tagen hier rum… Kein Wunder das es mir so beschissen geht.“ Seine Stimme brach ab und an mal ab und er musste sich räuspern, was dicht von einem Hustenanfall verfolgt wurde. „Diese Bauchschmerzen!“, beklagte er sich und griff nun fester an seinen Bauch. Ihn überfiel schon wieder ein solcher Anfall wie vor wenigen Minuten, doch die Übelkeit blieb diesmal aus und er wälzte sich zur Seite. Er stöhnte gequält auf. „Immer noch die gleichen wie vom Rückstoß?“, fragte ich nach und wurde mit einem gepressten Ja belohnt. „Kann einer mal diese verdammte Musik aus machen?!“, entfuhr es mir wütend und kurz darauf erstarb der Klang des Liedes. „Wir müssen ihn hier irgendwie wegschaffen!“, entschied ich und wollte ihm hoch helfen, doch Rel sträubte sich sofort dagegen. „Lass mich liegen… bitte…“ Planlos was ich machen sollte stand ich auf und betrachtete mir, nachdem Bana einen Lichtschalter entdeckt hatte, das Szenario genauer. Rel, einzig und allein in Boxershorts lag zusammengekrümmt auf seinem schwarzen Laken. Ein paar Zentimeter neben ihm lag eine kopflose Frau, die wahrscheinlich das ganze Blut an seinem Körper erklärte und am Fußende des improvisierten Bettes lag ihr Kopf. „Ich frage jetzt zum letzten Mal, was ist hier passiert?“ Rel kauerte sich noch ein Stückchen mehr zusammen und verharrte in dieser Position. „Nachdem ich nach Hause bin… hatte ich noch Hunger und hab mir was auf dem Weg aufgegabelt…. Meine Bauchschmerzen hatten etwas nachgelassen, also ging‘s wieder“, begann er mühselig alles zu erzählen. „Und nachdem wir hier waren, hatte ich dann halt noch etwas Spaß mit ihr.“ Sein kraftloses Lachen klang schon beinahe gruselig. „Und weiter?“, fragte ich, nachdem er eine stumme Pause eingelegt hatte. „Ich wollte sie töten, aber dann sind die Bauchschmerzen zurück gekommen und sie hat sich gewehrt und nach mir geschlagen, also hab ich ihr die Kehle abgedrückt… Und weil ich mich so verkrampften musste hab ich ihr aus Versehen den Schädel abgetrennt…“ Er musste Luftholen und wurde erneut von einem Hustenanfall durchrüttelt, welcher ebenfalls etwas Blut enthielt. Hinter uns ertönte ein dumpfer Aufschlag und als wir uns kurz darauf reflexartig umgesehen hatten, lag die Braunhaarige vor der Treppe auf dem Betonboden. „Sie ist ohnmächtig geworden“, betitelte Baka das Geschehen und trat an sie heran. Mit dem Fuß tippte er gegen ihren Kopf. „Hey!“, entkam es mir. „Was denn? Wollte nur mal gucken ob sie noch lebt.“ „Das kann man auch anders machen!“, blaffte ich zurück. Angestrengt fuhr ich mir mit der Hand durchs Gesicht und überlegte kurz, wie wir am besten vorgehen würden. „Wir müssen Rel hier rausbringen“, begann ich wieder, doch der Blondhaarige unterbrach mich. „Bloß nicht! Ich bleibe hier“, meinte er beharrlich. „Aber das bringt uns nicht weiter. Wir müssen dich hier rausbekommen und sehen was wir mit dir machen“, wandte ich mich an ihn. „Außerdem hab ich dein Tor kaputt gemacht“, hängte ich noch dran. „Das bezahlst du mir“, grummelte er nur in sein Kissen. „Rel, Pey hat Recht. Wir sollten dich hier rausbringen. Außerdem wollten wir doch eh abhauen, also hab dich nicht so. Was, wenn die Bullen zufälligerweise dich hier finden würden?“, unterstützte mich Pira. Wenigstens einer! „Ich...muss…zurück…“, stammelte der Blondhaarige, bevor er sich schlagartig zur Seite drehte, den Kopf über den Boden hielt und sich erneut übergeben musste. „Wie zurück? Wohin zurück?“ Ich verstand nicht genau was er wollte. „Zurück!“, hustete er zwischen seinen Versuchen Luft zu holen. „Doch nicht etwa-“, begann Baka, verstummte jedoch. „Nicht zurück wo ich euch geholt habe…“, seufzte der Blondhaarige geschwächt und ließ seinen Kopf auf die Matratze sinken. „Ich muss nach Hause“, murmelte er und schloss wieder seine Augen. „Nach Hause nach Hause?“, fragte Piwi verwirrt. „Ja man!“, stöhnte der Gefragte auf. „Und warum?“, wollte ich nun wissen. „Ich hab das Gefühl… mein Inneres löst sich auf… ich muss zu nem Arzt, verdammt!“, erklärte er gepresst und drückte sich wieder die Hände auf den Magen. „Zu nem Arzt? Sowas gibt es bei euch?“ „Ja, verdammt. Jetzt hört endlich auf so blöde Fragen zu stellen!“ Er stemmte sich von seinem Bett auf, die Arme wackelten erheblich also kam ich ihm zur Hilfe und stütze ihn. „Ich brauch was zum Anziehen“, sagte er tonlos. „Du solltest dich eher erst mal waschen!“, pflichtete Baka ihm bei und sah ihn abschätzig an. „Nerv nicht und hol mir ein paar Klamotten!“, fuhr Rel ihn an. Auch wenn er kurz vor einem Zusammenbruch stand, wollte er wohl immer noch den Starken machen. Der Braunhaarige drehte sich sofort von dem am Boden liegenden Mädchen weg und stolperte auf den Schrank, welcher an der Wand mit der Treppe stand, zu und riss ihn schnell auf. Er nahm die ersten Sachen heraus, welche aus einem weinroten Kapuzenpullover und einer etwas zerrissenen, hellblauen Jeans bestand. Rel lotste mich zu einer Tür neben der Küchenzeile, hinter der sich ein relativ modernes Bad befand. Den Lichtschalter fand ich sofort an der Außenwand und schleppte den Größeren hinein. „Danke“, murmelte er, als ich ihm auf den Badewannenrand absetzte. „Dafür bist du mir was schuldig wenn‘s dir wieder besser geht!“, grummelte ich. Baka legte die Klamotten auf den Boden und verschwand wieder. „Abgemacht“, lachte der Blonde schwach und griff nach einem Handtuch was sich in seiner Nähe befand. „Kannst du das mal nass machen?“, fragte er und hielt es mir knapp hin. „Wenn ich dich los lasse, fällst du in die Wanne“, meinte ich. Rel ließ sich etwas nach vorne fallen und rutschte am Wannenrand hinunter, damit er sich auf den Boden setzten konnte. Ich ging schnell ans Waschbecken und tränkte das Handtuch im Wasser, danach überreichte ich ihm den nassen Lappen. Beschwerlich fuhr er sich damit über seine Brust und über die Arme, seine Beine hatten nichts abbekommen. Nach mehrmaligen reiben über seinen Oberarm an dem ich die Bisswunde gesehen hatte, brach diese wieder auf und fing erneut an zu bluten. „Du heilst ja gar nicht“, stellte ich zögerlich fest, schnappte mir ein frisches Handtuch und wickelte es um seinen Arm. „Doch… aber nur langsam“, meinte er trocken. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mich auflöse“, sagte er leise und schwach. Seine Augen fielen ihm erneut zu und er kippte etwas zur Seite. „Das wird wieder“, meinte ich aufmunternd. Plötzlich überkam mich wieder dieser kleine Krampf, wie schon ein paar Stunden zuvor. „Du auch?“, fragte Rel, nachdem ich in die Hocke gegangen war und mir ebenfalls den Bauch hielt. „Nur leichte Bauchschmerzen“, antwortete ich beschwichtigend. „Du wurdest auch davon getroffen, wenn auch nur ein bisschen weniger als ich.“ Ich schluckte sichtlich, als ich mir der Tatsache bewusst wurde. Hieß das dann etwa, dass ich das gleiche durchleiden musste wie er? Um Himmels Willen, bloß nicht! Nachdem Rel sich sauber gemacht hatte und sich endlich was überziehen konnte, nachdem ich ihm den Arm verbunden hatte, half ich ihm wieder nach draußen zu den anderen. Es war wirklich kaum zu glauben gewesen, dass der Blondhaarige so etwas wie einen Verbandskasten besaß! Anna war derweil wieder zu sich gekommen und noch leicht blass um die Nasenspitze herum. „Was sollen wir mit ihr machen?“, fragte Bana und nickte zu der Kopflosen. „Lass sie hier. Die wird keiner finden“, meinte ich. „Brauchst du noch irgendwas?“, wandte ich mich an den Blondhaarigen, welcher einen Arm um meine Schultern gelegt hatte und von mir gestützt wurde. „Der Rucksack da hinten.. Da ist alles Wichtige drin“, meinte er. „Dein Handy…?“, fragte ich nach. „Boden“, war die knappe Antwort. Piwi ging einmal um das Bett herum und begutachtete das Ding. „Das Display ist gesprungen“, verkündete er, steckte es trotzdem ein. Bana schulterte den Rucksack und Pira erbarmte sich Anna die Treppe hinauf zu helfen. Als Letzte stiegen Rel und ich die Treppe hinauf. „Bist du dir auch wirklich sicher, dass du alles hast?“ Rel nickte langsam. „Der Rest ist nutzlos“, wisperte er. Ihm schienen schon wieder alle Lichter auszugehen, weswegen ich mich beeilen musste ihn die Treppe hoch zu verfrachten. „Und wo bringen wir ihn hin?“, fragte Pira, als wir alle oben vor der Garage standen. Diese hatten wir mit Ach und Krach so gut verschlossen wie es nur ging. Über die Luke hatten wir vorher noch ein paar Pappkartons gestellt, damit man diese nicht sofort finden konnte. „Am besten zu dir, oder? Bei mir in der Gegend ist es nun auch nicht mehr so sicher. Oder zu einem von euch beiden.“ Mit letzterem wandte ich mich an Bana und Baka. „Also zu mir auf keinen Fall. Das is noch nicht mal ne Wohnung sondern ein Keller in nem Abbruchgebäude. Und da ich nur eine Matratze besitze wo ich drauf schlafe, gibt es keine Möglichkeit wo er sich hinlegen kann“, wehrte Baka sofort ab. „Kannst ja auf dem Boden schlafen“, meinte ich gleichgültig. Bana schüttelte ebenfalls abwehrend den Kopf. „Ich schlafe die meiste Zeit in meinem Auto. Hatte kein Bock mehr in der Bruchbude zu Hausen wo ich die letzten Monate über gewohnt hab.“ Mein Blick glitt zu Pira. „Dann wirklich nur deine Wohnung.“ Angesprochener knirschte mit den Zähnen. Nicht nur dass sein Bruder jetzt bei ihm wohnen musste, Rel sollte nun auch noch dazukommen. „Das wird nicht klappen. Die Wohnung ist so schon verdammt klein und weil Piwi jetzt auch noch bei mir wohnt, ist der Platz noch geringer als vorher. Den Tag über kann er doch mit zu dir, oder? Es wird schon niemand genau an diesem Tag deine Wohnung finden. Ab morgen können wir uns alle eh mal Gedanken machen, wie es weiter geht. Wir wollten gehen, also sollten wir das auch tun!“ Ich nickte und festigte wieder meinen Griff um die Hüfte des Blondhaarigen, dieser hatte den Kopf an meine Schulter gelehnt und beobachtete alles aus seinen fast geschlossenen Augen. Letztendlich entschloss ich mich dazu den Älteren huckepack zu nehmen, so kamen wir schneller voran. Das Mädchen hatte sich in meinem Arm eingehakt, da sie selbst auch nicht ganz alleine laufen konnte. In was bin ich da nur rein geraten? Rel war während dem Weg eingeschlafen, was ich daran bemerkte, dass er immer schwerer wurde. „Geht’s?“, fragte Bana, welcher immer noch den Rucksack trug. „Ja“, murrte ich und ging weiter. Bis zu meiner Wohnung war es nicht mehr weit und das war auch gut so. Die Sonne war bereits am Aufgehen und blendete uns erheblich. „Wir sollten uns beeilen, bevor uns noch jemand sieht“, meinte der Piwi, welcher nur ein paar Schritte vor mir lief. Als wir um die nächste Ecke bogen, erkannte ich schon meine Wohnung. „Von hier aus können wir alleine gehen. Wir treffen uns dann heute Abend, okay?“ Alle waren einverstanden und so machten sich unsere Begleiter ebenfalls auf den Rückweg zu ihren Quartieren. Anna hatte Rel’s Rucksack an sich genommen und sein Handy in ihre Hosentasche gesteckt. „Wo sind wir?“, ertönte Rel’s Stimme, als wir ins Treppenhaus gingen. „Gleich bei mir zu Hause“, antwortete ich ihm und machte mich auf die Treppen gefasst, welche ich nun vor mir hatte. Es war sichtlich schwierig, so hochzugehen. „Kannst du laufen?“, fragte ich vorsichtshalber nach, erntete aber nur ein verneinendes Grummeln. Ein lautloser Seufzer entfuhr mir und so fasste ich noch einmal all meine Konzentration zusammen, um ja nicht nach hinten wegzukippen. Der Weg hinauf dauerte seine Zeit und ich war fix und alle, als wir oben ankamen. Anna, welche nun wieder etwas munter war schloss die Tür auf und ließ mich eintreten. Ich steuerte sofort das Wohnzimmer an und ließ den Dämon auf mein Sofa sinken. Dieser rollte sich gleich wieder zu einer Kugel zusammen und presste sich seine Knie in den Bauch. „Davon wird es auch nicht besser… Das tut dir doch bestimmt noch mehr weh, oder?“, fragte ich und zwang ihn dazu, sich etwas lockerer hinzulegen. „Egal…“, murmelte er und wollte gerade in seine ursprüngliche Position zurück, als Anna plötzlich mit einer Wärmflasche im Türrahmen stand und sie mir hinhielt. „Wo hast du denn die her?“, fragte ich verwundert und nahm sie an mich. „Gefunden“, antwortete sie schlicht und verschwand wieder, nur um kurz danach mit einem kleinen Eimer aus der Küche wieder zurückzukehren. „Sollte ihm wieder schlecht werden“, meinte sie und ging dann ins Schlafzimmer. Der Blondhaarige beäugte mich ungläubig, als ich ihm die Wärmflasche reichte. „Das wird auch nicht helfen“, räusperte er sich, nahm sie dennoch an. „Man kann‘s ja wenigstens versuchen“, beharrte ich. „Scheiße man, meine inneren Organe schmelzen! Da wird eine bescheuerte Wärmflasche auch nicht helfen. Ich hab die ganze Zeit Blut gekotzt und Essen kann ich auch nichts mehr. Ich sterbe, verdammte scheiße!“ Seine Stimme wurde immer gereizter und brüchiger. „Ich kann noch nicht sterben!“ Sein Brustkorb bebte regelrecht. Langsam begriff ich wirklich den Ernst der Lage. Rel war noch nie so verzweifelt gewesen wie jetzt in diesem Moment. Als sein Bruder starb, reagierte er mit Wut und Unverständnis… und jetzt? Er war verzweifelt und er hatte… Angst?! „Wir kriegen das wieder hin. Morgen machen wir uns auf den Weg, versprochen.“ Er blickte mich mit glasigen Augen an und es tat mir wirklich leid ihn in einer solchen Verfassung zu sehen. Der sonst so große Dämon, vor dem wir alle Respekt hatten und uns nicht wirklich mit ihm anlegen wollten, wenn er mal schlecht drauf war, war verzweifelt, hatte Angst und lag zusammengekauert auf meinem Sofa. Seine Augen wurden wieder träge und er schluckte abermals. Wir mussten uns beeilen sonst blühte mir das gleiche Schicksaal wie ihm. „Ich will noch nicht sterben…“ „Das wirst du nicht“, versprach ich ihm und erhob mich. Ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Ich war verblüfft: das war das erste und wahrscheinlich auch das einzige ehrlichste Lächeln, was ich je von ihm zu Gesicht bekommen würde. Kapitel 17: Fieberwahn ---------------------- Fieberwahn Pey: Kaum dass ich in meinem Schlafzimmer angekommen war konnte man aus dem Wohnzimmer Würgegeräusche vernehmen, aber ich konnte ja nicht jedes Mal ins Wohnzimmer rennen, wenn Rel solche Laute von sich gab. „Denkst du, er kommt klar?“, fragte mich Anna besorgt, welche schon im Bett lag und auf mich wartete. „Ich hoffe es“, murmelte ich leise und legte mich zu ihr. „Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus“, meinte sie aufmunternd und legte ihre Arme um meinen Oberkörper. Ich erwiderte ihre Umarmung und zog sie noch ein Stück zu mir heran. „Sollte er es bis dahin schaffen…“ Meine Stimme war brüchig, denn ich wollte einfach nicht mit dem Gedanken spielen, ihn zu verlieren. Wir waren jetzt schon seit sieben Jahren zusammen unterwegs, da konnte er wegen so etwas doch nicht einfach abkratzen! „Ach Quatsch. Ich kenne ihn jetzt zwar erst seit knapp anderthalb Wochen, aber ich denke dass er sich von sowas nicht unterkriegen lässt.“ Ich erwiderte das aufmunternde Lächeln nur knapp und schloss gezwungenermaßen meine Augen. Sollten wir wirklich heute Abend noch weggehen, sollte ich ausgeschlafen sein. Rel: Den halben Tag lag ich wach auf dem Sofa und wälzte mich hin und her. Dieser beschissene Schmerz wollte einfach nicht vorüber gehen. Pey konnte sich glücklich schätzen, dass er noch nicht so weit war, wenn es auch nicht mehr allzu lange dauern sollte. Er stand ja nur knappe zwei bis drei Meter hinter mir, daher würden seine Schmerzen auch von Tag zu Tag schlimmer werden. Ich wusste, sollte ich nicht bald nach Hause zurückkehren, war ich geliefert. Meine Hand fühlte sich an wie Eisen, als ich sie anhob und meine Stirn abtastete. Ich war nassgeschwitzt und ich könnte schwören, dass ich nun auch noch Fieber hatte. Fühlte es sich so an, wenn man starb? Hatte Raym damals dasselbe gefühlt, als ihn die Kleriker geläutert hatten? Ich konnte mich noch gut an seine Schmerzensschreie erinnern und wie er uns zugerufen hatte, dass wir fliehen sollten. „Raym…“, flüsterte ich mit trockener Kehle und zog meine Knie an die Brust. Kurz danach schwappte eine Welle von erneutem Schmerz über mich und ich musste mich schlagartig übergeben. Wo kam das alles nur her? Ich hatte seit Tagen nichts mehr gegessen… mein Magen müsste eigentlich leer sein. Wir ätzende Säure floss mein Blut meine Speiseröhre hinauf. Es war ein einfach nur widerliches Gefühl! Meine Augen flackerten und mit einem trüben Blick musterte ich die Wand mir gegenüber. Ich hatte Kopf- Glieder und Halsschmerzen und die Übelkeit wurde auch nicht weniger. Warum musste auch ausgerechnet mir das passieren? Hätte ich sie doch nur in einem dreckigen Erdloch vergraben, dann würde es mir jetzt nicht so miserabel gehen! Wenn diese verfluchte, braunhaarige Göre doch nie hier aufgetaucht wäre… Pey: Als die Sonne mit ihren letzten Strahlen hinter dem Horizont verschwand, stand ich bereits fertig angezogen vor meinem Spiegel im Bad und begutachtete mich. Ich war total übermüdet, da Rel mich die ganze Zeit wach gehalten hatte. Nachdem seine Würgegeräusche einfach nicht nachgelassen hatten, hatte ich mich doch bemüht wieder zu ihm zu gehen. Er hang wie ein Schluck Wasser in der Kurve über der Kante meines Sofas und musste sich immer und immer wieder übergeben. Hätte Anna’s Eimer nicht dort gestanden, dann sähe mein Wohnzimmer nun echt übel aus. Meine Bauchkrämpfe hingegen hatten wieder nachgelassen, einzig ein kleines Grummel machte sich ab und an bemerkbar. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie Rel sich fühle. Sein gequälter Blick sprach Bände. Irgendwann jedoch hatte ich mich erschöpft in mein Bett fallen lassen und konnte wenigstens für zwei bis drei Stunden meinen Schlaf finden. Ich atmete noch einmal tief durch und ging in den Flur. Aus meinem Schlafzimmer waren raschelnde Geräusche zu hören und kaum eine Minute später stand Anna vor mir und streckte sich ausgiebig. Ein leichtes Schmunzeln konnte ich mir echt nicht verdrücken, wie sie so in ihrem knappen Nachthemd vor mir stand und herzhaft Gähnen musste. Sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln und verschwand dann, schnellen Schrittes, hinter mir im Bad, um sich fertig zu machen. Mein Weg führte mich zu meinem Kumpel ins Wohnzimmer und ich betrachtete ihn abschätzig. Er hatte die Augen geschlossen und sich eng zusammengerollt. Es sah sehr unbequem aus, doch er schien zu schlafen. Was mich an dem ganzen Anblick jedoch ein wenig schockte war die Tatsache, dass seine Haut beinahe schneeweiß war… genau wie seine Haare. Ich trat einen Schritt näher an ihn heran und blickte starr auf seine Brust. Das minimale Heben und Senken signalisierte mir, dass er noch am Leben war. Erleichtert atmete ich die angestaute Luft aus, welche ich vor Schreck eingesogen hatte. Seine Augenlider zuckten hin und her und plötzlich riss er die Augen auf. Sie waren schwarz, seine Iriden weiß mit dem goldenen Schimmer! Warum hatten sich seine normalen Augen in seine dämonischen umgewandelt? Rel schluckte als sein Blick zu mir wanderte. „Ich muss nach Hause“, meinte er und rappelte sich auf. „Warte! Warum kannst du aufstehen??“ Ich war nun gänzlich verwirrt als er mich mit einem düsteren Blick anschaute. „In dem Zustand kann ich nicht lange bleiben also lass mich vorbei!“ Er knurrte mich tatsächlich an. Was war auf einmal mit ihm passiert? Er strahlte eine unnatürliche Wärme aus und sein Griff war keineswegs so schwach wie ein paar Stunden zuvor. Es war, als stünde ein komplett anderer Kerl gegenüber! Das war nicht Rel, zumindest war er nicht er selbst. „Du kannst doch nicht einfach abhauen! Wir wollten zusammen weg, schon vergessen?“ „Keine Zeit, sonst schaffe ich es nicht mehr zum Portal.“ Er wollte sich an mir vorbeidrängen, doch ich hielt ihn am Handgelenk fest. „Verdammt lass mich los!“ Mein Griff verfestigte sich und mit der anderen Hand fasste ich an seine Stirn. Sie war glühendheiß, genau wie der Rest seiner Haut. „Du hast Fieber! Glaubst du echt ich lass dich so nach draußen?“ Rel machte einen bedrohlichen Schritt auf mich zu. „Du willst mir Befehle erteilen?“ In mir machte sich ein mulmiges Gefühl breit, als er mit seiner freien Hand mein Handgelenk umklammerte, welches seinen Arm festhielt. Ohne auch nur einen Millimeter seine Mimik zu verziehen krallte er seine Krallen in mein Handgelenk und zwang mich so, ihn los zu lassen. Gequält und schmerzvoll musste ich auf keuchen und ließ ihn schlagartig los. „Geht doch“, meinte er mit zuckersüßer Stimme und schritt auf die Tür zu. „Bleib stehen!“, schrie ich ihn an und packte ihn wieder. Dann riss ich ihn zu Boden und nagelte ihn regelrecht am Fußboden fest. Mit der Aktion hatte er anscheinend nicht gerechnet, das konnte ich aus seinem verwunderten Blick lesen. An meiner verwundeten Hand tropfte schon das Blut auf den Boden, doch das kümmerte mich recht wenig. Ich durfte ihn so nicht vor die Tür lassen. Da war mir doch der schwache, unbeholfene Kerl lieber, welcher reiernd auf meinem Sofa lag! Hinter uns wurde die Badtür aufgerissen und Anna stolperte raus. „Was geht denn hier ab?“, wollte sie wissen und besah sich die skurrile Szene vor sich. „Was genau macht ihr da?“, hakte sie nach. „Du!“, ertönte Rel’s Stimme unter mir und er warf mir mit Leichtigkeit auf die Seite. „Du kleine Schlampe hast mir das angetan! Dafür müsste ich dich elendig verbluten lassen, aber das wäre wahrscheinlich eine noch zu milde Strafe für dich!“ Anna wich ängstlich einen Schritt zurück, als sich Rel ihr gegenüber stellte. „Lass sie in Ruhe!“ Der Weißhaarige vor mir beachtete mich keines Blickes. Er machte einen weiteren Schritt auf Anna zu und knackte bedrohlich mit seinen Fingern. „Ich könnte dir auch bei lebendigem Leib die Haut abziehen“, sagte er mit zuckersüßer Stimme. Die Braunhaarige vor ihm wich immer weiter zurück, bis sie sich in die Ecke gedrängt sah, als sie hinter sich die Wand spürte. „Früher, als die Dämonen noch mächtiger waren haben wir euch scheiß Kleriker auf dem Scheiterhaufen verbrannt. So wie ihr kümmerlichen Menschen es bei Hexen gemacht habt. Vielleicht wäre das ja eine angemessene Strafe für dich. Deine qualvollen Schreie wären Musik in meinen Ohren.“ Rel stand nun genau vor ihr und zeichnete mir seinem Finger eine imaginäre Linie an ihrem Hals entlang. „Ich hab gesagt du sollst sie in Ruhe lassen!“, knurrte ich nun selbst und schubste ihn mit aller Gewalt von ihr weg. Er landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden des Wohnzimmers. Die schneeweiße Haut war noch um einiges wärmer geworden, wie ich bei der Berührung bemerkt hatte. Man könnte sich ja schon beinahe die Finger an ihm verbrennen. „Lass mich in Ruhe, du Verräter“, zischte mich der weißhaarige an und funkelte wütend mit seinen dämonischen Augen in meine Richtung. „Du hast dich auf ihre Seite geschlagen! Du willst mir gar nicht helfen! Es wäre dir doch lieber wenn ich hier verrecken würde. Dann kannst du mit deiner Gottesanbeterin heile Welt spielen!“ „Das ist doch gar nicht wahr! Wir sind Freunde, ich könnte dich nie im Stich lassen! Verdammt, was ist los mit dir??“ Der Weißhaarige lachte verächtlich. Plötzlich wandelte sich sein Lachen in ein Husten und auf einmal floss massenweise sein Blut aus seinem Mund. Ich stürzte zu ihm und hielt ihm den Eimer unters Kinn. Das dunkle, fast schwarzes Blut hoch sich extrem von seiner blassen Haut ab. Es wirkte alles so unnatürlich, so künstlich. „Was, was soll ich machen??“, fragte Anna stotternd und stand immer noch an Ort und Stelle. „Ich weiß es nicht!“, meinte ich verzweifelt und klopfte Rel auf den Rücken, damit das Husten aufhörte. „Es hört einfach nicht auf! Bring mir ein paar Handtücher!“, wies ich sie an und sie eilte sofort ins Bad und gab mir die erstbesten die sie finden konnte. Rel’s Husten hatte etwas nachgelassen und ich drückte ihm das Handtuch auf den Mund. Vielleicht half es ja ein wenig. Er umfasste nun selbst das Bündel vor seinem Mund und presste es fester darauf. Seine Atmung ging nur noch stoßweise und dann… kippte er einfach um. „Verdammt!“, zischte ich und kniete mich über ihn. Verzweifelt und planlos was ich machen konnte tastete ich nach seinem Puls, welchen ich unter der Aufregung jedoch nicht fand. „Scheiße, scheiße, scheiße! Bitte, verreck nicht!“ Plötzlich zuckten seine Finger, welche immer noch das Handtuch umfassten und ein leichtes Schnaufen war zu hören. Ich war total überfordert mit der Situation und fuhr mir mit meinen Händen durchs Gesicht. Was sollte ich nur machen? Was war eben passiert? Wie war das passiert? Mein Kopf platzte beinahe bei den ganzen Fragen die in ihm herumschwirrten. Wir mussten Rel so schnell wie möglich helfen, koste es was es wolle. Wir mussten ihn nach Hause bringen, so wie er es wollte. Aber konnte dieser Arzt von dem er gesprochen hatte ihm wirklich helfen? Ich hoffte es inständig. Anna: Der ganze Tumult war nun mehr als zwei Stunden her und endlich waren die anderen Jungs aufgetaucht. Rel war bis dato nicht mehr aufgewacht, sondern verweilte in einer Art Tiefschlaf. Keiner von uns wollte ihn wecken, da Pey befürchtete, dass es wieder so ausarten konnte wie eben. Die Haare des Dämons waren immer noch weiß verfärbt, genau wie seine Haut, was natürlich ein schlechtes Zeichen war. Rel meinte eben, dass er in diesem Zustand nicht lange bleiben konnte, aber was genau hatte er gemeint? War das eine Art Reservekraft die er besaß? Besaß sie jeder Dämon oder nur die reinrassigen? Ich verstand langsam echt nur noch Bahnhof. In was für ein Abenteuer war ich hier nur hineingeraten? Das alles musste doch irgendwann auch mal sein Ende finden, oder etwa nicht? Die Jungs hatten sich im Wohnzimmer auf dem Sofa und auf dem Boden verteilt und starrten ihren Anführer an, welche immer noch auf dem Boden lag und das Handtuch vor seinem Mund festhielt. Anscheinend hatte das Bluten aufgehört, denn es war kein einziger Tropfen unter ihm zu sehen. Die Tatsache dass er atmete war für alle eine sichtliche Erleichterung. Wir alle mussten Handeln, doch das konnten wir ohne Anhaltspunkt nicht. „Aber wenn wir ihn wecken und er wieder so drauf ist wie eben, dann könnte er vielleicht sogar verbluten. Er hat die letzten Stunden so viel Blut verloren, das können wir ihm echt nicht zumuten“, unterbrach Pey die Runde und erntete ernstes Nicken seitens seiner Freunde. „Dennoch können wir ohne seine Informationen nichts unternehmen“, pflichtete ihm Pira bei, welcher mit einem Taschenmesser in seinen Händen spielte. „Was ist mit seinem Handy? Vielleicht finden wir da was Brauchbares?!“, meinte sein Bruder. „Aber ich dachte es wäre kaputt?!“ Pey schüttelte verneinend den Kopf auf Bana’s Frage. „Das Display ist gesprungen“, teilte ich ihm mit und hielt es hoch. Am gestrigen Tag hatte ich es an mich genommen und trug es seitdem in meiner Hosentasche mit mir herum. „Dann gib mal her“, wies mich Pira an, dem ich auch sogleich das Handy aushändigte. Er drückte auf den Einschaltknopf und wartete einen Moment. „Entweder es ist leer oder es ist doch kaputt“, meinte er stirnrunzelnd und betrachtete sich das Gerät neuer. Pey rappelte sich von seinem Platz neben dem Weißhaarigen auf und verschwand in seinem Zimmer, nur um kurz danach wieder mit einem Ladekabel in der Hand zu unserer Runde zurückzukehren. „Das sollte passen.“ Er steckte den Stecker in eine Steckdose neben dem Sofa und hielt dann Pira den Anschluss entgegen. Der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen schloss das Handy mit dem kaputten Display an und wartete einen Augenblick, bis er es wieder versuchte. Mit einem leisen Brummen reagierte das Handy auf die Stromquelle und ging an. Gebannt warteten wir, stießen dann jedoch auf das nächste Problem. „Niemand von euch hat nen Plan wie sein PIN lautet, oder?“ Alle zogen planlos die Schultern hoch. Die Miene des Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen hellte sich etwas auf. „Versuch mal 2005.“ Verwirrt sah Pira ihn an, versuchte es trotzdem. „Klappt. Aber wie kommst du dadrauf?“ „Gründungsjahr seiner Lieblingsband“, meinte er schwach grinsend. „Und sein Muster?“ „Es war kurz und nicht so groß, das weiß ich. Aber was genau es war weiß ich nicht. Irgendwie sowas“ und Pey fuchtelte in der Luft herum. Pira wusste nicht ganz wie er es versuchen sollte, daher reichte er das Handy an Pey weiter. Dieser versuchte die Bewegung auf dem Display nachzumachen, musste jedoch aufpassen sich nicht zu schneiden. „Dass das Ding überhaupt noch reagiert ist ein Wunder“, meinte er, als es sich auf einmal entsperren ließ. Das erste was Pey machte war, dass er Rel’s Kontaktliste durchsah, welche nicht sonderlich viele Kontakte enthielt. Neben den Namen der fünf Anwesend waren nur noch drei andere eingespeichert. „Itinier, Bilu und Deumus“, las Pey vor. „Itinier ist lateinisch und heißt soviel wie Durchgang“, meldete sich Baka zu vor. Alle sahen ihn verwundert an. „Was? Warum weißt du sowas?“ „Ich hatte Latein!“, rechtfertigte er sich. „Ja, aber vor fast sieben Jahren!“, meinte Bana und schüttelte den Kopf. „Scheiß Streber“, fügte er noch leise hinzu und erntete einen Schlag von seinem Sitznachbarn. „Also gut, vielleicht hilft und das ja weiter“, meinte Pey und tippte auf die Nummer, doch auch nach ein paar weiteren Versuchen reagierte das Gerät einfach nicht mehr. „Scheint, als wäre es gefreezt“, murmelte er und tippte härter auf das Display. „Lass es, das bringt nichts. Ruf doch von deinem Handy an“, schlug Piwi vor und bekam ein Seufzen zu hören. Etwas unliebsam zog der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen sein eigenes Handy aus der Hosentasche und tippte die Nummer ein. Er stellte den Anruf auf laut, damit wir alle mithören konnten und so warteten wir darauf dass jemand abhob. Eine erwartungsvolle Stimmung machte sich unter uns breit und wir lauschten dem Tuten des Wähltons. Nach einer gefühlten Ewigkeit, als Pey schon auflegen wollte, ertönte eine gedämpfte Stimme. „Sì?“ Kapitel 18: Aufbruch in eine neue Welt -------------------------------------- Aufbruch in eine neue Welt Pey: Verwundert blickten wir den Hörer an. Es war eine tiefe, männliche Stimme, welche etwas gereizt klang. Im ersten Moment wusste keiner, was er sagen sollte und so fuchtelten wir uns gegenseitig zu, etwas zu sagen. „Chi c’é?“ Die Stimme klang nun noch gereizter und wir mussten uns schnell etwas einfallen lassen, damit der Kerl nicht auflegte. Die Sprache mit welcher er uns Ansprach war allem Anschein nach italienisch. Warum hatte Rel Kontakt mit Italienern? Innerlich lachte ich kurz auf. Das war ja wohl kaum jemand von der Mafia. „Nicht auflegen!“, sagte ich dann wie aus Reflex, verstummte jedoch sofort. „Wer bist du und was willst du von mir?“, fragte der Kerl mit seiner dunklen Stimme nun in unserer Sprache, doch der italienische Akzent war ihm noch deutlich anzuhören. „Wir sind Freunde von Rel“, antwortete ich für uns alle. Gespannt warteten wir auf eine Reaktion. „Und weiter?“, hakte der Unbekannte, welcher unter dem Namen Itinier eigespeichert war, nach. „Rel geht es nicht gut und er sagte, er muss nach Hause. Du bist unser einziger Anhaltspunkt um ihn… nun ja… von hier weg zu bekommen“, erklärte ich knapp unsere Lage. Es herrschte einen Moment Stille, dann war ein leises Lachen zu hören. „Kaum zu glauben, dass der werte Herr mal in Schwierigkeiten stecken würde. Wo ist er?“ „Er schläft“, antwortete ich und sah dabei besorgt zu meinem Kumpel, welcher immer noch neben mir lag. Die Bewegungen seiner Brust waren so minimal, dass man hätte meinen können, er würde gar nicht mehr atmen. „Um diese Uhrzeit? Wohl kaum. Gib ihn mir, damit ich mit ihm reden kann. Es könnte ja jeder Dahergelaufene behaupten den werten Herrn zu kennen.“ Ich verdrehte die Augen und seufzte resigniert. „Das geht nicht. Er ist in einer ganz üblen Verfassung und wir wollen ihn nicht aufwecken“, beharrte ich. „Tze. Und was heißt ‚wir‘? Wer seid ihr überhaupt? Der werte Herr hat keine Freunde in der Menschenwelt. Er ist mit seinem Bruder unterwegs und sonst war niemand bei ihm, als er damals durch das Portal kam.“ „Warum zum Fuck nennst du Rel die ganze Zeit werter Herr? Bist du sowas wie‘n Butler, oder was??“, mischte sich auf einmal Baka ein. „Baka!“, knurrte ich in seine Richtung. Warum musste er auch immer so vorlaut sein? „Ihr klingt wie totale Idioten. Jeder aus der Adelsfamilie wird so angesprochen. Das ist ein höflicher Umgangston. Euch Grünschnäbeln das zu erklären lässt mich darauf schließen, dass ihr nur wenig Ahnung habt, mit wem ihr es bei ihm zu tun habt.“ Verwirrt starrten wir das Display an. „Adelsfamilie?“, hakte ich nach. Nun, das war mir weiß Gott etwas suspekt. Rel und adlig? Nie im Leben! „Wenn du damit meinst, ob wir wissen würden, dass Rel ein Dämon ist, dann ja, das wissen wir. Wir sind ebenfalls welche“, antwortete Pira. „Wie viele seid ihr?“, wollte der Fremde wissen. Er war wahrscheinlich schon etwas überrascht, dass immer mehr Stimmen antworteten. „Fünf“, antwortete ich. Anna blickte mich mit hochgezogener Augenbraue an. „Du zählst nicht“, wisperte ich ihr zu, worauf sie nur die Augen verdrehte. „Und wie kann ich sicher sein, dass ihr den werten Herrn nicht entführt habt und ihn erpresst, um durch das Tor zu kommen?“ „So ein Unsinn“, schnaufte ich und raufte mir die Haare. „Alter, kannst du ihn nicht einfach mal beim Namen nennen?“ „Baka!“, fuhr ich ihn erneut an. „Was denn? Das hört sich doch total behindert an!“ „Halt…einfach deine Schnauze“, fuhr Bana ihn nun zähneknirschend an und schlug ihm auf den Hinterkopf. „Na schön. Dennoch gebe ich euch keine Info’s, bevor ihr mir nicht beweisen könnt, dass Rel bei euch ist und wirklich Hilfe benötigt“, meinte der Fremde beharrlich. Wir hatten keine andere Wahl: wir mussten Rel wieder aufwecken! „Sollte er sterben geht das auf deine Kappe, Kumpel!“, knurrte ich in das Handy, was nur mit einem belustigten Lachen zur Kenntnis genommen wurde. Ich beugte mich leicht zu Rel vor und rüttelte an seiner Schulter. Im ersten Moment tat sich nichts, doch dann machte er die Augen einen spaltbreit auf. Es waren wieder seine normalen, blauen Augen, dennoch waren sie etwas getrübt und leicht glasig. „Da ist jemand am Telefon, der dich sprechen möchte“, ließ ich ihn wissen. „Was?“, fragte er mit brüchiger Stimme und schloss wieder die Augen. „Du musst nur sagen, dass es dir beschissen geht und dass du nach Hause willst“, drängte ich ihn. Unser Zuhörer blieb ruhig und belauschte uns weiter. Der Weißhaarige öffnete erneut die Augen und blickte mich wütend an, seine Augen hatten sich wieder in die eines Dämons verwandelt. „Oh shit“, entfuhr es mir und ich sprang sofort auf. „Verriegelt die Tür, er darf nicht schon wieder versuchen abzuhauen!“, rief ich den anderen zu, welche sofort aufsprangen. Zusammen kreisten wir den Weißhaarigen ein, welcher uns mörderisch anfunkelte. „Spielen wir etwa wieder das gleiche Spielchen?“, fragte Rel süffisant und machte einen bedrohlichen Schritt auf mich zu. „Reg dich ab, du bist krank und weißt nicht was du tust!“, ermahnte ich ihn und stellte mich kampfbereit hin. Anna hinter mir ergriff das Handy und meinte ernst: „Er verliert wieder die Kontrolle. Genügt Ihnen der Beweis, dass er seine Freunde angreift? Er braucht Hilfe!“ Es war nur der Bruchteil einer Sekunde in der Rel’s Aufmerksamkeit wieder zu Anna huschte und er sich auf sie stürzte. „Lass sie los!“, schrie ich ihn an und stürzte mich auf ihn. „Diese Bestie hat mir das angetan! Sie muss dafür büßen!“, knurrte der Dämon, ließ von dem Mädchen ab und kickte mich zur Seite. Schmerzend musste ich mir den Bauch halten, da er mich genau in die Magengrube getroffen hatte. Wo holte er nur schon wieder diese Kraft her? Das war unmöglich! Ich taumelte zurück und krachte ächzend gegen die Wand, nur um daran herunter zu sinken und mich zu übergeben. Mir wurde regelrecht schwarz vor Augen und mein Hals brannte elendig. „Pey!“, rief Anna erschrocken aus und wollte zu mir, doch der Dämon stellte sich in ihren Weg. „Du kommst hier nicht durch“, lachte er und wollte wieder nach ihr schlagen, als er auf einmal stehen blieb und qualvoll aufschrie. Mit blinzelnden Augen blickte ich in seine Richtung und bemerkte, dass die Braunhaarige ihre Augen geschlossen hatte und sich zu konzentrieren schien. „Nein Anna! Das wird ihn umbringen!“, keuchte ich und schaffte es sie aus ihrer Trance zu holen. Rel war in sich zusammengesunken und hielt sich schmerzend den Kopf. „Sie hat’s wieder getan!“, rief Baka aus und wich von ihr zurück. Hatte Anna etwa endlich herausgefunden, wie sie ihre Kräfte gegen uns benutzen konnte? Das Mädchen blickte mich mit Tränen in den Augen an. „Das-das wollte ich nicht“, stotterte sie und sank auf dem Sofa zusammen. Bana und Piwi waren zu Rel geeilt, der sich schon wieder übergeben musste, und stützten ihn etwas. Ich saß noch an der Wand und hielt mir den Bauch fest. Die Bauchschmerzen der vergangenen Tage waren schlagartig wieder da, nun aber schlimmer als je zuvor. Die Krämpfe machten mich beinahe wahnsinnig, so sehr schmerzten sie schon. Der dunkle Schleier vor meinen Augen nahm allmählich wieder zu und ich drohte zur Seite umzukippen. Baka war so weit wie möglich von Anna gewichen und starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Sein Blick, gemischt aus Verzweiflung und Wut, sprach Bände. Er war wohl der einzige, der nachvollziehen konnte wie es sich anfühlte, wenn einem regelrecht das Hirn frittiert wurde. Pira hingegen hatte mein Handy wieder aufgehoben, welches auf den Boden gefallen war und sprach wütend zu dem Kerl, welcher bis jetzt noch keinen Mucks von sich gegeben hatte. „Hör zu: Wir haben hier gerade nicht nur unser eigenes, sondern auch Rel’s Leben auf’s Spiel gesetzt. Jetzt sag uns endlich was wir wissen wollen, damit das hier alles endlich ein Ende hat, verdammte Scheiße!“ Der unbekannte Italiener schwieg noch einen Moment bis er seufzte. „Es scheint, als steckt ihr wirklich in Schwierigkeiten. Ich werde euch eine Adresse schicken und ihr werdet 24 Stunden Zeit haben, um dort aufzukreuzen. Die Zeit zählt ab jetzt-“ Im selben Moment legte er auf. „So ein Wichser!“, keifte Pira und knallte mein Handy auf den Tisch. „Alter! Geh sorgsamer damit um…“, murmelte ich, als sich mein Bauch langsam wieder beruhigt hatte und sich der schwarze Schleier um meine Augen gelegt hatte. Mit dem Handrücken wischte ich mir das Blut von meinen Mund und blickte nun gänzlich auf. Anna saß noch immer auf dem Sofa und weinte, weswegen ich mich aufrappelte und zu ihr humpelte, nur um sie dann tröstend in den Arm zu nehmen. „Das wollte ich nicht“, schniefte sie und vergrub ihr Gesicht in meinem Oberteil. „Ich weiß… Das ist wie ein Schutzmechanismus den du nicht kontrollieren kannst“, flüsterte ich in ihr Ohr. „Warum nimmst du sie immer und immer wieder in Schutz? Sie hat uns das alles hier eingebrockt!“, schrie Bana mich plötzlich an. Er hockte noch immer an Rel’s Seite und hielt ihm das Tuch von eben vor den Mund, damit er nicht zu viel von seinem Blut erbrach. „Wegen ihr verreckt Rel vielleicht noch, genauso wie du! Sie hat uns den ganzen Mist eingebrockt! Hättest du sie vor ein paar Tagen in einem Grab versenkt, dann würden wir noch ein friedliches Leben führen!“ „Ja!“, pflichtete Baka ihm bei. Erstaunt sah ich die beiden an. Verschworen sie sich gerade gegen mich? „Jungs, jetzt beruhigt euch doch mal…“, versuchte Piwi den Streit zu schlichten, „Ich find die Situation auch Scheiße, aber man kann nichts mehr daran ändern. Passiert ist passiert.“ „Fresse, du kleiner Pisser. Du hast doch von Anfang an auf ihrer Seite gestanden!“, hetzte Pira gegen seinen Bruder. „LEUTE! Jetzt hört endlich auf mit der Scheiße!“, schrie ich durch den Raum. Im Endeffekt war das keine so gute Idee gewesen, da mein Bauch wieder anfing weh zu tun, aber es war dringend nötig gewesen. Zwischen uns herrschte eine geladene Stimmung, bis auf einmal mein Handy vibrierte. Pira blickte auf den Display und lachte abschätzig. „Der will uns doch verarschen“, murmelte er und schüttelte den Kopf. „Was ist los?