Eine Hand wäscht die andere... von Gaomee ================================================================================ Prolog: Aller Übel Anfang ------------------------- „Bereit?“, fragte er mit seiner ruhigen, dunklen Stimme. Sie sah auf in seine großen, ausdruckslosen Augen. „Ja, klar.“ So hatte sie sich ihre Hochzeit nicht unbedingt vorgestellt. Auf der anderen Seite hatte sie sich nie viele Gedanken ums Heiraten gemacht. Deswegen war es schon in Ordnung. Die Bürgermeisterin blickte sie beide mit einem kuriosen Glitzern in den Augen an und las dann etwas feierlicher als nötig gewesen vor: „Möchtest du, … Neji Hyuuga,…“ Hier lächelte sie ihn unverständlicherweise schelmisch an “…vor dem Gesetzt Konoha-Gakures Tenten Minazuki zur dir angetrauten Ehegattin nehmen?“ „Ja, ich will.“ Kurz angebunden, ohne Umschweife zum Punkt. Wie man ihn kannte. „Willst du, Tenten Minazuki, Neji Hyuuga zu deinem -“ „Ja“, unterbrach sie etwas zu früh, entschuldigte sich murmelnd und antwortete beim zweiten Mal zum rechten Zeitpunkt. *** Tja, sie war verheiratet. Wie zur Hölle das passiert war? – Na ja, die Idee hatte sie zum ersten Mal angesprungen als sie mit ihrem zukünftigen Ehemann verschwitzt auf dem Rücken im Gras gelegen hatte, aber wann diese Idee tatsächlich entstanden war, … das war etwas schwieriger zu erörtern. Aber, damit sie Fuß fassen konnte, waren vier Dinge nötig: Tenten hatte einen Antrag auf ein Darlehen für ein Balistikstudium gestellt. Dieser war abgelehnt worden. Nejis Familie hatte beschlossen, dass es Zeit war ihn zu verheiraten. Möglichst mit einer Frau, die sie gut manipulieren konnten, um mehr Kontrolle über den Erben zu haben. Er war ein Stoiker und so stand für ihn fest, dass er statt zu rebellieren einfach das kleinste Übel heiraten und es aushalten würde. Und, nein, die folgende Geschichte erfolgte nicht, weil Nejis Familie davon überzeugt war, Tenten gut manipulieren zu können. Kapitel 1: Der Antrag --------------------- Vorschau: "Was du willst, wo du willst...", versprach er mit dunkler Stimme. „…außerdem werde ich in Kürze die Universität abgeschlossen haben und bereit sein, einen vortrefflichen Haushalt zu führen.“ Das Mädchen war süß und hatte ein sehr freundliches Lächeln. Leider war es die Art Lächeln, das mit der Zeit zu einem der nervigsten Dinge werden würde, die ein Mann am Tag sehen konnte. Neji nickte seinen Dank und trug sie in eine der Kategorien ein. Alle Kategorien auf seinem Notizblatt, das ordentlich an einem Klemmbrett befestigt war, waren sorgfältig ausgefüllt. Nur eine war bisher vollkommen leer geblieben: „Das Kleinste Übel“ Es war die letzte Kategorie. An diesem Sommernachmittag schien er jedoch Meilenweit von diesem Ziel entfernt. „Dankeschön, wir melden uns.“ Mit einem Blick entließ er sie und bemerkte mit nicht wenig Bedauern wie eifrig und wohlgesinnt sein Onkel zu seiner Rechten Notizen nahm. Beiläufig fragte Neji sich was er eigentlich bei seiner eigenen Brautschau zu suchen hatte, wo sein Onkel doch genug Elan für zwei an den Tag legte? Neji schob das Klemmbrett unter den linken Arm, erhob sich geschwind, verabschiedete sich kühl von seinem Gastgeber und wandte sich zum Gehen. Außerhalb dem Büro seines Onkels sorgte sein Abgang für viel Enttäuschung, denn die jungen Damen in ihren feinen Anzügen, Blazern, Blusen und Röcken wussten somit, dass heute keine weiteren Interviews mehr stattfinden würden. *** Tenten schnallte sich den Sport-BH um; dann zog sie ihren Kopf durch das Top und band sich die Haare in einem Knoten am Hinterkopf zusammen. In ihrem Kopf leiherte sie Alternativlösungen herunter. Und weshalb sie doch nicht funktionieren würden direkt hinterher: Sie hatte keinerlei Familie, die ihr das Geld leihen konnte. Ihren Job als einfache Polizistin konnte sie auch vergessen. Der warf nicht genug ab. Und ihr Chef wollte auch nicht für ihre weitere Ausbildung zahlen. Tenten war immer gut mit wenig Geld zurecht gekommen, doch nun stand sie vor einem Dilemma. „Hier kommst du nicht mehr ’raus“, musste sie sich seufzend eingestehen und stellte einen Fuß auf die Bank, um ihre Schnürsenkel zu binden als wäre ihr dieser Umstand egal. Es war Dienstagabend. In der Regel joggte sie alleine in ihrer Nachbarschaft ein paar Mal um den Block, doch dienstags hatte es sich eingebürgert, dass sie im Park mit einem Arbeitskollegen laufen ging. Er war ein stiller Typ. Etwas unheimlich. Die anderen Kollegen konnten ihn nicht richtig leiden. Tenten fand nichts zu bemängeln. Er war in Topform und wenn sie mit ihm lief, spornte es sie immer dazu an ihre Grenzen auszutesten, weil sie ihm sportlich in nichts nachstehen wollte. „Was geht bei dir?“, fragte sie aus Gewohnheit als sie mit federnden Schritten zu ihm getrabt kam. Obwohl es schon dunkel wurde, lungerte die Hitze des Tages noch in der Luft. Das Klima war erträglich. Tenten hatte mit keiner Antwort gerechnet, weil sie aus Erfahrung wusste, dass sie keine bekommen würde. Sie sagte nur etwas, weil es ihr irgendwie falsch erschien wortlos aufeinander zu treffen. Eine von vielen Überraschungen stand ihr bevor: „Ich möchte nicht heiraten.“ Tenten wäre beinah gestolpert. Natürlich wartete er beim Laufen nicht auf sie. Hastig holte sie wieder zu ihm auf. „Wie bitte?“, stieß sie verunsichert aus. Er ließ sich so viel Zeit mit der nächsten Antwort, dass sie schon glaubte sich seinen dunklen Baritone nur eingebildet zu haben. Den kurzen Seitenblick, den er ihr in dieser Zeit zu warf, bemerkte sie nicht. „Mein Onkel…“, begann er zögernd. „…lädt junge Damen zu Vorstellungsgesprächen ein.“ Tenten hörte die Worte und versuchte sich mehr auf die Muskeln in ihren Beinen als auf das Gesagte zu konzentrieren. „...und erwartet, dass ich eine davon zur Frau nehme.“ Er erklärte es als würde er ihr erzählen, was es mittags in der Kantine gegeben hatte. Außerdem war dies womöglich die längste, zusammenhängende Ansprache, die Neji ihr gegenüber jemals gemacht hatte. Tentens Schritte wurden kürzer. Er ließ sie zurück. Dann hielt sie endgültig an. Als er es bemerkte und zu ihr zurückkam, auf der Stelle tretend vor ihr anhielt und sie ihn mit einem undeutbaren Blick fragte, weshalb er ihr das alles erzählte, zuckte er nur mit der Schulter. „Aber du erzählst doch sonst auch nie was bei dir so los ist“, gab sie zu bedenken und joggte wieder an seiner Seite. Dass der stille Riese auch ein Privatleben hatte, traf sie unvorbereitet. „Sonst ist ja auch nie etwas los.“ Tenten fand seinen letzten Satz etwas traurig. Was für ein langweiliges, tristes Dasein er wohl fristete. Und wie krank die Familienverhältnisse sein mussten, wenn der Onkel einen solchen Vorschlag äußerte… Sie versuchte nicht mehr darüber nachzudenken. Es war ja nicht ihr Problem. Der Laufweg um den Stadtsee war noch etwas schlammig. Daher musste Tenten mit ihren reparaturbedürftigen Turnschuhen Acht geben und war schon wieder unvorbereitet. Die nächste Frage klang als hätte ihr Laufpartner sie aus den Tiefen seiner Kehle gerungen und dann mit Mühe ausgespuckt: „Und du?“ „Wie bitte?“, wollte Tenten wissen und wich einer aus dem Boden aufragenden Wurzel aus. „Was geht bei dir?“ Es klang wie ein Gorilla, der gerade das Konzept der Sprache ausprobierte. Ein Gorilla, der den Blick starr nach vorn gerichtet hielt. Ein surrealistisches Gefühl kroch ihren Rücken hinauf als sie begann diesem bekannten Fremden ihr Herz auszuschütten. Sie erzählte ihm von dem Studium. Und dann seine Reaktion. Nichts. Sie hatte versucht einen besonders nüchternen Ton anzuschlagen, doch trotzdem fühlte sie sich wie ein Jammerlappen als nicht einmal eine winzige Beileidsbekundung ob ihres Schicksals von ihm kam. Sein unsensibles Verhalten hatte zur Folge, dass sie nach einer Runde schon abbog und den Weg zurück zur Umkleide und dem Parkplatz einschlug. Sie hatte nicht damit gerechnet, doch es war klar, dass er ihr gefolgt war, als sie seinen polternden Schritt hinter sich auf der Grasfläche donnern hören konnte. Sie hatte sich die Gewichte bereits von den Handgelenken gerissen und winkte ihm ihren Abschied zu. „Tschüss, ich bin für heute fertig!