Erwachen von BloodyRubin (Nichts ist, wie es scheint) ================================================================================ Kapitel 9: Besuch beim Arzt (Part 2) ------------------------------------ Jemand schüttelte ihn heftig. „Kenjiro!“ rief Izuyas Stimme fast panisch. Schlagartig öffnete er die Augen und fand sich am Boden liegend wieder. Die gesamte Klasse stand um ihn herum und Izuya sowie der Lehrer knieten neben ihm. „Wa-was?“ stotterte er verwirrt. „Warum bist du nicht daheim geblieben?“ fragte Izuya und umarmte ihn heftig. „Was ist überhaupt passiert?“ wollte der Braunhaarige wissen, richtete sich auf und löste sich von seinem besten Freund. „Nun...du bist eingeschlafen.“ sagte der Lehrer, der ungewöhnlich bleich wirkte. „Und gerade, als ich zu dir gegangen bin, um dich zu wecken, hast du angefangen, um dich zu schlagen und zu schreien. Dann bist du zu Boden gefallen.“ „Wir dachten, du hättest eine Art Anfall oder so was.“ kam es von einem Mädchen. Von Izuya gestützt, stand Kenjiro auf. „Ich bringe ihn zur Schulkrankenschwester.“ Der Lehrer nickte. „Ich werde bei deinen Eltern anrufen, Ashiba und ihnen sagen, dass du für heute entschuldigt bist.“ „Und ich werde meiner Mutter sagen, dass Kenjiro so bald wie möglich bei ihr sein wird.“ Ohne etwas zu sagen, verließen sie das Klassenzimmer und liefen durch einige Gänge, bis sie vor der Krankenstation standen. Dort klopften sie, doch niemand öffnete. „Scheint nicht da zu sein.“ sagte Izuya. „Ich werde mal meine Mutter anrufen. Soll ich dich zu ihr begleiten?“ „Nein, das ist nicht nötig. Geh du zurück in die Klasse. Nimmst du nach der Schule meine Tasche mit?“ „Klar.“ Immer noch etwas blass, verschwand Izuya. Auch Kenjiro machte sich auf den Weg und stand nach kurzer Zeit vor dem Tor zu der Praxis. Die Arzthelferin blickte auf, als er an ihren Schreibtisch trat. „Du wirst bereits erwartet. Behandlungszimmer 3, bitte.“ sagte sie und warf ihm einen sorgenvollen Blick hinterher, als er an ihr vorbeiging. Der Braunhaarige bemerkte es gar nicht. Viel zu sehr war er in Gedanken über seinen Traum versunken. Vor dem Raum angekommen, klopfte er und wurde hereingebeten. „Hallo, Kenjiro.“ sagte die Ärztin, als er eintrat. „Wie ich höre, sind deine Probleme schlimmer geworden. Setz dich doch bitte und erzähle mir, was im Unterricht passiert ist.“ Er gehorchte und sie hörte ihm aufmerksam zu. „...und dann bin ich aufgewacht.“ schloss er. „Verstehe. Nun, hast du daran gedacht, deine Träume aufzuschreiben?“ „Ja, aber ich habe das Notizheft nicht mitgenommen. Es liegt bei mir zu Hause.“ Izuyas Mutter seufzte und strich sich eine Haarsträhne aus den Augen. „Ist schon in Ordnung. Vielleicht kannst du mir ja auch so sagen, ob du noch mehr Alpträume hattest.“ Der Braunhaarige dachte an den Traum über seine Eltern und berichtete ihr auch davon. „Nun, das ist sehr interessant.“ sagte die Ärztin, als er fertig war. „Was genau ist interessant?“ erkundigte er sich. „Nun, bisher hast du immer nur davon geträumt, wie andere verletzt wurden. Aber seit du die Beruhigungsmittel nimmst, scheinst du selber im Zentrum deiner Träume zu stehen.“ „Könnte das eine Nebenwirkung sein?“ „Unwahrscheinlich. Jedenfalls hat keiner der Patienten, denen ich diese Tabletten verschrieben habe, Symptome dieser Art geäußert.“ „Und was passiert jetzt?“ fragte Kenjiro, obwohl er sich nicht sicher war, ob er die Antwort hören wollte. „Nun, jetzt werde ich versuchen, dir das luzide Träumen beizubringen. Dabei wirst du lernen, deine Träume zu lenken. Dir dürfte es eigentlich nicht schwer fallen. Alles, was du tun musst, ist, dir eine bestimmte Sache vorzustellen, die dir anzeigt, dass du träumst. Dann kannst du besser damit umgehen.“ „Was für eine Sache wäre das?“ „Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es sollte auf jeden Fall etwas Ungewöhnliches sein. Leicht zu erkennen, falls du verstehst.“ Interessiert beugte Kenjiro sich vor. „Das klingt wirklich sehr einfach. Was muss ich tun?“ „Zuerst musst du dich für das Objekt entscheiden, dass dir anzeigt, dass du träumst.“ Stille trat ein, in der der Braunhaarige fieberhaft nachdachte. „Wie wäre es mit einer silbernen Feder?