Corvus et Vulpes von Bei ================================================================================ Kapitel 20: Fröhliche Weihnachten --------------------------------- „Severus! Sev!“ Es dauerte eine Weile, bis sich hinter der düsteren Zimmertür etwas regte. Severus Snape öffnete einen Spaltbreit und starrte Jiang Li an, als wäre sie ein Geist. „Was ist denn los? Es ist halb drei Uhr morgens!“ „Es ist wichtig, Sev. Ich konnte nicht schlafen. Ich muss mit dir reden und das kann nicht bis morgen warten.“ Kopfschüttelnd ließ er sie ein und schloss die Tür wieder sorgfältig. Dann griff er nach seinem Zauberstab und entfachte ein kleines Feuer im Kamin. „Warum deckst du den Spiegel ab?“, fragte sie erstaunt, nachdem sie sich kurz im Zimmer umgesehen hatte. Er drehte sich zu ihr und zuckte mit den Schultern. „Ich habe auch die Bilder abgenommen und umgedreht. Ich kann diese ungebetenen Lauscher einfach nicht leiden.“ Irgendetwas an ihm war anders. Obwohl ihr ihre Probleme beinahe die Luft abdrückten, oder vielleicht gerade, um sich davon abzulenken, musterte sie ihn genauer und sog dann scharf die Luft ein. „Du hast ja Locken!“ „Blödsinn!“, knurrte er aufgebracht und versuchte ohne Erfolg, seine Haare platt an den Schädel zu drücken. „Na gut, dann sind’s eben Wellen, aber –“, plötzlich kam ihr ein Geistesblitz, „– deswegen also Tantchen Huo’s berühmtes Haarelixier!“ Snape bekam ganz schmale Lippen und musterte sie mit einem Blick, der denen, die er Potter üblicherweise zuwarf, um nichts nachstand. „Na und?“ Wieder ein guter Moment, um einfach den Mund zu halten und die ganze Sache nicht noch schlimmer zu machen. Zwar hätte sie ihm auch noch gerne gesagt, dass die Wahl seines Haarpflegemittels seinem Aussehen nur gut getan hatte (die schwarzen Strähnen sahen bei Weitem nicht mehr so fettig aus wie zuvor, was vermutlich der übermäßigen Anwendung eines mittelmäßigen Gels zuzuschreiben gewesen war), doch vermutete sie zurecht, dass er sie dann vor lauter Wut vor die Tür setzen würde. Und soweit wollte sie es ja doch nicht kommen lassen. „Also“, er schnaubte so gereizt, dass er dank der bebenden Nasenflügel für einen Moment starke Ähnlichkeit mit Minerva McGonagall bekam, „Ich denke nicht, dass du um diese Uhrzeit hierher kommst, um über Haarprobleme oder Ähnliches zu diskutieren, nicht wahr?“ „Du hast recht.“ Schlagartig wurde Jiang Li wieder ernst und nahm seine Einladung, sich zu setzen, dankbar an. Sie hatte stundenlang im Dunkeln gesessen und blicklos aus dem Fenster gestarrt, nachdem sie den Brief gelesen hatte, den ihr die Eule überbracht hatte. Selber wusste sie sich keinen Rat, deswegen hatte sie sich doch noch aufgerafft und war hinunter zu Severus geschlichen. Wenn er ihr nicht helfen konnte, dann … „Lies.“ Sie zog den Umschlag aus dem Ärmel und reichte ihm die schweren Pergamentblätter. Snape las sie stirnrunzelnd, einmal, zweimal. Dann hob er den Kopf und sah sie lange an. „Wann ist der gekommen?“ „Heute. Na ja, eigentlich gestern, streng genommen.“ „Gibt es jemanden im Ministerium, dem du auf die Zehen getreten bist?