“ Sie brachte ein Lächeln zustande, damit er nicht den Eindruck bekam, dass er einen Nerv getroffen hatte, obwohl das durchaus der Wahrheit entsprach. Doch er war noch nicht fertig mit ihr. Tenten ließ ihn verschwitzt stehen und beeilte sich mit dem Umziehen. Aber nicht zu sehr. Sie wollte, dass er bereits weiter gelaufen war, bevor sie sich wieder blicken ließ. Allerdings hatte sie nicht viel Sorge, dass er sie konfrontieren würde. Er hatte wieder einmal bewiesen, dass er dafür nicht der Typ war. Bevor sie sich auf zu ihrer alten Schrottkarre machte, nahm Tenten sich einen Augenblick, um sich in das frische Gras zu legen. Wenn sie den Kopf drehte, kitzelten die Halme ihre Nase. Sie fühlte sich dann wieder wie ein Kind, nicht ganz sorglos, aber irgendwie doch besser. Ein dunkler Schemen löste sich aus dem Schatten einer nahen Baumgruppe. Neji hatte schon oft beobachten können, dass sie manchmal den Hang hatte etwas Kindisches, Verrücktes zu tun und in der Regel ignorierte er es schlichtweg. Nicht so heute. Tenten wandte erschrocken den Kopf als sie spürte wie etwas Großes sich neben ihr im Gras niederließ. Sie staunte nicht schlecht als sie erkannte, dass es Neji war, den sie gar nicht mehr in der Nähe vermutet hatte. Vorsichtig strichen seine großen, groben Hände über die Grasnarbe. Plötzlich stierte er sie an mit diesem kalten durchdringenden Blick, den er nun einmal besaß. Als es wirklich anfing unangenehm zu werden, streckte er sich langsam auf dem Boden aus, sodass er auf einer Augenhöhe mit ihr war und ihre Schultern sich beinah berührten. Eins seiner ausdruckslosen Augen war von frühlingsgrünen Grashalmen durchzogen als er es sagte: „Heirate mich.“ Und da hatte die Idee sie das erste Mal angesprungen wie eine wilde, kleine Bestie. *** Tenten stopfte immer mehr Papier in ihre Schublade. Frustriert, wütend. Sie saß an ihrem Schreibtisch, auf dem Revier. Sie hatte eigentlich genug Arbeit zu tun, doch sie konnte sich nicht konzentrieren. Sie hatte versucht an ihrer Arbeitsstelle Klarschiff zu machen, doch die einzige Folge dieser Aktion waren zerknitterte Fallberichte und wiedergefundene Steuererklärungsformulare. Sie nippte an ihrem Eistee, den sie im Drive-Thru eines Wendys mitgenommen hatte. Zu süß. Der ganze Morgen war im Eimer. Heute war der Akzeptanzbrief eingegangen. ‚Herzlichen Glückwunsch, Tenten…’, dachte sie bitter. Sie wurde an ihrer Traumuni angenommen, deren Semesterkosten Sie jedoch leider nicht übernehmen konnte. Sie seufzte, brach ihre Verwüstungswut hinter ihrem Schreibtisch ab und dachte bitter an den Abend vor ein paar Tagen zurück, an dem man ihr einen Ausweg präsentiert hatte. “Heirate mich.” Ihr Herz setzte einen Augenblick aus. Diese Worte von solch dünnen, kalten Lippen zu hören, brachte die Haare in ihrem Nacken zum Stehen. Der tote, lieblose Ausdruck seiner immersteten Augen half nicht. Doch das war nur einen Augenblick lang so. Natürlich blieb sie nicht seelenruhig im Gras liegen, sondern war flink auf den Füßen und kam hoch. Er erhob sich nur in eine sitzende Position und starrte sie mit demselben ruhigen Blick an. Ruhe fand Tenten jedoch vollkommen unpassend. Er hätte beschämt, entschuldigend, verzweifelt oder zumindest ein kleines bisschen plemplem dreinsehen sollen. Als sie überlegte, einfach wegzurennen oder ihm erst einen Tritt in die Fresse zu geben und dann wegzurennen, führte er weiter aus: „Wenn du mich heiratest, kannst du studieren was immer du willst. Wo immer du willst.“ Tenten war schon genug Verrückten begegnet. Aggressive Verrückte, weinerliche Verrückte, verrückte Verrückte und solche, bei denen man nur anhand eines bestimmten Funkeln der Augäpfel erkennen konnte, dass man den Drink besser nicht annahm. Doch noch nie war ihr einer untergekommen, der so still dasaß, so sehr von seiner Ratio überzeugt war wie der Verrückte vor ihr. Nur wenige Zentimeter von ihrer Fußspitze entfernt. Statt aggressiv zu werden, wandte sie sich nur mit eigentümlichen Bauchschmerzen um und ging so schnell sie konnte ohne gleich zu rennen fort. *** „He, du kaust schon wieder an deinen Nägeln!“ Ihr Kollege klatschte ihr auf die Finger und riss sie aus ihren Gedankengängen. Erschrocken sah sie auf und hoffte niemand konnte ihr ansehen, dass sie mit sich selbst haderte. In letzter Zeit war sie oft geistig abwesend und kaute an ihren Nägeln. Es war eine nervöse Angewohnheit. Die Runde, die sich um ihren Tisch versammelt hatte, unterhielt sich gerade über den neusten Klatsch. Sie nahm einen langen Zug aus ihrem Eisteebecher, beschwerte sich nicht bei ihrem Zurechtweiser, obwohl sein Hintern auf ihren Unterlage geparkt war, sondern nahm die neusten Infos über die Ehe ihres Chefs auf. Offenbar war seine Frau kurz davor ihn zu verlassen, was bei ihren Kollegen für allgemeine Schadenfreude sorgte. ‘Schon wieder etwas Negatives über eine Ehe’, dachte sich Tenten. Wenn man sie gefragt hätte, ob sie je für Geld heiraten würde, so wäre ihre Antwort ‘Nein, natürlich nicht’ gewesen. Aber das läge zum einen daran, dass man in aller Öffentlichkeit nicht zugab, dass die persönliche Hemmschwelle für das Verwerfen von feministischen Prinzipien tiefer als erwartet lag und zum anderen daran, dass sie sich Dinge gern selbst erarbeitete. Während ihre Kollegen allerhand Vermutungen über die sexuelle Potenz ihres Chefs anstellten, kontemplierte Tenten ob sie käuflich war oder nicht. Tenten hatte nie viel Geld gehabt; das Problem des Geldes gehörte mit zum Paket, wenn man eine Waise war. Keine Eltern, keine Kohle. Du beginnst bei Null, nichts worauf du aufbauen kannst, nichts woran du dich orientieren kannst, hatte sie gelernt. Aber mit der Zeit lernte man das Beste daraus zu machen und das Beste war nicht der Traum einer guten Ehe und ein Dasein als perfekte Hausfrau. Sie wollte weg von Null. Jetzt hatte sie eine Chance. Mehr und mehr überkam sie das Gefühl etwas zu verpassen, sollte sie nicht annehmen. Sie hatte die ganze letzte Woche nicht aufhören können daran zu denken. Immer wieder tauchten seine Lippen vor ihrem geistigen Auge auf und formten die verheißungsvollen Worte. Dann musste sie hart schlucken und daran denken was sie sich wirklich für ihr Leben wünschte. Sie wünschte sich keine katholische Kirchenhochzeit mit der Liebe ihres Lebens. Sie wollte studieren. Und studieren konnte man verheiratet oder geschieden. Sie tauchte kurz aus ihrer marternden Gedankenwelt auf, um mitzubekommen wie ihr zurechtweisender Kollege, Naruto, ihren Chef beim Liebesspiel nachäffte. Sie verdrehte die Augen und starrte in ihren Eistee. Die schmelzenden Eiswürfel hinterließen Schlieren im braunen Getränk. Sie dachte an Neji, einer der Kollegen, der sich in der Mittagspause nicht um Tentens Tisch scharrte. Um ehrlich zu sein, hatte sie nicht den leisesten Schimmer wo er seine Mittagspause verbrachte. Sie redigierte ihr Gedankenspiel von vorhin: Was hätte sie wohl gesagt, wenn man sie gefragt hätte, ob sie den stillen Neji für Geld heiraten würde... Sie schüttelte den Kopf. Gelacht hätte sie. Die beiden Realitäten, die Neji und Heirat einschlossen, befanden sich nicht einmal im selben Universum. Sie biss sich auf die Lippe. Sicherlich hatte er das nie und nimmer Ernst gemeint. „Heirate mich“, sagte sie laut. Das klang doch schon doof… und nicht ernst gemeint und ein bisschen wahnsinnig und auf jeden Fall sehr befehlerisch und sie wusste nicht was davon sie am schlimmsten fand. Weiter konnte sie den Gedanken jedoch nicht verfolgen, denn sie bemerkte Narutos schrägen Blick. “Was hast du gerade gesagt?”, wollte er zweifelnd von ihr wissen. Erschrocken schlürfte sie an ihrem Tee und rülpste danach. “Nichts. Musste nur ein bisschen Kohlensäure loswerden”, versicherte sie ihm heiter und wischte sich über den Mund. Sein Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass er davon nicht unbedingt überzeugt war. Doch er ließ es dabei bebleiben, denn es wurde nach seiner Aufmerksamkeit verlangt. “Hey, Naruto!”, rief ein Kumpane mit vollem Mund. “Ich hab gehört, du hättest letztens erzählt, dass der komische Kauz namens Hyuga den Arsch voller Geld hat. Stimmt das?” Narutos Gesicht wurde vielsagend. “Klar stimmt das. Seine Familie besteht aus voll den Megabonzen”, gab er zum Besten. Ein neuer hellhäuptiger Arbeitskollege bestätigte das: ,„Der Vater ist bei einem Autounfall umgekommen und jetzt sitzt er auf einem Haufen Geld.“ Der Neue war nur wenig älter als der Rest, war von einer anderen Präfektur hierüber gekommen und Tenten von Anfang an sympathisch gewesen. „Woher weißt du das?“, wollte sie in einem beiläufigen Tonfall wissen. „Ja“, bestärkte einer aus der Drogenfahndungstruppe sie. „Woher weißt du das, Naruto?