“, fragte ich verwundert. Die ungemütliche Stimmung schien vom einen auf den anderen Moment wie, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. „Wenn wir es noch rechtzeitig schaffen wollen, sollten wir uns in der nächsten Stunde auf den Weg machen. Wir müssen verdammt weit fahren!“, seufzte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen und fuhr sich angestrengt durch die Haare. Piwi: „Und wie gedenkst du, dass wir von hier weg kommen?“, fragte ich meinen Bruder, welcher mich abschätzig ansah. „Wir werden mit zwei Autos fahren müssen, da wir zu viele Personen sind. Jeder sollte aber noch die Möglichkeit haben, seine wichtigsten Sachen so schnell wie Möglich herbeizuschaffen. Ich schlage vor, dass wir uns in einer halben bis dreiviertel Stunde am Stadtrand treffen.“ „Wer hat dich denn zum Organisator bestimmt?“, meckerte Baka, welcher nun endlich aus seiner Ecke zu uns kam und Bana und mir half, Rel auf das Sofa zu legen. „Alter!“, fuhr Pey ihn an. Dem Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen war deutlich anzusehen, wie mies es ihm ging. Er hielt sich schmerzend den Bauch und war auch deutlich blasser im Gesicht geworden. „Wenn wir uns weiter zoffen, bringt uns das auch nicht weiter“, seufzte ich angesträngt und hob zusammen mit den beiden Jungs den Weißhaarigen hoch. Stück für Stück näherten wir uns dem Sofa und legten den Dämon behutsam ab. „Aber die da kommt nicht mit“, motzte der Braunhaarige weiter und nickte in Anna’s Richtung, dennoch war ein wenig Ehrfurcht aus seiner Stimme zu hören. „Sie kommt mit“, beharrte Pey, welcher die Braunhaarige immer noch im Arm hielt. Ihr Schluchzen und Schniefen hatte aufgehört und nun schmiegte sie nur noch ihr Gesicht in sein Oberteil. „Verdammte Scheiße! Pey, merkst du denn nicht wie sie dich verändert? Du hättest nicht mal im Traum daran gedacht, irgendein dahergelaufenes Mädchen zu beschützen!“, schnauzte mein Bruder ihn an. „Pira!“, schaltete ich mich ein. „Er kann doch wohl selbst entscheiden, was er tut!“ Mein Bruder schüttelte abschätzig den Kopf und lachte verächtlich. „Du warst ja schon immer ein Weichei, aber dass auch du dich auf die Seite des Feindes stellst, hätte ich nie von dir erwartet. Du bist einfach nur ein dreckiger Verräter!“ „Ich bin ein was?“, fragte ich gereizt und machte einen Schritt auf ihn zu. „Bitte, hört einfach auf“, seufzte Pey mit letzter Kraft und kippte wie aufs Stichwort um. Anna hielt ihn so fest sie konnte, um ihn vor einem Aufprall zu bewahren. „Scheiße!“, fluchte mein Bruder und ging schnell zu dem Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen, um ihn Anna abzunehmen. Das Mädchen hatte panisch ihre Augen aufgerissen und klammerte sich verzweifelt an den Größeren. „Anna, lass ihn los. Das bringt doch jetzt auch nichts mehr“, seufzte ich schwach und half meinem Bruder, unseren Kumpel aus ihrem schraubstockartigen Griff zu befreien. „Es ist alles meine Schuld…“, flüsterte sie und starrte auf eine unsichtbare Stelle vor sich auf dem Boden. Ich kniete mich vor sie und nahm ihr Kinn in meine Hand, um ihr Gesicht in meine Richtung zu drehen. „Jetzt hör mir mal zu: Natürlich ist dass alles deine Schuld, aber ändern können wir nun auch nichts mehr daran. Wir werden uns auf den Weg zu der Adresse machen und den beiden helfen. Wenn Rel rechtbehält, dann gibt es jemand der den beiden helfen kann. Wir müssen uns einfach nur beeilen und hoffen das alles gut wird, okay? Und du reist dich jetzt gefälligst zusammen, verstanden?“ Stockend nickte sie, ihre Augen füllten sich dennoch wieder mit Tränen. Sie hatte es wirklich nicht leicht, das wusste ich, aber sie war nun mal in unsere Welt geraten und ein Zurück gab es nicht. Der einzige Ausweg war der Tod, aber Pey würde uns umbringen, sollte Anna etwas zustoßen. Er schien sie wirklich mehr als nur zu mögen und das war sein Schwachpunkt. Mein Bruder war neben mich getreten und packte mich am Kragen als ich aufstand, nur um mich dann an die Wand zu drücken. „Wenn das hier vorbei ist, bist du Geschichte für mich. Dann will ich dich nie.wieder.sehen!“ Bei seinen Worten musste ich schlucken. War er so sauer auf mich, nur weil ich nicht so einen großen Hass auf das arme Mädchen schob, so wie die anderen? Was war er doch nur für ein Idiot?! „Schön“, sagte ich gepresst und schlug seine Hand weg. „Wir gehen. Jetzt sofort!“, befahl der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen und verließ den Raum. Bana und Baka folgten ihm. Zu unserem großen Glück oder eher Pech, je nachdem wie man es sah, hatten wir einen Kleinbus gefunden, welcher insgesamt Platz für elf Personen und einen Fahrer hatte. Mein Bruder schien seine selbsternannte Rolle als Anführer sehr auszukosten, denn er entschied eigenmächtig, dass er fahren würde. Bana und Baka hatten keine Einwände gehabt und meine Meinung war für die drei irrelevant gewesen. Der Braunhaarige und der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen saßen auf den beiden vorderen Plätzen neben Pira, Anna und ich teilten uns die erste Bank und auf die letzten beiden Bänke schnallten wir Pey und Rel fest. Notfalls hatten wir den beiden die Hände auf den Rücken gefesselt, denn man wusste ja nie in welcher Verfassung sie wieder aufwachen würden. Mein Bruder hatte vor der Fahrt noch Pey’s Wohnung nach wichtigen Sachen durchsucht und war auf eine Sporttasche mit Portemonnaies gestoßen, welche allem Anschein nach von Pey’s Opfern zu stammen schienen. Bana und Baka hatten es sich zur Aufgabe gemacht, jegliches Geld was sie finden konnten in die Sporttasche zu stopfen und noch einige Wertgegenstände, welche man notfalls verpfänden konnte, sowie das Ladekabel von Pey’s Handy, damit wir jederzeit mit Itinier, oder wie der Typ hieß, Kontakt aufnehmen konnten. Und nun saßen wir alle in dem Bus und fuhren zu der Adresse die uns der Italiener geschickt hatte. Die Fahrt über passierte nichts aufregendes, da wir nicht befürchten mussten von der Polizei verfolgt zu werden. Bana hatte einige Straßen weiter von einem Auto die Nummernschilder, sowie die grüne Plakette aus dem Wagen geklaut und sie mit denen des Kleinbusses ausgewechselt. Ab und an machten wir einen kleinen Stopp in den Dörfern und Städten, um immer wieder die Schilder zu tauschen. Da es noch sehr früh am Morgen war verliefen die Aktionen immer unproblematisch, doch sobald der Tag gänzlich anbrach und die Menschen aufstanden, würde es schwieriger werden unsere Spuren zu verwischen. Nach ungefähr sieben Stunden Fahrt machten wir uns auf die Suche nach einem Ersatzfahrzeug. Es war mitten am Tag und unsere Chancen standen schlecht, nicht erwischt zu werden. Ein Problem würde das für uns nicht wirklich sein, hatten wir doch schon einen beachtlichen Hunger und das Magenknurren wurde immer lauter. Anna hatte sichtlich schlechte Karten mit uns, da Pira es nicht einsah irgendwo einen Halt zu machen, damit sie etwas Essen konnte, geschweige denn mal auf’s Klo gehen konnte. Sie tat mir wirklich leid, doch wenn ich mich immer weiter auf ihre Seite schlug, dann konnte ich es mir abschminken, dass Pira sich wieder beruhigte. Pey und Rel waren die komplette Fahrt bis jetzt bewusstlos geblieben, hatten keinen Mucks oder sonstiges von sich gegeben. Besorgt blickte ich immer wieder zu ihnen, musste ja feststellen ob sie überhaupt noch lebten. Der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen hielt auf einem etwas heruntergekommenen Rastplatz, welcher nicht gerade einladen aussah. Die Jungs stiegen aus und machten eine Erkundungstour über den Parkplatz um zu gucken, ob sie irgendwo ein geeignetes Fahrzeug für unsere weitere Reise finden konnten. Da hier nur wenige Autos standen, würde das nicht so lange dauern. Uns hatten sie aufgetragen auf den Bus und auf die Jungs aufzupassen, doch sobald die drei außer Sichtweite waren ließ ich Anna schnell auf’s Klo rennen und drückte ihr etwas Geld in die Hand, damit sie sich in dem Geschäft eine Kleinigkeit zu Essen kaufen konnte. Ich atmete genervt auf. Es war am helligten Tag und eigentlich würde ich jetzt irgendwo in einem dunklen Raum liegen und schlafen. Das Pira es bis hierher ausgehalten hatte verwunderte mich schon. Er war tagsüber wirklich eine sehr unangenehme Person, wie ich schon öfters in den vergangenen Jahren festgestellt hatte. Als sich hinter mir etwas regte drehte ich mich schlagartig um. Sollte Rel aufwachen, dann hätte ich keine Chance alleine gegen ihn. Pey hob verschlafen seinen Kopf an. „Wo sind wir?“, murmelte er und stöhnte gequält auf, hatte er anscheinend bemerkt dass er gefesselt war und sich nicht bewegen konnte. „Auf den Weg zum Portal. Du bist zusammengebrochen als wir noch in deiner Wohnung waren“, erklärte ich ihm die Lage. „Und warum bin ich gefesselt?“ „Reine Vorsichtsmaßnahme. Wie geht es dir?“ Er schüttelte knapp den Kopf. „Beschissen“, antwortete er dann und schloss wieder die Augen. „Bin ich irgendwie… komisch gewesen?“ Ich lachte kurz auf. „Wenn du meinst, ob du so abgedreht bist wie Rel, dann nein. Du hast die ganze Zeit über geschlafen oder warst bewusstlos.“ „Na toll“, seufzte er und drehte seinen Kopf zur Lehne. „Wo ist Anna?“ „Holt sich was zu Essen. Mein Bruder der Tyrann nimmt überhaupt keine Rücksicht auf sie.“ „Spasti“, hauchte der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen und schien wieder einzuschlafen. Die hinteren Fenster hatten wir mit Decken abgedunkelt, welche zufälligerweise im Bus gelegen hatten, damit die beiden nicht ständig von dem nervigen Sonnenlicht geblendet wurden. Aus der Ferne sah ich das Mädchen zu mir eilen, welche sich dann schnell auf ihrem Sitz wieder niederließ und keuchend versuchte wieder ruhiger zu atmen. „Die… drei… kommen zurück“, sagte sie nach ein paarmal tief Luft holen. In ihrer Hand hielt sie eine kleine Tüte mit Essen, welches sie fest an sich presste. „Denkst du… sie haben was gefunden?“, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. „Wohl kaum. Der Parkplatz ist wie leergefegt.“ „Kann ich irgendwie nicht verstehen. Klar hier liegt überall Müll rum, aber in dem kleinen Laden und auf den Toiletten ist es sehr ordentlich.“ „Tzja, das äußere Erscheinungsbild zählt“, meinte ich nur gleichgültig und lehnte mich in meinem Sitz zurück. Die Türen wurden aufgerissen und die drei Jungs stiegen genervt wieder ein. „Scheint, als wärt ihr nicht erfolgreich gewesen“, meinte ich monoton und blickte aus dem Fenster. „Fresse auf den billigen Plätzen“, fauchte mein Bruder nach hinten. Anscheinend war er immer noch sauer auf mich. Den nächsten längeren Halt machten wir erst wieder, als der Wagen zum zweiten Mal aufgetankt werden musste und da war es bereits schon leicht am Dämmern. Gut das wir genügend Geld dabei hatten und öfters tanken konnten, sonst wären wir nie so weit gekommen. Der Kleinbus schluckte schon so einiges. Über die Bilder der Videokameras machten wir uns herzlich wenig Gedanken, da wir ja oft genug die Nummernschilder ausgetauscht hatten. Bana und Pira waren wieder auf eine Erkundungstour gegangen, diesmal jedoch wegen einem kleinen Imbiss. Baka und ich waren dann in einer knappen Stunde dran, wenn wir einige Entfernung zu unserem jetzigen Aufenthaltsort geschaffen hatten. Es war schon ein gewaltiges Risiko, dass Pira und Bana noch am helligten Tag auf Essensuche gingen, da sie zu der Zeit hundertprozentig erwischt werden würden, doch kaum eine halbe Stunde später kamen sie wieder, schlechtere Laune als je zuvor. „Habt ihr niemanden gefunden?“, fragte Baka, welcher auf seinem Platz gesessen und geduldig auf seine Verbündeten gewartet hatte. „Nein“, brummte Bana, welcher sich auf seinem Platz niederließ. „Hier sind zu viele Menschen, um jemanden unbemerkt wegzuschaffen“, fügte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen hinzu und fuhr weiter. Bis zu unserem Zielort waren es noch knappe fünf Stunden. Ich war wirklich aufgeregt, was uns dort erwarten würde. Anna: Zwischendurch nickte ich immer wieder ein, da der Schlaf sich doch in meinen Knochen breitmachen wollte. Innerlich schlug ich mich immer wieder, wollte ich doch wach sein bis wir endlich da waren, doch mein Körper wollte einfach nicht. Die ganzen Strapazen und der Druck waren doch zu anstrengend für mich gewesen und ich war einfach nur erschöpft. Irgendwann bemerkte ich ein leichtes Rütteln an meiner Schulter und öffnete verschlafen die Augen. Piwi sah mich ernst an. „Wir sind da“, sagte er leise und erst jetzt merkte ich, dass Pira, Bana und Baka vor der geöffneten Tür standen und uns mit bösen Blicken anstarrten. Schnell war ich hellwach und schnallte mich ab. „Wir lassen Pey und Rel vorerst hier drin und gehen rein, um mit diesem Typen zu reden“, schlug Pira im bestimmenden Tonfall vor und machte sich auf den Weg. Ich sah mich verwundert um. Wir standen auf dem Parkplatz eines Clubs, welcher sehr gut besucht zu sein schien, denn die Plätze waren so gut wie alle belegt. Piwi schloss hinter mir die Schiebetür und schob mich mit. Mir war schon leicht mulmig zumute, da mir die Atmosphäre so unangenehm war. Was machten wir vor einem Nachtclub? Was wollten wir hier? War das wirklich die Adresse, welche uns dieser Typ zugeschickt hatte? Vor dem Eingang war eine sehr lange Schlange zu sehen, in der die Menschen ungeduldig warteten, um endlich hineinzukommen. Verwehrt wurde ihnen das von einem schrankartigen Türsteher, welcher finster dreinschaute. „Sind wir hier wirklich richtig?“, fragte ich den Rothaarigen schüchtern, doch er zucke nur planlos mit den Schultern. „Das Navi hat uns hier hergeführt.“ Unser kleiner Trupp blieb vor dem Türsteher stehen, welcher uns von oben bis unten musterte. Aus den Reihen war nur ein ‚Stellt euch gefälligst hinten an!‘, oder ein ‚Wir waren zuerst da!‘ zu hören. „Was wollt ihr?“, fragte er monoton und mit tiefer Stimme. „Wir haben angerufen. Gestern“, meinte Pira ruhig und wir warteten ab. „Und weiter?“ „Wir wollen mit dem Typen sprechen, mit dem wir telefoniert haben!“, beharrte Piwi’s Bruder und verschränkte die Arme. „Sonst was?“, hakte der Türsteher nach und verschränkte ebenfalls die Arme. „Ich werd dir-“ Piwi sprang schnell neben seinen Bruder und hielt ihn zurück. „Ich hab den ganzen verfickten Tag nichts gegessen, also geh mir nicht auf den Sack, Alter!“, schnauzte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen den Türsteher an. „Pira, beruhig dich“, mahnte der Rothaarige ihn und hielt ihn weiterhin an den Schultern fest. Bana und Baka hatten sich neben Pira aufgebaut und funkelten den Typen vor sich mordlustig an. „So ist das also. Einen Moment“, meinte dieser dann plötzlich und winkte jemanden von drinnen zu sich, um ihm etwas zuzuflüstern. Kaum fünf Minuten später kam ein komischer Typ raus und starrte uns belustigt an. „Na wenn das mal nicht die Freunde des werten Herrn sind.“ Kapitel 19: Spiegelraum ----------------------- Spiegelraum Anna: Ich musterte den Typen von oben bis unten. Er war ungefähr so groß wie Pira und stelle sich mit seinem belustigten Grinsen, die Arme vor der Brust verschränkt, vor den Braunhaarigen mit den blonden und violetten Strähnen. Er hatte kurze Haare, welche zum Teil orange und zum anderen Teil lila waren. Auf der linken Seite jedoch besaß er eine längere, weiße Strähne, welche mit einer schwarzen Haarklammer festgehalten wurde. Unter der weißen Strähne zog sich eine lange Narbe, bis unter sein linkes Auge, entlang. Die Nähte, welche die längliche, beinahe schon S-förmige Schramme zusammenhielten, schimmerten schwach im abendlichen Licht. Nichtsdestotrotz dass er schon so ungewöhnlich genug aussah, viel mein Blick auf seine Augen. Sie waren schon beinahe unheimlich! Er besaß ein blaues, welches sich auf der linken Seite befand, und ein rotes auf der rechten Seite. Seine Pupillen glichen denen einer Katze und durch seine halbgeöffneten Lippen blitzten scharfe, weiße Reißzähne hervor. Ich musste nicht zweimal nachdenken um zu erkennen, dass er ein Dämon sein musste. So konnte definitiv kein Mensch aussehen… Naja, er könnte auch einfach farbige Kontaktlinsen und sich die Zähne schleifen gelassen haben, doch in mir breitete sich ein solch mulmiges Gefühl in meiner Magengrube aus, dass ich mir schon zu einhundert Prozent sicher war, dass er ähnlich wie die Jungs war. Sein italienischer Akzent und diese leicht provozierende Begrüßung verrieten uns sofort, dass er derjenige sein musste, mit dem wir telefoniert hatten. „Bist du dieser Itinier?“, fragte Pira sofort nach und blickte ihm ebenbürtig in die Augen. Um zu verdeutlichen, dass der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen keinesfalls zum Scherzen hier her gekommen war, verwandelte er seine Augen in seine dämonischen, welche sogleich zu glühen anfingen. „Nenn mich wie du willst, Kleiner. Ich muss ja nicht nachfragen, wer ihr seid und was ihr von mir wollt. Bringen wir die Sache schnell hinter uns, ich hab noch einiges zu tun. Wo ist er?“, konterte der Italiener schroff. Seine Belustigung in der Stimme war sofort gewichen, nachdem Pira angefangen hatte zu reden. Stumm drehte sich der Angesprochene zur Seite und lief vor zum Wagen. Unser kleiner Trupp folgte ihm auf Schritt und Tritt, Itinier mit seinen zwei Bodyguards jedoch mit etwas Abstand. Der selbsternannte Anführer riss die Hintertür mit einem Ruck auf und schob sie zur Seite, um den Blick auf Rel und Pey freizugeben. Itinier kam etwas näher und hockte sich neben den schlafenden Weißhaarigen. Mit seinen Fingern der rechten Hand hob er ein paar Haarsträhnen an und seufzte resigniert. „Was genau ist passiert? So etwas sieht man nicht allzu oft. Kaum zu glauben, dass er noch am Leben ist.“ Piwi blickte mich genauso nervös an, wie ich ihn. Wenn herauskam, dass ich die Übeltäterin war, die Rel das angetan hatte, dann wäre das mein sicherer Tod! Itinier, welche ein Freund oder Bekannter von Rel zu sein schien, würde noch nicht einmal mit der Wimper zucken und mich bei lebendigem Leib begraben. „Eine Auseinandersetzung mit einer Klerikerin“, meinte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen eintönig. Nahm er mich gerade wirklich in Schutz? Ich dachte er war sauer auf mich, wegen der ganzen Sache. Grimmig blickte er mich eine Sekunde an, wendete dann jedoch wieder seinen Blick ab. „Und wo ist Raym?“, wollte Itinier wissen. „Tot und dass schon seit ein paar Jahren.“ Der Mann mit der weißen Strähne blickte uns etwas erschrocken an. „Was?! Das kann unmöglich sein!“ Zum ersten Mal an diesem Abend zeigte Itinier so etwas wie Mitgefühl uns gegenüber. „Was genau ist denn passiert? Es ist ziemlich beängstigend, jemanden wie die beiden in solche Vorfälle verwickelt zu wissen. Dabei standen sie doch auch zur Nachfolge fest…“ Letzteres murmelte er nur so vor sich hin und keiner von uns konnte etwas mit dieser Aussage anfangen. Was meinte er mit Nachfolge? „Wir wurden von einer Gruppe Kleriker in einen Hinterhalt gelockt. Raym, hat uns alle gerettet und hat dafür sein Leben gelassen…“, erzählte Pira bedrückt. Rel’s Bruder schien wirklich für alle eine wichtige Rolle gespielt zu haben, dem wurde ich mir nun auch endlich bewusst. Itinier erhob sich, hielt jedoch mitten in seiner Bewegung inne. „Und wer ist das?“ Er nickte auf Pey. „Ein Freund von uns. Ihm wird das gleiche Schicksal ereilen, wenn wir uns nicht beeilen!“ Der Mann mit der weißen Strähne beugte sich etwas über die Sitzbank und fuhr dem Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen ebenfalls durch die Haare. Im schwachen Licht der Beleuchtung des Innenraums erkannte man schon vereinzelt weiße Strähnen. „Der Prozess verläuft langsamer bei ihm. Scheint, als hätte er nicht direkten Kontakt zur Quelle des weißen Lichts gehabt zu haben.“ „Was ist das denn?“, fragte Baka nach. Pira strafte ihn mir einem tödlichen Blick, hatte er doch ohne Erlaubnis das Wort ergriffen. „Die läuternde Macht der Kleriker. Der Teil ihrer Macht, welcher tödlich für unser Volk ist. Jedoch scheint es, dass der Kleriker noch ein Anfänger war, sonst wären beide schon wenige Minuten später nach dem Kontakt gestorben.“ Die Jungs rissen verblüfft die Augen auf und wichen unauffällig einige Schritte von mir weg. „Es gibt noch Hoffnung für die beiden. Für den Jungen wahrscheinlich eher, als für den werten Herrn - äh ich meinte Rel. Sie sollten unverzüglich ins Reich des Feuers zurückkehren.“ „Zu-zurück-kehren?!“, fragte Piwi stockend. Itinier musterte unseren Trupp genauer. „Ja zurückkehren. Irgendein Problem damit? Deswegen seid ihr doch her gekommen.“ Ein unbehagliches Gefühl und eine gewisse Nervosität machten sich unter den Jungs breit. Sie waren Mörder, keine Frage, aber in eine andere Welt reisen die auch noch die Hölle war? Itinier hatte Recht, deswegen waren wir ja hier, aber so kurz vor dem Ziel wirkte es doch etwas unecht. Ich lebte seit gut eineinhalb vielleicht sogar schon zwei Wochen bei ihnen und fand den Dämonenkram und Ähnliches schon irgendwie normal, aber die Hölle, die ECHTE Hölle war nun doch eine Sache für sich. „Jetzt sagt bloß nicht, dass ihr keine reinrassigen unserer Art seid?!“ Der Dämon vor uns funkelte sofort alle mordlustig an und auch die Bodyguards machten einen bedrohlichen Schritt auf uns zu. Itinier’s Augen begannen sich ebenfalls, wie Pira’s Augen zuvor, zu verfärben und im Nu hoben sich von den schwarzen Augäpfeln zwei blassblaue, glühende Pupillen mit orangeroten Ringen ab. So etwas Atemberaubendes hatte ich ja noch nie gesehen! Die Augen der Jungs hatten zwar auch in unnatürlichen Farben geleuchtet, dass jedoch war das erste Mal, dass ich ein solches Muster sah. Pira hatte violette Pupillen mit einen goldenen Ring darum und auch Rel hatte einen goldenen Ring um seine weißen Pupillen gehabt, aber mehrere Ringe hintereinander sah ich wirklich zum ersten Mal. Die Jungs schluckten und wirkten ein wenig eingeschüchtert. „Wir haben uns dieses Leben nicht ausgesucht!“, blaffte auf einmal Bana los. „Rel und Raym haben uns die Entscheidung abgenommen, ob wir ein normales Leben weiterführen wollen, oder nicht.“ „Und wie sollen sie das bitteschön gemacht haben? Es gibt nur zwei Wege, ein Dämon zu werden: der eine ist, dass man so geboren wurde, der zweite Weg ist, dass man durch den Fluch zu einem wird. Für den Fluch benötigt man das schwarze Buch und dieses heilige Relikt wird seit Jahren in der Schatzkammer des Schlosses, bei dem König höchstpersönlich aufbewahrt und bewacht! Wie seid ihr Diebe daran gekommen, wenn ihr anscheinend noch nie in der Hölle ward?“ Seine Stimme wurde immer wütender. „Jetzt mach mal halblang, du Affe! Wir haben nichts gestohlen! Dieses verfickte Buch ist aus eurer Welt, mit noch anderen Reliquien in unsere Welt gebracht worden. Durch nen dummen Zufall ist es in unsere Hände gefallen und wir waren zu neugierig und haben dieses beschissene Ritual ausgeführt! Raym und Rel haben uns getötet und deswegen sind wir jetzt das, was wir nun mal sind!“, keifte Pira den Italiener an, dessen grimmige Miene von Zeit zu Zeit verschwand. Die eingeschüchterte Atmosphäre war nun gänzlich verschwunden und die Jungs guckten ihren Gegenüber und dessen Schoßhündchen bissig an. „Und dann wollt ihr ihm trotzdem helfen, obwohl er euer Leben zerstört hat? Sollte man das als naiv, unterwürfig oder einfach nur als dumm bezeichnen?!“ Piwi’s Bruder fletschte die Zähne und knurrte Itinier bedrohlich an. „Er ist die einzige Person, die wir noch haben! Wahrscheinlich kennst du so etwas wie Freundschaft gar nicht, denn dann wüsstest du, dass man für seine Freunde alles tut!“ „Beeindruckend“, meinte der Mann mit der weißen Strähne und schnalzte beiläufig mit der Zunge. „Bringt die Jungs und die beiden da drin in den Spiegelraum. Ich werde gleich nachkommen“, wandte er sich an die Bodyguards und wollte gerade gehen, als er vor mir stehen blieb und sich zu mir herunterbeugte. „Und wer bist du, meine Süße?“ „A-anna“, stotterte ich etwas unbeholfen und senkte meinen Blick zu Boden. „Und was machst du hier, Anna?“ Seine melodische Stimme wirkte so anziehend, dass ich wieder hochblicken musste und starrte regelrecht fasziniert in seine dämonischen Augen. Er hatte mich ganz in seinen Bann gezogen. „Sie gehört zu uns“, antwortete Piwi für mich und legte beschützend eine Hand auf meine Schulter. „Ist sie denn auch ein-“ „Nein, ist sie nicht. Sie ist ein normaler Mensch!“, unterbrach Piwi ihn sofort. „Also sowas wie Proviant für zwischendurch? Dafür ist sie ziemlich zahm.“ Mir lief ein kalter Schauer den Rücken herunter. „Sie ist doch kein Tier! Sie gehört zu unserer Gruppe“, beschwerte sich der Rothaarige hinter mir. Der Italiener betrachtete ihn missverständlich, dann blickte er mich an. „Ein Mensch mit Sonderrechten… Ihr werdet ja immer interessanter“, grinste er mich teuflisch an, dann ging er schnurstracks an mir vorbei und verschwand in Richtung des Nachtclubs. Die zwei Typen , welche der Italiener zurückgelassen hatte, machten sich an Rel und Pey zu schaffen, um sie aus dem Auto zu manövrieren. „Nichts so ruppig! Sie dürfen auf keinen Fall aufwachen!“, wies Pira die beiden an und machte es sich schlussendlich selbst zur Aufgabe, den Weißhaarigen und den Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen abzuschnallen und aus dem Wagen zu bringen. Dort übergab er wiederwillig den Bodyguards die schlaffen Körper seiner Freunde und beäugte die Schränke mit Argusaugen. Sollten sie auch nur einen falschen Schritt machen, dann würde er ihnen sehr wahrscheinlich sofort an die Kehle springen. Pira war jedoch nicht der einzige, welcher die beiden Kerle auf Schritt und Tritt beobachtete, denn wir anderen folgten ihnen schnurstracks, als sie in Richtung des Nachtclubs liefen. „Wäre es nicht besser durch einen Hintereingang zu gehen?“, fragte Piwi, erntete jedoch nur ein stetiges Schweigen. Ich hatte mich indes an den Arm des Rothaarigen geklammert, damit ich ihn auch ja nicht verlor. Ich hatte Angst, alleine in diesem Gebäude herumzuirren und am Ende noch in Itinier’s Arme zu laufen. Die Menschen in der Schlange begannen wieder herumzupöbeln, als wir alle in den Club gingen, jedoch verstummten einige, als sie die Bodyguards mit den beiden Jungen in den Armen sahen und blickten uns misstrauisch hinterher. Sie konnten ja nicht ahnen, wer wir waren und vor allem, was die Jungs waren. Schon beim ersten Schritt in den Club schallten uns die ersten Töne eines Lieds entgegen, welche immer lauter wurden, je tiefer wir in den Club eindrangen. Bei genauerem hinhören stellte sich heraus, dass es so ähnlich klang, wie Rel’s Musik. I came to party, I came to party. Hands up girl give me that body. I can tell you want somethin' from me, 'cause everything you think girl I can see. I came to party, I came to party. Hands up girl give me that body. I'm a make you mine before I leave, 'Cause every little thing you do to me, got me goin' crazy. Ob er seinen Musikgeschmack von hier hatte? Wie oft er wohl schon hier gewesen war?! Ein dritter Bodyguard gesellte sich zu uns und lief voraus, um die Türen zu öffnen. Unser Weg führte zum Eingangsbereich des Tanzbereichs, welcher von mehreren Couches und zwei Bars umsäumt war. Die Bodyguards gingen einfach mitten über die Tanzfläche, welche in verschiedenen Farben leuchtete, sobald man die Fliesen berührte. Unsere Vorhut bekam auch sofort von den Feiernden Platz gemacht, damit wir uns nicht durch die Menge hindurch drängen mussten. Ich wunderte mich schon sehr: warum gingen wir direkt durch den Besucherraum und über die Tanzfläche? Gab es keinen anderen Weg zu diesem Spiegelraum, wo uns die Bodyguards hinbringen sollten? Vor uns, am Ende der Tanzfläche, erstreckte sich eine große, schwarze Treppe, welche hinauf zu einer großen Lounge führte. Oben an der Treppe angekommen, öffnete der dritte Bodyguard den Durchgang und ließ uns alle hindurch. Anscheinend war diese Lounge so etwas wie der VIP-Bereich, denn von hier aus hatte man den gesamten Club im Augenschein. Sie erstreckte sich einige Meter über den Raum, bis sie zu einem Flur führte. Wir liefen einige Meter durch dieses dunkle Abteil, bogen hier und da mal ab, bis wir schlussendlich vor einer schwarzen Tür anhielten. Der Flur an sich war so schwach beleuchtet, dass mir die Tür beinahe nicht aufgefallen wäre, wären wir nicht davor stehen geblieben. Der dritte Bodyguard zog einen unscheinbaren Schlüsselbund aus seiner inneren Jackentasche und schloss die Tür auf, danach machte er einen Schritt zur Seite und ließ uns alle hinein. Die beiden Bodyguards, welche Rel und Pey trugen, legten die beiden ungefähr in die Mitte des Raums und verschwanden wieder. Der Raum war dunkel, doch als der letzte von den Typen verschwunden war, schaltete sich ein Licht an und wir sahen uns in einen Raum wieder, auf den der Name Spiegelraum wirklich zu einhundert Prozent zutraf. Er schien schier endlos, doch anscheinend war er nicht gerade groß. In den Innenkanten des Raumes, waren LED-Leuchten angebracht, welche in einem blauweißen Licht den Raum erhellten. Dadurch, dass auch noch der Boden und die Decke aus einem Spiegel bestanden, spiegelte sich das eigentlich schwache Licht so sehr wieder, dass es taghell war. „Wo haben die uns hier her gebracht?“, fragte sich Bana laut und sah sich um. Man wurde ja schon beinahe verrückt, wenn man sein Spiegelbild überall sah. „Keine Ahnung, aber wir müssen ihm vertrauen. Er ist unsere einzige Chance, den beiden zu helfen“, meinte Pira und kniete sich neben Rel und Pey. Diese hatten ihre Hände noch immer auf den Rücken gebunden und die Augen geschlossen. „Atmet er noch?“, fragte Piwi unsicher seinen Bruder und nickte in die Richtung des Weißhaarigen. „Ganz schwach“, gab der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen bekannt. Der Zustand von Rel wurde immer kritischer. Wir mussten uns beeilen. „Scheiße, kommen wir hier überhaupt wieder raus? Wo ist diese verdammte Tür??“, fragte Baka und sah sich hektisch um. „Beruhig dich. Es wird alles wieder gut“, beruhigte Bana ihn ein bisschen und Baka blickte ihn zuversichtlich an. Plötzlich öffnete sich aus einer Ecke eine bis vor kurzem noch unbekannte Tür. Wenn ich mich noch Recht erinnerte, waren wir aus einer ganz anderen Richtung gekommen. Itinier stand im Türrahmen, gekleidet in einer schwarzen Robe und grinste uns an. „Das letzte Mal, als ich das Portal geöffnet habe, war vor gut acht Jahren. Ich bin schon ganz aus der Übung gekommen“, lachte er und verschloss die Tür wieder, welche auch sofort wieder verschwand. Der Spiegel sah so einheitlich aus, so gepflegt, man konnte noch nicht einmal einen Fingerabdruck an einer Scheibe erkennen. Er schritt auf die beiden Jungs zu und betrachtete sie. „Schätzungsweise habt ihr zehn Stunden Zeit um Rel zu einem Arzt zu bringen, sonst kratzt er euch ab“, verkündete der Italiener und schloss seine Augen. Er murmelte ein paar Worte vor sich hin und konzentrierte sich immer mehr. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete er wieder die Augen und trat an Rel’s Seite. Blitzschnell hatte er dessen Arm ergriffen und ein Messer aus einem Ärmel gezückt. „Bist du denn bekloppt? Was hast du vor?“, schrie Pira ihn an und wollte sich schon auf ihn stürzen, als er von einer unbekannten Macht zurückgeschleudert wurde. „Lass mich meine Arbeit machen, du Giftzwerg!“, zischte der Mann mit der weißen Strähne und funkelte den Braunhaarigen mit den blonden und violetten Strähnen an. Sein Gesicht hatte sich ein wenig verändert: seine Ohren waren Spitzer geworden und lugten leicht aus seinem Haar hervor. Seine Reißzähne waren ein bisschen länger geworden, was ich erkennen konnte, als er Pira angeschnauzt hatte. Seine Augen waren wieder die eines Dämons und auch seine Krallen, welche ich schon von Pey kannte, hatten sich ausgebildet. Itinier schnitt Rel einen kurzen Schnitt ins Handgelenk und ließ einige Tropfen seines Blutes auf den Spiegelboden tropfen. „Ich korrigiere mich. Ihr habt noch knappe vier Stunden Zeit“, verbesserte sich der Italiener und ließ Rel’s Handgelenk wieder sinken. „Nehmt sie aus der Mitte heraus und setzt euch an den Rand“, befahl der Dämon und faltete seine Hände ineinander. Piwi schluckte und drückte behutsam meine Hand. „Wir schaffen das. Wir werden beide retten.“ Ich nickte tapfer. Auch wenn ich den Weißhaarigen für das hasste, was er mir angetan hatte oder eher, was er mir noch alles antun wollte, ich hatte nie mit Absicht vorgehabt ihn zu töten. Ich war doch keine Mörderin! Die Jungs taten wie ihnen angewiesen wurde und brachte die Jungs an den Rand des Raumes. Dieser war schneller gefunden, als wir dachten, da Bana fast dagegen gelaufen wäre. Piwi riss sich derweil ein Stück von seinem Ärmel ab und band dieses um den Schnitt an Rel’s Handgelenk, welcher nicht aufhören wollte zu bluten. Itinier zog mit dem Blut auf dem Boden ein kleines, umgedrehtes Pentagramm, welches sich an allen Seiten wiederspiegelte und murmelte so etwas wie einen Zauberspruch. Innerlich betete ich. Die beiden durften nicht sterben, das könnte ich mir niemals verzeihen. Der Italiener blieb angewurzelt stehen. Er drehte sich schlagartig in meine Richtung um und starrte mich ungläubig an. „Du bist es… Diese Kraft… Ich wusste doch, dass etwas nicht mit dir stimmt. Von wegen, ein normaler Mensch. Dass ich nicht lache!“ Er zog ein abschätziges Grinsen und kniff die Augen zusammen. „Spiritum!“, ertönte plötzlich seine Stimme und ein blaues Licht hüllte sich um meinen Körper. Itinier selbst, sowie die anderen in diesem Raum wurden in ein rotes Licht gehüllt. Rel’s Rot war schon beinahe gänzlich violett, Pey’s hingegen schimmerte nur leicht in dem Lilaton. „Das ich nicht lache! Ihr bringt eine Klerikerin mit hier her?!“ Mein Hals fühlte sich schlagartig staubtrocken an. Wie-wie war er so plötzlich darauf gekommen? Und was war das für ein Licht?? Die unsichtbare Macht, welche zuvor Pira weggeschleudert hatte, legte sich nun um meinen Körper und hob mich an. Ich wurde panisch. Was hatte er mit mir vor? „Halt! Lass sie los!“, ertönte schwach aber bestimmend die Stimme von Pey. Wie war das möglich? Er war doch bewusstlos. „Pey! Oh man, ich dachte du wachst nicht mehr auf!“, wandte sich Pira sogleich an ihn. „Lass sie runter“, knurrte Pey schwach und blinzelte den in seinen Augen Fremden an. „Warum sollte ich? Sie ist der Feind!“ „Nein, sie ist kein… Feind…“, meinte der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen schwach und schloss wieder seine Augen. Das war schon zu viel Anstrengung gewesen. „Pey“, entwich es mir erschrocken und Tränen schossen mir in die Augen. Ich wollte nicht, dass er sich unnötig anstrengte und erst Recht nicht wegen mir. „Nennt mir einen einzigen Grund, warum ich sie nicht hier und jetzt töten sollte?“ „Sie brutzelt dir das Hirn weg und versetzt dich in den gleichen Zustand wie die beiden“, entwich es Baka. War ihm nicht klar, dass er mich damit nur noch schlechter hinstellte?? „Dann warst du es, die Rel so zugerichtet hat?“, fuhr mich der Mann mit der weißen Strähne an. „Es-es war ein Unfall!“, verteidigte ich mich sogleich. „Weißt du was wir mit Menschen in unserer Welt machen? Ihr werdet wie Tiere gehalten, wie Schweine in eurer Welt. Ihr seid nichts anderes, als ein billiges Nahrungsmittel für uns. Glaub bloß nicht, dass ich Mitleid mit dir hätte. Schon gar nicht mit einer Klerikerin, die ihre Kräfte nicht unter Kontrolle hat. Denkst du ich riskiere das Leben meines Volkes damit, dass ich dich durch das Portal lasse? Darauf kannst du Gift nehmen!“ Die Macht ließ von mir ab und ich wurde zu Boden geschleudert. Blitzschnell stand der Italiener über mir und beugte sich zu mir herab. „Ich habe schon reichlich Erfahrung, Menschen von deiner Art zu töten. Ich habe kein Problem das gleiche mit dir zu machen. Glaubst du, nur weil du hier so rumheulst, dass ich dich gehen lasse? Lächerlich.“ „Ich.hab.gesagt.du.sollst.sie.in.Ruhe.lassen!“ „Bleib liegen du Idiot!“, schnauzte Baka den Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen an, welcher sich aufgerappelt hatte und den Italiener mit seinen dämonischen Augen anstarrte. Schlagartig wurde sein Haaransatz gänzlich weiß und begann sich immer weiter auszubreiten. „Du Idiot! Du zerstörst dich selbst“, knurrte Itinier und ließ endlich von mir ab. Ich schluchzte am laufenden Band und meine Tränen flossen wie Sturzbäche über meine Wangen. „Ich würde alles für sie machen… Immerhin liebe ich sie.“ Kapitel 20: Das Tor zur Hölle ----------------------------- Das Tor zur Hölle Pey: Auch wenn die Worte nur schwach über meine Lippen kamen, so war ich mir doch sicher, dass sie sie gehört hatte. Ich musste es einfach loswerden, ich musste! Wann hätte ich wohl die nächste Gelegenheit dafür gehabt? Wenn ich hier sterben sollte, dann hätte ich ihr meine wahren Gefühle nie mitteilen können. Außerdem… Was würden sie mit ihr machen, wenn ich nicht mehr da war? Würden sie sie foltern? Quälen? Oder vielleicht sogar hier und jetzt töten? Nein, das konnte und durfte ich einfach nicht zulassen! Noch nie hatte ich ein Mädchen kennengelernt, das mich so fasziniert hatte, wie sie. Wie sagte man so schön? Gegensätze ziehen sich an. Und die Tatsache, dass wir absolute Gegensätze waren, wagte hier wahrscheinlich auch niemand zu bezweifeln. Mein Kopf dröhnte, meine Augen brannten, meine Kehle war staubtrocken. Was hatte der Fremde da vor mir eben gesagt? Ich würde mich selbst zerstören? Wer war er und was meinte er damit? Was machten wir überhaupt hier? Wie lange war ich wohl ohne Bewusstsein gewesen? Tausende Fragen schwirrten durch mein Gedächtnis und das machte meinen Zustand nicht wirklich besser. Ich musste einen Überblick über die Lage bekommen, soviel stand fest. Mit einer Hand fuhr ich mir schwerfällig über die Augen und seufzte. Meine Glieder fühlten sich so schwer an, so als wären sie aus Blei. Was war nur mit mir los? Ich fühlte mich so kraftlos und irgendwie schwand das Bild vor meinen Augen immer mehr. Erst waren dort nur schwarze Pünktchen, dann legte sich allmählich ein dunkler Schleier vor mein Blickfeld und breitete sich gänzlich aus. Ich konnte einfach nicht anders als meinen Kopf wieder auf den Boden fallen zu lassen und die Augen zu schließen. Nur ein kleines Nickerchen… dann geht es mir bestimmt besser… Anna: Sprachlos starrte ich Pey an. Was… Was hatte er da gesagt? War das wirklich sein ernst? Stumm blinzelte ich ihn an, nicht im Stande einen klaren Gedanken zu fassen. Er hatte wieder die Augen geschlossen und atmete ganz flach. Schlief er etwa wieder? „Bist du denn jetzt völlig des Wahnsinns?“, schrie Pira beinahe fassungslos in die Richtung seines Freundes. „Meine Fresse, Pira! Jetzt halt doch endlich mal deine Schnauze! Das ist doch echt nichts Neues!“, fuhr Piwi ihn wütend an. Sein Bruder wollte etwas erwidern, doch der jüngere der beiden tat dies mit einer heftigen Kopfbewegung ab. „Ich kann‘s einfach nicht glauben, dass du so ein verdammter Idiot bist! Als ob du es noch nicht selbst wusstest! Kannst du Pey nicht einfach mal in Frieden lassen?!“ Pira schluckte. „Sie hat ihn total kaputt gemacht! Wäre sie niemals aufgetaucht, dann könnten wir alle noch ein normales Leben führen!“, meinte er verbissen. „Laber doch keinen Scheiß! Wir haben seit über sieben Jahren kein normales Leben mehr! Wir sind tot, kapierst du das? Wir sind wandelnde Zombies die Menschen zum Vergnügen umbringen! Warum gönnst du es ihm nicht, seinen letzten Funken Menschlichkeit auszuleben?