Feuerspiel von Maclilly ([Ace x Marco]) ================================================================================ Kapitel 1: Akt I – Feuerfaust ----------------------------- ~*~ Well somebody told me That I would be a dreamer for life Somebody told me I would never reach the other side Well you say I'm old news, but cross your fingers I’m yours to lose. What if I told you things will never improve ~*~ Lauernd stehen sie einander gegenüber. Der Junge hebt die Hände, doch sein Lachen bleibt provokativ. Ein perfekter Halbmond aus weißen Zähnen fluoresziert eingebrannt in der Dunkelheit. »Du willst mich aufhalten?« »Ja.« … »Du willst mich schnappen?« »Ja.« … »Würdest du mich auch töten?« … Ein Zögern. Schließlich: »Nein, ich töte keine dummen Jungen.« … »Gut.« Der Junge tritt vor. Ihre Blicke begegnen sich, treffen einander. Sie sind auf Augenhöhe. Keiner zuckt zurück. Dann beugt sich der Junge nach vorn. »Fang mich, falls du das noch kannst, alter Mann«, flüstert er provokant, haucht ihm einen Kuss auf die Wange und ist im folgenden Atemzug verschwunden. Zurück bleibt nur das eingebrannte, strahlende Lächeln auf der Netzhaut wie das letzte Zucken eines Blitzlichtes, bevor es in der Nacht verglüht. Und das Gefühl eines heißen Sommerwindes, der soeben noch seine Haut berührt hatte. ~*~ Der Regen schlug melodisch gegen die einfach verglasten Fensterscheiben eines georgianischen Backsteinhauses und zauberte eine trügerisch beschauliche Symphonie in die rabenschwarze und bitterkalte Nacht. Droben am Himmel ergossen sich gespenstische Lawinen schwarzer Wolkenformationen und rollten mit der Unbarmherzigkeit eines zornigen Wetterteufels über den klaren Himmel hinweg, sodass die Sterne, welche sich unvorsichtigerweise auf ihr blaues Gemach gewagt hatten, nun zwischen Schutt und Geröll der Gewitterwolken verschwanden und sich deren Gewalten beugten. Trostlos aneinandergereiht wie müde, gebrochene Soldaten nach ihrer letzten Schlacht fristeten die gebeugten Mietskasernen entlang einer schummerig beleuchteten Straße ihr klägliches Dasein, ächzten und stöhnten unter der Last der Menschen, welche in ihnen hausten, und vom Mörtel befreite Backsteine klapperten im pfeifenden Wind wie faulige Backenzähne. Mit der permanenten Gefahr im Rücken, von einem jener morschen Ziegelsteine erschlagen zu werden, welche über seinem Kopf bedrohlich wackelten, stand Marco hinter dem schützenden Wall eines Müllcontainers, auf welchem der Regen in einem Trommelwirbel niederging. Er murmelte einen stummen Fluch in die Nacht, als ihm trotz wohlweißlich ausgesuchter Position der Regen ins Gesicht peitschte und kalte Tropfen seinen Nacken hinabrollten. Eifrig schlug er den Kragen seiner Windjacke hoch und zog sich weiter in die kahle Nische zurück, die sich zwischen feuerroter Backsteinmauer und Abfallcontainer auftat, ohne dabei den Blick von seinem Ziel zu senken. Im obersten Stockwerk eines dieser eintönigen Backsteingebäude dominierte eine durchdringende Dunkelheit die Reihen. Leere Fenster blickten gleich toten Augäpfeln hinaus ins Nichts, während der Regen unbarmherzig gegen ihre Scheiben prasselte und schlierende Wasserfälle sich tosend über die Simse stürzten. »Sieht ziemlich verlassen aus, meinst du nicht?« Thatch‘ Stimme wurde von einem konstanten Rauschen der Funkfrequenz überlagert. Gewissenhaft justierte Marco den Funkempfänger in seinem Ohr neu, um etwaige Störgeräusche zu minimieren. »Er ist da.« Ein flüchtiges Lächeln spannte sich um Marcos Lippen und verweilte dort für einen winzigen, kostbaren Augenblick vollster Genugtuung. »Also keine Diskussion über eine Verlegung des Einsatzes. Schon gar nicht wegen deiner Haare!