“ Naruto, der auf seinem Schreibtisch gesessen hatte, sprang herab und antwortete: „Hat mir Jiraiya erzählt.“ Er deutete mit dem Daumen auf einen der Detectives, noch einer aus der alten Schule. Tenten hatte immer vermutet, dass JIraiya nur das Glasauge fehlte und sie hätten einen zweiten Columbo. Er und Naruto hatten einen ähnlichen Humor und verstanden sich daher trotz des Altersunterschiedes prächtig. Lachend sah Jiraiya von seinem Kaffeebecher auf. „Auf einer Fete hab ‘mal den CEO einer Firma für Sicherheitssysteme kennengelernt”, vertraute er ihnen an. “Und der kannte Neji persönlich. Eigentlich kannte der sogar die ganze Familie persönlich. Nejis Onkel und dessen Familie lebt noch.“ Tenten besah sich die Gesichter in der Runde. ‘Seltsam’, dachte sie. Obwohl sie Neji jeden Tag auf der Arbeit sahen, wäre keiner von ihnen auf die Idee gekommen je „Neji Hyuuga? Klar, den kenn ich persönlich!“ zu sagen. Er arbeitete zwar mit ihnen zusammen und sie konnten Aussagen über ihn machen wie „Der behält ‘nen kühlen Kopf“. Aber er schien sehr entrückt und sie kannten ihn nicht wirklich. Jiraiya, zum Beispiel, war da ganz anders. Jeder kannte Jiraiyah. Jeder kannte ihn persönlich, sehr persönlich. Wenn Jiraiya einen Burito aß, dann erzählte er jedem am nächsten Tag wie dick die Wurst gewesen war, die er gelegt hatte oder wie oft er hatte furzen müssen. Allerdings wusste auch jeder, dass Jiraiya aus seltsamen Gründen, die niemand so richtig verstand, einen guten Job machte, selbst wenn er dabei die ganze Zeit nur herumzualbern schien. Oft durfte er mit dem Captain auf irgendwelche Parties gehen, die die Bürgermeisterin für die Elite der Stadt schmiss. Kein Wunder, dass er immer wusste, was bei der Creme de la Creme vorging. Gerade erzählte er schon wieder etwas aus diesem Bereich, nämlich, dass Sasuke Uchiha, junger Erbe, CEO seiner eigenen Firma, eine Affäre haben sollte. “Na ja, ob das stimmt”, mutmaßte Naruto. Doch Tenten interessiert das eigentlich nicht im Geringsten, aber sie bewunderte Jiraiya für seinen Erfolg. Gleichzeitig konnte sie sich nicht vorstellen, dass solche Parties sehr spaßig waren. Tenten betrachtete den alten Detective kurz und fragte sich, ob die Elite und Jiraiya auf solchen Parties die gleiche Beziehung hatten wie all die seltsamen englischen Adeligen früher, die sich Äffchen aus Afrika hatten mitbringen ließen. Sie schüttelte die Vorstellung von Jiraiya, der tanzte, um Sasuke zum Lachen zu bringen, ab und verstaute die Erkenntnis, dass Neji Geld hatte in einem sicheren Eckchen ihres Hirns. *** Ein paar Tage darauf saß Tenten schon wieder vor ihrem morgendlichen Eistee. Kaffee konnte sie nicht leiden und den Sinn Tee heiß zu trinken hatte sie noch nicht begriffen, denn erstens war es Sommer und zweitens weckte ein kaltes Getränk eher auf. Sie nahm einen Schluck und dachte, dass sie schon ziemlich schlimme Dinge getan hatte, um genug Geld für die Akademie zusammenzukratzen. Mehrere Nebenjobs und ein paar Experimente mit Männern, die Tenten den ganz hübschen Mädchen vorgezogen hatten, weil sie gewillt war, die unheimlichen und seltsamen Dinge durchzuziehen. Außerdem hatte sie ganze Arbeiten und Hausaufgaben für andere Leute geschrieben. Sie betrachtete ihre verkümmerten Prinzipien, die in einer Ecke ihres Hirns in Ketten gelegt waren. Halb verhungert hingen sie da und murmelten irgendetwas vor sich hin, doch Tenten konnte es nicht verstehen. Sie zuckte mit den Schultern und schüttete sich noch ein Glas ein. In ihrer winzigen Küche musste man noch nicht einmal vom winzigen Küchentisch aufstehen, um an die Anrichte mit der Karaffe zu kommen. Man musste nur den Arm ausstrecken und das noch nicht einmal besonders weit. Im Prinzip war eine Heirat für Geld nichts anderes als ein lästiger Nebenjob. Eine Heirat konnte man kündigen. Scheidung hieß das. Außerdem war sie sowieso nicht der Typ, der darauf wartete einen netten Kerl kennen zu lernen mit einem netten Job, damit sie ein paar nette Kinder haben konnte, rief sie sich abermals ins Gedächtnis. Dafür hatte sie nicht so hart gearbeitet und um ehrlich zu sein, war Neji gar nicht so übel für einen Snob. Die meiste Zeit hielt er seine Klappe und war daher ertragbar. Sie überlegte, ob sie nicht besser Temari anrief und um Rat fragen sollte, doch sie verwarf den Gedanken schnell wieder als absurd. Als ob Temari mehr von Heirat verstünde. Es klang immer noch wie eine verrückte Idee, doch nach diesen letzten zwei Wochen wusste sie überhaupt nicht mehr, worüber sie so empört gewesen war als Neji sie gefragt hatte. *** Neji war davon überzeugt, dass er nicht mehr viel daran dachte. Von klein auf hatte Neji gelernt, dass das Leben Enttäuschungen in Fülle für einen bereithielt und seine Persönlichkeit hatte eine ähnlich effektive Methode zur Handhabung solcher entworfen wie sie schon zuvor bei dem Umgang mit der Familie getan hatte: Obwohl sein Gehirn unglaublich leistungsfähig war, war er nicht die Sorte Person geworden, die diese Leistungsfähigkeit überall einbrachte. Während die Gehirne anderer Leute in einem konstanten Murmeln vor sich hin ratterten und immer über irgendetwas nachdachten, schien sein Hirn Ruhepausen zu haben. Neji mochte keine Konfrontationen und das hatte sein Hirn vor langer Zeit herausgefunden. Statt Neji also mit all den Gedanken zu konfrontieren, die das Hirn an einem Tag so abarbeitete, versuchte es diese vor ihm zu verstecken und nur zu präsentieren, wenn es nützlich war. So kam es zum Beispiel, dass Neji die perfekte Lösung auf einem Silbertablett entdeckt hatte und noch in derselben Sekunde „Heirate mich“ gesagt hatte. Dass die perfekte Lösung binnen einer Sekunde in seinem Kopf aufgetaucht war ohne, dass er sich vorher mit dergleichen beschäftigt hatte, nannte er also ‚leistungsstark’ und sein Gehirn nannte es gutes Timing. So kamen die beiden ganz gut miteinander klar. So ließ es sich einfacher mit der Enttäuschung leben, dass sein Onkel ihn einfach nicht in ruhe lassen wollte und auch damit, dass sein Antrag mit einem wütenden davonstürmen quittiert wurde. Als Tenten jedenfalls am zweiten Tag an ihn herantrat und fragte „Ehrlich jetzt – War das ernst gemeint?“ wusste Neji sofort worüber sie sprach und auch, dass es tatsächlich ernst gemeint war. Diese Sicherheit, so sagte er sich selbst, derivierte daher, dass er so ein leistungsstarkes Hirn hatte, das diese Entscheidungen binnen einer Sekunde mit absoluter Sicherheit fällen konnte. Es hatte selbstverständlich nichts damit zu tun, dass in den dunklen Hinterkammern seines Kopfes seine Gedanken schon die ganze Zeit dieses Problem bearbeitet hatte und nicht für einen Augenblick aufgehört hatte über Tenten nachzudenken. Aber eins konnte er nicht vorhersehen. Nämlich, dass der nächste Laut aus seinem Mund Nejis Leben komplett auf den Kopf stellen würde: „Ja“, antwortete er. Sie war erstaunt wie schnell er sicher sein konnte. Da war keine einzige Gefühlsregung in seinen Augen. Sie glaubte, mit diesem Kerl konnte sie arbeiten. „Was immer, wo immer ich will?“, ließ sie sich versichern und er antwortete sofort mit seiner bekannten Bestimmtheit: „Ja.“ Sich vornehmend sich später den Kopf über die Details dieses absurden Geschäfts zu zerbrechen, hielt sie sich gerade noch davon zurück in die Hand zu spucken, bevor sie sie ihm offerierte. Er schlug ein und wandte sich danach sofort ab. Ein wenig überrumpelt kam sie zu dem Schluss, dass es vorerst wirklich nichts mehr zu sagen gab und wandte sich ebenfalls zum Gehen, um an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Was sie nicht mehr mitbekam war, dass Neji ein Klemmbrett aus seiner Arbeitstasche nahm und einen einzigen Namen in eine vollkommen leere Kategorie eintrug, weil er die Dinge gern richtig und vollständig erledigte. Er hatte es gefunden: Das kleinste Übel. Zu Hause würde er außerdem einen Haken hinter den Worten ‚eine Braut finden’ machen auf einer Liste, die noch andere seltsame Punkte enthielt wie ‚Polizeichef werden’. Kapitel 2: Die Zeremonie ------------------------ Vorschau: Hochzeitsnachtformalia & „Wenn er zu klein ist, kann ich ihn vergrößern lassen“ Die nächsten vierundzwanzig Stunden erlebte sie wie in einem Traum. Das war kein großes Problem, denn Leute, die glauben, dass das Leben eines Polizisten aufregend ist und jeden Tag von mehreren, rasanten Verfolgungsjagden geprägt ist, liegen falsch. Eine richtige