“ „Gar keine schlechte Idee. Gut, der Rest ist eigentlich unkompliziert. Sobald du im Bett liegst, konzentrierst du dich auf diese Feder. Den Rest macht dein Unterbewusstsein. Wenn alles klappt, wirst du die Feder irgendwo sehen und dann kannst du dir sicher sein, dass nichts von dem, was gerade passiert, real ist.“ „Und das war alles?“ „Nun, ich bin nicht sicher, ob es sofort klappt. Viele brauchen Jahre, bis sie das Klarträumen beherrschen. Aber eine andere Möglichkeit haben wir nicht, da Beruhigungsmittel bei dir offenbar nicht wirken.“ Wieder blieb es eine Weile still. „Nun, ich kann es zumindest versuchen.“ meinte Kenjiro schließlich zögernd. „Wunderbar. Eines noch. Ich möchte, dass du mich bis spätestens Ende der Woche noch einmal anrufst und mir sagst, ob es geklappt hat.“ „In Ordnung.“ Die Ärztin lächelte ihn an. „Dann sind wir fürs Erste durch. Ich werde dich nochmal untersuchen und dann darfst du nach Hause.“ Als die Untersuchung vorbei war, ging er allerdings nicht gleich nach Hause, sondern beschloss, noch etwas in der Stadt zu bleiben. Er rief seine ziemlich aufgelöste Mutter an, die schon von dem Vorfall in der Schule gehört hatte und beruhigte sie so weit, dass sie ihm erlaubte, bis zum Nachmittag in der Stadt zu bleiben. Dann trieb er sich etwas in den Geschäften herum und holte sich bei der Gelegenheit ein neues Oberteil und einige vielversprechende Spiele für seinen Computer. Als er wieder auf den Fußweg trat, regnete es. Dicke, schwere Tropfen fielen vom Himmel. „Ach, Mist.“ fluchte Kenjiro wütend. Dann, wie aus dem Nichts tauchte über ihm ein Regenschirm auf und er drehte sich überrascht um. „Taku. Was machst du denn hier?“ „Ich hatte heute nicht so lange Unterricht. Wie geht es dir, Kenjiro? Wie ich höre, hattest du eine Art Unfall.“ „Izuya, oder? Er übertreibt. Ich bin nur eingeschlafen und habe schlecht geträumt. Wo ist denn Ryo?“ „Ach, er ist schon vorausgegangen. Offenbar bin ich seinen Worten zufolge >viel zu spießig<, um mit ihm gesehen zu werden.“ Ryo war Takus Bruder. Er war zehn Jahre alt und das einzige, was die beiden gemeinsam hatten, waren die grauen Augen. Ryo war ein aufgeweckter Wildfang, der sich so oft wie möglich im Garten der Familie aufhielt. Für ihn war es unmöglich, länger als eine halbe Stunde herumzusitzen. Bücher hielt er für doof und er konnte nicht verstehen, wie sein Bruder ständig darin lesen konnte. Trotzdem verstanden sich die beiden gut, was in Anbetracht ihrer verschiedenen Persönlichkeiten recht beeindruckend war. „Machst du dir denn keine Sorgen?“ wollte der Braunhaarige wissen. „Dazu besteht kein Anlass. Er hat mir versprochen, beim Bäcker auf mich zu warten.“ „Hofft wahrscheinlich, etwas geschenkt zu bekommen.“ Taku lächelte und gemeinsam gingen sie weiter. „Das würde ihm ähnlich sehen. Er weiß genau, wie er vorgehen muss, um das zu bekommen, was er möchte.“ „Anscheinend habt ihr ja doch mehr gemeinsam, als ich dachte. Hübsche Mädchen zu verzaubern, scheint bei euch in der Familie zu liegen.“ Diesmal errötete Taku leicht. „Falls du von meiner Mutter sprichst: Sie arbeitet zwar als Model, aber dafür kann mein Vater ja nichts. Und Sayuri...“ Verlegen brach er ab und suchte nach den richtigen Worten. „Sayuri ist wirklich ein wundervolles Mädchen. Seit wir zusammen sind, ist es um mich herum noch lebhafter geworden.“ „Versucht sie schon, dich dazu zu bringen, mehr aus dir herauszukommen?“ „Ein wenig. Aber sie weiß, wie ich bin und respektiert das.“ „Dann bin ich ja beruhigt. Einer muss unserer Gruppe doch Benehmen beibringen.“ Darüber mussten beide lachen. Schon waren sie beim Bäcker angekommen, vor dem Ryo bereits wartete, eine Honigschnecke kauend und höchst zufrieden mit sich. „Hast du es wieder geschafft?“ tadelte sein Bruder sanft. „Du bist ja nur neidisch.“ kam es sofort zurück. Taku seufzte leicht, ehe er sich zu Kenjiro umdrehte. „Also dann, bis morgen. Und gute Besserung.“ „Danke.“ Kenjiro sah den beiden kurz nach und kehrte dann auch nach Hause zurück. Wie versprochen, hatte Izuya seine Tasche bei ihm vorbei gebracht. Er erzählte er seinen Eltern, was passiert war und versprach ihnen, heute früher schlafen zu gehen. Sobald er in seinem Zimmer war, machte er seine Hausaufgaben und legte sich dann in sein Bett, wo er nach einer Weile fest eingeschlafen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)