Stairway to the Skies von Swanlady (ItaSaku) ================================================================================ Prolog: Vor dem Ende. --------------------- Sein Ende war nah. Nur jemand, der sein gesamtes Leben dem Shinobidasein verschrieben hatte, war in der Lage, den näherkommenden Tod mit allen Sinnen wahrzunehmen. Er roch nach Blut, schmeckte nach Staub, hörte sich nach rauschendem Chakra an – aber vor allem fühlte er sich wie Erlösung an. Vor der Dunkelheit fürchtete er sich nicht, diese hatte sich bereits die Zeit genommen, um sich nach und nach mit ihm anzufreunden. Wenn das Augenlicht versagte, blieb einem keine andere Wahl, als die Finsternis zu akzeptieren. Dies hatte er aber bereits vor langer Zeit getan – sein Weg hatte ihn durch die tiefsten Abgründe geführt und nicht ein einziges Mal hatte er zurückgeblickt, weil er wusste, wofür er ein Leben in der Hölle in Kauf genommen hatte. Für wen. Entsetzte Augen, die seinen so ähnlich waren, starrten ihn an, während er schwach nach vorne stolperte, die letzte Kraft dafür benutzte, um seinen Arm zu heben. Er schuldete seinem Bruder eine letzte Geste, eine, die ihm Schutz geben würde. Seine Sicht war verschwommen, er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Die Ironie, dass er seinen Bruder in den letzten Momenten seines Lebens nicht vernünftig sehen konnte, entging ihm nicht. Sie brach ihm das Herz, aber er wusste, dass all der Schmerz und das Leid gleich verschwinden würden. Ein paar Schritte noch, dann würde alles vorbei sein. Er streckte die Hand aus, merkte, wie sein Bruder sich versteifte und sein Körper zitterte. Selbst jetzt noch tat er ihm weh. Tiefe Traurigkeit, die er jahrelang nicht an sich herangelassen hatte, um diese Farce, die er Leben genannt hatte, aufrechtzuerhalten, machte sich nun in ihm breit. Er wollte als er selbst sterben, weshalb er seine Lippen zu einem Lächeln verzog und spürte, dass seine Mundwinkel protestierten, weil sie nicht mehr an diese Anstrengung gewöhnt waren. „Was zum…?!“, ertönte die erstickte Stimme seines Bruders. Das Lächeln verblasste, die Hand hielt inne und der Rest seiner Sinne begann augenblicklich zu arbeiten. Selbst jetzt noch, so kurz vor dem Tod, konnte er spüren, dass etwas nicht in Ordnung war und dass die irritierten Worte nicht seinem Lächeln gegolten hatten. Dieses hatte sein Bruder vermutlich nicht einmal bemerkt, denn seine Aufmerksamkeit galt dem, was sich hinter ihm abspielte. Er drehte sich um, gab seinem Bruder die Chance, ihn anzugreifen und zu töten, doch er tat es nicht. Stattdessen standen beide Uchiha-Brüder reglos da und starrten in die Ferne. Während Sasuke es genau sehen konnte, erkannte Itachi lediglich Konturen. Es sah aus, als wäre dort, ganz weit weg von ihnen, eine riesige Treppe erschienen. Eine Treppe, die in den Himmel führte. Kapitel 1: unachtsam. --------------------- „Verdammt.“ Sakura Haruno ballte die behandschuhte Hand zur Faust, doch sie wusste genau, wie viel – oder wie wenig – Charka sie noch übrig hatte. Das war der Nachteil daran, wenn man perfekte Chakrakontrolle besaß und zudem jedes noch so subtile Zeichen des eigenen Körpers problemlos deuten konnte. Dank der verlässlichen Intuition einer Kunoichi, mehr als einer Prise Intelligenz und der simplen Tatsache, dass dies nicht das erste Mal war, dass sie in Schwierigkeiten waren, konnte Sakura eins mit absoluter Sicherheit feststellen: sie waren am Ende ihrer Kräfte und sie hatten so gut wie verloren. Sie trat einen Schritt zurück und stieß dabei sachte mit dem Rücken ihres Teamkameraden zusammen. „Alles in Ordnung?“, fragte sie und warf einen Blick über die Schulter. „Alles bestens“, erwiderte Naruto, grinste und spuckte das Blut aus, das sich in seinem Mund angesammelt hatte. „Ich bin mir inzwischen nicht sicher, ob das eine so gute Idee war, weißt du?“, äußerte Sakura ihre Zweifel, während sie die feindlichen Shinobi, die sie umzingelt hatten, nicht aus den Augen ließ. „Zweifelst du etwa an ihm?“, fragte Naruto, der schützend zwei Kunai vor dem Oberkörper hielt. Sakuras Schweigen war ihm wohl Antwort genug, denn Naruto schnaufte. „Keine Sorge, Sakura-chan. Er wird zurückkommen – und zwar mit Verstärkung. Was hältst du davon, wenn wir diesen Rüpeln in der Zwischenzeit zeigen, aus welchem Holz Konohanin geschnitzt sind, huh?“ „Versuchen wir das nicht schon die letzte halbe Stunde über? Ohne Erfolg?“, ächzte Sakura frustriert, knirschte aber entschlossen mit den Zähnen, als sie sich abermals kampfbereit machte. Es wäre doch gelacht, wenn diese Bande es schaffen würde, sie so sehr in die Enge zu treiben. Noch bevor Sakura sich rühren konnte, hatte Naruto seine Position bereits verlassen und die Kunai, die er eben noch festgehalten hatten, surrten durch die Luft. Da sie jedoch ihre eigenen Gegner hatte, auf die sie sich konzentrieren musste, hatte Sakura keine Zeit, um allzu sehr auf ihren quirligen Freund zu achten – auch wenn sie ihn niemals gänzlich aus den Augen ließ. Sie hatte zu viel Zeit damit verbracht, seine Wunden zu heilen und ihm gelegentlich das Leben zu retten, um ihn jetzt sich selbst zu überlassen. Es war ein Instinkt, der tief in Sakura schlummerte und der schlussendlich über ihre berufliche Karriere entschieden hatte. Der innere Wunsch andere zu beschützen und zu unterstützen war besonders stark, wenn es um ihre Freunde ging. Obwohl die Banditen keine Stirnbänder trugen, die ihre Herkunft verraten hätten, so war sich Sakura dennoch sicher, dass sie eine vorbildliche Ausbildung genossen hatten. Keiner von den Shinobi war ein Amateur, was es umso schwieriger machte gegen vier gleichzeitig anzukommen. „Naruto, du solltest dir einen sicheren Ort suchen…“, rief Sakura, während sie den Faustschlag eines feindlichen Shinobis blockte und sich sogleich auf dieselbe Weise revanchierte – nur dass ihre Faust ihr Ziel traf. Der gebrochene Kiefer knackte, der Mann heulte auf, doch das schien Sakura nicht zu kümmern. Schliddernd bremste sie auf dem Boden ab und sah sich nach Naruto um. „Ich weiß, was du vorhast, Sakura-chan! Aber dafür ist es noch zu früh!“, rief einer von Narutos Klonen, während die fünf anderen eine synchronisierte Attacke starteten. Sakura hätte ihm einen bösen Blick geschenkt, würde man sie nicht ebenfalls schon wieder angreifen. Diese Bande war wirklich wie eine Ameisenplage – obwohl es nicht mehr als zwanzig Shinobi sein konnten, hatte Sakura das Gefühl, dass sie aus allen Erdlöchern gekrochen kamen. „Nimm es mir nicht übel, Naruto, aber ich weiß immer noch am besten –“, setzte Sakura an, wurde aber jäh unterbrochen, als das Kreischen eines Vogels ertönte. Sakuras Kopf schoss in die Höhe und sie hörte Naruto jubeln. „Was habe ich dir gesagt?!“, rief er, doch Sakura schaffte es nicht mehr ihm zu antworten. Sais Vogel war gerade dabei zu landen, als Sakura einen Windzug verspürte – der Rest passierte so schnell, dass sie sich im Nachhinein kaum mehr an die Einzelheiten erinnern konnte. Der feindliche Shinobi kam aus dem Nichts. Genauso wie das Schwert, dessen Klinge Sakuras Herz nur um Haaresbreite verfehlte. Es bohrte sich kurz, schmerzhaft, aber nicht tief zwischen ihre Rippen, bevor ein weiterer Windzug sie mit sich riss. Was ging hier vor?! Starke Arme hatte sie gepackt und sie gute zehn Meter außer Reichweite des angreifenden Ninja verfrachtet. Irritiert sah Sakura auf und begegnete einem Paar roter Augen, umrahmt von schwarzen, langen Haaren. Aus reiner Gewohnheit lag ihr das Sasuke-kun bereits auf den Lippen, doch es war gar nicht Sasuke, der dicht bei ihr stand und die Hände nun langsam von ihren Oberarmen nahm. „Alles in Ordnung?“, ertönte die neutrale Stimme Itachi Uchihas und Sakura erinnerte sich noch genau daran, dass sie diese Frage noch vor wenigen Minuten Naruto gestellt hatte. Ihre Augen verengten sich, als zu ihr durchdrang, dass er sie gerettet hatte. Zunächst redete sie sich ein, dass er damit ihren Stolz angekratzt hatte, immerhin gehörte sie nicht zu den schwächsten Ninja, die Konoha zu bieten hatte, eher im Gegenteil, aber als das nicht funktionierte, musste Sakura sich eingestehen, dass sie wütend auf sich selbst war, weil sie so unachtsam gewesen war. Das wäre nicht passiert, wenn sie besser aufgepasst hätte. Statt Itachi also zu antworten, schob sie sich an ihm vorbei und presste die Hand gegen die blutende Stelle. Sakura biss die Zähne zusammen und stapfte an den nächsten Shinobi vorbei, die Sai geholt hatte und sammelte das restliche Chakra, das sie nicht dazu benutzte, sich selbst zu heilen, in ihrer Faust. Zielstrebig schoss sie auf den Gegner zu, der für den Schmerz in ihrer Brust verantwortlich war und wich geschickt aus, als dieser erneut mit seinem Schwert auf sie losgehen wollte. Dieses Mal ließ Sakura sich nicht beirren, denn sie war eine Frau, die eine klare Mission hatte: sie würde diesem Mistkerl mindestens ein paar Kochen brechen – und wenn es Letzte war, das sie tat. Zornig holte sie aus und verpasste ihm einen Schlag in den Bauch, der seine Augäpfel fast aus den Augenhöhlen springen ließ und ihn meterweit hinter die Baumlinie schleuderte. Sakura hörte, wie er irgendwo im Wald mit einem Baumstamm Bekanntschaft machte und die Baumkrone des alten Baums erzitterte, woraufhin ein paar Vögel krächzend in die Lüfte flohen. Schwer atmend richtete Sakura sich auf. Sie nahm ihre Hand von ihrer Wunde, die sie während ihres Angriffs zu Ende geheilt hatte und drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie die verbleibenden Banditen alle gleichzeitig bewusstlos zu Boden gingen. Sakura spürte das knisternde Chakra in der Luft und ein unangenehmer Schauer kroch über ihren Rücken, als sie ihren Blick automatisch auf Itachi Uchiha richtete, der seelenruhig auf einem Ast stand. „Huh?! Sie sind einfach umgefallen!“, kommentierte Naruto verwundert. „Blitzmerker“, fuhr Sakura ihn zischend an, nachdem sie sich zu ihm gesellt hatte. Im Gegensatz zu Naruto wusste sie genau, wer und was dafür verantwortlich war. Sasukes Genjutsu-Fähigkeiten waren so gut, dass jeder durchschnittliche Shinobi darauf neidisch sein konnte, aber selbst der stolze Sasuke hatte einst zugegeben, dass er seinen Bruder in dieser Hinsicht nicht schlagen konnte. Noch nicht, hatte er damals betont. Sakura kannte also nur die Geschichten, die man sich im Dorf über den Uchiha-Erben erzählte. Zusammen mit dem spärlichen Wissen, das sie von Sasuke hatte, war das nicht viel – und auf keinen Fall vergleichbar mit dem Erlebnis, es mit eigenen Augen zu sehen, wozu das glühende Sharingan Itachi Uchihas fähig war. Er hatte nicht einen Muskel rühren müssen, seine Teamkameraden auch nicht – und dennoch hatte er innerhalb eines Sekundenbruchteils rund zwanzig Shinobi lahmgelegt, mit denen sich Naruto und Sakura die letzte halbe Stunde abgemüht hatten. Leichtfüßig sprang Itachi vom Baum und landete direkt vor ihnen. Er hatte sein Sharingan immer noch nicht deaktiviert, obwohl keine Gefahr mehr herrschte. Sakura wurde das Gefühl nicht los, als würde er ihr damit unter die Nase reiben wollen, dass man niemals so unachtsam sein sollte, wie sie es gewesen war. „Naruto… Sakura“, murmelte er nachdenklich, als würde er sich ihre Namen erst in Erinnerung rufen müssen. Nun, Sasuke schien sie zu Hause wenigstens einmal erwähnt zu haben, das konnte wohl als Erfolg verbucht werden. „Uchiha“, gab Sakura aalglatt zurück, bevor sie sich davon abhalten konnte und zog die Augenbrauen hoch. Naruto kannte diesen Ton, weshalb er sie blinzelnd anstarrte. „Sakura-chan…“, flüsterte er beschwichtigend, doch Sakuras grüne Augen versuchten Itachis Gesicht zu durchbohren. Sakura gab sich Mühe, aber er rührte nicht einen Muskel, sondern starrte einfach nur zurück. Schließlich senkte er jedoch den Blick und als dieser die Stelle an Sakuras Körper musterte, die der Feind mit seinem Schwert erwischt hatte, waren Itachis Augen nicht mehr rot. Sie hatten ihre normale, dunkle Farbe angenommen. „Lasst uns zurückgehen“, sagte er knapp, ehe er sich abwandte. Sakura freute sich nur bedingt darüber, dass sie das Duell der Blicke gewonnen hatte, denn sie fühlte sich nicht unbedingt besser. Sie hörte nur mit halbem Ohr zu, als Sai zu ihnen stieß und Naruto ihn darüber ausfragte, wie er Itachi und sein Team aufgegabelt hatte. Es interessierte Sakura nicht, sie hatte andere Dinge, über die sie nachdenken musste. Zum Beispiel, wieso sie so gereizt war und wieso sie ihre Laune an jemandem ausließ, der ihr eigentlich geholfen hatte. Bereits in diesem Moment wusste Sakura, dass sie sich bei Itachi entschuldigen musste, obwohl er nicht so ausgesehen hatte, als hätte ihre Patzigkeit ihn groß getroffen. Dennoch schaffte sie es nicht den Mut aufzubringen, ihn anzusprechen – zumindest nicht sofort. Sakura schwieg den Weg zurück nach Konohagakure über und warf ihm lediglich verstohlene Blicke zu. Er schien nichts davon zu merken, aber vielleicht tat er auch einfach nur so. „Endlich wieder daheim!“, rief Naruto freudig, als sie die Grenze des Dorfes überschritten. „Sakura-chan, gehen wir etwas essen?“ Sakura rollte mit den Augen, aber eigentlich sollte sie Narutos erster Gedanke nach einer Mission kaum mehr wundern. „Wir müssen zuerst dem Hokage Bericht erstatten, schon vergessen?“ „Kann das nicht Sai übernehmen?“ „Siehst du ihn hier irgendwo?“ Naruto sah sich um, doch von dem gewöhnungsbedürftigen Ninja und seinem Vogel war nichts mehr zu sehen. „Ich habe aber Hunger…“, jammerte Naruto und Sakura wusste, was sich hinter dieser – seiner Meinung nach – mitleidserregenden Aussage verbarg. Nämlich die Frage, ob sie diese Aufgabe nicht übernehmen konnte. An jedem anderen Tag hätte sie ihn unbarmherzig mitgeschleppt, aber ohne Naruto hatte sie vielleicht eine Chance, ein paar Worte mit Itachi zu wechseln. Dieser war mit seinem Team nämlich bereits vorgegangen. „Fein. Wir sehen uns morgen!“, stimmte Sakura deshalb schneller als sonst zu und stieß sich vom Boden ab, um den Weg über die Dächer zu nehmen, einen überraschten Naruto zurücklassend. Als sie beim Hokageturm ankam und ihn betrat, kamen ihr die zwei Shinobi entgegen, die mit Itachi unterwegs gewesen waren. Erst jetzt erkannte Sakura einen von ihnen. Es war Shisui Uchiha, der sich vergnügt mit seinem Teamkollegen unterhielt, den sie jedoch nicht kannte. Sie schenkten ihr keine Beachtung, als sie an ihnen vorbeihastete und glaubte, ihre Chance verpasst zu haben. Im Korridor war er nicht. Das hieß wohl, dass sie ihn verpasst hatte. Sakura seufzte, aber da sie nun ohnehin nichts mehr tun konnte, hob sie die Hand, um an der Bürotür des amtierenden Hokage anzuklopfen, als diese plötzlich aufging. Abermals an diesem Tag sah sie sich direkt mit dem Blick Itachis konfrontiert, aber dieser wirkte ohne Sharingan nur halb so einschüchternd. „Sie ist da“, sagte Itachi, wobei diese Worte nicht an Sakura, sondern an die Person im Raum gerichtet waren. „Wer?“ „Haruno.“ Es war eine eindeutige Anspielung. Sakura biss sich auf die Unterlippe und spürte, wie sich die Verlegenheit verräterisch auf ihren erhitzten Wangen abzeichnete. In diesem Moment war sie sich sicher, dass ihre Sinne sie täuschten, aber für eine winzige Sekunde glaubte sie, so etwas wie Erheiterung in den dunklen Augen aufflackern zu sehen. „Ah, Sakura. Lass sie rein. Und bleib bitte auch noch einen Moment da“, bat der Hokage. Itachi trat zurück und ließ Sakura eintreten. „Ich freue mich, dass ihr gesund und munter wieder zurückgekommen seid. Itachi hat mir ein wenig vom glücklichen Ende der Mission erzählt, aber wärst du so nett, mir zu schildern, wie es dazu gekommen ist, dass Verstärkung nötig war?“ Sakura holte tief Luft und sah den Hokage schuldbewusst an, doch Obito Uchiha schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Kapitel 2: rot. --------------- „Wir waren vorsichtig, Hokage-sama“, beteuerte Sakura und schielte unauffällig in Itachis Richtung. Seine Anwesenheit war ihr unangenehm und sie fühlte sich gedemütigt, ihre Fehler – gut, Narutos und Sais auch, aber das war nur ein kleiner Trost – offen vor ihm schildern zu müssen. Wenn er sich, basierend auf den Ereignissen der letzten zwei Stunden, bereits eine Meinung über sie gebildet hatte, dann ließ er es sich nicht anmerken, denn Itachi, dessen Blick auf dem Hokage lag, hielt sich diskret im Hintergrund. Die Unnahbarkeit der Uchihas war Sakura nicht fremd. Sie war frustrierend und gleichzeitig machte sie einen neugierig, was eine gefährliche Mischung bildete. An Sasuke hatte sie sich bereits mehrmals die Finger verbannt. „Aber nicht vorsichtig genug?“, bot Obito Uchiha helfend an, als Sakura zu lange schwieg. Sie nickte hastig und räusperte sich. „Ja. Nicht vorsichtig genug. Außerdem waren unsere Informationen nicht komplett. Einfache Banditen wären kein Problem gewesen…“ „Das bezweifle ich nicht, ihr seid ein Team mit hoher Erfolgsquote“, erlaubte sich der Hokage einen lockeren Kommentar, der Sakura für einen Moment darüber sinnieren ließ, wie es sein konnte, dass auch er ein Uchiha war. Soweit sie wusste, waren Obito und Shisui Uchiha die einzigen des stolzen Klans, die das überaus starke Gen der Arroganz nicht geerbt hatten. Diese Überheblichkeit, die es in einer ähnlichen Form auch bei den Hyuugas gab, schien an den beiden Shinobi abgeprallt zu sein – und Sakura war dankbar dafür, dass ausgerechnet einer der umgänglichen Uchihas das wichtige Amt des Dorfoberhaupts bekleidete. Das Kompliment konnte Sakura dieses Mal aber nicht annehmen. Die Mission war ein Reinfall gewesen und wäre vielleicht nicht gutgegangen, wenn Sai Itachi nicht gefunden hätte. „Es waren alles ausgebildete Shinobi. Die unterschiedlichen Kampfstile und Waffen wiesen alle darauf hin, dass es Ninja aus verschiedenen Dörfern waren“, fuhr sie fort und runzelte die Stirn. „Verzeihen Sie meine Direktheit, aber ist das nicht ungewöhnlich? Ich meine…“ Unsicher sah Sakura den Hokage an, doch dieser nickte auffordernd. „Es kommt nicht oft vor, dass Shinobi solche Allianzen bilden – vor allem Nukenin nicht. Das Risiko, dass sie einander für das versprochene Kopfgeld verraten, ist den meisten zu hoch“, fuhr sie fort. „Ich weiß aber leider nicht, ob das überhaupt von Bedeutung ist.“ Obito schenkte ihr erneut ein Lächeln, doch dann wanderte sein Blick langsam an ihr vorbei und schlagartig erinnerte sich Sakura daran, dass Itachi immer noch im Raum war. Er unterdrückte sein Chakra nicht, aber Sakura nahm es kaum wahr – zudem verhielt er sich so leise, dass sie ihn glatt vergessen hatte. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Bevor sich Sakura diese Frage beantworten konnte, ertönte Obitos Stimme erneut, diesmal richtete er seine Worte aber an Itachi. „Ich verstehe nun in etwa, was du meintest. Du hast meine Erlaubnis.“ Itachi nickte knapp, ehe er sich abwandte und das Büro verließ. Verdutzt blickte Sakura ihm hinterher, denn sie hatte überhaupt nicht verstanden, was eben passiert war. Erlaubnis? Was hatte das zu bedeuten? Und wieso ging Itachi einfach? Sie hatte doch immer noch nicht mit ihm gesprochen! Den ersten Impuls niederknüppelnd, ihm folgen zu wollen, erhoffte sie sich von Obito eine Erklärung. Dieser sah aber nicht so aus, als würde er darauf eingehen wollen. „Lass mich zusammenfassen. Ihr hattet unvollständige Informationen, habt euren Gegner unterschätzt und wart leichtsinnig.“ Sakura zuckte zusammen. Wenn er das so ausdrückte, hörte er sich wirklich fürchterlich an. „Aber ihr habt einen Ausweg gefunden, indem ihr Verstärkung gerufen habt. Natürlich, es war Glück, dass Itachis Team in der Nähe war, aber das gehört meiner bescheidenen Meinung auch zum Leben eines Shinobi dazu.“ „Glück?“ „Ja, Glück, Sakura. Ich denke, das reicht für heute, den Rest würde ich gerne detailliert in eurem Missionsbericht lesen.