Von goldenen Blumen, Königen und unnützen Früchten von _Supernaturalist_ ================================================================================ Kapitel 9: Unter der Stadt -------------------------- 9. Unter der Stadt Fest griff er ihre Hand. Bevor er diese losließ – so schwor sich Sanji – würde er dort unten sterben. Doch er hoffe, dass es nicht dazu kommen sollte. So hoch hatte sein Vater gelobt, wie reich Spiral Down Island nun war. Keiner hungerte. Niemand war arm. Natürlich hatte er ihm geglaubt. Warum sollte er das auch nicht? Er war schließlich sein Vater und all seine Worte klangen so wunderbar und plausibel in seinen Ohren. Doch dann hatte er diese vermaledeite Tür gesehen. Der Eingang in eine unheimliche, fast verbotene Welt. Eine ehemals kriminelle Welt. Dunkel war diese und Sanji wünschte, sie wäre verlassen und vergessen. Eigentlich wollte er nicht, dass Nami mit ihm kam. Wenn noch alles so geblieben war, wie es einst vor vielen Jahren war, wie es noch war, als er diese Insel verließ, war dies ein Ort, an den eine Frau, wie Nami, nicht gehörte. Denn er wusste nicht, was passieren würde. Doch, wenn sie mit ihm kam, vielleicht würde sie dann verstehen. Verstehen, dass es hier viele Geheimnisse gab. Und viele davon brauchte sie nicht kennen. Wenige davon verstand sie vielleicht. Einige, so musste Sanji zugeben, begriff nicht einmal er selbst. Als sie durch die Tür traten und immer tiefer stiegen, roch es immer muffiger. Immer bedrückender. Nach Verrotten, Schimmel und Verderben. Hier in der Luft lag eine unangenehme Nässe, sie war ganz klamm, den Atmen schwer machend. Es war dunkel und seine Augen brauchten trotz der Öllampen lange, bis sie sich an das nicht vorhandene Licht gewöhnten. Dann gab die Erde unter ihnen einen Ruck nach und Nami fiel gegen seinen Rücken. Er blieb standhaft. „Was war das?“, erkundigte sie sich und er konnte deutlich die Ungewissheit in ihrer Stimme hören. Ihr Griff wurde daraufhin gleich fester und ihre Hand hatte all ihre Wärme verloren. „Die Maschine.“, antwortete Sanji ruhig und sah zu ihr hinauf. Wage konnte er die Umrisse ihres Gesichtes ausmachen. Trotzdem konnte er die Sorge in ihr sofort lesen. „Noch können wir wieder zurück.“ Er konnte die junge Frau schlucken hören und Sanji verspürte das Bedürfnis sie fest in seine Arme zu schließen. Ob sie es auch erlaubte, war eine ganz andere Sache. „Nein. Ich komme mit.“ Sie klang bestimmt und so nickte er nur und lief die Treppe weiter hinab. Als sie unten ankamen, hörte er Namis atemlose Stimme hauchen: „Ist das eine Stadt?“, mit ihrem freien Arm griff sie um seinen. Sie suchte seine Nähe. Wenn dies nicht der falsche Ort zur falschen Zeit gewesen wäre, hätte es sein Herz unaufhaltsam zum Trommeln und schlagen gebracht. Würde sie es nur öfter tun und nicht nur, wenn sie sich fürchtete. „Eine Stadt unter der Stadt?“ Ja, das war es. Die Häuser gingen bis zur Decke und waren mit dieser verbunden. Sie besaßen sonst keine Dächer. Franky und Brook hätten hier bestimmt Schwierigkeiten zu stehen, denn Sanji selbst war nur wenige Zentimeter kleiner als die Mauern hier. Diese Wände, welche von einer nassen, schleimigen Schicht überzogen waren, besaßen keine Fenster, nur Türen. Warum sollten sie das auch? Hier kam eh nie Sonnenlicht hinein. Woher sollte dieses auch kommen? Daher gab es hier auch keine Vegetation: Keine Bäume, keine Büsche. Nicht einmal Blumen oder Moos wuchsen hier. Von oben tropfte es auf sie hinab und Sanji hoffte, dass es nur Wasser war. „Was ist das, Sanji?“, fragte Nami eindringlich, griff nach dem Stoff seiner Weste, damit er sie ansah. Das tat er auch, dennoch hoffte er, dass Nami nicht die Traurigkeit darin sah. „Bitte sag mir nicht, dass hier unten Menschen leben.