Erwachen von BloodyRubin (Nichts ist, wie es scheint) ================================================================================ Kapitel 12: Shins Geheimnis --------------------------- Als er dieses Mal in dem fensterlosen Raum erwachte, war Kenjiro wütend wie selten zuvor. „Hallo, Ashiba-kun. Wie geht es dir heute?“ „Besser als dir, wenn ich erst mit dir fertig bin.“ „Was redest du da? Was ist passiert?“ „Was passiert ist? Nun, mir ist gerade etwas aufgefallen, was eigentlich unmöglich ist.“ „I-ich verstehe nicht ganz, was du...“ „Du weißt sehr wohl, was ich meine.“ unterbrach der Braunhaarige ihn kalt und stand auf. Ihn erfasste ein hämisches Vergnügen, als Shin sich ebenfalls erhob und begann, vor ihm zurückzuweichen. In seinen Augen standen Besorgnis, Angst und...Schuldbewusstsein. „Also, Shin. Was ist hier los?“ „Ich...“ Inzwischen hatte Kenjiro den Schwarzhaarigen an die Wand gedrängt. „Antworte mir!“ Rasend vor Wut packte Kenjiro den anderen am Kragen seines Hemds, das diesmal vom gleichen Türkis war wie Shins Augen. „Du existierst nur in meinem Kopf. Wie kann es dann sein, dass ich dich anfassen kann?“ Darauf antwortete Shin nicht. Doch für eine Sekunde huschte ein Ausdruck völligen Entsetzens über sein Gesicht, ehe er den Blick abwandte. „Was ist denn los? Gar keine klugen Worte diesmal?“ Wieder blieb es still. „Seit wann weißt du es?“ fragte der Schwarzhaarige schließlich leise. Kenjiro konnte es nicht glauben. Shin versuchte nicht einmal, sich aus der Sache herauszureden. „Es ist mir erst heute klar geworden. Das war dumm von mir. Mir hätte schon zu Anfang etwas auffallen müssen. Nach meinem Traum über Izuya warst du es, der mich geweckt hat, oder nicht? Indem du mich an den Schultern gepackt und geschüttelt hast! Und später hast du mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen! Sag bloß, du hättest das vergessen!“ „Richtig...ich erinnere mich...“ „Nun, Shin. Falls das überhaupt dein richtiger Name ist. Was wird hier gespielt? Was ist das hier für ein Ort? Und die wichtigste Frage von allen: Wer bist du wirklich?“ „Ich...ich kann nicht..bitte, versuch, mich zu verstehen...Es wäre furchtbar, wenn du es wüsstest...Bitte, zwing mich nicht...“ „Es ist mir egal, wie furchtbar es wäre!“ schrie der Braunhaarige und schüttelte Shin heftig. „Ich habe keine Lust mehr! Ich will die Wahrheit! Ich habe diese Träume satt, verstehst du? Ich habe sie satt!!“ „Nein...ich werde nicht dafür verantwortlich sein, dass deine Seele auseinander bricht...das...das kannst du nicht von mir verlangen...“ „WARUM NICHT?“ brüllte Kenjiro und zerrte so stark am Oberteil des Schwarzhaarigen, dass die Knöpfe abrissen und prasselnd zu Boden fielen. „Das...kann ich dir nicht sagen...“ erwiderte Shin zögernd. Er war nur kurz zusammengezuckt, als Kenjiro ihn angeschrien hatte und schaffte es immer noch nicht, den Braunhaarigen anzusehen. „Nun rede schon!!“ „Nein...“ Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Kenjiros Wut verpuffte schlagartig und wurde durch Unglauben und Enttäuschung ersetzt. Wie betäubt ließ er den Schwarzhaarigen los und trat einen Schritt zurück. „Ich verstehe es nicht...was habe ich getan, dass du mich so sehr hasst? Was muss ich machen, damit ich wieder normal leben kann?“ Endlich blickte Shin auf. Er wirkte verzweifelt. „Ich hasse dich nicht...Ashiba-kun...“ „Was ist es dann? Warum willst du mich unbedingt leiden sehen?“ Shin antwortete nicht. Stattdessen trat er rasch vor und ehe der Braunhaarige reagieren konnte, spürte er eine Hand, die sich auf seinen Hinterkopf legte und warme Lippen auf seinen... Überrascht weiteten sich seine Augen, während sein Kopf versuchte, das, was geschah, zu begreifen. Was passierte hier gerade? Warum küsste Shin ihn? Ohne sich zu regen, ließ Kenjiro den anderen gewähren. Nicht, dass er sich großartig hätte wehren können. Sein Körper schien nicht mehr zu ihm zu gehören und in seinem Kopf waren seine Gefühle gerade auf Achterbahnfahrt. Endlos schien der Kuss zu dauern, ehe Shin sich von ihm löste. „Das ist das einzige, was ich nie wollte...dich leiden sehen...“ wisperte der Schwarzhaarige. „Dafür bedeutest du mir zu viel...