“ Erleichtert atmete Sakura aus, denn sie hatte sich auf ein weitaus schlimmeres Gespräch eingestellt. „Jawohl.“ Sakura war bereits auf halbem Weg zur Tür, als er noch einmal das Wort ergriff. „Darf ich dir einen Rat geben? Überleg es dir gut.“ Verwirrt drehte sie sich noch einmal um, doch Obito hatte seine Nase längst wieder in irgendwelche Unterlagen gesteckt. „Gute Nacht, Sakura.“ „Gute Nacht, Hokage-sama“, erwiderte sie mit einem flauen Gefühl im Magen. Kaum hatte Sakura die Tür hinter sich geschlossen, erstarrte sie. Itachi war nicht gegangen, sondern wartete seelenruhig im Gang. Seine Haltung erinnerte nicht mehr an den vorbildlichen Teamleiter, der die Initiative ergriff, weil er es im Blut hatte. Er wirkte gelassener, als er sie mit einem Blick taxierte, den sie nicht deuten konnte, der sie aber zur Abwechslung nicht zu durchleuchten schien. Vermutlich hatte sogar jemand wie Itachi Uchiha irgendwann Feierabend. Apropos – Sakura fühlte sich vollkommen ausgelaugt und der Gedanke, dass sie morgen nicht ausschlafen, sondern zur Frühschicht im Krankenhaus antanzen musste, ließ sie beinahe gequält das Gesicht verziehen. Wäre Itachi nicht da gewesen, hätte sie sich definitiv nicht zurückgehalten. „Hast du etwas vergessen?“, fragte sie und deutete mit dem Daumen über ihre Schulter. Itachi regte sich und nahm zuerst die Hand aus der Hosentasche, bevor er ihr antwortete. Er hatte Manieren, das musste man ihm lassen. „Nein. Ich habe auf dich gewartet.“ Das merkwürdige Gefühl im Bauch, das an Shinos krabbelnde Insekten erinnerte, verstärkte sich. Wollte er sie noch einmal für ihre Unachtsamkeit schelten? Oder seine Unzufriedenheit darüber äußern, dass sie ihre Frustration an ihm ausgelassen hatte? „Ich wollte im Grunde auch mit dir reden…“, gab sich Sakura schließlich einen Ruck und senkte peinlich berührt den Blick. „Komm“, sagte Itachi unbeirrt und setzte sich in Bewegung. „Lass uns draußen reden. Hier weiß man nie, wer einem zuhört.“ Kurz tauchte in Sakuras Kopf die erheiternde Vorstellung auf, dass der Hokage an der Tür stand, sein Ohr gegen das Holz presste und lauschte, aber sie hatte die leise Vermutung, dass es nicht das war, was Itachi gemeint hatte. Wortlos folgte sie ihm. Es war spät – wie spät wurde Sakura erst bewusst, als die kühle Nachtluft ihnen entgegenschlug. Die Wolken am Himmel bewegten sich, gaben vereinzelten Sternen die Möglichkeit den dunklen Teil der Stadt in ein wenig Licht zu tauchen – genau in diesen führte Itachi sie nämlich. Sakura behielt einen Abstand von zwei Metern bei, doch daran schien er sich nicht zu stören. Im gemütlichen Spazierschritt lief er vor ihr, leiser als die meisten Menschen, obwohl er es wohl nicht einmal darauf anlegte. Da er schwieg und Sakura die Fragen zu plagen begannen, konzentrierte sie sich aus reinem Jux darauf, wie seine zusammengebundenen Haare von links nach rechts und wieder zurück schwenkten. Wenigstens musste sie nicht fragen, wohin sie gingen – sie kannte diesen Weg nämlich. Er führte sie zum See, der nah genug am Uchiha-Viertel lag, um praktisch noch als Privatgrundstück gelten zu können. Das kühle Grass kitzelte ihre in den Sandalen nackten Zehen, als sie hinüber zum Steg schlenderten und Itachi endlich stehenblieb. Skeptisch sah sich Sakura um. „Bist du dir sicher, dass wir hier nicht belauscht werden?“, fragte sie und musterte die vielen Bäume, die selbst für einen unerfahrenen Genin ein wirklich gutes Versteck darstellten. „Worüber wolltest du mit mir reden?“ Indem er ihre Frage ignorierte, kam sich Sakura prompt wieder wie die Inkompetenz in Person vor. Hart presste sie die Lippen aufeinander, als das Gefühl von Wut erneut aufbrodelte und sie beinahe vergessen ließ, dass sie sich eigentlich hatte entschuldigen wollen. „Die Frage ist wohl eher, worüber du mit mir reden wolltest, oder?“ Das Spiel der unendlichen Gegenfragen konnte sie den ganzen Tag – oder wahlweise auch die ganze Nacht – spielen. Sakura war müde, gereizt und diese Geheimnistuerei zerrte an ihren Nerven. Sie wollte Klarheit oder ihr Bett. Am besten beides. „Verzeih mir, falls ich dich beleidigt habe“, nahm ihr Itachi urplötzlich den Wind aus den Segeln, indem er sich entschuldigte. Er sprach ruhig und musterte sie eingehend, als würde er seine Worte tatsächlich noch einmal Revue passieren lassen. „Du bist wütend“, stellte er nach einer Weile fest. „Nein“, schnaufte Sakura. „Nur überarbeitet.“ „Hm.“ Mehr sagte er nicht. Hm. Das konnte doch alles uns nichts bedeuten! Als er jedoch den Kopf abwandte und auf das Wasser hinaussah, bemerkte Sakura den nachdenklichen Ausdruck auf seinem Gesicht. Dieser ließ sie innehalten. „Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir trotzdem zuerst verraten würdest, was du mit mir besprechen wolltest“, bat Itachi und Sakura wusste nicht, ob seine Höflichkeit so entwaffnend war, dass sie sofort kapitulierte, oder ob sie einfach keine Lust mehr hatte sich rein aus Prinzip querzustellen. „Ich wollte mich entschuldigen“, sagte sie also direkt und war mächtig stolz darauf, dass sie dabei vollkommen sachlich klang. Sie hatte es gesagt. Jetzt durfte sie sich erst recht nicht mehr von Emotionen leiten lassen. „Wofür, wenn ich fragen darf?“ „Für mein Verhalten.“ Zwang er sie tatsächlich es auszusprechen? Fein. „Ich habe meine Laune an dir ausgelassen, obwohl du uns nur geholfen hast.“ Wenn er mehr hören wollte, dann würde er sie foltern müssen. „Ich nehme deine Entschuldigung an, Sakura“, erwiderte Itachi ohne mit der Wimper zu zucken. „Auch wenn ich nicht vollkommen nachvollziehen kann, wieso dich das so beschäftigt hat.“ Er hörte sich so an, als würde das für ihn kaum eine Rolle spielen und Sakura kam zu dem simplen Schluss, dass er ihr verzieh, damit sie sich besser fühlte. Sie war eine Närrin. Zu denken, dass sich jemand wie Itachi Uchiha mit ihren Launen beschäftigen könnte, war naiv und dumm gewesen. Ihr Mund fühlte sich trocken an, als sie den Blick auf ihre Füße richtete. „Du bist dran“, presste sie hervor, um das Gefühl zu verdrängen, dass sie sich gerade fürchterlich blamiert hatte. „Ich möchte dir ein Angebot machen“, kam er direkt zur Sache, was Sakura dazu veranlasste, wieder in seine Richtung zu schielen. „Und ich möchte, dass du genau darüber nachdenkst, bevor du mir eine Antwort gibst.“ Augenblicklich echoten die Abschiedsworte Obitos in ihrem Kopf und nun verstand Sakura zumindest teilweise, was der Hokage gemeint hatte – Itachis Angebot. Als Zeichen, dass sie verstanden hatte, nickte Sakura und spürte, wie ihre Schultern sich anspannten. Die Neugier zerfraß sie innerlich beinahe, aber sie versuchte zumindest den Eindruck zu erwecken, als würde sie geduldig darauf warten, dass Itachi fortfuhr. „Wir könnten jemanden wie dich in unserer Einheit gebrauchen“, sagte er schließlich und wandte sich ihr wieder vollkommen zu. Die stumme Frage musste sich wohl auf ihrem Gesicht abzeichnen, denn Itachi präzisierte seine Worte sogleich. „Ja. Ich meine die ANBU.“ Hätte er sie in diesem Moment gefragt, ob sie ihn heiraten wollte, wäre Sakura nicht minder überrumpelt gewesen. Überfordert suchte sie in seinem Gesicht nach dem Anzeichen einer Erklärung, fand aber nichts. Itachi ließ sie mit ihren Emotionen allein, obwohl er sich ein paar Schritte auf sie zubewegte. Sakuras Blick irrte umher, auf der Suche nach einem neuen Punkt, an den er sich klammern konnte, doch auch die Grashalme hatten keine Antworten für sie. Diese hatte nur Itachi, aber zuerst musste sie den Mund aufbekommen. „Ich verstehe nicht“, schaffte sie es schließlich und schüttelte den Kopf. „Wieso ich?“ Sakura wusste, als ausgebildete Kunoichi Konohas, wofür die spezielle Einheit der ANBU zuständig war. Sie mochten in friedlichen Zeiten leben, aber das hieß nicht, dass es nicht hin und wieder nötig war Shinobi auf Missionen zu schicken, bei denen sie sich mehr als nur die Hände schmutzig machten. Die Identitäten der meisten ANBU-Shinobi waren geheim, aber es gab ein paar Namen, die kursierten in der Stadt wie die Gerüchte über Tsunades Sakevorräte in jedem Abstellraum des Krankenhauses. Itachis gehörte dazu. Sakura wusste auch, dass Ninja wie Kakashi oder Sai einst dazugehört hatten, sich aber aus diversen Gründen dazu entschieden hatten auszutreten. „Weil du eine talentierte Iryōnin bist“, erwiderte Itachi ruhig. „Du hast deine Wunde während eines Kampfes geheilt, als wäre sie nichts weiter als ein Kratzer gewesen. Selbst jemand, der sich nicht damit auskennt, sieht auf den ersten Blick, dass du deine Fähigkeiten effektiv einsetzen kannst.“ Vielleicht hätte sich Sakura geschmeichelt gefühlt, wenn es wie ein Kompliment geklungen hätte – aber Itachis sachlicher Ton nahm ihr alle Illusionen. Er hatte ihr schlicht und einfach die Begründung gegeben, nach der sie verlangt hatte. Nicht im Traum hatte sie daran gedacht, dass ihr jemals jemand einen ANBU-Posten anbieten könnte. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass dies nicht ihre Welt war, dass sie im Krankenhaus und auf vereinzelten Missionen besser aufgehoben war. Aus diesem Grund musste sie auch nicht lange überlegen, sie kannte ihre Antwort bereits. Gerade wollte Sakura den Mund öffnen, um höflich abzulehnen, als Itachi die Hand hob und sachte den Kopf schüttelte. „Überleg es dir. Du musst mir jetzt keine Antwort geben.“ Hastig vergewisserte sich Sakura, ob sein Sharingan weiterhin deaktiviert war, aus Angst, dass er in ihren Kopf geblickt und nicht einfach nur ihre Antwort erraten hatte, aber seine Augen schimmerten lediglich im trüben Licht des roten Mondes, der zwischen zwei großen Wolken hervor lugte. Automatisch wurde Sakuras Blick davon angezogen. „Er ist heute besonders rot“, murmelte sie, auch wenn sie nicht wusste, wieso sie diesen irrelevanten Gedanken mit Itachi teilte. Sakura hörte, wie er die Luft einsog, doch als sie den Kopf zur Seite drehte, um ihn anzusehen, hob und senkte sich sein Brustkorb gleichmäßig. „Der Mond ist immer rot, Sakura“, raunte er schließlich und seine Stimme klang belegt, als würde er seinen eigenen Worten nicht glauben. Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Natürlich ist er das“, erwiderte sie, denn das wusste jedes Kind. Die Erde war rund, der Himmel blau und der Mond rot. Kapitel 3: trotzig. ------------------- Ein leises Rascheln lenkte Sakura ab. Sofort flog ihr Blick in die Richtung der Bäume, deren Kronen sich dem Abendwind beugten, der über den See fegte. Auch Itachi sah lauschend dorthin, was Sakura wenigstens bestätigte, dass sie sich das Geräusch nicht eingebildet hatte. „Du solltest gehen“, sagte Itachi nachdrücklich, was Sakura als Beleidigung aufgefasst hätte, wüsste sie inzwischen nicht, dass er es nicht darauf anlegte, irgendwelche Gefühle in ihr auszulösen – er wollte sie weder ärgern noch loben. Für ihn zählten ihre Fähigkeiten, mehr noch: für ihn war sie ihre Fähigkeiten. „Du solltest gehen und es noch einmal überdenken“, präzisierte Itachi nach kurzem Überlegen und beachtete die schwankenden Bäume nicht mehr. Stattdessen fixierte er sie abermals mit einem Blick, der es Sakura unmöglich machte wegzusehen. „In Ordnung“, murmelte sie, bevor sie sich davon abhalten konnte. Sie wusste selbst nicht, wieso sie es ihm versprach, obwohl sie doch schon längst wusste, dass sie nicht darüber nachzudenken brauchte. War es, weil Itachi jemanden mit seiner bloßen Präsenz verunsichern konnte? Wenn er sie mit einem einzigen Blick dazu bringen konnte, ihren Entschluss noch einmal in Frage zu stellen, dann wollte Sakura nicht wissen, wie er einen Feind dazu zwang, ihm all seine Geheimnisse zu verraten. Die Autorität, die Itachi Uchiha ausstrahlte, war beeindruckend, aber sie war auch so unglaublich unfair, dass Sakura frustriert die Lippen aufeinander presste. Alle beugten sich seinem Willen, er kannte es nicht anders. Auch sie tat es, obwohl sie sich versprochen hatte, standhaft zu bleiben. „Gute Nacht, Itachi-san“, presste sie hervor. Das Gefühl der Wut war längst verschwunden, hatte der Resignation Platz gemacht. Sie ahnte, dass sich ihre Wege bald noch einmal kreuzen würden, wenn sie ihm ihre endgültige Antwort geben musste, doch bis dahin wollte sie seine Gesellschaft lieber meiden. Sein Angebot war schon verwirrend genug – da musste er sie mit seinem kryptischen Verhalten nicht noch weiter aus dem Konzept bringen. „Gute Nacht“, erwiderte er ruhig und Sakura wandte sich ab, ohne ihn auch nur ein letztes Mal anzusehen. Nichts an diesem ohnehin schon unvorhergesehenen Treffen war so gelaufen, wie sie es sich ausgemalt hatte. Eigentlich hatte sie sich lediglich bei ihm entschuldigen wollen, aber selbst das war zum halben Desaster geworden. Nun musste sie sich auch noch mit unnötigen Gedanken herumplagen. Ja, das war Itachis Angebot nämlich – absolut unnötig. Sakuras Leben war voll von geregelten Abläufen, war es schon immer gewesen und sie wollte auch nicht, dass sich das änderte. Die Freundschaft zwischen Naruto und ihr war der einzige spontane Aspekt gewesen, den sie je gebraucht hatte, selbst ihre Gefühle für Sasuke waren auf geregelte Weise gekommen und gegangen. Jedes Mädchen in ihrem Alter hatte für ihn geschwärmt, aber sie hatte als eine der wenigen die Ehre gehabt, ihn näher kennenzulernen – etwas, das ihre naive Wunschvorstellung von einer Hochzeit mit ihm vertrieben hatte. Er bedeutete ihr immer noch viel, er war Teil ihres ehemaligen Teams, aber sie war alt genug, um nicht länger zu glauben, dass zwischen ihnen jemals mehr sein könnte. Die ANBU-Einheit war nicht nur mit Gefahr verbunden, sondern auch mit einem Leben, das unvorhersehbar war – noch unvorhersehbarer als ihre wechselnden Schichten im Krankenhaus oder die gelegentlichen Notfälle, wie das giftige Souvenir aus Suna – in Form eines Skorpions –, das sich in Akamarus Fell verfangen hatte und Kiba Inuzuka fast das Leben kostete. Damit kam Sakura klar, dieses Leben als Kunoichi und Iryōnin hatte sie sich selbst ausgesucht – das und kein anderes. Es fiel ihr um einiges leichter, gedanklich standhaft zu bleiben, wenn Itachi nicht in der Nähe war. Zu dieser grimmigen Selbsteinsicht kam Sakura, als sie sich bereits vom See entfernt hatte und den Weg nach Hause einschlug. Sie sah nicht mehr, wie Itachi wieder wachsam die Bäume beobachtete und dann mit einem Satz in Richtung Wald sprang, um zwischen ihnen zu verschwinden. Sakura hielt ihre Versprechen grundsätzlich – außer wenn sie keine Zeit dafür hatte. Sie verdrängte die Entscheidung, die sie Itachi schuldig war, nicht absichtlich, sie hatte nur so viel zu tun, dass sie den nächsten Tag über keine ruhige Minute fand. Jemand, der den Perfektionismus bereits im Kindesalter eingeflößt bekommen hatte, würde aber auch sicher nicht wollen, dass sie in der Mittagspause am Kaffeeautomaten darüber sinnierte, ob sie ihr Leben in Zukunft für die ANBU aufs Spiel setzen wollte. Das war zumindest Sakuras Ausrede, wann immer ihr schlechtes Gewissen die Form von Itachis Gesicht annahm und vor ihrem inneren Auge auftauchte. Tatsächlich lief sie ihm kein einziges Mal über den Weg. Aber was hatte sie erwartet? Ihn plötzlich an jeder Straßenecke zu sehen, nur weil sie einmal miteinander gesprochen hatten? Die Uchihas sah man selten durch das Dorf marschieren, aber damit erfüllten sie nur ihre Aufgabe: Sie sorgten diskret und effektiv für Ordnung. Sakura konnte sich zumindest nicht daran erinnern, wann das letzte Mal Aufruhr in den Straßen Konohagakures geherrscht hatte. Die Frühschicht gehörte ohnehin nicht zu Sakuras Lieblingsschichten, aber an diesem Tag war noch mehr los als üblich, zumindest kam ihr die Notaufnahme überfüllt vor. Es mochte an dem guten Wetter liegen, das der späte Frühling mit sich brachte, denn Sonnenschein lockte oftmals selbst die ein wenig eingerosteten Shinobi hinaus auf das Übungsfeld – und genau diese nur gelegentlich Trainierenden sorgten dafür, dass Sakura genügend Arbeit hatte. Die routinierten, aber zeitaufwendigen Behandlungen zogen sich bis in den Nachmittag hinein, erst dann konnte Sakura sich dem Missionsbericht widmen, den sie dem Hokage versprochen hatte. Auf Naruto durfte sie nicht hoffen, dieser trainierte nun bestimmt irgendwo und dachte kein Stückchen daran, dass es auf dieser Welt so etwas wie Pflichten gab. Erst am Abend konnte sie sich auf den Weg machen, um Obito den Bericht persönlich vorbeizubringen. Shizune hatte zwar angeboten, Bote für sie zu spielen, da sie ohnehin in der Bibliothek vorbei schauen wollte, aber Sakura hatte abgelehnt. Wenn sie ehrlich war, dann tat die frische Luft nach all dem Desinfektionsmittelgeruch, der ihr heute in die Nase gestiegen war, ziemlich gut. Außerdem wollte Sakura nicht riskieren, dass jemand außer Obito den Bericht sah. Sie hatte keine Details ausgelassen, weil zu lügen nicht ihre Art gewesen wäre. Das hieß jedoch nicht, dass es ihr nicht trotzdem unangenehm war, dass die Mission so ein Reinfall gewesen war. „Ich gehe davon aus, dass Itachi dich gefragt hat?“, waren Obitos erste Worte, als Sakura ihm die Schriftrolle überreichte. Sie hätte sich denken können, dass er sie darauf ansprechen würde. „Ja, hat er“, erwiderte sie zögernd und bevor weitere Fragen folgen konnten, legte sie die Karten offen auf den Tisch: „Und ich habe mich noch nicht entschieden.“ Kaum hatte Sakura die Worte ausgesprochen, konnte sie fühlen, wie falsch sie sich auf ihrer Zunge anfühlten. Hatte sie das wirklich noch nicht? Stirnrunzelnd wandte sie den Blick ab und Obito, der merkte, dass sie ihren eigenen Gedanken nachgehen wollte, lächelte verständnisvoll. „Danke für den Bericht. Du darfst gehen“, entließ er sie aus seinem Büro. Das ließ sich Sakura nicht zweimal sagen. Sie wandte sich ab, trat hinaus in den Flur – und hatte schon im nächsten Moment ein starkes Déjà-vu-Gefühl, als sie plötzlich Itachi gegenüberstand. „Verfolgst du mich insgeheim?“, wollte Sakura wissen und verzichtete auf eine Begrüßung. Itachi schien abzuschätzen, wie ernst ihre Frage gemeint war und schüttelte letztendlich den Kopf. „Nein“, erwiderte er simpel und Sakura wartete vergebens auf eine Erklärung. „Aber du lauerst mir auf“, versuchte sie es noch einmal. „Nein“, sagte er abermals und erbarmte sich schließlich. „Ich bin hier, um den Hokage zu sehen, aber mir wurde gesagt, dass er nicht allein ist, weshalb ich wartete.“ Sakura spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Es war schon wieder passiert! Sie war davon ausgegangen, dass Itachi gespannt auf ihre Antwort war und dass auch ihr Gesicht in seinen Gedanken auftauchte, was natürlich völliger Unsinn war. Vermutlich hatte er ihr Gespräch bereits vergessen oder erinnerte sich nicht einmal mehr an ihren Namen… „Aber da wir uns hier schon begegnen – hast du eine Antwort für mich, Sakura?“ Ihr Blick schoss in die Höhe, als er das so beiläufig fragte, als würde er sich nach der morgigen Wetterprognose erkundigen. Er erinnerte sich zwar an ihren Namen, aber dieser unverschämte Tonfall und das offensichtliche Desinteresse verschlugen ihr glatt ein wenig die Sprache, weshalb Sakura ihn einige Sekunden lang auch einfach nur anstarrte und trotz guter Vorsätze nichts dagegen tun konnte, dass sie die Emotionen übermannten. Sie war empört und wütend, aber das war nichts im Vergleich zu ihrem angekratzten Stolz. Den hatte sie nämlich auch, was er zu vergessen oder zu ignorieren schien. „Oh, sicher habe ich eine Antwort für dich“, zischte sie ungehalten. Ihr plötzlich verändertes Verhalten entlockte selbst Itachi ein verwundertes Zucken der Augenbrauen, aber Sakura war zu abgelenkt, um diese winzige Reaktion wahrzunehmen. Es lag auf der Hand, dass ein normales Gespräch ab diesem Punkt unmöglich wurde, weshalb Itachi schweigend an ihr vorbeigehen wollte, doch Sakura stellte sich ihm in den Weg. „Willst du sie nicht hören?