Gib dich nicht auf von KatieBell ([Kai x Hiromi]) ================================================================================ Kapitel 10: Vergangenheit 3.2 ----------------------------- Der Graublaue hatte die gesamte Nacht alles andere als gut geschlafen. Immer wieder musste er über sie nachdenken. Über die gesamte Situation und wie er sich da selbst hinein manövriert hatte. Und wieso er sich immer noch daran festklammerte, dass er all das richtig stellen könnte. Um was? Um ihr nahe sein zu können? Was wenn sie das nicht mehr wollte? Er könnte es ihr nicht einmal verübeln. So wie er zu ihr war, wäre es nicht verwunderlich, wenn sie ihn zum Teufel schicken würde. Und dennoch war er nun wieder hier. Vor dem Café und beobachtete sie erneut. Es waren einige Tage her nach der Gedenkfeier und ihm war es nicht klar, wieso sie hier war... „Bitte schön, ihr Milchkaffee.“, sagte Hiromi, doch erntete nur einen verwirrten Blick des Kunden. „Aber ich wollte doch einen grünen Tee!?“ „Oh.. ehm. Entschuldigen Sie, ich bin gleich wieder bei ihnen.“ Hiromi kam zurück zur Theke mit dem Milchkaffee. Naomi sah sie mit einer Augenbraue hochgezogen an. „Tut mir leid,... ehm... falsche Bestellung. Einen grünen Tee für-“ „Es reicht, Hiromi.“, sagte Naomi und sah sie ernst an, „Komm mal bitte.“, sagte sie und forderte sie auf nach hinten zu kommen. Schon aufm Weg nach hinten entschuldigte sich die Braunhaarige schon zum 10. Mal. Doch Naomi schloss die Küchentür sachte und legte dann ihre Hände auf Hiromis Schultern. „Du gehst jetzt nach Hause. Du bist beurlaubt.“ „Was? Aber wieso... ich... okay, ich bin nicht so aufnahmefähig, aber das legt sich. Bitte, Naomi kündige mich nicht, ich werde mich bessern, ich...“ „Ich kündige dich doch nicht. Hör zu! Ich beurlaube dich. Du bist heute einfach nicht belastbar. Ich versteh sowieso nicht wieso du hier bist. Du solltest dich ausruhen, oder... andere Dinge machen. Dinge die dich befreien und dich nicht noch mehr belasten.“ Hiromi seufzte. „Aber zu Hause fällt mir die Decke auf den Kopf.“ „Und hier fällt dir gleich eine Horde genervter Kunden auf den Kopf. Du hast sicherlich schon vierzehn Bestellungen durcheinander gebracht.“ „Schon so viele?“, fragte sie vorsichtig, da ihr das gar nicht aufgefallen war. „Geh nach Hause, ruh' dich aus. Triff dich mit Takao oder mit jemanden anderen. Geh spazieren, guck Fernseher, aber mach irgendetwas was dich ablenkt.“ „Okay. Vielleicht hast du recht.“ „Hör auf mich, ich weiß wie es dir geht. Mir ging es genauso, als mein Papa gestorben ist. Es ist schwer, aber man muss nach vorne schauen.“ Nachdem Hiromi ihre Sachen zusammengepackt hatte und das Café nach Hause verließ, war sie ganz in Gedanken versunken, so dass sie nicht bemerkte, das ihr jemand folgte... Sie war allein. Die ganze Zeit über. Er ging auf genügend Abstand, als er ihr folgte. Sie sah so alleine aus. So verzweifelt, ohne jeglichen Halt. Erst wollte er sie abfangen, aber auf offener Straße wollte er diese Aussprache nicht anzetteln. Also folgte er ihr weiter, bis sie zu Hause ankam. Er sah, wie sie die Tür aufschloss und die Haustür zugleich wieder ins Schloss fiel, als sie dahinter verschwunden war. Kai haderte erneut mit sich. Seine Hände waren in seiner Hosentasche. In einer Tasche befand sich Dranzer. Er erhoffte sich genügend Kraft für sein Vorhaben und hoffte das Dranzer dabei eine große Rolle spielte. Er musste es einfach riskieren. Egal wie es ausgehen würde. Er brauchte Klarheit und wollte es zumindest versucht haben. Er schluckte den Kloß hinunter und betrat das Grundstück. Sein Herz pochte so laut in seiner Brust, dass er Angst hatte, es würde herausspringen. Nun stand er auf dem Absatz der Treppe und hob seinen rechten Arm. Kurz zögerte er, bis er doch auf die Klingel drückte. Es fühlte sich an, als würde er Jahre zurückversetzt werden. In Russland hatte er öfters solche