« »Du bist so herzlos, Marco! Weißt du, was dieses Wetter mit meiner Frisur anrichtet? Es wird mich Stunden, hörst du, Stunden kosten, das wieder hinzubekommen«, klagte Thatch theatralisch, wischte sich jene nassen Strähnen seines Haares aus dem Gesicht, die auf seinen Wangen klebten, wobei sich sein letztes Stöhnen und Keuchen im Krachen eines majestätischen Blitzes verlor, welcher sich mit imposanter Kraft auf die schwarzen Antennen der Dächer stürzte und die Nacht in die gleißende Helligkeit eines Weltuntergangs tauchte. Ein Farbrausch greller, kalter Weißtöne verwandelte die Welt und ihre Bestandteile in eine schmutzige, überbelichtete Fotografie aus konturlosen Schemen, bevor mit dem nächsten Herzschlag und dem Grollen des Donners hoch über ihren Köpfen die Helligkeit sich wieder verkroch. Die Dunkelheit kehrte zurück. Doch auf Marcos Netzhaut blieb der stumme Nachhall des Farbspektakels bestehen. Grelle Flecken sprenkelten seine Sicht und oben auf den stockfinsteren Fenstern zeichneten sich gespenstisch grauenhafte Grimassen ab. Vor seinen Augen begann ein schier aberwitziger Freudentanz aus Gesichtern, unter welche sich auch heimlich jene frechen Gesichtszüge stahlen, die ihm seit Wochen schon seines Schlafes beraubten. Kecke Sommersprossen flirrten wie jugendlich wagemutige Sternenkonstellationen durch sein Sichtfeld und jenes auf schwarzer Leinwand gefasste Abbild eines lächelnden Halbmondes kehrte aus den Untiefen seiner Erinnerungen zurück. »Fang mich, falls du das noch kannst, alter Mann.« In seinen Ohren spöttelte die neckische Stimme des Jungen wie der freche Singsang eines Kinderliedes und lockte die Erinnerungen an jene Nacht aus ihren staubigen Verliesen. Irrlichtergleich spukten die Bilder durch seinen Kopf und berauschten seine Sinne. Er dachte zurück an das Adrenalin, welches ihn damals förmlich in einen Rausch getrieben hatte, konnte es regelrecht in seinen Adern spüren, wie es seinen Herzschlag mit aller Kraft beschleunigte. Bilder zuckten durch seinen Verstand, liefen daran vorüber wie ein alter Super-Acht-Film, bis sich schließlich seine Sinneseindrücke der Erinnerung ergaben. Plötzlich schien der Regen nicht mehr zu existieren, obwohl er ihm doch noch stets ins Gesicht klatschte. Die alten Kasernengebäude reckten sich zwar weiterhin trostlos in den gewitterwolkenschwarzen Himmel, trotzdem blieb dessen Charme hinter einem Meer aus Flammen stecken, das sich plötzlich um an die ziegelroten Klinker legte und sie mit Ruß bemalte. Misstrauisch ließ Marco seinen Blick über die lodernde Brunst schweifen, streckte sogar interessiert eine Hand nach dem Flammen aus. Ihr Anblick faszinierte ihn, so ungern er es auch zugab. Aber ihre Schönheit war für ihn ein Ausdruck von Perfektion. Ein Sinnbild absoluter Vollkommenheit, die er schon so lange nicht mehr erlebt hatte. Und das nicht ohne Grund. Rasch zog er seine Hand wieder zurück. Hinter ihm lachte jemand amüsiert auf. »Ein Brandermittler, der Angst vorm Feuer hat? So etwas gibt’s?« »Nein, gibt es nicht«, antwortete Marco kühl und drehte sich um, besonnen darauf, seinen Gemütszustand nüchtern und reserviert zu halten, weil weder Hektik noch Aufregung ihm hierbei von Nutzen sein konnten. Unglaublich bedächtig bewegte sich die Gestalt des Jungen auf ihn zu. Seine schwarzen Stiefel, auf deren polierten Kappen sich der Feuerschein schimmernd widerspiegelte, schienen im zähen Teer der Straße zu versinken. Schließlich blieb er stehen. »Findest du diesen Anblick nicht auch herrlich?«, fragte er und streckte die Arme weit von seinem Körper, um auf die zahlreichen Flammengeschwülste zu verweisen. Wie dressierte Schlangen legten sie sich um seine Gliedmaßen ohne seine Haut zu berühren. »Nein, nicht einmal annähernd«, gab Marco zurück, unwirsch, obwohl er wusste, dass tief in ihm ein mystisches Wesen seine uralten Schwingen in seinem Torso ausbreitete; ihm leise ins Ohr säuselte, wie anmutig die Flammen sich an morschen Balken labten und wie sehr er diesen Anblick einst geliebt hatte. Doch Marco ließ das Wesen in ihn den eisernen Ketten schmoren. Seit zwanzig Jahren eingesperrt in einem goldenen Käfig, dessen Streben bisher jeder Flamme gestrotzt hatten. »Es sind jetzt 99«, verkündete die Feuerfaust und seine Brust hob sich vor selbstgefälligem Stolz, was Marco mit einem nüchternen, dennoch verärgerten Nicken zur Kenntnis nahm. Natürlich war er sich dieses Umstandes bewusst, obwohl es ihm gleichermaßen so unfassbar erschien. 