“ Provozierend funkelte sie Itachi an, der dem bösen Blick aus grünen Augen problemlos standhielt. Leicht neigte er den Kopf zur Seite, als er sie betrachtete und Sakura wurde schlagartig bewusst, dass sich ihre Körper beinahe berührten. Sie wich nicht zurück, weil sie es war, die Itachi endlich in die Enge treiben wollte. „Dein Verhalten verrät mir bereits, wie sie ausgefallen ist“, gab er gelassen zurück, rührte sich jedoch nicht von der Stelle. Wenigstens die Tatsache, dass sie seine Aufmerksamkeit immer noch hatte, konnte Sakura als Triumph verbuchen. „Wirklich?“, versuchte Sakura ihn zu verunsichern, was überraschenderweise funktionierte, denn Itachis Augen verengten sich nachdenklich. „Irre ich mich?“ „Das wäre unglaublich, oder?“, schnaufte Sakura sarkastisch. „Aber nein, du irrst dich nicht“, stellte sie klar und trat schließlich einen Schritt zur Seite, um Itachi den Weg freizumachen. Sakura war schon immer eine kluge und intelligente Schülerin gewesen, zu Akademiezeiten und auch während ihrer Ausbildung bei Tsunade, aber ein Kopfmensch war sie nicht. Sakura ließ sich von ihren Gefühlen leiten, stellte sie über alles andere und würde sich dafür nicht mehr entschuldigen – und schon gar nicht bei Itachi, der sich nicht einmal die Mühe machte, sich vernünftig für ihre Antwort zu interessieren, nachdem er gestern so ein Theater daraus gemacht hatte, sie für die ANBU rekrutieren zu wollen. Einen Moment lang kam Sakura der Gedanke, dass bei all dem Training, durch das man die jungen Uchihas jagte, die sozialen Kompetenzen auf der Strecke bleiben mussten, aber in ihrer aktuellen Verfassung konnte sie das nicht als Rechtfertigung akzeptieren. „Meine Antwort lautet nein. Ich werde den ANBU nicht beitreten, ich werde im Krankenhaus gebraucht“, sprach Sakura endlich das aus, was ihr schon seit gestern auf der Zunge lag. All die anderen Gründe, um sich dagegen zu entscheiden, zählte sie erst gar nicht auf, sondern nannte Itachi lediglich diejenigen, die nachvollziehbar waren. Würde er versuchen sie zu überzeugen, dass sie die falsche Entscheidung traf? Ihr sagen, dass sie zu vorschnell ablehnte? Sakura hielt die Luft an, als sie auf Itachis Reaktion wartete, doch das tat sie nicht zum ersten Mal vergebens. Er nickte lediglich, als Zeichen, dass er ihre Worte zur Kenntnis genommen hatte. Sakura wusste nicht, ob sie enttäuscht sein sollte, oder doch lieber froh, dass er keinen großen Hehl daraus machte, aber sie konnte nicht leugnen, dass sie sich ein bisschen mehr Genugtuung erhofft hatte. Damit war für sie das Gespräch beendet und sie drehte sich schwungvoll auf dem Absatz um. „Sakura“, ertönte Itachis Stimme noch einmal, was ihre ultimative Chance darstellte. Obwohl sie glaubte vor Neugier zu sterben, wenn sie nicht erfuhr, was er sagen wollte, folgte sie dieses Mal ihrem eisernen Willen. Sie drehte sich nicht mehr um und ließ ihn vor dem Hokagebüro stehen. Mit jedem energischen Schritt, den sie tat, konnte Sakura spüren, wie ihr Stolz sich erholte – fast so, als würde sie ihn mit angenehm warmen, glühenden Chakra heilen. Sie war sich sicher, dass Itachis Blick ihr folgte, aber es war ihr egal. Sollte er doch eine andere Iryōnin fragen. Sakura hatte die Ehre mit den besten medizinischen Fachkräften zusammenzuarbeiten, die es im gesamten Feuerreich gab: Tsunade, Shizune und Rin Nohara. Sie wollte nichts mit Itachi Uchiha zu tun haben und bereute ihre Entscheidung nicht. Noch konnte sie nicht ahnen, dass sie ihn schneller wiedersehen würde, als ihr lieb war – und zwar genau eine Woche später. Mitten in der Nacht. Vor ihrer Haustür. Und von Kopf bis Fuß blutbeschmiert. Kapitel 4: beherrscht. ---------------------- Ein lautes Klopfen riss Sakura aus ihrem leichten Schlaf. Seit sie im Krankenhaus arbeitete, war sie schon oft mitten in der Nacht geweckt worden, sodass ihr Körper wie von selbst reagierte. Noch während ihr Bewusstsein dabei war den Schlaf von sich zu schütteln, hasteten Sakuras Füße bereits über den flauschigen Teppich, der ihr Zimmer zierte. Als sie den Flur ihrer Wohnung erreichte, war sie vollends wach. Sakura machte sich nicht die Mühe, nach dem Lichtschalter zu tasten, sondern steuerte sofort die Tür an. Diese öffnete sie, ohne den Versuch zu unternehmen, die Chakranote vor ihrer Haustür genauer zu analysieren. Deshalb riss sie auch erschrocken die Augen auf, als sie Itachi schwer atmend vor sich stehen sah. Als Sakura das viele Blut, das an seiner Haut und Kleidung klebte, ins Visier nahm, rückten die Tatsachen, dass er es war und auch, dass sie nur im dünnen Pyjama vor ihm stand, vollkommen in den Hintergrund. „Was ist – ?“, setzte Sakura überrumpelt an, doch Itachi unterbrach sie. „Nicht mein Blut – Sasukes“, gab er gehetzt von sich und senkte den Blick. Aus Sakuras Gesicht wich auch das letzte bisschen Farbe, als sie instinktiv ebenfalls auf den Boden sah. Vor ihren Füßen lag ein dunkles, zusammengekauertes Bündel und nur weil sie ihre halbe Jugend damit verbracht hatte, Sasuke Uchiha insgeheim anzustarren, erkannte sie ihren ehemaligen Teamkameraden. Sakura hatte gewusst, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Sie hatte es gewusst, seit Sasuke ihr Team verlassen hatte, um in die Fußstapfen seines Bruders zu treten und sein Leben der ANBU-Einheit zu widmen. Dennoch hatte sie stets gehofft, dass sie sich irrte, dass jemand wie Sasuke zu stark war, um ernsthafte Verletzungen davonzutragen. Als Sakuras Blick langsam wieder hinauf wanderte, fielen ihr die zwei Tiermasken auf, die Itachi in der linken Hand hielt. Mit der rechten stützte er sich erschöpft am Türrahmen ab, aber seine Augen lagen wachsam auf Sakura. Selbst in dieser Situation hatte er daran gedacht, die Masken abzunehmen, damit Sakura sie sofort erkannte und sie somit keine unnötige Zeit verloren. „Du musst ihm helfen“, sagte er, doch dieses Mal fasste Sakura seine Worte nicht als Befehl auf, obwohl er sehr nachdrücklich und sachlich sprach. Er versuchte nach dem letzten bisschen Kontrolle zu greifen, das er noch hatte – außer jener blieb ihm schließlich nichts, wenn sein jüngerer Bruder blutend auf dem Boden lag. Itachi selbst wirkte angeschlagen, aber er hatte es bis vor ihre Tür geschafft, also musste sich Sakura um seinen Zustand keine Sorgen machen. Ihr Kopf war bereits dabei die Situation zu analysieren und sofort trat sie zur Seite. „Bring ihn rein“, wies sie Itachi an, der stumm das tat, was sie von ihm verlangte. Er ließ sich kaum anmerken, dass er Angst um Sasuke hatte. Sakura konnte sich nämlich nicht vorstellen, dass er keine hatte, wenn sogar ihr Herz sich vor Panik überschlug. Nur Itachis Ruhe – vorgetäuscht oder nicht – hielt sie davon ab, den Kopf zu verlieren. Es half ungemein, dass er sich gefasst gab. Sie konnte dadurch klarer denken. „Wohnzimmer, links“, teilte Sakura Itachi die einzigen Informationen mit, die er brauchte. Für Fragen und Antworten würde später noch Zeit sein. „Leg ihn auf die Couch.“ Kaum hatte Sasukes Hinterkopf das Kissen auf ihrem Sofa berührt, kniete Sakura bereits neben ihm. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Itachi einen Schritt zurück tat, um ihr Raum zum Arbeiten zu geben. Sie verdrängte Itachis Anwesenheit aus ihrem Bewusstsein, denn auch wenn er sich nicht aufgelöst über den bewusstlosen Körper Sasukes warf, so gab es dennoch einen Grund, weshalb Familie und Freunde in Behandlungszimmern generell nichts zu suchen hatten. Mit geübten Handgriffen legte Sakura die Wunden frei, musste dabei sogar am Stoff seiner Kleidung reißen, doch darum konnte sie sich gerade nicht scheren. Hastig wanderten ihre Augen über jede einzelne Verletzung, um einzuschätzen, welcher sie sich zuerst widmen musste, damit Sasuke nicht noch mehr Blut verlor. „Gift?“, fragte sie Itachi knapp. „Nein. Schwertwunden.“ Das sah Sakura selbst, aber sie verkniff sich den Kommentar und presste beide Hände fest gegen die größte Wunde. Das Blut quoll sofort zwischen ihren Fingern hervor, aber sie spürte es lediglich, da sie die Augen schloss, um sich besser zu konzentrieren. Kurz darauf umgab ihre Hand auch schon das charakteristisch glühende Licht des Heilchakras, welches sie aggressiv in Sasukes Körper pumpte. Sakura konnte fühlen, wie es durch seine Chakrakanäle schoss und sich von dort aus den Weg zu jedem einzelnen beschädigten Blutgefäß bahnte. Sie bündelte es an den entsprechenden Stellen, um den Heilungsprozess zu beschleunigen, aber vor allem, um die Blutung zu stillen. Dies war im Moment die oberste Priorität. Hin und wieder öffnete Sakura die Augen, um zu überprüfen, ob der Fortschritt bereits sichtbar war, doch dabei mied sie es, in Sasukes Gesicht zu blicken. Es war einfacher, wenn sie nicht darüber nachdachte, wessen Organe sie gerade zusammenflickte. Schweißperlen glänzten auf Sakuras Stirn, doch sie unterbrach die intensive Behandlung nicht, um sich eine Pause zu gönnen. Sasuke hatte Unmengen an Blut verloren. Sakura konnte nur erste Hilfe leisten, er würde dennoch ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Zähneknirschend heilte sie eine Zelle nach der anderen und konnte sich doch nicht sicher sein, ob sie alle erwischte. „Sasuke-kun“, wisperte sie und verzog gequält das Gesicht. „Du hältst durch, verstanden?“ Endlose Minuten verstrichen, bis Sakura glaubte, dass sie die Blutung gestoppt und alle lebensbedrohlichen Organverletzungen geheilt hatte. Es fiel ihr schwer, den Fluss ihres Heilchakras zu unterbrechen, aus Angst, dass sie etwas übersehen hatte, aber sie zwang sich dazu, die Hände zurückzuziehen. Die äußeren Verletzungen waren alle verschwunden, aber sie machte sich immer noch Sorgen um die inneren. „Er ist über den Berg, aber wir müssen ihn trotzdem ins Krankenhaus bringen“, wandte sich Sakura an Itachi und stand auf. Erst jetzt konnte sie die Sorge zulassen, die sie für Sasuke empfand. Sie spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider, als sie Itachi anblickte, aber in diesem Moment war das Sakura vollkommen egal. Er wollte sich gerade über Sasuke beugen, doch sie hielt ihn davon ab, als sie überraschend seinen Oberarm berührte. „Warte“, sagte sie leise und begann abermals das heilende Chakra fließen zu lassen, dieses Mal übertrug sie es in Itachis angeschlagenen Körper. Doch bevor sie die Erschöpfung aus seinen Gliedern vertreiben konnte, schlangen sich seine Finger fest um ihr Handgelenk und zogen ihre Hand entschlossen weg. „Spar dir deine Kräfte, Sakura“, sagte er und wüsste Sakura nicht, dass es wohl einfach nur Müdigkeit war, die seine Stimme so weich erscheinen ließ, hätte sie gesagt, dass sie sanft klang. „Mach dir um mein Chakra mal keine Sorgen“, erwiderte sie entschieden. „Würdest du für einen Moment deinen Stolz vergessen und mich meine Arbeit tun lassen?“ Stumm begegnete er ihrem Blick. Er schien etwas in ihren Augen zu suchen und Sakura ließ ihn. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, fühlte sich entblößt und angreifbar, aber dieses Mal war es in Ordnung, weil er es auch war – nicht sichtbar, nicht offensichtlich, doch sie konnte fühlen, wie die Maske bröckelte. Nach schier endlosen Sekunden ließ er sie los, was für Sakura die stumme Erlaubnis darstellte, ihn zu heilen. Sie verlor keine Zeit, sondern konzentrierte sich sofort wieder und gab ihm schnell und effektiv einen Teil seiner Kraft zurück. Den Rest würden ein paar Tage Ruhe übernehmen. Als sie von ihm abließ, bewegte sich Itachi sofort auf das Sofa zu und schob die Arme unter Sasukes Körper, um ihn hochzuheben. Sakura nahm es ihm nicht übel, dass ein Dank ausblieb, denn auch sie war der Meinung, dass sie sich so schnell wie möglich um Sasuke kümmern sollten. Sie hastete zur Balkontür, um diese zu öffnen. Kurz überlegte sie, ob sie sich noch umziehen gehen sollte, verwarf diesen Gedanken aber sofort. Wie sie aussah, spielte gerade wirklich keine Rolle. „Ich kenne eine Abkürzung“, teilte sie Itachi mit, woraufhin er nickte. Sakura stieß sich vom Boden ab und sprang auf das Dach des Nachbarhauses. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er ihr folgte. Unzählige Köpfe drehten sich nach ihnen um, als sie die Eingangshallte des Krankenhauses betraten. Obwohl um diese Uhrzeit die meisten Patienten in ihren Betten schliefen, war noch genug Personal anwesend, um Sakura daran zu erinnern, dass zwei blutverschmierte Uchihas und eine Oberärztin im Schlafanzug, die schwer atmend durch die Tür stürzten, ein ungewöhnliches Bild abgaben, selbst für krankenhäusliche Verhältnisse. „Sakura-san?“, wandte sich sogleich eine der Krankenschwestern an sie. „Ich brauche Shizune-senpai und zwei assistierende Ärzte für ein blutregenerierendes Jutsu“, präzisierte Sakura sofort. „Und danach ein freies Zimmer. Oh… und einen Kittel.“ Die Krankenschwester nickte und hastete los, Sakura und Itachi setzten sich ebenfalls in Bewegung. Sasukes Chakra wurde immer schwächer, denn auch wenn Sakura seine Wunden geschlossen hatte, so war der Blutverlust nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Sie war sich sicher, dass auch Itachi es bemerkte, aber wenn er es tat, dann verlor er kein Wort darüber. Sakura verstand nun deutlicher denn je, dass er jemand war, der Taten sprechen ließ, der aktiv wurde, wenn alle anderen sich von Emotionen überrumpeln ließen. In dieser Hinsicht erforderte ihr Beruf nichts anderes, weder der als Kunoichi, noch der als Ärztin. Er stellte das Leben seines Bruders über seine eigenen Gefühle, auch wenn er dadurch kühl und unnahbar wirkte – und Sakura schwor sich, dass sie Sasuke retten würde, nicht nur ihretwegen. Sie erkannte die Selbstlosigkeit hinter Itachis Verhalten und in einer ruhigen Minute würde sie ihn – vielleicht ein wenig zähneknirschend – dafür bewundern. „Behandlungszimmer Nummer elf“, rief die Krankenschwester, woraufhin Sakura abrupt zum Stehen kam und hastig auf die Tür rechts von ihnen deutete, während die Krankenschwester ihr einen irgendwo aufgegabelten Kittel zuwarf, ehe sie weiterlief, um Shizune und die zwei anderen Ärzte zu holen. Sakura stieß die Tür auf, während sie sich den weißen Stoff überzog und Itachi steuerte sofort die Liege inmitten des Raumes an, auf der er Sasuke platzierte, ohne dass Sakura ihn dazu auffordern musste. Fast schon rechnete Sakura damit, dass er sich wortlos zurückziehen würde, doch dieses Mal bemerkte sie sein Zögern. Er starrte den reglosen Körper seines Bruders einen Moment zu lang an, um es vor Sakura zu verbergen. „Wir werden ihn retten“, beteuerte sie. „Er ist in guten Händen, Itachi-san.“ Ihre leise Stimme versuchte ihn zu beruhigen, obwohl Sakura sich dabei merkwürdig vorkam – jemand wie Itachi Uchiha musste unter normalen Umständen nicht beruhigt werden. Als er sich zu ihr umdrehte, wirkte er jedoch wieder vollends gefasst. „Ich weiß“, sagte er knapp und seine Augen streiften ihr Gesicht nur für einen kurzen Augenblick, doch Sakura erkannte, dass er das nicht einfach so sagte, sondern tatsächlich fest davon überzeugt war. Ein heißes Gefühl schoss daraufhin wie wildes Feuer durch ihre Adern, ließ sie ihre Hände zu Fäusten ballen und verzweifelt nach ihren Charakreserven greifen. Es trieb sie an. Ihr Herz schlug fester in ihrer Brust, übertönte sogar die lauten Schritte, die man im Gang vernehmen konnte und die Itachi dazu veranlassten, auf die Tür zuzusteuern. Die Angst war verschwunden, Sasukes Gesicht brachte sie nicht mehr aus der Fassung. Er war ein Patient, dem es zu helfen galt und Sakura würde genau das tun, was sie versprochen hatte. Als Shizune in den Raum stürzte, war Itachi längst verschwunden und Sakura formte bereits das einleitende Fingerzeichen, das für das kommende Jutsu nötig war. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Ein kühler Windhauch streichelte über ihre Arme und ihr Gesicht, während die ersten Sonnenstrahlen sich zwischen den weißen Jalousien hartnäckig einen Weg ins Zimmer bahnten. Sakura öffnete die Augen nur mit Mühe, denn ihre Lider fühlten sich nach dieser nervenaufreibenden Nacht wie Blei an. Ihr Nacken war steif, als sie sich verwirrt aufrichtete und spürte, wie die Decke von ihren Schultern rutschte. Sie musste an Sasukes Krankenbett eingeschlafen sein. Sofort schoss ihr Blick hinauf zu seinem Gesicht und dann zu den Geräten, die neben seinem Bett standen. Einer der Monitore zeige einen ruhigen, regelmäßigen Herzrhythmus. Erleichtert atmete Sakura aus. Das Jutsu war ein voller Erfolg gewesen, das hatte sie bereits kurz nach der Behandlung gewusst, aber sie hatte, nur um sicher zu gehen, Sasukes Überwachung persönlich übernommen. Sie wusste nicht, wann sie eingenickt war, doch sie war froh, dass der Wind sie geweckt hatte. Der Wind? Sakuras Gesichtszüge glätteten sich augenblicklich, denn sie war es nicht gewesen, die das Fenster geöffnet hatte. Sie war es auch nicht gewesen, die sich eine dünne Decke über die Schultern gelegt hatte. Eigentlich sollte es sie nicht mehr wundern, dass er wie aus dem Nichts auftauchte, aber das tat es trotzdem. Itachi stand regungslos am Fenster, mit dem Rücken zu ihr und starrte hinaus auf die Straße. Er trug dieselbe, schmutzige Kleidung wie vor einigen Stunden, als er vor ihrer Tür aufgetaucht war, was hieß, dass er das Krankenhaus nicht verlassen hatte. Er musste gehört haben, dass sie wach war, daran bestand kein Zweifel, weshalb Sakura die Idee, sich leise hinauszuschleichen, sogleich verwarf. Stattdessen räusperte sie sich leise und stand auf. Itachi drehte sich langsam zu ihr um und Sakura wollte gerade etwas zu Sasukes Zustand sagen, doch da verschlug es ihr die Sprache. Sie starrte Itachi an und hätte den Blick auch nicht abwenden können, wenn sie gewollt hätte. Es war das erste Mal, dass sie Itachi Uchiha aufrichtig lächeln sah. Kapitel 5: geheim. ------------------ So schnell, wie das Lächeln gekommen war, war es auch schon wieder verschwunden, aber Sakura war sich sicher, dass sie diesen Anblick nie wieder vergessen würde. Sie hatte Sasuke die Mundwinkel verziehen sehen, selbstzufrieden und stolz, aber Itachis Lächeln war anders. Es wirkte, trotz der grausamen Erfahrungen, die er als Elite-Shinobi gemacht haben musste, freier und ungezwungener. Es wirkte nicht überheblich, sondern einfach nur… erleichtert. Der Grund für diese Erleichterung lag im Krankenbett und schlief seelenruhig. Als hätte jemand sie bei etwas Verbotenem ertappt, richtete Sakura ihren Blick hastig auf den schlafenden Sasuke. „Mein medizinisches Wissen begrenzt sich zwar auf ein absolutes Minimum, aber ich gehe davon aus, dass Sasukes Zustand verhältnismäßig stabil ist“, ergriff Itachi das Wort und obwohl sein Gesicht wieder ausdruckslos erschien, wie ihr ein flüchtiger Blick in seine Richtung verriet, so kam es Sakura vor, als könnte sie nun die dahinter verborgenen Gefühle erahnen. Itachi hatte ihr – ob gewollt oder ungewollt – einen kurzen Einblick in seine wahre Gedankenwelt gewährt, was sie nun nicht mehr ignorieren konnte. Vermutlich würde sie noch bedauern, ihn nicht mehr als herzlosen Uchiha abstempeln zu können. „Mehr als das. Sasuke-kun ist auf dem besten Weg, wieder gesund zu werden. Ich vermute, dass er im Laufe des Tages wieder zu sich kommen wird“, meinte Sakura überzeugt und griff nach der Decke, um sie sorgfältig auf ihrem Schoß zu falten. „Ich… ich muss wohl hier eingeschlafen sein. Vielen Dank“, nuschelte sie, doch Itachi reagierte nicht auf ihren Dank, sondern trat lediglich ans Bett, um Sasuke zu mustern. „Ich schulde dir eine Erklärung“, sagte er leise, woraufhin Sakura den Kopf schüttelte. „Nein, das tust du nicht“, erwiderte sie, denn sie war sich nun nicht mehr sicher, ob sie die Geschichte in allen Einzelheiten hören wollte. Vielleicht war es besser, einfach nur zu wissen, dass Sasuke keine bleibenden Schäden davontragen würde. Itachi ignorierte ihren Einwand. „Ich darf dir keine Details über das Ziel unserer Mission verraten“, begann er. Reglos stand er da und nur seine Augäpfel rührten sich, als sein Blick immer wieder über Sasukes angeschlagenen Körper huschte. „Aber das ist ohnehin nur nebensächlich. Wir befanden uns in einem Grenzgebiet, in dem es schon seit Jahren Reibereien zwischen zwei Feudalherren gibt. Es sieht mehr und mehr nach einem Bürgerkrieg aus, denn die Unzufriedenheit der Menschen wächst mit jedem Tag. Das Gebiet zieht Banditen und Nuke-Nin wie das Licht die Motten an. Wir gerieten mitten in den Konflikt.