“ Er blickte Kenjiro direkt in die Augen, ehe er weitersprach. „Ashiba-kun...ich habe mich in dich verliebt.“ „Du hast was?“ Kenjiro war sich sicher, sich verhört zu haben. „Aber... aber warum ausgerechnet in mich? Ich meine...“ Immer noch komplett verwirrt, brach der Braunhaarige ab. Shin lächelte nur. „Das ist gerade etwas zu viel für mich.“ brachte Kenjiro endlich heraus.“Das kann ich gut nachvollziehen.“ erwiderte Shin und ließ ihn los. Kurz sahen sie sich an, ehe der Schwarzhaarige seufzte. „Also gut...willst du wirklich wissen, was los ist?“ Kenjiro nickte, immer noch etwas durcheinander. „Egal, wie schwer es wird?“ Wieder ein Nicken. „Mein Name ist wirklich Shin. Shin Namiyoka, um genau zu sein. Und dieser Ort...ist eine Nervenheilanstalt für psychisch gestörte Menschen.“ „Psychisch gestört? Soll das heißen, ich bin...?“ „Ja, leider. Du hast ein schweres geistiges Trauma erlitten.“ „Aber... das ist unmöglich...mein Leben läuft doch perfekt...“ „Dieses Leben, von dem du sprichst...es existiert nicht. Dein Kopf hat versucht, dich zu beschützen, indem er diese Illusion erschaffen hat.“ „Und... meine Träume?“ „Erinnerungen. Du hast von den Misshandlungen deiner Freunde gewusst und dein Unterbewusstsein hat dich so manipuliert, dass du gedacht hast, du würdest nur schlafen.“ „Dann ist alles wirklich passiert? Das mit Izuya und Sayuri und den anderen?“ Nun sah Shin wieder zu Boden und als er antwortete, klang seine Stimme seltsam belegt. „Ja, es ist passiert. Es hat alles angefangen, als du mit fünfzehn Jahren in ein Waisenhaus gekommen bist. Dort hatten zwei Brüder, die Mashi-Zwillinge, die Leitung. Was niemand wusste, war, dass sie eine kranke Persönlichkeit hatten. Für sie wart ihr nichts weiter als Spielzeuge, die sie nach Lust und Laune benutzen konnten. Da sie einige Kinder nicht anmeldeten, vermisste diese auch keiner. So konnten sie in aller Stille ihre Fantasien ausleben. Das Ganze flog erst auf, als die beiden einmal nicht aufpassten und eine Gruppe von Kindern fliehen konnte. Du warst auch darunter.“ „Bedeutet das, meine Eltern sind...tot?“ krächzte Kenjiro heiser. „Nein. Allerdings waren sie es, die dich vor dem Waisenhaus ausgesetzt haben.“ Der Braunhaarige konnte es nicht begreifen. Sein ganzes Leben sollte nichts weiter als Einbildung gewesen sein? Er weigerte sich, das zu glauben. Ein verzweifelter Gedanke nahm in seinem Inneren Gestalt an und er klammerte sich daran wie an einen rettenden Strohalm. „Und was sagt mir, dass du Recht hast? Es gibt tausende Menschen, die aus Liebe lügen.“ „Zum einen wäre da die silberne Feder, die du gesehen hast. Und wenn du dir die Menschen, die in deiner Fantasie existieren, genau ansiehst, wird dir auffallen, dass ihre Hände kalt, ihre Augen leer und ihre Herzen tot sind. Ich will dir nichts mehr verheimlichen. Aber ich musste es tun, um dich sehen zu können.“ „Wenn ich in diesem...Heim war...“ begann Kenjiro langsam und mit einem Gefühl,als würde ihm ein schwerer Stein im Magen liegen. „...was haben diese...Kerle dann mit mir gemacht?“ Doch der Schwarzhaarige schüttelte heftig den Kopf. „Das genügt vorerst. Wenn ich dir alles erzählen würde, könnte dein Geist irreparablen Schaden nehmen.“ „Aber...“ „Nein. Ich habe dir schon zu viel gesagt. Mehr will ich dir nicht zumuten. Schließlich bist du gerade dabei, dich zu erholen.“ „Tatsächlich?“ fragte Kenjiro überrascht. „Ja, tatsächlich.“ Nun lächelte Shin wieder. „Wenn du dich weiter so gut entwickelst, kannst du bald entlassen werden und ein neues Leben beginnen.“ Dem Braunhaarigen schwirrte der Kopf. Er hatte so viel Neues erfahren, dass er völlig durcheinander war. „Ich sollte gehen. Morgen kehre ich zurück.“ Sacht berührte Shin mit seinen Lippen Kenjiros Wange, ehe er sich eine Jacke anzog, um das zerstörte Oberteil zu verbergen. Dann verließ er das Zimmer und Kenjiro blieb alleine zurück. Er legte sich auf die Liege und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Als ihm klar wurde, dass das unmöglich war, schloss er einfach die Augen und wartete auf den Schlaf, in der Hoffnung, dass am nächsten Morgen alles wieder ganz normal sein würde. Doch nach allem, was er heute gehört hatte, schien rein gar nichts mehr normal zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)