Seduce Me! von Sky- (Drei sind (k)einer zu viel) ================================================================================ Kapitel 24: Hinata wacht auf ---------------------------- Es regnete und stürmte draußen und auch sonst war es sehr ungemütlich geworden. Radio und in den TV-Nachrichten waren sogar Unwetterwarnungen rausgegeben worden und wenn man aus dem Fenster sah, hätte man meinen können, es wäre der Weltuntergang gewesen. Doch das alles hatte Katsuya und Takashi nicht davon abhalten können, nach Fukuoka zu fahren, nachdem sie nach zwölf Tagen des Wartens endlich eine Nachricht von Herrn Sugiyama erhalten hatten, dass die Ärzte das künstliche Koma beendet hatten und Hinata nach einer schwierigen Aufwachphase wieder bei Bewusstsein war. Da hatte die beiden nichts mehr in Tokyo halten können und bei der Gelegenheit war auch ihr Vater mitgekommen, der Hinata als Anwalt vertreten wollte. Nachdem er erfahren hatte, was passiert war, hatte er Herrn Amano in der Untersuchungshaft besucht und ihn zur Rede gestellt. Nicht als Anwalt, sondern als Vater. Und da hatte er ihm in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben, wie er darüber dachte. So hatte Herr Itamu ihm gesagt „Die Hände eines Vaters sollten dazu da sein, sein Kind auf dem Arm zu halten, wenn es klein ist oder an der Hand zu halten, wenn es laufen lernt. Die Hände eines Vaters sind dazu da, sein Kind zu beschützen und nicht, um es zu quälen und zu schlagen. Deshalb sind Sie in meinen Augen kein Vater, sondern ein verabscheuungswürdiger Tyrann und ich verspreche Ihnen, ich werde dafür sorgen, dass Sie nie wieder in Hinatas Nähe kommen.“ Hinata juristisch zur Seite zu stehen, war nicht nur ein Gefallen, weil dieser mit seinen Söhnen zusammen war. Es war nun auch eine Herzensangelegenheit geworden, da er nicht akzeptieren konnte, dass ein Vater sein Kind gezielt zu Tode prügeln wollte, weil dieses seinen eigenen Weg im Leben gehen wollte. Und dann noch Tritte gegen den Kopf. Für ihn hatte der Fall ganz eindeutig nach versuchtem Mord ausgesehen und in den letzten Tagen hatte er sich auch mit der Staatsanwaltschaft von Fukuoka in Verbindung gesetzt und die Untersuchungsergebnisse der Polizei angefordert. Und so wie die Beweislage momentan aussah, würde es tatsächlich auf eine Anklage wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und der versuchten Verdeckung einer Straftat hinauslaufen. Allein als er gehört hatte, dass Herr Amano seinen bewusstlosen und schwer verletzten Sohn in einen Müllsack gestopft hat, um ihn zu entsorgen wie Abfall, war dem zweifachen Vater das Grausen gekommen und wenn es nicht wahr gewesen wäre, hätte er es nicht geglaubt. Nachdem sie nach einer sechsstündigen Zugfahrt in Fukuoka angekommen waren, wurden sie von Herrn Sugiyama empfangen, der sie zum Krankenhaus fahren wollte. Immerhin fühlte er sich auch ein Stück weit für Hinata verantwortlich und bei dem Unwetter gab es ohnehin einige Ausfälle bezüglich der Buslinien. Und zu Fuß zum Krankenhaus gehen, war sowieso undenkbar bei dem gewaltigen Regenguss. Doch obwohl Herr Sugiyama direkt vor dem Bahnhof parkte und sich Vater und Söhne zum Wagen beeilten, hatten sie dennoch einiges vom Regen abbekommen. „Wirklich ein furchtbares Wetter“, murmelte der Lehrer und startete den Wagen. „Da haben Sie wirklich Glück gehabt, dass es mit dem Zugverkehr so problemlos geklappt hat.