“ Itachi legte eine kurze Pause ein, wahrscheinlich, um einzuschätzen, wie viel er ihr verraten durfte – oder ob er ihr nicht bereits zu viel gesagt hatte. Sakura fragte sich unwillkürlich, ob Itachis Team tatsächlich zufällig ins Schussfeuer geraten war, oder ob nicht genau das der Kern der Mission gewesen war, aber sie hakte nicht nach. „Sasuke war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort“, fuhr Itachi fort, der wohl auch befand, dass das genug Einzelheiten für Sakura waren, um sich die Umstände in etwa vorstellen zu können. „Und ich war zu langsam“, fügte er hinzu und die Härte in seiner Stimme, mit der er sich selbst strafte, überraschte sie. Sakura betrachtete sein Profil und sah in ihm wieder den strikten Anführer, der Präzision und vollen Einsatz von seinem Team erwartete – vor allem aber von sich selbst. „Was ist passiert?“, fragte sie zögerlich. Als Itachi weitersprach, tat er das wieder mit vollkommen neutraler Stimme. „Ich war in einem anderen Teil des Dorfes, als der Kampf losging“, erklärte er knapp. „Sasuke war allein, da unser drittes Teammitglied im Bunde ebenfalls eine andere Aufgabe zu erledigen hatte.“ „Es hätte also auch einen von euch treffen können?“, fragte Sakura, obwohl sie die Antwort kannte. Wieso sie wollte, dass Itachi sich nicht die Schuld gab, war ihr ein Rätsel. Seine Gefühle hatten sie nicht zu interessieren, aber genau das war das Problem. Sie waren interessant. Itachi nickte, als er seinen Blick nach endlosen Minuten endlich wieder auf sie richtete. „Ich gehe davon aus, dass er versucht hat zu schlichten“, sagte er, was Sakura stark bezweifelte, doch sie hielt die Worte taktvoll zurück. Itachi kannte seinen Bruder sicher besser als sie. Sie hatte immerhin nur die aufgesetzte, arrogante Seite an ihm kennengelernt. „Aber es waren zu viele. Als ich ihn erreichte, wies er bereits zu schwere Wunden auf, um die Mission fortzuführen.“ An dieser Stelle unterbrach Sakura ihn, denn sie hatte genug gehört. „Du bist also mit ihm zurückgekommen. Das war eine kluge Entscheidung“, sagte sie, was ihr wieder Itachis ungeteilte Aufmerksamkeit verschaffte. Er blickte sie ruhig an und schien über etwas nachzudenken – ob es über ihre Worte war oder nicht, vermochte Sakura nicht zu sagen. „Du möchtest wissen, wieso ich dich aufgesucht habe“, stellte er aus heiterem Himmel fest und obwohl Sakura in diesem Augenblick nicht an diese Frage gedacht hatte, kam sie sich abermals so vor, als würde er ihr in den Kopf blicken können. „Weil mein Haus auf dem Weg zum Krankenhaus liegt“, beantwortete sie sich selbst die Frage, die sie nicht gestellt hatte. Itachis analytischer Verstand war sicher zu dem Schluss gekommen, dass er die erste ärztliche Fachkraft finden musste, die in der Lage war, erste Hilfe zu leisten. „Weil ich wusste, dass du ihm helfen kannst“, verbesserte Itachi sie unbeirrt. „Weil ich wusste, dass du alles tun würdest, was in deiner Macht steht, um einem Teamkollegen und Freund das Leben zu retten.“ Sakura hielt überrumpelt die Luft an und wusste nicht wohin mit ihren Händen, die automatisch nach der eben zusammengefalteten Decke griffen, um nervös deren Ecken zu kneten. Itachi warf mit Begriffen um sich, die ihr näher gingen, als sie zugeben wollte. Sasuke war ein ehemaliges Mitglied ihres Teams, daran ließ sich nichts rütteln. Das bedeutete allerdings auch, dass er es auf gewisse Weise immer bleiben würde, aber… ein Freund? Sakura hatte sich oft gewünscht, von Sasuke als Freundin angesehen zu werden. Als ebenbürtige und verlässliche Freundin, die nicht im Schatten seiner Fähigkeiten und Zurückweisung unterging. Konnte man eine einseitige Freundschaft überhaupt als solche bezeichnen? Sakura glaubte nicht, dass Sasuke zu Hause viel über sein Team erzählt hatte, das war nicht seine Art. Itachis Worte beruhten also lediglich auf seinen Beobachtungen – und Sakura konnte es ihm nicht verübeln, dass er zu einem solchen Schluss gekommen war. Es stimmte nämlich. Es gab Menschen in ihrem Leben, für die sie alles tun würde und Sasuke gehörte dazu. „Jeder andere Iryōnin hätte dasselbe getan“, widersprach Sakura ihm schwach, wobei ihnen beiden klar war, dass nur die Verlegenheit aus ihr sprach. „Eigentlich war es recht unverantwortlich von dir, bei mir aufzukreuzen“, überbrückte Sakura den peinlichen Moment mit Tadel. „Du konntest nicht wissen, ob ich zu Hause bin. Das Krankenhaus war die sicherere Option. Hätte man Sasuke-kun doch vergiftet, hätte ich nicht die entsprechenden Gegenmittel parat gehabt.“ Stumm ließ Itachi die Kritik über sich ergehen. Er schien sie nachvollziehen zu können und für berechtigt zu halten, was eine völlig neue Erfahrung für Sakura war. Wenn sie mit Naruto schimpfte, hatte dieser immer etwas zu seiner Verteidigung zu sagen. „Aber ich würde es jederzeit wieder tun.“ Mit seiner simplen Aussage fegte er alle ihre bereitgelegten Sätze aus ihrem Kopf. Sakura starrte ihn mit großen Augen an und bemühte sich nicht einmal mehr, die Verwunderung zu verbergen. „Wieso?“ „Weil du bewiesen hast, dass du außerordentlich talentiert bist“, erwiderte er ohne mit der Wimper zu zucken. „Du hast einen kühlen Kopf bewahrt, obwohl Sasukes Leben in Gefahr war. Die Angst hat dich nicht gelähmt.“ „Das ist in meinem Beruf normal.“ „Vielleicht. Aber das meinte ich nicht.“ Sakura runzelte die Stirn, denn sie war immer noch zu erschöpft für Ratespielchen. „Sie sind dein Antrieb.“ „Was?“, fragte sie ungeduldig. „Gefühle, Sakura. Du lässt dich von ihnen leiten, aber sie kontrollieren dein Handeln nicht. Weißt du, wie selten das ist?“ Perplex starrte sie Itachi an. Versuchte er ihr hartnäckig ein Kompliment zu machen? Sakura war sich ziemlich sicher, dass er das nicht nötig hatte. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, denn es war ihr unangenehm, wie viele Gedanken er sich anscheinend darüber gemacht hatte, während sie seelenruhig auf dem Stuhl geschlafen hatte. Ihr Schweigen nutzte Itachi, um das Bett zu umrunden und vor ihr stehenzubleiben. Verwirrt blinzelte sie ihn an. Was tat er da? Noch ehe sie sich versah, hatte sie sich wie von selbst erhoben, damit Itachi nicht weiter über ihr türmte. Stramm stand er da, den ersten Blick auf sie gerichtet und verbeugte sich im nächsten Moment tief vor ihr. „Vielen Dank, Sakura. Du hast meinem Bruder das Leben gerettet. Dafür stehe ich in deiner Schuld.“ Die offizielle Tonlage, die Itachi benutzte, ließ die Situation abermals sehr peinlich auf Sakura wirken. Sie spürte, wie die Hitze sich auf ihrem Gesicht ausbreitete und winkte hastig ab. „Du bist mir nichts schuldig, Itachi-san“, murmelte sie, hatte aber die leise Vermutung, dass dies eine von diesen dummen Ehrensachen war, für die Shinobi bekannt waren. Itachi richtete sich wieder auf, doch seine Körperhaltung lockerte sich nicht. Das letzte Mal hatte er sich so verhalten, als er mit dem Hokage gesprochen hatte und Sakura beschlich der Verdacht, dass er ihr damit so etwas wie Respekt erweisen wollte. Es hätte ihr geschmeichelt, wenn sie sich dabei nicht so verkrampft gefühlt hätte. „Darf ich dich etwas fragen?“, setzte Sakura zögerlich an. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass die peinlichen Momente schneller verschwanden, wenn sie die Initiative ergriff. Itachis auffordernder Blick war Antwort genug. „Ich hatte immer den Eindruck, als wäre es die allererste Regel, die man einem ANBU beibringt, dass er niemandem seine Identität verraten darf. Du bist letzte Nacht aber ohne Tiermaske ins Krankenhaus spaziert und…“ Sakura brach ab und gestikulierte ein wenig mit den Händen, in der Hoffnung, dass Itachi verstehen würde, worauf sie hinaus wollte. „Lass mich dir eine Gegenfrage stellen“, sagte er und seine Gesichtszüge nahmen etwas von der Lockerheit an, die immer noch neu und faszinierend für Sakura war. „Du wusstest schon vorher, dass Sasuke zu uns gehört, richtig? Woher?“ Sakura öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder, als sie sich die Frage genauer durch den Kopf gehen ließ. Ja, woher wusste sie überhaupt davon? „Ich… ich bin wohl einfach darauf gekommen“, antwortete sie und zog die Augenbrauen nachdenklich zusammen. „Ich wusste, dass Sasuke-kun sich nun anderen Dingen widmet, sodass er kein Teil unseres Teams mehr sein kann. Da ich seinen Ehrgeiz kenne, konnte es nur die ANBU-Einheit sein.“ Sakura zuckte mit den Schultern. Es war nicht besonders schwer gewesen, das herauszufinden. „Beantwortet dir das deine Frage nicht?“, fuhr Itachi fort und legte den Kopf leicht schief, wobei Sakura das Gefühl hatte, als würde ihn das Gespräch erheitern. Sie konnte sich aber auch irren, denn sie war weit davon entfernt eine Expertin auf dem Gebiet seines Verhaltens zu sein. „Du meinst, dass ich eins und eins zusammengezählt habe?“, hakte sie nach. Itachi nickte. „Genau. Da bist du nicht die Einzige. Besonders hier im Krankenhaus wissen viele der Ärzte, wer wir sind.“ „Nun, eure Tätowierungen sind ziemlich auffällig, findest du nicht auch?“, schnaufte Sakura und setzte sich wieder. Itachis Mundwinkel zuckte und dieses Mal bildete sich Sakura sein Amüsement ganz sicher nicht ein. „Ich könnte jede einzelne Person, die uns gesehen hat, vergessen lassen, dass wir ihr jemals begegnet sind“, erinnerte er Sakura an die Tatsache, dass er im Notfall immer noch sein Sharingan hatte. Unwillkürlich kroch bei dieser Vorstellung eine Gänsehaut über ihre Arme. „Aber das ist nicht nötig. Es ist nicht unsere oberste Priorität, unsere Identität vor den Bewohnern Konohagakures geheim zu halten. Wichtiger ist es, dass sich diese Informationen nicht außerhalb des Dorfes verbreiten.“ Sakura grübelte ein wenig darüber nach, konnte sich aber nicht entscheiden, ob sie die Logik dahinter verstand. Brachte man dadurch die Bewohner des Dorfes nicht in Gefahr? Andererseits stimmte es wohl, dass man den Menschen nicht verbieten konnte, Vermutungen anzustellen und sich darüber zu unterhalten. Ständige Gedächtnismanipulation war bestimmt auch nicht im Sinne des Dorfoberhauptes. „Übernimmst du die Anwerbung neuer Kandidaten eigentlich immer selbst?“, fragte Sakura weiter, für die das Thema, trotz Abneigung gegen die Arbeitsmethoden der Einheit, äußerst interessant war. Man hatte schließlich nicht jeden Tag die Gelegenheit, etwas über eine geheime Shinobi-Organisation zu erfahren. „Nein“, antwortete Itachi und Sakura bereute es sofort, die Frage gestellt zu haben. Er hatte also eine Ausnahme für sie gemacht – aber warum? Sie wandte sich ab, um einen der piependen Bildschirme näher zu untersuchen, aber vor allem, damit Itachi die stumme Folgefrage nicht an ihrem Gesicht ablesen konnte. Leider war er intelligent genug, um sie sich auch so zu denken. Sakura hörte, wie er Luft holte. „Sakura.“ Erschrocken zuckte sie zusammen, denn es war nicht Itachis Stimme, die ihren Namen sagte. Ruckartig drehte sie sich zu Sasuke um, der die Augen geöffnet hatte und mit glasigem Blick zu ihr aufsah. Sakuras Herz schlug Purzelbäume vor Erleichterung und ihr Gesicht hellte sich auf. „Sasuke-kun!“, seufzte sie glücklich und streckte ihre Hand aus, um seine Stirn zu fühlen. Er hatte kein Fieber, was hieß, dass sich keine Entzündung durch seinen Körper fraß. Rasch überprüfte Sakura alle anderen Daten auf den Monitoren, ehe sie zufrieden nickte. „Du brauchst nur etwas Ruhe, in ein paar Tagen solltest du wieder vollkommen fit sein. Wie geht es dir?“ Er grunzte und schob Sakuras Hand von seinem Gesicht, ehe er sich mühevoll auf den Händen abstützte und aufsetzte. „Sasuke-kun! Bleib liegen!“, wies Sakura ihn empört an, doch er ignorierte ihre Worte. Stattdessen visierte er Itachi an, der sich im Hintergrund hielt, aber es wunderte Sakura nicht, dass Sasuke seine Anwesenheit trotzdem wahrgenommen hatte. Schnell stellte sich aber heraus, dass es nicht Itachis Chakra war, das Sasuke gespürt hatte – er hatte den letzten Teil ihres Gesprächs gehört. Die Frage, die der jüngere Uchiha mit kratziger Stimme stellte, ließ alle Farbe aus Sakuras Gesicht weichen und ihren Atem stocken. „Du hast versucht, Sakura für die ANBU zu rekrutieren?!“ Kapitel 6: gefährlich. ---------------------- „Das habe ich“, antwortete Itachi seinem Bruder ruhig, während Sakura neben Sasukes Bett tausend Tode starb. Ihr Herz schlug wild in ihrer Brust, als sie nach Anzeichen von Gefühlen auf Sasukes Gesicht suchte, da sie wissen wollte, welche Emotion ihn zu dieser Frage verleitet hatte. Er wirkte empört – anders konnte Sakura es nicht beschreiben. Sasuke hatte die Augenbrauen zusammengezogen und sah Itachi vorwurfsvoll an. Machte er sich Sorgen um sie? Kaum war der Gedanke gekommen, versuchte Sakura ihn hartnäckig zu verscheuchen, denn diese Art von Naivität erlaubte sie sich nicht mehr. Sasuke hatte sich nie um jemanden anderen als sich selbst und seine Familie geschert, es wäre also absurd zu glauben, dass sich plötzlich etwas verändert hatte. Er war wütend. Eine andere Erklärung gab es nicht. Als sich Sakura die Frage stellte, weshalb er so aufgebracht war, sprang sie prompt die offensichtliche Antwort an: Weil er sie für nicht gut genug hielt, einem ANBU-Team zu helfen. Ihr Magen zog sich unangenehm zusammen, als sie schwer schluckend einen Schritt zurückstolperte. „Wieso?“, fragte Sasuke kühl. Ob es nicht das erste Mal war, dass Sasuke so mit seinem älteren Bruder sprach, oder ob dieser sich einfach nur erfolgreich hinter seine Maske zurückgezogen hatte, konnte Sakura nicht einschätzen, egal wie oft sie Itachis unbeeindruckten Gesichtsausdruck studierte. „Du hast nur einen Teil des Gesprächs gehört, Sasuke“, erwiderte Itachi letztendlich. „Als talentierte Kunoichi und Iryōnin, wäre sie eine Bereicherung für uns.“ Dieses Mal konnte Sakura nicht anders, als diese Worte als Kompliment aufzufassen, obwohl Itachi sie nicht zum ersten Mal aussprach. Es musste also an der Tatsache liegen, dass er es vor Sasuke tat. Die Frustration darüber, wie wichtig ihr Sasukes Meinung immer noch war, fraß sich unangenehm durch ihren Bauch und Sakura presste hart die Lippen aufeinander, um sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. „Wieso hast du mir nichts davon gesagt?“, keuchte Sasuke, der vor Erschöpfung unwillkürlich wieder zurück aufs Bett sank, ohne dass Sakura ihn dazu auffordern musste. „Weil das nur Obito-sama und mich etwas angeht“, erwiderte Itachi sachlich und Sakura zog unangenehm berührt die Augenbrauen zusammen. Sasuke und Itachi waren Blutsverwandte, die füreinander alles tun würden, aber Itachi machte deutlich, dass er immer noch der Anführer der ANBU und dies gerade kein Gespräch zwischen Brüdern war. „Tz“, zischte Sasuke abfällig und kniff die Augen vor Schmerz zusammen. „Du wirst viel Ruhe brauchen“, sprach Sakura leise, die sich keinesfalls einmischen wollte, aber immer noch die für Sasuke verantwortliche Ärztin war. Sie hantierte wieder an den Geräten und erhöhte die Dosis Schmerzmittel, die Sasuke bekam. Er hingegen tat so, als wäre sie gar nicht erst im Raum. „Du kannst sie nicht rekrutieren“, sprach Sasuke entschieden und obwohl Sakura bezweifelte, dass er Itachi etwas vorschreiben konnte, sah sie es nun doch nötig, ihre eigene Meinung kundzutun. „Und wieso nicht?“, fragte sie scharf und stemmte empört die Hände in die Seiten. Nur langsam schwenkte Sasukes Blick in ihre Richtung. „Die ANBU sind…“ „Was? Skrupellos? Leichtsinnig?“, fiel ihm Sakura ins Wort. „Das weiß ich selbstverständlich. Mach dir aber keine Sorgen, Sasuke-kun“, fauchte Sakura sarkastisch. „Ich habe abgelehnt.“ Schnaufend verschränkte sie die Arme vor der Brust und nur ihr Stolz hielt sie davon ab, aus dem Zimmer zu marschieren – das hätte zu sehr nach einer Flucht ausgesehen. Die Blicke der beiden Uchiha lagen auf ihr und das aus zwei völlig verschiedenen Gründen. Itachi wirkte, als würde er ihre Entscheidung noch immer bedauern, während Sasukes Wut verpufft zu sein schien. „Du hast abgelehnt?“, hakte er nach. Wahrscheinlich, um noch etwas Salz in die Wunde zu streuen. „Ja“, erwiderte Sakura knapp, da sie sich nicht vor ihm rechtfertigen wollte. Allerdings erwischte sie sich dabei, wie sie sich gedanklich trotzdem plausible Erklärungen für ihre Entscheidung bereitlegte. „Gut“, brummte Sasuke und Sakura überlegte, wie lange sie sich noch einsilbig unterhalten würden, als Itachi das Wort ergriff. „Du hast mir nie gesagt, wieso du abgelehnt hast.“ Überrumpelt öffnete Sakura den Mund, konnte aber im ersten Moment keinen logischen Satz formulieren. War das sein Ernst? Er wollte, dass sie vor Sasuke zugab, wieso sie sich gegen die ANBU entschieden hatte? Sakura hatte vor langer Zeit beschlossen, ihre Gefühle nie wieder offen vor Sasuke auszusprechen. Er konnte – oder wollte – nicht damit umgehen. „Ist das nicht offensichtlich?“, wehrte sie sich deshalb mit einer Gegenfrage, doch Itachi schien den Wink mit dem Zaunpfahl nicht zu verstehen. Er schüttelte den Kopf. Sakura wich dem Blick der beiden Uchihas aus, gab sich einen Ruck und räusperte sich. „Ich passe nicht zu euch. Ihr passt nicht zu mir. Egal, wie man es dreht und wendet – ich heiße die Methoden eurer Vorgehensweise nicht gut, zumindest nicht immer. Und ich möchte nicht ein Teil einer Gruppe sein, die…“ Sakura brach ab, weil sie nicht wusste, wie sie es formulieren sollte, doch dieses Problem löste Sasuke auf kühle Art und Weise für sie. „Sie hätte ein Problem damit, dabei zuzusehen, wie jemand gefoltert wird oder es gar selbst zu tun.“ Dies war nichts, wofür man sich schämen sollte, doch Sakura war es trotzdem unangenehm, so von Sasuke bloßgestellt zu werden. Itachi ging damit erwachsener um als Sasuke und sie. „Ich verstehe“, sagte er verständnisvoll. „Das ist sehr ehrenhaft, Sakura.“ Sie wusste nicht, ob dies seine persönliche Meinung war, oder er Sasuke in Schach halten wollte, aber im Grunde spielte es keine Rolle. Sakura war ohnehin schleierhaft, wieso ihn ihre Beweggründe überhaupt interessierten. Wenigstens verlangte Itachi keine weiteren Antworten, sondern wandte sich seinem Bruder zu. „Sakura hat dir das Leben gerettet, Sasuke“, sagte er gelassen. Hätte Sakura gewusst, welche Worte er aussprechen wollte, hätte sie es vielleicht sogar gewagt, ihm die Hand vor den Mund zu halten. „Itachi-san, es ist in Ordnung, ich –“, setzte sie an und hob beschwichtigend die Hände, doch Itachi ignorierte sie. Er war anscheinend der Meinung, dass Sasuke die Wahrheit erfahren musste. „Ohne sie wärst du höchstwahrscheinlich verblutet. Du solltest dankbar sein.