Tagträume gehabt, in dem er an ihrer Haustür stand und auf eine Aussprache hoffte. Er stellte sich oft vor, wie es sein würde. In seinen Träumen ging es immer wieder anders aus. Mal hatte sie ihn nicht einmal die Tür geöffnet und bei den anderen Malen fiel sie ihm um den Hals. Eines der besseren Ergebnissen. Aber wie würde es jetzt sein? In der Realität? Er hörte Schritte und seine violetten Augen starrten zuerst auf den Boden. So aufgeregt war er noch nie gewesen. Seine Beine zitterten innerlich und er hoffte in dem Moment nur, dass er überhaupt Worte fand, wenn sie erst einmal ihm gegenüberstand. Die Tür öffnete sich und er sah auf. Amethyst traf auf Bernstein. Man hätte eine Stecknadel fallen lassen können und man hätte den Aufprall Kilometerweit hören können. Er wollte ihren Namen sagen, doch seine Worte blieben ihm im Hals stecken. Ihr Mund stand leicht offen und auch sie brachte kein Laut heraus. „Hey...“, brachte er dann nur heraus, als sie immer noch nichts sagte und er kam sich so dumm vor. 'Hey'? Fiel ihm nichts besseres ein? Seine Stimme riss sie offenbar aus ihrer Schockstarre. Sie schloss den Mund und er konnte sehen, wie sie ihre Hände auf die Innenseite der Tür legte, nur um dann die Tür einfach wieder zu machen zu wollen. Keine Ahnung, wieso er so instinktiv handelte, doch er stellte seinen Fuß in die Türschwelle und verhinderte, dass sie die Tür überhaupt zuhauen konnte. „Hiromi...“, versuchte er es nochmal und schob die Haustür mit seinen Händen leicht wieder auf, „Lass uns reden... bitte...“ „Verschwinde.“, zischte sie leise und versuchte erneut die Tür zu zudrücken. „Ich... will dir nur etwas erklären..“ „Es gibt nichts zu klären!“, kam es wütend von ihr. Ihr Kraft ließ nach und er konnte die Tür erfolgreich komplett zur Seite schieben. Er wollte gerade wieder anfangen, als sie wohl alle ihre Kraft zusammennahm und die Tür wieder ihm entgegen drückte. „Lass das! Hau ab. Ich will weder mit dir reden, noch dich sehen. Du kannst nicht nach all den Jahren hier auftauchen und von mir verlangen, dass ich dir zuhöre!“ „Gib mir fünf Minuten.“ „Nein.“, sagte sie eisern, „Verzieh dich und lass mich in Ruhe!“, schrie sie ihn nun an, „Du bist für mich gestorben!“, und schaffte es die Tür nun endlich in ihre Halterung zu knallen und ihn auszusperren. Kai legte seine linke Hand auf die Türoberfläche. „Hiromi... bitte.“ „Hau ab!“ Verdammt. Er hatte gedacht, es würde anders verlaufen. Er versuchte noch ein paar Mal sie aus der Reserve zu locken, in dem er weiter klingelte oder an der Tür klopfte. Doch irgendwann kam einfach gar nichts mehr von ihr. Er seufzte, er hatte es vermasselt. Aber er wusste ja, dass es eine höhere Wahrscheinlichkeit war, dass sie so reagierte. Er konnte es ihr ja nicht einmal verübeln. Hätte er sich einfach früher nicht wie ein Arsch verhalten. „Kai?“ Eine vertraute Stimme holte ihn aus seinen finsteren Gedanken und er stöhnte fast genervt auf, als er sich umwandte und seinen ehemaligen Teamchef entdeckte. Ihm blieb auch nichts erspart heute. „Du bist es wirklich... was... zur Hölle machst du hier?“, fragte Takao und Kai drehte der Haustür den Rücken zu. Er wollte nicht mit ihm reden. Die Abfuhr an Hiromis Tür war ihm schon zu viel. Da brauchte er nicht auch noch die stechenden blauen Augen von ihm. Er verließ das Grundstück und schritt an ihm vorbei. Doch Takao ließ sich offenbar nicht so schnell abspeisen und folgte dem Graublauhaarigen. „Hey, Kai. Warte doch mal.“, doch er ignorierte ihn weiter, bis... „Du warst bei ihr... wie ist es gelaufen?“ Er schnaufte und blieb abrupt stehen. „Was willst du von mir, Takao?!“, knirschte er ihn an, als er sich zu ihm umwandte, „Es geht dich einen Scheiß an, was ich hier mache und mit wem ich rede.“, sagte er entschlossen und wollte seinen Weg fortführen. Takao hingegen schritt an ihm vorbei und stellte sich ihm in den Weg. „Lief wohl... nicht so gut.