“ „Ja das stimmt. Aber für heute werden wir im Hotel übernachten. Es wäre heute Abend ohne hin etwas spät für eine Rückfahrt und zum Nachmittag hin wird wahrscheinlich eh der Zugverkehr stark eingeschränkt werden. Aber ich möchte mich bei Ihnen noch mal bedanken, dass Sie meinen Söhnen geholfen und ihnen die Übernachtungsmöglichkeit gegeben haben.“ Doch Herr Sugiyama lächelte nur verlegen und winkte ab. Offenbar gehörte er zu der hilfsbereiten, aber auch bescheidenen Sorte Mensch. „Ich helfe gerne und da ich mich für Amano als Vertrauensperson verantwortlich fühle, ist es für mich auch selbstverständlich, jenen zu helfen, die ihm wichtig sind. Ich war ehrlich gesagt sprachlos, als ich erfuhr, dass Hinata mit den beiden in einer festen Beziehung ist. In der High School war er absolut menschenscheu gewesen und ich hätte nicht gedacht, dass er je fähig sein würde, sich auf andere Menschen einzulassen. Selbst mir gegenüber hat er sich nie geöffnet, aber Ihre Söhne haben es tatsächlich geschafft. Sie können wirklich stolz auf sie sein.“ „Ja, meine Jungs haben sich, soweit ich das richtig verstanden habe, sehr aufmerksam um Amano gekümmert und er selber ist auch ein anständiger Junge.“ „Was ist denn eigentlich mit der Mutter?“ wollte Herr Sugiyama nun wissen, der sich natürlich brennend für den aktuellen Stand der Dinge interessierte. „Hat sich da etwas ergeben?“ „Da sie nur wegen unterlassener Hilfeleistung und Beihilfe zur Verschleierung einer Straftat belangt werden kann, ist sie wieder auf freiem Fuß, aber ihr Mann sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft und der Staatsanwalt will ihn bis zum Beginn der Gerichtsverhandlung auch dortbehalten. Und die Mutter will er auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren festsetzen. Immerhin hat sie nicht einmal etwas unternommen, als der Vater auf seinen Sohn eingetreten und ihm den Arm gebrochen hat. Es schien ihr sogar recht gleichgültig zu sein, was da passiert war.“ Verständnislos schüttelte der High School Lehrer den Kopf und fragte sich, was denn wohl in dieser Familie schief gelaufen war, dass es der Mutter scheinbar völlig gleichgültig war, wenn ihr eigener Sohn fast totgeprügelt wurde. Es blieb nur noch zu hoffen, dass beide ein hohes Strafmaß bekommen würden und die Verurteilung bei Herrn Amano auf versuchten Mord hinauslaufen würde und nicht auf versuchten Totschlag. Aber jetzt war es erst mal wichtig, zum Krankenhaus zu kommen und mit Hinata und dem Chefarzt zu reden. Nachdem sie nach einer knapp viertelstündigen Fahrt das Krankenhaus erreicht hatten, wurden sie an der Rezeption auf Station drei verwiesen, da Hinata inzwischen auf die reguläre Station verlegt worden war, nachdem sein Zustand stabil und er aus dem künstlichen Koma geholt worden war. Dabei erfuhren sie, dass sich Hinatas Zustand in den letzten Tagen erheblich gebessert habe und keine bleibenden Schäden festgestellt worden waren. Allerdings war er wohl noch ein wenig schläfrig, was aber auch an den letzten Nachwirkungen der Narkose lag und weil sein Körper während des künstlichen Komas eine sehr niedrige Temperatur gehabt hatte. Da Symptome wie Halluzinationen, aggressives Verhalten und Panik nicht auszuschließen seien, ermahnte Dr. Hakase sie ausdrücklich, Hinata nicht zu überfordern und ihn nicht allzu sehr aufzuregen. Und während Herr Itamu sich noch ein wenig mit dem Arzt unterhielt, gingen die Zwillinge zusammen mit Herrn Sugiyama