“ Sie senkte den Kopf und spielte nervös mit der Bettdecke. „Ich weiß nicht. Eigentlich keinen. Aber Fudge kann mich nicht sonderlich leiden, das habe ich bei der Halloweenfeier gemerkt.“ „Soso, Fudge also.“ Mehr sagte er nicht, sondern legte den Arm um ihre Schultern und zog sie fest an sich.   Sehr geehrte Miss Lian, nach eingehender Prüfung der Vorfälle am 21. Dezember, die zur Verletzung eines Schülers geführt haben, sind wir zu der Ansicht gekommen, dass die aus dem Erlass zur Restriktion unzulässiger Beschwörung, Behexung oder Bannung magischer Wesen, 1851, Abschnitt D, § 72 resultierenden Konsequenzen in Ihrem besonderen Fall nicht ohne einer ausführlicheren Prüfung der Umstände gezogen werden können. Anhand der uns vorliegenden Informationen ist ersichtlich, dass sich besagter Schüler zwar nicht i. e. S. in einer von Ihnen abgehaltenen Unterrichtsstunde befand, dennoch aber möglicherweise erst aufgrund der von Ihnen unter Umständen gemäß Abschnitt F des Erlasses zur Vernunftgemäßen Beschränkung der Zauberei Minderjähriger aus dem Jahre 1875 unrechtmäßig erteilten Auskünfte über die Beschwörung und Bannung magischer Wesen, in diesem Fall des Dämonen FOCALOR, in der Lage war, eben diesen überhaupt erst zur Erscheinung zu zwingen. Wir setzen Ihre offizielle Anhörung auf Dienstag, den 22. Februar um acht Uhr morgens an. Im Zuge dieser Anhörung wird sowohl über die Frage möglicher Fahrlässigkeit in Ihrem Unterricht sowie auch über etwaige zu verhängende Disziplinarstrafen entschieden. Wir wünschen Ihnen noch geruhsame Feiertage, Hochachtungsvoll, Broga F. Deman Abteilung für Magische Strafverfolgung Mafalda Hopkirk Abteilung für unbefugte Zauberei Zaubereiministerium   Auch die Schulbeiräte hatten ihr ein Schreiben zukommen lassen, in dem man „kollegiale Grüße“ und das Versprechen von Unterstützung offerierte.   Sie lehnte sich noch enger an Snape und stieß einen Seufzer aus, der ganz tief aus ihrem Herzen kam. „Von wegen geruhsame Feiertage, haha. Es war doch Mittagspause, verdammt! Ich habe damit nicht das Geringste zu tun!“ „Ich weiß. Aber so wie es aussieht, wollen sie dir wohl anhängen, dass du den Kindern sozusagen unerlaubte Schwarze Magie beibringst.“ „Bei Merlin, Sev –“ Jiang Li musste plötzlich mit aller Macht ein Schluchzen unterdrücken, „– so langsam kommt es mir wirklich so vor, als hätte irgendjemand etwas gegen mich – das kann doch nicht normal sein!“   ***   Der Weihnachtsmorgen dämmerte mit klirrendem Frost und eisblauem Himmel herauf. Das Feuer im Kamin war bereits heruntergebrannt und hatte die Temperatur im Zimmer empfindlich tief fallen lassen. Ein lauter Knall vor dem Fenster ließ Severus Snape aus dem Schlaf aufschrecken und schlaftrunken auf seine Taschenuhr blicken. „Verf – Jiang Li, wach auf, aber schnell!“ Er rüttelte sie an der Schulter, bis sie widerwillige Laute von sich gab und den Kopf ablehnend in die Arme pressen wollte. Snape schüttelte kräftiger. „Was soll denn das? Ich bin müde!“ Verschlafen und ärgerlich richtete sie sich auf und hatte Mühe, die Augen offen zu halten. Snape hielt ihr schweigend die Uhr unter die Nase. Blitzartig fiel jegliche Müdigkeit von ihr ab. „Schon sechs Uhr? Ich muss gehen!