“ Sasuke funkelte Itachi an, würdigte Sakura – wie schon so oft – keines Blickes und drehte schließlich den Kopf zur Seite. Wortlos tat er so, als wäre die Wand äußerst interessant. „Sasuke“, versuchte es Itachi noch einmal, doch es folgte keine Reaktion. „Ist schon gut“, sagte Sakura erneut, diesmal entschiedener und fing Itachis prüfenden Blick ab. Er schien ihr nicht zu glauben, hatte aber keine Wahl, als ihren Protest zu akzeptieren. Sakura verspürte jedoch bereits Genugtuung bei dem Gedanken, dass Itachi Sasukes Verhalten nicht guthieß. Was dies bedeutete, analysierte sie jedoch nicht näher, sondern griff nach der Decke, die sie gleich noch einmal würde falten müssen und war davon überzeugt, dass dieses Gespräch beendet war. Sasuke bewies ihr das Gegenteil. „Danke“, murrte er kaum hörbar und verdutzt hielt Sakura inne. Sie blinzelte sein Profil an und war sich nicht sicher, ob sie sich vielleicht nicht verhört hatte. Während Sakura automatisch Itachi ansah, um sich zu vergewissern, ob mit ihrem Gehör alles in Ordnung war, sah auch Sasuke seinen Bruder an. Seine Verdrossenheit versuchte er nicht einmal zu verstecken. „Bist du nun zufrieden?“, murmelte er, was Sakuras Freude über den Dank sogleich ein wenig dämpfte. Wie hatte sie auch denken können, dass Sasuke sich tatsächlich bei ihr bedanken wollte? Nein, er tat es, weil Itachi es wollte. Er meinte es nicht ernst, sondern wollte nur seinen Bruder zufriedenstellen. Sakura wandte sich enttäuscht ab. „Ruh dich aus, Sasuke-kun“, sagte sie leise. „Ich meine es ernst, Sakura. Es war eine gute Entscheidung“, sagte Sasuke, kaum dass sie einen Schritt in Richtung Tür gemacht hatte. Abermals wurde Sakura davon abgehalten, den Raum zu verlassen. Sie hatte es schon einmal geschafft, Itachi stehenzulassen, wieso klappte es heute nicht? Zwei Uchihas gegen eine Haruno war auch wirklich nicht fair. „Was meinst du?“, fragte sie und drehte sich wieder zu ihm um. Sie sah Sasuke aus müden Augen an und das nicht nur, weil sie eine lange Nacht hinter sich hatte. „Uns nicht beizutreten.“ „Und wieso?“, erkundigte sich Sakura ein weiteres Mal, obwohl sie hätte Ich weiß sagen und das Gespräch beenden sollen. „Weil es zu gefährlich ist“, erwiderte Sasuke nach einer Weile, was Sakura stutzen ließ. Bevor sie vernünftig darüber nachdenken konnte, was er mit seinem Satz meinte, setzte sie dem Ganzen endgültig ein Ende, indem sie abwehrend die Hand hob. „Bei allem Respekt, Sasuke-kun“, begann sie und schüttelte den Kopf. „Gefahr ist mir nicht fremd. Weißt du, wie gefährlich eine Operation am Herzen sein kann? Was bei Chakratransfusionen alles schief laufen kann?“ Sakura wären noch ein paar weitere Beispiele eingefallen, aber sie wollte auf den Punkt kommen. „Ich kenne Gefahr, Sasuke-kun. Ich bin eine Kunoichi und eine Iryōnin. Ich weiß, wie es ist, wenn das Leben meiner Freunde und meiner Patienten in Gefahr ist. Und auch, wie es ist, wenn mein eigenes bedroht wird.“ Sakura legte eine Pause ein, um tief durchzuatmen. „Ich weiß, dass es eine gute Entscheidung war. Ich habe sie aber nicht getroffen, weil es zu gefährlich ist“, fasste sie zusammen und fühlte sich sogleich besser. Sie wollte ein für allemal klarstellen, dass sie nicht zu schwach war, um sich den ANBU anzuschließen – sie hatte sich nur bewusst dazu entschieden, es nicht zu tun. Sasuke schwieg. Es wunderte Sakura nicht und war auch keine Genugtuung, da er generell kein redseliger Mensch war, aber sie glaubte, eine Regung in seinen dunklen Augen zu erkennen. Sie hoffte, dass ihre Worte zu ihm durchgedrungen waren. „Itachi-san“, richtete Sakura das Wort an den ANBU-Anführer. „Ich muss dich bitten, ebenfalls das Zimmer zu verlassen. Sasuke-kun braucht wirklich etwas Ruhe.“ Itachi nickte und protestierte nicht, sondern folgte Sakura hinaus in den Flur. Als sie die Tür hinter ihnen schloss, erhaschte sie noch einen Blick auf Sasuke, der sich erschöpft zurücklehnte, aber immer noch die Stelle anstarrte, an der sie gestanden hatte. Sakura atmete hörbar aus und presste die Decke an ihren Körper. Das war ein überaus anstrengendes Gespräch gewesen, das sie definitiv nicht weitergebracht hatte. In ihrem Kopf herrschte Chaos, sie wusste nicht einmal mehr, was es überhaupt hatte bezwecken sollen. Sie wusste nur noch, dass sie ins Bett wollte. „Du solltest etwas schlafen“, riet Itachi. Sakura nickte schwach. „Du auch“, gab sie zurück. Itachi schien der Gedanke an Schlaf weniger zu gefallen als ihr, da er den Blick abwandte. Etwas schien ihn verstimmt zu haben, aber Sakura war zu erschöpft, um sich mit seltsamen Reaktionen eines Uchihas zu beschäftigen. „Sakura“, sprach er sie noch einmal an, bevor sie sich verabschieden konnte. Diesmal war sie es, die das Gesicht verzog, da sie aus irgendeinem Grund genau wusste, was Itachi sagen wollte. Und sie irrte sich nicht. „Es tut mir leid, dass Sasuke sich so verhalten hat. Ich –“ „Schon gut. Ich kenne Sasuke-kun. Vielleicht nicht so gut wie du, aber wir waren in einem Team, schon vergessen?“, fiel ihm Sakura ins Wort und an ihrem Mundwinkel zupfte ein schiefes Lächeln. „Nein, das habe ich nicht. Und Sasuke auch nicht, davon bin ich überzeugt.“ Es war ein schwacher Trost, den Sakura nicht brauchte. Es war nett gemeint, aber unnötig. „Er ist aus demselben Grund dagegen, dass du den ANBU betrittst, aus dem ich überzeugt bin, dass du es solltest“, sprach Itachi weiter und Sakura blinzelte ihn überrascht an. „Deine Entscheidung war gut, Sakura. Aber war sie auch richtig?“ Sakura biss sich auf die Unterlippe. Es war nicht fair, dass er ihren aufgekratzten Zustand dafür ausnutzte, einen weiteren Versuch zu starten, sie noch einmal davon zu überzeugen, aber das Schlimmste an der Sache war, dass er sie vor die Wahl stellte: Wessen Meinung war ihr wichtiger – seine oder Sasukes? Ihr waren die Vorteile seines Angebots bewusst. Er würde nie wieder mitten in der Nacht vor ihrem Apartment auftauchen müssen, weil sie dabei wäre, weil sie auf Sasuke und viele andere Shinobi Acht geben könnte. Sakura seufzte schwer, denn sie konnte nicht leugnen, dass die Geschehnisse der letzten Nacht ihr zu denken gaben. Jedoch nicht genug, um all ihre Prinzipien über Bord zu werfen, weshalb sie Itachi auch mit einem harten Blick taxierte. „Sollte ich mich jemals dazu entscheiden, den ANBU zu helfen, werde ich das nur unter bestimmten Bedingungen tun – meinen Bedingungen“, erklärte sie mit Nachdruck und glaubte, Itachi – einen Hierarchie und Ordnung schätzenden Shinobi – damit endgültig abzuwimmeln, doch er starrte sie nur mit blankem Gesichtsausdruck an und überlegte. „In Ordnung. Ich bin gewillt, mir deine Bedingungen anzuhören“, sagte er versöhnlich und nahm Sakura den Wind aus den Segeln. Überrumpelt starrte sie zurück und brachte kein Wort heraus. Itachi akzeptierte, dass ihre Meinung wichtiger war als seine oder Sasukes. Sakura hatte sich mit ihren vorschnellen Worten ihr eigenes Grab geschaufelt. Ihr Weg in die Hölle war mit Tiermasken gepflastert. Kapitel 7: entschlossen. ------------------------ Der Schlaf wollte nicht kommen und Sakura konnte dafür nicht einmal die Sonnenstrahlen verantwortlich machen, die ihr direkt ins Gesicht schienen. Sie hatte bereits versucht sich auf die andere Seite zu drehen und die Augen zu schließen, aber jedes Mal, wenn sie dies tat, sah sie entweder Sasukes blutüberströmten Körper oder Itachis stoische Gestalt vor sich. Aus diesem Grund hielt sie Sakura einfach offen und starrte an die Decke, während ihre Gedanken wie Schmetterlinge in ihrem Kopf umher flatterten. Wenn einer davon zum Stillstand kam und es den Anschein erweckte, sie könnte endlich nach ihm greifen, verschwand er in Sekundenschnelle. Was hatte sie sich nur eingebrockt? Gerne hätte sie die Schuld jemand anderem in die Schuhe geschoben, aber dieses Mal war es tatsächlich ihr vorlautes Mundwerk gewesen, das sie in diese Situation manövriert hatte. Sie knirschte mit den Zähnen und stieß frustriert mit der Faust gegen die Wand, an der ihr Bett stand, was den Putz ein wenig bröckeln ließ. Sakura bemerkte es aber kaum. Vor Itachi hatte sie große Töne gespuckt, aber in Wirklichkeit hatte sie keine Ahnung, was für Bedingungen sie überhaupt hatte. Bis vor einigen Stunden war sie nämlich noch vollkommen davon überzeugt gewesen, dass sie den ANBU niemals beitreten würde. Ruckartig setzte sich Sakura auf und riss die Augen auf. Das war es! Das war die Lösung ihres Problems. Niemand hatte gesagt, dass man der Einheit angehören musste, um ihr zu helfen. Wie Sakura es letztendlich doch schaffte, genügend Schlaf zu finden, um am späten Nachmittag wieder fit zu sein, war ihr ein Rätsel, denn kaum schlug sie die Augen auf, waren die Gedanken wieder da – nur schienen sie dieses Mal etwas geordneter zu sein. Sie hatte einen groben Plan, der ausreichend war, um Itachi abermals gegenüberzutreten. Eines hatte sie nämlich gelernt: Es brachte nichts, sich auf die Begegnung mit dem Uchiha einzustellen, da er sie ja doch nur erneut überraschen würde. Er war entweder facettenreich oder flexibel – im schlimmsten Falle beides – und würde das Gespräch wieder nach seinen Vorstellungen lenken. Für jemanden, der ziemlich schweigsam war, waren seine rhetorischen Fähigkeiten beeindruckend. Eine warme Mahlzeit und eine ausgiebige Dusche später, fühlte sich Sakura wie neugeboren und bereit, ihrem Schlamassel die Stirn zu bieten. Doch kaum hatte sie ihre Wohnung verlassen, sah sie sich mit einem weiteren Problem konfrontiert: Wo sollte sie versuchen, Itachi zu finden? Normalerweise war er es gewesen, der ihr aufgelauert hatte, aber Sakura konnte sich nicht daran erinnern, ihm jemals zufällig über den Weg gelaufen zu sein. Itachi Uchiha machte nämlich nichts zufällig. Ihre erste Option war das Uchiha-Viertel und sein Haus, doch das verwarf Sakura sogleich, denn sie würde lieber tagelang vor dem Hokage-Büro warten, um Itachi abzufangen, als einfach an seiner Tür zu klopfen. Dies war eine Grenze, die sie nicht überschreiten wollte. Es reichte, dass Naruto sie einst dazu überredet hatte, über den Gartenzaun zu klettern, um einen Blick durchs Fenster zu werfen und herauszufinden, wie Sasukes Zimmer aussah. Er hatte sie, in ihrer gesamten Zeit als Team 7, nämlich niemals zu sich nach Hause eingeladen, was für Naruto Grund genug gewesen war, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sakura plagte noch heute das schlechte Gewissen, wenn sie an ihren geheimen Marsch durch das Gemüsebeet der Uchihas dachte. Im Idealfall hätte sie den ANBU-Unterschlupf gestürmt, aber da keiner außer den ANBU-Angehörigen wusste, wo sich dieser befand, brachte sie auch diese Idee nicht weiter. Blieb ihr also wirklich nur das Haus des Hokage übrig? Sakura lenkte ihre Schritte bereits in diese Richtung, als sie den zweiten Geistesblitz an diesem Tag hatte. Es gab noch einen Ort, an dem die Chancen hoch standen, Itachi anzutreffen: In ihrem zweiten Zuhause. Selten betrat Sakura das Krankenhaus als Besucher – und wenn, dann dauerte es höchstens zehn Minuten, bis ihr jemand ihren Kittel in die Hand drückte, damit sie bei einem Notfall assistieren konnte. Es war also ein Wunder, dass sie es zu Sasukes Krankenzimmer schaffte, ohne von einer Krankenschwester angesprochen zu werden. Im ersten Moment wollte Sakura gar nicht reingehen, denn sie hatte das letzte Gespräch mit Sasuke noch sehr gut in Erinnerung, aber vor der Tür hin und her zu tigern, würde Außenstehenden einen völlig falschen Eindruck vermitteln. Aus diesem Grund griff Sakura nach der Klinke, bevor sie es sich anders überlegen konnte und betrat den Raum. Drei Personen standen um Sasukes Bett, vier Augenpaare starrten sie an und Sakura verfluchte sich dafür, dass sie sich im Krankenhaus anscheinend zu wohl fühlte und nicht einmal mehr ans Anklopfen gedacht hatte. Selbst die Tatsache, dass eines der Augenpaare Itachi gehörte, konnte das Schamgefühl, das sie übermannte, nicht dämpfen. Rückwärts aus dem Raum zu stolpern, wäre noch peinlicher gewesen, weshalb Sakura so leise wie möglich die Tür hinter sich schloss. „Verzeihung“, murmelte sie und verbeugte sich vor Fugaku und Mikoto Uchiha. „Ich wusste nicht, dass jemand hier ist.“ Rein theoretisch waren gerade auch keine Besuchszeiten, aber diesen Kommentar verkniff sie sich, immerhin wusste jeder im Dorf, dass es für die Uchihas so etwas wie theoretisch nicht gab. Fugaku Uchiha war persönlich für die Sicherheit und Ordnung in Konohagakure verantwortlich, weshalb selbst Sakura wusste, dass es unhöflich wäre, ihn an die Regeln des Krankenhauses zu erinnern. Ein vielbeschäftigter Shinobi wie er konnte es sich bestimmt nicht aussuchen, wann er Zeit dafür hatte, seinen Sohn zu besuchen. „Haruno“, brummte Fugaku und schenkte ihr einen skeptischen Blick. „Sie sind nicht im Dienst. Was suchen Sie hier?“ Sakura schluckte hart, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie diese Worte trafen. Es stimmte natürlich, dass sie privat hier war, aber genau das sollte Sasukes Vater nicht wundern. Er wusste, dass sie und Sasuke in einem Team gewesen waren! Sakura gab sich Mühe, um seine abweisende Art nicht persönlich zu nehmen, schließlich musste Sasuke diese von irgendjemandem haben. Es war jedoch schwierig, hinter der Aussage keinen versteckten Seitenhieb zu vermuten. „Ich wollte Sasuke-kun besuchen“, erklärte Sakura deshalb trockener als beabsichtigt. Fugakus Augen verengten sich, aber er nahm ihre Worte hin. „Das ist sehr nett von dir, Sakura-san“, sagte Mikoto freundlich und warf ihrem Ehemann einen langen, bedeutungsschweren Blick zu. So viel also zu den Gerüchten, dass Mikoto Uchiha eine verschreckte Hausfrau war. Sie hatte eindeutig keine Angst vor ihrem Gatten. „Ich werde draußen warten“, verkündete Sakura, da sie erkennen konnte, dass dies der völlig falsche Zeitpunkt war, um sich nach Sasukes Wohlbefinden zu erkundigen oder gar Itachi um ein Gespräch zu bitten. Nur kurz suchten ihre Augen die seinen, die, wie üblich, keine Emotionen preisgaben. Sie verließ den Raum und tat nun genau das, was sie hatte vermeiden wollen: Sie lief vor der Tür auf und ab. Dabei versuchte sie nicht zu lauschen, was im Inneren gesprochen wurde, aber Fugakus Stimme war penetrant genug, um sie dennoch ein paar willkürliche Satzfetzen aufschnappen zu lassen. Er sagte Dinge wie das war unverantwortlich und du solltest dich schämen, weshalb es nicht schwer für sie war, sich den Rest zusammenzureimen. Sasuke musste eine Moralpredigt über sich ergehen lassen. Das verräterisch gute Gefühl von Genugtuung durchströmte Sakura, auch wenn sie wusste, dass es nicht angebracht sein konnte. Itachi hatte ihr erzählt, was vorgefallen war. Es gab keinen Zweifel daran, dass es sich um einen, im Berufsrisiko enthaltenen, Unfall gehandelt hatte. Ob Sasukes Eltern wussten, dass er gemeinsam mit Itachi auf ANBU-Missionen ging? Selbst wenn er oder Itachi sich eine Lüge ausgedacht hatten, um Sasukes Verletzungen zu erklären, konnte Sakura sich kaum vorstellen, dass jemand wie Fugaku Uchiha nicht mit Leichtigkeit erkannte, in welche Aktivitäten seine beiden Söhne verwickelt waren. So wie sich das anhörte, schien er es nicht gutzuheißen, zumindest was Sasuke anging. Noch ehe Sakura sich gewahr werden konnte, dass sie ihre Nase unnötig in Uchiha-Angelegenheiten steckte, glitt die Tür auf und sie erstarrte. Fast schon erwartete sie Fugakus strengen Blick auf sich ruhen zu sehen, doch es war Itachi, der den Raum verlassen hatte und die Tür lautlos hinter sich schloss. „Ich gehe davon aus, dass du mich sprechen wolltest.“ Er besaß die Frechheit, dies nicht zu fragen, sondern mit solcher Selbstverständlichkeit zu sagen, dass Sakura ihn empört anblinzelte. Ja, es stimmte, aber wieso hörte es sich in ihren Ohren so an, als würde sich ihr Leben in letzter Zeit nur um ihn drehen? Vermutlich meinte es Itachi nicht einmal so, aber Sakura nahm es ihm trotzdem übel. „Ich habe dich erneut verärgert“, bemerkte er sofort und Sakura hob energisch die Hand. „Ist schon gut“, erstickte sie das Thema im Keim, denn sie war nicht hier, um sinnlose Diskussionen zu führen. „Ich wollte dich sprechen, ja. Ich bin bereit, dir meine Bedingungen zu nennen.“ Itachi nickte und sah sich wachsam um. Sakura verstand, dass er nicht hier darüber reden wollte. Da sie es aber war, die die Zügel in der Hand hielt, wollte sie auch über den Ort des Gesprächs entscheiden. „Komm mit“, wies sie ihn deshalb an und es überraschte sie nicht, dass er ihr protestlos folgte. Itachi Uchiha war daran gewöhnt, Befehle zu geben, aber er schien auch keine Probleme damit zu haben, sie zu befolgen. Sakura führte ihn durch die Korridore, bis sie den Raum erreichte, der ihr als erstes in den Sinn gekommen war. Um diese Uhrzeit war er ganz sicher leer, denn die Ärzte und Krankenschwestern trudelten nur um die Mittagszeit hier ein, um einen Kaffee zu trinken oder etwas zu essen. Zusammen mit Itachi betrat Sakura den Aufenthaltsraum für das Personal. Da Itachi ein guter Beobachter war, fiel ihm auch sofort auf, was dies für ein Raum war – dementsprechend zögerlich und respektvoll sah er sich in ihm um. „Setz dich ruhig“, sagte Sakura und deutete auf einen der Stühle. Itachi sah so aus, als würde er nur Platz nehmen, um ihr eine Freude zu bereiten. Sakura setzte sich ihm gegenüber und faltete die Hände im Schoß, um sie ruhig zu halten. Er bedrängte sie nicht, sondern wartete seelenruhig auf ihre Forderungen. Dennoch machte Sakura das Interesse, das in seinen dunklen Augen schimmerte, nervös. Er versteckte es nicht – und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. „Ist meine Anwesenheit in diesem Raum erlaubt?“, ergriff er schließlich doch das Wort, was Sakuras ihre Anspannung für einen Moment vergessen ließ. „Eigentlich nicht“, gab sie zu und unwillkürlich verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. „Aber mit deiner Erlaubnis schon?“, versuchte Itachi die Bedeutung dahinter zu erraten. Seine Mundwinkel hingegen bewegten sich nicht. Sakura nickte und bestätigte ihm seine Vermutung. Sie war eine der Oberärztinnen und genoss diverse Vorzüge, welche sie sich, bei der ganzen Schufterei und den Überstunden, durchaus verdient hatte. Inwiefern er ihr das Gefühl geben wollte, die Situation zu kontrollieren, konnte Sakura nicht erahnen, aber es zeigte definitiv Wirkung. Sie war es, die die Bedingungen stellte, also hatte sie nichts zu befürchten. Itachi konnte ablehnen, aber dann würde sie auch nicht mehr in Erwägung ziehen, ihm und der ganzen ANBU-Truppe zu helfen. „Meine erste und wichtigste Bedingung ist, dass ich kein offizielles Mitglied der ANBU sein möchte“, begann Sakura und war stolz darauf, wie entschlossen ihr dieser Satz über die Lippen kam. „Versteh mich nicht falsch. Ich werde euch helfen, sei es im Dorf oder auf Missionen. Aber ich werde selbst entscheiden, welche Missionen ich annehme. Ich werde selbst entscheiden, ob ich Zeit habe, um mitzukommen. Ich werde meine Arbeit im Krankenhaus nicht vernachlässigen. Ich werde mein Leben nicht umkrempeln, weil eine mehr oder weniger geheime Shinobi-Gruppe darauf besteht. Wenn du damit leben kannst, dann kannst du mit meiner Hilfe rechnen.“ Sakura atmete tief durch. Sie hatte dies in einem Zug loswerden wollen und es hatte geklappt. Jetzt stand ihr aber noch Itachis Reaktion bevor. Gespannt sah sie ihn an, doch er mied ihren Blick und starrte stattdessen in die Leere. Nur ein leises „Hm“ wies darauf hin, dass er sich ihre Worte durch den Kopf gehen ließ. Er schloss sogar für ein paar endlose Sekunden die Augen, ehe er wieder Blickkontakt zu ihr suchte. „Ich habe nichts dagegen“, erlöste er Sakura aus ihrer Unsicherheit. „Ich werde jedoch den Hokage über deine Bedingungen informieren müssen.“ „Ich möchte dabei sein“, stellte sie sofort klar. „Ist das deine nächste Bedingung?“ „Ja.“ Itachi nickte verständnisvoll, was Sakura als Zustimmung interpretierte. „Hast du noch eine dritte?“ Sakura stockte. Dies war ihre einzige Chance, um die Regeln festzulegen, weshalb sie es sich gut überlegen wollte. Es gab aber nur eine einzige Sache, die ihr spontan noch einfallen wollte. „Durchaus“, sagte sie gedehnt. „Ich bin ganz Ohr.