“ Ihre Stimme bebte und zitterte zur selben Zeit und wieder widerstand er dem Drang, sie schützend in seine Arme zu schließen. So gerne hätte er ihre Annahme verneint. Doch das wäre eine Lüge und seine Nami wollte er nicht belügen. Langsam schritt er voran, ohne das er ihr eine Antwort gab. Nami hinterher. Immer an seiner Hand. Niemand war zu sehen. Alles war ruhig. Nur ihre Schritte hallten wider. Noch einmal bewegte sich die Erde und von der Decke rieselte es Staub und Dreck auf sie hinab. Vielleicht sahen sie niemanden. Doch Sanji spürte unzählige Augen auf ihnen ruhen. Hörte rasselndes Atmen. Sie beobachteten. Sie schätzten. Sie wägten die Situation ab. Der Blonde konnte sogar schwören, dass er Namis Herzen schlagen hörte. Solch eine Angst hatte sie. Warum hatte er sie nur hierher gebracht? Wenn ihr etwas zustieß, dass wusste er genau, dann wäre es allein seine Schuld. Und sich das verzeihen, könnte Sanji nie. Dann schrie sie und sofort wand er sich um, zog sie schützend hinter sich. „Schöner Stoff“, murmelte ein alter Mann, der die Schleppe von Namis Kleid zwischen seinen Fingern rieb, „Bestimmt war der teuer.“ „Wie gepflegt die sind.“, kam es von ihrer Linken. „Sie duften so reinlich und sauber.“ Nun waren sie überall. Jung, wie alt. Groß und Klein. Alle gekleidet in Lumpen und so dünn, dass man jeden Knochen ausmachen konnte. Ihre Haut wirkte ölig, ungewaschen, die Haare stumpf. Zähne waren ausgefallen, die restlichen nicht geputzt. „Das ist der Prinz.“, rief jemand und sofort murmelten sie alle unverständlich durcheinander. Dann, als wäre ein Zauberspruch gesprochen wurden, kamen sie auf sie zu. Drängelten. Quetschten. Und flehten. „Eure Hoheit! Ich brauche Essen!“ „Meine Kinder, sie sind krank!“ „Helft uns.“ „Bitte!“ „Hilfe.“ „Gnade!“ „Hunger!“ „Verzweiflung!“ „Krankheit!“ „Tod!“ Es war einfach ein Durcheinander, doch viele, sich wiederholende Worte konnte der Blonde immerwieder ausmachen. Sie zogen an seinem Umhang, an den Ärmeln, der Hose. Namis Haare gingen durch mehr als nur eine Hand und auch ihr Kleid musste einiges aushalten. Und sie versuchte sich an ihn zu drängen. Ihr Gesicht voller Angst, voller Schock und Entsetzen. „Wir können nicht helfen!“, sagte er, denn er wusste nicht einmal wie. Nie hätte er gedacht, dass dies SOLCHE Ausmaße annehmen würde. Nie hätte er ahnen können, dass hier unten noch so viele Menschen lebten. Nie war ihm bewusst gewesen, dass sein Vater nichts an deren Situation geändert hatte. Verzweifelt versuchte er sich zur Treppe zu kämpfen. Dabei merkte er, dass jemand die Banane aus seiner Brusttasche nahm, die Stoff blieb zerrissen hängen. Nami schrie verzweifelt und Sanji hatte einfach nur ein Gedanke: Raus! Einfach wieder an die Oberfläche. Die Menschen drängten. Es wurden immer mehr. Doch langsam kam die Treppe näher. Sie zogen heftiger. Drängten mehr. Dann endlich erreichte er die Stufen und ohne zu zögern, zog er Nami vor sich, griff um ihre Taille und unter ihre Knie und hob sie auf seine Arme. Schnell raus. Einfach weg. Damit hatte er nicht gerechnet. Kämpfen? Nein, nicht gegen diese Menschen, die eh nichts mehr hatten, die nichts zu verlieren wussten. Er könnte die unzähligen Kinder verletzen, oder die Kranken. Die Frauen. Gegen solche Menschen würde er nie sein Bein erheben. Mit einem Tritt öffnete er die Tür und warme, blumige Luft erreichte sein Gesicht. Nun war diese Gasse nicht einmal mehr dunkel, im Vergleich zu dem, was unter ihnen lag. Noch ein paar Schritte ging er, dann stolperte er und mit Nami in seinen Armen fiel er zu seinen Knien. Doch sie hielt ihn weiter umklammert und er sie. Erst nach einiger Zeit merkte er, dass ihnen niemand gefolgt war. Und das Nami schluchzte. „Nami?