“ Als sie hastig ihre Sachen zusammenraffte und Hals über Kopf zur Tür hinausstürzen wollte, hielt sie Snape gebieterisch am Arm fest. „Was willst du denn jetzt durch die Gänge stolpern? Wenn du Pech hast, sehen dich Potter oder einer aus der Weasley-Bande! Da –“, er nahm eine kleine Dose aus seinem Koffer, den er unter das Bett geschoben hatte, und zeigte ihr den Inhalt. „Floo-Pulver! Sevvie, du bist meine Rettung. Apparieren könnte ich jetzt wirklich nicht.“ Jiang Li warf sich eilig ihre Kleidungsstücke über und stopfte den Ministeriumsbrief wie bei ihrer Ankunft wieder in den Ärmel. Dann entzündete sie das Kaminfeuer mit einem hastigen Schwenk des Zauberstabes und gab Snape noch einen flüchtigen Kuss. „Wir sehen uns beim Frühstück“, flüsterte sie ihm mit soviel Zärtlichkeit, zu der sie um diese Zeit fähig war, ins Ohr und verschwand in ihr eigenes Zimmer.   „Guten Morgen! Fröhliche Weihnachten!“ „Frohe Weihnachten, Mrs Weasley.“ Die rundliche kleine Frau mit den neugierig glänzenden Augen sah sie mit einem mütterlichen Lächeln an. „Toast? Oder etwas Deftigeres? Obwohl, ich muss dich gleich warnen, das Weihnachtsmahl wird reichlich. In der neuen Hexenwoche hatten sie einen Haufen so interessant klingender Rezepte, dass ich mich einfach nicht entscheiden konnte und alle ausprobiert habe.“ „Ich bewundere Sie wirklich, Mrs Weasley. Ich meine, so einen großen Haushalt zu führen muss doch entsetzlich anstrengend sein!“ Molly Weasley lachte herzlich und schob Jiang Li einen Berg gebutterter Toastscheiben und eine bauchige Kaffeekanne über den Tisch zu. „Da hast du allerdings recht. Leicht ist es wirklich nicht und ich wünsche es keinem, dem es nicht in dem Maße Freude macht wie mir. Ginny zum Beispiel kann weder Haus- noch Gartenarbeit leiden; sie wäre an meiner Stelle vermutlich schrecklich unglücklich.“ Jiang Li nahm sich einen Toast und zupfte winzige Bröckchen davon ab, die sie zu Kugeln rollte und langsam in den Mund schob. Sie wollte Mrs Weasleys guten Rat befolgen und ihren Magen bis zum Festessen so leer wie möglich halten. Ein lauter Knall ertönte und einer der beiden Zwillinge erschien mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Mrs Weasley stemmte die Arme in die Seiten und holte tief Luft. „Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ihr nicht wegen jeder Kleinigkeit apparieren sollt!“ „Entschuldige, Mum. George und ich brauchen bloß noch etwas von den Springkrautsamen, die im Ofen trocknen.“ „Ach ja.“ Mrs Weasley schützte zwar ein ärgerliches Gesicht vor, sie konnte jedoch den Stolz, der ihr aus den Augen leuchtete, nicht verbergen. „Experimentiert ihr wieder an euren schrecklichen Scherzartikeln herum? Und dass du mir ja nicht den Braten verdirbst! Eure Körner habe ich ganz nach unten gelegt.“ Fred Weasley grinste ungerührt und kramte geräuschvoll im großen Backrohr herum, bis er offensichtlich gefunden hatte, wonach er suchte. Jiang Li nahm einen Schluck Kaffee und räusperte sich. „Was soll denn das werden?“ „Streng geheim. Ist alles noch im Versuchsstadium“, antwortete Fred und legte mit einem spitzbübischen Zwinkern den linken Zeigefinger vor die Lippen. „Aber du kannst ja raten – das Echte Springkraut hat den Beinamen „Rührmichnichtan“.