in das Krankenzimmer. Inzwischen hatte man auch die künstliche Beatmung beendet und ohne diese ganzen Gerätschaften sah es nicht mehr allzu besorgniserregend wie noch vor zwölf Tagen aus. Zwar waren Hinatas Kopf und seine linke Gesichtshälfte immer noch bandagiert und auch der eingegipste Unterarm sah nicht schön aus, aber zu sehen, dass er die Augen geöffnet hatte, war dennoch eine Riesenerleichterung. Der 20-jährige wirkte noch sehr benommen und er war auch blass im Gesicht. Selbst als die Zwillinge an seinem Bett standen, wirkte er etwas teilnahmslos und sah sie mit matten Augen an. Aber da er nach zwölf Tagen das erste Mal wieder aufgewacht war, schien es wohl nichts Ungewöhnliches zu sein, dass er sich so verhielt und einen etwas orientierungslosen Eindruck machte. „Hey, Hinata…“ Takashi trat näher und ergriff vorsichtig Hinatas unversehrte Hand, wobei er sich dennoch erschreckte, dass sie sich so kalt anfühlte. „Wie geht es dir denn?“ Langsam wanderten die Augen des Verletzten zu dem älteren Zwilling, betrachteten ihn eine Weile und immer noch verzog sich kein einziger Muskel in Hinatas Gesicht. Keine Freude darüber, die beiden zu sehen, kein Glanz in den Augen, kein Lächeln. Die Zwillinge schoben es zuerst auf die Nachwirkungen des künstlichen Komas, dass er noch nicht ganz bei Sinnen war und vielleicht eine Weile brauchte, um zu realisieren, wo er war und was passiert war. Dann schließlich, nachdem er die beiden gemustert hatte, fragte er sie mit schwacher Stimme: „Wer… wer seid ihr?“ Takashi zog seine Hand zurück, als er das hörte und erschrak zutiefst. Seine Brust schnürte sich zusammen, als er diesen ratlosen Blick in Hinatas Augen sah und für einen Moment lang stand er wie unter Schock. Katsuya hingegen begann ungläubig zu lachen und dachte, es sei alles nur ein schlechter Scherz, als Hinata diese Frage stellte. „Der war gut“, sagte er mit gezwungener Scherzhaftigkeit, doch man hörte nur allzu deutlich heraus, dass ihm alles andere als zum Lachen zumute war. „Na komm schon, jetzt tu doch noch nicht so. Das ist… das ist wirklich nicht lustig, okay? Komm schon, Hinata! Jetzt lass bitte die Späße, ja?“ Doch Hinata sah die beiden ratlos an und dann wandte er sich an Dr. Hakase. „Sensei, wer sind diese Leute? Was hat das alles zu bedeuten und was wollen sie von mir?“ „Hinata!“ Nun klang Katsuya fast schon verzweifelt. „Das ist wirklich kein Spaß, hörst du? Du kannst jetzt damit aufhören. Du kannst doch nicht so tun, als ob…“ „Katsuya“, rief Takashi und packte ihn an den Schultern. „Hör auf damit.“ „Ich denke, es ist besser, wenn wir gehen“, schlug Herr Sugiyama vor, der als Einziger geistesgegenwärtig genug reagierte und lieber die beiden mit nach draußen nahm, bevor sich Hinata zu sehr aufregte. Doch draußen auf dem Gang eskalierte es endgültig. Katsuya verlor endgültig die Nerven und wollte wissen, warum Hinata sich so merkwürdig verhielt. Takashi, der selbst kaum mit dieser Nachricht fertig wurde, dass Hinata sich anscheinend nicht mehr an sie erinnern konnte, schrie seinen Bruder an. Wahrscheinlich wusste er sich selber gerade im Moment nicht anders zu helfen, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. „Verdammt noch mal, Katsuya, halt endlich den Rand! Du machst alles nur noch schlimmer! Es ist keinem geholfen, wenn du jetzt noch komplett durchdrehst.