99 Brandstiftungen in 99 Tagen … und das ausschließlich in ihrem Zuständigkeitsbereich, im Bezirk des Reviers, wo Edward Newgate das Zepter in fester Hand hielt. Der Bursche hat auf jeden Fall Nerven aus feuerfestem Stahl, überlegte Marco ruhig und hätte ob dieser Feststellung beinahe geschmunzelt. Als der Junge sich schließlich wieder in Bewegung setzte, wurden seine Schritte vom Knistern des gehorsamen Feuers übertönt. Zügig durchmaß er den von gelblichen und orangeroten Flammen eingefassten Schauplatz, bis bloß noch eine Handbreit zwischen ihnen lag. Marco konnte das lebhafte Flackern des Feuers in seinen Augen erkennen und spürte, wie sich im selben Atemzug die Bestie in seiner Brust regte. Ihr Lebensgeist erwachte. Sie krähte fordernd nach ihrer Freiheit, spreizte ihre imposanten Flügel, um sie bewusst durch die Lücken des verschlossenen Käfigs zu strecken. Marco verzog das Gesicht, nicht unbedingt vor Schmerz, doch vor Angst, dass die eigentlich bereits erloschene Glut wieder entfachte. Niemals durfte sie ihre Fesseln sprengen. Nicht noch einmal. »Na komm schon, worauf wartest du?«, bohrte die Feuerfaust zwischenzeitlich dreister nach. »Ich dachte, du wolltest mich schnappen? Dann fang mich doch endlich!« Lüstern beugte sich der Bengel vor. Sein Lächeln blieb eine aberwitzige Provokation, die zwischen ihnen stand. Ein letztes Mal schrie der majestätische Vogel in Marcos Brust auf und verursachte einen fröstelnden Schauer, der Marco bis ins tiefste Knochenmark erschütterte. Der Ruf des eingesperrten Phönix rollte aufgeregt über die Flammen hinweg. ~*~ »Sag mal, hast du etwa Gänsehaut? Dein Nacken sieht so komisch aus!« Thatch lautes Lachen, welches schrill über Funk direkt in sein Ohr schallte, ließ die Scheinrealität um Marco herum zerplatzen wie eine zu tollkühne Seifenblase im Sturm. Die Geisterflammen lösten sich auf, die Gestalt des Jungen verlor sich im Regen. Blinzelnd befreite er sich von den letzten Fetzen des Tagtraumes, kniff die Augen zusammen und spähte hoch zu einem der Dächer, wo er Thatch positioniert hatte. Inzwischen wob der konstante Regen nahezu endlose Wasserfäden, sodass er lediglich die schematischen Konturen zu erkennen vermochte, welche sich mitsamt eines Nachtsichtfernglases auf ihn gerichtet hatten. Genervt fuhr er sich mit der flachen Hand übers Gesicht. Na wunderbar …! Mit einem Schnauben, das sich irgendwo zwischen Frust und Wut bewegte, griff er entschlossen nach dem Sender seines Headsets, verstellte den Regler der Funkverbindung und fauchte: »Du sollst nicht mich beobachten, sondern dieses verdammte Fenster!« »Ach was, da passiert doch sowieso nichts«, beharrte Thatch locker, schnappte kurz Luft, um schließlich wieder laut loszuprusten. »Und ich meine, verstehst du nicht die Ironie dahinter? Ein Phönix mit Gänsehaut! Das ist doch zum Schießen!« Marco schloss die Augen, als eine Welle stummer Flüche durch seinen Geist zuckte. Warum musste Thatch ausgerechnet diesen heiklen Punkt ansprechen …? »Der Phönix ist tot«, erklärte er schließlich in einem sachlichen Tonfall, doch seine Gedanken ergänzten heimlich: Und bleibt es hoffentlich für immer. Um sich vom Umstand dieser Erkenntnis abzulenken, schlug er unruhig den Ärmel seiner Regenjacke zurück und prüfte gewissenhaft die Uhrzeit, wobei die Digitalanzeige seiner Smart-Watch die umliegenden Wände in ein grässlich bläuliches Licht tauchte. Kurz vor drei Uhr morgens. Über sein Headset gab er das Kommando zum Zugriff. Es war an der Zeit, sich Portgas D. Ace zu schnappen. ~*~ And if I lived a lie Would someone meet me on the other side So I can burn up bright, So I can burn, so I can burn. ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)