Verfolgungsjagd geschah in Konoha-Gakure mit Glück vielleicht alle sechs Monate und dann musste man sich die restliche Zeit mit dem Papierkram herumschlagen, den so ein organisatorisches Chaos nach sich zog. Dann musste man noch seine Patrouillestunden abarbeiten, dabei irgendwelchen Kindern erklären, weshalb gerade die Drogen, die sie in ihren Hosentasche mit sich herumtragen, verboten waren, darauf nach Hause gehen, die Rechnungen bezahlen und schlafen. Trotzdem, sagte sich Tenten immer wieder, irgendwer musste diese Arbeit machen und je weiter man aufstieg, desto wichtiger wurde man. Deshalb wollte sie Ballistik studieren. Wenn man spezifische Weiterbildung genossen hatte, war es einfach aufzusteigen; vielleicht sogar in eine Spezialeinheit versetzt zu werden. Während ihres Traumtages konnte sie sich nicht ganz einig werden, was als nächstes geschehen würde. Sie hatte zugestimmt einen Mann wegen seines Geldes zu heiraten. Was nun? Natürlich erscheint es eher offensichtlich – heiraten, aber so offensichtlich war es nun auch nicht. Wo, wann? Wem müssten sie es erzählen? Würde es irgendwelche Komplikationen geben? Würde man merken, dass sie sich nicht liebten? Müssten sie ewige Liebe und Treue schwören? Tenten wusste es nicht. Sie hatte nämlich noch nie geheiratet. Zumindest das Problem löste sich, denn Neji sprach sie an. Auf dem Weg zu ihrer alten Klapperkiste hörte sie plötzlich schnelle, schwere Schritte hinter sich auf dem Parkplatz und wusste nicht, ob sie erleichtert aufatmen sollte oder nicht als sich herausstellte, dass es Neji war, der sich ihr da näherte. „Nächste Woche Freitag“, teilte er ihr mit und sie nickte. Als sie ihn weiterhin ansah, öffnete er die Lippen noch einmal und heraus kam: „Ich konnte uns für nächste Woche Freitag einen Termin besorgen. Neun Uhr. Wenn du keinen Trauzeugen hast, wird dir einer gestellt.“ Er schien zu überlegen, möglicherweise rätselte er auch über den Grund, weshalb Tenten noch immer mit geradem Rücken vor ihm stand. „Du musst deinem Chef nicht sagen, was du beim Bürgermeisteramt machst, solange du ihm den Termin nennst, sodass er anrufen und sich das bestätigen lassen kann.“ Und damit schien er endgültig ausgepresst zu sein. Wahrscheinlich hätte er nicht mehr Wörter aus sich herausgekriegt, wenn sein Leben davon abgehangen hätte. „Gut“, brachte Tenten endlich hervor und begann auf ihrer Lippe herum zu kauen, weil die Situation nicht mehr nur komisch war, sondern auch langsam etwas unangenehm wurde. Um in gewohnte Gewässer einzuschiffen, sagte sie also: „Nächsten Dienstag … dann?“ Sie blickte ihn fragend an. „… laufen gehen, du weißt schon…“ Sie bemerkte, dass sie Wirrwarr stammelte und hielt den Mund. Mit einem deutlichen Nicken verabschiedete er sich und hastete über den Asphalt davon. „Huh!“, machte Tenten ironisch als sie in ihren Wagen stieg. ‘Gutes Mädchen, du hast dir endlich ein Hochzeitsdatum ausgesucht!’, dachte sie sich dabei. *** Der Dienstag verlief relativ normal: In etwa so als würde sie die Runden nicht ausgerechnet mit ihrem Verlobten drehen. Dann stand auch schon der Freitag vor der Tür. Tenten glaubte nicht, dass Neji sich herausputzen würde, doch sie konnte sich nicht sicher sein und anrufen konnte sie ihn auch nicht. Wenn sie doch nur früher darüber nachgedacht hätte, was sie zu ihrer Hochzeit tragen würde! Viele würden dies eine vollkommen überflüssige Überlegung nennen: Ein weißes Kleid natürlich! Was sonst!? Aber sogar diese Leute würden eventuell zugeben müssen, dass die Dinge in diesem Fall nicht konventionell zu lösen waren. Sie entschied sich für einen Anzug, den sie trug, wenn sie vor Gericht aussagen musste. Jener bestand aus einer roten Bluse, einem grauen Blazer, einem grauen knielangen Rock, schwarzen Lackschuhen mit Absatz, einer Clutchhandtasche und einer Perlenkette. Sie fand das Outfit sorgte dafür, dass sie einen glaubwürdigen Eindruck machte und obwohl sie wusste, dass Liebe kein Beweismittel war, das man in eine Plastiktüte packen und später dem Richter vorzeigen konnte, war es ihr doch ein inneres Bedürfnis glaubwürdig auszusehen. Sie betrachtete das bisschen Make-Up, das sie besaß und tuschte sich die Wimpern, zog schwarze Linien direkt über ihren Wimpern und trug einen dunklen, aber nicht zu dunklen (wie Temari es ausdrückte) Lippenstift auf. Mit hochgesteckten Haaren, fand sie, war sie perfekt zum Heiraten sowie zum Aussagen gegen einen Serienmörder gekleidet. *** Neji stand an dem Morgen nicht anders als an anderen Tagen auf und wäre gar nicht auf eine andere Idee gekommen als einen Anzug zu tragen. Schließlich würde er vor die Hokage, also die Bürgermeisterin, treten. Weil sein Gehirn so leistungsfähig war, entschied es binnen einer Sekunde, eine Kamera mitzunehmen. Und zwar gar nicht, weil es sich schon die ganze Wochen Sorgen darum gemacht hatte, wie er seinem Onkel beibringen würde, dass er sich vor seiner Nase weggeheiratet hatte, noch dazu an jemanden, der vorher nicht gründlich überprüft worden war. *** So waren beide also zufrieden als sie den jeweils anderen um viertel vor neun am Bürgermeisteramt antrafen und feststellten, dass er angemessen gekleidet war. Beide konnten alle Papiere vorzeigen: Identifikation, Geburtsurkunde, Wohnsitz, Staatsangehörigkeit, blah, blah, blah. Dann war es so weit. Neun Uhr. Die imaginären Hochzeitsglocken läuteten! Beim Eintreten ins Büro passierten sie ein Pärchen im Imbegriff zu gehen. Die Frau trug überraschende Kleidung in vielen Farben und Make-Up, das den Eindruck erweckte dezent auszusehen, aber ahnen ließ, dass sehr viel Können und Planung hinein geflossen waren. Außerdem trug sie eine modische Frisur, die sie aber mit einem Gemisch aus Rot und Blond gefärbt hatte, das für eine interessante Strähnchengebung sorgte. Im Prinzip konnte man alles an ihr, fand Tenten im Vorbeigehen, … zumindest interessant nennen. Der Kerl sah für eine Sekunde wie der berühmte Sasuke Uchiha aus, mit seinem Anzug und den pechschwarzen Haaren. Als die frisch Verlobten, doch leider gar nicht frisch Verliebten, Neji und Tenten, eingetreten waren und sich der imposanten Hokage gegenüber sahen, wurde die Angelegenheit sehr real. Die Hokage schien zudem Neji eine Sekunde lang abwartend oder abzuschätzen anzugucken, doch als nichts geschah, pfiff sie das andere Pärchen, das im Flur stand und leise miteinander redete, wieder herein. Beinah unwillig traten sie ein. Neji sah aus als wollte er etwas sagen, aber wie so oft, war dem wohl doch nicht so. Tsunade fragte das Pärchen gerade, ob es nicht Trauzeuge für zwei offenbar vollkommen unbekannte Menschen sein wollte und es antwortete mit „ja“. Was Tentens Meinung nach nur daran lag, dass Tsunade wahrscheinlich die Arbeitgeberin der interessanten Frau war und der Kerl nur mitzog. Als die Frau sich gerade auf Tentens Seite gestellt hatte und die würdevolle Bürgermeisterin mit ihren platinblonden Haaren und kirschroten Lippen einen Ehevertrag auf dem Schreibtisch ausgebreitet hatte, geschah etwas höchst Seltsames. Sogar für so eine seltsame Hochzeit seltsam. Ein brüllendes Bündel kam den Flur entlang gerannt, sprang in den Raum und schmiss die Tür hinter sich zu. Es stellte sich heraus, dass es ein Mann war, der vollkommen außer Atem war. „Trauzeuge meldet sich zum Dienst“, schnaufte er. Schnell wurden ihm und den beiden anderen die Papiere gegeben (das Sasuke-Double dachte sich wohl, wo er schon einmal hier war, würde er auch die Trauung einfach mitbezeugen) und so fragte Tentens Bräutigam im Beisein von drei ihr vollkommen unbekannten Leuten: „Bereit?“ Und sie antwortete allen Ernstes mit einem seriösen „Ja, klar.