“ „Das ist mir so früh am Morgen zu schwierig“, gab Jiang Li unumwunden zu, lachte und zerkrümelte ein weiteres Stück Toast. „Aber euer Blaumacher-Schleck-Pack fand ich wirklich originell. Drei Heiler im Tropfenden Kessel hatten einen ganzen Abend lang nichts Besseres zu tun, als den übrigen Gästen das Sortiment quer durch die Bank zu demonstrieren.“ Fred kringelte sich vor Vergnügen und verschwand ebenso plötzlich, wie er zuvor gekommen war. „Richtige Sturköpfe, die beiden“, wandte sich Molly Weasley wieder an ihren Gast und konnte ein freudestrahlendes Schmunzeln nicht unterdrücken, „aber ihr Geschäft floriert.“ „Es ist schön zu wissen, dass es auch in dunkleren Zeiten immer jemanden geben wird, der andere zum Lachen bringen kann.“ „Das ist wohl wahr, “, pflichtete Mrs Weasley Jiang Li bei, „wohl wahr …“   Wie Mrs Weasley prophezeit hatte, entpuppte sich das Mittagessen als wahrhaft orgiastisches Gelage, das sich bis in die frühen Abendstunden hinzog. Zuerst einmal ein Aperitif, als kleiner Vorgeschmack auf kommende Gaumenfreuden, bestehend aus diversen Gin-, Wein- und Whiskysorten (Jiang Li war es peinlich, aber sie und Mundungus Fletcher waren die Einzigen, die schon am Anfang mit den harten Sachen begannen) und für diejenigen – wie Mrs Weasley mit einem scharfen Blick auf ihren jüngsten Sohn und ihre einzige Tochter sagte – die keinen Alkohol mochten, Butterbier, Kürbissaft und selbstgemachten Eistee; dazu wurden kleine Forfar Bridies, Blätterteigtaschen mit einer kräftigen Fleischfüllung nach altem schottischen Rezept, wie Mrs Weasley stolz betonte, pikante Scones und mehrere Sorten feiner Kekse serviert. Danach schwebten drei riesige, wohlgenährte und verlockend duftende Truthähne auf silbernen Platten herein. Mr Weasley und Bill dirigierten sie vorsichtig zu dem großen Holztisch und achteten darauf, nur ja keinen Tropfen auf das reinweiße Leinentischtuch fallen zu lassen. Jiang Li war schon zu diesem Zeitpunkt reichlich angeheitert und prostete sowohl Lupin als auch Bill und Snape mit dem gleichen selig-verlockenden Lächeln zu. Alle drei Männer wünschten sich in diesem Augenblick, die anderen beiden würden nicht existieren. Fleur Delacour war davon selbstredend nicht sonderlich begeistert und trat Bill unter dem Tisch zwar unauffällig, nichtsdestotrotz aber ausgesprochen heftig auf den Fuß. Den gefüllten Truthähnen folgten Berge von zarten Babykarotten, Mais, Erbsen und anderem Gemüse, Brat- und Pellkartoffeln, mehrere Schüsseln Bratensaft, Platten voll Cocktailwürstchen, verschiedenste Saucen und zwischendrin kleine Portionen von in Schüsseln aus Eis kühl gehaltenen Sorbets. „Molly, ich muss dir ehrlich danken! So etwas HERRLICHES habe ich noch nie gegessen!“, ereiferte sich Tonks, die inzwischen dem Holunderblütenwein auch schon kräftig zugesprochen hatte, und schmatzte dem neben ihr sitzenden Arthur Weasley einen feuchten Kuss auf den lichten Scheitel. „Jawohl! HOCH SOLL SIE LEBEN, unsere Molly!“, jubelten Mrs Figg, Hestia Jones und Kingsley Shacklebolt, während Mundungus Fletcher Arm in Arm mit Fred und George Weasley zu seinem eigenen Gesang schunkelte und einen Becher von Ogdens Alten Feuerwhisky in einer Geschwindigkeit hinunterstürzte, als wäre es reines Wasser. „Nachtisch und Knallbonbons!