“ Der Rothaarige war sichtlich außer Atem nach seiner Standpaukte, der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen blickte mit finsterem Blick in den Spiegel unter sich. „Er ist wieder eingeschlafen“, meinte Bana so ganz nebenbei und hockte sich neben Pey. Seine Haare sahen denen von Rel so ähnlich… Hieß das etwa, dass sich sein Zustand so drastisch verschlechtert hatte? Ich musste was tun, ich durfte ihn nicht sterben lassen. Ich war ihm eine Antwort schuldig und die konnte ich ihm nur geben, wenn er bei Bewusstsein war. Er musste wieder gesund werden, ich wünschte mir nichts sehnlicher. „Hör zu“, wandte ich mich an den Italiener und rappelte mich auf. Ich musste all meinen Mut zusammenkratzen, um mich ihm gegenüber zu stellen. „Das alles war einfach nur ein schrecklicher Unfall. Dass ich eine Klerikerin sein soll ist mir neu, da ich an diese göttliche Macht von der ihr alle die ganze Zeit sprecht nie etwas wusste! Ja, ich war auf einer katholischen Schule und ja, wir wurden mit dem Glauben Gottes erzogen, aber ich glaube einfach nicht daran! Wie soll ich bitteschön Herrin über diese Kräfte sein, wenn ich noch nie etwas davon gehört habe? Mir hat nie jemand gesagt, dass ich solche Kräfte habe und daher hat mir auch nie jemand gezeigt, wie ich mit ihnen umzugehen habe! Zum ersten Mal als diese Kräfte sich bemerkbar gemacht haben, hatte ich Angst und es war eine Art Schutzmechanismus. Es tut mir wirklich leid, was ich den Jungs angetan habe, auch wenn sie mich töten wollten! Ich habe außer ihnen auch niemanden mehr, zu dem ich zurück kann also hilf den beiden, verdammt nochmal! Rel hat nicht nur einmal versucht mich zu töten aber soll ich jetzt genauso werden wie er? Zu einem Mörder? Ich will nicht mit dem Gewissen leben, zwei Leute umgebracht zu haben, obwohl ich das nie wollte! Wenn du ihnen helfen kannst, dann hilf ihnen, verdammt noch mal! Die beiden haben dir nichts getan und Rel bist du wohl oder übel schuldig dass du ihm hilfst!“ Vereinzelt kullerten heiße Tränen meine Wangen herunter, da ich mich so in mein Gerede hineingesteigert hatte. Um mich herum war es ganz still geworden und ich konnte die erstaunten Blicke auf mir spüren. Es dauerte einen Moment, bis Itinier sich regte und sich ein knappes Lächeln in sein Gesicht schlich. „Du hast Recht. Rel bin ich es wirklich schuldig, da ich ein einfacher Untergebener bin, aber deinem Freund bin ich nichts schuldig. Er hat sich den Mist selbst eingebrockt. Hätte er still gehalten, dann würde ihm die Zeit nicht genauso wegrennen.“ Ich knirschte mit den Zähnen. „Und was willst du, damit die beiden gerettet werden können?“ Meine Stimme bebte regelrecht. Dieser Nichtsnutz vergeudete wertvolle Zeit! „Was ich will? Ich will nur mein Volk vor einer Gefahr wie dir beschützen! Die Kleriker haben uns vor langer Zeit einen riesigen Schaden zugefügt. Soll ich etwa den gleichen Fehler wie meine Vorfahren machen und den Feind in unser Gebiet friedlich einmarschieren lassen? Deine Rede rührt mich wirklich zu Tränen, aber glaubst du wirklich, dass ich dir die Story abkaufe?“, fragte er mit sarkastischen Unterton. „Ich sage die Wahrheit“, beteuerte ich und blickte ihm starr in die Augen. Was geschah hier nur mit mir? So etwas hätte ich mich vorher nie getraut! Erst gar nicht bei einem Kerl wie ihm. Er hielt meinem Blick stand und kam auf mich zu. Dann legte er seine rechte Hand auf meine Stirn und murmelte ein paar Worte vor sich hin, die ich jedoch nicht verstehen konnte. Eine komische Wärme breitete sich in meinem Körper aus und plötzlich sackten meine Beine zusammen. „Was machst du mit ihr?! Lass sie los!“, schrie Piwi ihn wütend an und wollte mir zur Hilfe eilen, doch er konnte sich nicht von seinem Platz bewegen. Der Italiener beugte sich zu mir herunter und flüsterte in mein Ohr: „Ihr solltet euch beeilen, sonst habt ihr keine Zeit mehr, um irgendwas auszurichten.“ Dann ging er einen Schritt zurück und stellte sich mit dem Rücken zu uns vor das Pentagramm aus Rel’s Blut. „Aperite!“, sprach der Dämon und ein schwarzes Licht leuchtete auf. Der ganze Raum glühte regelrecht in der Farbe, doch das Licht blendete nicht. Was genau war passiert? Warum hatte er so plötzlich seine Meinung geändert und das Tor geöffnet? Ich verstand einfach nichts mehr. Und was hatte er mit mir gemacht? Als ich zu den Jungs herüberblickte, leuchtete um sie wieder dieses rötliche und um Rel und Pey das violette Licht. Als ich meine Hände betrachtete fiel mir auf, dass das blaue Licht um meinen Körper verschwunden war. Was hatte er gemacht? „Was…?“, begann ich, doch er unterbrach mich. „Ich habe deine Kraft unterdrück. Es wird nicht lange halten, deswegen solltet ihr euch beeilen. Wenn auf mich zurückgeführt wird, dass ich eine Klerikerin durch das Tor gelassen habe, werden sie mich höchstwahrscheinlich hinrichten, also macht nichts Auffälliges! Wenn ihr auf der anderen Seite seid, werdet ihr schnell den Weg zu eurem Ziel finden. Achtet nur darauf, dass ihr keiner Krähe begegnet, sonst seid ihr gleich geliefert. Und jetzt beeilt euch, bevor sich das Tor wieder schließt.“ Ich konnte meinen Ohren nicht trauen. Half er uns gerade wirklich? Und dann setzte er noch sein eigenes Leben aufs Spiel? Was war nur in ihn gefahren? Eine plötzliche Erkenntnis, dass er den Tod der beiden heraufbeschwor, wenn er sich noch länger weigerte das Tor zu öffnen? Der Rothaarige, welcher sich endlich von seinem Platz losreißen konnte, half mir auf die Beine und hielt mir stützend einen Arm um die Taille. Pira, welcher bis dato stumm die ganze Szenerie beobachtet hatte ergriff das Wort und wies uns allen an, wir sollten keine Zeit verlieren und aufbrechen. Er selbst schultere mit Bana’s Hilfe Rel’s schlaffen Körper und stellte sich bereit hin. Baka nahm Pey auf die Schultern und gemeinsam stellten wir uns vor das leuchtende Portal. Pira: Ein grelles Licht umschloss uns, als wir in die Mitte des Pentagramms traten. Das vorher noch angenehme Leuchten verfärbte sich in rotorangene, flammenähnliche Lichtstrahlen, welche uns gewaltig blendeten. Ich musste meine Augen fest zusammenkneifen, hatte ich doch beinahe echt Angst gehabt zu erblinden. Es dauerte eine Weile, bis ich meine Augen einen spaltbreit öffnete und was ich sah war einfach nur verblüffend. Es schien, als wäre Nacht, da über uns der Mond zu sehen war. Komischerweise erkannte man jedoch alles. Der Himmel war schwarz, einzig und allein diese silberweiße, runde Scheibe erhellte die Gegend. Wie war das möglich? „Wo sind wir denn hier gelandet?“, fragte Bana und rieb sich die Augen. „Das…ist die Hölle, schätze ich mal“, meinte ich und sah mich skeptisch um. Es sah aus, als wären wir in einem Wald teleportiert worden. Dieser Wald war aber das totale Gegenteil von dem, was wir auf der Erde einen Wald nannten. Um uns herum standen lauter tote Bäume, dessen trockene Äste im sachten Wind herum knarzten. Es ächzte so laut um uns herum, dass man meinen könnte im nächsten Moment würde alles um uns herum zu Asche zerfallen. Von einer Wiese oder einer Art Trampelpfad war weit und breit nichts zu erkennen, nur ein spröder, trockener Erdboden. Alles sah so tot und verlassen aus, so als wäre hier die Krätze ausgebrochen oder irgendeine Seuche, welche das Land hatte unbewohnbar gemacht. Wir wussten nicht Recht, wo wir hinsollten und suchten unsere Umgebung nach einem Hinweis ab. Itinier hatte gemeint, wir würden den Weg alleine finden, also musste hier ja irgendwo was sein, dass uns weiterhalf. „Ich hab mir die Hölle irgendwie anders vorgestellt“, meinte Baka und sah sich ebenfalls um, „Wo sind die Lavaströme, die Hitze und die ganzen Schluchten?“ „Scheint, als wäre das einfach nur ein Aberglaube gewesen“, meinte ich und ging ein paar Schritte durch den Wald. Hier war einfach nichts! Kein Wegweiser, kein gar nichts! Wie sollten wir da den Weg alleine finden?! Wir waren doch zum allerersten Mal hier! „Könnt ihr irgendwas sehen?“, fragte ich meine Freunde hinter mir, welche jedoch verneinten. Mein Bruder, welcher das Mädchen immer noch festhielt musterte mich einen Augenblick argwöhnisch. Was wollte er denn noch von mir? Okay, vielleicht war ich eben wirklich einen Schritt zu weit gegangen. Pey konnte ja tun und lassen was er wollte, aber das passte einfach nicht zu ihm! So kannte ich ihn nicht, denn seit seinem Tod oder eher unserem Gemeinschaftstod war er komplett anders geworden. Ein einfaches Mädchen hätte ihm nie so den Kopf verdreht! „Leute, ich glaube da vorne ist sowas wie ein Dorf!“, meinte Baka und nickte nach vorne, musste er doch seine Hände zum festhalten von Pey’s Körper benutzen. „Vielleicht werden wir da fündig wonach wir suchen“, meinte ich und machte mich auf. „Warte! Was, wenn dort diese komischen Krähen sind, von denen der Typ geredet hat?“, warf Piwi besorgt ein. „Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen ja irgendwen finden, der uns hilft“, meinte ich abwehrend und ging weiter. Rel wurde von Zeit zu Zeit echt schwer. Wenn wir nicht bald das fanden, was wir suchten, würden mir möglicherweise noch die Arme abfallen. Gut eine gefühlte Ewigkeit später kamen wir an einer Art Ortsschild an. Darauf prangte in verschnörkelten Buchstaben Regno tenebrarum. Wahrscheinlich war das der Name des Dorfes oder so. „Und wie soll es jetzt weiter gehen?“, fragte Baka und hüpfte ein bisschen auf der Stelle, um Pey etwas weiter nach oben zu schieben. „Wir könnten jemanden fragen. Das wäre der schnellste Weg, oder?“ Ich erntete ein einheitliches, dennoch etwas unsicheres, Nicken. „Man jetzt macht euch doch nicht so in die Hose. Wir sind schließlich ebenfalls Dämonen, also sollten wir hier nicht so auffallen“, meinte ich aufmunternd und aktivierte sogleich mein dämonisches Aussehen. Ein knappes Grinsen ging durch die Reihen und auch die anderen verwandelten sich. „So sollten wir wohl kaum auffallen.“ Anna sah uns etwas unsicher an, hielt aber weiterhin Piwi’s Arm fest, welchen er noch immer um sie gelegt hatte. Was sollte der Scheiß eigentlich? War sie nicht im Stande selbst zu laufen?! Ein letztes Mal atmete ich großzügig aus, als ich den ersten Schritt in das Dorf machte. Piwi: Kaum zu glauben dass wir es wirklich bis hier her geschafft hatten. Es war ein irgendwie unheimliches und beklemmendes Gefühl, zu wissen dass wir in der echten Hölle waren. Diese Gedanken verbannte ich jedoch erst einmal in die hinterste Ecke meines Bewusstseins, galt es doch erst einmal diesen ‚Arzt‘ zu suchen, von welchem Rel gesprochen hatte. Ein wenig erinnerte mich meine Umgebung an das Mittelalter. Die Häuser sahen sehr heruntergekommen, bröckelig und rissig aus. Wie konnte hier überhaupt jemand in diesen Ruinen wohnen? Nach erneutem betrachten des Himmels überdachte ich nochmal unser Vorhaben, jemanden anzusprechen. Es war doch Nacht, oder nicht? Schliefen dann die Leute hier nicht um diese Uhrzeit, oder waren sie nachtaktiv, so wie eigentlich alle Dämonen, die ich bisher gesehen hatte? Nun gut, die einzigen Dämonen die ich kannte, waren alle um mich versammelt, aber es lag ja bestimmt nicht nur an uns, dass wir nachtaktiv waren. „Du Pira, glaubst du, dass wir einfach so an einer Tür klopfen können?“, fragte ich und sah mich auf den verlassenen Straßen um. Die Häuser, welche zum Teil schon eingefallen waren, waren stockduster. Lebte hier überhaupt jemand? „Weiß nicht. Wir können es ja versuchen.“ „Aber hier lebt doch keine Menschenseele, so verwildert und heruntergekommen wie es hier aussieht!“, beteiligte sich Bana an dem Gespräch. Mit einem Nicken gab ich ihm Recht. Pira, welcher schnaubend einfach losgegangen war, bildete somit die Spitze unseres Trupps und langsam folgten wir ihm durch die verlassenen Straßen. „Glaubst du wirklich, dass wir denjenigen finden, der uns helfen soll?“, wandte sich das Mädchen an meinem Arm leise flüsternd an mich. Ich zuckte lediglich mit den Schultern. „Werden wir sehen. Der Typ hat ja gemeint wie würden den Weg alleine finden, also muss es doch hier ganz in der Nähe sein.“ Sie nickte zuversichtlich und gemeinsam folgten wir meinem Bruder. An der ersten Tür an der er klopfte blieben wir eine gefühlte Ewigkeit stehen, doch niemand öffnete uns. Auch an der zweiten öffnete niemand. Wahrscheinlich verschwendeten wir hier nur unsere Zeit, denn ich war mir sehr sicher, dass auch an den nächsten Türen niemand öffnen würde. „Und was machen wir, wenn wir wirklich niemanden finden? Außerdem… ich hab Hunger“, quängelte Baka, welcher noch immer Pey mit sich herumschleppte. Oh man… warum muss er ausgerechnet jetzt das Thema Essen ansprechen?! Er ist doch nicht der einzige, der Hunger hat! Mürrisch grummelnd ging ich weiter. Nun begann sich langsam auch mein Magen zu melden. Es war ja auch schon eine Ewigkeit her, seit wir das letzte Mal etwas zwischen den Zähnen hatten. „Geh mir doch nicht aufn Sack!“, fauchte Pira und ging weiter. Anstatt an der nächsten und übernächten Tür wieder sein Glück zu versuchen ging er die Straße einfach weiter. „Pira“, rief ich von weiter hinten, hatte er uns doch einfach stehen lassen. „Was? Ich hab doch auch keine Ahnung was wir noch machen sollen! Dieser Wichser hat uns in offene Messer laufen lassen. Wir werden es nie rechtzeitig schaffen, Rel und Pey zu diesem Arzt zu bringen!“, fuhr er mich an. So hatte ich ihn bis jetzt nur sehr selten erlebt. So pessimistisch, so niedergeschlagen, frustriert und zum Teil wütend. „Wir werden’s schon irgendwie schaffen“, rief ich zurück und setzte mich, mit Anna im Schlepptau, in Bewegung. „Itinier meinte wir werden den Weg alleine finden, also werden wir ihn auch finden“, fügte ich noch hinzu, als ich bei meinem Bruder angekommen war. „Und wie? Wir haben keinen Anhaltspunkt. Nichts!“, warf er wieder ein, schüttelte seinen Kopf und biss sich wütend auf die Unterlippe. „Wenn wir wenigstens wüssten, wonach wir suchen müssen…“, wisperte er und sah sich um. Wir standen in einem Meer aus Ruinen, kein Lebenszeichen weit und breit. Der Braunhaarige mit blonden und violetten Strähnen seufzte tief, ging zu einer der Bruchbuden und setzte Rel behutsam ab, lehnte ihn dabei an die bröckelige Fassade. Baka setzte Pey direkt neben Rel und streckte sich ausgiebig. „Puh, das ist wirklich anstrengend“, meinte er und Gähnte auch noch. Ich verdrehte nur meine Augen und löste mich von Anna, welche sich sogleich an Pey’s Seite schmiegte und seine Hand festhielt. Die beiden sahen irgendwie süß zusammen aus. Hoffentlich schafften wir es wirklich noch rechtzeitig. Bana, welcher sich vor die Beiden auf den Boden fallen ließ, zog von seinem Rücken einen Rucksack. Um genau zu sein: Rel’s Rucksack. „Wo- wo hast du den denn her? Ich dachte den hätten wir im Auto gelassen?!“, entkam es mir und ich ging zu ihm, nur um mich neben ihn zu hocken. „Hab ihn mir noch rechtzeitig geschnappt. Ich wusste ja nicht, ob wir nochmal zu dem Wagen zurück kommen würden. So haben wir keine Spuren hinterlassen und alles ist gut. Schätzungsweise werden sich die Leute in dem Club um den Wagen kümmern, damit die Spuren nicht zu ihnen laufen.“ „Man, also manchmal kannst du ja auch vorausdenken“, lachte ich knapp und schnappte mir den Rucksack. „Hey, was hast du vor?“, fragte der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen und sah mir gespannt zu. „Vielleicht ist ja irgendein Hinweis in dem Rucksack, der uns helfen kann“, antwortete ich und kramte in Rel’s Sachen herum. Auch Pira kam allmählich zu uns zurück, war er doch noch ein bisschen weitergelaufen und hatte die Gegend erkundigt. „Hier ist nichts! Nur Staub, Dreck und Ruinen. Vielleicht hat er uns auch einfach an den falschen Ort teleportiert oder so“, meinte er und setzte sich lustlos und frustriert zugleich auf den harten Boden zu uns anderen, wirbelte dabei eine gewaltige Ladung Staub auf. Daraufhin musste ich husten und wedelte die Wolke vor meinen Augen zu Seite. „Scheiße man, pass doch mal ein bisschen auf“, fauchte ich, fuhr jedoch meine Tätigkeit wieder aus. „Hm komisch. Er hat keine Klamotten oder sonstiges eingepackt. Hier ist eine Geldbörse, ein Schlüsselbund, irgendwelche Papiere und…“ Ich stockte mitten im Satz. „Was ist los?“, hackte Baka nach, welcher bis eben noch in den Himmel gesehen hatte. „Das ist doch-“ Noch während ich meinen Satz beenden konnte, hatte ich das schwarze Buch aus dem Rucksack gezogen, welches uns nur allzu bekannt vorkam. „D-das kann doch nicht sein?!“, stotterte der Braunhaarige neben mir uns musterte das Buch genau. Pira schüttelte den Kopf und blies mit einem spöttischen Laut seine angestaute Luft aus. „Der Bastard hat gesagt er hat es vernichtet. So ein elendiger Lügner“, knurrte er. „Dann… wollte er wirklich irgendwann zurückkehren und das Buch zurückbringen?“, sprach Bana das aus, was uns allen durch den Kopf ging. Er hatte also nie vorgehabt, bei uns zu bleiben? Er wollte wieder zurück? „So ein Wichser, er wollte uns verraten!“, schrie Baka auf und kickte ein Stück von einer abgebröckelten Wand weg. „Au!“ Wir sahen verdattert auf. Von wo kam das denn her? „Was war das?“, fragte der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen neben mir und drehte sich um. „Das kam aus einem der Trümmerhaufen da hinten“, meinte Baka und rannte ohne weiteres auf die Stelle hin. „Scheiße man, Baka! Bleib gefälligst stehen!“, schrie Pira und rannte ihm hinterher. „Fuck, was ist, wenn das diese komischen Krähen sind?“, bedachte Bana plötzlich und stand blitzschnell auf, nur um sich gemeinsam mit mir schützend vor unsere bewusstlosen zu stellen. Anna, welche noch immer an Pey’s Seite verharrte, blickte ängstlich um sich. „Pira!“, schrie ich nach meinem Bruder, bekam jedoch keine Antwort. „Baka!“, schrie Bana neben mir, bekam jedoch auch keine Antwort. „Verdammt, was ist da los?! Wieso kommen sie nicht zurück?“, fragte ich mich laut und starrte noch immer in die Richtung, in der die beiden verschwunden waren. Meine Muskeln waren bis auf’s äußere gespannte, konnte ich doch nicht ahnen, wann wir angegriffen wurden. Pira: Baka, welcher nur einige Meter vor mir lief, blieb urplötzlich stehen. „Hmpf! Was soll das?!“, fragte ich sauer, als ich genau in ihn herein rannte. Der Braunhaarige antwortete nicht, sondern starrte nur vor sich hin. „Man, was ist los?“, fragte ich und trat an ihm vorbei. Ich stockte in meiner Bewegung und blickte irritiert in die weit aufgerissenen, grünglühenden Augen vor mir. „Ein… Kind?“ Kapitel 21: Hilfe in letzter Sekunde ------------------------------------ Hilfe in letzter Sekunde Pira: „Was macht denn ein Kind hier?“, sprach ich meine Gedanken laut aus. „Ich bin kein Kind! Ich bin schon 756 Jahre alt, du Spasti!“, fauchte der kleine Racker vor mir. „Was zum-“, begann nun auch Baka und sah das Kind irritiert an. Ich konnte nicht wirklich sagen, ob es eine sie oder ein er war, da das Kind kurzgeschnittene, graublonde Haare hatte und weite, ausgeleierte Klamotten trug, die überall Löcher hatten. Ich tippte ja auf einen Jungen. „Was wollt ihr hier? Ihr seid Touristen, oder? Ihr kommt nicht von hier“, meinte das Kind skeptisch und prüfte uns mit seinem Blick. „Warum siehst du aus wie ein Kind, wenn du doch so alt bist?!“, hakte Baka nach, der immer noch nicht verstand, dass wir eigentlich hier die Jüngeren waren und einen gewissen Respekt der Person vor uns zeigen sollten. „Was?“, fragte es verständnislos und schüttelte den Kopf. Dann, als wäre ihm ein Licht aufgegangen, wich es einen Schritt von uns. „Wer seid ihr und wie seid ihr hier hergekommen?“, wollte es wissen, seine Stimme wurde immer skeptischer. Ich sah meinen Kumpel kurz an. Wir durften unsere Tarnung nicht auffliegen lassen. Itinier hatte auch schon so komisch reagiert, als er rausbekommen hatte, dass wir früher einmal Menschen gewesen waren. Wir antworteten einfach nicht, sondern starrten das Kind einfach an. „Ihr seid unrein!“, fauchte es plötzlich, stolperte weiter zurück, fast schon so, als sei es verängstigt und wollte fliehen. Der Braunhaarige reagierte sofort und griff nach dem Saum des Pullovers, um es daran zu hindern, vor uns wegzulaufen. „Hey, was soll der Scheiß?! Lass mich los, du Dreckskerl!“, schrie es wild mit den Armen fuchtelnd und schlug mit seinen Krallen nach uns. „Zuerst wirst du uns ein paar Fragen beantworten“, knurrte ich bedrohlich und funkelte das Kind mit meinen glühenden, dämonischen Augen an. Es sah mich, ebenfalls mit glühenden, dämonischen Augen an. „Ich werde gar nichts sagen! Ihr solltet verschwinden, sonst rufe ich die Wächter!“ „Untersteh dich!“, knurrte nun auch Baka, hob das Kind hoch, warf es sich über die Schulter und ging zurück zu den anderen. Ich folgte ihnen mit etwas Abstand und behielt unsere Umgebung im Auge. Piwi: Aus der Ferne konnte ich die leichten Schemen einer Person erkennen und stellte mich sofort in Verteidigungsposition. Hinter mir wimmerte Anna nur vor Angst und schmiegte sich weiter an Peys Körper. Neben mir hatte Bana nun auch die schemenhafte Person bemerkt und machte sich bereit zum Kampf, doch noch bevor wir irgendwas machen konnten, erkannten wir, dass Baka zu uns zurück kam. „Alter! Du kannst doch nicht einfach wegrennen!“, fauchte der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen aufgebracht neben mir. Baka sagte nichts, kam einfach weiter auf uns zu gelaufen und hatte einen eher wackligen Schritt drauf. Erst als er näher kam erkannten wir, dass er mit aller Kraft versuchte, etwas festzuhalten. Mein Bruder folgte dem Braunhaarigen aus einiger Entfernung und sah sich immer wieder um. „Was ist das?“, fragte ich den Jungen neben mir und fixierte meinen Blick weiterhin auf den Näherkommenden. Neben mir zog Bana nur unwissend die Schultern hoch und schaute sich um. Es war ja nicht sicher, dass wir nicht doch angegriffen wurden. Als Baka vor uns zum Stehen kam, setzte er das Etwas vor uns ab und zwang es in die Knie. „Dreckiger Bastard! Ihr seid alle unrein!“, keifte das Etwas, was sich als Kind herausstellte. „Ein Kind?!“, meinte ich verwundert und blickte es musternd an. „Verdammte Scheiße! Ich bin KEIN Kind!!“, schrie es mich an. „Halt die Fresse, du Knirbs“, fuhr Baka das Kind an, worauf es nur trotzig vor sich hin auf den Boden sah. Als es den Blick jedoch hob und die beiden Bewusstlosen bemerkte, erstarrte es sichtlich. „Majestas“, hauchte es und starrte Rel an. „Du kennst ihn?“, fragte Pira verwundert, als er endlich zu uns stieß. „Was habt ihr dreckigen Bastarde Seiner Majestät angetan??“, schrie er auf und erhob sich. Baka's Versuche, das Kind festzuhalten, scheiterten und es kämpfte sich durch meine und Bana's Barriere hindurch. Dann fiel es vor Rel's bewusstlosen Körper auf die Knie und ergriff seine Hand. „Pfoten weg!“, zischte ich, doch er hörte nicht. „Was ist mit Ihnen geschehen?“, fragte es besorgt und fuhr mit seiner Hand über Rel's Brust. „Expergisci“, murmelte es und die Augen des einst Blondhaarigen begannen zu flackern. „Nein! Du darfst ihn nicht aufwecken!“, schrie Pira aufgebracht! Das Kind zog erschrocken seine Hand von Rel's Brust und blickte Pira fragend an. „Warum?“, wollte es wissen. „Er wird sterben, wenn er jetzt noch einmal die Augen öffnet“, meinte Pira sofort und riss sich mit aller Gewalt von seinem Platz los. „Aber... Warum schläft Seine Majestät hier auf dem dreckigen Boden? Warum ist Seine Majestät nicht im Palast? Warum ist Seine Majestät mit Bastarden wie euch unterwegs? Was fällt euch eigentlich ein, so respektlos mit Seiner Majestät zu sprechen?“ „Scheiße man, was labert das Ding da fürn Scheiß?!“, fragte Baka verständnislos. „Ich bin kein Ding! Mein Name ist Kisin!“, meckerte das Kind verärgert. „Und was bist du?“, fragte mein Bruder gerade heraus und beäugte das Kind abschätzig. „Was ich... Was soll der Scheiß denn bedeuten? Ich bin ein Junge, du Spast!“, keifte der Kleine zurück. „Also gut, Kisin. Du scheinst Rel zu kennen. Kannst du uns dann helfen, ihn zu einem Arzt zu bringen?“ Der Junge sah uns nach dem Motto ich-versteh-nur-Bahnhof an. „Arzt? Was soll das sein?“ Bana sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Ist das sein ernst? Rel hat doch gesagt, dass hier ein Arzt ist, der ihm helfen kann! „Wa-was? Ein Arzt?! Jemand der einem hilft, wenn man krank ist!“ „Sowas wie ein Medicus?“, fragte Kisin nach. „Nenn es wie du willst, aber ja so jemanden suchen wir. Wenn Rel nicht so schnell wie möglich behandelt wird, krazt er ab!“ „Rel?“ Der Kleine schien verwundert. „Meine Fresse! Wir meinen ihn, du hohle Nuss!“, zischte Bana verärgert. „Was fällt dir ein? Seine Majestät heißt mit bürgerlichen Namen Churel, du Pfosten! Erst so respektlos und dann auch noch ein falscher Name? Wo kommt ihr denn her? Aus der Menschenwelt??“, lachte der Kleine zum Schluss und sah uns dann verdattert an, als niemand was sagte. „Eh? Ernsthaft?“ „Jetzt hör auf mit deinen Spielchen! Rel- ich meinte natürlich Churel benötigt dringend ärztliche Hilfe. Also hör auf uns hier auszuhorchen, sondern bring uns zu deinem dämlichen Medicus, verdammt!“ Der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen war ziemlich ungehalten und hatte den Jungen am Kragen gepackt. „Na schön. Und was genau ist passiert?“, wollte der Kleine wieder wissen. „Er wurde von nem Kleriker angegriffen! Wenn du nicht willst, dass er abkratzt, dann solltest du uns schleunigst zeigen, wo wir hin müssen!“ Bana raufte sich verzweifelt die Haare. Da hatten wir endlich jemanden gefunden, der uns helfen konnte und dann war dieser Knirbs auch noch so begriffsstutzig? Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Kisin stand auf und klopfte sich den Staub von seinen Klamotten. Er sah etwas hin und hergerissen aus, doch er schien sich dazu durchzuringen, uns zu helfen. Hatte Itinier etwa den kleinen Jungen gemeint? Hatte er gewusst, dass wir auf ihn treffen würden? „Tze, Unreine und dann auch noch aus der Menschenwelt. Ich könnte kotzen“, murmelte er vor sich hin und ging einige Schritte voraus. Dann drehte er sich um und blickte uns auffordernd an. „Worauf wartet ihr? Der rote Mond wird bald aufgehen. Wenn alle aufwachen, dann habt ihr gelitten und werdet sofort in den Kerker geschmissen. Seine Majestät wird sicherlich nicht begeistert sein, seinen Sohn in diesem Zustand zu empfangen…“ Es dauerte einen Moment, bis es bei uns Klick machte und wir schnappten uns die Bewusstlosen, um dem Kleinen zu folgen. „Und wer ist das?“, fragte Kisin, als wir einige Schritte gegangen waren und er in Pey’s Richtung nickte. „Ein Freund von uns“, meinte ich wahrheitsgemäß und ging weiter. „Und warum habt ihr ihn auch mit hierher geschleppt? Er sieht ja mehr tot als lebendig aus.“ Pira lachte verächtlich und verfestigte seinen Griff um Rel’s Körper. „Als ob es bei Rel anders aussehen würde…“, grummelte Bana neben mir. Kisin nickte eifrig. „Das ist ja auch der Prinz höchstpersönlich. Er wird nicht so leicht sterben. Immerhin trägt er das Blut des Adels in seinen Adern.“ Verächtlich schnaubte Baka. „Ich raff’s einfach nicht. Warum hat Rel uns nie etwas über sich erzählt? Ich glaub langsam, dass alles was wir über ihn wissen gelogen ist.“ „Aber er meinte zu mir, dass sein Vater der Teufel höchstpersönlich sei. Damals hielt ich es noch für einen Witz. Selbst, nachdem er mir die Tätowierungen an seinen Handgelenken gezeugt hat… aber jetzt…“, meldete sich Anna zu Wort. Kisin, welcher sie wohl kaum als Gefahr wahrnahm, stimmte ihr zu. „Ja, so ist es. Meister Luzifer ist der oberste Teufel in unserem Reich und somit der König aller Dämonen.“ „Warte, was? Was meinst du für Tätowierungen am Handgelenk?“, wollte Pira wissen und beäugte Rel’s Arme, welche über seinen Schultern nach vorne hingen. „Die, welche sich unter dem Armband befinden“, meinte das Mädchen in unserer Mitte und deutete auf das Armband. „Das… ist mir bisher noch nie aufgefallen“, stellte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen fest. „Ich hab auch so eins“, sagte Kisin stolz und zog seinen rechten Ärmel nach oben. Zum Vorschein kam das umgedrehte Pentagramm, welches sich mittig unter der Handfläche befand. „Damit können wir identifizieren, wer ein reinrassiger und wer kein reinrassiger Dämon ist. Ihr seid unrein, daher habt ihr das nicht. Egal wer euch hierher geschickt hat, er hat ganz schön hoch gepokert.“ Der kleine Junge hielt plötzlich vor einer Ruine an. „So, da wären wir, hier wohnt der Meister“, meinte er zufrieden und klopfte gegen die Tür. „Aber das sind doch die gleichen Ruinen, wie zuvor. Hier wohnt doch nie-“, Pira wurde mitten im Satz unterbrochen, denn ein junger Mann mit bläulichen Haaren und türkisen Strähnen öffnete die Tür. Seine dämonischen Augen glühten in einem wunderschönen türkis, genau wie seine Haare. „Kisin, weißt du eigentlich wie früh es ist? Um diese Tageszeit solltest du schlafen!“, brummte er und wollte die Tür wieder schließen, doch der Junge stellte seinen Fuß dazwischen. „Meister, der Prinz benötigt dringend eure Hilfe!“ Der Mann seufzte und rümpfte die Nase. „Welcher ist es diesmal?“, fragte er missgelaunt und musterte unseren Trupp. „Der Siebte, Meister!“ Verwundert blickte er auf. „Er ist wieder da? Wo ist er?“ Pira drehte sich zu dem Medicus um und gab den Blick auf Rel frei. „Shit, das sieht ja gar nicht gut aus, wie lange ist er denn schon in dieser Verfassung?“ Wir mussten einen Moment überlegen. „Fast eine Woche“, meinte ich dann, als ich mich an den Tag, oder besser die Nacht, zurück erinnerte. „Das ist gar nicht gut, bringt ihn sofort rein!“, meinte er und ließ uns sofort eintreten. Waren Dämonen wirklich so nett und ließen einfach fremde Leute in ihre Wohnung, oder war das hier nur der Bonus, dass wir Rel mit uns herumschleppten. Wir fackelten nicht lange und traten ein. Anna: Ich war seit unserem Aufbruch nicht mehr von Pey’s und somit auch Bana’s Seite gewichen. Der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen hatte mich die ganze Zeit keines Blickes gewürdigt, auch nicht als ich die Sache mit Rel’s Tätowierungen erwähnt hatte. Wie die Jungs mittlerweile zu mir standen, wusste ich nicht. Mal waren sie nett, dann wieder abweisend… Das war langsam echt nervig. Ich wollte einfach nur, dass es Pey wieder besser ging und dass wenigstens etwas Normalität wieder in unseren Alltag einkehren konnte. Der Türkisäugige musterte jeden von uns, der über seine Türschwelle trat und schloss diese, als der Letzte eingetreten war. „Was genau ist passiert?“, wollte er wissen und wies Pira an, Rel auf eines der Sofa’s zu legen, welches vor uns stand, da wir uns anscheinend in einer Art Wohn- und Esszimmer befanden. Das Licht war dämmrig, aber man konnte noch genug sehen. Eigentlich genauso wie draußen. „Und wer seid ihr alle? Es ist wirklich ungewöhnlich, dass der Prinz mit einer Horde Untertanen durch die Gegend wandelt. Außerdem schließe ich darauf, dass ihr geradewegs aus der Menschenwelt zu stammen scheint, denn es schafft kein Kleriker in diese Welt zu dringen, ohne von den Wächtern geortet zu werden. Außerdem wurde noch nicht bekannt gegeben, dass die Majestäten aus der Menschenwelt zurückgekehrt seien. Apropos… Wo ist denn der sechste Prinz?“ „Er war nicht dabei“, antwortete Kisin, nun ebenfalls verwundert. „Wir sind Freunde von Rel“, meinte Piwi’s Bruder knapp und senkte den Blick. Er wollte bestimmt nichts von der Sache mit Raym erzählen. Der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen erzählte dem Mann, welcher sich als Hiisi vorstellte, dass Rel von einem Klerikerlehrling angegriffen wurde, welcher natürlich bei dem Kampf draufgegangen war, und erwähnte, dass Pey ebenfalls in den Fall verwickelt gewesen war. Der Arzt hatte bis dato nur Augen für Rel gehabt, doch nun begutachtete er auch Pey’s Zustand. „Wirklich sehr kritisch, aber ich denke, ich kann ihnen helfen. Das wird sehr anstrengend werden…“ „Meister, was haben Sie denn vor?“, wollte Kisin gebannt wissen. Die beiden schienen sich gut zu kennen, fiel mir auf. „Nun ja, wenn ich es richtig verstanden habe, dann wurden beide von der Quelle des weißen Lichts berührt, jedoch war dies nur eine schwache Form, denn der Prinz und euer Freund wäre sonst sofort geläutert worden. Ich werde also versuchen, die Läuterung, welche sich unmissverständlich noch im vollen Gange befindet, zu stoppen und die läuternde Macht der Kleriker zu extrahieren und zu versiegeln. Ich habe diese Operation bis jetzt nur zweimal durchgeführt und die Erfolgschance liegt leider nur bei 50%.“ Ich schluckte. „Heißt dass… das einer der beiden sterben wird?“, hauchte ich beinahe meine Frage in den Raum. Der Türkisäugige schwieg einen Moment, doch dann räusperte er sich. „Wenn man es faktisch betrachtet, dann würde man darauf schließen. Doch da ich es erst zweimal versucht habe, kann es auch gut möglich sein, dass es nun besser klappt, als beim Letzten.“ Ich nickte verstehend. Warum musste ich auch immer alles so schwarz sehen? Hiisi wies Bana und Pira an, ihm zu folgen. Das Behandlungszimmer dieses Arztes oder Medicus‘ oder was er jetzt auch immer war, befand sich ein Stockwerk über uns. Ich war schon sehr erstaunt, dass diese Wohnung so groß, geräumig und vor allem gemütlich eingerichtet war. Von außen sah sie wirklich wie eine Ruine aus, aber das äußere Erscheinungsbild trügte ja bekanntlich jede Sinne. Es dauerte eine Weile, bis einer der beiden zurückkehrten. „Was ist los?“, fragte Piwi, welcher sich wie wir anderen auf eines der Sofa’s gesetzt und gebannt auf die Rückkehr der beiden gewartet hatte. „Hiisi hat die beiden auf den Betten festgeschnallt. Er meinte, er könnte wahrscheinlich doch Hilfe von uns gebrauchen und wir sollen alle nach oben kommen“, richtete der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen aus. Als ich mich auch erheben wollte schüttelte er den Kopf. „Du sollst hier unten warten“, wies er mich an und ich ließ mich auch sogleich wieder auf meinen Platz fallen. „Kisin kann dir ja Gesellschaft leisten. Wir gehen nach oben.“ Kisin, welcher zuerst protestieren wollte, ließ sich schlussendlich genauso wie ich auf seinen Platz fallen und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Nachdem die Jungs nach oben verschwunden waren, herrscht eisige Stille zwischen Kisin und mir. Ich wusste nicht, über was ich mit dem Jungen reden sollte oder eher konnte. Niemand durfte wissen, dass ich eigentlich eine Klerikerin war, oder zumindest ein paar Fähigkeiten einer hatte. „Bist du auch ne Unreine?“, fragte Kisin aus heiterem Himmel. Ihm war wahrscheinlich auch langweilig, daher fragte er einfach gerade heraus, was er dachte. „N-nein. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch“, antwortete ich. Oh man, warum hab ich denn jetzt das gesagt? Menschen sind doch eine Hauptnahrungsquelle… Wenn er jetzt über mich herfällt, wars das! „Echt? Cool!“, entfuhr es ihm und er sah mich mit funkelnden Augen an. Ich verstand nicht Recht, warum fand er das jetzt so faszinierend? „W-was ist daran so cool ein Mensch zu sein? Werden wir nicht von euch gegessen?“ Der Graublondhaarige lachte verächtlich. „Ja, das stimmt leider, aber ich bin ein Anti-Menschenfresser“, verkündete er stolz. „Aha… Und was isst du dann?“, wollte ich interessiert wissen. Dann war er also nicht mein Feind? „Tiere“, erzählte er. Ich weitete verwundert meine Augen. „Hier gibt es Tiere?“ Der Junge nickte. „Aber klar, ganz viele sogar! Bovem, Porcos, Anates…“, begann er aufzuzählen. Ich hatte keine Ahnung wovon er da sprach. Vielleicht waren es ähnliche Tiere, wie sie in meiner Welt existierten, hießen hier jedoch anders. Mir fiel auf, seit wir auf die neuen Dämonen getroffen waren, verwendeten viele von ihnen Latein als Verständigungssprache. Auch bei manchen Sachen, welche ich bei Pey mitbekommen hatte, wurden lateinische Formeln verwendet. War es hier etwa genau wie auf meiner Schule? Wegen der Traditionen sprach man alles auf Latein? Aber Latein war doch eine tote Sprache! Niemand verwendete sie heutzutage noch... Außer… Den Religionsanhängern… „Sag mal Kisin, sprecht ihr viel Latein hier?“ Er schien nicht ganz zu verstehen was ich meinte, sondern sah mich mit einem fragenden Blick an. „Was ist Latein?“ „Die Sprache, mit der du Rel aufwecken wolltest“, meinte ich verständlich. „Der Spruch? Aber das war doch nur eine Formel. Alle Formeln werden in der Sprache gesprochen. Wir nennen sie Formsprache.“ Ich nickte verstehend. „Okay, in unserer Welt nennt man das Latein, aber eure Welt existiert ja schon viel länger, als meine“, lachte ich leicht. „Wie alt bist du denn?“, wollte er dann gespannt wissen. „16“, antwortete ich. Sein Mund klappte erstaunt auf und er sah mich entgeistert an. „Aber das kann doch nicht sein! Du bist jünger als ich, aber siehst älter aus!“ „Ihr seid ja auch alle schon sehr… alt…“ Der Junge vor mir lachte. „In der Schule haben wir letztes Jahr gelernt, dass ein Mensch nur ungefähr das ein Hundertstel von unserem Alter erreichen kann. Das heißt doch dass ich dann… ähm…“ Er begann zu rechnen. „Du wärst dann also, wenn du ein Mensch wärst, fast acht Jahre alt“, lächelte ich ihm die Lösung entgegen. Pira: Ich verspannte mich sichtlich, als wir oben am Behandlungszimmer ankamen. Jetzt würden wir sehen, ob die Behandlung tatsächlich anschlagen würde. Sie musste einfach! Piwi, welcher hinter mir stand, legte stärkend eine Hand auf meine Schulter. Jeder von uns hatte momentan wahrscheinlich das gleiche oder zumindest ein ähnliches Gefühl. Würde es klappen? Würde alles scheitern? Wenn ja, dann wäre unser Weg und die damit einhergehenden Strapazen total sinnlos gewesen. Der Braunhaarige vor mir öffnete die Tür und unser Blick fiel sofort auf unsere, am Bett gefesselten, Freunde. Der Arzt hatte ihnen die Oberteile ausgezogen und ihre Arme seitlich neben den Körper gelegt. Sie sahen so friedlich aus, doch der Schein trügte. Beide hatten schneeweiße Haare und ihre Haut war auch schon ganz bleich. Ihre Tattoos hoben sich unnatürlich davon ab. An Rel’s Mundwinkeln klebten noch vereinzelte Blutreste von dem letzten Mal, als er aufgewacht war. Hisii stand an einer Art Servierwagen, auf dem er ein paar Utensilien ausgebreitet hatte, die er für diese ‚Operation‘ benötigte. Zu sehen waren ein Skalpell und zwei kleine, silbernen Schälchen in denen sich eine trübe Flüssigkeit befand. Außerdem lagen dort auf dem Wagen noch zwei, graublaue Blätter auf denen Runen abgebildet waren. Die erste Rune sah aus wie ein umgedrehtes, schrägstehendes Z, danach kamen ein I, ein M, ein X, ein M und ein Art kleines r. „Was bedeutet das?“, fragte ich interessiert. Ich wollte ganz genau wissen, was er machen wollte. „Siegel. Ich muss die läuternde Macht aus ihren Körpern extrahieren. Wie waren die Symptome, nachdem sie mit dem weißen Licht in Kontakt getreten waren?“ „Rel meinte, dass er Bauchscherzen hätte und dass ihm schlecht wäre. Ein paar Tage später hat er Blut gebrochen und noch stärkere Magenkrämpfe bekommen. Bei Pey hat dass alles erst später angefangen…“, begann Bana zu erzählen. „Und Rel hat abwechselnd sein Bewusstsein verloren und wiedererlangt. Als er zu sich kam, hat er versucht uns anzugreifen und kurze Zeit danach hat er Blut gehustet und ist wieder zusammengebrochen“, fügte Piwi hinzu. Der Türkisäugige nickte verstehend. „Rel hat immer wieder gesagt, es fühle sich an, als würden seine Organe schmelzen“, meinte ich dann noch, als es mir wieder einfiel. „Ja, das kann gut möglich sein. Die läuternde Kraft eines Klerikers wurde geschaffen, um uns Dämonen zu töten. Wahrscheinlich wurde er am Bauch getroffen, daher auch die Schmerzen. Das Erbrechen von Blut lässt darauf schließen, dass sich wirklich seine Organe angefangen haben aufzulösen.“ Ich stutzte. „Wie jetzt?! Das kann echt passieren?“ Hiisi nickte. „Die Läuterung wird einfach nur langsamer vollzogen, beinahe nur in Zeitlupe. Also spürt man alles, was eigentlich innerhalb von ein paar Minuten passiert.“ Mir wurde bei dem Gedanken richtig übel. Was hatten die beiden nur für Qualen durchlitten? Jetzt würde es ihnen hoffentlich besser gehen, wenn alles klappte. „Und was sollen wir machen?