“ Und so hatte Tenten Neji geheiratet. Sie unterschrieben die Dokumente, die besagten, dass Tenten Minazuki nun Tenten Minazuki-Hyuuga hieß und dass sie per Gesetz aneinander gebunden waren bis sie starben oder eine Scheidung erwirkt werden würde. ‘Yippie!’, dachte Tenten ironisch, die glücklicherweise nicht zu den Frauen gehörte, die sich von Klein an ihren Hochzeitstag ausmalten. Was als nächstes geschah, überraschte sie allerdings. Nicht, dass das Flurpärchen sofort verschwand, nachdem sie die Bezeugung unterschrieben hatten – das überraschte sie überhaupt nicht. Sondern vielmehr, dass Neji in seine Anzugstasche griff und einen winzigen goldenen Ring hervorzauberte. Sein einziger Kommentar war „Wenn er zu klein ist, kann ich ihn vergrößern lassen“. Dann steckte er ihn ihr zeremonienlos an den Ringfinger. Einfach so, ohne zu fragen. Auch für sich selbst hatte er einen und zum Glück bestand niemand darauf, dass Tenten ihm diesen ansteckte. Denn alles, wozu sie sich in der Lage sah, war das kleine glitzernde Symbol der Ewigkeit anzustarren. Ihre Entscheidung begann endgültig einzusinken als hätte sie nicht nur den ersten Tag ihrer Verlobung, sondern die ganze Woche in einer Art Traum verbracht. Aber langsam erwachte sie und fragte sich wie viel einer dieser gold glänzenden Schmuckstücke wohl wert war. Dann sprang der Mann, der hierher gerast war, wieder ins Bild. Und zwar presste er sie in Nejis Arm und wartete geduldig darauf, dass beide ein passables Lächeln aufgesetzt hatten, um ein Bild zu machen. Es zeigte deutlich, dass die Umgebung das offizielle Büro der Hokage war. Ein kleines Extra war zudem, dass man die Ringe an den Händen sehen konnte. Allerdings kam das nicht von ohne. Der seltsame Treuzeuge hatte vor dem Schnappschuss Tentens Hand vortrefflich auf der Brust des Bräutigams und Nejis Hand auf der Hüfte der Braut platziert. „Voilá“, machte er und gab die Kamera zurück in Nejis Obhut. Mit einem großen Grinsen in Tentens Richtung verabschiedete er sich und machte sich schnell, aber etwas langsamer als bei seinem Ankommen, auf den Weg zurück. Wo auch immer er hergekommen war. Als sie an dem nächsten Brautpaar vorbei das Büro verließen, fiel Tenten auf, dass jene eng aneinander gepresst gingen und von einem Ohr zum anderen grinsten. Ein solches Bild hatten sie und Neji definitiv nicht abgegeben Statt sich weitere Gedanken darüber zu machen, fragte sie lieber: „Wer war der Typ?“ „Er heißt, Lee“, antwortete ... tja ja, ihr frischgebackener Ehemann. Er tat so als würde das ihre Frage beantworten. Er fuhr fort als sie Seite an Seite aus dem Bürgermeisterhaus schritten: „Morgen früh vor der Arbeit habe ich einen Termin mit meinem Anwalt arrangiert, bei dem wir ein Dokument unterschreiben werden, das besagt, dass wir …“ Er zögerte einen winzigen Augenblick und Tenten hatte ein mulmiges Gefühl im Magen und einen Kopf, der sie fragte, warum sie jemanden geheiratet hatte, ohne sich vorher großartige Gedanken über einen guten Anwalt zu machen. „…eine ganz normale Hochzeitsnacht hatten.“ Langsam begann sich eine Routine zu entwickeln. Wann immer Neji etwas sagte, dass auf den ersten Anblick als unheimlich zu empfinden war, wurde es einfach solange von Tenten ignoriert und er angestarrt bis Neji sich noch ein paar weitere Worte für sie abrang. „Eine Heirat kann zurückgenommen werden, wenn man darauf plädiert, dass sie nie wirklich ... in Kraft getreten ist.“ Aha, machte es ‚Klick’ in Tentens Hirn. „Ich werde dir selbstverständlich einen eigenen Anwalt bezahlen, den du dir selber aussuchen kannst und werde dieselben Papiere unterschrieben bei ihm hinterlegen.“ ‘Cool’, dachte Tenten, kam aber zum Schluss, dass sie gern noch mehr hören würde. Also fuhr sie fort zu ihm hoch zu starren, während sie an der Straßenseite standen. Nejis Hirn zeigte seine Brillanz und ließ ihn hinzufügen: „Ich schlage vor, wir treffen uns zum Abendessen, um Details zu besprechen … jetzt, wo die Formalia erledigt sind.“ Ihr Blick schweifte kurz zu dem Ring an ihrem Finger und befand, dass sie den Armen nicht überanstrengen wollte. „Gute Idee“, willigte sie endlich ein und ihre Wege trennten sich bis zum Abend. Kapitel 3: Das Erste Date ------------------------- Vorschau: 'Bitte schmeißen Sie mich nicht 'raus, ich warte auf meinen Mann!' Erst wusste sie nicht, was sie mit dem gottverdammten Ring anfangen sollte, denn sie konnte sich irgendwie nicht dazu bringen ihn auszuziehen, obwohl er ihr ein unglaublich unangenehmes Gefühl einbrockte. Die Kleidung hatte sie ganz einfach ablegen können und das Make-Up war auch nicht wasserfest, aber dieser dämliche Ring … Schließlich schaffte sie es und ließ ihn in ihrem Handschuhfach verschwinden. Vorsichtshalber überprüfte sie zwei Mal, ob der Wagen gut abgeschlossen war. Es erschien ihr seltsam, dass der Rest des Tages ereignislos verlaufen sollte. Hier war sie und hatte geheiratet und trotzdem schien alles wie vorher zu sein. Als sie von ihrer späten Mittagspause zurückkam und eine ihrer Schubladen öffnete, fand sie zu ihrer Überraschung einen Zettel in der kursivsten Handschrift, die sie je gelesen hatte. Dort standen die Adresse eines Restaurants und eine Uhrzeit. ‘Aha, mein Dinnerdate! Und auch noch auf einem gelben Post-it-Zettel, nein, wie romantisch.’ An dem Abend verabschiedete sie sich wie jeden Abend von ihren Kumpel, gab Naruto zudem ein High-Five, und stieg in ihren Wagen. Ab da begann sie von ihrer Routine abzuweichen. Sofort überprüfte sie, ob der Ring noch da war und steckte ihn sich an den Finger. Dann fuhr sie nach Hause und wusste nichts mit sich anzufangen. In der Regel schmiss sie sich auf ihr Bett und guckte ein bisschen fern mit ihrem kleinen Minifernseher oder las ein Buch bis sie einschlief. Heute musste sie zu der Adresse auf dem Post-it-Zettel fahren. Und es war eine Adresse in einer sehr netten Gegend und der Name klang arg nach der Art Restaurant, die Hummer servierte. Wahrscheinlich war es Französisch. Tenten konnte noch nicht einmal nach dem Weg dorthin fragen, denn sie hatte keine Ahnung wie man diese Ansammlung von Buchstaben aussprechen sollte. Sollte sie sich wieder für das Gerichtsoutfit, das nun den Beinamen Hochzeitsanzug trug, entscheiden? Sie überlegte ob sie irgendetwas anderes besaß, das sie nicht im Sonderverkauf ersteigert hatte. Aber da sah es schlecht aus für Tenten. Bis sie sich an das Weihnachtsgeschenk Temaris erinnerte. Da es ein Geschenk gewesen war, war das Preisschild entfernt worden, doch die rote Bluse mit den weiten Ärmeln sah nicht billig aus. Sie entschied sich für den Hochzeitsanzug. Nur wählte sie statt der cremefarbenen Bluse den roten, modischen Fummel ihrer Freundin und verzichtete auf den Blazer. Die nächste Frage war, ob sie Geld abholen gehen sollte. Wollte sie überhaupt so viel Geld für ein Abendessen ausgeben? – Nein! Würde er für sie bezahlen? Würde er für seine Frau bezahlen? Tenten schauderte als sie an den Ring dachte. Vorsichtshalber hob sie fünfzig Euro ab, so viel wie sie gerade entbehren konnte und hoffte, dass ihr das zumindest eine Vorspeise oder einen einfachen Salat bezahlen würde. Vielleicht mit einem Glas Wasser dazu. Im Auto auf dem Weg in die Innenstadt häuften sich noch weitere Probleme: Was würde sie sagen, wenn er nicht vor dem Etablissement auf sie warten würde? ‚Hallo, Frau Hyuuga wartet auf ihren Mann’ oder ‚Hey, ich bin Tenten, bitte schmeißen sie mich nicht ’raus, ich warte auf jemanden’? Ihre Sorgen waren jedoch unbegründet. Nachdem sie endlich einen Parkplatz gefunden hatte und sich eine Blase in ihren Schuhen gelaufen hatte, um zum Restaurant zu gelangen, stand die große, stille Figur im schwarzen Anzug einsam und stocksteif vor der Marquise und schien geduldig zu warten. Ganz ruhig, nicht wie andere, die immer Ausschau hielten oder genervt mit dem Fuß auf den Boden tappten. Sie ging so schnell ihre Schuhe und die Blase es erlaubten zu ihm und machte mit einem Räuspern auf sich aufmerksam. Da Tenten kein Parfum besaß, hatte sie einfach ihr Badezimmer durchwühlt und eine alte Deosprühdose gefunden, die Vanillearoma hatte. Sobald er ihr gewahr wurde machte er eine Geste, dass er ihr den Vortritt ließ und führte seine nach vanilleduftende Frau an anderen wartenden Pärchen vorbei und gestikulierte dem Ober, dass seine Begleitung eingetroffen war. Tenten schwitzte. Noch nie in ihrem ganzen Leben war sie an so einem Ort gewesen. Die einzigen Restaurants, die sie von innen gesehen hatte, hatten laminierte Speisekarten. Dieser Ort sah aus als würde er seine Speisen auf einem mit Seide bespanntem Menü präsentieren. Was auch seltsam war, war wie schnell man sich um die kümmern wollte. Der Ober winkte sofort einen Kellner heran, der alles stehen und liegen ließ, um sie zu ihrem Tisch zu geleiten. Tenten, ohne Ahnung wie man sich zu verhalten hatte, bemerkte erst mit Verspätung, dass Neji nicht bereits vorgegangen war, nur weil er ihr den Vortritt ließ. Vielleicht etwas zu hastig schritt sie dem wartenden Kellner entgegen, der sie wortlos zum Tisch führte. Alle Leute, die hier speisten, waren oder sahen zumindest aus wie Snobs. Der Boden war mit Teppichen belegt und die Wände sahen aus wie Marmor. Hier und dort war kunstvoll irgendeine Deko platziert worden, die Tenten wohl stilvoll genannt hätte, wenn sie jemals genug Geld gehabt hätte, um sich mit Dingen wie Deko zu beschäftigen. Was sie auch befremdlich fand war, dass der Kellner um sie herumwuselte als sie sich setzen wollte, indem er ihr den Stuhl unter den Hintern ruckte und mit seinen Händen nach ihrem Schoß griff – nur um ihr netterweise dort eine Serviette zu platzieren. Doch seltsam war es trotzdem und sie war froh als er weg war. Sie hatte sich gerade von all dieser Seltsamkeit erholt als Neji anfing aufzutrumpfen. „Kein Zurück mehr“, murmelte er und Tenten blickte ihn erschrocken an. Das gelang ihr nicht ganz so gut, weil eine riesige Kerze direkt zwischen seinen Augen prangte. Also versuchte Tenten immer wieder an der Kerze vorbei einen Blick in sein Gesicht zu erhaschen. Sofort war der Kellner wieder da und zündete das verdammte Riesending aus Wachs auch noch an und händigte Menüs aus, faselte etwas, das verdächtig und wie befürchtet nach Französisch klang und entfernte sich auf einen Wink Nejis wieder. „Was meinst du ‚kein Zurück’?