“ Er seufzte und versuchte wieder an ihm vorbeizugehen. Er schnallte es nicht. Wie immer. Er hatte keine Lust mit Takao über seine Sachen zu reden. Das hatte er noch nie und würde er auch nicht. Schon gar nicht mit ihm und auch dann nicht, wenn es um Hiromi ging. Das konnte er sich abschminken. „Kennst du noch unseren Trainingsplatz unten am Fluss?“, hörte er ihn dann fragen und er blieb abermals stehen, „Komm schon, lass uns reden. Oder verpasst du sonst deinen Flug?“ „Du gibst nicht auf, oder?“ „Nein. Aufgeben ist nicht meine Stärke.“, grinste er und Kai wusste nicht, wieso er sich gerade breitschlagen ließ... Als sie am Fluss ankamen und die Treppen hinab stiegen, setzte sich der blauhaarige Blader ans Ufer. Kai hatte die Arme verschränkt und hielt den Abstand. „Bitte sag nicht, du hast immer noch eine Sozialphobie. Alter... setz dich einfach hin. Ich beiße nicht.“ Doch er blieb stehen. Nachdem Takao dies auch mitbekommen hatte, seufzte er und richtete seine Kappi. „Dann bleib eben stehen.“, seufzte er und sah auf den Fluss, „Hast du gedacht es wird einfach?“ Kai antwortete nicht. Er war immer noch der Meinung, dass ihn das alles nichts anging. „Hast du gedacht, sie würde dir einfach so verzeihen?“, fragte er weiter, doch er wartete nicht einmal auf seine Antwort, da er schon wieder eine neue Frage stellte, „Warum hast du den Kontakt abgebrochen. Nicht nur zu ihr, sondern einfach zu uns allen?“ Doch auch hierauf antwortete Kai nicht. Es ging ihn nichts an. Er wollte ihm nicht sagen, dass er mit der Situation nicht klar kam. Er war gebrochen aus diesem Stadion gegangen. Abermals verloren gegen ihn und die ganze Sache mit Hiromi trug dazu bei, dass er einfach nur alleine sein wollte. Außerdem... saß das größte Problem gerade direkt vor ihm. „Auch wenn du nichts sagst, ich kann es mir denken.“, seufzte er und schloss für einen Moment seine Augen. Kai sah zu ihm und verwirrt zugleich, als Takao seinen Blick wieder auf seinen ehemaligen Kollegen richtete. „Es lag an mir, oder? Und das... was ich für sie empfunden habe.“ Kai schnaufte verächtlich und setzte sich aber nun doch zu ihm ans Ufer. Die Arme blieben jedoch weiterhin verschränkt. „Guck nicht so, Kai. Denkst du, ich hab das nicht mitbekommen? Als wir... noch ein Team waren, bist du mir und Hiromi permanent aus dem Weg gegangen. Ich bin zwar manchmal ein Dickschädel und peile erst viel später etwas, aber ich hab's irgendwann kapiert. Als...“, er wurde nachdenklich, „...du das Team verlassen hattest, war nichts mehr wie vorher. Vor allem, weil du ausgerechnet zu Yuriy ins Team gewechselt bist. Das war schon ein Schlag in die Fresse, um ehrlich zu sein. Aber... Hiromi hat es am meisten mitgenommen.“, sagte er und machte eine Pause, „Sie hat sich die schuld gegeben.“ „Sie war nicht schuld.“, entschied er, nun doch etwas dazu zu sagen. Takao sah zu ihm. „Sie hat es aber all die Jahre gedacht. Und du hast es nie richtig gestellt.“ Er rümpfte die Nase und sah von ihm weg. „Weißt du, wie das für sie war? Vor allem...“, Takao seufzte, „Ich weiß von eurem Gespräch in der BBA. Als du bei Mr. Dickenson warst und den Rücktritt bekannt gab's.“, sagte er und Kai rief sich das Gespräch ins Gedächtnis, „Du hast ihr einfach vor den Kopf gestoßen, dass sie nichts wert sei und dass du keinen Sinn darin sahst, auch nur darüber nachzudenken-“ „So hab ich das nie gesagt!“, zischte Kai dazwischen, erbost darüber das Takao die Tatsachen verdrehte. „Vielleicht war dein Wortlaut etwas anders, aber genau das kam bei ihr an. Du...“, begann er, setzte aber ab und formulierte seinen Satz wohl anders, „Wusstest du eigentlich, dass Hiromi Dranzer Generalüberholt hatte, bevor wir ins Trainingscamp fahren wollten? Und du hast nichts besseres zu tun, als diesen Zeitpunkt zu wählen und zu den Blitzkrieg Boys zu wechseln.