“ „Ich möchte keine dieser unschönen Tätowierungen.“ Kapitel 8: neugierig. --------------------- Selbst wenn Itachi sich zu einer Reaktion hätte hinreißen lassen, wäre diese Sakura entgangen, denn just in diesem Moment glitt die Tür auf. Als hätte man sie bei etwas Verbotenem erwischt, zuckte sie zusammen und begegnete dem fragenden Blick der Krankenschwester, die im Türrahmen erstarrt war. „Oh, tut mir leid. Ich wusste nicht, dass jemand hier ist“, murmelte die junge Frau beschämt. Sie verbeugte sich und ging eiligst zum Regal hinüber, auf dem sie offensichtlich irgendwelche Unterlagen vergessen hatte. Diese sammelte sie ein und verließ den Raum. Es dauerte kaum zwei Minuten, doch Sakuras triumphaler Moment war vorbei. Sie wich Itachis Blick aus und räusperte sich. „Gibt es noch irgendetwas zu klären?“, fragte sie. „Eine Menge, aber wir sollten zuerst mit Obito-sama sprechen“, erwiderte Itachi und erhob sich. „Jetzt?“ Perplex blinzelte Sakura ihn an. „Es kann warten, wenn du etwas Wichtiges zu erledigen hast.“ Im ersten Augenblick war Sakura davon überzeugt, dass er sich über sie lustig machte und der Sarkasmus aus ihm sprach, aber seine Miene wirkte vollkommen ernst. Außerdem konnte man diese Eigenschaft eher seinem jüngeren Bruder zuschreiben. Apropos… „Ich wollte –“, setzte Sakura an, ehe sie es sich anders überlegte und den Mund wieder schloss. Itachi hatte sicher nicht vergessen, wie sie vorhin in Sasukes Zimmer gestürzt war. Er war auch dabei gewesen, als sie um das Leben ihres ehemaligen Teammitglieds gebangt hatte – und dennoch war es ihr unangenehm, vor Itachi zuzugeben, dass ein Besuch bei Sasuke das Wichtige, das sie zu erledigen hatte war. „Meine Eltern dürften bereits gegangen sein“, versicherte Itachi ruhig. Er las in ihr wie in einem offenen Buch und Sakuras Magen zog sich unangenehm zusammen. Es brachte nichts zu leugnen, dass sie genau darauf gehofft hatte, weshalb sie zögerlich nickte. „Ich werde vor dem Krankenhaus auf dich warten“, teilte er ihr mit und wandte sich ab. Die Tür, die hinter ihr ins Schloss fiel, war das einzige Geräusch im Raum. Sasuke lag mit geschlossenen Augen da. Er schlief nicht, dafür war sein Puls viel zu unruhig, wie ihr die Anzeige am Monitor neben seinem Bett verriet, aber er versuchte so zu tun. „Wie geht es dir?“, fragte sie. Wenn sie sich aber schon die Mühe machte, ihn zu besuchen, dann war Sakura nicht gewillt, bei seinem Spielchen mitzumachen. Stur blieb sie neben seinem Krankenbett stehen und starrte ihm ein Loch in den Rücken. „Mh“, murrte er undeutlich und hielt dies anscheinend für eine ausreichende Antwort, denn er unternahm keinen Versuch, Sakura über sein Wohlbefinden zu informieren. Diese verkniff sich ein resigniertes Seufzen, indem sie sich auf die Bettkante setzte. Die angenehme Stille war nur ein Schein. In Wirklichkeit konnte Sakura die Spannung, die sich zwischen ihnen aufbaute, beinahe in der Luft spüren. Sie drückte ihr schwer auf die Schultern, sodass sie die Hände auf ihren Knien abstützen musste. „Du hast dich entschieden“, sagte er und Sakura versuchte einzuschätzen, ob Verachtung oder Spott in seiner Stimme lag, versagte aber kläglich. Die mentalen Schutzmechanismen der Uchihas waren selbst für ihren kräftigen Faustschlag ein zu harter Brocken. Es wunderte sie auch nicht, dass er erraten hatte, was sie ihm hatte mitteilen wollen. Es hätte sich falsch angefühlt, sich in die ANBU-Arbeit zu stürzen, ohne Sasuke darüber zu informieren. Während Sakura vor einigen Minuten noch stolz darauf gewesen war, dass sie ihn nur noch mit der beschlossenen Tatsache konfrontierte, statt ihn wie früher zu fragen, kam sie sich in diesem Moment trotzdem furchtbar klein vor. Wieso erzählte sie ihm überhaupt davon? „Du wirst es bereuen“, gab Sasuke ihr seine Meinung kund – knapp und herablassend wie immer, aber in Anbetracht dessen, was er ihr noch hätte an den Kopf werfen können, waren seine Worte fast schon sanft. „Und wenn schon“, erwiderte Sakura leise, verzweifelt nach der inneren Stärke suchend, die sie in diesem Moment hätte gebrauchen könnte. „Dann war es wenigstens meine Entscheidung.“ Sasuke schwieg. Vielleicht wollte er keinen Streit anzetteln, vielleicht war er zu müde, aber vielleicht hielt er es auch nicht für wichtig genug, sie weiter von ihrem Vorhaben abhalten zu wollen. Was auch immer es war, es spielte keine Rolle. Als sich erneut die Stille über sie legte, kroch eine Gänsehaut ihre Arme empor, so kühl kam sie ihr vor. Jedes weitere Wort wäre sinnlos gewesen. Resigniert erhob sie sich und drehte sich noch einmal zu ihm um. „Werde schnell wieder gesund, Sasuke-kun“, murmelte sie und steuerte mit langsamen Schritten die Tür an. Es wunderte sie nicht, dass sie keine Antwort erhielt. Jeder normale Mensch hätte sie gefragt, wie das Gespräch mit Sasuke gelaufen war. Aus reiner Neugier oder weil man Sakuras bedrücktem Gesichtsausdruck ansah, dass es keine positive Erfahrung sein konnte. Jeder normale Mensch hätte gefragt, aber nicht Itachi. Als sie aus dem Krankenhaus hinaus in die späte Nachmittagssonne getreten war, hatte er ihr lediglich einen abschätzenden Blick geschenkt, ehe er seine Schritte einfach in Richtung des Hokage-Turms lenkte. Sakura wusste nicht, ob sie ihm dankbar sein sollte oder nicht. Einerseits wollte sie nicht darüber reden, aber andererseits wollte sie diese erdrückende Stille endlich loswerden. Aus diesem Grund überwand sie auch den knappen Abstand zwischen ihnen und holte zu ihm auf. „Du hast gesagt, dass es noch etwas zu klären gibt“, kam sie auf seine vorherigen Worte zurück. Wenn Itachi sie mit Informationen über die ANBU fütterte, würde sie wenigstens nicht mehr an Sasuke und das mit ihm verbundene beklemmende Gefühl im Bauch denken müssen. Itachi warf ihr einen flüchtigen Blick zu. „Eins nach dem anderen“, dämpfte er ihren Enthusiasmus. „Wir müssen zunächst herausfinden, ob der Hokage mit deinen Bedingungen einverstanden ist.“ „Bedingungen?“ Überrascht wanderte Obito Uchihas Blick von Itachi zu Sakura, die schwer schluckte. Sie musste standhaft bleiben, auch wenn es sich um den Hokage handelte, ermahnte sie sich in Gedanken, weshalb sie nachdrücklich nickte. Obito schien ihr ernstes Gesicht zu erheitern und Sakura hatte das dumme Gefühl, diese Sache viel zu ernst genommen zu haben. Der Hokage war aber auch der einzige, der ein Schmunzeln auf den Lippen trug, denn Itachi lupfte nicht einen Mundwinkel. „Sie möchte kein offizielles Mitglied sein. Sie möchte selbst entscheiden, auf welche Missionen sie uns begleitet“, fuhr er fort. „Sie möchte ihr Leben nicht umkrempeln, weil eine mehr oder weniger geheime Shinobi-Gruppe darauf besteht.“ Empört klappte Sakuras Mund auf, als Itachi die Frechheit besaß, sie in so beiläufiger Tonlage zu zitieren. Bevor sie sich jedoch beschweren konnte, wurde es noch schlimmer. „Und sie möchte keine Tätowierung. Habe ich irgendetwas vergessen?“ Fragend sah Itachi sie an, was nur dafür sorgte, dass Sakura die Schamesröte ins Gesicht stieg. Die Tatsache, dass der Hokage sein Lachen nun nicht mehr zurückhalten konnte, half ihr auch nicht, die Wut in ihrem Bauch zu bändigen. „Das hättest du auch anders formulieren können“, presste sie leise hervor. Itachis Blick war forschend, als er sachte die Augenbrauen zusammenzog und sie ansah, als würde er nicht verstehen. Sakuras Schultern sackten hinab. Was gab es da nicht zu verstehen?! „Ich habe Obito-sama lediglich deine Bedingungen genannt“, erklärte er sachlich, als wäre dies nicht selbstverständlich. Sakura winkte ab, denn diese Diskussion war sinnlos. Abgestumpfte Uchihas würden ihre Gefühle nie verstehen, daran sollte sie sich wirklich langsam gewöhnen. Es sprach jedoch für Itachi, dass er es wenigstens versuchte, ganz im Gegensatz zu seinem Bruder. Der Hokage hatte sich anscheinend in der Zwischenzeit beruhigt, denn er stieß ein letztes Mal geräuschvoll die Luft aus. „Ich akzeptiere deine Bedingungen, Sakura“, sagte er, was sie erleichtert lächeln ließ. „Allerdings kann ich dir nicht dieselben Sonderrechte einräumen, die meine ANBU-Angehörigen im Normalfall genießen.“ Wieder wanderte Obitos Blick zu Itachi, während er leise summend überlegte, welche Privilegien Sakura zustanden und welche nicht. „Muss sie die Identität deiner Teammitglieder kennen?“, fragte er Itachi. „Ich befürchte, dass dies eine Notwendigkeit ist“, erwiderte dieser. „Als Iryōnin sollte sie die Krankenakten meines Teams kennen, um sie im Notfall präzise und möglichst risikofrei behandeln zu können.“ Obito nickte lediglich, da Itachis Erklärung vernünftig klang, Sakura hingegen musterte Itachis Profil fasziniert. Obwohl er sich nicht mit der Heilkunst auskannte, die ihr so bekannt war, hatte er mit seiner Aussage vollkommen ins Schwarze getroffen. Es war deutlich einfacher, einen Patienten zu behandeln, wenn man seine Allergien, chronischen Beschwerden und das durchschnittliche Chakralevel kannte. „Du wirst also wissen, mit welchen Shinobi du dich auf Mission begibst, allerdings wirst du keinen Zugang zum ANBU-Hauptquartier erhalten. Dies steht nur offiziellen Mitgliedern zu, tut mir leid“, wandte sich Obito wieder an Sakura. „Verstanden“, erwiderte diese sofort, da sie mit dieser Bedingung keine Probleme hatte. Je weniger sie mit den ANBU zu tun hatte, desto geringer war die Gefahr, dass sie ihr das Leben auf den Kopf stellen würden. „Itachi wird deine einzige Kontaktperson bleiben. Ich vertraue darauf, dass er weiß, welche Informationen er mit dir teilen kann und welche nicht.“ Bei diesen Worten schenkte der Hokage Itachi einen prüfenden Blick, den dieser mit stoischer Miene erwiderte. „Solltest du ein Problem mit ihm haben, kannst du dich jederzeit an mich wenden“, fuhr Obito fort und obwohl Sakura wusste, wie dies gemeint war, schoss ihr dennoch die aberwitzige Vorstellung durch den Kopf, sich bei dem Hokage über ihr dauerhaftes Uchiha-Problem zu beschweren. Als ihr einfiel, dass er auch diesem speziellen Klan angehörte, verwarf sie den Gedanken. „Falls es keine Fragen mehr gibt, wäre dies alles.“ Weder Sakura noch Itachi ergriffen das Wort, weshalb der Hokage abermals seinen Verwandten ansah und ein Lächeln aufsetzte, das sich fürchterlich mit der Ernsthaftigkeit der Situation biss. „Hast du schon eine Antwort für mich, Itachi? Du weißt schon, bezüglich dieser einen Sache“, erkundigte sich Obito im lockeren Plauderton, was Sakura stutzen ließ. Hatte sie etwas verpasst? Überrascht nahm sie wahr, wie Itachis die Schultern straffte. Er wich dem vergnügten Blick aus und schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er knapp. „Zu schade“, seufzte Obito und winkte ab. „Überleg es dir noch einmal, aber vergiss nicht, dass es geheim ist.“ Sakura verstand rein gar nichts von alldem, aber es ging sie auch nichts an. Leider hatten Aussagen wie Es ist geheim es an sich, dass sie einen neugierig machten und so sehr sie das Gefühl verdrängen wollte, es kämpfte sich doch immer wieder an die Oberfläche. „Geheimer als ANBU-Missionen“, pflichtete Itachi Obito trocken bei, was schwer nach einem Zitat des Letzteren klang. Diese Art von Humor passte nämlich nicht zu Itachi und es schien, als würden sie nicht zum ersten Mal diese rätselhafte Diskussion führen. „Sehr richtig“, schmunzelte der Hokage. „Sakura. Itachi.“ Mit einem Nicken verabschiedete sich Obito von seinen beiden Ninja, die folgsam sein Büro verließen. Wieder ließ Sakura Itachi den Vortritt, dieses Mal allerdings, damit er ihre von Neugier erfüllten Blicke nicht bemerkte. „Geheimer als ANBU-Missionen, huh? Gibt es so etwas?“, fragte sie möglichst distanziert. Itachi blieb urplötzlich stehen und Sakura sank das Herz in die Kniekehlen. Sie hatte sich gewiss nicht in Angelegenheiten einmischen wollen, aus denen sie sich heraushalten sollte, aber hatte er schon einmal versucht eine Unterhaltung mit sich selbst zu führen? Das war gar nicht so einfach! Langsam drehte er sich zu ihr um und während Sakura davon überzeugt war, dass er sie mit einem eiskalten Blick für ihre Frechheit strafen würde, so zeichnete sich stattdessen ein sanfter, milde erheiterter Ausdruck auf seinem Gesicht ab. „Nein, nicht wirklich“, antwortete Itachi. „Obito-sama hat hin und wieder einen Hang zum Theatralischen.“ Sakuras erleichtertes Seufzen war keine passende Reaktion auf seine Worte, aber sie konnte es sich nicht verkneifen. „Ich vermute, dass er in Wahrheit möchte, dass jemand sein Geheimnis lüftet, bevor er es tut“, erklärte Itachi weiter, was Sakura ein Stirnrunzeln entlockte. „Wieso?“ „Spaß? Aufmerksamkeit?“ Itachi zuckte mit den Schultern. Sakura hatte Itachi noch nie so sprechen gehört. Er war gewiss niemand, der aus dem Nähkästchen plauderte, weshalb diese Situation ungewohnt war. Ungewohnt, aber nicht unangenehm. „Heißt das, dass Obito-sama wollte, dass ich nachhake?“, fragte sie zweifelnd. „Es hat funktioniert, oder?“ Peinlich berührt presste Sakura die Lippen aufeinander, aber leugnen konnte sie es nicht. Ein Uchiha hatte sie nach seiner Pfeife tanzen lassen. Schon wieder. „Jetzt habe ich keine Wahl mehr, oder?“, murmelte sie. „Es scheint so“, bestätigte Itachi. „Na gut“, gab Sakura auf. „Was ist noch geheimer als eine ANBU-Mission?“ Itachi ließ sie zappeln, denn er schwieg einige Sekunden zu lang, um vorzutäuschen, dass er tatsächlich überlegen musste, ob er ihr antworten durfte. „Eine Hochzeit.“ Kapitel 9: merkwürdig. ---------------------- Daran, dass ihr Leben nicht nur aus merkwürdigen Gesprächen mit Uchihas bestand, wurde Sakura am nächsten Morgen erinnert, als sie ganze drei Stunden im Operationssaal verbrachte und um das Leben eines Mannes kämpfte, der viel ernstere Probleme hatte als sie. Egal, was sie tat, seine Leber wollte nicht auf ihr Heilchakra reagieren. Es kam vor, dass der Zellregenerierungsprozess versagte, wenn eine Krankheit zu weit fortgeschritten war oder ein Organ zu schnell angriff. In diesen Momenten konnten selbst talentierte Iryōnin wie Tsunade oder Sakura nicht viel tun, außer die Schmerzen zu lindern. Heute hatte Sakura – oder viel eher ihr Patient – riesengroßes Glück, denn eine Transplantation war möglich, die Leber des Spenders musste nur aus einem angrenzenden Dorf geholt werden. Während also Shizune sich auf den Weg machte, versorgte Sakura den Mann mit Heilchakra, obwohl seine Leber es wie ein Sieb filterte und die Hälfte davon verschwendet wurde. Solange es ihn am Leben erhielt, spielten die Anstrengung und der Chakraverbrauch für Sakura keine Rolle. Wichtig war ihr nur, dass er überlebte – und das tat er. Sakura hatte noch nie einen Patienten verloren und sie hatte nicht vor, jetzt damit anzufangen. Der Rest ihrer Schicht verlief zum Glück ohne größere Zwischenfälle, sodass sie am frühen Nachmittag ihren Kittel in den Spind hängen konnte. Als sie diesen jedoch öffnete, fiel ihr etwas auf, das heute Morgen noch nicht dagewesen war: Drei sorgfältig zusammengefaltete Dokumente. Verstohlen sah sich Sakura in ihrem Büro um, doch sie war allein. Wenn ihr bisher nicht aufgefallen war, dass jemand unerlaubt hier gewesen war, dann würde sie auch jetzt keine Spuren finden. Neugierig holte sie die Unterlagen heraus und entfaltete das erste Papier. Als sie erkannte, was die in den Händen hielt, weiteten sich ihre Augen überrascht. Es war eine Krankenakte. Genma Shiranuis Krankenakte. Sakura studierte den Inhalt flüchtig, da die meisten aktiven Shinobi früher oder später in ihrem Behandlungszimmer landeten und sie mit vielen chronischen Krankheiten ihrer Patienten vertraut war. Genmas war in diesem Fall keine Ausnahme – in diesem Dokument stand nichts, das neu für sie wäre. Stirnrunzelnd legte Sakura es beiseite und fragte sich, wieso sich jemand die Mühe gemacht hatte, diese Akte in ihrem – sorgfältig verschlossenen! – Spind zu verstauen. Spätestens jedoch, als sie das nächste Stück Papier unter die Lupe nahm, fiel der Groschen. Perplex starrte sie den Namen an, der auf der zweiten Krankenakte stand. Es war einer, den sie niemals in den Archiven des Krankenhauses finden würde, weil die Uchiha-Familie darauf bestand, solche Dinge geheim zu halten und ihre eigenen Iryōnin hatte. Sasukes derzeitiger Krankenhausaufenthalt war also so etwas wie ein Ausnahmefall. „Shisui Uchiha“, murmelte Sakura abwesend, während sie die letzten Untersuchungen studierte, die er über sich hatte ergehen lassen. Wenn man diesen Daten trauen durfte, dann war er gesund wie ein Fisch im Wasser. Das Herz in Sakuras Brust schlug schnell und aufgeregt, als sie das letzte, noch ungeöffnete Dokument anvisierte. Sie wusste instinktiv, wessen Krankenakte die dritte im Bunde war, da es kein Zufall war, dass sie ausgerechnet Genmas und Shisuis erhalten hatte. Sakura fühlte sich, als würde sie ein Staatsgeheimnis lüften. Sie atmete tief durch und klappte schließlich die Akte auf, auf der in feinen Lettern Itachi Uchiha stand. Ihre Augen wanderten sorgfältig über jede einzelne Zeile, jedes einzelne Wort. Es war schwer sich zu beherrschen, wenn die Neugier sie innerlich zerfraß. Sie suchte nach einer Schwachstelle, nach irgendetwas, das der Illusion seiner Perfektion endlich ein Ende bereiten würde. Blutwerte, Routineuntersuchungen, Chakralevel – jedes noch so kleinste Detail war vermerkt. Fasziniert versank Sakura in ihrer Lektüre, saugte jede einzelne Information wie ein Schwamm auf und schämte sich dabei, als hätte sie Kakashis Flirtparadies vor Augen. Sie hatte noch nicht einmal die Hälfte gelesen, als ein kleiner Zettel, verborgen zwischen Seite drei und vier, auf den Boden segelte. Hastig hob Sakura ihn auf. Heute Abend um 19.00 Uhr am Tor. Es ist deine Entscheidung. Die saubere Handschrift war Sakura fremd, aber es benötigte kein Genie, um zu wissen, von wem diese Nachricht war und was sie bedeutete, auch ohne Unterschrift. Allerdings wusste sie nicht, was beunruhigender war: Dass Itachi sie auf diese Weise auf ihre erste ANBU-Mission einlud, oder dass er den Zettel in seiner Krankenakte versteckt hatte und nicht in einer der anderen. Er würde wissen, dass Sakura sie gelesen hatte, wenn sie heute Abend am Treffpunkt eintraf. Was hast du da in deiner Tasche?, hörte Sakura Tsunades argwöhnische Stimme in ihrem Kopf, als sie das Büro der Krankenhausleiterin fünfzehn Minuten später verließ, doch natürlich hatte Tsunade diese Frage nicht gestellt. Es war lediglich Sakuras eigene Paranoia, die ihr leise zuflüsterte, auf ihrer Stirn stünde, dass sie Itachi Uchihas Krankenakte mit nach Hause nahm. Dabei war es doch nur eine Mappe, in der sich ein paar gesundheitliche Informationen über ihn befanden, nichts weiter! Egal, wie oft Sakura versuchte, sich dies einzureden, es wollte nicht funktionieren. Sie besaß genug Berufserfahrung, um zu wissen, wie wertvoll diese Daten waren – nicht nur für wohlgesonnene Iryōnin, die helfen wollten. Auch Feinde konnten körperliche Schwächen ausnutzen, was in dem Fall eine ernstzunehmende Gefahr war, da Itachi nicht nur als einer der stärksten Shinobi des Dorfes galt, sondern auch der Anführer Konohagakures geheimer Ninja-Gruppierung war. Wenn Gegner das stärkste Glied einer Kette außer Gefecht setzen konnten, dann hatte der gesamte Rest keine Chance. Die Verantwortung, die Itachi trug, wollte sich Sakura nicht einmal ausmalen. Nachdem sie ihre Vorgesetzte über ihre Mission informiert hatte – ohne auf Details einzugehen und ohne sich selbst einzugestehen, dass sie viel zu schnell entschieden hatte, sich darauf einzulassen –, machte sich Sakura auf den Weg nach Hause. Sie wollte gut vorbereitet sein, wenn sie ihre erste ANBU-Mission antrat. Zu dieser Vorbereitung hätte auch ein kleiner Mittagsschlaf gezählt, wäre sie sich nicht im Klaren darüber, dass sie viel zu nervös war, um einzuschlafen. Deshalb erledigte sie alles andere mit größter Sorgfalt: Sie polierte und schliff ihre Kunai, aber vor allem nahm sie penibel den Inhalt ihres Erste-Hilfe-Kastens unter die Lupe. Von ihr wurde vor allem erwartet, dass sie im Notfall zur Stelle war, um Verletzungen zu heilen, ihre offensiven Kampffähigkeiten waren nur zweitrangig. Dessen war sich Sakura bewusst, aber sie erwischte sich trotzdem dabei, wie sie ihr eigenes Chakralevel überprüfte, während sie diverse Gegengifte und Soldatenpillen in ihrer Tasche umorganisierte. Zehn Minuten später stand ihr gepackter Rucksack im Gang und wartete darauf, dass Sakura mit ihm aufbrach. Diese vertrieb sich die Zeit vor Missionsbeginn noch mit einem leichten Abendessen und Itachis Krankenakte. Selbst für eine Mission war es nicht erforderlich, dass sie sie auswendig kannte, aber Sakura kam nicht davon los. Itachis Werte waren alle im Normalbereich und diese waren es auch nicht, die ihre Augen an das Papier hefteten, sondern die detaillierten Ergebnisse diverser Untersuchungen seiner Sehorgane. Etwas gab Sakura keine Ruhe – und nicht nur, dass sie sich zu sehr der Allgemeinmedizin verschrieben hatte, um alles zu verstehen. Einerseits erschienen ihr diese Ergebnisse zu vage und unvollkommen, um wirklich etwas über den Gesundheitsstand eines Sharingan-Benutzers zu verraten, aber andererseits war es mehr, als sie eigentlich wissen dürfte, wenn man davon ausging, wie sehr die Uchihas das Familiengeheimnis hüteten. Je öfter Sakura besagte Stellen der Akte durchlas, desto stärker wurde dieses Gefühl, aber sie konnte nicht benennen, was es war. Auf den ersten Blick schien alles in Ordnung zu sein, aber es war… merkwürdig. Ein anderes Wort fiel ihr dafür nicht ein. Als es zu dämmern begann, musste sie ihre Grübeleien auf später verschieben. Sie verstaute die drei Krankenakten in ihrem Schrank, zog sich Schuhe und Mantel an, nahm ihren Rucksack und verließ ihre Wohnung. Pünktlich machte sich Sakura auf den Weg zum Stadttor. Dort warteten bereits drei Shinobi auf sie – allesamt trugen sie Tiermasken. „Da ist sie ja“, sagte einer von ihnen. „Lasst uns aufbrechen“, sagte einer der anderen, den Sakura sofort als Itachi identifizierte. Auch die Identität der anderen beiden war kein Rätsel, wenn sie an die Krankenakten dachte, aber sie verstand, weshalb sie hier ihre Gesichter nicht zeigen konnten. „Der übliche Ort?