“, erkundigte sie sich. Er blickte sie an und schien sich nicht im Geringsten an der Kerze zu stören. „Für mich gibt es kein Zurück mehr. Ich werde meinem Onkel sagen müssen, dass ich geheiratet habe. Bald. Bevor jemand aus diesem Restaurant es tut.“ Ausnahmsweise verstand Tenten von Anfang an, wovon er sprach. Sie hatte genug Filme gesehen. Wahrscheinlich war den Reichen genauso langweilig wie den Adligen in ‚Der Löwe im Winter’ und empfanden ‚Tratschen’ als eine Art Edeldisziplin. Und dann sank die Erkenntnis ein. Nejis Onkel. Eine Person, die sie bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich verdrängt hatte, bahnte sich einen Weg in ihre Gedanken. Dies war der Mann, der große Parties abhielt, zu denen er die Hälfte Konoha-Gakures Oberschicht einlud und obendrein lauter junger Damen als Brautkandidatinnen zu sich gebeten hatte. Als handelte es sich um die Stelle einer Sekretärin und nicht um die Hand seines Neffen. Das schrie geradezu nach Kontrollfreak. Ob sie sich wohl mit ihm würde messen müssen? Wie kam es, dass sie sich vorher noch keine Ge- … Ach ja. Der altbekannte Traumzustand. Tenten ließ einen winzigen Seufzer hören. Sie sollte wirklich aufhören sich das zu fragen. Sie würde eine höhere Bildung erhalten, komme, was wolle. Dann würde sie sich von diesem Hünen scheiden lassen und ihre eigene Karriere starten. Sie könnte alles ertragen, um sich in einen Ballistiklehrkurs zu katapultieren und das war alles, was zählte. Statt dem Versuch nachzugeben die Gesichtszüge ihres Gegenübers zu erörtern, setzte sie ihren Intellekt lieber auf die Speisekarte an. In der Schule hatte sie Latein und Spanisch gewählt. Kein Französisch in Sicht, aber das war nicht so schlimm, denn manche Worte konnte sie trotzdem entschlüsseln. Außerdem half es, den Preis zu sehen. Für dreißig Euro (das Billigste auf der Karte) würde sie, was immer man ihr da brachte mit Gusto verschlingen und jeden Krumen essen, damit es den Preis auch wert war. Über die Getränke jedoch hatte sie keine Macht, denn die hatte Neji so schnell bestellt, dass der Kellner schon fort war, bevor sie überhaupt bemerkt hatte, was vor sich gegangen war. Und Neji hielt es wohl nicht für nötig sie vorher zu konsultieren. Daraufhin wurde ihr etwas höchst Verstörendes präsentiert und zwar schob Neji es vorsichtig um ihre irritierende Lichtquelle herum. Es waren Notizen in derselben kursiven Handschrift wie das Post-it und es schien Terminplan, Verhaltenskodex und Notfallplan, alles in einem, zu sein. Da sie wusste, dass es sowieso Ewigkeiten dauern würde bis Neji sich durchgerungen hatte, ihr etwas zu erläutern, versuchte sie etwas Sinn hinein zu interpretieren, ähnlich wie sie es vorher mit der Speisekarte getan hatte. Mit der er ihr übrigens auch keine Hilfe angeboten hatte. Niedergeschrieben waren verschiedene Kategorien, die wiederum aufgeteilt wurden. Eine der Hauptkategorien war ‚Familie’. Darunter konnte man ‚N.’s und ‚T.’s Familie finden. ‚T.’s Familie war mit einem großen Fragezeichen und keinen Unterkategorien gekennzeichnet. ‚N.’s Familie hingegen wurde unterteilt in ‚Onk.’ Und ‚Rest’. Aus den Notizen glaubte sie zu schließen, dass der ‚Rest’ schwer zu handhaben sein würde, doch dass ‚Onk.’ noch viel schwerer zu handhaben sein würde. Unten auf der Seite waren Daten aufgezeichnet, die in viel zu naher Zukunft lagen als Tenten lieb sein konnte. Die nächste Seite beinhaltete die Kategorie ‚Arbeit’, die nicht unterteilt war, weil sie beide denselben Arbeitsort hatten. Was Tenten sich kompliziert vorstellte, stellte Neji sich einfach vor, denn seine Notiz lautete: ’Wie bisher’ Sie war sich bewusst, dass da noch andere Seiten waren, die Nejis leistungsstarkes Hirn in Windeseile produziert hatte ohne sich diese ganzen Pläne vorher heimlich zurechtgelegt zu haben, aber sie hatte vorerst nicht die Nerven sich die weiteren Kategorien anzuschauen. Als sie endlich aufsah, wurde ihr bewusst, dass Nejis Kopfbewegungen indizieren sollten, dass er ihren Blick zu fangen wünschte. Sie war so gut und gab ihm ihre Aufmerksamkeit. Schließlich war es nicht so als verlangte er oft danach. „Ein Vorschlag.“ Offenbar bemerkte er ohne dass sie ihn lange anstarrte, dass das nicht genug war. Er gab sich also Mühe und formte zusammenhängende Sätze. „Das ist nur ein Vorschlag für unsere Zusammenarbeit. Wenn du nicht einverstanden bist, schlage ich eine kategorienspezifische Diskussion vor. Möglicherweise möchtest du auch einen Ehevertrag mit allen Pflichten aufsetzen, sobald du dich für einen Anwalt entschieden hast.“ Das war wieder viel zu viel Information in einem Satz. Sie betrachtete die erste Seite seiner Aufzählung. „Nächste Woche Mittwoch soll ich deine Familie treffen, weil das … Ich kann deine Handschrift übrigens nicht immer lesen – weil das jemandes Geburtstag ist?“ Er nickte. „Und du hältst es für nötig, dass ich mir dafür neue Kleidung zulege, steht hier?“ „Teurere Kleidung“, korrigierte er und Tenten nickte verständnisvoll. Es war wohl noch nicht richtig eingesickert, aber sie hatte heute Morgen einen sehr respektablen Mann geheiratet. Die Sorte, die man im Restaurant nicht warten ließ und dessen Frau teure Kleider trug. Sie vermutete, dass sein Onkel noch allerhand Probleme machen würde und als sie begriff, dass er auf jeden Fall versuchen würde sie daran zu hindern, das Geld für ihre Ausbildung zu bekommen, fragte sie: „Wie spielen wir deinem Onkel etwas vor?“ So genau war nämlich keine Strategie in seinen Notizen vorgekommen. Er hatte auch keine Ahnung, wovon sie sprach. Sie klappte die Notizen zu, weil sie das Gefühl hatte als wolle die alte Dame am Nebentisch spinxen, obwohl die Tische dafür viel zu weit auseinander aufgestellt waren. „Na ja, hast du einen Zweitnamen, was ist dein Lieblingsessen, dein Lieblingsbuch, hast du irgendwelche Muttermale, über die ich Bescheid wissen sollte?“ Neji, der noch keine handfeste Beziehung betreten hatte, schien überrumpelt. Sogar sein Hirn musste zugeben, dass es Dinge gab, an die es nicht gedacht hatte, und ausgerechnet diese Frau machte es darauf aufmerksam. Neji nahm beunruhigt wahr, dass er keine fertige Lösung parat hatte. Allerdings lief sein Verstand bereits auf Hochtouren, um eine zu produzieren. Jedoch war alles, was er für den Augenblick zustande brachte: „Ich habe ein Muttermal in der Form von Kreta auf meinem Rücken. Linke Seite.“ Tenten wollte gerade eine leere Seite in den Tiefen des Klemmbretts ihres Gatten suchen als das Essen kam. Neji hatte indessen erkannt, dass sein Hirn nicht alles heimlich vorherplanen konnte und machte daher die völlig neue Erfahrung sich bewusst mit einem Problem zu befassen. Aufgrund dieses Prozesses hielt er es für klüger, wenn niemand mitansah wie die frischgebackene Frau Hyuga sich irgendetwas notierte. Er nahm ihr die Materialien dazu weg und sie aßen stattdessen. Tenten genoss jeden einzelnen Tropfen des Weins, von dem sie hoffte, dass Neji ihn bezahlen würde, weil sie sich vage daran erinnern konnte, dass jede Flasche Wein weitaus mehr als ihr Abendessen kosten würde. Aber sie war nicht davon überzeugt, da er selber keinen Schluck zu trinken schien. Nachdem ihr Geschirr abgeräumt worden war, präsentierte man ihnen die Rechnung. Das hieß, eigentlich präsentierte man sie Neji, der zu Tentens Erleichterung alles in die Hand nahm. ‘Fünfzig Euro gerettet!’, freute sie sich. Auf dem Weg aus dem Etablissement, hatte sie schon alles fest im Griff und brauchte nicht erst eine Ewigkeit, um zu realisieren, dass man ihr den Vortritt ließ. Zu ihrer Verwunderung begleitete Neji sie den ganzen Weg bis zu ihrem Wagen, zwar wortlos, aber immerhin. Zum Abschied gab er ihr eine Menge Bargeld. ‘Aha’, das war also das Einkaufsgeld. „Eh, danke“, meinte sie noch und hielt das Bündel umständlich in Händen, bevor sie es sicher wegpackte. „Nein, ich danke.