“, sagte er in einem gefährlichen Unterton. Die Augen des Russen weiteten sich. „Was?“ „Tja... da bist du wohl von den Socken,... sie hat sich so viel Mühe gegeben. Kenny war überfordert mit drei Blades in nur einer Nacht und da hatte sie sich angeboten. Es war Zufall, dass Kenny ihr Dranzer gab. Du hättest ihre Augen sehen sollen. Sie... wollte doch nur in deiner Nähe sein und das konnte sie schließlich nur über das Bladen.“, sagte er nun immer leiser werdend, „Und dann stoßt du ihr so vor den Kopf.“ Abwesend holte er seinen Dranzer aus seiner Tasche und drehte ihn in seiner Hand. Er wusste das nicht. Gewissensbitte plagten ihn. Er wollte nicht, dass sie sich die Schuld gab und genauso wenig wollte er, dass sie sich ausgenutzt fühlte. „Nachdem Finale, nachdem du abgehauen bist... wieder mal...“, setzte er hinten dran, „...hat sie sich verkrochen. Ein ganzes Jahr hatte es gedauert, bis ich irgendwie wieder einen Zugang zu ihr bekommen hatte. Und dennoch war sie nicht mehr dieselbe.“, seufzte Takao, „Vielleicht verstehst du jetzt, warum sie vorhin so auf dich reagiert hat. Sie hat gerade wieder angefangen zu Leben. Vor Zwei Jahren hat sie ihr Studium begonnen und sich wieder mit Freunden getroffen.“ „Woher... weißt du das alles?“, fragte Kai vorsichtig nach. „Sie hat es mir erzählt.“, sagte er daraufhin nur, „Es hat ziemlich lange gedauert, aber irgendwann hatte sie sich mir anvertraut.“ „Deine Chance, oder?“, kamen diese drei Wörter gereizt aus ihm heraus, die er eigentlich gar nicht aussprechen wollte. Doch Takao lachte nur leise. „Ich würde lügen, wenn ich es jetzt verneinen würde.“, ließ sich ins Gras fallen und legte seine Hände unter den Kopf, „Es hat trotzdem nicht funktioniert, weil sie ihr Herz Jahre zuvor an dich verschenkt hatte.“ Irgendwie... war er erleichtert. Er dachte immer, wenn er verschwinden würde, wäre Takao das geborene Trostpflaster. Und er hätte es verstanden, wenn es so passiert wäre. Aber, dass Hiromi ihn nicht weiter in ihr Leben ließ, war noch viel trauriger. Kai wurde zum ersten Mal bewusst, was er da angerichtet hatte... „Was ich absolut nicht verstehe... warum kommst du nach all den Jahren erst jetzt auf den Trichter? Und dann zu so einer beschissenen Zeit?! Dir musste doch klar gewesen sein, dass das nach hinten losgeht.“ „Weil...“, er stoppte kurz und presste seine Hand zusammen, in der sich Dranzer noch immer befand, „... als ich von dem Flugunglück las... hatte ich die Angst, dass sie in diesem Flieger saß.“, sagte er gedankenverloren, „Ich wusste, dass ich mit ihr reden musste. Das war mir schon klar gewesen, als ich in Russland gelandet war, aber... ich konnte es irgendwie nicht. Ich dachte, sie sei ohne mich besser dran.“, sagte er ehrlich und er fragte sich ständig in seinem Kopf, wieso er überhaupt mit Takao darüber sprach, „Zu denken, dass sie tot sein könnte, hat mir gezeigt, dass ich das nicht so stehen lassen kann und dass es dafür keinen perfekten Zeitpunkt gibt.“ Auf den richtigen Moment warten, hieß es immer und überall. Aber wer so etwas sagte, hatte einfach keine Ahnung. Wenn zu viel Zeit verging, machte es die Dinge nur noch schlimmer. Plötzlich sprang der Blauhaarige auf und sah ihn euphorisch an. „Worauf wartest du dann noch?“ „Wie meinst du das?“, er zog eine Augenbraue nach oben und sein Kopf war ein reines Wirrwarr. „Na, was wohl! Du gehst zurück und bringst sie zum Reden.“ „Sie wird mir wohl kaum noch einmal die Tür öffnen...“ „Dafür habe ich schon einen Plan...“, grinste er frech, wie eh und je, „Vertrau mir. Wir kriegen das schon hin.“, und rieb sich seine Nase, bevor er Kai seine Hand hin hielt. Er schaute zu ihm und dann auf seine Hand. Er wiegte ab, was für Konsequenzen das für ihn hatte. Aber eigentlich... war alles besser, als jetzt. Was hatte er denn jetzt noch zu verlieren? Er packte seine Hand und ließ sich von ihm hochziehen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)