“ Doch der jüngere Bruder schüttelte nur den Kopf und verstand das Ganze nicht. „Wieso? Warum erkennt uns Hinata plötzlich nicht mehr? Ich dachte, er wäre wieder gesund.“ „Jetzt beruhigt euch mal alle beide“, ermahnte nun Herr Sugiyama in einem deutlichen Ton. „Wir sind hier in einem Krankenhaus und es wird niemandem etwas bringen, wenn hier jetzt alle die Nerven verlieren. Ihr beide beruhigt euch erst mal wieder und ich frage eben den Arzt, was mit Amano ist.“ Damit ging Herr Sugiyama eben zu Dr. Hakase, der ihnen erklärte, dass Hinata aufgrund dieser schweren Kopfverletzung eine Amnesie erlitten hatte. „Eine retrograde Amnesie ist nichts Ungewöhnliches bei Menschen, die eine Kopfverletzung erlitten haben, allerdings unterscheidet sich auch hier der Grad dieser Amnesie. Meistens können sich die Betroffenen nicht mehr an den Zeitraum vor ihrer Verletzung erinnern, in seltenen Fällen betrifft es all ihre persönlichen Erinnerungen.“ „Dann soll das heißen… Hinata hat wirklich alles vergessen?“ „Nun, es betrifft ausschließlich die so genannten autobiographischen Erinnerungen. Er kann sich weder an seinen Namen, noch an sonst etwas aus seiner Vergangenheit erinnern, allerdings sind die Handlungsroutinen wie zum Beispiel das Bedienen eines Kugelschreibers oder das Bedienen eines Telefons im Gedächtnis geblieben.“ Katsuya wurde kreidebleich und senkte den Blick. Er sah geschockt und fassungslos aus. Nie hätte er gedacht, dass es so weit kommen würde. Hinata hatte sie vergessen und das nur wegen dieser Kopfverletzung. Und in diesem Moment ergriff die Angst den Sportstudenten. Wenn Hinata sich nicht mehr an sie erinnerte, was bedeutete das dann für ihre Beziehung? Was wenn Hinata sich für den Rest seines Lebens nicht mehr erinnerte und sie für immer Fremde für ihn bleiben würden? Wie musste er sich wohl fühlen, wenn er sich nicht einmal mehr an seinen eigenen Namen erinnern konnte? Allein der Gedanke daran war entsetzlich. Und das alles war nur deshalb passiert, weil er ihn an diesem Morgen nicht aufgehalten hatte. „Gibt es eine Chance, dass er sich wieder erinnert?“ „Nun“, murmelte Dr. Hakase nachdenklich. „Es besteht immer eine Chance. Eine retrograde Amnesie dauert meist ein paar Tage oder Wochen, in seltenen Fällen länger. Wichtig ist, dass er geschont wird und er sich selbst nicht unter Druck setzt. Es ist aber immer hilfreich, wenn er versucht, langsam und Schritt für Schritt in sein altes Leben zurückzukehren. Sie können ihm Bilder und Erinnerungsstücke zeigen oder ihm Orte zeigen, die vielleicht einen prägnanten Eindruck bei ihm hinterlassen haben. Aber haben Sie Geduld. Erinnerungen kann man nicht erzwingen.“ Nun, es war schon mal eine gute Nachricht, dass es die Chance bestand, dass Hinata sein Gedächtnis wieder zurückerlangte. Doch die Angst blieb immer noch und Katsuya wollte es deshalb genau wissen „Kommt es auch vor, dass sich solche Menschen nie wieder erinnern?“ „Das ist nur äußerst selten der Fall. Es kann sein, dass gewisse Gedächtnislücken zurückbleiben werden, aber für gewöhnlich erlangen die Betroffenen den größten Teil ihres Gedächtnisses mit der Zeit wieder zurück.“ Nun, das war zumindest eine gute Nachricht, dass die Chancen gut standen, dass Hinata sich wieder erinnern konnte, aber Katsuya konnte dies nicht beruhigen. Viel eher sah er das Szenario vor seinen Augen, dass sich Hinata für den Rest seines Lebens nicht mehr erinnern konnte und es seine Schuld war. Niedergeschlagen ließ er sich auf einem Stuhl nieder und wirkte wie ein gebrochener Mann. Und auch Takashi entging nicht, dass seinem Bruder etwas schwer auf der Seele lastete. „Was ist los, Katsu? Du hast doch gehört, dass sich Hinata wieder erinnern wird.