“, fragte Baka, der sich in den Türrahmen gelehnt hatte. „Ihr werdet sie festhalten, es wird sehr schmerzhaft für sie werden“, wies er uns an und teilte uns auf die beiden Betten auf. Piwi und ich gingen an Rel’s Bett, Bana und Baka zu Pey. Der Medicus stellte sich mit seinem Wägelchen in die Mitte zwischen die Betten und nahm die Zettel in die Hand, welche er auf die Brust von den Jungen legte. Als nächsten Schritt stellte er je ein silbernes Schälchen auf einen Zettel, tunkte einmal seine Finger darin und zeichnete auf den Bauch ein umgedrehtes Kreuz. „Ab hier solltet ihr sie festhalten“, befahl er uns und wir stellten uns in unsere Position. Ich hielt die Schultern des einst Blondhaarigen fest, mein Bruder seine Beine. Hiisi nahm das Skalpell in die Hand und wandte sich zuerst Rel zu, dann schnitt er ihm ins Handgelenk und hielt dieses über das silberne Schälchen. Sein beinahe schwarzes Blut tropfte langsam in das Schälchen hinab und färbte es komischerweise rot. Der Medicus führte das Gleiche noch bei Pey durch, dessen Blut sich auch schon sehr dunkel verfärbt hatte. Hiisi tunkte seine Finger in die nun rotgefärbte Flüssigkeit und malte damit ein umgedrehtes Pentagramm auf die Stirn der Jungen. Zuletzt stellte er sich zwischen die Kopfenden, drehte sich in Richtung der Tür und legte beiden eine Hand auf die Stirn. Er schloss die Augen und begann sich zu konzentrieren. „Spiritum“, sprach er und wie bei Itinier zuvor begann um unsere Körper herum ein rotes Licht zu leuchten. Die Körper der beiden Weißhaarigen waren in ein kräftiges Violett gehüllt, was mich darauf schließen ließ, dass sie bald ihr Limit erreicht hatten. Der Türkisäugige begann undeutliche Worte vor sich hinzumurmeln und zog kleine Kreise auf den Stirnen der Jungen. Plötzlich begannen sich die Körper der beiden zu bewegen und wir mussten mit aller Kraft versuchen, sie auf den Betten liegen zu lassen. Auch wenn sie gefesselt waren, war es eine schwierige Aufgabe. Pey’s Kopf flog von einer zur anderen Seite und er begann vor Schmerzen aufzukeuchen. Bana standen schon sichtlich die Schweißperlen im Gesicht, musste er ihn an den Schultern festhalten. Ich blickte hinab zu Rel, dessen Hände sich nur in das weiße Laken gekrallt hatten. Er zuckte zwar etwas mit den Füßen und stieß gedämpft die Luft aus, aber er bewegte sich nicht so hektisch. Ich ließ ihn etwas lockerer doch ich musste ruckartig meinen Griff wieder verstärken. Der Weißhaarige unter mir schrie auf! Zuerst nur leise, doch dann wurde es immer lauter. Seine Augen rissen auf und starrten die Decke an. „Was passiert mit ihm?!“, fragte ich panisch und drückte ihn wieder ins Kissen. „Die läuternde Macht wird aus seinem Körper gezogen, es ist ganz natürlich, dass das passiert“, rief Hiisi und versuchte das Gebrüll zu übertönen. Der Weißhaarige spannte sichtlich seine Muskeln an und stemmte sich gegen mich und meinen Bruder und plötzlich begannen die Seile zu reißen, die ihn eigentlich auf dem Bett hätten halten sollen. „Haltet ihn fest! Er darf sich nicht losreißen!“, schrie Hiisi und nahm seine Finger von den Stirnen der Jungen. Dadurch dass sich nun beide in einer solchen Bewegung und Unruhe befanden, musste er diese Operation oder wie man das auch nennen mochte unterbrechen. „Leichter gesagt als getan“, rief Piwi und verstärkte nun auch seinen Griff. Die Schmerzensschreie nahmen immer weiter zu und selbst der Arzt sah etwas überfordert aus. „Meine Fresse, mach was!“, rief nun auch Bana von seinem Platz aus und hätte fast die Kontrolle über Pey verloren. Der einst Schwarzhaarige mit eisblauen Strähen hatte seine Fesseln ebenfalls gelöst und schlug wild um sich. Es war das reinste Chaos! „Inversio!“ Hiisi’s Stimme ertönte laut und hallte von den Wänden des Zimmers wieder. Urplötzlich wurde alles still und auch die Jungen begannen sich zu beruhigen. Der Zettel auf ihrer Brust begann zu leuchten und die komische Flüssigkeit in den Schälchen zu blubbern. Bei den Füßen angefangen begann sich das Licht um ihre Körper wieder rot zu färben und es schien, als würde das Blau, welches sich mit ihrem Rot vermischt hatte, von dem graublauen Zettel aufgesogen zu werden. Gebannt verfolgte ich die Verwandlung mit den Augen und vergas beinahe, dass ich Rel noch weiter festhalten sollte. Seine Verkrampfungen hatten sich langsam gelöst und auch sein angestrengter Blick war verschwunden. Hieß dass, das es endlich anschlug? Würde es den beiden gleich wieder besser werden? Mit einem Seitenblick stellte ich fest, dass das Leuchten um Pey’s Körper viel schneller rot wurde, als bei Rel. Der Prozess verlief um einiges langsamer und schien sich auch nicht zu beschleunigen. „Krass“, entkam es dem Braunhaarigen am anderen Bett. Langsam sog sich auch die weiße Farbe aus Pey’s Haarsträhen und nach wenigen Minuten sah er wieder aus, wie der alte. „Warum geht es bei ihm nicht so schnell?“, wollte ich wissen und blickte auf den unter mir Liegenden herab. Piwi betrachtete von seiner Position den Verlauf auch eher kritisch, sagte jedoch nichts. „Der Prinz muss wohl um einiges heftiger getroffen worden sein. Ihr könnt von Glück reden, dass er überhaupt noch am Leben ist. In diesem Stadium hätte er sich eigentlich schon auflösen müssen.“ Ich schluckte. „Wir müssen zurück!“, schrie Piwi und drehte sich immer wieder um. „Red keinen Scheiß! Wir müssen abhauen!“, antwortete Pira gehetzt und zog den Jüngeren mit sich. Rel stand, genau wie die anderen drei ein paar Meter weiter vorne und starrte den Ort hinter uns mit weitaufgerissen Augen an. „Er ist dein Bruder! Wie kannst du ihn da zurücklassen?“, wandte sich der Rothaarige an den Blondhaarigen. Seine Erschrockenheit hatte sich in eine ernste Miene umgewandelt und er blickte dem Jüngeren stumm entgegen. „Er ist tot. Hast du nicht gesehen, wie er sich aufgelöst hat? Sie haben ihn geläutert“, war alles, was er zustande brachte. Dann drehte er sich um und rannte, gefolgt von den anderen, in den Wald davon. Weit weg von den Klerikern, auf der Suche nach einem Unterschlupf bis alles vorüber war. Warum musste mir auch ausgerechnet das wieder einfallen? Rel würde nicht so enden, niemand würde so enden! Mein Geist kehrte wieder in das Hier und Jetzt zurück, als sich unter mir wieder was zu bewegen begann. Sein rotes Leuchten war noch nicht so kräftig wie das unsrige, aber dennoch war keine Spur von Blau zu sehen. Seine Haare hatten wieder seine natürliche Farbe angenommen und auch seine Hautfarbe sah wieder etwas gesünder aus. Vielleicht war es auch nur dieses unnatürliche Weiß gewesen, was ihn hatte so krank aussehen lassen. Erleichtert huschte mir ein Lächeln über die Lippen. Es war überstanden und mit ein wenig Ruhe waren wir alle wiedervereint und wir konnten in unseren Alltag zurückkehren. Wir würden in eine andere Stadt ziehen und dann würde alles wieder von vorne Anfangen. Vielleicht konnten wir diesmal einen richtigen Wohnsitz finden, wenn wir uns nicht erwischen ließen, bei unserer kleinen Mahlzeiten und dann wäre alles perfekt. Nicht mehr weglaufen, sondern immer einen Ort haben an den man zurückkehren konnte. Ja… das wäre perfekt und dann- „Ist das normal, dass Rel Nasenbluten bekommt?“, fragte mein Bruder verwundert. „Oh nein, das ist gar nicht gut“, bemerkte Hiisi und wandte sich dem Blondhaarigen zu. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ist etwa etwas schief gelaufen? Kapitel 22: Misstrauen ---------------------- Misstrauen Piwi: Verwundert blickte ich noch immer in Rel’s Gesicht. Seine Miene war entspannt, seine Augen geschlossen und sein Nasenbluten wurde immer heftiger. „Was ist passiert? Haben Sie einen Fehler gemacht?“, fragte mein Bruder sofort hektisch und verstärkte unbewusste seinen Griff an den Schultern des Blondhaarigen. „Pira! Pass auf, du tust ihm noch weh!“, zischte ich im zu und er löste sofort erschrocken seine Umklammerung. „Nein, so ist es nicht. Sein Körper ist nur schon so geschwächt gewesen, dass er diese Prozedur nur schwer verarbeitet. Solange es beim Nasenbluten bleibt, ist alles in Ordnung. Sollte er aufwachen und sich übergeben, dann könnten wir wieder ein Problem haben.“ „Also können wir jetzt nichts tun?“, hakte ich nach und blickte Rel besorgt an. Hiisi hatte ein Tuch geholt und tupfte damit das Blut aus Rel’s Gesicht. „Nein. Ihr müsst verstehen, sein Körper hat angefangen sich von innen aufzulösen. Durch diesen Zauber wurde zwar die läuternde Macht extrahiert, aber die entstandenen Schäden nicht geheilt. Die beiden Jungs müssen sich erst einmal etwas auskurieren und ihre Wunden heilen lassen.“ Pira atmete etwas erleichter aus. „Also heißt es nun Abwarten und Tee trinken?“ Der Türkishaarige musste leicht lachen, nickte jedoch. „Ruht euch erst einmal etwas aus. Ihr seht sehr geschafft aus. Wann habt ihr denn das letzte Mal was Anständiges gegessen und geschlafen?“ Bana lachte auf. „Schon eine Weile her.“ Der Arzt räumte seine Utensilien beiseite und verstaute die Siegel in einer Art Tresor. „Na dann kommt mit runter. Ich werde euch etwas zu Essen geben und dann erzählt ihr mir mal in Ruhe eure Geschichte“, meinte er und blickte sich noch einmal zu seinen Patienten um. Pey schlief seelenruhig, was man an dem sachten heben und senken seiner Brust feststellen konnte. Das Nasenbluten des Blondhaarigen hatte aufgehört und auch er schien nun ganz normal zu schlafen. Wir verließen leise das Zimmer und kehrten zu Anna und Kisin in das Wohnzimmer zurück. Anna: „Mich wundert es nur, dass sie dich nicht angerührt haben. Bist du denn sowas wie das Notfallessen für die Unreinen?“, wollte Kisin wissen. Der Junge klebte sichtlich an meinen Lippen und war sehr wissbegierig. Für ihn war ja auch vieles neu, da ich aus einer ganz anderen Welt stammte. „Nein, so ist es nicht. Ich bin aus… anderen Gründen bei ihnen.“ „Und welche? Oh, das hört sich alles so spannend an!“ Ich musste innerlich auflachen. Wäre er ein Mensch, dann würde er sich wirklich altersgerecht verhalten. „Ich war einfach zur falschen Zeit, am falschen Ort“, erklärte ich schlicht. „Man und mehr willst du mir nicht verraten?“ Kisin wirkte geknickt und wirklich enttäuscht. „Nein, wird sie nicht“, ertönte plötzlich Pira’s Stimme und der Dämon funkelte den kleineren Dämon herrisch an. „Wie geht es dem Prinzen?“, fragte er sofort und stand mit einem Satz auf. „Er muss sich erst ausruhen“, ließ Pira den Jungen wissen und setzte sich neben mich. Die anderen suchten sich ebenfalls einen Platz und ließen sich erschöpft in die Lehnen sinken. „Wie.. geht es Pey?“, fragte ich meinen Sitzpartner schüchtern. „Er wird’s überstehen“, meinte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen und schloss die Augen. Piwi, welcher sich auch zu uns gesetzt hatte atmete erleichtert aus. „Meister, das Ritual hat ganz schön lange gedauert. Der rote Mond ist schon vor einer Weile aufgegangen!“, wandte sich der kleine Junge mit den graublonden Haaren an den Arzt, welcher soeben ins Zimmer kam und ein Tablett auf den kleinen Tisch stellte. „Schon so spät?“, fragte er verwundert und kratzte sich am Kopf. Die Jungs um mich herum starrten auf das Tablett, auf welchem eine silberne Platte mit lauter Häppchen lag. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich es schon als rohen Schinken oder Lachs abgestempelt, aber das konnte unmöglich normales Essen sein. „Greift ruhig zu. Es sieht zwar wenig aus, aber ihr werdet schnell davon satt werden“, meinte der Arzt lächelnd und die Jungs tauschten ein paar Blicke untereinander aus, danach griffen sie zu und begannen zu Essen. Kisin, welcher mir gegenüber saß besah sich die Szenerie etwas angewidert. Er mochte das Menschenfleisch ja nicht, aber war das auch okay für einen Dämon? Meines Erachtens glichen die Verhaltensweisen hier schon beinahe dem Mittelalter… War es da nicht ein Vergehen, wenn man anders war, als die breite Masse? „Hier Kisin, für dich die Alternative“, lächelte der Türkishaarige und hielt Kisin einen Teller mit anderen Fleischstückchen hin. Seine Augen begannen gleich heller zu leuchten. „Danke, Meister!“, rief er erfreut und schlug sofort zu. „Hast du denn keinen Hunger?“, wandte er sich fragend an mich. Ich schüttelte leicht den Kopf. Der Mann konnte ja schlecht wissen, dass ich kein Dämon, sondern ein Mensch war und Meinesgleichen nicht essen konnte. Das wäre ja totaler Kannibalismus gewesen! Bei dem Gedanken wurde mir leicht schlecht. „Sie ist ein Mensch“, meinte Kisin zwischen ein paar Happen hindurch. Schlagartig lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter und auch die Jungs stoppten in ihren Bewegungen. „Ach, so ist das also. Na, dann sehe ich mal nach, was ich dir anbieten kann“, lächelte er sanft und kehrte in die Küche zurück. „Was zum…“, begann Bana und blickte dem Arzt verwirrt hinterher. Ich war mir sehr sicher, dass die anderen das gleiche gedacht hatten, wie ich. Ich hatte eher damit gerechnet, dass ein reinrassiger Dämon, Kisin mal außenvorgelassen, anders reagieren würde. Dass er sich auf mich stürzen würde oder sonst was. Dass er mich nicht als Person, sondern als Essen sah, aber das? Hiisi schien sehr… wie konnte man das am besten sagen? Er schien sehr tolerant gegenüber Menschen zu sein. Aber er aß sie doch selbst, oder? Konnte man das mit den Menschen vergleichen, die die Tiere mochten, aber dennoch ihr Fleisch aßen? Wahrscheinlich… Der Türkishaarige kehrte einige Minuten später wieder in den Raum zurück und hielt mir eine kleine Porzellanschüssel entgegen. Als ich sie entgegen nahm, spähte ich vorsichtig über den Schüsselrand. „Ich hoffe das ist okay. Etwas anderes habe ich nicht da“, lächelte er entschuldigend und verschwand erneut in der Küche, nur um kurz darauf sich mit einer Tasse Kaffee zu uns zu gesellen. Meine Augen begannen zu funkeln und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Es waren ein paar getrocknete Früchte, Getreidekörner und eine cremige, weiße Masse, die aussah wie Joghurt. Vorsichtig probierte ich das Gemisch und stellte fest, dass es sich bei der cremigen, weißen Masse um Quark handelte. „Vielen Dank“, sagte ich erfreut und begann genüsslich zu Essen. Ich hatte zwar auf dem Weg zu Itinier mir unterwegs eine Kleinigkeit zu Essen gekauft, aber mein Magen hatte mir schon vor ein paar Stunden deutlich gesagt, dass er wieder hunger hatte. „Wie kommt es, dass hier auch Essen für Menschen existiert?“, fragte Pira gerade heraus. „Ich verwende das Zeug nicht wirklich zum Essen. Für ein paar Behandlungen ist es gut, so etwas hier zu haben“, erklärte der Mann sachlich und nippte an seinem Getränk. „Mich wundert es, dass Dämonen krank werden können“, meinte Piwi etwas verwundert und blickte den reinrassigen Dämon vor sich fragend an. Hisii musste kurz auflachen. „Dämonen werden auch nicht krank. Das einzige, was den Körper eines Dämons schwächen kann, sind heilige Gegenstände von Klerikern oder der direkte Kontakt. Es passiert ja wirklich nicht oft, dass einer unserer Art einen Kampf mit einem Kleriker so ganz unbeschadet überlebt. Entweder er wird gleich geläutert, oder der Prozess verläuft langsamer. Egal auf welche Weise ein Dämon mit einem Kleriker in Kontakt getreten ist, er ‚infiziert‘ sich so oder so, sollte der Kleriker seine Macht benutzt haben. Und wenn das der Fall ist, dann wird derjenige sterben, sollte er nicht behandelt werden. Wie ich es vorhin schon sagte, es ist ein Wunder, dass die beiden überhaupt noch gelebt haben.“ Plötzlich kehrte ein unangenehmes Schweigen in den Raum und mir wurde schlagartig klar, warum. „Er stirbt so oder so?“, wiederholte Baka Hiisi’s Satz noch einmal. Der Dämon nickte und Baka musste schwer schlucken. Sein Gesicht war beinahe kalkweiß geworden und auch die anderen blickten geschockt auf den Boden. „Was ist los? Wusstet ihr das etwa nicht?“ Der Mann schien etwas verwirrt, war es anscheinend eine Sache, die jeder Dämon wissen sollte. „Und… wie kann man feststellen, dass man ‚infiziert‘ wurde?“, fragte Pira etwas bedrückt nach. Konnte es etwa sein, dass ich den Jungs noch mehr Ärger beschert hatte, als ohnehin schon? „Das geht ganz einfach. Dafür bräuchte ich nur eine Blutprobe desjenigen“, meinte er ganz sachlich und balancierte seine Tasse auf der Handfläche. „Wäre es möglich, bei jedem von uns diesen Test durchzuführen?“, fragte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen bittend. „Seid ihr denn auch alle von dem Licht getroffen worden?“, stellte er mit einer gerunzelten Stirn die Gegenfrage, „Ihr scheint mir dafür viel zu vital.“ „Wir sind nicht in Kontakt mit dem Licht geraten… Aber vielleicht auf eine andere Weise.“ „So? Und wie?“, wollte er gebannt wissen, konnte er sich nicht vorstellen, was es sonst gewesen sein konnte. „Zum Beispiel… wenn einem das Hirn fast verbruzelt wird“, meinte Baka etwas angesäuert und starrte vor sich auf den Boden. „Oder wenn man den Kleriker versucht hat zu töten und bevor er ohnmächtig wurde, man von ihm ne Art Stromschlag bekommen hat?“, fügte Pira zähneknirschend hinzu. Jetzt viel es mir wieder ein. Pey, Rel und Pira hatten am Anfang meiner Entführung versucht mich zu töten, hatten es aber nicht geschafft. Ich erinnerte mich noch wage an die komischen Träume die ich gehabt hatte, bevor ich wieder zu mir kam. Oh nein… Heißt das etwa sie wären so oder so gestorben, wenn wir nicht hier her gekommen wären? Was habe ich ihnen nur angetan? Andererseits… warum mache ich mir solche Gedanken um sie? Sie haben mir mein Leben zerstört, sie haben versucht mich zu töten und Rel hat mich sogar getötet. Warum sollte ich jetzt Mitleid mit ihnen haben? Sie behandelten mich zum größten Teil wie ein Stück Dreck und es wäre ihnen doch bestimmt lieber, wenn ich verschwinden würde. Aber Piwi und Pey sind anders als Bana, Baka, Pira und Rel. Sie waren nett zu mir, auch wenn sie mich ein paar Mal bedroht hatten. Piwi war nur böse geworden, als ich bei ihm versucht hatte, Rachel zu kontaktieren. Ich konnte es ihm nicht verübeln, dass er etwas gegen mich hatte, weil ich doch der Grund gewesen bin, dass er seine Wohnung verloren hat. Aber trotz dieser Sachen, war er der einzige, der auf den Weg hierher nett zu mir gewesen war, er hatte mir sogar Geld gegeben, damit ich mir etwas zu Essen kaufen konnte. Sollte ich eher denken, dass ich mit den Jungs Quitt bin? Sie haben mein Leben zerstört und ich ihres? Die Zweifel in meinem Kopf begannen wieder die Oberhand zu gewinnen und ich wirkte immer geknickter. In was für eine Abwärtsspirale waren wir nur geraten? „Dann müsste ich einen Bluttest machen und nachsehen, ob sich dort etwas von der Macht eines Klerikers befindet. Egal wie klein die Menge an Magie ist, sie wird bei dem Test angezeigt. Sollte es wirklich so sein, dass ihr euch infiziert habt, dann wird euch das Gleiche erwarten, wie den Prinzen und eurem Freund. Da ich jedoch eben eure Magie gesehen habe, und sie ziemlich eindeutig und rein schien, glaube ich kaum, dass ihr etwas abbekommen habt. Und wenn doch, dann sollte es jedoch nicht so schmerzhaft sein, wie bei ihnen.“ Die Stimmung um mich herum wurde zunehmend ernster. „Unreine und dann auch noch verseucht. Na ihr seid mir welche“, schnaubte Kisin und stellte seinen Teller auf den Wohnungstisch. „Unreine? Dann seid ihr gar keine vollwertigen Dämonen? Warum ist mir das nicht schon gleich aufgefallen?“, grübelte Hiisi vor sich hin. „Ist das ein Problem?“, hakte Pira nach und spielte nervös mir seinen Fingern. „Ach quatsch. Ihr habt den Prinzen hierher gebracht, also solltet ihr keine Probleme mehr bekommen. Wenn er auch noch bestätigt, dass ihr zu ihm gehört, dann habt ihr denselben Status, wie wir anderen Dämonen auch. Vielleicht sogar noch einen besseren, da ihr im direkten Kontakt mit der Königsfamilie steht“, lächelte der Türkishaarige. Er lief kurz nach oben in sein Behandlungszimmer und kehrte mit ein paar Glasröhrchen, einem Skalpell und einem Stift zurück. Danach verteilte er die Röhrchen an die Jungs und ließ das Skalpell und den Stift herumgehen. Schweigend schnitt sich jeder von ihnen in die Hand oder in den Arm und träufelte etwas von seinem Blut in das Gefäß. Zuletzt schrieben sie noch ihre Namen darauf und gaben es dem Arzt wieder zurück. „Dann setzte ich mich doch gleich mal dran und überprüfe eure Befürchtungen.“ Verdutzt blickten die Jungs ihm hinterher, als er wieder nach oben verschwand. „Ist er immer so nett zu allen?“, wandte sich Bana an den kleinen Dämon. Kisin grinste breit vor sich hin. „Der Meister ist ein sehr netter Dämon. Er hilft wo er nur kann und es ist ihm sogar egal, wer oder was es ist. Selbst den Menschen in den Fabriken hilft er manchmal.“ „Fabriken?“, fragte Piwi nach. Konnte man sich das alles hier etwa so wie in unserer Welt vorstellen? Aber das machte doch gar keinen Sinn. „Ja, die Menschen leben in den Fabriken. Ich finde es wirklich grausam, wie die Leute mit ihnen umgehen, aber da bin ich leider nur einer von wenigen.“ „W-wieso? Was machen sie denn mit… Menschen?“, mischte ich mich nun auch in das Gespräch ein. „Menschenfleisch ist das Hauptlebensmittel in unserer Welt. Was denkst du, was sie mit ihnen machen? Die Gebäude sind riesig! Es gibt verschiedene Bereiche, wo die Menschen leben, bis sie getötet werden. Sie werden gezüchtet, gemästet und zum Schluss geschl-“ „Okay ich denke weitere Details kannst du dir sparen“, unterbrach Piwi den Jungen mit den graublonden Haaren und blickte mich etwas besorgt an. Mein Gesicht war kalkweiß geworden und mir war einfach nur schlecht. Die Menschen hier wurden ja wie Schweine gehalten! Genau wie Itinier es mir an den Kopf geworfen hatte… Aber… Zuchtbetriebe? Allein bei dem Wort wurde mir schon schlecht. Die Menschen hier wurden also nur bis zu einem bestimmten Alter am Leben gehalten, nur um sie dann zu töten und zu Essen für die Dämonen weiter zu verarbeiten? Das war ja krank! „Ich find es einfach nur unfair und daher verweigere ich auch das Menschenfleisch. Es ist nicht immer leicht, aber man kann auch ohne überleben“, erzählte er munter und zeigte auch, wie ernst ihm die Sache war. Nachdem Kisin mit seinen Erzählungen fertig war herrschte wieder Schweigen unter uns. Die Jungs hingen wahrscheinlich alle mit ihren Gedanken bei dem Test und warteten gebannt auf das Ergebnis. Was, wenn sie wirklich infiziert waren? Dann mussten sie alle auch diese Magieoperation durchstehen. Hiisi meinte zwar, dass es nicht so schmerzhaft werden würde, aber das hieß nicht, dass es nicht weh tun würde. Pira hatte die Augen geschlossen und atmete ganz ruhig. War er etwa eingeschlafen? Verübeln konnte ich es ihm nicht. Wann hatte er das letzte Mal in Ruhe geschlafen? Durch den ganzen Stress und das ganze hin und her in der letzten Woche wohl nicht so viel. „Oh verdammt!“, rief der graublondhaarige Junge auf einmal auf. Verschreckt zuckte mein Sitznachbar neben mir zusammen und öffnete seine Augen einen spaltbreit. Kisin war von seinem Platz aufgesprungen und eilte zur Tür. „Ich muss gehen, sonst machen sich meine Eltern noch Gedanken wo ich bin. Ich komme heute Abend wieder, bis dahin sollte der Prinz ausgeruht sein. Verlasst nicht das Haus, sonst könntet ihr von den Wächtern erwischt werden. Sobald der Prinz wieder bei vollen Kräften ist, sollte er so schnell wie möglich in den Palast zurückkehren“, ratterte er seine Worte herunter und verschwand aus der Tür. Verdattert von dem, was der Junge von uns wollte blickten wir ihm nur stumm hinterher. Danach widmete sich jeder wieder seinen Sachen und das Schweigen ging weiter. Pey: Als ich die Augen öffnete bemerkte ich nur ein dämmriges Licht um mich herum. Das letzte Mal, als ich die Augen geöffnet hatte, waren wir doch noch in so einem komischen Raum mit Spiegeln gewesen. Wo war er nur hin? Und auch dieser komische Typ mit den weißen, orangenen und lila Haaren? Er hatte Anna bedroht! Wenn ich ihn das nächste Mal sah, dann würde ich ihm sowas von eine reinschlagen! Was erlaubte er sich auch, sie anzufassen oder sonst was mit ihr zu machen. Anna… Wo war sie nur? Und wo war ich überhaupt? Meine Umgebung kam mir total unbekannt vor. Ich konnte spüren, dass ich auf einem Bett lag, aber meins konnte es nicht sein. Wir waren doch auf dem Weg zu dem Portal gewesen… Waren wir in einem Hotel in der Nähe? Was war nur passiert, als ich nicht bei Bewusstsein war? Ich drehte sacht meinen Kopf zur Seite und blickte an eine blanke, kahle Wand. Mein Blick wanderte herum und ich konnte vor mir in der Ferne eine Tür ausmachen. Wie weit sie von mir weg war, konnte ich nicht sagen. Ich ließ meinen Blick weiter herum wandern und erblickte neben mir noch ein Bett. Als ich weiter hinauf sah, konnte ich eine Person ausmachen, die dort lag. Im Dämmerlicht erkannte ich nur ganz schwach blonde Haare. War das Rel? Aber das konnte er nicht sein, da seine Haare ja weiß geworden waren durch Anna. Die Person neben mir schien sich nicht zu bewegen, anscheinend schlief sie. Neben dem Bett der Person spannte sich ein Vorhang durch den Raum. Er diente wohl als Raumtrenner oder sowas in der Art. Dahinter befand sich eine eingeschaltete Lichtquelle, was das dämmrige Licht auch erklärte. Nur schwach konnte ich eine flüsternde Stimme hören, erkannte aber nicht um wen es sich handeln könnte, geschweige denn was sie sagte. Mein Blick ruhte wieder auf der Person neben mir. Ihr Brustkorb erhob sich und sank sogleich wieder, ganz langsam und sehr ruhig. Würde sich mein Körper nicht wie Blei anfühlen, dann wäre ich aufgestanden und hätte nachgesehen, ob mir die Person vielleicht bekannt vorkam. Ich konnte mich ja noch nicht einmal richtig aufsetzten, sondern versank in meiner Matratze unter der weichen, warmen Decke. Das Kissen war auch recht bequem. Aber was machte ich hier? Und wie war ich her gekommen? Wo waren meine Freunde? Wo war Anna? Lauter Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Neben mir schien sich auf einmal etwas zu bewegen, also richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Person. Sie drehte ihren Kopf in meine Richtung und blickte mich einen Augenblick an. „Bist du das Pey?“, fragte die Person und ich wusste sofort, dass es sich hier um Rel handeln musste. Seine Stimme war total rau und trocken. Wie konnte es sein, dass er wach war? Und zudem auch noch im Stande war, mit mir zu reden? „Ja“, antwortete ich schlicht und erschrak mich beinahe selbst über meine Stimme. Sie war auch total brüchig und rau. Was war mit uns passiert, dass wir jetzt so platt waren? „Wo sind wir?“, fragte Rel und seufzte auf, als er sich etwas bewegte. Er schien Schmerzen zu haben. „Keine Ahnung… Ich kann mich nur noch an nen Spiegelraum und nen komischen Typen erinnern“, erzählte ich, musste aber immer wieder eine kleine Pause machen. Ich schien meine Stimme eine Zeit lang nicht mehr benutzt zu haben, daher klang sie auch so kaputt. „Wie sah er aus?“, wollte der Blondhaarige wissen und schloss die Augen. „Weiße, orangene und lila Haare… Und er hatte ne lange Narbe im Gesicht“, meinte ich, als es mir wieder einfiel. „Dann sind wir durch das Portal“, seufzte der Blondhaarige und atmete erleichtert durch. „Sie haben’s wohl doch geschafft“, lächelte er knapp, dennoch war er sehr erschöpft. Plötzlich hörte ich von der anderen Seite des Vorhangs, wie ein Stuhl weggerückt wurde und Schritte auf uns zuhielten. „Wie ich sehe, sind Sie wach, Majestät. Wie geht es Ihnen?“, erklang die Stimme von einem Mann, der hinter dem Vorhang hervorkam. Er hatte türkise Haare und ich riss geschockt die Augen auf. „Raym?“, fragte Rel mit kraftloser Stimme. „Nein, das kann unmöglich sein“, meinte ich und starrte den Typen weiter an. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, nur seine leuchtenden, türkisen Augen. „Verzeiht, Majestät, aber ich bin nicht Euer Bruder. Mein Name ist Hiisi, ich bin der Medicus in diesem Bezirk.“ Rel begann knapp zu lachen. „Wäre auch zu schön gewesen“, murmelte er. „Mein Körper fühlt sich so kraftlos und schwer an“, beantwortete er die zuvor gestellte Frage. „Das ist nur natürlich nach der OP“, meinte Hiisi beschwichtigend. „Und wie geht es dir?“, wandte er sich an mich. „Mir geht’s genauso“, meinte ich nüchtern. „Es dauert seine Zeit, bis die Wunden im inneren eurer Körper verheilt sind. Ich schätze, bei Ihnen Majestät wird es ein wenig länger dauern.“ Rel schnalzte mit der Zunge. „Bitte… verschon mich mit dem Majestätsscheiß. Ich will damit nichts mehr zu tun haben.“ Der Mann vor uns schien etwas verwirrt. „Sie können doch nicht einfach so Ihren Titel ablegen. Euer Vater ist bestimmt schon besorgt, weil Ihr nicht zurückkamt.“ „Das bezweifel ich. Es sind vielleicht sieben oder acht Jahre. Als ob es ihm da aufgefallen ist, dass wir nicht zurückgekommen sind. Wahrscheinlich hat er uns schon für tot erklärt… wobei es bei Raym ja wirklich der Fall ist.“ Seine Stimme brach zum Ende hin ab und er holte tief Luft. „Entschuldigt… Das wusste ich nicht“, entschuldigte sich der Medicus und verneigte sich kurz. „Wenn Sie nichts dagegen haben, dann würde ich Ihren Anhängern Bescheid geben, dass Sie beide wach sind. Sie machen sich schon große Sorgen.“ Rel nickte, und der Türkishaarige verschwand aus der Tür. „Majestät?“, lachte ich beinahe. „Mach dich nicht über mich lustig“, knurrte Rel knapp. Er konnte einfach noch nicht bedrohlich wirken, dafür war er noch viel zu fertig. Es dauerte einen Moment, dann öffnete sich die Tür abermals und unsere Freunde kamen herein. Anna konnte ich an Piwi’s Seite ausmachen. Sie suchte nach meinem Blick, ich den Ihrigen. Das letzte woran ich mich erinnern konnte war, dass ich gesagt hatte, dass ich sie liebte. Hatte ich das nur geträumt, oder hatte ich das wirklich gesagt? Wenn ich mich richtig erinnerte, dann war ich mir sogar ziemlich sicher, dass ich es gesagt hatte, bevor ich zusammengeklappt war. Die plötzliche Schwäche hatte mich total überrumpelt und ich hatte das Bewusstsein verloren, so musste es jedenfalls gewesen sein. „Was ein Glück, ihr seid endlich wieder wach“, entkam es Bana und er grinste über beide Ohren. Auch Baka und Piwi mussten grinsen, als sie sahen dass es uns allmählich besser ging. „Haben wir viel verpasst?“, wollte ich wissen, bekam aber nur ein Kopfschütteln entgegen. „Seit eurer Bewusstlosigkeit ist eigentlich nichts sonderlich Wichtiges passiert“, antwortete Pira schlicht und blickte etwas emotionslos in Rel’s Richtung. „Gab es Komplikationen?“, hakte Rel nach, hatte er anscheinend ein paar bedenken. „Dank dir nicht“, grinste Baka breit. „Du warst hier unser Freifahrtschein“, lachte nun auch Bana. „Ja, Eure Majestät“, meinte Pira nun etwas ernster und zerknirscht. „Lass das“, grummelte der Blondhaarige und schloss wieder die Augen. „Du bist uns ein paar Antworten schuldig, meinst du nicht auch?“, wollte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen wissen. „In wie fern?“, fragte der Dämon und sah seinem Gegenüber direkt in die Augen, nachdem er sie wieder geöffnet hatte. „Wie erklärst du es, dass wir nicht wussten, was für nen Status du hier hast, oder warum das Buch noch immer in deinem Besitz ist?!“, legte Pira die Karten offen auf den Tisch. Rel knirschte etwas mit den Zähnen. „Ihr ward an meinen Sachen?“ „Nur weil wir nen Anhaltspunkt brauchten. Wie wurden hier ohne irgendwas abgesetzt und mussten zusehen, wie wir zu Recht kamen. Hätten wir Kisin nicht gefunden, wären du und Pey wahrscheinlich verreckt“, schnauzte Pira den Bettlägerigen an. „Sammael hat euch nicht hier her geführt? Was ein Waschlappen…“, seufzte Rel sichtlich und drückte seinen Kopf ins Kissen. „Wer ist Sammael?“, fragte Bana verwirrt. Der Name kam ihm anscheinend sehr fremd vor, genau wie mir. „Weiße Haare mit orangenen und lila Strähnen? Der Typ der euch das Portal geöffnet hat.“ „Aber in deinem Handy stand Itinier… wir sind davon ausgegangen, dass er so heißt?!“ Es herrschte einen kurzen Moment stille, dann hörte man wie Rel zu kichern anfing. „Ihr habt ihn doch hoffentlich nicht so genannt?“, lachte er in sich hinein. „Doch, mehrmals sogar. Er sagte wir sollen ihn nennen, wie wir wollen“, erzählte Piwi ernst. Rel begann erneut zu glucksen. „Zu genial. Warum war ich bloß bewusstlos?!“ „Was ist daran so witzig?“, hakte Bana nach, fühlte er sich anscheinend sehr verarscht. „Nichts, nichts, schon gut. Ich denke, Pira hat Recht. Ich bin euch sehr wahrscheinlich ein paar Antworten schuldig. Aber nicht mehr heute. Wartetet wenigstens ab, bis ich mich alleine aufsetzen kann“, raunte mein Bettnachbar etwas schläfrig und schloss wieder die Augen. Er war wohl noch sehr müde, was ich ihm aber auch nicht verübeln konnte. Pira: Rel schloss die Augen und binnen einer Minute war er eingeschlafen. Mein Gemüt hatte sich nicht wirklich verbessert, wollte ich doch ein paar Antworten haben. Würde er zugeben, dass er uns verraten und wieder hier her zurückkehren wollte? Ich war einfach nur sauer. Warum hatte er unseren Freund gespielt, wenn er doch so schnell wie möglich wieder abhauen wollte? „Kommt, wir lassen die beiden sich ausruhen. Je schneller sie gesund werden, desto eher können wir wieder weg von hier“, meinte ich grimmig und war der erste, der aus dem Zimmer trat und wieder nach unten ins Wohnzimmer ging. Was würde mit uns geschehen, wenn die beiden wieder gesund waren? In unsere letzte Heimatstadt konnten wir schlecht zurück, da die Polizei noch immer nach Anna suchte. Würden wir wieder zurückkehren würden sie uns früher oder später finden, hatten wir ja überall ein paar Spuren hinterlassen. Wir mussten wohl oder übel schon zum weiß-nicht-wie-vielten-Mal ein neues zu Hause suchen. Und dann? Sollten wir einfach so weiterleben wie bisher? Ich spielte, wie schon öfter in den letzten Jahren, mit dem Gedanken, wie es wohl wäre, wenn wir keine Dämonen geworden wären. Wenn wir einfach wieder ganz normale Menschen sein könnten… Mit einem Job, einem zu Hause und vielleicht sogar einer Familie. Rel und Raym hatten uns damals unser ganzes Leben zerstört! Wir hatten nicht einmal eine Chance gehabt, uns von unseren Familien zu verabschieden! Wahrscheinlich hatten Piwi und ich es noch am besten von unseren Freunden getroffen, hatten wir ja das Glück gehabt, dass wir Brüder waren und uns das gleiche Schicksal ereilt hatte. Auch wenn ich noch etwas zerstritten mit dem Rothaarigen war, so konnte ich doch nie wirklich richtig sauer auf ihn sein. Er war meine einzige Familie, die mir geblieben war. Würde ich es mir mit ihm verscherzen, dann hatte ich niemanden mehr. Klar, wir waren alle in den letzten Jahren wie eine Familie zusammengewachsen, aber das war nicht dasselbe. Ich hatte es satt! Satt so zu leben! Warum war uns nicht ein wenig Normalität gegönnt? Rel hat unser Leben kaputt gemacht! Er hat unsere Zukunft komplett auf den Kopf gestellt, hat unsere Träume, Wünsche und Hoffnungen für unser weiteres Leben zerstört! Er wollte uns verraten, wollte uns im Stich lassen und jetzt soll ich einfach so weitermachen wie bisher? Naja, ich sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich muss abwarten, was er zu sagen hat und vor morgen werden wir wahrscheinlich keine Antworten bekommen. Also gut, dann muss ich wohl warten, bis es dem Verräter wieder besser geht… Kapitel 23: Das Treffen der Prinzen und Prinzessinnen ----------------------------------------------------- Das Treffen der Prinzen und Prinzessinnen Rel: Nachdem ich die Augen geschlossen hatte, verlangsamte ich meinen Atem so sehr, dass die anderen Anwesenden wohl dachten, ich sei eingeschlafen. Nachdem ich Pira’s Worte und die sich entfernenden Schritte vernommen hatte, machte ich langsam wieder die Augen auf und starrte die dunkle Decke über mir an. Da war ich dem Tod noch nicht einmal ein paar Stunden zuvor von der Schippe gesprungen und schon ging das ganze Theater, was ich eigentlich vermeiden wollte, los. Die Jungs erwarteten Antworten von mir, aber was sollte ich ihnen sagen? Dass ich das Buch nur behalten hatte, damit ich ein letztes Mal in den Palast gehen konnte, um meinem Vater deutlich zu machen, dass ich den ganzen Scheiß nicht mehr mitmachen wollte? Sie hätten mir so oder so nicht geglaubt. Ja, am Anfang wollte ich so schnell wie möglich zurück nach Hause, aber ohne Raym hatte ich einfach keinen Sinn mehr gesehen. Ich hasste meine Geschwister, besonders den Ältesten von uns. Ich musste einfach unter meine Vergangenheit einen Schlussstrich ziehen und das ging nur mit diesem beschissenen Buch! Ich wollte so wenige Insignien wie möglich in den falschen Händen wissen und dafür mussten sie dahin zurück, wo sie hergekommen waren. Das Buch würde in der Menschenwelt nur noch mehr Unheil anrichten, als es ohnehin schon getan hatte. Ich wusste, was ich den Jungs angetan hatte, aber bereuen tat ich es trotzdem nicht. Seit Raym’s Tod waren sie die einzigen Personen, die ich wirklich als eine Familie betrachten konnte. Ich durfte nicht zulassen, dass sie an dieser Stelle zerbrach. Würden sie mir die Wahrheit abkaufen, dass ich wirklich in keinen schlechten Absichten das Buch mitgenommen hatte? So oder so konnte ich jetzt im Moment nichts machen als Abwarten, bis meine inneren Wunden verheilt waren. Die Schmerzen schienen immer mehr nachzulassen und ich konnte förmlich spüren, wie sich mein Körper von selbst heilte. Noch ein paar Stunden und ich konnte aufstehen. Aber wie lange sollte ich wohl warten, bis ich meinem Vater und meinen Geschwistern einen Besuch abstatten konnte? Ich musste definitiv meine Kräfte sammeln, konnte ich mir nicht ausmalen was zu Hause momentan abging. Für meine Freunde war es zu gefährlich im Palast, sie musste hier bleiben, ob es ihnen passte oder nicht. Wenn ich sie mitnehmen würde, dann würden sie in den ganzen Mist der dort ablief mit hineingezogen werden und dass konnte ich nicht zulassen! Meine Geschwister würden sie höchstwahrscheinlich sofort töten. „Schläfst du?“, rissen mich plötzlich Pey’s Worte aus den Gedanken. „Nein“, gab ich als Antwort zurück und drehte meinen Kopf in seine Richtung. „Warum hast du das Buch damals nicht vernichtet?“, frage er gerade heraus. Ich schluckte. „Hatte ich nicht gesagt, dass ich das erst kläre, wenn’s mir besser geht?“ „Bis dahin könntest du dir irgendeine Ausrede einfallen lassen. Jetzt scheint mir der richtige Zeitpunkt“, drängte er weiter. „Ich bin zu fertig, um was zu erklären. Außerdem wirst du es mir eh nicht glauben“, meinte ich schlicht und starrte wieder die Decke an. „Wenn du es mir nicht sagst, kann ich dir nicht sagen, ob ich es glaube oder nicht“, versuchte er mich weiter zu überreden, mit der Sprache rauszurücken. „Ich will aber jetzt nicht darüber reden, Basta!“ „Und warum nicht?“ „Verdammt nochmal Pey! Raff doch einfach dass ich jetzt nicht darüber reden will!“, blaffte ich ihn an, so gut es eben ging. Er schwieg einen Moment, dann seufzte er und drehte sich ächzend auf die Seite. „Bleib doch normal liegen, wenn’s noch nicht geht.“ „Halt die Klappe“, zeterte er und zog sich die Decke ein Stückchen höher. „Man ey, bist du jetzt ernsthaft beleidigt?“, fragte ich augenverdrehend und blies die angestaute Luft aus. „Tze“, machte er nur und wusste ganz genau, was er damit bei mir bewirkte. Ich wurde zunehmend angepisster und starrte wütend die Zimmerdecke an. „Ich hab halt meine Gründe, aber ich bin kein Verräter!“, zischte ich zwischen den Zähnen hindurch. „Aha“, kam lediglich als Antwort. Meine Kiefermuskeln spannten sich immer weiter an und ich knirschte nun wütend mit den Zähnen. Die aufkommende Stille machte mich langsam wahnsinnig. Er wusste, dass mir dieses beleidigte Getue extrem gegen den Strich ging und er machte es trotzdem. Wenn er glaubte, dass ich ihm jetzt alles erklärte, dann hatte er sich gewaltig geschnitten. Ich würde mich doch nicht von so einem kindischen Getue kleinkriegen lassen. Pey: Meine Lippen zierte ein leicht triumphierendes Lächeln. Rel platzte wahrscheinlich schon innerlich vor Wut. Mit der Zeit hatte ich festgestellt, dass er es hasste, wenn sich jemand beleidigt stellte. In dieser Hinsicht war er einfach viel zu leicht zu provozieren und das nutzte ich jetzt auch gekonnt aus. Mich interessierte es sehr, was er zu sagen hatte und wenn er schon die Kraft hatte, mich anzublaffen, dann konnte er mir doch auch erzählen was Sache war. Waren wir nicht sehr gute Freunde und wusste er nicht, dass ich ihm nicht gleich den Schädel eintreten würde, egal was es war? Klar, ich war stinksauer gewesen, als er Anna diese grausamen Sachen angetan hatte, aber so richtig böse war ich ihm nicht mehr. Wäre ich wirklich so nachtragend gewesen, dann hätte ich mir keine Sorgen um ihn gemacht und hätte ihn wahrscheinlich in seinem Loch verrotten lassen. Auch wenn er immer so gesehen werden wollte, war er doch keine schlechte Person. Eigentlich war er sogar sehr fürsorglich, wenn es um uns ging und er hatte uns sehr oft aus der Misere geholfen. Na gut, vielleicht verspürte er ja noch etwas Reue dafür, dass er damals unser Leben zerstört hatte, aber das war Schnee von gestern. Klar, ich vermisste meine Schwester und meine Mutter schon ab und an, aber ich konnte mich schon fast nicht mehr an sie erinnern. Wir hatten viel zu viel in den letzten Jahren erlebt, dass uns unser altes Leben wie eine graue, verschwommene Vergangenheit aus einem anderen Leben vorkam. So ganz war das ja auch nicht falsch, denn nach unserem Tod und der sogenannten Auferstehung, hatte ein neues Leben für uns begonnen. Hinter mir konnte ich das Schnauben des Blondhaarigen vernehmen und ich lachte mir heimlich ins Fäustchen. Gleich war es soweit und er würde vor angestauter Wut platzen. Gleich war es soweit… Nur noch ein paar Sekunden und dann… „Meine Fresse!