“, fragte nun der Dritte und Itachi nickte. Plötzlich setzten sich alle in Bewegung und Sakura erstarrte verdutzt. Das Wartet! lag ihr bereits auf den Lippen, doch sie schluckte es mit Mühe hinunter und sprang den Shinobi hastig hinterher. Sie hatte Mühe, mit ihnen mitzuhalten und machte sich eine mentale Notiz, bei Gelegenheit wieder an ihrer Ausdauer zu feilen. Genauso plötzlich, wie die drei Ninja losgerannt waren, blieben sie einige hundert Meter vom Tor entfernt wieder stehen. Sakura bremste ab und folgte ihnen in den Schutz der Bäume. Dort nahm Itachi seine Maske ab, wobei es für Sakura keinen Unterschied machte – seine Miene gab nicht mehr Preis als die auf dünnem Holz gemalten Linien. Dies sahen seine Teammitglieder jedoch als Zeichen an, ebenfalls ihre Masken abzunehmen. Sakura wurde von Genmas neutralem Blick studiert und mit Shisuis Grinsen konfrontiert. „Wir wollten schon Wetten abschließen, ob du auftauchst oder nicht“, teilte Shisui ihr unverblümt mit. „Du wolltest das“, berichtigte Genma ihn und kaute auf seinem Senbon herum, was Sakura allein vom Hinschauen Zahnschmerzen bereitete. „Willkommen, Sakura“, mischte sich Itachi unbeeindruckt ein und war somit der einzige, der sie vernünftig begrüßte. Er holte eine weitere Tiermaske hervor, die er ihr reichte. „Ich muss darauf bestehen“, sagte er knapp, als würde er befürchten, dass Sakura auch dagegen etwas einzuwenden hatte. „Zu deiner eigenen Sicherheit. Und der des Dorfes.“ Sakura nickte peinlich berührt und ein klein wenig verärgert. Sie hatte doch nur etwas gegen permanenten Hautmarkierungen, nicht gegen Masken! „Ich werde dir alles über unsere Mission verraten, das du wissen musst“, fuhr Itachi unberührt fort und winkte sie zu sich heran, ehe er eine Schriftrolle aus seiner Tasche holte. Diese entpuppte sich als herkömmliche Landkarte, als Sakura einen interessierten Blick darauf warf. „Nur das Nötigste und sonst nichts, was?“ Sie konnte sich den Kommentar nicht verkneifen und verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln. „Sie hat dich durchschaut, Itachi. Du solltest aufpassen“, lachte Shisui, doch auch dieser Einwurf wurde von dem ANBU-Captain ignoriert. „Wir machen uns auf in diese Richtung“, sagte Itachi, fuhr mit seinem Finger in über die Karte und hielt nördlich, an der Grenze zum Land der heißen Quellen, inne. „Unser Ziel ist ein Nukenin, der vor einiger Zeit noch einer von uns war.“ „Quasi der verlorene Sohn der ANBU“, präzisierte Shisui und runzelte die Stirn. „Das schwarze Schaf. Der Schandfleck. Die Blam–“ „Shisui, das reicht“, mahnte Itachi ruhig, was dem anderen Uchiha nur ein theatralisches Seufzen entlockte. „Der gesuchte Shinobi ist also nicht nur ein Nukenin Konohas, sondern auch jemand, der weiß, wie die ANBU funktionieren“, ergriff Genma das Wort. „Das heißt, dass nicht nur die Gefahr besteht, dass er diese Informationen an ein anderes Reich verkauft, sondern er kennt auch eure Vorgehensweisen, was ein Nachteil sein könnte“, schlussfolgerte Sakura grübelnd und starrte weiterhin die Landkarte an, sodass ihr Shisuis begeistertes Strahlen entging. „Oh! Jetzt weiß ich, wieso du sie dabei haben wolltest“, meinte er an Itachi gewandt, der wieder dazu überging, sein Familienmitglied nicht zu beachten. „Das hier ist er“, sagte er stattdessen und reichte Sakura ein Foto von dem Shinobi. Sie betrachtete es eingehend, aber wenn sie ihm jemals über den Weg gelaufen war, dann nur flüchtig. Sein Gesicht kam ihr nicht bekannt vor, weshalb sie sich umso mehr Mühe gab, es sich genauestens einzuprägen. Das wohl Auffälligste an seinem Gesicht waren die hohen Wangenknochen, ansonsten erkannte sie kein Merkmal, das auf den ersten Blick sichtbar war. Das würde die Suche nicht einfacher machen. „Wie heißt er?“, fragte sie. „Nicht wichtig“, erwiderte Itachi. „Er trägt nun bestimmt einen ganz anderen Namen.“ Sakura presste die Lippen aufeinander, denn dies hätte sie sich eigentlich denken können. Sie gab Itachi das Bild zurück. „Obito-sama würde gerne ein Wörtchen mit ihm wechseln“, sagte Shisui und klang dabei zum ersten Mal wirklich ernst. „Und ich ehrlich gesagt auch.“ Auch Genma verzog grimmig das Gesicht, was Bände darüber sprach, mit wem der Nukenin zuvor zusammengearbeitet hatte. Bedrückt senkte Sakura den Blick. „Sollte es weitere Fragen geben, klären wir sie unterwegs“, verkündete Itachi und setzte seine Maske auf. Genma und Shisui folgten seinem Beispiel – und auch Sakura verhüllte ihr Gesicht zögerlich. „Steht dir!“, sprach Shisui ihr ein Kompliment aus und deutete mit dem Daumen zustimmend nach oben. Genma sprang wortlos in die Baumkronen, um den Weg über die hochgelegenen Äste zu wählen und Shisui war ihm dicht auf den Fersen. Wenn Sakura geglaubt hatte, dass Itachi das Team auch wortwörtlich anführen würde, dann hatte sie sich ziemlich getäuscht, denn er wartete, bis auch sie hochgesprungen war. Er blieb in ihrer Nähe und passte sich ihrem Tempo an, was Sakura verunsicherte. Die Tiermaske verdeckte ihren Gesichtsausdruck, aber Itachi schien ihre Frage nach dem Grund seines Verhaltens trotzdem zu erraten. „Du musst mir verzeihen, Sakura. Dies ist deine erste Mission mit uns, ich nehme mir also die Freiheit, ein wenig auf dich aufzupassen.“ „Ich kann selbst auf mich aufpassen“, gab sie zurück, noch bevor sie sich davon abhalten konnte. „Das weiß ich“, besänftigte Itachi sie. „Ich muss dennoch darauf bestehen.“ Sakura zog unzufrieden die Stirn kraus, aber ein Teil von ihr war erleichtert. Niemals hätte sie dies vor Itachi zugegeben, aber das Gefühl war zu stark, um es zu ignorieren. Sie wollte sich keinesfalls vor der Gefahr drücken, sie war lange genug Tsunades Lehrling gewesen, um sich an die Regeln der Iryōnin zu halten und somit den Kampf zu meiden, aber im Blickfeld von Itachis wachsamen Augen zu liegen, war in dieser neuen Situation nicht unbedingt etwas Schlechtes. „Darf ich etwas fragen?“, lenkte sie vom Thema ab. Mit einem Nicken gab er ihr sein Einverständnis. „Der Nukenin war ein Teil eures Teams, oder?“ Itachi schwieg eine Weile, doch dann nickte er erneut. „Das erklärt einiges.“ „Wie meinst du das?“, erkundigte er sich. „Sasuke-kuns plötzliches Interesse an den ANBU“, antwortete Sakura und verkniff sich das Seufzen. „Und sein schneller Beitritt. Ihr müsst nach einem Ersatz gesucht haben.“ Auf ihre Worte folgte wieder ein Schweigen, aber Itachi widersprach ihr nicht, was Sakura Bestätigung genug war. Sie hakte nicht weiter nach, sondern ging ihren eigenen Gedanken nach, während jeder Ast, auf dem wie landete, sich einen Sekundenbruchteil unter ihrem Gewicht verbog. Sasuke mochte sich anderen Aufgaben gewidmet haben, aber dies war nicht zu vergleichen mit dem, was der Nukenin getan hatte. Er hatte sein eigenes Team und sein Dorf verraten. Itachi, Genma und Shisui hatten ihm vertraut und er hatte ihnen einfach den Rücken gekehrt – was auch immer seine Gründe gewesen waren. Die Enttäuschung musste bitter geschmeckt haben. Sakura, auch wenn sie nie etwas Ähnliches erlebt hatte, kam dieser Geschmack merkwürdig bekannt vor. Kapitel 10: unruhig. -------------------- Sakura war davon ausgegangen, dass Itachi das offensichtliche Thema ansprechen würde, doch egal wie oft sie ihm verstohlene Blicke zuwarf, er hielt seinen konzentriert nach vorne gerichtet. Das war mal wieder typisch. Während ihre eigene Neugierige sich ätzend durch ihren Kopf fraß, ließ ihn das alles kalt. Was hatte es mit seiner Krankenakte auf sich? Noch bevor sie jedoch den Mut sammeln und selbst nachhaken konnte, hob Itachi die Hand. Es war ein universelles Zeichen zum Stehenbleiben und Sakura drosselte ihr Tempo abrupt. „Wir machen hier Rast“, sagte Itachi, was auch Genma und Shisui dazu veranlasste, langsamer zu werden. Beinahe zeitgleich landete die Gruppe auf dem Boden und Sakura sah stirnrunzelnd in den immer dunkler werdenden Himmel. Sie hatte das Zeitgefühl verloren. Wie lange waren sie bereits unterwegs? Die Abenddämmerung hatte eingesetzt und der Mond stand bereits am Himmel. „Ist das nicht ein wenig zu früh?“, erkundigte sie sich und es war ihr egal, dass sie wie eine Amateurin klang. Wäre sie Naruto, wäre sie erst gar nicht stehengeblieben. Mit diesem Gedanken tröstete sie sich selbst, als sie Itachi fragend ansah. „Nein“, antwortete er simpel und in seinem Wort erkannte Sakura keinen Hohn. „Unser werter Kollege, den wir suchen, ist ein Meister der Tarnung und bevorzugt nachts in Waldgebieten unterwegs“, sprach Shisui im Plauderton und schenkte Sakura ein vielsagendes Grinsen. „Außerdem ist er überaus vorsichtig. Scheinbare Unvorsichtigkeit ist also die beste Methode, um ihn anzulocken!“ Sakura war noch immer verwirrt. „Wir machen also Pause, um uns auf die Lauer zu legen?“ „Bingo!“, applaudierte Shisui, während Genma einige Äste auf den Boden legte. Wann er gegangen war, um Feuerholz zu holen, war Sakura völlig schleierhaft und sie nahm sich fest vor, alle drei besser im Blick zu behalten. Obwohl sie auf derselben Seite standen, fühlte sie sich fürchterlich benachteiligt. „Pass auf die Schatten auf“, sagte Genma trocken, woraufhin sich Shisui empörte. „Hey, mach ihr keine unnötige Angst!“ „Sie wäre nicht hier, wenn sie sich so leicht ins Hemd machen würde“, zischte Genma zurück und entzündete das Lagerfeuer am Wegrand. Mit flauem Gefühl im Magen starrte Sakura ins immer höher züngelnde Feuer. Schatten? Sie ging stark davon aus, dass an Genmas Warnung etwas dran war. Wo Licht war, da waren bekanntlich auch Schatten. Sie versuchten also tatsächlich, den Feind aus seinem Versteck zu locken? Sakura war nicht überzeugt und hatte von den ANBU eine andere Vorgehensweise erwartet. Vielleicht ging es aber genau darum – der Shinobi, den sie suchten, kannte das übliche Verhalten der Einheit, weshalb sie auf unkonventionelle Methoden zurückgreifen mussten. Grübelnd wandte sich Sakura ab, um sich einen geeigneten Ort zum Setzen zu suchen und wäre dabei fast mit Itachi zusammengestoßen. Er stand reglos da und als sie zu ihm aufblickte, erschrak sie. Er hatte seine Maske abgelegt und sein Sharingan aktiviert. Sakura hielt die Luft an, denn sie kam sich vor, als würde sein Blick allein eine Schicht ihrer Seele nach der anderen schälen und Dinge freilegen, die sie lieber verborgen gehalten hätte. Sie kam sich entblößt und klein vor, aber diese Ansicht schien ihr Mundwerk nicht zu teilen. „Belegst du mich gerade mit einem Genjutsu?!“ Shisui prustete hinter ihr los, Genma sagte nichts und Itachis Gesichtszüge wurden weicher. „Nein. Aber für potentielle Passanten siehst du vielleicht ein wenig anders aus als sonst“, erklärte er nachsichtig. „Wehe, du hast mich wieder zum alten Greis gemacht!“, beschwerte sich Shisui, was die Atmosphäre wieder auflockerte. Sakura schluckte schwer und ging an Itachi vorbei, um sich auf einem Stein in der Nähe niederzulassen. Ihr Gesicht fühlte sich warm an, weshalb sie die Maske auszog. Wenn sie von einem Genjutsu geschützt wurden, brauchte sie diese im Moment nicht. Auch Shisui und Genma hatten sich ihrer entledigt und bereiteten das Lager für die Nacht vor. Niemand von ihnen wusste, wie lange sie hier bleiben würden, aber Sakura ging davon aus, dass sie spätestens bei Morgengrauen aufbrechen würden. „Was passiert, wenn er nicht auftaucht?“, fragte Sakura Shisui, der sich auf den Boden gesetzt hatte und sein Bento unter die Lupe nahm. „Dann können wir alle ruhig schlafen“, erwiderte er locker und wünschte allen einen guten Appetit, obwohl sonst niemand aß. Dies beantwortete ihr die Frage nicht wirklich, aber Sakura hakte nicht weiter nach. „Na, was meinst du, Sakura-chan, übernehmen wir die erste Wache?“, schlug Shisui vertraulich grinsend vor, ehe er von seinem Reisbällchen abbiss. Überrumpelt blinzelte sie ihn an. Entschied dies normalerweise nicht der Gruppenanführer? Verstohlen schielte sie zu Itachi hinüber, doch er schenkte ihnen keine Beachtung. „Okay“, sagte sie zögerlich. „Ist das in Ordnung, Itachi?“, fragte Shisui. „Ja“, gab Itachi sein Einverständnis, seinen Blick wachsam auf ihre Umgebung gerichtet. So viel also zum Thema, dass er ihnen keine Aufmerksamkeit schenkte. An den Gerüchten, dass ANBU nicht schliefen, war nichts dran, wie Sakura an Genmas Schnarchen feststellen durfte und sie freute sich darauf, die Seifenblase für einige ihrer Patientinnen platzen zu lassen, doch dann fiel ihr ein, dass sie ihnen nichts von dieser Mission erzählen durfte. Zu schade! Während Genma es sich auf seinem Schlafsack gemütlich gemacht hatte, schlief Itachi im Sitzen. Er hatte sich gegen einen Baum gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Wären seine Augen nicht geschlossen und sein Kopf nicht gesenkt, hätte man nicht erkennen können, dass sein Körper sich ausruhte, denn alles an seiner Haltung verriet Handlungsbereitschaft. Für einen ruhigen Schlaf waren seine Armmuskeln zu angespannt, die Atmung zu kontrolliert. Von ihrem Platz auf dem Stein sah Sakura zwar nicht die dunklen Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht hingen, aber sie könnte darauf wetten, dass auch seine Gesichtsmuskeln sich keine Pause gönnten. Ihr Blick schweifte in Shisuis Richtung, der, entgegen ihrer Annahmen, nicht neben ihr saß und sich mit ihr unterhalten wollte, sondern auf einem dicken Ast kniete und die Lage von oben im Visier behielt. Sein Sharingan funkelte rot in der Dunkelheit, die sich mittlerweile über den Wald gelegt hatte. Er hatte Itachi abgelöst und es erstaunte Sakura ein wenig, wie ernst er seine Aufgabe nahm. Sie zweifelte zwar nicht daran, dass für einen Außenstehenden nun Itachi wie ein Greis aussah, da Shisuis freudiges Grinsen eindeutig gewesen war, als er das Genjutsu um sie herum aufgebaut hatte, aber abgesehen davon zeigte er volle Konzentration. Wieder musterte sie Itachi, dessen Haltung sich nicht verändert hatte. Er musste Shisui blind vertrauen, anderenfalls hätte er vermutlich kein Auge zugetan. Bevor er merkte, dass er angestarrt wurde, spähte sie hinauf in den Himmel, auf dem keine Wolken zu sehen waren. Der rote Schimmer des Mondes erhellte die Nacht, ließ aber ihr unter Baumkronen verbogenes Fleckchen aus. Das Feuer war fast heruntergebrannt und die Glut spendete nicht mehr allzu viel Licht. Die Finsternis machte Sakura müde, ganz besonders, da Shisui in seinem Baum saß und eher an einen Raubvogel erinnerte, der bereit war, sich jeder Zeit auf seine Beute zu stürzen, als an einen potentiellen Gesprächspartner. Sakura wollte aufstehen und sich ein wenig die Beine vertreten, als ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie erstarrte sofort und sah sich um, doch es war weit und breit nichts zu sehen. Shisui hatte sich auch nicht geregt, es musste also ein Tier gewesen sein. Als es jedoch wieder erklang, merkte Sakura, dass es kein Rascheln war, sondern ein… Seufzen. Sofort wandte sie sich Itachi zu, der unruhig wurde. Sein Kopf zuckte nach links, dann wieder nach rechts und seine Schultern spannten sich an. Die Hände, die bisher locker an seinen Ellenbogen gelegen hatten, ballten sich zu Fäusten und seine Atmung war stockend und flach. „Itachi-san?“, murmelte Sakura erschrocken. Was geschah mit ihm? Als er nicht reagierte, schluckte sie schwer und näherte sich ihm. Noch einmal versuchte sie ihn zu wecken, indem sie seinen Namen aussprach, aber auch diesmal hörte er sie nicht. Sakura kniete sich vor ihn, um einen Blick auf sein Gesicht werfen zu können. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn und die Augen hatte er fest zusammengekniffen. „Itachi-san!“, sagte sie, dieses Mal entschlossener und streckte die Hand aus. Sachte berührte sie eine Schulter und diese kleine Geste genügte, um ihn aus dem Schlaf zu holen. Ruckartig öffnete er die Augen und seine Hand packte sie am Handgelenk, noch bevor Sakura sie zurückziehen konnte. Schmerzhaft bohrten sich seine Finger in ihre Haut und sie verzog das Gesicht. „Itachi-san! Ich bin’s, Sakura!“, keuchte sie und konnte nur von Glück reden, dass die stechenden Augen, die ihr das Bluterbe der Uchihas in voller Pracht und aus nächster Nähe präsentierten, nicht bereits in ihren Kopf eingedrungen und ihr auf tausend verschiedene Weisen wehgetan hatten. Reglos starrte Itachi sie an und Sakura wusste nicht, ob er sie erkannte. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er den Griff um ihr Handgelenk lockerte. „Verzeih mir“, murmelte er und schloss für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, waren sie schwarz. Unschlüssig, was sie tun sollte, zog Sakura langsam ihren Arm zurück. „Du hast schlecht geträumt“, sagte sie atemlos. Itachi antwortete nicht, sondern fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Hey, ist alles in Ordnung?“ Sakura zuckte zusammen, als Shisui plötzlich neben ihr stand. Sie hatte von seiner unglaublichen Schnelligkeit gehört, aber es war etwas anderes, so von ihm überrascht zu werden. Itachi nickte. „Ich werde dich ablösen.“ Skeptisch taxierte Shisui seinen Cousin, verstand aber, dass dies ein Befehl war und zuckte mit den Schultern. „Trifft sich sehr gut. Ich bin eh hundemüde! Soll ich Genma wecken?