“, flüsterte er beruhigend, doch sofort löste sie sich von ihm. Es war abrupt und hektisch. Sofort vermisste er ihre Wärme. Erst da sah er, dass ihr jemand die Kette, welche sie trug, vom Hals gerissen hatte. „Was war das?“, brachte sie unter Tränen hervor. „Die Menschen? Da waren auch Kinder! Babys! Was ist das für ein Ort? Weiß dein Vater davon?“ Als er sie so sah, schwoll ein Kloß in seiner Kehle an. Das glänzende, orange Haar war wüst, die Kleider an manchen Stellen gerissen. Es brach Sanji fast das Herz. „Ich...“, ihm fehlten die Worte. Doch sie wollte es so dringend wissen. Das sah er in ihrem Blick. „Das sind Bewohner von Spiral Down Island“, flüsterte er. „Ich dachte, hier wären alle reich!“ „Das dachte ich auch.“ Unsicher blickte er zu der Tür zurück, um sicher zu gehen, dass sie auch geschlossen war. „Das sind Kriminelle. Oder die Familien davon.“ „Wie meinst du das? Warum leiden sie so?“ „Schon seit Jahrhunderten werden selbst kleinste Straftaten auf dieser Insel schwer bestraft. Die Leute, die du dort gesehen hast..., das sind die Familien von Menschen, die vor Jahrzehnten etwas gestohlen haben. Vielleicht jemanden betrogen. Etwas geschmuckelt oder einfach einen schwerwiegenden Streit mit ihrem Nachbarn hatten. Sie wurden verstoßen. Die eigentlichen Verbrecher, sie hat man...hingerichtet.“ Nun blickte auch Nami zu der Tür. „Sie dürfen keine Arbeit aufnehmen und leben allein von dem Müll der Oberflächenbewohner. Denn nur bei Nacht kommen sie raus. Ich hatte ja gehofft, dass wirklich alle von dem Reichtum betroffen wären und dass Vater diese unsinnigen Gesetze abgeschafft hätte. Dass niemand leiden muss. Niemand hungern. So wie er es auch sagte.“ „Was ist mit den Resten der Lebensmittel, die beim Frühstück übrig geblieben sind? Sie könnten alle satt werden.“ Sanji schüttelte seinen Kopf. „Nein... Diese Abfälle werden den Tieren gegeben, die im Schloss gehalten werden. So war es schon immer.“ Er seufzte. „Und so wird es auch immer bleiben.“ Eine Träne lief über Namis schönes Gesicht und Sanji reichte mit einer Hand hinauf, um diese wegzuwischen. Doch Nami stieß diese weg. „Unsinnige Gesetze habt ihr hier“, meinte sie schroff, „Man muss ihnen helfen! Nur weil jemand aus ihren Familien einmal etwas Schlimmes verbrochen hat, heißt das nicht, dass sie noch immer dafür büßen müssen! Das sind ja Ausmaße, die ich niemandem Wünsche. Zudem sind sie doch alle unschuldig.“ „Ich weiß. Aber wenn mein Vater erfahren würde, dass ich dort war-“ „Reiß dich zusammen! Seit wann ziehst du den Schwanz so ein? So kenne ich dich gar nicht! Nur weil er dein Vater ist? Du streitest sonst mit Zorro über jedes, kleine Bisschen! Du gibst sogar Ruffy einen Tritt, wenn er ihn braucht. Und das sind deine Crewmitglieder, die du jeden Tag siehst und mit denen du noch einige Zeit verbringen wirst.“ Sie stand auf und ballte ihre Fäuste. „Jedem Piraten, der Hunger verspürt würdest du dein letztes Reiskorn geben. Egal ob sie dich danach attackieren. Aber Menschen deines Volkes lässt du in der Gosse wohnen, wie Ratten? Lässt sie verhungern...“ Ungläubig schüttelte sie ihren Kopf, verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Ob es war, um sich so zu wärmen, oder doch eine Abwehrhaltung ihm Gegenüber – das wusste Sanji nicht. Doch ihre Worte trafen ihn genau in seinem Herzen. „Du bist nicht du, seitdem wir hier auf dieser Insel angekommen sind, Sanji.“ Sie drehte sich um. „Lass uns zurück ins Schloss gehen. Ich spüre, dass es bald regnen wird.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)