“, fing er auf einmal an. Ich spitzte schnell die Ohren. Was jetzt wohl kam? „Ich hab keinen Bock mehr auf dieses behinderte, kindische Getue! Na gut. Du willst wissen, warum ich es nicht zerstört habe? Ganz einfach: Ich brauche es, damit ich nie wieder hier her zurück muss, ganz einfach!“ Langsam drehte ich mich zu ihm um. „Wie meinst du das?“, hakte ich nach. „Wenn ich das Buch zu Hause abgebe, habe ich meine Pflicht erfüllt. Außerdem wird das der letzte Gang dort hin sein da ich-“ Er stockte plötzlich und ich drehte mich nun gänzlich mit einem fragenden Gesicht zu ihm um. „Ich will mit dem ganzen hier abschließen, da meine Familie in eine andere Welt gehört…“, nuschelte er eher in sich hinein. Plötzlich musste ich etwas lauter anfangen zu lachen. Hatte ich mich gerade verhört, oder hatte er gerade gesagt, dass er uns als Familie betrachtete?! „Ist es dir etwa peinlich, dass du zugibst, dass du uns ja eigentlich doch magst?“ Er grummelte ein leises Ja und zog sich die Decke über den Kopf. Wer benahm sich denn jetzt bitte kindisch?! Er oder ich? „Ich weiß nicht, wo dein Problem liegt. Wir sind eine Familie, aber deswegen musst du doch nicht dein früheres Leben wegwerfen“, bedachte ich, verstand ich einfach nicht, dass es wirklich nur so eine dämliche Sache war. So etwas sollte ihm doch nicht peinlich sein! Hätte er früher seine Klappe aufgemacht, dann wären wir wahrscheinlich schon früher hier her gekommen und hätten Rel auf seinen letzten Trip hier her begleitet, wenn er es damals genauso wie jetzt durchziehen wollte. Wenn die anderen das hören würden, dann würden sie wahrscheinlich vor Lachen auf dem Boden liegen. Natürlich hätten wir es damals nicht ganz verstanden, da wir nicht wussten, wo er überhaupt her kam, aber jetzt war es einfach nur urkomisch. Er kam nie und nimmer als eine Art Familienmensch rüber und nun? Leicht erstaunte es mich schon, aber es machte mich auch verdammt glücklich. Jetzt konnte er erst Recht nicht mehr behaupten, dass ihm solche Sachen egal waren. Ja, wir waren eine Familie und das würden wir auch bleiben, egal was kommen würde. Rel: Die Decke über den Kopf gezogen wartete ich einen Moment, bis sich mein Bettnachbar wieder eingekriegt hatte. „Beruhigt?“, fragte ich nach und erntete ein zufriedenes Aufseufzen. „Und das soll jetzt was heißen?“, wollte ich wissen und schlug die Decke zurück. „Das ich deine Einstellung toll finde“, grinste der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen. Bei diesem Anblick schüttelte ich nur belustigt den Kopf und drehte mich auf die Seite, um ihn besser sehen zu können. Meine Schmerzen wurden von Minute zu Minute immer weniger und ich fühlte mich immer fitter. Bald war es soweit und ich hatte bestimmt genügend Kraft getankt um aufbrechen zu können. Pey hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig durch die Nase ein und aus. Er schien einzuschlafen, also sprach ich ihn nicht mehr an, sondern hing meinen eigenen Gedanken hinterher. Nach einer Weile schloss auch ich die Augen und begann langsam weg zu dämmern. Vor meinem geistigen Auge spielten sich Szenen aus der Vergangenheit ab. Damals als Raym den Jungs zum ersten Mal Menschenfleisch zum Essen gegeben hatte und sie sich fast davon übergeben hatten. Es war einfach eine herrliche Erinnerung, weil wir uns so über sie schlapp lachen mussten. Dann war da noch diese ulkige Szene, als Pira zum ersten Mal ein Mädchen verführen wollte und sich eine schallende Backpfeife eingefangen hatte. Sie hatten alle so viel gelernt… Ich war wirklich stolz auf sie, da sie sich nicht so blöd angestellt hatten und ziemlich schnell begriffen, was Sache war. Ich wollte noch mehr mit ihnen erleben und das würden wir auch, nachdem ich mit meiner leiblichen Familie abgeschlossen hatte. Ja, meine Familie: Diese Ansammlung von Verrückten und Soziopathen. Wahrscheinlich hatten sie schon Wind von Raym’s Tod bekommen und Ersatz besorgt. Für Vater war das ja kein großes Problem, hatte er doch so viele Kinder. Es gab immer nur zehn Kinder, die er anerkannte, aber auch nur wenn sie für ihn von Nutzen waren. Würde einer von uns Zehn sterben, dann konnte er einfach eines seiner anderen Kinder in unseren Stand erheben. So war es schon seit Jahren und ich war mir durchaus bewusst, dass ich nichts weiter als ein temporäres Objekt war, das seinem Vater Macht gab. Ja, Macht. Darum drehte sich alles in unserer Welt. Alle 100 Jahre mussten wir zehn ein Ritual abhalten und unserem Vater etwas von unserer Energie abgeben und dadurch wurde er immer stärker und stärker. Vater hatte aber auch schon bald sein Limit erreicht, wie mir bei meinen Überlegungen deutlich bewusst wurde. Auch wenn es nicht überall bekannt war, aber wir konnten durchaus an Altersschwäche sterben. Ein Dämon war in der Hinsicht nicht komplett unsterblich, da wir auch nur eine begrenzte Anzahl an Zeit hatten, genauso wie die Menschen. Während diese nur vielleicht 100 oder 120 Jahre alt werden konnten, lag unser Limit bei 4000 bis 5000 Jahren. Sobald man 4000 Jahre alt war sollte man sich einen Thronfolger suchen und das war das Problem bei uns. Wir waren definitiv zu viele! Unser Vater hatte die Aufgabe aus uns zehn einen würdigen Nachfolger auszuwählen, doch er tat sich anscheinend sichtlich schwer damit. Meiner Meinung nach sollte einfach der Älteste von uns diesen dummen Platz einnehmen, aber da hatte ich die Rechnung ohne meine Geschwister gemacht, denn sie waren alle auf den Platz geil. Bis vor ein paar Jahren hatte ich mich an diesem Wettkampf noch aktiv beteiligt und um die Gunst meines Vaters geworben, doch seit ich in der Menschenwelt gewesen war, hatte sich das verändert. Es gab so viel mehr zu erleben, als Tag ein, Tag aus hinter diesen riesigen Steinwänden zu verbringen und zu warten dass die Zeit verging. Als sich die Tür mit einen Knarzen öffnete schreckte ich kaum merklich aus einem traumlosen Schlaf aus. Meine Augen zu Schlitzen verengt blickte ich in Richtung des Störenfrieds der mich aus meinem erholsamen Schlaf gerissen hatte. Durch den geöffneten Durchgang schlüpfte gerade ein kleiner Junge herein und stellte ein Tablett auf einer Art Servierwagen ab, dann blieb er stehen und blickte zu mir. „Was gibt’s da so blöd zu glotzen?“, grummelte ich den kleinen an, der erschrocken einen Satz auf die Seite machte. „I-Ihr seid wach, Majestät?“ Ich begann hörbar mit den Zähnen zu knirschen. „Sprich mich nicht mit diesem Titel an!“ „Lass den kleinen doch in Frieden, Rel“, murmelte Pey neben mir und zog sich seine Decke über den Kopf. Ich verdrehte nur die Augen und begann mich im Bett aufzusetzen. „Was hast du da und wer bist du überhaupt?“, wollte ich wissen und das Kind mit den graublonden Haaren wirkte etwas nervös. „Mein Name ist Kisin“, stellte er sich vor und nahm das Tablett wieder in die Hand, nur um sogleich auf mich zu zukommen und das Tablett zu überreichen. Darauf standen zwei Teller mit Fleisch drauf. Bei dem Anblick meldete sich auch sofort mein Magen, begriff ich erst jetzt wie lange ich schon nichts mehr gegessen haben musste. „Eine Kleinigkeit zu Essen vom Meister“, fügte der Junge in den zerrupften Klamotten hinzu. Er musterte mich einen Augenblick, verneigte sich dann jedoch und verschwand wieder aus dem Raum. „Komischer Kauz“, murmelte ich und machte mich dann gleich über das Essen her. Da es ja zwei Teller waren, musste der andere mit ziemlicher Sicherheit für Pey sein, doch dieser schien noch nicht einmal ansatzweise Anstalten zu machen, nach etwas zu Essen zu fragen. Er schlief einfach seelenruhig weiter. Anna: Kisin kam beinahe die Treppe herunter gestolpert, als zu laufen. Der Junge war vielleicht seit einer Stunde wieder hier aufgetaucht und half dem Arzt bei allen möglichen Sachen. Hatte er denn nichts anderes zu tun, als sich in der Gegend herumzutreiben oder beim Medicus zu helfen? Keine Schule oder dergleichen? Gab es sowas hier überhaupt? Seit der Kleine wieder hier war herrschte reges Treiben. Nachdem wir alle wieder ins Wohnzimmer zurückgekehrt waren hatte es nicht lange gedauert und die ersten waren eingeschlafen. Es war nicht wirklich bequem gewesen, da wir ja nur die Sofas als Sitzmöglichkeit hatten, doch irgendwie hatte es geklappt. Pira, Piwi und ich hatten uns wieder auf unsere vorherigen Plätze gesetzt, Bana und Baka auf die Ihrigen. Piwi war der erste gewesen, der eingenickt war. Er war irgendwann auf der Schulter seines Bruders eingenickt und schlief einfach weiter. Bana und Baka waren irgendwann auch einfach eingeschlafen und Pira hatte seinen Kopf gegen den von Piwi gelehnt. Als ich das Bild so vor meinen Augen hatte, wie die Jungs alle mit entspannten und friedlichen Gesichtern vor sich hin dösten konnte ich nicht anders, als zufrieden zu Lächeln. Danach hatte es auch nicht lange gedauert, bis ich mich auf meinem Platz etwas eingerollt hatte und ebenfalls einschlief. Wie lange wir so in unseren Positionen verharrt blieben wusste ich nicht ganz, doch als auf einmal die Tür aufgerissen wurde und der kleine Wirbelwind von Kisin hereingeweht kam, waren wir alle wieder hellwach. Ich hatte mich in einer sehr komischen Position befunden, hatte ich mich anscheinend irgendwie ausgestreckt und meine Beine auf den Schößen von meinen Sitznachbarn positioniert. Der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen, der bis dato noch ganz schlaftrunken gewesen war, hatte von der ganzen Sache nichts mitbekommen, hatte ich meine Beine doch schnell wieder zu mir gezogen damit es aussah, als hätte ich die ganze Zeit so eingeknäult gelegen. Der Junge mit den graublonden Haar war komischerweise total gut gelaunt und begann von Anfang an uns von seinen Träumen zu erzählen, hatte er zu Hause ja nur geschlafen und war dann sofort wieder zu uns zurück gekommen. Dass es seinen Eltern anscheinend total egal war, wo sich ihr Sohn herumtrieb ließ mich schon ein wenig darüber grübeln. Wie konnte einem sein Kind so egal sein, dass es ein und aus gehen konnte wie es wollte?! War das Familienbewusstsein hier doch etwas ganz anderes, als ich es aus meiner Welt kannte? Kisin, der nun endlich zu uns gestoßen war sah uns mit gemischten Gefühlen an. „Der Prinz ist wieder wach“, verkündete er und verschwand in der Küche, um Hiisi Bescheid zu geben. Ich lenkte meinen Blick möglichst unaufmerksam zu Pira, der eine ernste Miene aufgesetzt hatte. Heute Morgen war er noch so wütend und bissig gewesen und jetzt wirkte er eher nachdenklich. Hatte er sich seine Art und Weise wie er mit Rel gesprochen hatte nochmal durch den Kopf gehen lassen? Die Jungs um mich herum schienen etwas Ähnliches zu denken, denn Bana räusperte sich leicht, bevor er anfing zu sprechen. „Wollen wir hoch gehen?“, fragte er daher nach. „Wir warten noch ein bisschen“, antwortete Piwi’s Bruder schlicht. Der Rothaarige neben ihm fuhr sich mit seiner Hand durchs Gesicht. War er etwa noch immer müde? Hiisi, der schon seit einer Weile in der Küche geschuftet hatte kam nun wieder mit etwas zu Essen zurück. Ich hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen, da wir uns ja regelrecht von vorne bis hinten von ihm bedienen ließen. Andererseits war mir auch sehr langweilig, da wir seit unserer Ankunft noch nicht wirklich was gemacht hatten. Wir waren einen Moment oben bei Rel und Pey gewesen und sonst saßen wir die komplette Zeit im Wohnzimmer und schlugen die Zeit tot. Okay, ein wenig hatten wir die Zeit auch überbrückt, weil wir mal ein wenig geschlafen hatten, aber das wars auch schon. Was konnte ich schon großartiges hier tun? Ich war doch bestimmt zu nichts Nützlich. Die Jungs machten sich über das Essen her, als wäre es schon wieder Jahre her gewesen, dass sie das letzte Mahl zu sich genommen hatten und ich bekam wieder eine Schüssel Quark mit Müsli. Der kleine Junge kehrte nun auch zu uns zurück, ließ sich jedoch auf dem Boden nieder und starrte vor sich auf den Boden. „So still? Eben konntest du doch kaum Luft holen, weil du so viel quasseln musstest“, lachte der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen auf. Kisin reagierte nicht wirklich auf die Stichelei, sondern fummelte an einem Loch seiner Hose herum. Er schien ganz in seiner eigenen Welt gefangen zu sein. „Was ist mit ihm los?“, fragte ich den Arzt, nachdem sich dieser wieder zu uns begeben hatte. Der Türkisäugige zuckte jedoch nur die Schultern, wusste er auch nicht was plötzlich los war. „In der Gegend laufen seit ein paar Stunden Wächter herum. Ich glaube, sie haben die Fährte des Prinzen aufgenommen und suchen ihn“, platze es plötzlich aus dem Jungen heraus. Unsere Augen weiteten sich ungläubig. Warum hatte er das nicht schon früher gesagt? „Kisin! Wieso sagst du das erst jetzt?“, wollte der Blauhaarige mit den türkisen Strähnen wissen, genauso wie wir anderen auch. „Weil… weil ich es vergessen hatte“, murmelte er entschuldigend. „Sowas vergisst man doch nicht?!“, fuhr der Arzt ihn an und eilte nach oben. Was wollte er denn dort?“ Rel: Nachdem ich aufgegessen hatte blickte ich zu meinem Bettnachbarn hinüber, der noch immer zu schlummern schien. Ich musste wohl oder übel ein bisschen nachhelfen, er hatte bestimmt auch schon seit einer Weile nichts mehr gegessen. Hinter mir griff ich nach meinem Kopfkissen und warf es dem Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen ins Gesicht. Er grummelte nur, machte daraufhin jedoch die Augen auf. „Was?“, murrte er und blickte mich verständnislos an. „Essen!“, befahl ich ihm und hielt mit einer Hand das Tablett zu ihm. Mir schien es wirklich wieder besser zu gehen und das stimmte mich wirklich fröhlich. Die letzten Tage, wahrscheinlich war schon über eine Woche vergangen, ging es mir so beschissen, also war es ja auch verständlich, wenn ich mich über meine Genesung freute. Diese freute währte jedoch nicht lange, denn erneut wurde die Tür aufgemacht und jemand kam herein. Aufgerissen traf es wohl eher und die Person stürmte auch eher zu uns herein, was mich ein wenig verunsicherte. Was war denn passiert? „Eure Majestät, die Krähen sind in der Gegend und suchen nach Ihnen. Sie müssen ihre Energie unterdrücken, sonst stehen sie gleich vor der Tür.“ Meine Augen weiteten sich ein Stück. Ich hatte gar nicht bedacht, dass mich die Wächter suchen würden, sollten sie mich in dieser Welt wieder lokalisiert haben. Klar war ja, dass meine Kraft auf ein Minimum gesenkt war, als wir hier ankamen und je besser es mir ging, desto stärker wurde sie wieder. Sofort konzentrierte ich mich und versuchte nur noch einen Teil meiner dämonischen Energie flackern zu lassen. Andererseits dachte ich mir auch, dass es gar nicht so schlecht war, dass sie nach mir suchten. Ich war fit genug um mich bei meiner Familie blicken zu lassen und mich meinem Vater gegenüber zu stellen. Sollten sie mich doch finden! „Hast du eigentlich etwas zum Anziehen hier?“, wollte ich so leicht nebenbei wissen. Der Mann vor mir schien jedoch etwas verwirrt, hatte er eher damit gerechnet, dass ich wie aus dem Häuschen war oder ähnliches. „Ich könnte Euch etwas von meinen Sachen geben“, meinte er noch immer verwirrt und kratzte sich nun nachdenklich am Kopf. Dankend nickte ich ihm zu. „Das wäre sehr zuvorkommend.“ „Willst du dich nicht noch etwas ausruhen?“, wollte Pey wissen, nachdem der Arzt den Raum verließ, hatte er mein Vorhaben anscheinend durchschaut. „Mir geht’s bestens. Wenn ich es jetzt mache, dann können wir schneller wieder nach Hause zurückkehren.“ Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen neben mir lachte leicht verbittert. „Was für ein zu Hause? Wir können uns doch gerade wieder eins suchen“, meinte er und mir viel auf einen Schlag wieder alles ein. Pey hatte Recht, unser zu Hause hatten wir verloren, mal wieder. „Und was war mit der Erklärung den anderen gegenüber, die du ihnen noch schuldest?“ Ich zuckte die Schultern, schlug die Decke bei Seite und schwang meine Beine auf den Boden. Ich trug lediglich meine Jeans, wie mir soeben bewusst wurde. Die Decke hatte so schön warm gehalten und jetzt traf mich die Kälte wie ein Blitz. Mit den Augen auf den Boden gerichtet stemmte ich mich von der Matratze empor und schwankte leicht hin und her. Wann hatte ich denn das letzte Mal aufrecht gestanden?! „Sachte! Übertreib’s nicht gleich, Mann!“, fuhr mich mein Bettnachbar sofort an, welcher sich erschrocken aufgerichtet hatte, bereit mich aufzufangen, sollte ich hinfallen, doch soweit ließ ich es nicht kommen. Einen Moment später hatte die Welt aufgehört sich vor meinem inneren Auge zu drehen und ich stand schon viel sicherer. Hiisi, welcher einen Stapel Klamotten in der Hand hielt, schnappte erschrocken nach Luft, als er sah dass ich mich bereits wieder bewegen konnte. „Majestät! Schonen Sie sich!“ Ich tat seine Bedenken mit einer Handbewegung ab. „Mir geht’s super. Ich brauche nur ein paar frische Klamotten und eine Dusche“, teilte ich ihm mit und trat auf ihn zu. „Bei allem Respekt, aber Sie sollten sich noch mindestens zwei Tage im Bett auskurieren! Das was ihrem Körper angetan wurde, benötigt seine Zeit um zu verheilen. Es ist noch viel zu früh um herumzulaufen. Was habt Ihr überhaupt vor?“ „Ich muss meinem Vater und meinen Geschwistern einen kurzen Besuch abstatten“, erklärte ich und durchwühlte den Stapel Klamotten in seinen Händen. Hauptsächlich waren diese Schwarz oder in dunklen Tönen. Die Leinenhosen hingegen waren alle sehr hell, doch so richtig entsprach keine meinem Geschmack. Hatte er nichts Moderneres? „Etwas schlichtes ist immer gut“, warf Pey ein und setzte sich nun etwas bequemer im Bett hin. „Wo ist eigentlich mein Rucksack?“, wollte ich sofort wissen. „Ich werde ihn holen“, stellte sich der Blauhaarige mit den türkisen Strähnen zur Verfügung, um als Diener zu agieren. Ich setzte mich indes wieder auf das Bett und stützte meinen Kopf mit meinen Händen. „Willst du dich dann wirklich einfach auf den Weg machen?“ „Ich werde sie zu mir locken und dann bringen sie mich in den Palast. Wenn ich da fertig bin, dann komme ich wieder und wir können zurück und noch ein letztes Mal von vorne anfangen“, meinte ich sehr zuversichtlich. Der Junge neben mir schüttelte nur mit einem betrübten Lächeln den Kopf. „Denkst du wirklich, dass das alles so leichtfertig ablaufen wird? Denkst du nicht eher, dass sich Komplikationen ergeben werden? Ich will mitkommen!“, forderte er. „Spinnst du jetzt total? Sieh dich doch mal an! Du bist ein Wrack und solltest dich besser ausruhen. Bis ich wieder da bin, solltest du auch fit sein und dann können wir direkt wieder weg.“ Hiisi kam wieder in den Raum getreten und hielt mir den Rucksack entgegen. „Majestät, ich-“ „Hör endlich mit dem Majestätsgelaber auf, bitte!“, fuhr ich ihn an, versuchte mich jedoch unter Kontrolle zu halten. „Mein Name ist Rel. R-E-L!“ „Na schön. Rel, ich halte es noch immer für eine gedankenlose, nein eher für eine BESCHEUERTE Idee, dass du jetzt einfach in den Palast zurückspazieren willst!“, entgegnete der Türkisäugige etwas angesäuert, da ich mich als sein Patient weiterhin der Bettruhe wiedersetzten wollte. „Wo ist das Bad?“, überging ich jedoch einfach seine Aussage und schulterte den Rucksack und griff mir ein schwarzes Hemd und eine helle Leinenhose aus dem Stapel. „Gleich nebenan“, murrte er, hatte er endlich eingesehen, dass Diskussionen mit mir keinen Sinn hatten. Ich machte mich auch sogleich auf den Weg und verschwand unter der Dusche. Diese würde bestimmt Wunder wirken und ich würde mich wie Neugeborgen fühlen. So eine herrliche, warme Dusche war einfach das Beste nach einer Krankheitsphase. Man wusch sich einfach den Dreck ab und danach ging es einem besser. Pey: Nachdem der Blondhaarige uns einfach so stehen, beziehungsweise sitzen, gelassen hatte senkte der Medicus betrübt den Kopf. Er hatte sich einfach nicht durchsetzten können. „Machen Sie sich keinen Kopf. Wenn Rel sich was in den Kopf gesetzt hat, dann kann man ihn nicht mehr davon abhalten“, versuchte ich ihn etwas zu beschwichtigen, doch dieser schüttelte einfach nur den Kopf. „Es ist doch wahrlich bekloppt, dass er sich in dem Zustand vor seinem Vater präsentieren will. Wenn er das wirklich durchzieht, dann seht ihr ihn heute zum letzten Mal“, verkündete er und verließ den Raum. Seine Worte ließen mich nachdenklich werden. Rel durfte nicht alleine gehen, aber wen sollte er mitnehmen? Er hatte Recht mit dem, was er gesagt hatte: Ich war ein Wrack! Mir wurde schon schummrig nur weil ich hier aufrecht saß. Auf Pira’s Hilfe konnte ich wahrscheinlich auch nicht bauen, da dieser momentan nicht so gut auf den Blondhaarigen zu sprechen war. Piwi würde ebenfalls nicht mitgehen, war er der Jüngste und vielleicht auch der Ängstlichste von uns. Bana war nicht dumm, man konnte sich auf ihn verlassen aber er und Baka waren ein Zweiergespann und zu dritt würden sie zu viel Aufmerksamkeit erwecken. Außerdem konnte ich mir nicht ausmalen, was bei Rel abging, da war es dann kontraproduktiv wenn es sich als Gefahr für alle drei entpuppte und der Blondhaarige die beiden beschützen wollte. War er alleine vielleicht doch besser dran, weil er dann nur auf sich achten musste? Aber dann konnte ihm doch auch keiner helfen, sollte es brenzlig werden. Das ganze Hin und Her bereitete mir allmählich Kopfschmerzen und ich wusste einfach nicht, was wir machen sollten. Was ich machen sollte… So würde er mich ja nicht mitnehmen. Gab es hier sowas wie ein Handynetzt? Dann hätten wir auch so in Verbindung bleiben können. Eine Methode die mich etwas beruhigen würde… Nun war ich alleine und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich war satt und müde war ich auch nicht mehr, aber ich konnte ja schlecht zu den anderen runter gehen. Meine Beine würden mich vielleicht einen Meter weit tragen aber weiter auch nicht. Ich hielt mich an Hiisi’s Bettruhe, war es einfach sinnvoll sich erst auszuruhen nachdem man so etwas hinter sich hatte. Langsam wurde mir langweilig, da mir beim besten Willen einfach nichts einfallen wollte, wie wir Rel unterstützen konnten. Auch wenn ich ihn angebettelt hätte, nicht zu gehen, würde es nichts bringen. Rel war ein Sturkopf, durch und durch! Mit den Händen trommelte ich leicht auf meinem leeren Teller, welche in meinem Schoß ruhte, herum und ich blies frustriert die Luft aus. Ich wollte mit, aber ich konnte einfach nicht. Zaghaft wurde die Tür geöffnet und Anna spähte vorsichtig herein. „Anna“, hauchte ich beinahe, doch ein breites Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit. Es war ja beinahe so, als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Hey“, hauchte sie mit einem Lächeln zurück und betrat den Raum. Verwirrt darüber, dass das Bett neben mir frei war, blicke sie einen Moment darauf. „Wo ist Rel?“, fragte sie dann, als sie endlich an meinem Bett ankam und sich zu mir setzte. „Duschen“, antwortete ich lediglich und blickte wieder auf den Teller vor mir. Wie sollte ich das Gespräch anfangen, wollte ich doch wissen was sie zu meinem Geständnis in dem Spiegelraum zu sagen hatte. „Wie ähm… geht’s dir?“, wollte sie wissen und begann damit unser Gespräch. „Gut, schätze ich“, entgegnete ich mit einem knappen Lächeln. „Ich-ich weiß nicht ob das alles passiert ist… Aber habe ich ähm… nun ja… komisches Zeug von mir gegeben auf dem Weg hier her?“, begann ich das Gespräch in die gewünschte Richtung zu lenken. „Wie meinst du das?“, fragte sie verwirrt, wusste anscheinend nicht, was ich von ihr wollte. „Ich kann mich noch an so nen komischen Raum erinnern… aber ich bin mir nicht sicher ob ich das alles nur geträumt hatte…“, fuhr ich fort. Ihre Miene, in der zuvor noch ein warmes Lächeln geruht hatte, wich nun ein etwas erschrockener und dann peinlich berührter Gesichtsausdruck. „Meinst du etwa den Spiegelraum?“ Ich nickte daraufhin nur. „An was… kannst du dich denn erinnern?“, wollte sie wissen. Um ihre Nasenspitze schlich sich ein verdächtig, roter Schimmer. Also hatte ich es doch gesagt! „Ich bin so ziemlich ausgerastet, weil der komische Kautz die angefasst hat“, erzählte ich, „und dass ich ähm… dass ich… Haha, man ist das schwer. Ich hatte bisher noch nie Probleme sowas auszusprechen.“ Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. Verdammt nochmal! Ich war ein 21-jähriger Kerl und schaffte es nicht einem Mädchen zu sagen was ich für sie empfand?! Wie erbärmlich war das denn?!! „Wenn du meinst… dass du kurz bevor du umgekippt bist gesagt hast… dass du mich liebst dann ja, das hast du.“ Ich blickte sie erstaunt an. Was war denn mit ihr passiert, dass so direkt geworden war? Noch vor gut zwei Wochen oder so, als ich sie kennengelernt hatte, war sie noch ein verdammt schüchternes Mädchen gewesen. Okay, dass wir in dem Club so offenherzig miteinander geflirtet hatten und dass wir schon gleich beim ersten Aufeinandertreffen im Bett gelandet waren schob ich auf den Alkohol. Außerdem hatte ich an dem Abend nur das Essen im Kopf gehabt, da war mir ihre eigentliche Art gar nicht aufgefallen, doch am nächsten Tag, da hatte ich es bemerkt. Wir hatten ihr so grausame Dinge angetan und jetzt? Ich hatte mich in sie verliebt, aber wie war das Möglich gewesen? Sie war bis zu dem Zeitpunkt an dem ich Rel’s Befehl verweigert hatte mein oder eher unser Opfergewesen und jetzt zählte sie beinahe schon zu einem festen Bestandteil unserer Gruppe? Schon komisch, was die Zeit mit sich brachte. Anna hatte ihren Blick auf den Teller auf meinem Schoß gesenkt, hatte ich ja so lange Geschwiegen. „Und… was hältst du davon?“, wollte ich dann plötzlich von ihr wissen. Das war ja auch eigentlich der Grund gewesen, warum ich das Gespräch in diese Richtung gelenkt hatte. Sie sah zu mir auf und blickte mir mit ihren wunderschönen, grünen Augen in die Meinigen. „Ich denke, das sollte auf der Hand liegen“, meinte sie mit einem knappen Lächeln und blickte schüchtern zur Seite. In meinem Kopf ratterte es einen Moment, bis ich verstand. Fast automatisch fuhr meine Hand zu ihrer Wange und drehte ihr Gesicht zu meinem. Mit einer leichten Geste zog ich sie zu mir heran, beugte mich ihr aber auch ein Stück entgegen. Ihre rechte Hand erhob sich und legte sich an meine Wange, mit der anderen stützte sie sich seitlich von mir ab. Als sich unsere Lippen trafen war es so, als hätten wir uns vor Jahren das letzte Mal geküsst. Ihre waren so weich und sanft und ich genoss es richtig diese zu liebkosen. Mit der Zunge fuhr ich sacht über ihre Unterlippe und entlockte ihr einen kleines, wohliges Aufseufzen. Doch bevor wir unser Tun weiter vertiefen konnten hörten wir ein Räuspern aus Richtung Tür. „Ich will euch ja ungern stören, aber könnt ihr das auf später verlegen?“, fragte Rel in seiner gewohnten Tonlage und kam herein. Um seine Schultern trug er ein Handtuch, welches die Tropfen seiner nassen Haare auffing. Er selbst trug sonst nur die Hose, welche Hiisi ihm gegeben hatte, welche er mit seinem Gürtel festgeschnallt hatte. Er tapste barfuß zu dem Bett, auf welches er sich niederließ und seine Haare abtrocknete. „Wenigstens so lange, bis ich weg bin“, fügte er noch hinten dran und ließ sich nicht in seinem Tun beirren. „Du willst wirklich gehen?“, fragte ich, hatte ich gehofft er würde seine Meinung nochmals ändern. Von seitens des Blondhaarigen erntete ich jedoch nur ein knappes Nicken und er zog sich ein Paar Socken an, welches er ebenfalls von dem Arzt erhalten hatte. „Solltest du dich nicht ausruhen?“, fragte Anna nun wieder mit zaghafter Stimme. Rel gegenüber hatte sie wohl doch wieder etwas Angst bekommen, da er sie im Wahn ja mehr als einmal angegriffen hatte. Er sah sie mit einem emotionslosen Blick an, aus dem man einfach nicht schließen konnte, was er gerade dachte. „Sei einfach leise“, fuhr er sie an und strubbelte erneut durch seine Haare. Danach zog er sich das Hemd an und knöpfte es schnell zu. „Rel, jetzt warte doch. Hiisi meinte eben, wenn du jetzt gehst, wird es das letzte Mal sein, dass wir dich sehen. Was lässt dich so zuversichtlich sein, unbeschadet von dort wieder zurück zu kommen?“ Anna, welche ja zwischen uns saß verstand nicht so Recht, was los war und wo der adlige Dämon hin wollte. „Meine Fresse, lasst mich doch einfach machen. Ich werde unbeschadet wieder kommen, verlass dich drauf. Ich geb dir mein Ehrenwort!“ Er blickte mir ernst entgegen und ich konnte nicht anders, als ihm zu glauben. Nachdem er fertig mit zuknöpfen war zog er seine Schuhe an, welche vor dem Bett gestanden hatten und schulterte seinen Rucksack, welcher neben der Tür stand. „Aber-“, begann ich und er drehte sich zu mir um. „Genießt doch einfach die Zeit in der ich weg bin, okay? Anna kann dir bestimmt dabei helfen, deine Langeweile zu vertreiben“, zwinkerte er uns zu und ließ und verdattert an Ort und Stelle sitzen. Rel: Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte atmete ich einmal tief durch, schloss die Augen und ließ meiner Energie wieder freien Lauf. Als ich die Treppe herunter spaziert kam, standen die Jungs sofort erschrocken auf, hatten sie wahrscheinlich eher mit Anna als mit mir gerechnet. „Wo willst du hin?“, fragte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen sofort. Ich konnte die Feindseligkeit, welche in seiner Stimme mitschwang deutlich heraushören. „Ich werde meinem Vater einen Besuch abstatten und dann wieder kommen.“ „Ja klar! Du verpisst dich doch jetzt einfach und wir werden nie wieder was von dir sehen, geschweige denn hören!“, meinte er wütend und ballte die Fäuste. „Jetzt halt mal den Ball flach! Ich werde wiederkommen und alles erklären, aber zuerst muss ich das hier wieder an seinen rechtmäßigen Ort bringen!“ Dabei hob ich das schwarze Buch in die Höhe. Die Blicke der Jungs versteinerten sich augenblicklich. „Bis später“, verabschiedete ich mich und spazierte zur Tür hinaus. Draußen wehte ein milder Wind und ich blickte in den Himmel empor. Der silberne Mond war aufgegangen, was mir signalisierte, dass es Nacht war. Schnell entfernte ich mich von dem Gebäude, in dem ich ein paar Tage gehaust hatte und machte mich in Richtung Dorfausgang. Die Krähen würden mich schon schnell genug finden, also musste ich nicht so weit gehen. Ich wollte sie möglichst weit von dem Haus weglocken, sollten sie ja nicht gleich wissen, wo sich meine Freunde befanden. Sicherlich hatten sie sich gewundert, wie diese Ruinen bewohnbar sein konnten. Was die Jungs und Anna nicht wissen konnten war, dass alle Häuser mit einer Art zauber bedeckt waren, sollte es wirklich mal passieren, dass ungebetene Gäste durch ein Portal spazierten. Dass so ein ungebetener Gast es jedoch tatsächlich hierher geschafft und keine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, zeigte doch sehr gut, wie sicher es hier war. Die Krähen hatten meine Freunde nicht entdeckt, daher mussten sie sie nicht als Gefahr oder dergleichen eingestuft haben. Kurz vor dem Dorfschild hörte ich ein flattern hinter mir. Sie waren da und sie hatten mich entdeckt. „Majestät“, ertönt die Stimme eines Wächters und ich drehte mich schelmisch Grinsend um. „Ja?“, fragte ich sorglos und blickte ich entgegen. „Wir haben gar nicht mitbekommen, dass Sie zurückgekehrt sind. Wie kann das sein?“, fragte ein anderer. „Tzja, ihr müsst ja nicht alles wissen. Bringt mich zurück zum Palast“, befahl ich und sie verneigten sich vor mir. Kurz darauf öffnete eine der Krähen ein Portal, durch welches wir hindurch gehen konnten. Das war wirklich der kürzeste Weg von allen gewesen. Wir kamen direkt in der Vorhalle vom Thronsaal heraus und ich ging festen Schrittes auf die große Flügeltür zu. Vor ihr standen neue Wächter, welche mir sofort die Tür öffneten, als ich in ihr Blickfeld trat. Mit einem leisen Knarzen schwangen die steinernen Tore auf und gaben mit den Blick auf den riesigen Saal frei. In weiter Ferne stand der riesige Thron, auf welchem mein Vater bereits saß. An seinen Seiten reihten sich unsere Stühle, fünf auf jeder Seite. Auch diese waren schon reichlich besetzt, wenn auch vereinzelt ein Platz fehlte. Hinter den Stühlen standen weitere Krähen, welche jedoch nicht als Wächter agierten, sondern eher als persönliche Diener. Mit großen Schritten näherte ich mich den Anwesenden, bis ich vor meinem Vater stand. Er sah mich stumm an und ich kniete vor ihm nieder. „Na wenn das mal nicht das schwarze Schaf ist“, witzelte einer meiner Brüder neben meinem Vater. Jaromier… dieser Bastard! Kapitel 24: Rayms Tod --------------------- Rayms Tod Rel: Mein Blick war noch immer gen Boden gerichtet, da ich auf eine Reaktion meines Vaters wartete. Bevor Jaromier jedoch noch ein weiteres Mal das Wort ergreifen konnte, ertönte die Stimme Luzifer’s. „Churel, wo ist dein Bruder?“, fragte er mit ernster Stimme. Um mich herum konnte ich das Getuschel meiner Geschwister wahrnehmen. Auf der rechten Seite meines Vaters war der Platz des ersten Prinzen: Jaromier. Er hatte lässig seine Beine übereinander geschlagen und blickte mir mit einem abschätzigen, sowie abfälligen Blick aus seinen magentafarbenen Augen mit goldenen Ringen um die Pupillen, entgegen. Seine langen, weißblonden Dreadlocks hoben sich sehr von seinem dunklen, kakaofarbenen Teint ab und bildeten einen starken Kontrast zu seinem restlichen Aussehen. Meist war er in schwarz gekleidet, genauso wie am heutigen Tag, nur dass sich vereinzelt ein paar silberne Ornamente über sein Hemd zogen. Neben ihm war der Platz der ersten Prinzessin: Flaga. Ihre langen, silberblauen Haare fielen wie ein Meer aus Seide von ihren Schultern herab und schmiegten sich an ihr wohlgeformtes Gesicht, welches fast dem einer Porzellanpuppe glich. Wegen ihrer hellen Haut sah sie sehr zerbrechlich aus und ihr Tattoo auf der dem rechten Handrücke stach in seinem Schwarz so hervor, als ob es gar nicht dorthin gehören würde. Auch wenn sie durch ihren blassen Teint so krank und zerbrechlich wirkte, wusste ich doch ganz genau dass dies nur Schein war. Sie war stark, sehr stark sogar, aber nur wenn ihr älterer Zwilling, Indra, bei ihr war. Ihre in verschiedenen Blautönen verlaufenen Augen mit den silbernen Ringen waren kalt auf mich gerichtet. Dieser herablassende Blick war mir sehr zu wieder, aber das war immer so… An ihrer Seite gesellte sich die zweite Prinzessin: Kaia. Auch sie war eine meiner älteren Geschwister, doch sie blickte mich aus ihren großen, roten Augen mit weißen Einspielungen eher desinteressiert an. Ihr war es egal das ich hier war, ihr war alles egal was passierte. Wenn es nach ihr ging, dann würde das Rotlöckchen den ganzen Tag schlafen. So richtig auf hochtouren war sie das letzte Mal gewesen, als es einen kleinen Bürgeraufstand gegeben hatte. Sie war, genau wie meine anderen Geschwister, eine kaltblütige Mörderin, doch diese Seite lebte sie nur aus, wenn es sich ihrer Meinung nach auch wirklich lohnte. Anschließend an ihren Platz wäre mein Platz gewesen: der fünfte Prinz namens Churel. Eigentlich ein Sadist sondergleichen, der sich gerne an dem Leid der anderen ergötzte und nun? Ich war durch die letzten acht Jahre weich geworden, besonders in den letzten zwei Wochen. Knapp dem Tod entgangen fand ich mich doch wirklich hier in dem Palast wieder, in den ich eigentlich nie wieder zurückkehren wollte, aber ich hatte mich dazu entschieden bei meinen Freunden zu bleiben und das bedurfte nun einmal ein paar Opfer. Ich war ja wirklich sehr gespannt, ob ich mit dem gewünschten Ergebnis von dannen ziehen konnte. Das Schlusslicht zur Rechten meines Vaters bildete der Platz der dritten Prinzessin: Lamia. Ihr Platz war nicht besetzt, aber das war nicht sonderlich schlimm. Ihr zuckerwattefarbenes Haar würde ihr wie sonst auch in kurzen Fransen vom Kopf abstehen, hatte sie sich doch in ihrem letzten Wutanfall die Haare abgeschnitten. Davor hatte sie lange, weiche Locken gehabt, die ihren weichen Blick aus lilanen Augen mit weißen Ringen um die Iriden unterstrich. Ihre Tattoos, welche sich über ihre Wangenknochen schlängelten, wirkten keinesfalls abstoßend, sie passten einfach perfekt ins Bild, genauso wie das Tattoo auf ihrer Stirn, welches ein Auge darstellte. Sie besaß die Gabe des Sehens, man konnte also keine Geheimnisse vor ihr haben. Auch wenn sie eigentlich ein nettes Mädchen war, war sie sich dem Konkurrenzkampf unter uns Geschwistern durchaus bewusst und wollte sich dem Willen Jaromiers nicht beugen. Dazu war sie viel zu stolz. Viel lieber wollte sie selbst Herrscherin über die Hölle werden, doch ob sie wirklich dazu bestimmt war, würde sich im Laufe der Zeit noch zeigen. Zu der Linken meines Vaters war der Platz des zweiten Prinzen: Indra, Flaga’s älterer Zwillingsbruder. Er war ebenfalls nicht da, was mich jedoch etwas verwirrte. Indra war eigentlich immer anwesend und fehlte nur, wenn er eine Aufgabe unseres Vaters aufgetragen bekommen hatte. Er glich von seinem Aussehen Flaga aufs Genauste. Die einzigen, feinen Unterschiede die es gab waren, dass er seine Haare kurzgeschnitten hatte und diese meistens gestylt waren. Außerdem befand sich das gleiche Tattoo, welches seine Zwillingsschwester hatte, auf seinem linken Handrücken. Sie glichen fast schon Ying und Yang und nur zusammen konnten sie ihre Macht entfalten. Dadurch, dass er und Flaga Zwillinge waren, wurde ihre Macht bei der Geburt auf zwei Körper geteilt. Ich erklärte mir ihr Aussehen immer dadurch, dass sie schwächlich wirken sollten, aber zusammen unschlagbar waren. Vielleicht hatten sie zusammen sogar eine Chance gegen den Ältesten von uns, aber es konnte keine zwei Teufel geben, die die Hölle regieren konnten. Entweder einer verzichtete oder einer starb. Würde der Fall eintreten, dass einer der Zwillinge starb, so würde der andere die ganze Macht abbekommen. Bestanden hier vielleicht sogar Bedenken, dass Flaga ihren Bruder umbringen wollte, nur damit sie eine Chance gegen Jaromier hatte und selbst Herrscherin werden konnte? Anschließend an seinen Platz hätte eigentlich der dritte Prinz, Devas, sitzen müssen, doch auch dieser war nicht anwesend. Mit seinem noch dunkleren Teint als Jaromier und seinen weißen Haaren, welche auf der rechten Seite zu einem Sidecut geschoren wurden, wirkte er oft sehr bedrohlich und wütend, doch der äußere Schein trügte. Zwar unterstrichen seine neongrünen Augen und sein, im Gegensatz zu uns anderen, helles Tattoo, welches sich über seine linke Gesichtshälfte zog, sein düsteres Auftreten um ein Vielfaches, doch dem war wirklich nicht so. Devas war eher sogar etwas zurückhalten und schüchtern, hielt sich aus den Diskussionen seinen Geschwister lieber heraus, doch da er eine besonders ausgeprägte Beobachtungsgabe besaß, war er ein wichtiges Werkzeug für unseren Vater. Devas war ein 1A Spion und arbeitete als Oberhaupt der Krähen. Er war der direkte Untergebene unseres Vaters und leitete alle organisatorischen Sachen, welche den Bereich Beobachtung und Spionage abdeckten. Das war auch der Grund, warum er kein richtiges Anrecht auf den Thron besaß. Entweder er wollte Herrscher über die Unterwelt werden, oder das Oberhaupt der Krähen bleiben. Diese Entscheidung war ihm freigestellt. Auch der Platz des vierten Prinzen war nicht besetzt, da Raym dort eigentlich Platz genommen hätte. Da er mir gegenüber saß, konnten wir immer viel Blickkontakt haben und auch sonst war er einer der eher sanfteren Sorte, auch wenn man das nur selten glaubte. Raym war von Anfang an nett zu allen gewesen, das war wahrscheinlich eine Eigenschaft an ihm gewesen, die unserem Vater sehr missfallen war. Ein Prinz hatte nicht nett zu anderen zu sein. Er sollte selbstverliebt und egoistisch sein, nur an seine eigen Vorteile denkend. Doch der Türkishaarige mit den goldenen Strähnen war keiner dieser Sorte gewesen. Er war stark, war ein sehr guter Krieger und das stand wirklich im krassen Gegensatz zu seiner eigentlichen Art. Es war fast so, als hätte sich jedes Mal in seinem Inneren ein Schalter umgelegt. Der Vorletzte auf dieser Seite war der sechste Prinz: Nergal. Mit seiner flammenähnlichen Frisur, welche aus einem schwarzen Haaransatz und rot, orange, gelb verlaufenden Farben in den Spitzen dargestellt wurde, machte er sich oft zum Obermacker. Der Gelbäugige mit einem kleinen Rotverlauf zur Pupille hin und einem äußeren goldenen Ring in den Iriden meinte immer einen auf cool zu machen und machte jeden Scheiß mit. Von der Art her war er wirklich für alles zu haben und wurde oft für verschiedene Dinge ausgenutzt, doch ihm viel dies meistens nie auf. Er war sich immer sicher, dass er der beliebteste Prinz von uns allen war und auch Vaters Liebling, doch dank seiner Naivität verstand er die eigentlichen Beweggründe der Älteren nicht so ganz. Jaromier zum Beispiel hatte schon mehrfach versucht den Jüngeren um die Ecke zu bringen, doch Raym hatte ihn immer beschützt. Jetzt musste er wohl oder übel selbst auf sich aufpassen. Nergal war immer auf mich eifersüchtig gewesen, da Raym die meiste Zeit mit mir verbrachte. Seine Streiche mir gegenüber würden traurigerweise nun auch nachlassen. Das Schlusslicht auf dieser Seite bildete die vierte Prinzessin: Ariel. Unser kleines Nesthäkchen glich der Disneyerzählung von Arielle der kleinen Meerjungfrau wirklich aufs Haar. Das kleine Mädchen hatte schönes, wallendes, langes, rotes Haar und hatte eine außerordentlich schöne Stimme. Schon oft hatte die Blauäugige auf Festen in unserem Palast gesungen und die anwesenden Adligen eingelullt. Ihre wunderschöne Stimme war jedoch ihre stärkste Waffe. Das kleine Mädchen mit den fast bodenlangen, roten Haaren und der bezaubernden Stimme wirkte wie eine Sirene auf die Anwesenden und konnte ihnen eine friedliche und sorglose Umgebung schaffen, nur um sie dann klammheimlich abzustechen oder ihnen das Genick zu brechen. Ja, ich kannte meine Halbgeschwister sehr gut. Jeder von ihnen hatte seine dunkle Seite, mache lebten diese jedoch mehr aus als die anderen. Unserem Vater gefiel das sogar sehr. Je gefährlicher wir waren, desto lieber hatte er uns. Deshalb war Jaromier Vaters Liebling. Er war nicht nur der Älteste, sondern auch der Gefährlichste von uns. Man durfte ihm kein Stück über den Weg trauen. Dass Jaromier so abweisend zu mir war lag daran, dass er seine Geschwister grundsätzlich nicht leiden konnte. Er wollte der nachfolgende Teufel werden und da waren wir, seine restlichen Geschwister, im Weg. Jeder von uns hatte ein Anrecht auf den Thron und das passte ihm überhaupt nicht. „Raym ist tot, Vater“, verkündigte ich trocken und hielt das schwarze Buch in seine Richtung. „Unseren letzten Auftrag haben wir jedoch erfüllt!