“ Schwach schüttelte Itachi den Kopf und Sakura runzelte die Stirn. Es war offensichtlich, dass Itachi seine Gründe hatte, um den vierten im Bunde schlafen zu lassen. Der Gedanke, dass er allein mit ihr sprechen wollte, machte sie aus irgendeinem Grund nervös. Das lag gewiss an der außergewöhnlichen Situation, in der sie sich vor wenigen Sekunden befunden hatte, aber statt etwas zu sagen, wartete Sakura geduldig, bis Shisui sich ins Gras gelegt hatte. Erst dann erhob sie sich, um zu ihrem Stein zurückzukehren und Itachi ein paar Momente Privatsphäre zu gönnen. Als er nach einigen Minuten näher trat, bemühte er sich nicht, leise zu sein. Sakura ahnte, dass er sie nicht wieder erschrecken wollte und sah auf, als er sich neben sie setzte, dabei einen sicheren Abstand einer Armlänge wahrend. „Es ist bedauerlich, dass ich mich scheinbar ständig bei dir entschuldigen muss“, begann er gefasst und hätte Sakura es nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte sie nie geglaubt, dass jemand wie er sich unruhig im Schlaf wälzen konnte. Da sie keine Ahnung hatte, was sie darauf erwidern sollte, wartete sie einfach ab. „Habe ich dir wehgetan?“, fragte er und sein Blick huschte kurz zu ihrem Unterarm. „Nein, keine Sorge“, sagte Sakura und schüttelte hastig den Kopf. „Ich wusste nur nicht wirklich, was los ist.“ Itachi scannte die Umgebung, nicht einmal im Gespräch mit Sakura vergessend, dass sie sich auf einer Mission befanden. Das Genjutsu umgab sie immer noch, aber seine Augen wirkten nicht mehr so bedrohlich wie zuvor. „Ein Alptraum“, gestand er und Sakura hörte das Zögern in seiner Stimme. War das sein verletzter Stolz? Uchihas haben keine Alpträume, hörte sie eine leise Stimme in ihrem Kopf sagen, doch diese hörte sich verdächtig nach Sasuke an – und nicht nach Itachi. „Möchtest du darüber reden?“ Die Worte hatten ihren Mund verlassen, noch bevor sie vernünftig darüber nachdenken konnte. Sie bot einem abgehärteten Shinobi an, Hobbyseelenklempner für ihn zu spielen, wunderbar. „Du musst natürlich nicht!“, fügte sie sofort hinzu und machte die Situation damit wohl noch schlimmer, denn Itachi musterte sie stirnrunzelnd. Nun hielt er sie endgültig für verrückt und würde… „Ich habe vom Mond geträumt.“ … ihr Angebot tatsächlich annehmen? Falls Itachi den überraschten Ausdruck auf Sakuras Gesicht sah, ignorierte er ihn geflissentlich. „Vom Mond?“, hakte sie nach, als er wieder ins Schweigen verfiel. Itachi blickte in den Himmel und Sakura tat es ihm instinktiv gleich. Der Mond hatte sich kein bisschen verändert, seit sie ihn das letzte Mal begutachtet hatte. „Und von einer Treppe, die hinauf in den Himmel führt“, fuhr Itachi fort. „Das hat dir im Traum so große Angst eingejagt?“, hinterfragte Sakura, da sie nicht wusste, was am Mond und an einer Treppe so erschreckend war. „Nein, es war eher der Rest der Welt“, erwiderte er und verengte die Augen. Es beunruhigte Sakura, mit wie viel Abneigung Itachi hinauf starrte, als wäre es ein Duell des leuchtenden Rots – Mond gegen Sharingan. „Was war mit dem Rest der Welt?“ Langsam kam sie sich dumm vor, ständig nachhaken zu müssen, aber es war wohl ein Wunder, dass er seinen Traum überhaupt mit ihr teilte, so bruchstückhaft es auch war. „Sie war anders als diese“, presste er hervor. Eine solch unpräzise Aussage aus seinem Mund war für Sakura eine Prämiere und machte sie stutzig. Er hatte seine Emotionen weniger unter Kontrolle als sonst und sie fühlte sich an den Moment zurückerinnert, an dem er mit dem blutenden Sasuke vor ihrer Haustür aufgetaucht war. Dieser Traum war ihm wirklich nahegegangen, so unverständlich er für Sakura auch war. „Sie hat sich diesmal echter angefühlt. Echter als diese.“ Die Art, wie Itachi diese Worte aussprach, verunsicherte sie. Die Furcht, die er im Schlaf verspürt haben musste, vibrierte zusammen mit seiner Stimme in ihrem Ohr und Sakuras Nackenhaare stellten sich auf. „Das haben Träume manchmal an sich“, murmelte sie beschwichtigend, aber Itachi schien zu sehr in Gedanken versunken, um ihre Aufmunterungsversuche wahrzunehmen. „Du solltest dich ausruhen.“ Es dauerte einen Augenblick, bis Sakura verstand, dass er das Thema abrupt beendet hatte. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Itachis leerer Blick hielt sie davon ab. Es frustrierte sie, dass sie ihm kein vernünftiger Gesprächspartner sein konnte, aber was hatte sie sich auch erhofft? Ihm auf magische Weise all seine Last zu nehmen? Es war nur ein Traum gewesen und das wusste Itachi. Es brachte nichts, länger daran festzuhalten. Als er sah, dass Sakura zögerte, erhob er sich. „Ich werde Genma wecken, keine Sorge.“ „Ich mache mir keine Sorgen“, protestierte Sakura sofort und wurde abermals Zeuge dessen, wie Itachis Züge sich sichtbar entspannten. Im Vergleich zu den letzten Minuten wirkte sein Gesicht sogar überaus freundlich und offen. Zudem zuckte sein Mundwinkel verräterisch, was ein klares Indiz dafür war, dass er seine eigenen Gedanken zu ihrer Aussage hatte, diese aber nicht mit ihr teilte. „Schlaf gut, Sakura.“ Während Itachi Genma wecken ging, legte sich Sakura ins Gras und zog die angewinkelten Beine dicht an ihren Körper. Sie drehte der Feuerglut den Rücken zu und schloss die Augen, auch wenn sie überhaupt nicht müde war. Ihr Kopf fühlte sich schwer an und das ungute Gefühl kauerte weiterhin in ihrer Brust, erschwerte ihr das Einschlafen. Zwei Dinge ließen ihr keine Ruhe: Die Tatsache, dass sie ihre Chance verpasst hatte, Itachi unter vier Augen zu fragen, was es mit seiner Krankenakte auf sich hatte und der genaue Wortlaut seiner Angst. „Sie hat sich diesmal echter angefühlt. Echter als diese.“ Diesmal. Itachi hatte nicht zum ersten Mal davon geträumt. Kapitel 11: diskret. -------------------- „Aufwachen, Schlafmütze!“ Widerwillig schlug Sakura die Augen auf, da sie sich aus mehreren Gründen nicht wirklich erholt fühlte. Sie lag auf einer Wurzel, die sich unangenehm in ihre Seite bohrte. Zudem hatte sie wirre Dinge geträumt und es war wirklich noch früh, da die Sonne gerade erst aufging. Shisui hatte sich über sie gebeugt und grinste sie an. Schnell merkte Sakura, dass alle anderen ebenfalls schon auf den Beinen waren. Genma war dabei, den Rest ihrer Sachen zusammenzupacken, während Itachi einfach nur zu warten schien. Sakura war sich sicher, dass er kein Auge mehr zugetan hatte und das nicht nur, weil er zusammen mit Genma Wache gehalten hatte. Wenn er müde war, dann ließ er es sich kein bisschen anmerken. Ehe Sakura wahrnahm, dass sein wachsamer Blick auf ihr lag und sie sich gegenseitig anstarrten, war es bereits zu spät. Ertappt drehte sie den Kopf zur Seite und rappelte sich auf. Sie sammelte ihr Hab und Gut in beachtlich schnellem Tempo auf und versteckte ihr Gesicht hinter ihrer Tiermaske. „Der Plan ist also nicht wirklich aufgegangen, was?“, sprach sie Shisui an, der mit den Schultern zuckte. „Wir hatten einfach kein Glück. Das heißt nur, dass wir offensiver vorgehen müssen.“ Seine Augen funkelten abenteuerlustig, ehe auch er seine Maske aufsetzte. „Itachi?“, wandte er sich an seinen Cousin und machte sich nicht die Mühe, seine Frage auszuformulieren. Itachi schien ihn ohnehin zu verstehen. „Wir werden uns im nahegelegenen Dorf umhören“, antwortete er ruhig. „Oh, sehr gut! Ich hätte wirklich Lust auf ein vernünftiges Frühstück“, verkündete Shisui erfreut. Genma schnaufte, doch er mischte sich nicht in das Gespräch ein. Sakura hingegen konnte nicht leugnen, dass sie ebenfalls gerne ihren Hunger stillen würde und eine anständige Mahlzeit verlockend klang. Sie war froh, als sie wenige Minuten später aufbrachen. Es dauerte eine knappe Stunde, bis sie das Dorf, von dem Itachi gesprochen hatte, erreichten. Sakura knurrte bereits der Magen, doch wenn es jemand hörte, waren alle nett genug, sie nicht darauf anzusprechen. Unbemerkt schlichen sie durch Seitenstraßen und über Dächer. Ein Dorf bot in vielerlei Hinsicht sogar mehr Versteckmöglichkeiten als ein Wald, weshalb die Gruppe einerseits vorsichtiger war, andererseits aber auch zügiger vorankam. Sakura behielt, ähnlich wie die anderen, die Umgebung genauestens im Visier. Es war früh, weshalb sich hauptsächlich Händler und Bauern auf den Hauptstraßen herumtrieben. An mehreren Gebäuden, an denen sie vorbeikamen, roch es nach frisch gebackenem Brot oder Obst, und Shisui stieß das sehnsüchtige Seufzen aus, das Sakura sich nur dachte. In einer besonders modrigen Gasse, in der nur Abfall herumlag, machten sie Halt. Sakura verzog das Gesicht, als ihr der unangenehme Gestank in die Nase stieg und war froh, dass sie ihre Maske trug. Leider schützte diese nicht vor unerwünschten Gerüchen. Sie war zwar sicher auf dem Boden gelandet, aber ihr Fuß stand auf etwas Weichem und sie hoffte, dass es nur eine Bananenschale war – sie traute sich nämlich nicht, den Blick zu senken und nachzusehen. „Ich hätte etwas mehr Einfühlvermögen von dir erwartet, Itachi. Hättest du dir nicht einen etwas angenehmeren Ort aussuchen können?“, kommentierte Shisui frei heraus und machte ein Würgegeräusch. „Es ist eine Dame unter uns!“ „Und doch bist du die einzige Person, die sich beschwert“, gab Genma zu bedenken. „Sakura“, wandte sich Itachi an sie, als hätte er die anderen beiden erst gar nicht gehört. Er zog das Foto des gesuchten Nukenin hervor und hielt es ihr abermals vor die Nase. „Wenn wir den letzten Informationen, die wir von anderen Einheiten erhalten haben, trauen können, dann wurde der gesuchte Shinobi zum letzten Mal hier und in den nahegelegenen Wäldern gesehen. Präge dir so viele Details ein, wie du kannst.“ Sakura starrte das Bild an und tat, wie ihr geheißen. Sie versuchte sich das schmale Gesicht, die dunklen Haare, die langen Augenbrauen und die großen Ohren zu merken. „Jedes könnte wichtig sein“, sagte Itachi mit Nachdruck. „Er wird sicher nicht ohne Verkleidung unterwegs sein“, ergänzte Sakura und nickte verstehend. Dann stockte sie. „Moment! Ich soll nach ihm suchen?“ „Ja“, bestätigte Itachi. „Von uns allen kennt er dich am wenigsten, wenn überhaupt.“ Das leuchtete Sakura ein, aber ihr war trotzdem unwohl dabei, eine so große Verantwortung zu übernehmen. „Keine Sorge. Wir werden dich im Auge behalten.“ Obwohl Itachi ihr Gesicht nicht sah, schien er die Unsicherheit an ihrer Körperhaltung ablesen zu können. „Geh so diskret wie möglich vor. Er ist äußerst vorsichtig und wird nicht auf billige Tricks reinfallen.“ „Wirfst du Sakura-chan billige Tricks vor, Itachi?“, stichelte Shisui, um die Stimmung zu lockern, doch seine Worte sorgten nur dafür, dass Sakura peinlich berührt den Kopf abwandte und Itachi ins Schweigen verfiel. „Nein“, antwortete er schließlich vollkommen ernst. „Ich bin mir sicher, dass sie ihre Aufgabe meistern wird.“ Verstohlen blickte Sakura in Itachis Richtung und fragte sich, wie sein Gesicht in diesem Moment aussah. War es ausdruckslos wie immer? Oder zeichnete sich der Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen ab? Schimmerte die Sanftheit, die sie bereits in seinem Blick gesehen hatte, in seinen Augen? „Bist du bereit?“, holte er sie aus ihren Gedanken und Sakura zuckte ertappt zusammen. „Ich denke schon. Was soll ich tun, wenn ich ihn finde?“ Die Chancen, dass dies überhaupt eintraf, hielt sie für gering, aber selbstverständlich würde sie sich dieser Aufgabe stellen. „Nichts. Du erstattest so schnell wie möglich Bericht. Du sprichst ihn nicht an und verfolgst ihn nicht. Du beobachtest nur“, sprach Itachi ruhig, als hätte es lange Zeit gebraucht, um sich die genaue Vorgehensweise durch den Kopf gehen zu lassen. Sakura runzelte die Stirn. „Das ist alles?“ „Alles“, bestätigte er. „Versuch dir nicht anmerken zu lassen, dass du eine Kunoichi bist. Du wirst ein paar deiner Waffen dalassen müssen. Einer der Gründe, weshalb ich nicht möchte, dass du die Verfolgung aufnimmst.“ Sakura zögerte, zog sich aber schließlich die Tiermaske vom Gesicht und reichte sie Itachi. Sie fühlte sich unwohl dabei, ihm auch ihre Hüfttasche zu übergeben, in der sie nicht nur ihre Kunai verstaute, sondern auch kostbare Gegengifte und Verbände. Ein Kunai versteckte sie geschickt unter ihrer Kleidung, die nach kurzer Modifikation nicht mehr ganz so wie die einer Kunoichi aussah. Als letztes übergab Sakura ihr Stirnband. „Wir passen auf dich auf, Sakura-chan!“, versprach Shisui und klopfte ihr auf die Schulter. „Komm hierher zurück, wenn du irgendetwas herausfindest“, wies Itachi sie abschließend an, „oder wenn du merkst, dass du in Gefahr bist.“ Sakura nickte und wandte sich ab. „Sakura-chan!“, rief Shisui mit gedämpfter Stimme noch einmal nach ihr. Fragend warf sie einen Blick zurück. „Bring etwas Leckeres zum Frühstück mit, ja?“ Unwillkürlich breitete sich ein erheitertes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Zustimmend ballte sie die Hand zur Faust und zeigte mit dem Daumen nach oben. Sie hüpfte über ein paar der Müllsäcke, um den Ausgang der Gasse zu erreichen. Als sie sich dann noch einmal zu den drei Shinobi umdrehte, waren sie bereits verschwunden. Sakura nahm die Mission, die man ihr erteilt hatte, ernst. Sie blieb wachsam, hatte stets ihre gesamte Umgebung im Blick und beeilte sich nicht, um nicht den Eindruck zu erwecken, als wäre sie auf der Suche. Zumindest funktionierte das die erste Stunde über. Danach wurde der willkürliche Spaziergang durch das fremde und nicht allzu große Dorf… langweilig. Sie hatte die Hauptstraße mindestens dreimal abgeklappert, hier und da versucht, mit ein paar Dorfbewohnern zu sprechen und hatte sogar einer älteren Dame dabei geholfen, ihre Einkäufe zu tragen, weil sie sonst nichts zu tun hatte. Leider erhielt Sakura von keiner Person, die sie in ein lockeres Gespräch verwickelte, die gewünschten Antworten. Da man sie angewiesen hatte, so diskret wie möglich vorzugehen, konnte sie niemanden direkt fragen, ob sich in letzter Zeit zwielichtige Gestalten hier herumgetrieben hatten. Außerdem ging sie immer noch davon aus, dass der Nukenin in Verkleidung unterwegs war – sie wollte ihn nicht versehentlich ansprechen und sich verraten. Nach einer weiteren halben Stunde beschloss sie, die Befragungen aufzugeben und endlich das versprochene Frühstück zu holen. Sie suchte sich eins der zwei Lokale aus, die auch warmes Essen anboten und machte eine Pause. Itachi hatte mit keinem Wort erwähnt, dass sie sich nur draußen umsehen sollte. Als Sakura das Restaurant betrat, zählte sie sofort nach: Es waren fünf Gäste hier. Ein Ehepaar mit Kind, eine junge Frau, die nur ein heißes Getränk auf dem Tisch vor sich stehen hatte und ein Mann mit langem Bart, der eine Miso-Suppe in einer Ecke verspeiste, ohne den Blick von seiner Schüssel zu nehmen. Es herrschte eine angenehme Stille – abgesehen von dem gelegentlichen Quengeln des kleinen Mädchens, das ihre Eltern zum Gehen animieren wollte – und Sakura setzte sich leise seufzend an einen der Tische. Sie vergrub ihre Nase in der Menükarte und hatte recht schnell etwas für sich gefunden. Die Frage war aber, was sie Shisui mitbringen sollte. Sie wusste nicht wirklich, was er mochte. Der einzige Uchiha, dessen kulinarische Vorlieben sie einigermaßen einschätzen konnte, war Sasuke. In diesem Fall musste sie sich einfach auf ihre Intuition verlassen. Sakura bestellte Fisch, Tofu, Eier, eingelegtes Gemüse und Reis – mit der einfachsten Option konnte sie wenig falsch machen. Während sie auf ihre Bestellung wartete, beobachtete sie die Menschen im Lokal. Etwas anderes konnte sie ohnehin nicht tun und so würde sie sich später nicht vorwerfen können, sich auf die faule Haut gelegt zu haben. Das Ehepaar stritt im Flüsterton. Dies erkannte Sakura an den roten Gesichtern und den wütenden Blicken, die sie sich zuwarfen. Das vielleicht fünfjährige Mädchen würde jeden Augenblick in Tränen ausbrechen, denn egal wie oft es am Rockzipfel seiner Mutter zog – es wurde nicht beachtet. Die junge Frau hatte ihren Tee ausgetrunken und tupfte sich den Mund ab. Sakura vermutete, dass sie jeden Augenblick gehen würde. Da sie es als unhöflich empfand, die Familie bei ihrer Krisenbewältigung zu beobachten, richtete Sakura ihren Blick auf den Mann, der sich noch immer seinem Essen widmete, ohne seine Umgebung wahrzunehmen. Sakura sah dabei zu, wie er sich Nudeln in den Mund schaufelte und fühlte sich unwillkürlich an Naruto erinnert. Ihr Magen zog sich leicht zusammen und dies lag nicht am Hunger, den sie verspürte. Naruto hatte keine Ahnung, wo sie sich gerade befand und welchen Entschluss sie gefasst hatte. Sie hatte noch nie so etwas Wichtiges vor ihm verschweigen müssen – nicht einmal ihre Gefühle für Sasuke waren ein so großes Geheimnis gewesen. Sie merkte nicht, wie offensichtlich sie den Mann anstarrte. Und dann geschahen mehrere Dinge auf einmal. Das Mädchen begann zu weinen, was den Mann endlich dazu brachte, irritiert den Kopf zu heben. Sakura schaffte es nicht rechtzeitig, wegzusehen und so begegneten sich ihre Blicke. Er starrte sie an und sie starrte zurück. Bevor sie die Scham auch nur ansatzweise zulassen konnte, drängte sich ein anderes Gefühl in den Vordergrund. Sakura konnte es nicht wirklich beschreiben, aber es war eine Mischung aus Instinkt und Vorahnung. In ihrem Kopf rief sie sich das Aussehen des Nukenins in Erinnerung und legte das Bild gedanklich wie ein Raster auf die Gesichtszüge, die sie vor sich hatte. Die Unterschiede in Augenfarbe und Gesichtsbehaarung waren enorm, aber die Gesichtsform war dieselbe, keine Frage. Sakuras Herzschlag legte sofort einen Zahn zu und nervös zwang sie sich, den Kopf zu senken und die Tischplatte anzustarren. Er war es. Er musste es sein. Was nun? Hatte er sie bemerkt? Natürlich hatte er sie bemerkt, aber wusste er auch, wer sie war und dass sie ihn erkannt hatte? Unter dem Tisch ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Sie hätte achtsamer sein müssen! Sie hatte sich zu sehr ihren eigenen Gedanken hingegeben, obwohl die gesuchte Person die ganze Zeit vor ihrer Nase gesessen hatte. Sakura presste die Lippen aufeinander und konnte nur hoffen, dass sie es nicht vermasselt hatte. Sie schluckte schwer und sah wieder auf – so beiläufig wie möglich, aber als sich ihre Blicke erneut trafen, wusste sie, dass keine Schauspielkunst dieser Welt ihr nun helfen konnte. Eine stumme Erkenntnis zeichnete sich auf dem bärtigen Gesicht ab. Seine Augen funkelten alarmiert und er stand ruckartig auf. Schon in der nächsten Sekunde war Sakura ebenfalls auf den Beinen. Damit verriet sie sich endgültig, aber er schien sie ohnehin längst durchschaut zu haben. Etwas Scharfes surrte durch die Luft. Sakura duckte sich im letzten Moment und japste erschrocken. Als sie einen flüchtigen Blick zurück warf, steckte sein Frühstücksmesser in der Wand hinter ihr. Hastig richtete sie sich wieder auf, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie er über einen Tisch sprang und nach draußen flüchtete. „Oi! Sie haben nicht bezahlt!“, rief einer der Köche empört, während Sakura leise fluchte. Es war ihre Schuld, dass man ihr Vorhaben entlarvt hatte. Es war ihre Schuld, dass der gesuchte Nukenin gerade entkam. Sie hatte eine einzige, leichte Aufgabe gehabt und war nicht in der Lage gewesen, diese gewissenhaft zu erfüllen. Wütend auf sich selbst, zog sie mit zitternder Hand das versteckte Kunai unter ihrer Kleidung hervor. Der Wunsch, ihren Fehler wiedergutzumachen, war in diesem Moment beinahe übermächtig. Fieberhaft wog Sakura ihre Optionen ab. Der Nukenin hatte ein Messer nach ihr geworfen – es war also nicht auszuschließen, dass er unbewaffnet war. Wenn sie ihn nun aus den Augen verlor, würde sie ihn nicht wiederfinden. Was sollte sie tun? Nichts. Du erstattest so schnell wie möglich Bericht, hallte Itachis Stimme schwach in ihrem Kopf wider, ehe Sakura zähneknirschend den Kopf schüttelte. Sie setzte sich in Bewegung und nahm die Verfolgung auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)