“ „Ja aber was wenn seine Erinnerungen nie wieder zurückkommen? Das alles wäre niemals passiert, wenn ich ihn an diesem Morgen aufgehalten hätte. Ich hatte die Chance dazu gehabt und nur weil ich es nicht getan habe, ist er fast umgebracht worden und liegt nun mit einem totalen Gedächtnisverlust im Krankenhaus. Es ist alles meine Schuld…“ Nun verstand Takashi das Verhalten seines Bruders und warum er schon seit Tagen so niedergeschlagen war. Er legte eine Hand auf Katsuyas Schulter und sah ihn fest an. „Jetzt hör mir mal zu: das war doch nicht deine Schuld, dass das passiert ist. Du konntest doch nicht wissen, was Hinata vorhatte. Wenn sich hier jemand Vorwürfe machen müsste, dann eigentlich ich, weil ich von seinen Gedanken wusste und trotzdem keinen Verdacht geschöpft habe, als er sagte, er wolle nach Fukuoka fahren. Und dass es so enden würde, konnte keiner von uns wissen. Außerdem sollten wir versuchen, das Ganze positiv zu sehen: Hinata lebt und er hat keine bleibenden Schäden davongetragen. Es könnte noch viel schlimmer sein.“ „Und was sollen wir jetzt tun?“ „Na du hast doch den Arzt gehört. Wenn Hinata das Krankenhaus verlassen kann, kommt er zu uns in die WG zurück und wir helfen ihm, sich wieder zu erinnern. Zwar weiß er nicht mehr, wer wir sind, aber das heißt doch noch lange nicht, dass wir nie wieder mit ihm zusammenkommen können. Wir haben es doch schon einmal geschafft, dass er sich in uns verliebt, warum soll es nicht noch mal klappen? Hey, wir werden das schon schaffen. Wir dürfen nur nicht den Mut verlieren.“ Nachdem Takashi ihm eine Weile gut zugesprochen hatte, schien sich Katsuya wieder ein wenig zu fangen und so kehrten sie wieder ins Krankenzimmer zurück. Hinata sah die beiden mit einem immer noch ratlosen und etwas orientierungslosen Blick an und er machte auch einen teils hilflosen Eindruck. Kein Wunder, denn er wusste ja weder, was passiert war, wieso er in einem Krankenhaus lag und wer all diese Leute waren, die zu ihm kamen. Takashi, der Katsuya nicht zumuten konnte, in seiner jetzigen Gefühlslage ruhig zu bleiben, wenn er versuchte, mit Hinata zu reden, beschloss nun selber, den Versuch zu wagen. „Tut mir leid wegen dem Durcheinander gerade eben. Mein Bruder und ich waren nur sehr erschrocken, dass du dich an nichts mehr erinnern kannst. Mein Name ist Takashi Itamu und das ist mein jüngerer Bruder Katsuya.“ Hinata sah die beiden abwechselnd an und immer noch verzog sich seine Miene kein bisschen. „Danke, dass ihr mich besuchen kommt, aber… ich kann mich an nichts erinnern. Sind wir irgendwie verwandt oder befreundet?“ „Wir drei wohnen zusammen und man könnte uns als Freunde bezeichnen. Aber ich erkläre dir das später, wenn es dir etwas besser geht. Weißt du, wir gehen zusammen zur Tokyo Universität und dort haben wir uns auch kennen gelernt.“ „Wieso denn in Tokyo? Der Arzt sagte mir, ich komme aus Fukuoka und wir wären auch hier.“ Takashi überlegte, wie er seine Worte am besten formulieren konnte. Jetzt zu erzählen, dass Hinata wegen seinem gewalttätigen Vater Fukuoka verlassen hatte und nun mit ihnen in einer Dreierbeziehung war, wäre zu viel auf einmal. Das würde ihn nur aufregen und so etwas konnte er in seinem jetzigen Zustand überhaupt nicht gebrauchen. Darum erklärte Takashi ihm auch deshalb „Es gab da große Schwierigkeiten mit deiner Familie. Du wolltest lieber Kunst als Jura studieren und deshalb bist du vor zwei Jahren nach Tokyo gezogen, um deinen eigenen Weg zu gehen.