“ Mit einer Handbewegung ließ er seinen Diener zu mir treten, welcher mir das Zauberbuch abnahm. „Warum hat das dann so lange gedauert? Ihr habt genauste Informationen erhalten, wo es sich befindet und die anderen Reliquien habt ihr auch zeitnah wieder in die Hölle zurück gebracht. Für diesen weiteren Auftrag hättet ihr nicht länger als zwei Monate oder sogar noch weniger benötigen dürfen. Erkläre deine Verspätung!“ Ich blickte starrte vor mich auf den Boden. War es ihm denn wirklich so egal, dass Raym tot war? Zähneknirschend richtete ich nun den Blick auf meinen Vater und funkelte ihn verbissen an. „Zu dem Zeitpunkt als wir ankamen, war es bereits nicht mehr da. Eine Gruppe Kinder hatte es durch einen dummen Zufall bekommen und wir mussten zuerst ihr Vertrauen gewinnen um es zu bekommen“, begann ich meine Erzählung. Von meiner Linken aus konnte ich Gekicher wahrnehmen. „Ihr musstet deren Vertrauen gewinnen? Wie ward ihr denn drauf?“, lachte meine ältere Schwester Flaga gehässig. Wie ich die Älteren hasste! Wäre Indra, ihr Zwillingsbruder, anwesend gewesen, dann hätte sie sich wahrscheinlich etwas zurück gehalten. Er war einer der wenigen, der mit Raym und mir klar kam. Zwar war er nicht so der Typ Bruder wie Raym, aber auch nicht so gehässig wie Jaromier oder die anderen. „Ja, mussten wir!“, beharrte ich. „Warum habt ihr sie nicht einfach getötet?“, hakte mein Vater nach. Für ihn wäre die Jungs nur Kollateralschäden gewesen, also warum erst ihr Vertrauen gewinnen, wenn man sie auch gleich töten konnte? „Sie hatten das Buch versteckt und hätte ich mich nicht in die Rolle des Klassenkameraden begeben, hätten wir das Buch wahrscheinlich nie gefunden“, fuhr ich fort. Ich wusste ganz genau, dass es den anderen egal war, so herzlos wie sie waren, wären sie die ganze Sache anders angegangen. Mord, Erpressung, irgendwas in der Art wäre es höchstwahrscheinlich gewesen. Ein weiteres Gekicher drang an meine Ohren und ich wendete kurz meinen Blick zu meiner jüngsten Schwester Ariel, welche mit ihren Füßen hin und her pendelte und ihrer Puppe die Haare kämmte. Sie wirkte wieder so süß und lieb wie eh und je. Wenn das mal nicht die Scheinheiligkeit in Person war. „Auch wenn ihr auf diese komische Art und Weise euren Auftrag ausgeführt habt, kann ich mir nicht erklären, warum es so lange gedauert hat. Zudem kann ich mir nicht vorstellen, dass Raym durch die Hand dieser Kinder gestorben ist. Was war also der richtige Grund, warum es so lange gedauert hat?“ Langsam erhob ich mich und schloss die Augen. Mit dem rechten Zeige- und Mittelfinger berührte ich meine Stirn und sprach den Zauberspruch aus, der es den Anwesenden erlaubte, meine Erinnerungen sehen zu können. „Lorem aperire tibi!“ ~Rückblende~ „Was war das?“, fragte ich erschrocken und horchte auf. Es hatte schon bereits angefangen morgendlich zu dämmern, hatten Raym und ich uns mit unserer kleinen Zwischenmahlzeit reichlich Zeit gelassen. Auf den Sofas begann sich langsam was zu räkeln und einer der Jungen streckte seine Arme. Vor lauter Verwunderung dass er sich überhaupt noch bewegen konnte, ließ ich von dem Arm ab, welchen ich noch in der Hand hielt. Mein Gesicht war noch total blutverschmiert, aber ich machte mir nichts daraus wie ich rumlief. Der Türkishaarige mit den goldenen Strähnen neben mir wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und folgte meinen Bewegungen. Das konnte doch unmöglich sein, dass der Kerl noch lebte. Ich hatte ihnen doch allen das Genick gebrochen, also wie konnte das bitteschön sein? Der Rothaarige, welchem ich zuerst das Genick gebrochen hatte rieb sich verwirrt den Nacken und blickte sich um. Es dauerte einen Moment, bis er seine Umgebung realisierte und auch seine toten Freunde, welche um ihn herumlagen. Sein Blick riss sich entgeistert von den Leichnamen ab und blickte uns entgegen. Zur Salzsäule erstarrt lieferte er sich mit mir ein Blickduell, bis ich schnell auf ihn zukam und ihm durchdringend in die Augen sah. Der kleine Junge bewegte sich immer noch nicht, war einfach nur leichenblass im Gesicht und ließ alles mit sich machen. Er wirkte leblos, fast wie eine Puppe, aber er war am Leben. Das konnte ich sehr deutlich an seinem Puls fühlen. Nach und nach begannen auch die anderen Jungs wieder aufzuwachen und Entsetzen machte sich in meinen Augen breit. „Oh nein… Das.. Das kann unmöglich sein… Was-was verdammt nochmal habt ihr getan??“, schrie ich zuletzt und ließ von dem kleinen Rothaarigen ab, nur um dann auch die anderen zu begutachten. „Was passiert hier? Hast du sie nicht getötet?“, wollte mein Bruder wissen und kam nun auch auf die Jungs zu, nur um sie genauer beobachten zu können. Sie sahen uns verwirrt, entgeistert und ängstlich zugleich an. Keiner sagte ein Wort, warteten sie sehr wahrscheinlich auf unsere weiteren Reaktionen. „Guck dir ihre Augen an, das kann unmöglich sein. Sie sind doch Menschen“, meinte Raym und packe den Kopf des Braunhaarigen, welcher in seiner Nähe stand. „Menschen?“, ertönte auf einmal die raue, röchelnde Stimme von dem Schwarzhaarigen, von welchem ich das Buch hatte. „Habt ihr eines der Rituale ausgeführt?“, fragte mein Bruder monoton und ging weiter durch die Reihe, um jeden zu untersuchen. „D-das Ritual der D-Dunkelheit“, antwortete der Braunhaarige. Justin, wenn ich mich genau erinnerte. Mir klappte förmlich die Kinnlade herunter. Diese kleinen Pisser hatten dieses schwere Ritual ausgeführt, das Ungelernte unmöglich bewältigen konnten und hatten tatsächlich Erfolg gehabt? Wahrscheinlich hatten sie noch nicht einmal eine Ahnung gehabt, was sie da eigentlich taten. „Heißt das, dass sie jetzt genauso sind wie wir?“, wandte ich mich an meinen Bruder, nachdem ich meine Fassung wiedergefunden hatte. Die Jungs saßen nun, immer noch total neben der Spur, auf den Sofas und starrten vor sich auf den Boden. „Sie sind Unreine, aber ja, sie sind in gewissermaßen genauso wie wir… Ich weiß nur nicht, was wir nun mit ihnen machen sollen. Sie können nur durch die Hand eines Klerikers sterben, also werden wir wohl oder übel auf sie aufpassen müssen… Immerhin sind wir zum Teil an ihrem jetzigen Schicksal selbst schuld.“ „Willst du mich verarschen? Wir können diese Grünschnäbel doch nicht mit zurück nehmen. Vater wird ausrasten!“ Raym überlegte einen Moment. „Dann wird uns nichts anderes übrig bleiben, als hier zu bleiben und sie in ihrer jetzigen Lage zu unterrichten. Es wird eine Gefahr für unsere Spezies sein, wenn die Kleriker herausfinden, dass wir als Menschen getarnt auf der Erde wieder herum wandeln. Sollten sie herausfinden, dass wir es geschafft haben unsere Gestalt zu ändern, dann ist das ein weitaus größeres Problem, als uns jetzt um diese Kiddies hier zu kümmern.“ „Ich bin doch keine Nanny!“, heulte ich beinahe herum und raufte mir die Haare. Das konnte doch einfach nicht wahr sein… ~Rückblende~ Mein Vater unterbrach die Stille, welche für einen kurzen Augenblick aufgekommen war. So eine Gedankenübertragung dauerte nicht lange, vielleicht waren ungefähren ein bis zwei Minuten verstrichen. „Also habt ihr diese Kinder am Leben gelassen?“, fragte er mit herrischer Stimme. „Ja, Vater“, bestätigte ich ihn. „Und wo sind sie nun?“, wollte er wissen. „Das tut doch jetzt nichts zu Sache“, versuchte ich seine Frage abzuwehren. „Sie sind hier“, ertönte Lamia‘s Stimme aus dem Hintergrund. Sie kam hinter mir durch die Pforten spaziert und setzte sich auf ihren Stuhl. Verbissen starrte ich auf den Boden. Ich hätte wissen müssen, dass es herauskommen würde, wenn das Mädchen mit den zuckerwattefarbenen Haaren anwesend war. Nun hatte ich mir doch wirklich selbst ins Knie geschossen. Aber weil die Jungs auch bei Rayms Tod dabei gewesen waren, musste ich ja wohl oder übel von ihnen und den Umständen wie und warum sie Dämonen geworden waren erzählen. „Und wo genau sind sie?“, wollte er wissen und wandte sich zuerst an mich. „Das ist doch egal“, versuchte ich es erneut, doch er wandte seinen Blick sofort zu meiner Schwester. „Sie sind in-“ „Es reicht! Vater, die Jungs können dir egal sein! Es sind meine Untergebenen, also gehen sie dich nichts an!“, schnitt ich ihr das Wort am. „Oho. Du traust dich ja was. Unseren Vater anzuschnauzen, schämen solltest du dich“, meinte der Mann mit den weißblonden Dreadlocks vor mir. „Ach, halts Maul Jaromier“, zischte ich ihn an. Nun platze mir doch wirklich der Kragen. „Schluss jetzt!“, herrschte unser Vater uns an und wandte erneut seinen Blick zu dem Mädchen mit dem Augentattoo auf der Stirn. „Sprich mein Kind, wo sind diese Kinder?“ Lamia’s Tattoo auf der Stirn begann zu leuchten, so wie es immer geschah, wenn sie ihre Magie des Sehens einsetzte. Die weißen Ringe in ihren lilanen Augen begannen ebenfalls zu glühen und wie in Trance begann sie zu sprechen: „Sie befinden sich in einem Vorbezirk der Hauptstadt. In Regno tenebrarum. Ich sehe einen Medikus mit türkisem Haar und diese Jungen aus Churel‘s Erinnerungen. Sie sind jedoch keine Kinder mehr, sondern erwachsen. Unter ihnen befindet sich ein Mädchen, aber ich weiß nicht zu welcher Spezies sie gehört. Irgendein komischer Schleier umgibt sie, fast wie ein Zauber. Ich schätze sie ist höchstwahrscheinlich ein…“ Oh nein, wenn Vater erfährt dass Anna ein Mensch ist, wird er sie sofort töten lassen. Da die Jungs ebenfalls Unreine sind, bin ich mir nicht sicher, was er mit ihnen machen wird. Es war eine dumme, sehr, sehr dumme Idee hier her zu kommen, ohne meine Kräfte vollständig wieder hergestellt zu haben. Hätte ich meine komplette Kraft zurück, dann hätte ich die anderen Erinnerungen versiegeln können und ihnen nur das gezeigt, was mit Rayms Tod zusammenhing. „…ein Mensch!“ Ich biss die Zähne fest zusammen. Das war eine Katastrophe… Was hatte ich nur angerichtet?! „Ein Mensch?! Sowas wie ein Notproviant?“, wollte Ariel wissen, welche von ihrer Puppe aufgesehen hatte und mich mit ihren großen, blauen Augen fragend musterte. „Ja, genau“, redete ich mich schnell heraus. „Du hast einen Menschen aus der Menschenwelt mitgebracht? Willst du dich mit diesem Häppchen etwa bei uns wieder einschleimen, nachdem du so lange weg warst?“, hakte Flaga nach, die ihre Beine überkreuzt hatte, genau wie ihre Arme. Ihr vorwurfsvoller Blick traf mich wie ein Blitz. Luzifer ließ einen ernsten Blick über seine Kinder schweifen und richtete ihn dann schlussendlich wieder auf mich. „Was hat es mit dem Menschen auf sich?“ „Sie ist nichts Besonderes“, wehrte ich mit einer Handbewegung ab. „Churel, seitdem du hier bist benimmst du dich eigenartig. Die richtigen Hintergründe für den Tod deines Bruders hast du noch immer nicht genannt. So führe deine Erzählung weiter fort“, befahl der Oberteufel mir und ich schloss resigniert die Augen. Ich musste mich darauf konzentrieren, dass ich ihnen nur den Ausschnitt von Raym’s Tod zeigte. Weder was davor, noch was danach kam! Zuerst führte ich meine Finger so wie zuvor an meine Stirn und sprach die Worte: ‚Lorem aperire tibi‘ und die Erinnerung fingen wieder an wie ein Film abzulaufen. ~Rückblende~ Fünf Jahre war es jetzt schon her, dass wir die Jungs verwandelt hatten und sie hatten sich allmählich an ihren neuen Alltag gewöhnt. Anfangs war es noch sehr schwer gewesen, sie davon zu überzeugen dass sie nun Menschen töten mussten um zu überleben, doch mit der Zeit hatte sie es begriffen und sich in das Leben als Dämon integriert. Da sie ja eher dazu gezwungen worden waren ein neues Leben zu beginnen, hatten sie sich dazu entschlossen ihre Namen zu ändern und so wurde aus Damien Pey, aus Samuel Piwichen, aus Devin Curupira, aus Luka Bana und aus Justin Baka. Die Namen hatten sie im Internet gefunden, nachdem sie tagelang nach neuen Namen für sich gesucht hatten. Es war schwer gewesen ihnen klar zu machen, dass sie alle ihre persönlichen Besitztümer in der Halle lassen mussten, doch nach einigen Überredungskünsten hatten sie es eingesehen. Am Anfang hatten sie uns noch misstraut, doch nach gut drei Tagen hatten sie sich endlich dazu entschieden uns in die weite Welt zu folgen. Es war wirklich kurz vor knapp gewesen, denn an dem Tag an dem wir Aufbrechen wollten kam ein Streifenwagen vorbei und fand Greg’s Leichnam. Wir waren von Stadt zu Stadt gezogen, da die Austicker der Jungs immer einige Blutbäder hinterlassen hatten, doch mittlerweile waren sie viel ruhiger und vor allem kontrollierter. Sie hatten gelernt wie sie sich ihre Beute klarmachten und wie sie unter den Menschen nicht auffielen. Wir blieben nie länger als eine Woche an einem festen Ort, weil die Gefahr bestand Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, doch in dieser Stadt war es anders. Wir wussten wie schwer es für die Jungs war, ständig umherzureisen, nie einen festen Ort zu haben an dem man zurückkehren konnte, also hatten wir uns dazu entschieden, das Leben mit einem festen Wohnsitz auszuprobieren. Für uns kam es nicht in Frage, eine Wohnung oder Ähnliches zu kaufen, da wir erstens nicht das nötige Geld oder irgendwelche Papiere besaßen. Wir beschlossen uns dazu in einer alten, stillgelegenen Fabrik zu hausen welche knappe zehn Kilometer von der Stadt in einer kleinen Waldgegen stand. Früher wurden hier verschiedene Metalle geschmolzen, denn in manchen Bereichen konnte man noch die alten, kaputten Schmelzöfen sehen. Es hätte alles so schön werden können, wäre da nicht dieser eine Tag gewesen, an dem wir uns mal wieder gestritten hatten. Es war kurz vor Abenddämmerung, als ein leises Wimmern an mein Ohr drang. Resigniert massierte ich mir den Nasenrücken und drehte mich leise fluchend zu der Störquelle herum. „Meine Fresse Piwi, jetzt hör endlich auf so rumzuheulen!“, fuhr ich ihn zornig an. Seit gut einer Woche war der Kleinste aus unserer Gruppe wieder nur am rumflennen, weil er seine Eltern vermisste. Klar, zu dem Zeitpunkt seines Todes war er gerade einmal Zwölf gewesen, doch jetzt war er verdammt nochmal 17 Jahre alt, warum heulte er dann noch immer so rum? „Lass ihn in Ruhe“, muffelte Pira, welche neben seinem Bruder auf der Matratze lag und ihn versuchte zu trösten. „So ne beschissene, kleine Heulsuse“, konterte ich und zog mir meine Decke ein Stück weiter über den Kopf. Bei diesem Geschniefe und Gewimmere konnte man ja unmöglich in Ruhe schlafen! „Halt die Klappe, Rel“, seufze mein Bruder neben mir und ließ seine Hand auf meinen Hinterkopf klatschen. „Lass den Scheiß!“, fuhr ich ihn an und schlug seine Hand weg. „Meine Fresse, könnt ihr nicht alle mal die Schnauze halten? Es gibt hier Leute die Schlafen wollen!“, schnauzte uns Pey aus seiner Ecke an und warf ein Stückchen von der abgebrochenen Mauer in unsere Richtung. „Au! Verdammte scheiße was soll der Mist?“, wetterte auf einmal Baka los und warf das Stückchen Stein, oder was es auch immer war, in die Richtung zurück, aus der es geflogen kam. Es dauerte nicht lange und alle begannen sich gegenseitig anzuschnauzen. Mit einem dröhnenden Kopf machte ich mich auf den Weg in die nächstgelegene Stadt um nach etwas zu Essen Ausschau zu halten. In den letzten Tagen hatte die Polizei in unserer Gegend herumgeschnüffelt, weil mal wieder mehrere Menschen verwunden waren, doch sie hatten nichts gefunden. Seit dem hatten wir beschlossen unser Essensgebiet zu vergrößern und suchten nun auch in anderen Städten nach naiven, leichtgläubigen Opfern, welche uns ohne Murren überallhin folgten. Wir waren wie Wölfe in Schafpelzen. Keiner vermutete, dass er in der nächsten Stunde als Abendessen enden würde. An diesem Abend an dem wir alle im Streit auseinander gingen konnten wir noch nicht ahnen, was binnen der nächsten Stunden passieren würde. Als ich nach meinem Mahl den Heimweg antrat hatte ich schon ein komisches Gefühl in der Magengegend, doch ich schob es einfach auf die betrunkene Tussi, welche ich in den Wald verschleppt hatte, nur um sie dort zu töten und sie dann zu essen. Ihre Überbleibsel hatte ich dann im Wald verstreut und an verschiedenen Stellen vergraben. Ich wollte es der Mordkommission doch nicht zu einfach machen. Es dauerte seine Zeit, bis ich an unserer Halle wieder ankam und ich konnte sofort spüren, dass hier irgendwas faul war. Keine Sau war bei unseren Schlafplätzen und auch sonst war es mucksmäuschenstill. Ich schlich langsam um die Haupthalle herum und konnte Taschenlampen erkennen, die in der Gegend herum leuchteten. Wahrscheinlich waren das wieder ein paar Polizisten die nach Hinweisen suchten, doch sie würden nichts finden. Ich hielt mich an einer abgebrochenen Mauer fest, um besser um die Ecke zu spähen, als mich jemand an der Schulter packte. Sofort hatte ich meine dämonische Form angenommen um den Angreifer fertig zu machen, als mir türkis glühende Augen entgegenblickten und mir eine Hand auf den Mund legte, damit ich keinen Ton von mir geben konnte. Ziemlich schnell hatte ich mich wieder beruhigt und realisiert dass mein Bruder der Ankömmling war. Was erschreckte er mich auch einfach so? „Was soll der Mist?“, zischte ich ihn verständnislos an. „Hast du die anderen gesehen?“, flüsterte er zu mir und spähte ebenfalls um die Ecke. Wir behielten unsere Dämonenform bei, da wir damit nachts besser sehen konnten. Verneinend schüttelte ich den Kopf und blickte ihn leicht fragend an. Irgendwie beunruhigte mich seine Stimme ein wenig. „Wir müssen sie schnell finden, bevor sie denen in die Arme laufen“, erklärte er und war dabei wieder zu verschwinden und nach den anderen Ausschau zu halten. „Das sind doch nur wieder Bullen-“, begann ich, doch er schüttelte sofort den Kopf. „Hast du nicht ihre Kutten gesehen? Das sind Kleriker. Sie haben uns aufgespürt, wir müssen sofort von hier verschwinden!“ Verwundert hob ich eine Augenbraue. „Wie kann das Möglich sein?“, wollte ich wissen und folgte ihm. „Die sind sich bestimmt im Klaren, dass kein gewöhnlicher Mörder hinter den ganzen vermissten Personen steckt. Wir haben hier viel zu viele Menschen getötet, es ist doch auffällig geworden“, wisperte er und schlich weiter. Ich hätte es mir von Anfang an denken können, dass wir irgendwann ertappt werden würden, aber ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass es schon so schnell sein würde. Als bereits die Morgensonne über den Wipfeln der Bäume glitzerte hatten wir unser kleines Trüppchen komplett. Zum Glück konnten wir alle abfangen, bevor sie den Klerikern in die Arme gelaufen waren. „Was machen wir jetzt? Warten wir, bis sie weg sind?“, wollte Bana wissen und schaute sich immer wieder um. Ich nickte ihm stumm zu. Als wir ihnen erklärt hatten, welche Leute hier herumgeisterten hatten sie etwas schiss bekommen. Wir hatten ihnen von Anfang an eingebläut, dass die Kleriker unsere natürlichen Feinde waren und dass wir nichts anderes tun konnten, als vor ihnen zu fliehen. Man konnte sie schwer einschätzen, welche Macht sie besaßen, also sollte man vor ihnen immer auf der Hut sein. Gerade als wir abzischen wollten, da wir keinen Blickkontakt mit den Klerikern mehr hatten, passierte es und einer der Geistlichen wurde auf uns Aufmerksam. Es war wirklich nur der Bruchteil einer Sekunde gewesen in dem wir nicht aufgepasst hatten und nun war alles vorbei. Der junge Priester, oder was auch immer er war, alarmierte schnell seine Kollegen und im Nu wurden wir von ihnen eingekesselt. „Das ist die übersinnliche Kraft, welche wir hier aufgespürt haben“, erklärte ein älterer Knacker seinen Mitmenschen und hielt ein Kreuz in die Luft. „Vater, wir haben sie gefunden. Ebne uns nun den Pfad der Gerechtigkeit und richte über ihre Seelen“, sprach er an den Himmel gewandt und schloss die Augen. „Scheiße, was machen wir jetzt??“, fragte Bana erneut, diesmal jedoch verzweifelter. Die anderen hatten eine angespannte Miene und wussten ebenfalls nicht mehr, was sie machen konnten. „Sie sind zu viert, wir zu siebt. Wir sollten uns wehren können“, meinte mein Bruder und stellte sich kampfbereit hin. Ich tat es ihm gleich und knurrte die Kleriker vor mir an. „Weicht nicht von eurer Stelle!“, rief der alte Sacke den anderen Spasten zu, welche so aussahen als würden sie sich vor Angst gleich in die Hose machen. „Heiliger Vater, öffne die Pforten zum Himmel!“, rief der weißhaarige Mann aus und unter uns begann es stetig zu beben. „Was passiert hier?“, wollte Piwi wissen und klammerte sich an seinen Bruder fest. „Sie beginnen mit der Läuterung!“, schrie Raym durch den aufkommenden Lärm und packte meine Schulter. „Mach, dass du sie hier rausbekommst!“, herrschte er mich an und gab mir einen Ruck. „Was?“, fragte ich verständnislos und bemerkte erst jetzt, dass immer mehr Kleriker zu uns kamen und zu beten angefangen hatten. In ihren komischen Kutten bekleidet hielten sie alle einen Rosenkranz in der einen und ein eisernes Kreuz in der anderen Hand. Mit jedem Schritt den sie weiter auf uns zukamen, desto heftiger wurden meine Kopfschmerzen. „MACH SCHON! Ich lenke sie ab!“, meinte mein Bruder mit erneuter Härte in der Stimme und begann nun ebenfalls mit seiner Magie zu hantieren. Es waren jetzt bestimmt dreimal so viele Geistliche anwesend, wie vor wenigen Minuten. Mir blieb nichts anderes übrig als den Anweisungen meines Bruders zu folgen und schnappte mir die Jungs. Raym feuerte einen Stoß von dem Höllenfeuer, welches er beschworen konnte, auf einen der Geistlichen und schaffte uns somit eine Lücke. Schnell schob ich die Jungs hindurch und zerrte sie mit mir mit. „Verfolgt sie nicht! Den stärksten haben wir im Bannkreis!“, rief der alte Sack von vorhin und ich war kurz davor zurück zu rennen, um ihn den Hals umzudrehen, aber dann hätte sich Raym umsonst für uns geopfert. Spawnten diese beschissenen Kleriker hier irgendwo oder wo kamen sie alle auf einmal her? Das ergab doch alles gar keinen Sinn. Wir waren noch nicht weit von der Stelle weggelaufen, als ein herzzerreißender Schrei erklang. Ich blieb wie angewurzelt stehen und blickte in die Richtung aus der wir gekommen waren. In der Ferne konnte ich noch grob die Kleidung unserer Angreifer erkennen und in der Mitte von ihnen ein helles, weißes Licht. „Wir müssen zurück!“, schrie Piwi auf einmal und drehte sich immer wieder um. „Red keinen Scheiß! Wir müssen abhauen!“, antwortete Pira gehetzt und zog den Jüngeren weiter mit sich. „Er ist dein Bruder! Wie kannst du ihn da zurücklassen?“, wandte sich der Rothaarige an mich, doch ich reagierte nicht. Es dauerte nicht lange und das Licht erlosch und damit auf der Schrei. Ich wusste es… Raym war tot und ich hatte ihm nicht einmal ansatzweise helfen können. Was war ich doch nur für ein nutzloses Stück Dreck? „Er ist tot. Hast du nicht gesehen, wie er sich aufgelöst hat? Sie haben ihn geläutert“, war alles, was ich zustande brachte. Dann drehte ich mich um und rannte, gefolgt von den anderen, in den Wald davon. Weit weg von den Klerikern, auf der Suche nach einem Unterschlupf bis alles vorüber war. ~Rückblende~ Kapitel 25: Festnahme --------------------- Festnahme Es herrschte einen Moment Stille, bis mein Vater wieder das Wort erhob. „Nun gut, unter diesen Umständen kann ich verstehen, warum ihr einen Rückzieher gemacht habt, aber das erklärt noch lange nicht, warum du dann immer noch nicht zurückgekehrt bist“, meinte er leicht nachdenklich und blickte mich aus seinen schwarzen Augen mit den roten Ringen in den Iriden streng an. „Er hatte Schiss, das war alles“, meinte Jaromier abschätzig und schnalzte mit der Zunge. Mein Blick verfinsterte sich und ich blickte ihm mit funkelnden, weiß glühenden Augen entgegen. „Jaromier, beherrsch dich!“, fuhr mein Vater ihn an. Auch wenn der Pisser sein Lieblingssohn war, so konnte er sich dennoch nicht alles erlauben. „Zum Schutz der Jungs bin ich in der Menschenwelt geblieben. Unreine haben hier nichts zu verlieren“, beantwortete ich die Frage Luzifers. „Und dennoch hast du sie mit hergebracht“, meinte Lamia, eine Augenbraue hochziehend. „Das waren andere Umstände“, knirschte ich mit den Zähnen. „Und die wären?“, fragte mein Vater weiter. Sie quetschten wirklich alles aus mir heraus was ging. „Verzeih Vater, aber das sind Sachen die nur meine Wenigkeit etwas angehen.“ Flaga zog hörbar die Luft ein. Ja, ich wusste dass ich mich nicht gegen meinen Vater stellen sollte, aber noch hatte ich mit meinen eigentlichen Beweggründen nicht angefangen. „So,so…“, waren Vaters einzige Worte und er schloss für einen Moment nachdenklich die Augen. „Bringt sie her!“, befahl er dann den Krähen und ich traute meinen Ohren nicht. „Was? Nein!“, beschwerte ich mich und wollte sie aufhalten, doch plötzlich war ich von anderen Krähen umringt. „Was soll der Mist?“, fragte ich zähneknirschend und machte einen bedrohlichen Schritt auf sie zu, doch sie wichen mir nicht aus. „Du wirst erst einmal auf dein Zimmer gehen!“, wies mein Vater mich an. Ich wusste dass ich hier kein Mitspracherecht mehr hatte und verdrehte nur resigniert die Augen. „Vater, ich bitte dich. Lass die Jungs in Ruhe! Sie haben niemanden was getan und-“ „Ich verbiete mir dass du in diesem Ton mit mir sprichst, Churel! Du wirst in deinem Zimmer über deine Taten nachdenken. Nicht nur, dass du nicht auf dem schnellsten Weg zurückgekehrt bist, nachdem du und dein Bruder den Auftrag ausgeführt haben, nein, du musstest ja auch noch Unreine mit in unser Reich bringen und das auch noch ohne Aufenthaltsgenehmigung oder erlaubte Einreise. Zudem gelang es ihnen durch euer Vergehen, weil ihr das Buch nicht früher gefunden habt, den Zauber auszuführen, der sie verflucht hat. Es wird auch nicht schwer werden herauszufinden, durch welches Portal ihr gekommen seid und wer für diesen illegalen Verkehr zuständig war. Ihm wird klar sein, was als Strafe für den Transport von illegalen Passagieren im Gesetzt steht. Auch werden alle deine Komplizen in den Palast vorgeladen, welche dir geholfen haben diese Wesen hier zu verstecken. Deine Taten gehen schon weit über den Hochverrat hinaus. Gibt es sonst noch etwas, das du sagen möchtest? Bedenke, am Ende kommt eh alles raus!“ Mein Vater war aufgestanden und zog bei seiner Predigt einige Kreise um mich. Verneinend schüttelte ich den Kopf und blickte mit einem bedrohlich funkelnden Blick zu dem Mädchen mit dem Augentattoo auf der Stirn. Sie verstand sofort, dass sie die Klappe halten sollte, egal was sie gesehen hatte. Sie schürzte nur ihre Lippen und warf mir ein wissendes sowie erpresserisches Lächeln entgegen. Sie würde noch auf mich zukommen und etwas als Schweigegeld verlangen. „So war das nicht geplant“, knurrte ich vor mich hin und wurde von den Krähen gepackt. Sie führten mich den langen, steinernen Gang entlang zu den Schlafgemächern unserer Familie. Vor meiner Tür blieben sie stehen und schoben mich mehr schlecht als Recht hinein. Zum Schluss verschlossen sie dir Tür und belegten sie mit einem Zauber, damit ich nicht ausbrechen konnte. „Verdammt!“, schrie ich auf und schlug wütend und frustriert zugleich gegen die große, massive Tür. Wenn Vater herausfindet, dass Sammael wusste dass Anna eine Klerikerin ist, dann wird er ihn sofort von den Obersten töten lassen! Vater darf das auf keinen Fall erfahren, sonst blüht mir ebenfalls der Tod. Ich hatte mir eigentlich vorgestellt, dass er die Sache als erledigt betrachtet, wenn er das Buch in den Händen hält. Was mache ich denn jetzt? Hätte ich gewartet und meine mentalen Kräfte gestärkt, dann hätte ich meine Erinnerungen so manipulieren können, dass die Jungs nicht da waren. Aber er hätte schnell gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Welchen Grund hätten Raym und ich sonst gehabt so lange in der Menschenwelt zu bleiben? Und wenn Lamia sich verplappert, dann ist eh alles aus. Sie weiß was, sonst hätte mich dieses kleine Miststück nicht so hinterhältig angegrinst. Verdammte Scheiße! Wutschnaubend ging ich in meinem Zimmer auf und ab. Ich hatte den anderen versprochen, dass ich ihnen alles erklären würde, wenn ich wieder kam, aber das sah nun sehr schlecht aus. Wie sollte ich aus diesem ‚Verließ‘ wieder herauskommen? Ein Kichern ertönte und ich blickte mich um. Meine Augen hatte ich zu Schlitzen verformt und ich begann zu knurren. „Komm raus“, zischte ich und wartete. Wie ist sie in mein Zimmer gekommen, wenn es von außen mit einem Zauber belegt wurde? Ist sie schnell in mein Zimmer gehuscht, nachdem ich abgeführt wurde und wann ist sie denn bitteschön an mir vorbei gelaufen?! „Was ist los?“, kicherte die helle Stimme Lamia’s und ich konnte sie auf meinem Bett liegend ausmachen. Sie hatte alle Viere von sich gestreckt und blickte an die Zimmerdecke. „Was willst du, Lamia?“ fragte ich und ging auf sie zu. „Du weißt doch ganz genau, dass du mir was schuldig bist. Ich könnte Vater jederzeit von deinem kleinen Geheimnis erzählen.“ Die kleine Seherin richtet sich langsam auf und stützte sich auf ihre Unterarme. Ihre zuckerwattefarbenen Fransen standen zu allen Seiten von ihrem Kopf ab und sie musterte mich gebannt aus ihren großen, lila Augen. „Was genau hast du denn gesehen?“, wollte ich zuvor wissen, da ich ja nichts ausplaudern wollte, was sie nicht wusste. „Dieser komische Schleier um das Mädchen, was ist das? Ein normaler Mensch würde hier nicht in einen Zauber eingehüllt einreisen. Sie ist etwas Besonderes, nicht wahr? Vielleicht eine Art Geheimwaffe? Willst du uns mit ihrer Hilfe töten?“ Ich ließ ihre Worte erst einmal sacken. „Wie meinst du das? Warum sollte ich euch umbringen wollen? Glaubst du wirklich dass ich scharf auf den verdammten Thron bin?“ Ihr schelmisches Grinsen verschwand und eine verwirrte Miene machte sich breit. „Eh, ja? Warum sonst solltest du ein solches Mädchen mit hierher bringen? Mag zwar sein dass sie auf den ersten Blick aussieht wie ein Mensch, aber sie ist etwas anderes, hab ich Recht?“ „Und wenn schon, das ist doch egal“, wehrte ich ab. „Hör zu, ich bin wirklich nicht scharf auf den Platz. Ich bin eigentlich gekommen um Vater zu bitten mir den Titel abzunehmen.“ Sie sah mich mit einem erstaunten und leicht verwunderten Blick an. Das war wahrscheinlich nicht das, womit sie gerechnet hatte. „Warte mal, du willst als Thronfolger zurücktreten? Dir ist schon klar, dass Vater dich dann erst Recht töten wird, oder?! Dein Hochverrat und jetzt auch noch als Thronfolger zurücktreten? Wie unbeliebt willst du dich denn noch machen?!“ Resigniert seufzte ich und setzte mich auf die Bettkannte meines Bettes. „Ich weiß dass wir kein gutes Verhältnis zueinander haben, aber sieh es doch mal von der positiven Seite. Einen Konkurrenten weniger! Außerdem wirst du einen, naja jetzt ja dann eher zwei Plätze weiter nach oben rücken. Du musst Vater nur im Glauben lassen dass es sich bei dem Mädchen um keine Gefahr handelt, egal was jetzt in den folgenden Tagen passiert, okay?“ Lamia schüttelte nur den Kopf. „Ich stehe sowas von gar nicht auf dieses Bruder-Schwester-Getue, aber ja ich geb dir Recht, das könnte mir gelegen kommen. Vater wird in den Kreis der Zehn niemanden mehr aufnehmen, bis der neue Thronfolger feststeht. Der Kampf um den Platz hat schon längst begonnen, da wäre es dämlich wenn er immer weiter die Plätze seiner Kinder besetzen wird.“ Es war wirklich leichter als gedacht, Lamia auf meine Seite zu bekommen. Jetzt musste ich nur noch meinen Vater davon überzeugen, dass ich einfach so von dannen ziehen konnte, wenn ich nicht mehr als Prinz gesehen wurde. Um das zu schaffen musste ich versuchen Indra von meinem Plan zu überzeugen, genauso wie Devas. Wenn ich ein paar von den Älteren auf meine Seite ziehen konnte, dann sollte es ein leichtes für mich sein. Blieb nur noch die Sache mit dem Hochverrat. Mir musste nur noch ein guter Plan einfallen wie wir alle ungeschoren von hier wegkamen und dann war alles in Ordnung. Aber wie sollte ich das nur anstellen? Pira: Rel war jetzt schon seit einigen Stunden weg und wir hatten noch kein einziges Lebenszeichen von ihm vernommen. „Vielleicht sollte doch jemand sich auf den Weg zum Palast machen. Wenn wir sagen, dass wir zu Rel gehören, sollten wir doch keine Probleme haben, oder?“, fragte Bana, was ich jedoch nur mit einem Schulterzucken beantwortete. „Er meinte er würde alles erklären wenn er zurückkommt. Vielleicht gab’s ja ein paar Komplikationen und er wurde noch aufgehalten. Wahrscheinlich wird er in den nächsten Stunden hier auftauchen“, meinte mein Bruder und tippte etwas ungeduldig auf der Sofalehne herum. „Er hat seine Familie fast acht Jahre nicht mehr gesehen. Da gibt es bestimmt einiges nachzuholen“, mischte sich nun auch Baka mit ein. Zustimmend nickte ich. „Wir warten einfach noch ein Weilchen und gucken, dass es Pey wieder besser geht. Rel wird bestimmt bald wiederkommen“, sagte ich zu den anderen. Pey nickte nur daraufhin. Nachdem Rel vor einer Weile abgedampft war, kam Anna mit Pey zusammen die Treppe herunter und wir hatten uns eine Weile unterhalten. Der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähen wirkte noch ziemlich kaputt und wackelig auf den Beinen, doch er wollte sich ein wenig die Beine vertreten. Außerdem meinte er dass er Hiisi nicht stören wollen würde, der oben an irgendetwas herumexperimentierte. Sofort waren mir wieder die Blutproben eingefallen, welche wir Jungs ihm gegeben hatten. Sehr wahrscheinlich untersuchte er die Proben auf einen Nachweis von heiliger Magie oder so. Innständig konnte ich ja nur beten, dass wir keinen oder nur einen kleinen Anteil von dieser Magie in uns trugen, da ich mir nicht ausmalen wollte wie stark die Schmerzen sein würden, wenn wir diese Magieoperation über uns ergehen lassen mussten. Mein Blick wanderte wie schon die gefühlten Fünfzigmale vorher auch zur Treppe welche in den ersten Stock führte. Ich rieb mir angestrengt über die Stirn, als ich von oben ein Knarzen einer Tür vernehmen konnte und schwere Schritte, welche die Treppe herunter kamen. Kisin, welcher auf dem Boden lag und Löcher in die Decke starrte blickte nun ebenfalls erwartungsvoll zur Treppe. Dem Kleinen schien es langsam immer langweiliger zu werden, nachdem ihm der Gesprächsstoff ausgegangen war. Der Medikus kam mit langsamen Schritten zu uns und studierte noch etwas auf einem Blatt vor sich, als er seinen Blick hob und über uns schweifen ließ. „Ich habe tatsächlich etwas Magie in euren Körpern gefunden, jedoch ist der Anteil sehr unterschiedlich. Baka zum Beispiel hat einen deutlich höheren Anteil in seinem Körper, doch auch der ist nicht lebensbedrohlich.“ Baka schluckte und wandte dann seinen Blick kurz zu Anna welche ihre Augen zum Boden gesenkt hatte. Sie wusste ganz genau warum Baka einen höheren Anteil in sich trug. „Ich würde vorschlagen, dass ich eure Körper so schnell wie möglich von der Klerikermagie befreie, also habe ich für jeden von euch das hier mitgebracht“, verkündete der Türkishaarige mit den blauen Strähnen und verteilte an Bana, Baka, Piwi und mich einen der gleichen Zettel, welche er zuvor bei Rel und Pey angewendet hatte. „Kisin, würdest du mir oben aus meinem Arbeitszimmer ein Schälchen mit dem Reinigungswasser holen und vier kleinere Schalen?“ Der Kleine sprang sofort auf. „Reicht denn eine große Schale mit dem Wasser?“, versicherte er sich noch, bevor er ein Nicken erhielt und nach oben verschwand. „Ist das diese komische Flüssigkeit von der OP?“, fragte Piwi nach. „Genau. Ich werde jedem von euch eine kleine Schale mit dem Wasser geben in welche ihr ein wenig Blut von euch rein träufeln lassen müsst. Ihr werdet nicht solche Schmerzen erleiden wie Pey und der Prinz, aber es wird auch nicht vollends schmerzfrei werden." Ich richtete mich in meiner Sitzposition etwas auf, als der kleine Dämon wieder zu uns stieß und die kleinen, silbernen Schälchen unter uns verteilte. In der zweiten Runde verteilte er aus der großen Schale jeweils ein kleines bisschen von der Flüssigkeit an uns, gefolgt von Hiisi, welcher uns ein Skalpell aus seinem Arztkittel gab und an uns die Siegel verteilte. „Und wenn wir diese ‚Operation‘ durchgestanden haben, dann sind wir auch von der Magie befreit?“, versicherte sich Baka ein letztes Mal und schnitt sich in die Hand nachdem er ein Nicken als Bestätigung erhalten hatte. Ich tat es ihm gleich und blickte auf die trübe Flüssigkeit, welche sich allmählich rot färbte. Der Medikus wartete bis alle soweit waren und ging dann herum um uns allen mit der Flüssigkeit das umgedrehte Pentagramm auf die Stirn zu malen. „Wenn ihr bereit seid, dann gebt Laut.“ „Bereit“, erklang es von unserer Seite und der Dämon schloss die Augen. Anders als bei der Operation zuvor benötigte es anscheinend keinen physischen Kontakt zwischen ihm und uns und er sprach auch nicht die Formel aus um unsere Energie sehen zu können. Das lag wahrscheinlich daran dass wir keine solche Fälle wie Rel und Pey es gewesen waren. Zuerst war es ganz still im Raum , doch dann begann der Türkishaarige mit den blauen Strähen wieder mit seinem undeutlichen Gemurmel und plötzlich bemerkte ich einen stechenden Schmerz in meinem Körper. Er war ultraplötzlich gekommen und wanderte gefühlt von meinen Füßen hinauf in meinen Kopf. Es fühlte sich so an, wie wenn etwas gewaltsam gegen den Strom schwimmen würde. Ich musste richtig die Zähne zusammenbeißen um nicht aufkeuchen zu müssen. Als ich meine Augen, welche ich zuvor vor Anspannung geschlossen hatte nun etwas öffnete, erkannte ich die gebannten Gesichter von Kisin, Anna und Pey. Sie schienen fast die Luft anzuhalten, so angespannt verfolgten sie die ‚Operation‘. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, wie sich einige Schweißperlen auf Baka’s Stirn sammelten und wie auch er angestrengt die Zähne zusammenbiss. Gut eine Minute später war alles wieder vorbei. Das Stechen in meinem Körper hatte nachgelassen und ich konnte mich sichtlich entspannen. Auch den anderen schien es wieder besser zu gehen. Ich war erleichtert. Erleichtert dass sich diese Infektion wie man es schon beinahe nennen konnte, sich nicht mehr verschlimmern konnte und wir alle geheilt waren. Jetzt konnten wir doch einfach unser gewohntes Leben fortsetzen, oder? Wenn Pey wieder zu Kräften gekommen war und Rel endlich wieder auftauchte, dann könnten wir uns eine neue Stadt suchen, ein letztes Mal von vorne Anfangen und einfach unser Leben leben. Klar, ich war noch ein wenig angepisst wegen dem Blondhaarigen, aber so über die Zeit des Wartens hatte sich der Ärger verflüchtigt und ich war einfach nur noch grummelig. Im Endeffekt konnte es mir doch egal sein, warum Rel das Buch behalten hatte, oder? Warum war ich so sauer auf ihn wegen dieser einen Sache? Er hatte mir, Piwi, Bana, Baka und Pey schon sooft den Arsch gerettet, sollten dann die guten Taten den schlechten gegenüber nicht überwiegen? Warum hatte ich mich nur so in Rage geredet? Ich war doch wirklich einfach nur ein Idiot… Als alles vorbei war sammelte Hiisi die Siegel wieder ein und verschwand in sein Kämmerchen nach oben. Er würde diese Siegel jetzt bei denen von Rel und Pey verschließen oder was weiß ich machen. Was machte man eigentlich mit diesen Siegeln? Die Macht die sich darin befand konnte tödlich für Dämonen sein, benutze man sie vielleicht sogar gegen die eigene Spezies? Dämonen konnten sterben indem sie von den Klerikern geläutert wurden und ich war mir sicher dass es auch hier sowas wie ein Gefängnis, vielleicht sogar die Todesstrafe gab. Benutze man vielleicht dort die Magie? Irgendwie klang es in meinen Ohren viel zu absurd, als dass es wirklich wahr sein konnte. „Und was macht ihr nun, da ihr ja jetzt geheilt seid?“, wollte Kisin wissen und wandte sich fragend an uns. Dieses Kind konnte auch wirklich nervig sein. Ich verdrehte daraufhin nur die Augen und blickte zur Decke hinauf. Ihm konnte es doch egal sein, da wir uns nie wieder sehen würden. Dämliche kleine Kinder die einen immer so ausquetschen mussten. Bana setzte gerade zum Reden an, als es an der Tür klopfte. „Wer mag das sein?“ fragte der kleine Junge sich selbst und rief nach dem Medikus. Hiisi eilte die Treppe herunter, um die Tür zu öffnen. Vielleicht war es ja irgendein Patient von demArzt. Der Dämon öffnete die Tür und wurde im selben Zug ins Haus zurück gedrängt. Ich drehte mich verwirrt um und erkannte dass er die Hände erhoben hielt. „Was geht hier vor sich?“, fragte der Rothaarige neben mir uns lehnte sich nach vorne um an mir vorbei zu sehen. „Unreine Dämonen und Mitverschwörer des Prinzen. Ihr seid des Hochverrats verurteilt und werdet mit sofortiger Wirkung festgenommen!“, erklang die kratzige Stimme einer Person, welche über die Türschwelle ins Haus getreten kam. „Wächter!“, quiekte Kisin auf und versteckte sich hinter dem Sofa. Ich schluckte nur. Was hatte Rel nun schon wieder angestellt? Kapitel 26: Verbündete für Gegenleistung ---------------------------------------- Verbündete für Gegenleistung Pey: Nachdem diese komischen Wächter in Hiisi’s Haus einmarschiert waren, hatte es nicht lange gedauert und sie führten uns ab. Selbst den kleinen Jungen hatten sie festgenommen! Es waren gut ein Dutzend Wachen, welche vor dem Haus standen und uns in Gewahrsam nahmen, dann führten sie uns zu einem kleinen, leuchtenden Portal. Anna hatte sich dicht an mich geschmiegt und hielt meine Hand fest umschlossen. Keiner von uns konnte sich wirklich vorstellen, was nun passieren sollte. Hochverrat? Weswegen? Das die Jungs Rel und mich in letzter Sekunde zu einem Heiler gebracht hatten, damit wir nicht starben? Was sollte daran Hochverrat sein? Hatte man uns nicht vorher noch gesagt, dass wir als Rel’s Gefolge durchgingen und es daher kein Problem war in die Hölle zu gehen? Zumal waren wir doch alle Dämonen, also wo war verdammt nochmal das Problem? Nach wenigen Minuten fanden wir uns, samt der Wachen, vor einer großen Flügeltür wieder, welche von weiteren Wachen geöffnet wurde. Ein leises Knarzen ertönte und die Türen schwangen auf. Was war das hier nur für ein komisches Gebäude? Etwa Rel’s zu Hause? Er wohnte in so einer riesigen Festung? Mein Blick wanderte die hohen, steinigen Wände hinauf zur Decke, von welche ein paar Kronleuchter hingen. Wir wurden in einen großen Saal geführt, in welchem lauter Stühle und sogar ein Thron standen und dann fielen die Türen mit einem dumpfen Klong wieder in ihre Angeln zurück. Auf den Stühlen vor uns saßen lauter komische Leute, allem Anschein nach Dämonen. Es waren männliche und auch ein paar weibliche in verschiedenen Altersgruppen. Das konnte ich an ihrem Aussehen und teilweise auch an ihrer Größe ausmachen. Bis auf einen Platz auf jeder Seite waren alle Plätze belegt. Wer waren diese Leute und was wollten sie von uns? War das etwa Rel’s Familie? Anna hielt meine Hand noch ein bisschen fester, ich konnte die Anspannung in ihrem Körper spüren. Als wir in der Mitte des Saals endlich stehen blieben, seufzte ich erleichter auf. Mir tat alles weh, ich war außer Puste und meine Beine gaben auch bald nach. So viel Bewegung und Anstrengung war ich einfach nicht mehr gewöhnt und das machte mir nun zu schaffen. Durch den kleinen Adrenalinschub von eben hatte ich gar nicht mitbekommen, wie anstrengend der Weg hierher gewesen war. Auch, wenn wir nur durch das Portal gegangen waren und die paar Meter davor und dahinter. Pira: Mir kam die Umgebung etwas suspekt vor. Diese ganzen Dämonen um uns herum musterte uns von oben bis unten und blickten und leicht misstrauisch an. Mein Blick wanderte von Dämon zu Dämon, doch ich konnte Rel nirgends ausmachen. Was hatten sie mit ihm gemacht? Wo war er und was hatte er denn bitteschön angestellt? Auch die ganze Stille um uns herum machte mich immer nervöser. Konnte nicht irgendjemand irgendetwas sagen? Plötzlich ertönte ein Knarzen und die Türen hinter uns wurden erneut geöffnet. Als ich mich umdrehte, musste ich etwas erstaunt die Augen aufreißen. Das war doch der Typ aus dem Club der uns das Portal geöffnet hatte. Er blickte uns mit einem finsteren und verachtenden Blick entgegen und hätten Blicke töten können, wären wir wahrscheinlich schon zweimal hintereinander gestorben. „Kennst du ihn?“, frage mich Kisin leise, welcher an meinem Oberteil gezupft hatte und dicht neben mir stand. Hatte er mich etwa zu seinem Beschützer auserkoren oder warum wich er mir keinem Schritt mehr von der Seite? Warum konnte er nicht bei Hiisi bleiben, den kannte er doch wahrlich länger?! Ich nickte nur knapp, ging aber nicht weiter auf seine Frage ein. Erst wollte ich abwarten, was nun passierte. Links von mir saß ein kleines Mädchen mit kurzen, rosa Fransen und einem Augentattoo auf der Stirn. Sie sah uns etwas nachdenklich an, dann blieb ihr Blick auf Anna liegen. Plötzlich wurde mir ganz mulmig in der Magengegend. Wussten sie etwa, dass Anna diese läuternde Macht besaß und bezichtigten sie uns deswegen des Hochverrats? Jetzt fiel mir auch wieder ein, was Itinier zu Anna gesagt hatte, bevor wir durch das Portal gegangen waren. „Ich habe deine Kraft unterdrück. Es wird nicht lange halten, deswegen solltet ihr euch beeilen. Wenn auf mich zurückgeführt wird, dass ich eine Klerikerin durch das Tor gelassen habe, werden sie mich höchstwahrscheinlich hinrichten, also macht nichts Auffälliges!“ Innerlich schlug ich mir vor die Stirn. Kein Wunder dass der Kerl uns so böse ansah. Wenn diese Dämonen wussten, dass Anna diese Macht besaß, dann war das unser aller Todesurteil. Rel: Nachdenklich ging ich in meinem Zimmer auf und ab. Seit Lamia gegangen war, machte ich mir Gedanken ob sie es an meiner Stelle schaffte Devas und Indra von meinem Vorhaben zu überzeugen. Aber würde es ihnen genügen, wenn ich von meinem Platz zurücktrat, damit sie alle eine bessere Chance auf den Thron hatten? Wahrscheinlich nicht… Aber was konnte ich ihnen schon anbieten, damit sie zusammen mit mir vor Vater darum baten, dass ich die Hölle mit meinen Freunden verlassen konnte und als Bestrafung in die Menschenwelt verbannt wurde? Und dann wäre da noch diese eine Sache, aber damit würde ich bis zum Schluss warten müssen. Wenn ich gleich von Anfang an zu viel forderte, dann würde es eh nicht funktionieren. Ein Klopfen ertönte und ich blickte auf. Meine Zimmertür wurde geöffnet und eine Krähe trat herein. „Ihr werdet im Thronsaal erwartet, Majestät“, sprach sie und ich atmete tief durch. Hatte Lamia ihr Versprechen gebrochen und Vater doch etwas erzählt? Oder hatte er die Jungs wirklich herbringen lassen? Wenn das so war, dann hatte ich ein deutlich größeres Problem, denn wenn sie hier waren würde es nicht lange dauern und Vater und meine Geschwister würden sofort wissen, was in den letzten Wochen alles passiert war. Ich musste alles geheim halten, denn wenn die Bombe um Anna platze, waren wir alle tot! Und zwar ohne wiederrede! An der Tür angekommen löste die Krähe den Zauber, dass ich auch endlich aus dem Zimmer austreten konnte. Anscheinend hatten sie den Zauber so gesprochen, dass ich die einzige Person war, die nicht aus dem Zimmer heraus konnte. Der Wächter führte mich den Weg entlang zum Thronsaal und mir rutschte mein Herz sofort in die Hose, als ich meine Freunde, Kisin, den Medicus und Sammael in einer Reihe in der Mitte des Saals stehen sah. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe, als ich meinen Platz neben ihnen einnahm. „Ist das der Dank dafür, dass ich Euch das Leben gerettet habe, Majestät?“, wandte sich Sammael an mich und presste das letzte Wort regelrecht angewidert zwischen den Lippen hervor. „Keine Sorge, ich bieg das wieder gerade“, versicherte ich ihm, war mir aber selbst nicht sicher, ob ich dieses Versprechen einhalten konnte. „Nun denn, sind alle Beteiligten anwesend?“, erhob mein Vater die Stimme und erhielt ein einheitliches „Ja, Majestät!“ von den Wächtern um uns herum. Mit einer Handbewegung ließ er die Wachen zurücktreten und betrachtete jeden von uns der Reihenfolge nach. „Sind das die Unreinen und deine Verbündete, Churel?“, fragte er mich mit erhobener Stimme. „Sie haben mit dem ganzen nichts zu tun! Ich übernehme für alles die Verantwortung!“ Lamia wusste worauf ich abzielte, ab jetzt mussten wir improvisieren. Ich hoffte inständig, dass sie bereits mit Indra und Devas geredet hatte und dass die beiden auch mitspielten. Was die drei dafür haben wollten, dass konnte wir bestimmt noch danach aushandeln. Sie konnten ja ungehindert zwischen der Hölle und der Menschenwelt hin und her pendeln. Wenn wir es also nicht mehr hier aushandeln konnten, dann mussten sie halt zu mir kommen. „Also war das ein Ja?“, hakte der Oberteufel noch einmal nach. Mein Auge zuckte leicht. Was dachte er denn? „Sie haben nichts damit zu tun“, grummelte ich erneut. „Weswegen werden wir eigentlich angeklagt, Majestät?“, wandte sich Sammael an Lucifer und spannte sich sichtlich an. „Illegale Einwanderrung von Ureinen und Bereitstellung eines Durchgangs der nur für reinrassige Dämonen ist“, beantwortete Jaromier ihm die Frage. „Illegale Einwanderung? Im Gesetzt steht dass der Durchgang für jegliches Gefolge der Königsfamilie offensteht!“, konterte der Clubbesitzer sofort. „Aber nur wenn es keine Unreinen sind“, fügte Jaromier hinzu. Konnte dieser Bastard nicht einfach mal seine Klappe halten?“ „Im zweiten Absatz steht aber, dass auch unreines Gefolge einreisen darf, wenn ein triftiger Grund vorliegt“, ergänzte Indra und lächelte knapp. Jaromiers siegessicheres Grinsen verschwand und ein böser Blick stahl sich auf sein Gesicht, während er den Zweitältesten mürrisch anfunkelte. „Den gab es!“, stimmte Sammael sofort zu. Ich bin so ein Idiot, warum habe ich das nicht schon von Anfang an erwähnt? Natürlich gab es einen Grund, warum wir hier sind! Dass ich zu meiner Familie gehe und meinem Vater das Buch übergebe ist doch nur im Anschluss daran so gekommen! Mein Vater hatte die Augenbraue hochgezogen, da er den Grund wissen wollte. „Sie haben mich hierher gebracht, da ich von einem Kleriker mit läuternder Macht getroffen wurde. Hiisi hat mir das Leben gerettet, und die anderen haben alle dabei geholfen, dass wir die Operation schnellstmöglich durchführen konnten!“, erzählte ich sofort. Nachdenklich nickte er. „Dann zeig den Kampf mit dem Kleriker in dem du verletzt wurdest, damit ich dir glauben kann.“ Fuck! Urplötzlich fiel mir auch wieder ein, warum ich nichts davon erzählt hatte. Ich schluckte und blickte zu Sammael. Er wusste ganz genau, dass es ein noch größeres Vergehen war, einen Kleriker durch das Portal zu lassen, als Unreine. Klar, ich hatte jetzt meine Kräfte etwas sammeln können, aber würde es reichen meine Erinnerungen so zu manipulieren, dass Anna nicht darin vorkam? Mir lag nicht wirklich was an ihr, aber Pey tat es. Zudem wenn herauskam dass sich die ganze Zeit eine Klerikerin unter uns befand, dann waren wir tot. Sofort! „Vater ich denke das wird nicht nötig sein“, mischte sich Lamia ein. „Ich konnte sehen dass Churel am Ende seiner Kräfte war, als er durch das Portal kam.“ Jaromier zog nun etwas verwundert die Augenbraue hoch. „Die Krähen berichteten mir zudem, dass sie Churel’s Kräfte nur sehr schwach anfangs wahrgenommen haben. Daher verlief die Suche auch so langsam. Als sie ihn in Regno tenebrarum fanden, hatten sich seine Kräfte noch nicht vollständig ausgebreitet. Kam er dir nicht auch schwach vor, als er das erste Mal vor dich getreten ist?“, mischte sich nun auch Devas ein. Lamia hatte es also wirklich geschafft. Ich machte innerlich Luftsprünge vor Freude, nun würde doch noch alles besser werden. Aber was war mit der Verbannungssache? Wenn wir ja jetzt einen geeigneten Grund hatten, dann konnte mein Vater mich auch nicht mehr verbannen. Jetzt musste ich mir einen anderen geeigneten Plan überlegen. Mein Vater runzelte nachdenklich die Stirn. Wahrscheinlich wunderte er sich auch, warum nun meine Geschwister meinten zu mir halten zu müssen. „Oh ja, er sah wirklich scheiße aus“, fügte Ariel beiläufig hinzu und kämmte ihrer Puppe die Haare. Verwundert musterte ich sie. Warum unterstützte sie mich nun auch? Nun wurde es mir doch etwas seltsam zumute. Je mehr meiner Geschwister mir zustimmten, desto unheimlicher wurde es. Auch meine andern Geschwister, bis auf Jaromier, begannen nun zustimmend zu nicken. Was um alles in der Welt hatte Lamia getan oder eher gesagt? „Wenn das so ist, dann werden die Vorwürfe natürlich zurückgezogen. Es handelte sich ja anscheinend um einen Ausnahmezustand“, meinte mein Vater etwas nachgebend und erhob sich. „Nun gut, wenn es besondere Umstände gab, dann werden der Portalwächter sowie der Medicus und sein Helfer freigesprochen. Ihr dürft nun gehen“, verkündete er, dann wandte er sich an mich und die Jungs. „Was euch angeht, so werdet ihr die Hölle so schnell wie möglich wieder verlassen. Unreine sind hier unerwünscht. Du weißt das, Churel!“ „Ja, Vater“, nickte ich und verbeugte mich. „Was? Vater du kannst sie doch nicht einfach so begnadigen!“, rief der Weißblondhaarige mit den Dreadlocks und stand erbost auf. „Du lässt dich einfach so abfertigen? Nur weil ein paar rumheulen, dass die Memme da angeblich so fertig aussah?“ Ich knirschte mit den Zähnen. Musste er jetzt alles wieder kaputt machen? „Ej, halt mal den Ball flach, klar? Es ist doch jetzt alles geklärt, also heul nicht rum, nur weil heute mal wieder keine Köpfe rollen“, zischte ich ihn an. Mein Vater schüttelte nur den Kopf und verließ den Saal. Er war es wahrscheinlich leid, Jaromiers ständige Unzufriedenheit aushalten zu müssen. „Du kleiner Bastard. Du wirst hier nicht mehr lebend rauskommen“, knurrte mein älterer Bruder mich an und verließ wutschnaubend den Raum. Ich atmete erleichter aus, als alles überstanden war. „Heißt das, ich kann wieder in meinen Laden zurück?“, fragte Sammael neben mir und ich nickte nur daraufhin. „Es tut mir leid, dass du hier mit reingezogen wurdest. Das wird nie wieder vorkommen, versprochen.“ „Will ich auch hoffen!“, meinte er und zog ab. Kein Wunder, dass er nun sauer war. Er wäre heute beinahe draufgegangen, nur weil ich den Vorfall mit der OP verschwiegen hatte. Nachdem mein Vater und auch Jaromier außer Sichtweite waren, drehte ich mich zu meinen Freunden um. „Wäre es okay, wenn ihr noch einen Moment draußen vor der Tür warten würdet? Ich habe noch ein paar Sachen zu klären.“ Langsam nickte einer nach dem anderen, doch dann überdachte ich das Gesagte noch einmal. „Wahrscheinlich ist es besser, wenn ihr in meinem Zimmer wartet. Ich lasse euch hinführen“, meinte ich und wandte mich an einen Wächter in meiner Nähe. Diesem befahl ich, dass er mein ‚Gefolge‘ auf mein Zimmer bringen sollte und dann flüsterte ich ihm noch zu, dass er einen Schutzzauber um das Zimmer legen sollte. Wer wusste schon, was Jaromier in seiner Rage anstellte. Wenn er ihnen auch nur ein Haar krümmen würde, dann konnte er was erleben! Nachdem die Jungs und Anna aus dem Raum geführt wurden stand Devas auf. „Dir ist klar, dass wir eine Gegenleistung dafür verlangen“, wandte sich das Oberhaupt der Krähen an mich und ich nickte stockend. Was sie wohl von mir wollten. „Du wirst die Hölle erst wieder verlassen, wenn du jemand bestimmten getötet hast“, fügte Indra hinzu und stand nun ebenfalls auf. Meine anderen Geschwister taten es ihm gleich, bis alle in einem Halbkreis um mich herum standen. „Und wen?“, fragte ich neugierig, konnte ich mir die Antwort schon beinahe denken. „Das Großmaul natürlich“, beantwortete Flaga meine Frage und nickte in Richtung Ausgang. „Ihr wollt allen Ernstes, dass ICH Jaromier töte? Alleine?! Wie soll ich das bitteschön machen? Und wer hat sich das ausgedacht?“ Als meine Geschwister auf das Mädchen mit den rosafarbenen Fransen zeigten seufzte ich resigniert. War ja klar. Sicherlich war das der einzige Weg, meine Geschwister zur Mitarbeit zu drängen. Mir wird keine andere Wahl bleiben, als das zu tun, was sie von mir verlangen. Aber wie soll ich das anstellen? Er ist um einiges älter, erfahrener und im Kampf sicherlich auch stärker. Wir hätten alle zusammen eine viel höhere Chance als ich alleine. „Na gut. Ich werde mir etwas einfallen lassen. Aber dafür habe ich noch zwei weitere Sachen bei denen ich Hilfe benötige.“ „Jetzt werd ja nicht frech, klar?“, fauchte Flage, wurde jedoch durch ein Handzeichen von ihrem Zwillingsbruder zurückgehalten. „Worum geht es?“, fragte Indra. Ich war wirklich überrascht. Ich hatte meine Geschwister noch nie so hilfsbereit erlebt, aber es hatte ja auch einen großen Preis den ich dafür bezahlen musste. „Mein Gefolge bleibt solange hier, wie ich auch hier bleibe. Und ich brauche den Schlüssel für die Seelenkammer.“ Die Seelenkammer war ein Raum in welchen die Seelen gesammelt wurden, welche nach dem Tod eines Menschen hierher geschickt wurden. Vielen Menschen wurde in ihrer Religion erzählt, dass die Sünder in die Hölle kamen und so war es auch. Und dieses Sprichwort ‚einen Pakt mit dem Teufel schließen‘ war auch nicht ein an den Haaren herbeigezogener Irrglaube. Alles hatte einen wahren Kern, doch diese Wahrheit wurde ab und an gerade gebogen. Es hieß zwar nicht, dass jeder der ein paar Notlügen in seinem Leben benutzte auch gleich in die Hölle kam, oder zumindest seine Seele, aber Menschen die wirklich grausame Verbrechen begangen hatten, oder aber durch nen dummen Zufall sich verflucht hatten (hierbei musste ich sofort an die Jungs denken), deren Seelen kamen in die Hölle. Von Erzählungen her wusste ich, dass die Seelen welche in den Himmel kamen als Menschen wiedergeboren wurden, bei uns blieben die Seelen einfach in Siegeln gefangen und wurden in der Seelenkammer verstaut. Dass die Seelen bei uns nur einen richtigen Nutzen hatten lag daran, dass die Dämonen grundsätzlich ohne Seele geboren wurden. Es gab ein paar Fälle von Dämonen die sich eine Seele kaufen wollten, denn wenn sie eine Seele besaßen, dann konnten sie als Mensch wiedergeboren werden oder sich in einen Menschen ihrer Wahl und ein friedliches Leben auf der Erde führen. Doch der Preis für eine Seele war sehr hoch und daher nicht wirklich tragbar für einen Dämon aus dem Außenbezirk. Was die Dämonen in meinem Stand anging, so dachten diese noch nicht einmal daran, sich eine Seele kaufen zu wollen, da sie mit ihrem normalen Leben zufrieden waren. Menschen waren schwach und für die Dämonen einfach nur eine Futterquelle, also warum sollte man sich freiwillig zu einem Opfer machen, indem man die Bedingung erfüllte, um eine Seele zu bekommen? Es gab jedoch auch gelegentliche Ausnahmen. Dämonen, welche schwerwiegende Regeln brachen wurden zwanghaft in einen Menschen verwandelt und erhielten eine noch grausamere Strafe als den einfachen Tod. Sie wurden in die Zuchthäuser gesteckt und dienten dem Volk als Essen. Und diese Menschen starben wahrlich keinen angenehmen Tod, wie ich hörte. „Was willst du mit dem Schlüssel für die Seelenkammer?“, fragte Devas verständnislos und blickte mich fragend und irritiert zugleich an. Ich wich seinem Blick knapp aus, doch er konnte sich schon sofort denken, was ich darin wollte. „Bist du denn des Wahnsinns? Du willst dir doch nicht etwa-“, begann Lamia zu wettern, doch ich unterbrach sie. „Ich will keine“, antwortete ich nur und seufzte dann noch einmal. „Also gut. Ich werde mich um Jaromier kümmern, dafür bekomme ich den Schlüssel und meine Leute können hier bleiben und sind sicher. Deal?“ Ich blickte in die Runde und erhielt ein widerwilliges Nicken allerseits. Jetzt hieß es nur noch einen guten Plan überlegen und dann war alles perfekt. Pira: Diese komischen Wächter, welche uns zuvor aus Hisii’s Haus eskortiert hatten, führten uns durch einen langen, steinigen Gang und blieben irgendwann vor einer Tür stehen. Das musste Rel’s Zimmer sein, wenn mich nicht alles täuschte. Einer machte die Tür auf und deutete uns mit einer einladenden Geste den Raum zu betreten. Wir taten wie uns geheißen wurde und traten staunend ein. Wenn Rel wirklich all die Jahre gezwungen war in diesem Zimmer zu leben, dann konnte ich auch so langsam verstehen, warum er nicht zurück wollte. Diese Einrichtung war alles andere als Modern, aber was erwartete man auch von einer Festung die aus Felsen bestand? Irgendwie passte es aber auch genauso in das Bild, was ich von der Hölle bekommen hatte. Der Außenbezirk, in welchem wir noch bis vor ein paar Stunden waren, bestand aus lauter Ruinen und war dreckig und verstaubt gewesen. Klar, als wir in Hiisi’s Haus eingetreten waren, hatten wir feststellen müssen dass diese Ruinen mit einem Zauber belegt waren und wirklich mehr Schein als Sein waren, aber die modernste Technologie konnte man hier wahrlich auch nicht erwarten. „Wow, irgendwie tut Rel mir schon ein bisschen Leid“, meinte Pey und ließ sich auf Rel’s großes Bett fallen. Staub wirbelte auf und er musste leicht husten. „Ich fühl mich wie im Mittelalter gefangen“, jammerte Baka und besah sich seine Umgebung mitleidig. „Da gefiel mir die Kellerwohnung ja noch um einiges besser“, witzelte mein Bruder und wischte mit einem Finger über einen stehenden Kerzenhalter und besah sich prüfend die Staubschicht. „Also Sauberkeit und Hygiene ist hier bestimmt auch ein Fremdwort“, meinte ich und setzte mich nun auch auf Rel’s Bett. Anna hatte es sich auf Pey’s anderer Seite gemütlich gemacht und blickte sich auch etwas im Zimmer um. Viel gab es hier jedenfalls nicht zu sehen. Als die Tür aufging unterbrachen wir alle unsere Gedankengänge und richteten unsere volle Aufmerksamkeit auf den Eindringling. „Das war ganz schön knapp“, meinte der Blondhaarige leicht beschämt und schloss seine Zimmertür. „Weißt du eigentlich, was ich für ne scheiß Panik bekommen hab?!“, fuhr Baka ihn sofort an. „Es tut mir leid!“ Rel hob abwehrend die Hände nach oben und schmiss sich von der anderen Seite auf sein Bett. Wieder wurde etwas Staub aufgewirbelt. „Meine Güte, hier wurde echt nicht sauber gemacht, als ich die ganze Zeit weg war“, jammerte er und schloss die Augen. „Das wird wohl deine geringste Sorge sein. Was machen wir denn jetzt und wann können wir wieder nach Hause?“, fragte Pey und drehte sich zu dem Dämon um. „Das wird noch eine Weile dauern, schätze ich“, murrt er und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Ich will aber nach Hause“, jammerte Baka erneut und erhielt eine Kopfnuss von Bana. „Dein Gejammere geht mir auf den Sack. Halt doch einfach einmal deine Schnauze!“, fuhr er ihn genervt an. „Was soll das heißen? Wie lange dauert es denn?“, erkundigte sich der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen. „Naja, dafür dass meine Geschwister mir geholfen haben, erwarten sie nun eine Gegenleistung von mir. Sie wollen, dass ich Jaromier töte, dann lassen sie uns gehen“, erzählte er und ich riss erstaunt und besorgt zugleich die Augen auf. „Wen?“ „Meinen Bruder. Der mit den Dreadlocks“, erklärte der Blondhaarige und stand nun mit einem Schwung auf und lief in seinem Zimmer hin und her. „Deine Geschwister wollen, dass du deinen Bruder umbringst? Was seid ihr denn für eine verkorkste Familie?“ Ich schüttelte den Kopf und stütze diesen dann auf einer Hand ab. „Das dauert zu lange um es ausgiebig zu erklären. Das Beste wird es sein, wenn wir alle erstmal richtig schlafen. Ich lasse euch ein paar Zimmer fertig machen und dann reden wir morgen weiter. Der silberne Mond geht bald auf. Das heißt dass es bald Abend ist.“ Daraufhin verließ er wieder den Raum und ließ uns verdattert zurück. Gab es gerade nichts Wichtigeres zu besprechen, als sich über Schlafmöglichkeiten zu erkundigen? Wie konnte er in so einer Situation nur so ruhig bleiben? Kapitel 27: Die Ruhe vor dem Sturm ---------------------------------- Die Ruhe vor dem Sturm Rel: Ich musste nicht lange suchen und fand auch gleich eine Bedienstete. Sie war ein niedergestellter Dämon, dass konnte ich an ihrem Halsband erkennen, welches sie trug. Dämonen die nur leichte Verbrechen begangen hatten wurden entweder in den Kerker geworfen und mussten dort ihre Strafe absitzen, oder sie mussten als Sklaven in der Festung arbeiten. Sie hatte längere rotbraune Haare und grüne, katzenartige Pupillen. „Ich brauche drei Zimmer in denen mein Gefolge schlafen kann“, lies ich sie wissen und sie nickte nur schüchtern. Ich schätzte mal, dass ihr Wille über die Jahre so ziemlich gebrochen wurde und sie jetzt einfach alles so hinnahm, wie man es ihr sagte. So war es mit den meisten Sklaven hier bei uns. Sie waren willenlose Puppen die alles machten, was man ihnen befahl. Schnell huschte sie den Gang entlang, um meinen Anweisungen nachzukommen und ich konnte wieder in mein Zimmer zurückkehren. In meinem Zimmer wieder angekommen ließ ich einen lauten Seufzer verlauten. „Man, man, man… das war echt die zwei anstrengendsten Wochen in meinem Leben“, verkündete ich und ließ mich erneut auf mein Bett neben Anna, Pey und Pira fallen. „Zwei Wochen? Ehrlich? Ich hab das Gefühl dass wir schon ewig in dieser Situation stecken“, fügte Baka hinzu und setzte sich auf den Boden vors Bett. Bana tat es ihm gleich und ließ sich neben ihm herabgleiten. Der einzige der noch stand war Piwi, welcher uns einen Moment musterte. „Und was willst du jetzt wegen deinem Bruder machen?“, fragte er mich dann mit verschränkten Armen vor der Brust, nachdem wir alle einen Moment der Stille genossen hatten. „Keine Ahnung“, schnaufte ich in mein Kissen und schloss die Augen. Es musste doch irgendwas geben, was mir bei meinem Jaromierproblem helfen könnte. „Ich wünschte, Anna könnte diesen Boomeffekt nochmal machen, dann würde er einfach verrecken“, dachte ich laut nach und das Mädchen neben mir zuckte kurz zusammen. „Kann sie aber nicht“, antwortete Pey für sie und zog die Braunhaarige ein Stückchen enger an sich. „Ja, aber es wäre praktisch“, seufzte ich und dachte weiter nach. „Wäre es nicht vom Nachteil, wenn sie, sollte sie diese Macht kontrollieren können, diese hier einsetzen würde? Itinier meinte doch dass er ihre Kräfte extra unterdrückt hat, weil er sonst selbst verurteilt wird. Kleriker sind doch hier das Schlimmste was passieren kann. Außerdem wärst du dann doch ein Verräter, weil wir Anna mit uns herumschleppen“, warf Bana dann ein und ich raufte mir die Haare. „Er heißt Sammael! Und ja, das wäre es. Man, es muss doch irgendeinen Weg geben.“ „Wenn Anna das was sie da mit euch gemacht hat nochmal machen würde, würden wir dann nicht auch davon getroffen werden und der Rest deiner Familie auch? Dann ständen wir wieder am Anfang von dem ganzen Trubel“, bedachte Pira schräg von mir und ich drehte meinen Kopf zu ihm. „Wir könnten ja weit genug weggehen.“ „Und sie mit so einem Kerl alleine lassen? Der Typ hat dir gedroht, dass du nicht mehr lebend von hier wegkommen wirst. Bist du nur bescheuert?“, fuhr Pey mich an und ich verdrehte nur genervt die Augen. „Warum unterhalten wir uns eigentlich darüber? Es geht doch eh nicht…“, warf Baka ein. „Ich bin auch noch anwesend“, murmelte Anna an Peys Brust etwas beleidigt, weil wir die ganze Zeit so über ihren Kopf hinweg sprachen. „Ja komm, sei leise“, maulte ich sie an und erhob mich schwermütig. „Wenn du nicht gewesen wärst, dann wären wir nie hier gelandet.“ Ich blickte sie mit einem düsteren Blick an und erntete nur einen ebenso bösen Blick von dem Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen. „Lass deine schlechte Laune nicht an ihr aus. Es ist halt alles so gekommen wie es jetzt gekommen ist und ändern können wir eh nichts mehr. Überleg dir mal lieber nen guten Plan“, fuhr Pey mich an und stützte sich auf seine Unterarme. „Reg dich nicht so auf. Er hat ja recht“, meinte das Mädchen und drückte den Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen sanft wieder auf das Bett zurück. Sie hatte ja Recht, er sollte sich auch noch ein bisschen Ausruhen nach den ganzen Turbolenzen in den letzten Tagen. Eigentlich wäre es auch besser, wenn ich mich auch ausruhen würde, aber das konnte ich ja noch früh genug machen, wenn alle auf ihren Zimmern waren. „Ist jetzt eh egal. Ach so und nur damit ihr es wisst: Ich habe euch drei Zimmer fertigmachen lassen. Wie ihr euch darauf aufteilt, ist mir schnuppe. Hauptsache jeder pennt irgendwo und gut ist.“ „Dann wäre es am besten, wenn Piwi und ich ein Zimmer nehmen“, meinte Pira und sprach somit für sich und seinen Bruder. „Baka und ich werden dann auch eins nehmen“, meinte Bana und bekam nur ein zustimmendes Nicken von seinem Sitznachbarn. „Bleiben dann wohl nur noch wir beide übrig“, brummte Pey noch mit seiner angesäuerten Stimmung. Sicherlich war er froh über die Zimmerverteilung, aber er war halt noch sauer auf mich. Sollte er doch machen wie er meinte. „Bis morgen wird mir schon irgendwas eingefallen sein“, meinte ich dann noch und ging zur Tür um nachzusehen, wie weit die Zimmer waren. Gerade als ich dir Tür öffnen wollte, klopfte es auch schon und ich öffnete dem Ankömmling, jedoch war es nicht die Bedienstete. Ohne auf eine Einladung zu warten trat Indra, der zweitälteste von uns allen ein. „Guten Abend“, grüßte er meine Freunde, welche ihn nur stumm anstarrten. „Scheint, als säße der Schock noch“, meinte er und wandte sich dann an mich. „Mach ja keinen Blödsinn damit. Wenn du drin warst, will ich den Schlüssel sofort wieder haben. Und geh so bald wie möglich rein. Vater wird merken, dass der Schlüssel weg ist.“ Der Silberblauhaarige sah mich mit einem ernsten Blick an. „Ja, ich werde das noch heute Abend erledigen, dann bekommst du den ihn morgen früh wieder“, antwortete ich gehorsam und nahm das glänzende Etwas an mich. „Gut so. Dann gute Nacht. Devas lässt die Wachen vor den Kammern deines Gefolges verdreifachen und zusätzlich versiegeln. Du siehst, wir halten unsere Seite der Abmachung.“ Ich nickte noch einmal dankbar, dann ging er wieder. „Wer war das?“, durchbrach Baka zuerst die Stille. „Indra. Der Zweitälteste nach Jaromier“, beantwortete ich die Frage und besah mir den Schlüssel in meiner Hand. Schien wohl so, als würde ich heute kein Auge zubekommen. „Und was meinte er mit Devas und Wachen verdreifachen?“, wollte Bana wissen. „Ihr seid sozusagen eine Zielscheibe momentan. Daher habe ich meine Geschwister gebeten, euch vor Jaromier zu beschützen. Und da Devas, der Viertälteste von uns der Oberbefehlshaber der Krähen ist, hat er eure Sicherheit zu verantworten“, klärte ich ihn und auf die anderen auf. Es klopfte erneut an der Tür und ich öffnete sofort. Es war die Bedienstete welche mir mitteilte, dass die Zimmer fertig waren. Ich nickte anerkennend und schloss wieder die Tür. „Dann werde ich euch mal zu euren Zimmern bringen“, verkündete ich mit meiner Hand an der Türklinke und erntete nur ein schwermütiges Aufseufzen von allen, weil sie sich Aufbequemen mussten. „Noch ein kleiner Tipp: es wäre gut, wenn ihr einfach stillschweigend alles hinnehmt was ich sage, sonst könnte es weitere Probleme geben. Ihr seid Unreine und wenn ihr auch noch aufmüpfig werdet, dann seid ihr bei allen ganz schnell unten durch. Außerdem ist es Gang und Gebe, sein Gefolge zu töten, wenn es nicht spurt. Ihr seid sozusagen zu allem verpflichtet, was ich euch sage“, klärte ich meine Freunde über die Regeln am Hof auf. „Das ist doch ein schlechter Scherz“, meinte Pey abschätzig. „Nein, ist es nicht. Also: wenn wir außerhalb von meinem Zimmer sind, dann habt ihr zu gehorchen!“, betonte ich meine Worte erneut. „Jetzt reg dich mal nicht so auf“, meinte nun auch Pira. „Ab jetzt heißt es, Majestät“, murrte ich und drückte die Klinke herunter. Draußen warteten schon bereits einige Krähen darauf, mein Gefolge zu seinen Zimmern zu geleiten. „Meister Devas hat uns angewiesen auf die Untertanen achtzugeben, Majestät“, krächzte eine Wache vor mir und ich blickte ihr nur kalt entgegen. „Und wehe ihr haltet nicht euer Wort. Es wird niemandem auch nur ein Fünkchen Gnade gewährt, sollte ihnen nur ein Haar gekrümmt werden!“, sprach ich laut und bekam ein einheitliches ‚Jawohl, Majestät!‘ zurück. Auf dem Rückweg zu meinem Zimmer seufzte ich erleichtert auf. Alle waren sicher untergebracht, also konnte Jaromier ihnen nichts anhaben. Davon ging ich auf jeden Fall von aus. Devas hatte bestimmte Krähen für die Überwachung ausgewählt, also musste ja auch was dahinter stecken. Gerade als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnen wollte erinnerte ich mich wieder an den Schlüssel in meiner Hosentasche. Langsam zog ich ihn hervor und betrachtete ihn abschätzig. Ich kam wirklich nicht drum herum, noch den heutigen Abend zu nutzen und nach dem zu suchen, weswegen ich den Schlüssel haben wollte. Also machte ich auf dem Absatz kehrt und schlug den Weg zum unterirdischen Gang an, welcher quer kreuz und quer unter der Festung verlief. Ich musste an einigen Kerkerzellen vorbei um endlich nach einer gefühlten Ewigkeit vor einer großen stabilen Tür stehen zu bleiben. Es war eigentlich nur eine Holztür, doch sie war mit einem Zauber belegt, der sie stabiler werden ließ, als sie war. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und trat ein, nachdem ich noch einmal tief Luftgeholt hatte. Der Raum schimmerte in einem sanften Türkis und erstreckte sich einige Meter weit nach hinten in die Ferne. Auf meiner rechten und linken Seite standen je zwei lange Reihen von Regalen in welchen lauter Lederbücher standen. Von ihnen ging dieses komische Leuchten aus, welches den Raum erhellte. Zu meiner linken stand ein kleines Podest auf welchem ein paar Kerzen standen. Ich erklomm die Stufen und stellte mich hinter das Lesepult, welches sich auf dem Podest befand. Dort schloss ich die Augen und sammelte meine Gedanken. Ich erinnerte mich an den Tag, an dem alles seinen Lauf genommen hatte. An den Tag, an dem ich den Jungs die Chance auf ein normales Leben genommen hatte. An den Tag, an dem ich sie getötet hatte… „Veni ad me…“, murmelte ich und sammelte meine Kraft. Immer und immer wieder murmelte ich die Worte, bis sich auf einmal ein Klacken vernehmen ließ. Um mich herum begann sich etwas zu bewegen und ein Windstoß wurde mir entgegen gewirbelt. Ich öffnete meine Augen und erblickte vor mir ein dickes, in Leder eingebundenes Buch. Der Verschluss war bereits geöffnet, also konnte ich es einfach aufklappen. Hätte ich nicht aufgepasst, dann wären mir beinahe alle losen Blätter entgegengefallen, doch ich konnte sie gerade so noch auffangen. Als ich erkannte, um wie viele Blätter es sich handelte, welche ich durchsehen musste, rieb ich mir schon angestrengt die Augen. Das wird sicherlich die ganze Nacht dauern… Ich dachte jedoch nicht weiter darüber nach und begann mich durch die Papiere zu blättern. Ein Glück waren sie nach dem Datum geordnet, also musste ich nur zu dem Monat vor blättern. Das wurde mir aber nach ein paar Minuten schon zu anstrengend, also ließ ich meine Hand über den Blättern ruhen und nutze ein wenig Magie, damit es schneller ging. Es dauerte einige Zeit, bis ich in dem richtigen Monat und dann auch noch an dem richtigen Tag ankam. Ich hatte echt nicht erwartet, dass in einem Jahr so viele Seelen hier eintrafen. Glücklicherweise hatte jedes Jahr sein eigenes Buch, teilweise sogar zwei Bücher, wenn zu viele Seelen eingetroffen waren. Gelangweilt blätterte ich weiter und las mir alle Namen durch. An einem einzigen Tag konnten doch nicht ernsthaft so viele Seelen in die Hölle wandern. War dieser Tag irgendwie verflucht gewesen?! Innerlich konnte ich ja über diesen flachen Witz nur die Augen verdrehen. Verflucht, welche Ironie. Beinahe hätte ich die Suche wirklich aufgegeben, doch da fiel mir ein allzu bekannter Name auf: Hyska Justin. Das ist doch Baka’s richtiger Name, oder? Doch… Justin war sein Name. Das muss er sein! Gleich dahinter kamen die anderen Namen. Kijen Devin, Kijen Samuel, Lowvon Damien und Mousan Luka. Ich hatte sie gefunden. Endlich! Schnell sammelte ich die Zettel zusammen und wollte gerade das Buch wieder zuklappen und zurückschicken, als mir die Seite nach Luka herunterfiel. Meine Augen weiteten sich schlagartig. Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso war er auch hier? Traymen Greg Pira: Nachdem Rel uns zu unserem Zimmer gebracht hatte, hatten Piwi und ich uns auch schon gleich auf das Bett geschmissen. Es war genauso weiß wie das von Rel, anscheinend gab es bei den Betten hier nicht wirklich einen großen Unterschied von der Herstellung. Ich wunderte mich eh, wie und wo die ganzen Sachen hier hergestellt wurden. Teilweise erinnerte es mich wirklich an das Mittelalter, aber ich bezweifelte dass sich die Hölle ein Beispiel an einer Epoche der Menschen genommen hatte. Vielmehr hätte es ja eher umgekehrt sein müssen, da die Hölle schon um einiges länger existierte, als die Erde, oder? Naja, wir waren durch ein Portal gereist, also mussten wir uns ja in einer anderen Dimension befinden. Aber… die Dämonen mussten ja auch schon vorher irgendwas oder eher irgendwen als Futterquelle gehabt haben… Gab es die Menschen vielleicht schon länger, als es die Erde gab? In meinem Kopf drehte sich alles, hatte ich doch tatsächlich angefangen herum zu philosophieren. Nach den letzten Tagen war das denke ich einfach die Kirsche auf dem Sahnehäubchen gewesen, die mir schlussendlich Kopfschmerzen bereitete. Nachdem wir einen Moment in aller Stille so herumgelegen hatten stand mein Bruder wieder auf und erkundete den Raum. An einer gegenüberliegenden Wand befand sich eine schmale Holztür und ich fragte mich nun auch, wo sie hinführte. Piwi schien das gleiche zu denken, denn er schritt nun zielstrebig auf die Tür zu und öffnete diese. „Eh“, entkam es ihm nur und ich zog eine Augenbraue hoch. „Was ist?