“, rief Mr Weasley plötzlich und schwenkte wild seinen Zauberstab, wobei das Herdfeuer gefährlich anschwoll und beinahe das Ofenrohr zum Bersten brachte. Der gesamte Tisch quietschte im ersten Moment erschrocken auf und brach dann in haltloses Gelächter aus, als der große, rothaarige Mann einen Zipfel seiner Robe in Brand steckte und sekundenlang auf einem Bein durch die Küche hüpfte. Harry Potter hatte schließlich Erbarmen und löschte das Feuer, indem er einen Krug Kürbissaft in die Luft wirbelte und einen Teil des Inhalts beinahe punktgenau auf den Kleiderzipfel goss – der Rest klatschte gegen Mr Weasleys Rückenpartie. Wieder erschütterte tosendes Lachen das alte Gemäuer in den Grundfesten und selbst Snape konnte nicht mehr an sich halten. Auch das Dessert war der reinste Genuss. Neben einem eindrucksvollen Plumpudding, bei dessen Verzehr Jiang Li gleich auf zwei Silbersickle stieß, drängten sich Platten mit Black Bun und Dundee-Cake, untrügliche kulinarische Zeichen dafür, dass sich die Hexenwoche in diesem Jahr stark der schottischen Küche zugewandt hatte. Dazu gab es wieder säuerliches Sorbet, um Platz im Magen zu schaffen, wie Mrs Figg mit wichtiger Miene erklärte, Pfefferminzkuchen und silberne Schälchen mit verschiedenen Sorten von Karamellbonbons und Knabbergebäck. Die magischen Knallbonbons brachten Jiang Li eine große Ausbeute an Leuchtraketen, Süßigkeiten und – zufälligerweise – edlem Rauchwerk in Form einiger Schachteln Zigarren und Zigaretten ein. Schwerfällig wuchtete sie sich aus ihrem Sessel und wankte zu Snape. „Dankeschön, mein kleines Bärchen“, flüsterte sie ihm zärtlich ins Ohr und musste rasch einen Arm um seine Schulter legen, um nicht der Länge nach hinzufallen. „Gern geschehen“, nuschelte er undeutlich zurück und wies in einem Anfall reuiger Ehrlichkeit auf Lupin. „aber wenn er nicht ge-geholfen hätte, dann –“ „Na so was! Danke, Remus, DANKE!“ Lupin grinste selig, als sie ihm eine unsichere Kusshand zuwarf, und rief etwas in ihre Richtung, wovon sie nur Bruchstücke verstand. „Warte, Remus – ich komme schon.“ „Ich komme mit.“ Snape wurde von einer brennenden Woge der Eifersucht überrollt und konnte diese Gefühle in seinem Zustand nicht wie üblich ignorieren. Trotzig stützte er Jiang Li am Arm und stolperte an ihrer Seite zu seinem verhassten ehemaligen Schulkollegen, der schon von einem Ohr zum anderen grinste, als er ihn kommen sah. „Jiang Li, du hast doch in der Krankenstation ges-gesagt, dass wir mal zusammen einen trinken gehen. Gehen wir jetzt?“ „Jetzt? Und die anderen?“ „Die feiern doch auch ohne uns.“ „Hmm.“ Jiang Li überlegte für einen Moment und erlebte eine Überraschung. „Gute Idee, Lupin.“ Was? Severus Snape stimmt Remus Lupin zu? Ein historisches Ereignis! Sie musterte Snape für einen kurzen Moment argwöhnisch. Was war denn da nur los? Zuerst kauften ihr die beiden gemeinsam ein Geschenk und waren dann auch noch einer Meinung … Schließlich nickte sie, zwar etwas skeptisch, aber trotzdem auf den weiteren Verlauf des Abends gespannt und klatschte auffordernd in die Hände. „Gut. Irgendwelche Vorschläge?