“ Hinata dachte nach und versuchte wohl, sich diese Dinge wieder ins Gedächtnis zu rufen, doch er schaffte es nicht. In seinem Gedächtnis war da nichts als Leere. Selbst dieser Name, mit dem ihm die beiden Zwillingsbrüder ansprachen, klang ihm ganz fremd. Und noch eine Frage beschäftigte ihn. Er hatte sie schon dem Arzt gestellt, doch dieser war dieser Frage ausgewichen, weil er meinte, dass er sich erst einmal schonen sollte. „Was ist mit meiner Familie? Ihr beide seid da, dann dieser Sugiyama-san, der offenbar mein alter Lehrer sein soll, aber ansonsten ist keiner gekommen. Kommen meine Eltern denn gar nicht?“ „Sie… sie können nicht kommen“, erklärte Takashi und überlegte angestrengt, wie er das denn jetzt erklären sollte. Das war immerhin eine sehr schwierige Frage und der ältere Zwillingsbruder wusste auch nicht so wirklich, wie er es ihm möglichst schonend beibringen sollte. „Deine Eltern haben großen Ärger am Hals, vor allem dein Vater.“ „Ist es wegen meinen Verletzungen?“ fragte Hinata. „Als ich aufgewacht bin, habe ich zwei Krankenschwestern miteinander reden können. Sie sagten, mein Vater soll mir gegen den Kopf getreten haben. Mehrmals sogar. Stimmt das? Und wieso hat er das getan?“ „Dein Vater ist nicht damit klar gekommen, dass du lieber etwas anderes machen willst, als Anwalt zu werden und weil du dich nicht mehr von ihm unterbuttern lassen wolltest.“ „Katsuya!“ ermahnte Takashi ihn. „Nimm dich mal etwas mehr zurück. Hinata soll sich nicht so aufregen.“ Doch der Verletzte schüttelte nur den Kopf und meinte „Schon gut. Ich kann mich ja sowieso an nichts erinnern. Aber ist denn da niemand anderes?“ Auch hier musste Takashi ihn enttäuschen und man merkte Hinata deutlich an, dass er ziemlich betroffen war, dass es anscheinend niemanden sonst in seiner Familie gab. Klar musste ihm das schwer zu schaffen machen, denn was tat ein Mensch mit Amnesie als Erstes? Er suchte nach seinen Wurzeln und da suchte man eben halt auch instinktiv den Kontakt zur Familie. Doch das war in diesem Fall nicht möglich. „Mach dir keine Sorgen, wir kriegen das schon hin. Du hast ja noch uns und auch Sugiyama-san ist hier, weil er sich um dich sorgt. Komm erst mal wieder zu Kräften und wenn du das Krankenhaus verlassen kannst, werden wir dir schon helfen, dich wieder zu erinnern. Mach dir keine Sorgen, du bist nicht alleine und wir werden dich nicht hängen lassen. Ruh dich aus und erhol dich, der Rest kommt mit der Zeit.“ Und hier schlich sich ein schwaches Lächeln über Hinatas Lippen. Ein zurückhaltendes und schüchternes Lächeln, welches den Zwillingen so vertraut war und das ihnen das Gefühl gab, als wäre wenigstens ein kleines bisschen von Hinatas altem Selbst wieder zurückgekehrt. „Danke.“ Und dieses schüchterne Lächeln ließ die Zwillinge hoffen, dass sich Hinata trotz seiner Amnesie nicht vollständig verändert hatte. Es war immer noch derselbe Hinata Amano, dem sie beide vor eineinhalb Monaten ihre Gefühle offenbart hatten und darum erschien es selbst Katsuya nicht mehr ganz so unmöglich, dass sie es ein zweites Mal schaffen konnten, Hinatas Herz zu erobern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)