“ Okay, das war ihr auch recht. Sie lächelte dem sich entfernenden stummen Riesen hinterher. Vielleicht würde sie ihn sogar dazu bekommen einmal eine richtige Konversation mit ihr zu führen. Das wäre doch ein toller Vorsatz für ihr Eheleben … Kapitel 4: High Society Vorbereitungen -------------------------------------- Vorschau: "Teuer, mit der Marke gut sichtbar!" Der Termin beim Anwalt verlief ganz wundervoll, fand Neji. Noch vor der Arbeit trafen sie sich in der Kanzlei und unterschrieben die Dokumente. Tenten nahm sich ein wenig Zeit, um sie sich sogar durchzulesen, während Nejis Anwalt sie darüber aufklärte, dass er nun auch gerne ihr Anwalt sein würde, da sie geheiratet hatten. Neji las sich das Dokument nicht vorher durch. Er hatte es sich schon gestern in der Privatsphäre seines Apartments zu Gemüte geführt und fand es sowieso unangenehm über derlei Dinge nachzudenken. Mit zwei Kopien des besagten Dokuments verließ er an dem frühen Morgen seinen Anwalt und neue Frau wieder. Er war ganz eingenommen von ihrer Effizienz … Darauf folgte ein normaler Tag: Er arbeitete hart, füllte alles mit seiner - wie er fand - eleganten Handschrift aus und fuhr am Abend statt zu seinem Apartment zum Anwesen seines Onkels. Das weitläufige Grundstück, das seine nächste Verwandtschaft ihr Zuhause nannte, war ihm nie sehr angenehm und dieses Mal umso weniger, weil die Schutzhülle, die Neji um sein Bewusstsein aufgebaut hatte, um sich vor jedweder allzu starker Emotion zu schützen, langsam zu bröckeln begann. Er entschied sich eher unbewusst und aus Gewohnheit dafür es zu ignorieren als er erst über den Marmorfußboden, dann über den dicken, in elegantem Bordeauxrot gehaltenen Teppichboden der Korridore und schließlich über den dunklen, perfekt gewienerten Holzboden seines Onkels zum Büro schritt. „Ahh, mein Sohn, aber die nächsten Interviews sollen doch erst Morgen stattfinden“, wurde er begrüßt, sobald er ohne die Erlaubnis der Sekretärin eingetreten war. Das dunkle Mahoganiholz, das überall verwendet worden war, erdrückte ihn geradezu. „Gerade deshalb bin ich eher zu dir gekommen“, eröffnete Neji das Gespräch. Sein Ton fiel noch kühler aus als derjenige, der bereits gewöhnlich für seinen Onkel reserviert war. Neji folgte der einladenden Geste des anderen Platz zu nehmen. „Ich will mich nicht zu früh freuen, doch heißt das, du hast eine Entscheidung getroffen?“ Sein armer, ahnungsloser Onkel machte ein aufgeregtes, gar hoffnungsvolles Gesicht. Neji, der kein Händchen für delikate Situationen hatte, rückte direkt damit heraus: „Ja, Onkel. Allerdings kennst du sie noch nicht. Wir haben gestern geheiratet.“ Weil er es für richtig hielt, fügte er mechanisch hinzu: „Ich liebe sie sehr.“ Und weil es ihm noch viel richtiger erschien, hängte er “Sie liebt mich sehr“ ebenfalls an. Allerdings hatte er auch kein Händchen dafür glaubhaft zu wirken. Er überreichte seinem Onkel mehrere Kopien wichtiger Dokumente sowie das Hochzeitsfoto aus dem Büro der Hokage mit den Ringen, die die Sache endgültig machten. Statt ein Donnerwetter loszuwerden, wurde sein Onkel sehr still, lehnte sich in seinem ledernen Drehsessel zurück, verschränkte die Arme und zog eine Augenbraue in die Höhe. Lange sagte er nichts. Dann wagte er einen Blick auf die schüchtern dreinblickende, junge Frau mit der dunklen Komplexion zu werfen, die im Bild auf dem Schreibtisch von seinem Neffen im Arm gehalten wurde. Er schien wohl zu überlegen wie er am besten mit dieser neuen Erkenntnis umgehen sollte. Er wusste, Neji war nicht ungewillt jedweder Konfrontation aus dem Weg zu gehen und war ein Meister darin die Wünsche seines Onkels einfach zu umgehen, indem er die delikaten Nuancen jener einfach ignorierte. Der Grund, weshalb er Neji verheiratet wissen wollte war der, dass er ihn gut verheiratet wissen wollte. Mit einer Dame von Stand, die ihn und seine Familie in Gesellschaft nicht blamieren würde oder für ungewollte Schlagzeilen sorgte. Obwohl Neji nie Probleme mit der Presse gehabt hatte, weil er einfach nicht interessant genug dafür war (keine Drogenexzesse, keine Prostituierten etc.), lebte das Oberhaupt des Hyuga-Clans in ständiger Sorge, dass sein Neffe jemanden heiraten würde, der vollkommen unpassend und dazu weitaus interessanter für die Presse wäre. Oh ja, er hatte von den Söhnen anderer reicher Männer gehört, die hingingen und Prostituierte oder Schauspielerinnen heirateten, was in seinen Augen so ziemlich das gleiche war, und dann noch dazu das ganze schöne Geld für sie ausgaben. Allerdings war er sich nicht sicher, was geschehen würde, wenn er Neji befahl die Scheidung einzureichen. Er glaubte dem ‚ich liebe sie sehr’ zwar nicht, aber Neji war schließlich auch nicht davon abzubringen gewesen zur Polizeiakademie zu gehen. Er entschied erst einmal die Ausmaße der Katastrophe zu überblicken. „Ist sie eine … Schauspielerin?“ „Nein“, antwortete Neji. Nejis Onkel fragte sich, weshalb sein Neffe ihn nicht über den Beruf seiner … ach herrje, neuen Ehefrau informierte, kam aber zum Schluss, dass das nur an dessen Art lag nichts ungebeten preiszugeben. Vielleicht war sie ja gar keine Prostituierte. „Welchen wunderbaren Beruf hat denn deine … liebreizende Frau?“ Nun beugte er sich weit über den Tisch und starrte seinem Neffen, den er konsequent Sohn nannte, in die Augen. „Wir sind Kollegen.“ Oh je, eine einfache Polizistin? „Und … wie lange geht das mit euch schon?“ Neji brauchte nicht zu überlegen, denn diese Frage hatte sein Hirn vorhergeahnt und daher eine brauchbare Antwort entwickelt. „Sechs Monate.“ Es hatte einfach die Zeit genommen, in der Neji und Tenten sich zu den gemeinsamen Sportstunden getroffen hatten und hatte sie zu der Zeit, in der sie ihre ausgedachte Romanze entwickelt hatten, umgewandelt. „Und du hast nicht gedacht, dass deine Familie vielleicht gern an diesem andächtigen Erlebnis in deinem Leben teilgehabt hätte?“ „Doch, aber sie ist eine Waise und daher wäre es ihr höchst unangenehm gewesen zu heiraten ohne Verwandtschaft auf ihrer Seite und so überaus viel Verwandtschaft auf meiner.“ War das Leben nicht herrlich mit so einem tollen Hirn? „Ach so, ja, ja … Das ist verständlich.“ Diese Heirat war eine harte Nuss, doch Nejis Onkel liebte es harte Nüsse zu knacken. Das knirschende Geräusch, wenn die Schale zermalmte, war immer so befriedigend. „Ich werde sie offiziell nächste Woche auf Tante Muriels Geburtstag präsentieren“, volontierte Neji. ‘Aha...’, dachte der Onkel, ‘...höchst interessant. Der Junge geht in die Offensive.‘ Und damit war das Treffen vorüber. *** Die nächste Woche verbrachte sie mit durchwachsenen Gefühlen. Das Treffen beim Anwalt war sehr unangenehm gewesen. Tenten versuchte sich die Papiere durchzulesen, aber im Prinzip wurde auf eine sehr fachsimplerische Weise gesagt, dass sie mit Neji geschlafen hatte und dass sie deswegen von Rechtswegen her durch und durch verheiratet waren. Zum Abschied gab sich das Ehepaar die Hand. Seine riesigen Hände wirkten wie Bärenpranken, wenn sie Tentens Finger umschlossen. Ein weiteres negatives Erlebnis war, dass sie ihren neuen Personalausweis in einer ihrer Mittagspausen abholen musste, auf dem ihr Name mit dem Anhängsel ‚Hyuuga’ versehen war, aber zur gleichen Zeit dachte sie auch mit Vorfreude an all die verschiedenen Universitäten. Interessiert hatte sie sich durch alle Internetseiten gewühlt, sich für alle Schnuppertage angemeldet und nicht einen Blick auf die Gebühren geworfen. Allerdings hatte sie sich auch um einen Anwalt kümmern müssen. Sie hatte gar nicht gewusst wie man anfing nach einem Anwalt zu suchen und daher hatte sie schlichtweg in einer Mittagspausen laut gefragt: „Hey, Leute, kennt einer von euch ‘nen guten Anwalt?