“ „Das Cyst. Nettes kleines Lokal gleich in der Nähe.“ „Okay.“ Ihr Aufbruch wurde kaum bemerkt, lediglich Mrs Wesley schickte ihnen noch die kurze Ermahnung hinterher, bei ihrer Rückkehr nicht allzu laut zu sein. Der Rest der Truppe war entweder mit weinseligen Gesängen oder ausgelassenem Gelächter beschäftigt.   Auf der Straße wandten sie der Einfachheit halber gleich einen Unsichtbarkeitszauber an, da keiner der Drei noch den Nerv hatte, sich jetzt auch noch umzuziehen; zum Glück befand sich das Pub, wie Lupin gesagt hatte, wirklich nur ein kleines Stück die Straße hinauf gleich um die Ecke. Das Lokal selbst sah von außen ähnlich unscheinbar und schäbig aus wie der Tropfende Kessel in der Winkelgasse und unterschied sich auch im Inneren nicht sonderlich davon. Selbst die brummelige alte Wirtin hatte gewisse Ähnlichkeit mit Tom, wie Lupin grinsend bemerkte. Jiang Li konnte sich vor Lachen nicht mehr halten und lehnte sich so schwer auf Snape, dass sie beide beinahe hingefallen wären. „Du bist schon wieder total besoffen“, bemerkte Snape würdevoll und war sichtlich stolz darauf, die Herrschaft über seine Zunge wiedererlangt zu haben. „Du aber auch, Mausebärchen.“ Jiang Li kicherte dümmlich. Auch sie beherrschte durch jahrelange Übung die Kunst des klaren Sprechens bei fortgeschrittener Trunkenheit! „Weissu was, Jiang Li?“ Lupin lehnte sich gefährlich nahe zu ihr und ignorierte Snapes finsteren Blick. „Du bis eine wunnerschöne Frau.“ „Ich hab dich auch lieb“, versetzte sie grinsend, während sich Snape vor Ärger wand. „Aber sie ist meine wunderschöne Frau!“, mischte er sich bissig ein, bevor Lupin noch Zeit zu einer Antwort hatte. „Und du lässt deine Dreckfinger von ihr!“ „Huiuiui, nichso heftig“, hob Lupin abwehrend die Hände und rollte gespielt entsetzt mit den Augen. „Da kriegt man ja Angst, Severus.“ „Die solltest du auch haben! Wer braut dir denn monatlich deinen Trank, damit du nicht zum Werwolf wirst, hä?“ „Jetzt hört aber mal auf, Männer!“, dröhnte Jiang Li dazwischen und hieb mit der Faust auf die armdicke Eichenplatte. „Was ist denn bloß los mit euch? Schlimmer als kleine Kinder!“ „Er ist an allem schuld“, grummelte Snape eingeschüchtert, während sich Lupin verlegen am Kopf kratzte, sichtlich innerlich mit sich rang und schließlich zu einem schwerwiegenden Entschluss zu kommen schien. Er straffte die Schultern und holte tief Atem. „Wir waren jung und dumm, Severus. Die Vorkommnisse in unserer Schulzeit tun mir heute“, er schluckte und warf einen kurzen Seitenblick zu Jiang Li, die milde erstaunt und abwartend die Braue hob, „ehrlich Leid. Ehrlich, Severus. Du weißt doch, wie das ist. Man ist unsicher, der Körper verändert sich“, bei diesen Worten tauschten Jiang Li und Snape befremdete Blicke, „man will zu einer Clique gehören, wie das eben so ist …“ „Also, was Remus da vermutlich sagen will“, warf Jiang Li hastig ein, als sie Snapes finsteres Gesicht sah, „ist ganz einfach, dass er sich blöd benommen hat. Könntet ihr nicht wenigstens mal versuchen, euch mal miteinander auszusöhnen? Es ist verdammt schwierig für mich, so zwischen den Stühlen zu sitzen.