“, fragte ich, aber er antwortete nicht, sondern ging einfach in den Raum. „Holy Shit!“, schrie er auf einmal auf und ich sprang sofort auf, um zu sehen, was los war. „Was ist denn?“, fragte ich erneut und betrat nun auch. Okay, das war nun wirklich nicht das, was ich erwartet hatte. „W-wir haben ein fucking Badezimmer! Und dann auch noch eine funktionstüchtige Dusche!“, heulte er beinahe auf, als er den Wasserhahn aufdrehte und warmes Wasser herauskam. „Ich hasse diese scheiß Magie!“, sagte ich nur und stampfte Richtung Ausgang. Dort blieb ich einen Moment noch einmal verdutz stehen und besah mir die Toilette. Sie wirkte so normal, so… modern?! Es sah hier aus wie in einem einbruchssicheren Gebäude, der Staub sammelte sich meterhoch in den Zimmern, aber wir hatten natürlich ein perfekt eingerichtetes Bad mit einer beschissenen Dusche und sogar einer anständigen Toilette? Warum konnte nicht alles normal eingerichtet sein?! „Ich geh zuerst duschen!“, ließ mein Bruder verlauten und warf mich aus dem Raum. Ich brummte daraufhin nur und warf mich wieder aufs Bett. Die hätten hier doch alles so schön haben können, wenn diese Festung einfach nur moderner eingerichtet wäre. Aber nein, man bestand ja, bis auf ein paar Ausnahmen, auf diesen Retrolook nach Mittelalter! Gelangweilte blickte ich mich von meiner Position aus um und entdeckte einen Kleiderschrank in einer Ecke. Neugierig stand ich wieder auf und öffnete die Türen. Der Schrank war vollgestopft mit Hemden in lauter Weiß- und Grautönen und dann noch diesen komischen Leinenhosen, welche auch Hiisi bei sich zu Hause hatte. Auf dem Boden des Schrankes standen ultra unbequem aussehende Schuhe aus einer Art Leder. Wie konnte man in diesen Latschen denn bitte herumlaufen, ohne sich Blasen zu laufen? Ich blickte an mir herunter und zog abschätzig die Luft ein. Meine Schuhe waren noch Recht okay, wenn an mal davon absah, dass sie total voller Erde und anderem Dreck waren. Dieser Fußweg durch Regno tenebrarum hatte meine Schuhe echt in Mitleidenschaft gezogen. Meine Klamotten hingegen waren auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Angewidert blickte ich nun an mir herunter. Wie lange war ich denn bitte schon mit dem ganzen Zeug herumgelaufen, ohne mich mal anständig zu Waschen oder so? Das wäre mir vorher nie im Leben eingefallen! Bis Piwi wieder herauskam dauerte es seine Zeit. Er hatte sich ein Handtuch, welches er im Badezimmer gefunden hatte, um die Hüfte gebunden und rubbelte mit einem anderen seine Haare trocken. „Das tat guuuut~“, seufzte er in einem wohlfühlenden Ton und kam zum Bett. „In dem Schrank sind Klamotten“, ließ ich ihn wissen und machte mich dann selbst mit einem Stapel Klamotten auf ins Bad. Eine warme Dusche würde mir jetzt auch sehr guttun. Seufzend trat ich aus dem Bad und streckte mich erst einmal ausgiebig. „Das tat gut“, raunte ich und ließ meine Nackenwirbel knacken, weil ich meinen Hals nach rechts und links drehte. Piwi hatte sich bereits ins Bett gelegt, hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig und gleichmäßig. „Schläfst du schon?“, fragte ich, als ich näher zum Bett trat und mich auf die Bettkante setzte. „Ne“, antwortete er und drehte sich zu mir. „Bist du noch sauer?“, wollte er wissen und ich drehte mich zu ihm um. „Weswegen? Wegen der Sache bei Pey in der Wohnung?“ Mein Bruder nickte sacht. „Nein… Ich schätze meine Nerven lagen einfach nur blank und ich war total mit der Situation überfordert.“ Ein erleichterter Gesichtsausdruck breitete sich bei ihm aus und er begann zufrieden zu lächeln. „Ich hätte sowas nie zu dir sagen dürfen… Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich. „Vergeben und vergessen“, lachte er und legte sich wieder bequemer hin. Ich dagegen schlüpfte nun auch unter die warme Decke und atmete zufrieden aus. Endlich war das zwischen uns geklärt. Es wäre wirklich zu dumm gewesen, meinen Bruder wegen so eines lächerlichen Streits zu verlieren. Die Wut auf Rel war auch schon längst verblasst. Er hatte bestimmt seine Gründe für sein Handeln gehabt und das musste ich respektieren. Bana: „Oh mein Gott! Da ist ein BAD!!!“, rief Baka hinter der Tür hervor und freute sich wie ein kleines Kind. „Shotgun! Ich geh zuerst duschen!“ Ich stellte sofort einen Fuß in die Tür, als er diese gerade zuknallen wollte. „Spinnst du? Warum solltest du zuerst gehen?“, fragte ich herausfordernd und begann die Tür wieder aufzudrücken. „Eh? Ich habs zuerst gefunden?!“ „Na und? Das gibt dir doch nicht das Recht dazu, zuerst zu gehen!“ „Aber du sollst vor mir dürfen? Am Arsch! Du wartest!“, maulte er und schubste mich dann zurück. „Bastard!“, fauchte ich die Tür an und trat einmal dagegen. „Spasti!“, hörte ich seine dumpfe Stimme hinter der Tür und dann vernahm ich, wie der Wasserhahn aufgedreht wurde. Wenn der Wichser das ganze warme Wasser verbraucht, dann setzt’s was! Baka ließ sich extra viel Zeit, damit ich so langsam zur Weißglut kochte. Als er dann seinen ersten Fuß vor die Tür setzte warf ich ihm sogleich ein frisches Hemd entgegen. Er schnappte erschrocken nach Luft, hatte anscheinend nicht damit gerechnet. „Was? Wo hast du das her?“, wollte er wissen und ich nickte nur zum Kleiderschrank in der Ecke. „Geil! Das is ja voll das Hotel hier“, lachte er. Wie konnte man nur so dumm und unbesorgt sein? Er hatte sich die Jahre über echt nicht verändert. „Ich wär mir da nicht so sicher“, brummte ich und schob mich an ihm vorbei ins Bad. Es war einfach so warm wie in einer Sauna, als mir der ganze Dampf entgegen flog. Baka verließ das Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Ich merkte schon, wie all die Anspannung von mir flog, als ich mich meinen dreckigen Klamotten entledigte und in die Dusche stieg. Kaum zu glauben, dass erst zwei Wochen um waren, dabei war so viel passiert. Ich fragte mich schon die ganze Zeit, wie es wohl gewesen wäre, wenn wir an diesem Abend in eine andere Bar gegangen wären. Vielleicht war es wirklich Schicksal gewesen, so wie es bis jetzt gekommen war, aber eigentlich glaubte ich an so etwas nicht wirklich. Ein prasselnder Regen breitete sich auf meine Haut aus, als ich den Wasserhahn aufdrehte. Es tat wirklich gut, sich endlich mal von dem ganzen Dreck zu reinigen. Mit meinen Händen fuhr ich mir langsam durch meine schwarzen Haare mit den roten Strähnen. Mein Leben wäre wirklich total ereignislos gewesen, wenn wir nicht zu dem geworden wären, was wir jetzt waren. Klar, ich vermisste ab und an meine Familie, aber über die Jahre war ich in der Hinsicht ziemlich abgestumpft. Was niemand von meinen Freunden wusste war, dass ich einige Monate nach unserer Verwandlung mich im Internet erkundigt hatte, was die Medien über unser Verschwinden wussten. Herausgefunden hatte ich nur, dass man von uns allen Blut am Tatort gefunden hatte und Gregs Leiche. So wie sie ihn gefunden hatten, ging man zu dem Zeitpunkt davon aus, dass sich ein paar Wölfe oder andere wilde Tiere in der Lagerhalle versteckt hatten. Eigentlich war es total absurd, dass man davon ausging dass ein paar Tiere sich die alte Halle als Unterschlupf auserwählt hatten, aber andererseits war es für die Anwohner, Polizisten und Familien die einfachste Erklärung gewesen. Man hatte uns einfach so für tot erklärt, auch wenn man nie unsere Leichen gefunden hatte. Ein paar andere Beiträge hatten mir auch gezeigt, dass die Suche nach uns zwar noch eine Weile im Gange gewesen sei, aber nach dieser aussichtslosen Suche, hatte man es irgendwann abgebrochen. Wie meine Eltern mit meinem Tod wohl verkraftet hatten, konnte und wollte ich mir gar nicht vorstellen. Dass ich sie nie wiedersehen würde, war für mich anfangs erst eine Erleichterung gewesen, weil wir uns oft gestritten hatten… aber nach einiger Zeit hatte ich angefangen sie zu vermissen. Aber was hatte man auch schon von uns erwartet? Ich waren damals erst 13 gewesen, Piwi sogar noch jünger, also wie sollte man von jetzt auf gleich damit klarkommen, dass man sein altes Leben hinter sich lassen musste? Ich hatte schon einige Male mit dem Gedanken gespielt, von Pey und den anderen abzuhauen und nach Hause zu laufen, aber schlussendlich hatte ich zu große Angst gehabt, dass ich meiner Familie irgendwas antuen könnte. Außerdem… wenn ich nach ein paar Jahren auf wundersame Weise einfach so wieder aufgetaucht wäre, dann hätten sich die Medien auf mich gestürzt und hätten wissen wollen, was alles passiert war und wo die anderen waren. Es wäre nicht unentdeckt gewesen und hätte Rel es herausgefunden, dass ich die Fliege gemacht hätte dann hätte ich dem Gras von unten beim Wachsen zusehen können. Ich seufzte auf, als ich den warmen Wasserstrahl zum versiegen brachte und aus der Dusche trat. Ich konnte das Prasseln noch deutlich auf meiner Haut spüren, als ich mich abtrocknete. Als ich mir meinen Oberkörper abtrocknete hielt ich einen Moment inne und betrachtet das Tattoo auf meiner linken Brust. Es war nichts Besonderes, aber es war nun einmal da. Die ‚Brandnarbe‘ unseres Daseins. Früher fand ich Tattoos immer ganz cool und wollte unbedingt eins haben, aber dieses hier erinnerte mich immer daran, wer ich jetzt war und dass ich eigentlich tot war. Pey: „Oder wir könnten zusammen gehen“, meinte ich einen Moment später. Ich hatte mich gegen den Türrahmen gelehnt und betrachtete das Mädchen vor mir, welches einen rosafarbenden Schimmer auf den Wangen hatte. Ihre Augen hatten sich minimal bei meinem Angebot geweitet, konnte sie sich denken, worauf ich es abgezielt hatte. Nachdem Rel uns in unser Zimmer gebracht hatte und uns gezeigt hatte wo wir was finden würden, hatten wir uns gleich in Richtung Bad begeben. „Ach Mist, jetzt hab ich vergessenen den anderen Bescheid zu sagen, dass sie ein angrenzendes Bad haben. Naja, sie werden es schon finden“, meinte Rel, nachdem er noch einen Moment bei uns im Zimmer gestanden hatte. „Schlaft auf jeden Fall erst einmal in Ruhe. Ich werde euch und die anderen morgen dann abholen und in den Speisesaal bringen.“ „Mit deiner Familie Frühstücken? Wie harmonisch“, brummte ich und verdrehte die Augen. „Bist du dumm? Das würde ich nie machen. Es sei denn, mein Vater besteht darauf, wovon ich jetzt jedoch nicht ausgehe“, meinte er kopfschüttelnd. „Na dann, gute Nacht“, antwortete ich und warf ihn damit indirekt aus dem Zimmer. „Ja, gute Nacht“, murmelte er und verschwand aus der Tür. „W-wenn du meinst“, sagte sie etwas schüchtern und drehte sich von mir weg. Ein leichtes Schmunzeln stahl sich auf meine Lippen. Daraufhin löste ich mich von meiner Pose und schloss die Tür hinter mir. Anna stand stocksteif da und wusste nicht, wie sie anfangen sollte. „Alles okay?“, fragte ich, als ich zu ihr getreten war und meine Hände auf ihre Schultern legte. Sie nickte nur, stand aber weiterhin mit dem Rücken zu mir. „Es ist nur…“, begann sie und ich horchte auf. „…Komisch?“, beendete ich den Satz für sie und endlich drehte sie sich um. Ihr Gesicht war leicht rosa und ihre Augen wirkten etwas unsicher. Wo war nur ihre direkte Art hin, welche sie mir noch zuvor an meinem Krankenbett gezeigt hatte? „Ein bisschen?!“, meinte sie und ich begann zu grinsen. „Nur, weil wir jetzt wissen was wir füreinander empfinden? Was soll daran komisch sein?“ „Naja,“, begann sie, „als wir uns das erste Mal getroffen haben, war ich angetrunken.“ Ich lachte kurz auf. „Und das ist jetzt schlimm? Du hast mich schon nackt gesehen, also warum sollten wir nicht zusammen duschen?“ Sie blies ihre angestaute Luft aus und sah mich dann etwas ernst an. „Mein letzter Freund war ein Arsch und war nur mit mir zusammen, weil er mit mir schlafen wollte. Daher..“ „Wow, mach mal halblang. Denkst du echt dass ich dich nur aus dem Grund liebe? Was denkst du denn von mir?“, schmollte ich gekünstelt und blickte beleidigt auf die Seite. „So meinte ich das nicht“, wehrte sie sofort ab und erhob ihre Hände. Ein schelmisches Grinsen legte sich auf meine Lippen. „Oder kann es sein, dass du dich im nüchternen Zustand nicht traust?“, stichelte ich sie an. Sie blickte daraufhin etwas grimmig drein, presste ihre Lippen zusammen und begann sich auszuziehen. Eh… das sollte doch nur ein Scherz sein… Als sie dann so komplett entblößt vor mir stand musste ich kurz schlucken. „So einfach geht das? Ich muss dich nur ein bisschen ansticheln und du ziehst dich aus? Das sollte ich mir merken“, lachte ich und erhielt einen Faustschlag gegen die Brust. Dann drehte sie sich um und stapfte zur Dusche. „Warte“, meinte ich noch und entledigte mich schnell meiner Klamotten um ihr zu folgen. Dieses Mädchen machte mich echt wahnsinnig! Kapitel 28: Schlachtplan ------------------------ Schlachtplan Rel: Total verschlafen öffnete ich die Augen, als es an meiner Tür klopfte. Ich blickte mit zusammengekniffenen Augen zu dem Störenfried, welcher sich nun selbst Zutritt zu meinem Zimmer beschaffen hatte und im Hoppsalauf auf mein Bett zugehüpft kam. „Aufstehen, Churel. Es gibt Früüüüühstück~“, flötete meine kleine Schwester und zog mir mit einem Ruck die Decke weg. „Lamia… lass mich schlafen“, meckerte ich und vergrub mein Gesicht im Kissen. Kaum einen Tag hier und schon ging sie mir wieder auf die Nerven. „Komm schon, du Miesepeter! Vater erwartet dich an der Tafel!“ Ich rümpfte die Nase, kennzeichnete so meinen Unmut. Warum war sie eigentlich so fröhlich und seit wann kam sie persönlich um mich zu wecken?! Irgendwas war doch faul an der Sache. „Du bist doch nicht nur hier um mich aus dem Bett zu schmeißen“, gähnte ich und richtete mich langsam auf. „Aber natürlich nicht“, flötete sie weiter und tanzte durch mein Zimmer. Verwirrt musterte ich das Mädchen mit dem Augentattoo auf der Stirn. Was ist denn mit der los?! „Und was willst du?“, wollte ich nun wissen und rieb mir die Augen. Danach streckte ich mich erst einmal ausgiebig. „Du wirst Jaromier für uns töten. Was Besseres gibt es doch gar nicht. Schon eine Idee wie du es anstellen willst? Willst du ihn vielleicht Köpfen oder so?“ Meine Augen weiteten sich sofort. „Du hast noch keinen Plan wie du‘s machen wirst, oder?“, fragte sie sofort, stemmte ihre Hände in die Seiten und sah mich abschätzig an. Ihre Stimme hatte schlagartig einen genervten Ton angenommen. „Es wurde doch gestern erst entschieden. Dräng mich doch nicht so. Denkst du etwa ich komme hier her und mir fällt sofort ein Schlachtplan ein?“ Sie kicherte kurz auf. „Hehe… SCHLACHTplan…“ Ich verdrehte nur die Augen. Ej… dieses Mädel… „Du solltest dich aber beeilen. Sonst tötet er dich, bevor du ihn töten kannst.“ Mit einer Handbewegung tat ich ihre Sorge ab. „Soweit wird’s nicht kommen. Mir wird schon was Gutes einfallen. Etwas das er verdient hat“, meinte ich mit einem diabolischen Unterton in der Stimme. „Seeeeehr gut~“, flötete die Rosahaarige wieder und lief wieder zur Tür. „Los, komm schon. Vater wartet!“ „Jaja, ich komme gleich.“ Damit gab sie sich zufrieden und verschwand aus meinem Zimmer. Anstatt mich jedoch aus dem Bett zu begeben, ließ ich mich wieder in meine Federn fallen und schloss die Augen. Nachdem ich gestern die Seelensiegel eingesammelt und mit mir genommen hatte, hatte ich fast die restliche Nacht wach in meinem Bett gelegen und überlegt. Wie konnte Greg’s Seele auch hier unten landen? Er war mausetot und hatte sich nicht verfluchen lassen. Oder aber… Der Fluch war auch auf ihn übergegangen, aber dadurch, dass wir ihn so zerfetzt hatten war er einfach da schon gestorben? Nein, das konnte nicht sein. Da sein Kopf noch auf seinen Schultern gesessen hatte, hätte er sich regenerieren müssen und dass hatte er definitiv nicht. Auf der anderen Seite… Wer sagte eigentlich, dass er sich verflucht haben könnte? Vielleicht war es auch einfach seine Bestrafung gewesen, weil er das Ritual durchgeführt und somit seine Freunde in den sicheren Tod geleitet hatte. Eine bessere Erklärung wollte mir einfach nicht einfallen. Es war auf jeden Fall komisch. Sollte ich den Jungs von meinem Fund erzählen? Nein, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Wenn ich ihnen jetzt von der Seelenkammer erzählte und dass ich ihre Seelen dort herausgeholt hatte, dann würden sie bestimmt wissen wollen, was ich mit ihnen vor hatte. Und dass konnte ich ihnen jetzt auch noch nicht sagen. Dann würden meine Geschwister es bestimmt irgendwie herausbekommen und keiner wusste, was sie mit diesen Informationen anfangen würden. Außerdem konnte ich das was ich vor hatte nicht hier machen. Es war einfach viel zu gefährlich! Piwi: Als ich meine Augen öffnete merkte ich sofort, dass mein Bruder sich die Nacht über die Decke angeeignet hatte. Er lag neben mir in der weißen, weichen Decke und sah aus, als wäre er in Zuckerwatte gehüllt. „Pira, rück die Decke raus“, murmelte ich und zog an einem Ende. „Mhm…“, schnaufte er, gab jedoch keinen Millimeter frei. „Gibt mir was von der verdammten Decke!“, maulte ich und rüttelte nun etwas fester. „Mom, lass mich schlafen“, murmelte er und vergrub sich noch ein Stückchen mehr unter der Decke. Ich hielt einen Moment inne und rieb mir verschlafen die Augen. Hatte ich mich gerade verhört, oder hatte er mich grade mit unserer Mutter verwechselt? Was ging denn mit dem ab?! „Pira“, begann ich erneut, doch da blickte er mich endlich mit seinen verschlafenen Augen an. „Was?“, fauchte er und wirkte etwas genervt. „Decke“, forderte ich erneut und endlich rollte er sich aus den Laken und gab mir wieder ein Stück ab. „Du hast von Mom geträumt?“, fragte ich einen Moment später und erntete nur einen verständnislosen Blick. „Ich hab was?“, fragte er, verstand nicht was ich von ihm wollte. „Du hast eben gesagt: Mom, lass mich schlafen“, rezitierte ich ihn und zog dabei eine Augenbraue hoch. Mittlerweile hatte ich mich wieder ins Bett gekuschelt und mich zu ihm gedreht. „Laber keinen Scheiß“, wehrte er ab und drehte mir den Rücken zu. Anscheinend hatte er wirklich noch halb geschlafen, als er das gesagt hatte. Konnte es etwa sein, dass er unsere Eltern vermisste? Kaum möglich, das hätte ich doch bemerkt… Oder? Pira: Zähneknirschend wendete ich mich ab und vergrub mein Gesicht in meinem Kissen. Warum sollte ich sowas gesagt haben? Wahrscheinlich war es eher ein Reflex gewesen, da mich unsere Mutter sonst immer aus dem Bett geworfen hatte. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Ich vermisse sie nicht. Ich habe lange damit abgeschlossen. Warum jetzt wieder alte Wunden aufreißen? Der Rothaarige hinter mir schwieg, was für mich ein gutes Zeichen war, dass er das Gespräch nicht weiter fortsetzen wollte. Es war auch besser so. Ich wollte mich nicht wieder mit ihm streiten. Er wusste, dass ich so oder so alles abstreiten würde. Plötzlich schreckte ich auf, als sich die Tür langsam öffnete. Schwarze Haare mit einem feuerartigen Verlauf in den Spitzen lugten zuerst durch den Türspalt, dann blickten uns gelbrote Augen entgegen. „Das Frühstück ist fertig“, ertönte auf einmal eine dunklere Stimme und ich sah den Jungen verwirrt an. Er sah kaum älter als 15 aus aber hatte schon so eine tiefe Stimme? Der war ja ganz schön früh in den Stimmbruch gekommen. „Und weiter?“, hakte ich nach, hatte ja keine Ahnung wer das war. Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber ich konnte mich einfach nicht erinnern, wer das sein sollte. „Sprich nicht so mit mir, Unreiner“, fauchte er regelrecht und stellte sich nun gänzlich in die Tür, sodass wir ihn sehen konnten. Er war kaum größer als Piwi, vielleicht auch so um die 1,68m bis 1,70m. „Das ist einer von Rel’s Brüdern“, hörte ich die Stimme von meinem Bruder hinter mir wispern und meine Augen weiteten sich. „E-entschuldigung!“, entschuldigte ich mich sofort. Rel hatte uns vor seinen Geschwistern gewarnt. Ich sollte es mir auf keinen Fall mit dem Kerl verscherzen. Er schnalzte nur abschätzig mit der Zunge und ging in Richtung Kleiderschrank. Dort wendete er uns den Rücken zu und durchsuchte die Schubladen. „Zieht euch an und macht euch im Bad fertig. Und zwar dalli. Mein Vater wartet nicht gerne“, befahl er uns und wir fielen beinahe schon aus dem Bett, weil wir uns so schlagartig beeilten. Als wir an ihm vorbeihuschen wollten, warf er uns je einen Bündel Kleider entgegen, welche er anscheinend gerade aus dem Kleiderschrank gezogen hatte. Wir beeilten und wirklich sehr und standen kaum fünf Minuten später fertig gestriegelt vor der Badezimmertür. Rel’s Bruder stand mit verschränkten Armen vor der Brust an der Zimmertür und blickte uns mit einem prüfenden Blick an. „Gehen wir“, meinte er einen Moment später, stieß sich von der Tür ab, wendete uns den Rücken zu und verließ den Raum. Wir folgten ihm sofort auf Schritt und Tritten, hatten ja keine andere Wahl als das zu tun, was er von uns verlangte. Bana: „Hatschi!“ „Gesundheit:“ „Danke“, bedankte ich und rieb mir die Nase. Urplötzlich schoss ich nach oben und sah erschrocken zu der fremden Stimme, welche mir geantwortet hatte. Ein kleines Mädchen mit langen, roten Haaren saß mit verschränkten Beinen am Ende unseres Bettes und beobachtete uns aus ihren großen, blauen Augen. „W-wer-“, begann ich, wurde jedoch sofort von ihr unterbrochen. „Pscht, sonst weckst du ihn noch auf“, kicherte sie und legte einen Finger auf ihren Mund. Verwundert blickte ich zur Seite und sah herab auf die Matratze. Dort lag Baka, seine Beine mit meinen verhakt und die Arme weit von sich gestreckt. Wahrscheinlich hatte er halb auf mir gelegen, bevor ich so aufgeschreckt war. „W-wie lange bist du schon hier?“, fragte ich und bekam schon langsam bedenken, dass ich die ganze Zeit beim Schlafen beobachtet worden war. Neben mir regte sich langsam etwas und Baka blickte mir verschlafen entgegen. „Jetzt hast du ihn aufgeweckt“, meinte das Mädchen mit belegter Stimme und hüpfte aus dem Bett in welchem Baka und ich geschlafen hatten. „Wer ist das?“, quiekte mein Bettnachbar sofort auf und krabbelte ein paar Zentimeter zurück im Bett, bis er aufstöhnend gegen das Bettende stieß. „Ich sollte euch zum Frühstück abholen“, meinte sie nun und bückte sich, um etwas vom Boden aufzuheben. Als sie sich wieder zu uns drehte, hielt sie eine Puppe in der Hand und blickte uns wieder aus ihren blauen Augen an. „Beeil euch, Vater wartet nicht gerne. Wir haben einiges an Zeit verloren!“ Als nächstes fasste sie die Puppe an einer Hand und schleifte sie während dem Laufen hinter sich her. Baka und ich sahen ihr noch einen Moment hinterher, bis sie an der Zimmertür ankam und sich wieder zu uns drehte. Plötzlich glühten ihre Augen auf und wir zuckten zusammen. „Fünf Minuten“, wies sie uns an und wir verschwanden eilig im Bad um uns fertig zu machen. Pey: „Hey, aufwachen, mein Hübscher“, erklang eine sanfte Stimme aus weiter Ferne. Verschlafen rieb ich mir mit einer Hand über die Augen und blinzelte ein wenig. Die verschwommene Sicht vor meinen Blick nahm nach und nach ab und so langsam klärte sich ein Bild. Eine Frau mit roten Locken und einem hellen Teint hatte sich zu mir herabgebeugt und tippte mich an der Schulter an. Ihr Gesicht war mir zugewandt und ich blickte in ihre tiefroten Augen. Bei genauerem Betrachten erkannte ich kleine, weiße Spränkler, welche aussahen als hätte jemand mit weißer Farbe um sich geworfen. „Guten Morgen“, begrüßte sie mich als sie bemerkte, das ich am Aufwachen war. „Morgen“, nuschelte ich und rieb mir erneut die Augen. Wer war nur diese Schönheit vor mir? Ich konnte meinen Blick gar nicht mehr von ihr abwenden, erst als ich merkte dass sich etwas in meinen Armen bewegte. Mein Blick huschte zur Seite und ich sah zu Anna, welche nun auch am Aufwachen war. Oh mein Gott, wie konnte ich nur einen Moment vergessen dass sie hier ist? Was denke ich überhaupt? Wer ist diese Frau und was hat sie mit mir gemacht? Die Frau richtete sich nun auf. „Es gibt gleich Frühstück. Du solltest dich beeilen und dich fertig machen“, sprach sie und ging zur Tür. Dort lehnte sie sich gegen die Wand und wartete, dass ich aufstand und mich fertig machte. Bemerkte sie etwa nicht, dass hier mehrere Personen anwesend waren? War diese Frau etwa eine der Bediensteten? Aber warum war sie dann so freundlich und so sanftmütig? Zumindest kam mir das so vor. Anna drehte sich nun auch verschlafen im Bett um und musterte die Frau vor uns, einen Moment sagte sie nichts, bis sie auf einmal total verkrampft meine Hand packte und sich zu mir umdrehte. „I-ich kann nicht aufstehen“, flüsterte sie mir leise zu und wurde knallrot im Gesicht. Verwirrt musterte ich sie, bis mir der gestrige Abend wieder einfiel. Auch mir schoss die Röte in die Wangen, als ich das kühle Laken auf meiner nackten Haut bewusst spürte. „Ähm“, begann ich und blickte wieder zu der Frau, welche uns in aller Seelenruhe musterte. „Wü-würde es dir etwas ausmachen, wenn du dich, uhm… umdrehst?!“, fragte ich dann etwas unbeholfen und so langsam dämmerte es auch ihr, was ich von ihr wollte. Ihr weicher Blick wich schlagartig einem sehr ernsten und sie blickte zu Anna, so als ob sie diese gerade zum ersten Mal bemerkte. „Du teilst dein Bett mit einem Menschen? Und ich habe mich schon gefragt, warum du es ihr gestattest, dort“, sie richtete den Zeigefinger auf mein Bett, „zu schlafen!“ Meine peinlich berührte Miene wich einer etwas perplexten. Warum war sie auf einmal so angepisst? Hatten wir irgendetwas getan, was ihr nicht gefiel? Und wo war das Problem, dass Anna und ich zusammen im Bett schliefen? Das ging sie doch gar nichts an! „Wir sind zusammen, also kann es dir doch egal sein“, zischte ich etwas angefressen, weil sie Anna so niedergemacht hatte. Als ob es was Schlimmes war, dass Anna ein ‚normaler‘ Mensch war und kein Dämon. Naja, wahrscheinlich tolerierten die Dämonen hier die Menschen wirklich nur als Essen und nichts weiter. „Bitte was?“, hakte sie etwas ungläubig nach und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie ist meine Freundin“, erklärte ich es einfacher ausgedrückt, doch das machte es wahrscheinlich nur noch schlimmer. „Tze, Unreine sind und bleiben Abschaum“, zischte sie, warf sich ihre Locken nach hinten und drehte sich mit einer divaartigen Bewegung von uns weg und stolzierte aus der Tür. „Was war denn das für ne Tussi?“, wandte ich mich an Anna, welche nur die Schultern hochzog und sich in meine Umarmung schmiegte, in welche ich sie erneut gezogen hatte. Sollte diese komische Frau doch labern was sie wollte, ich konnte doch selbst entscheiden mit wem ich zusammen sein wollte und das war definitiv Anna! Rel: Nachdem ich noch einen Moment in meinem Bett liegen geblieben war, stand ich auf, machte mich fertig und schlenderte gemütlich durch die Gänge. Wenn ich mit diesem langweiligen Frühstück fertig war, würde ich die Jungs zusammentrommeln und ihnen etwas zu Essen bringen lassen. Sie hatten bestimmt auch Hunger, aber durch die Anstrengungen in den letzen Tagen schliefen alle bestimmt noch. Ich hatte keine Eile, auch wenn ich wusste dass Vater nicht gerne wartete, besonders nicht, wenn er extra nach mir rufen ließ. Naja, ich war so lange weg gewesen, ich war es einfach nicht mehr gewöhnt, dass man mir Befehle erteilte. Eher erteilte ich die Befehle! Gerade als ich um die Ecke bog, liefen mir Anna und Pey über den Weg. „Was macht ihr denn hier? Ihr solltet doch auf eurem Zimmer bleiben!“, fuhr ich sie an und die Braunhaarige zuckte sofort erschrocken zusammen. „Wir wurden zum Frühstück gerufen“, klärte mich der Schwarzhaarige mit den eisblauen Strähnen auf und ich sah ihn verwirrt an, als ich zu den beiden aufgeholt hatte. „Von wem? Von mir jedenfalls nicht“, teilte ich den beiden mit. „Da war so eine rothaarige Frau mit roten Augen“, begann der Junge sofort zu erzählen und mir dämmerte es bei der Beschreibung schon sofort, um welche Person es sich handelte. „Kaia war bei euch? Was wollte sie? Hat sie was gesagt?“ Ich überhäufte die beiden regelrecht mit Fragen. Wobei, es war eher Pey den ich fragte, da Anna sich nur an seine Seite klammerte und jedem Augenkontakt mit mir auswich. „Eh, sie sagte nur, dass das Frühstück fertig sei. Eigentlich hat sie nur mit mir gesprochen. Anna hat sie zuerst einfach nur ignoriert.“ „Ja, das ist mir schon klar. Ich versteh aber nicht, warum sie euch zum Essen gerufen hat.“ Ich grübelte einen Moment, entschied mich dann aber doch die beiden mit zum Speisesaal zu nehmen. Was anderes blieb mir ja wohl nicht übrig. Ich konnte sie ja schlecht weiterhin in den Gängen herumirren und sie vielleicht sogar in Jaromier‘s Arme laufen lassen. Nach ein paar Minuten trafen wir im besagten Speisesaal an und ich konnte meinen eigenen Augen kaum trauen. Alle von meinen Geschwistern waren anwesend, jeder saß auf seinem Platz und am unteren Ende der Tafel stand ein weiterer Tisch, welcher als Verlängerung diente. An diesem saßen bereits Bana, Baka, Pira und Piwi. Sie wirkten stocksteif und blickten vor sich auf den Teller, gaben keinen Mucks von sich. Es waren noch drei Plätze frei: je einer an der Seite und dann natürlich ein Platz am Tischende. Dort nahm ich Platz, Anna und Pey auf den verbliebenen leeren Plätzen. Warum hatte mein Vater auch nach ihnen schicken lassen? Er wollte doch, dass sie so schnell wie möglich wieder in die Menschenwelt zurückkehrten, warum also Zeit mit den niederen Wesen bei einem gemeinsamen Frühstück verschwenden? „Nun, da alle Anwesenden eingetroffen sind, lasst das Essen kommen“, erhob mein Vater die Stimme und sofort kamen Kellner herein und stellten jedem von uns einen Teller vor die Nase. Bei meinen Freunden konnte ich ein unterdrücktes Erstaunen feststellen und auch ich staunte nicht schlecht bei den Speisen, die uns aufgetischt wurde. Es herrschte ein reges Treiben und immer und immer wieder liefen Bedienstete um uns herum und achteten darauf, dass es uns an nicht fehlte. Mein Blick wanderte zu meiner Linken, wo Anna saß. Sie blickte stumm vor sich hin und erst da fiel mir auf, dass man ihr nichts gegeben hatte. Ich erhob mich und griff mir einen der Kellner zur Seite. „Fehlt etwas, mein Herr?“, fragte er untergeben und ich nickte in Annas Richtung. „Bringt etwas Essbares für sie. Essen für Menschen!“, wies ich ihn an und er verschwand schnellen Schrittes aus dem Raum, danach kehrte ich zu meinem Platz zurück. „Nun Churel, erzähl doch mal, was so in den letzten Jahren passiert ist“, fing auf einmal Kaja an und ich blickte mit einem emotionslosen Blick zu ihr auf. „Ich hab doch schon gesagt, was passiert ist“, grummelte ich und wandte mich meinem Essen zu. „Na, na. Nicht so schnippisch“, wedelte sie mit ihrer Gabel in meine Richtung und stützte ihren Kopf auf ihrer Hand ab. „Und warum ist dieser Mensch bei euch?“, wollte nun Devas wissen. „Das geht euch nichts an“, grummelte ich erneut und stocherte im Essen herum. Klar, es sah ohne Zweifel sehr appetitlich aus, aber in dieser Gesellschaft wollte ich eher weniger Essen. „Iss“, befahl mein Vater, welcher bemerkt hatte, dass ich noch nichts gegessen hatte. „Mir ist nicht wirklich danach“, meinte ich und legte die Gabel neben meinen Teller. Der Kellner, welchen ich mir zur Seite genommen hatte kehrte in den Speisesaal zurück und stellte Anna etwas hin, dass nach einer Art Brötchen oder sowas aussah. Dazu gab es einen komischen Dipp oder was auch immer das werden wollte. „Was soll dass alles eigentlich? Ich dachte du wolltest uns so schnell wie möglich wieder loswerden?!“, begann ich nun das Gespräch und starrte zu meinem Vater. „Ich sagte lediglich, dass die Unreinen hier nicht erwünscht sind. Aber da ihr in den letzten Jahren zusammen unterwegs ward, habe ich meine Meinung geändert. Sie scheinen sehr loyale Untergeben zu sein.“ Bei dem Wort ‚Untergebene‘ zuckte leicht meine linke Augenbraue nach oben. Sie sind keine Untergebene! Sie sind meine Freunde, du alter Sack! Sie sind mehr wie eine Familie, als diese hier je sein könnte! Wie kannst du es nur wagen mich zu zwingen sie in so eine niedere Position zu zwingen! „Ja, sie sind sehr loyal und ich vertraue jedem von ihnen mein Leben an“, sagte mich mit zerknirschten Zähnen und blickte auf meinen Teller. Anschließend erhob ich mich. „Wir werden jetzt in meine Gemächer gehen. Es ist noch einiges für die Abreise zu besprechen“, entschuldigte ich mich und trat den Rückweg an. Es tat mir schon leid dass die Jungs nun auch mit mir kommen mussten, aber andererseits hatten auch sie nicht wirklich was gegessen und Einwände bekam ich auch keine. Stillschweigend folgte mir der kleine Trupp aus dem Raum und ich ging schnellen Schrittes zu meinem Zimmer. „Wirklich eine angenehme Gesellschaft, muss ich schon sagen“, meinte Pira mit einem deutlichen, ironischen Unterton in der Stimme. „Ja, sehr angenehm“, sprach ich zerknirscht und knallte die Tür zu, nachdem der Letzte eingetreten war. „Ich will so schnell es geht von hier weg, also müssen wir uns schnellstmöglich einen guten Plan ausdenken, was wir machen wollen. Ist euch etwas über Nacht eingefallen?“, hakte ich nach und ließ mich wie am Tag zuvor auf mein Bett fallen. Ich erhielt jedoch nur ein einheitliches Kopfschütteln. „Es muss doch irgendeinen Weg geben, deinen Bruder schnell und leise zu töten“, warf Bana grübelnd ein und auch ich strengte wieder meine grauen Zellen an. Ja, schnell und leise. „Gibt es nicht vielleicht doch einen Weg dass Anna-“, begann Pira, doch ihm wurde das Wort abgeschnitten. „Rel muss das alleine machen“, ertönte die glockenhelle Stimme von Lamia. „Davon war nie die Rede!“, fuhr ich sie an und stand auf. Sie hatte mir wirklich nicht gesagt, dass ich keine Hilfe haben dürfte, oder? Ich konnte mich jedenfalls nicht dran erinnern. „Deine Untergebene dürfen dir nicht helfen. Das ist eine Sache unter uns Geschwistern, zieh sie also nicht noch mehr hinein, als sie ohnehin schon drinstecken. Wie stellst du dir vor, dass wir sie beschützen, wenn sie dir in dein Selbstmordkommando folgen?!“ Okay, da hatte sie Recht. „Warte, wie und wann bist du hier eigentlich reingekommen?!“, fragte ich dann etwas perplex, hatte ja nicht mitbekommen, dass überhaupt jemand die Tür geöffnet hatte. „Tja“, grinste sie nur, setzte sich auf mein Bett und überschlug ihre Beine. Die Jungs hatten bis dato nichts mehr gesagt. „Aber wir können doch zusammen ein Brain Storming machen, oder ist das jetzt auch verboten?“ Sie überlegte einen Moment und richtete dabei ihren Blick gen Zimmerdecke. „Hm… nein ich denke das ist okay. Aber die Durchführung und Planung übernimmst du alleine! Schließlich haben wir dir die Aufgabe aufgebrummt, als Gegenleistung für den Schutz deiner-“ „Freunde!“, unterbrach ich sie abrupt. „…Ja, ja… wie auch immer“, tat sie die Sache mit einer Handbewegung ab. „Also Jungs: Auf, auf!“, animierte ich sie zum Mitmachen. „Wie können denn reinrassige Dämonen sterben? Ich dachte nur Kleriker können Dämonen töten“, warf Piwi nach einem Moment der Stille ein. Stimmt! Hatte ich ihnen überhaupt je erzählt, wie genau man einen von unserer Art töten kann? Wohl kaum… Wahrscheinlich habe ich damals Angst gehabt, dass sie mich töten würden und dann war irgendwann die Zeit verstrichen und wir hatten einfach unser Leben gelebt und ich hatte nicht mehr daran gedacht… „Man muss ihn läutern, ihm mit einem gesegneten, scharfen Gegenstand den Kopf abschlagen oder generell ihn mit einem heiligen Gegenständen vergiften. Und dann gäb es da noch das Sonnenlicht. Aber das wäre ein zu langer Prozess und ich bezweifle dass Jaromier in die Menschenwelt gehen würde. Naja, notfalls gäb es dann noch-“, zählte Lamia alles auf. Meine Augen weiteten sich ein Stück und ich schüttelte sofort den Kopf, als die Rosahaarige wieder ansetzen wollte zu reden. „Was?“, wollte Pira wissen und ich verdrehte nur die Augen. Na toll! Gut gemacht, du Plappermaul! „Ist egal. Ich werde eins von den Sachen machen und gut ist“, wehrte ich ab, merkte aber dass ich gar nicht versuchen brauchte, das Thema zu wechseln. Die Jungs sahen mich mit einem Blick an, der mir eindeutig zeigte, dass sie jetzt nicht mehr locker lassen würden. „Rel?“ „Hm?“, antworte ich etwas genervt. „Jetzt sagt schon!“, drängte Bana. Wieder verdrehte ich nur die Augen. „Es ist nichts Besonderes. Es gibt halt nur so ne Sache…“ „Ja? Und weiter?“, hakte Baka nach. Ich sah ihn etwas verbissen an. „Das Fegefeuer“, antwortete meine Schwester für mich und ich schnaubte nun. Jetzt wussten meine Freunde Bescheid. „Das Fegefeuer? Du meinst das Fegefeuer, dass auch in der Bibel beschrieben wird?, meldete sich Pey nun zu Wort. Ich nickte nur und blickte Lamia an. „Aber du weißt ganz genau, dass ich diese Methode nicht benutzen werde. Er würde es sofort herausfinden.“ Das Mädchen auf meinem Bett gab mir nach kurzer Bedenkzeit Recht. „Und warum konntest du das jetzt nicht sagen?“, wollte Pira verständnislos wissen. „Weil das Fegefeuer zu gefährlich ist. Und außerdem erfährt man da nicht den richtigen Tod. Es ist mehr eine lebenslängliche Qual für denjenigen, der dorthin verbannt wird.“ „Das wäre doch ideal, oder etwa nicht?“, fragte Pey und an Piras Blick merkte ich schon wieder, dass dieser angepisst war. „Nein, wäre es nicht! Verdammt, Lamia. Warum hast du ihnen davon erzählt?!“ „Du wolltest schon wieder etwas vor uns verschweigen“, grummelte Pira und ich sah ihn entrüstet an. „Ja, und das ganz bewusst! Wie ich sagte: man erfährt durch das Fegefeuer nicht den richtigen Tod sonder wird für immer gefoltert. Und ich bin mir ziemlich sicher dass Jaromier einen Weg da raus findet und dann sind wir am Arsch! Aber so richtig!! Außerdem wollte ich es nicht sagen, weil ich Angst hatte das mir das jetzt wieder zum Vorwurf gehalten wird, dass ich euch davon nicht schon früher erzählt hatte!“, meinte ich säuerlich. „Wer macht dir denn bitte Vorwürfe? Und in welcher Art sollten wir dir deswegen nen Vorwurf machen? Wir wussten bis vor ein paar Tagen ja noch nicht einmal, dass die Hölle wirklich existiert!“, rechtfertigte sich Pey für alle und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ach, euch fällt schon was ein“, flötete Lamia und stand auf. Dann tippelte sie zur Tür, drehte sich nochmal um und schenkte mir ein Lächeln, welches ganz und gar nicht so gemeint war, wie es aussah. „Aber beeil dich, ja?“, sagte sie mit zuckersüßer Stimme und verschwand dann aus dem Raum. Das war keine liebgemeinte Aufforderung gewesen… das war eine Drohung! „Nun gut, ich denke so wird das nichts… Ich muss einfach gucken, wo ich ein gesegnetes Messer oder sowas herbekomme und dann ersteche ich ihn einfach. Er wird dann genauso leiden, wie Pey und ich es vor ein paar Tagen noch mussten und dann wird er von selbst geläutert. Er wird es merken, wenn ich mit ner Axt oder nem Schwert auf ihn zu renne und ihm den Kopf abschlagen will…“ „Und was ist… wenn er von dem weißen Licht getroffen wird?“, begann Anna nun und ich sah sie verblüfft, dann aber total entrüstet an. „Willst du uns umbringen? Außerdem hat Lamia eben noch gesagt dass ihr nichts machen dürft. Gar nichts!“ Das Mädchen mit den braunen Haaren schüttelte nur knapp den Kopf und setzte wieder zu sprechen an. „So meinte ich das nicht. Ich kann das doch eh nicht wirklich kontrollieren“, meinte sie und fuhr dann mit gesenktem Blick fort. „Aber Pey und du… ihr wurdet doch von dem Medikus geheilt… Er hat doch diese läuternde Macht aus euren Körper gesogen in diese-“ „Siegel“, entkam es mir nun und ich merkte, wie sich meine Gedanken aufhellten. „Na klar! Hiisi hat ja noch die Siegel, welche dieses Licht absorbiert haben. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?!“, sprach ich nun zu mir selbst und begann in meinem Zimmer auf und ab zu gehen. Das war perfekt! Ich musste mir jetzt nur noch überlegen, wie ich die Übergabe vollziehen konnte. Nun trat ich zu Anna und umarmte sie aus heiterem Himmel. Pey sog scharf die Luft ein. Hatte er etwa immer noch Angst, dass ich ihr was antun würde? „Anna, du bist ja doch zu etwas gut!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)