“ „Wenn du wüsstest, meine Liebe, was er und seine elenden Freunde mir damals angetan haben, dann würdest du so etwas nicht einmal im Traum verlangen …“   Die Debatte über dieses Thema zog sich über mehrere Stunden hin und langweilte Jiang Li am Ende so sehr, dass sie es wirklich bereute, überhaupt damit angefangen zu haben. Die beiden Männer schienen allerdings richtiggehend Spaß dabei zu haben, sich gegenseitig die Liste ihrer Verfehlungen über den Tisch ins Gesicht zu schreien und zwischendrin kräftig Schnaps und Bier zuzusprechen. Gerade als Lupin dabei war, sich heftig gegen den Vorwurf zu wehren, gemeinsam mit James Potter und Sirius Black mit eiskalter Berechnung Snapes Tod bei der Peitschenden Weide geplant und das Vorhaben nur schlecht ausgeführt zu haben, öffnete sich die Tür der Kneipe und Bill Weasley schlich verstohlen und mit dem deutlichen Ausdruck eines schlechten Gewissens in den Raum. Jiang Li sprang erleichtert auf, ohne sich weiter um die beiden Streithähne an ihrem Tisch zu kümmern und winkte ihm frenetisch zu. „Billy! Komm her! Rette mich!“ „Was ist los, Zhen, du hast die Zwei doch nicht etwa aufeinander losgelassen, oder?“, fragte er grinsend und klopfte ihr väterlich auf die Wange. „Dann hättest du ja eigentlich verdient, dass ich dich den Schlamassel hier alleine ausbaden lasse!“ „Das wäre aber fies, Billy, noch dazu, wo du doch ganz alleine hier bist und eine gute Tat begehen könntest. Hat dir die gute Fleur eigentlich erlaubt, dass du so ganz alleine ausgehst?“ Bill lachte gutmütig und zupfte sie spielerisch an den Haaren. „Fleur war müde und hatte Kopfschmerzen, abgesehen davon wollte sie mit „diesem schreschlischen `aufen“, der ihr alle miteinander ja auch wirklich seid, nichts zu tun haben. Deswegen habe ich mir gedacht, ich zische noch schnell ein kühles Bierchen und gehe dann mal schlafen. Weißt du eigentlich, wie spät es ist?“ „Für ein Bier ist es nie zu spät. Sollen wir gehen?“ Noch bevor Bill in der Lage war, zustimmend zu nicken, befanden sich Snape und Lupin wie durch Zauberhand an ihrer Seite und sahen den rothaarigen Mann mit besorgniserregend gefurchten Stirnen an. „Hallo, Weasley.“ Snape legte demonstrativ den Arm um Jiang Lis Hüfte und zog sie enger an sich. „Können wir dir helfen?“ „Ich wollte mit Bill gerade einen Lokalwechsel vornehmen, weil ihr beide schrecklich langweilig seid“, mischte sich Jiang Li quengelnd ein. Lupin und Snape tauschten einen raschen Blick. „Weißt du, Jiang Li, Severus und ich fangen gerade an, uns immer besser zu verstehen, was, Severus?“ „Wo du recht hast, hast du recht, Remus“, pflichtete ihm Snape, erstaunlicherweise ohne der geringsten Spur eines gehässigen oder sarkastischen Untertons, zu. „Wir sind sozusagen auf dem besten Weg zu einer gemeinsamen Basis.“ Sekundenlanges Schweigen entstand. „Ein echtes Weihnachtswunder, Merlin sei Dank“, seufzte Jiang Li schließlich mit spöttischer Erleichterung, gab Snape einen raschen Kuss auf die Wange und schlug sowohl Lupin als auch Bill kameradschaftlich auf die Schultern. „Und was ein echtes Wunder sein will, muss dann ja wohl auch richtig gefeiert werden, was? Prost!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)