“ Erst blickte man ratlos um sich, doch schließlich meldete sich doch jemand. Es war Kiba aus der Drogenfahndung. So kam es, dass Tentens simple Frage zu Tage förderte, dass Kiba sich von seiner Frau scheiden ließ und dass sein Scheidungsanwalt einer Firma angehörte. Tenten horchte auf. Scheidungsanwälte setzten die besten Eheverträge auf. Nach ein paar diskreten Fragen hatte sie in Erfahrung gebracht, dass der Anwalt einen vortrefflichen Ruf hatte und noch dazu alle möglichen Fälle annahm. Denn natürlich konnte Tenten nicht preisgeben, dass sie ebenfalls einen Anwalt bräuchte, der sich mit Eheverträgen auskannte. Sobald er ihr Name und Telefonnummern der Firma aufgeschrieben hatte, heulte er ein bisschen, doch das war Tenten ganz recht. Allen anderen war das unangenehm, sodass sie sich einer nach dem anderen verpissten statt Tenten zu fragen wofür ausgerechnet sie einen Anwalt benötigte. Leider war der arme Mann so voll gebucht, dass er ihr erst einen Termin für übernächste Woche geben konnte. ‘Naja, sei’s drum …’, dachte Tenten und beließ es dabei. Nach der Anwaltkatastrophe geschah diese Woche unverhofft doch noch etwas Positives: Sie hatte endlich das Ringproblem gelöst. Aus einer verkümmerten Schmuckdose (Eigentlich war es ein Pappkarton mit ein bisschen falschem Silber und der Gerichtstags-/Hochzeitsperlen drin) zauberte sie eine Kette, an der sie den Ring am Körper tragen konnte. Erleichtert darüber, dass sie das Risiko das teure Schmuckstück zu verlieren effektiv minimiert hatte, ging die Woche als verheiratete Frau schneller vorüber als gedacht. Endlich kam der Montag und Tenten saß mit einer Styroportasse Eistee in ihrem Wagen und betrachtete Modeheftchen bevor sie zur Arbeit ging. Statt auf die Filmstars zu achten, versuchte sie ihre Aufmerksamkeit auf diverse Frauen von diversen Präsidenten oder die Adelsfamilien zu lenken. Elizabeth II kannte Tenten ja gerade noch, aber all die Mechthilds und Beatrix’ waren ihr vollkommen fremd. Doch sie trugen allesamt eine Menge lächerlicher Hüte. Sie nahm sich vor sich nach der Arbeit noch einmal damit zu beschäftigen. Am Ende ihres Arbeitstages, schmiss sie alle Hefte entnervt zur Seite, zog ihren Ring über und fuhr in die Stadt. Als sie so die Straße mit all den Geschäften entlang wanderte, hielt sie an dem ersten Geschäft, aus dessen Eingang Parfum und Musik strömte und das einen edel gekleideten Bodyguard sein Eigen nannte. Unter misstrauischen Blicken wagte sie sich hinein, zeigte einer der Damen ein bisschen von Nejis Geld und stellte sich vor: „Ich habe gerade reich geheiratet und mein Mann möchte, dass ich etwas Passendes finde, um mich seiner Familie zu präsentieren.“ Die Dame tat so als wäre es das normalste der Welt sich so vorzustellen und begann sie in eine Abteilung zu führen, die man ruhig mit ‚konservativ’ hätte betiteln können. In Wirklichkeit hieß sie aber ‚business elegant’. Die Verkaufsdame fragte mit freundlicher aber bestimmter Stimme nach ihrem Stil und Tenten antwortete „Teuer mit der Marke gut sichtbar.“ Das empfand sie wohl als völlig legitim, denn sie schickte Tenten ohne gehässigen Kommentar mit gleich mehreren Kostümen in die nächste Umkleide. Drei konnte Tenten nicht dazu bewegen über ihre Hüften zu rutschen, weil ihr Hintern im Weg war, die nächsten zwei kratzten, eins hatte seltsame Bömmel, die sie störten, weil sie mit jeder Bewegung gegen ihre Brüste peitschten und das letzte passte endlich. Der Schatz kostete sie vierhundert Euro. Das hieß, er kostete Neji vierhundert Euro. Man packte es für sie in einer Art Plastikfolie ein und gab ihr einen Kleiderbügel. Dann musste sie das dämliche Ding die ganze Straße bis zu ihrem Wagen tragen, wo sie es umständlich befestigte. Sie hätte die Dame gerne gefragt wie sie das Kostüm waschen sollte, hatte dann aber so eine Ahnung, dass man das nicht tat und hatte es gelassen. Wahrscheinlich gab man es in die Reinigung. Zu Hause angekommen verstaute sie den cremefarbenen konservativen Traum in ihrem Schrank, wo er sich sehr einsam fühlte, weil er von jeder Menge Billigjeans eingekesselt wurde. *** Neji war etwas früher gekommen ohne sich im Klaren darüber zu sein, weshalb. Deshalb stand er auch schon fertig in Sportkleidung da als Tenten ankam. „Muss mich nur noch kurz umziehen.“ Damit war sie verschwunden, aber ein paar Minuten später auch schon wieder da. Als sie ihre erste Runde in trauter Verschwiegenheit beendet hatten, war Neji offenbar fertig damit die metaphorischen Scharniere seines Kiefers zu ölen und bereit sie mit Informationen auszustatten. Es klang fast so als würde er etwas Auswendiggelerntes herunterrattern: „Meine Eltern sind in einem Autounfall umgekommen; ich lebe seit ich sieben bin bei meinem Onkel. Er nennt mich Sohn. Es ist der Geburtstag meiner Tante Muriel; sie gehört zur Verwandtschaft auf Mutters Seite. Unsere Hochzeit haben wir nicht groß gefeiert, weil du keine Familie hast und es allgemein anerkannt ist, dass das eine traurige Tatsache ist, die aus Gründen des Respekts für deine Person nach einer kleinen Feier verlangt; wir sind seit sechs Monaten zusammen. Wir nennen uns ‚Schatz’, ich habe im Park um deine Hand angehalten, wir lieben uns sehr.“ Er warf der überfallenen Tenten einen kurzen Blick zu als wartete er auf Bestätigung. Überrumpelt von all diesen Tatsachen, schenkte sie ihm ein ironisches Lächeln und kommentierte „Im Park, ach ja, ich erinnere mich. Wie romantisch das war, Schatz!“ Er warf ihr nur ein Stirnrunzeln zu, welches verriet, dass er immer noch auf eine Art Bestätigung ihrerseits wartete, die er als eindeutig verstehen konnte. Sie nickte brav. Dann wurde der ungewohnte Redeschwall tatsächlich weitergeführt. Sie wusste gar nicht, wo Neji den ganzen Atem beim Laufen hernahm. „Wir haben uns auf der Arbeit kennen gelernt. Du hast Kaffee über mich geschüttet. Eine nähere Untersuchung von Liebeskomödien zeigt mir, das ist sehr romantisch?“ Wieder ein Nicken ihrerseits. Sie lächelte, denn sie musste zugeben, dass sie seinen Elan bewunderte. Sie hätte nicht gedacht, dass er so viel davon in ihre besondere Situation an den Tag legen würde. Sie hätte ebenfalls nicht gedacht, dass er sich jemals eine RomCom antun würde. „Unser Lieblingsfilm ist … Mein Lieblingsessen ist …“ und so weiter. Nachdem sie am Ende nass geschwitzt waren, kramte Tenten in ihrem Wagen nach dem übrig gebliebenen Geld und einem Notizblock. Ihren Fund stolz präsentierend übergab sie ihm das Restgeld und schrieb all die Richtlinien für etwaige Konversationen für den morgigen Tag auf. „Was war noch ‘mal dein Lieblingsessen? … Und gehen wir gerne oder nicht gerne ins Kino?“ „Lachs mit Orangenmarinade und nein, wir bleiben lieber zu Hause.“ „Und wir sind noch nicht zusammengezogen, weil unser Job so stressig ist? Das kaufen sie dir ab?“ Neji erwiderte nichts. Als Tenten im Gras Platz nahm, nicht unweit von der wirklichen Stelle, an dem er mehr oder weniger um ihre Hand angehalten hatte, setzte er sich ebenfalls. Sie kaute auf ihrer Lippe als sie den Haufen an Informationen durchging. Da fiel ihr etwas auf. „Musst du nicht auch etwas über mich wissen? Sicherlich werden sie dich doch nach mir ausfragen?“ „Du bist eine Waise und arbeitest als Polizistin.“ „Ach so.“ Klar, was musste man denn auch schon mehr über die Frau wissen, die ein Familienangehöriger soeben geheiratet hatte? Ob noch mehr Aasgeier sich über das Vermögen hermachen würden und wie viel Vermögen sie selbst in die Verbindung brachte war sicherlich ausreichend, dachte Tenten etwas säuerlich. „Und du kaust bei jeder Gelegenheit auf deiner Lippe.“ ‘Huch’, dachte Nejis ungewohnt. Das hatte er abgespeichert, falls es irgendwann einmal wichtig sein würde, aber warum es gerade jetzt herausgerutscht war, konnte er sich nicht erklären. Sie lächelte allerdings. „Ich schätze, das reicht erstmal an Intimwissen.“ Sie zwinkerte. „Ich habe übrigens keine Muttermale.“ Neji nickte. Dann übergab er ihr etwas, das er ihr eigentlich schon die ganze Zeit hatte geben wollen. Es war eine Kreditkarte. Tenten starrte das kleine Stück Plastik dämlich an, bevor sie zu ihrer bewährten Methode überging, ihn dümmlich anzustarren bis er sich erklärte: „Du bist jetzt als meine Frau auf einem meiner Konten eingetragen, damit du in Zukunft nicht immer Bargeld mitschleppen musst.“ Tenten nahm das glänzende Stück entgegen. Mit einem unguten Gefühl betrachtete sie es. Bargeld war ihr viel lieber. „Ach, übrigens …“, fiel ihr bei dem Gedanken an Geld ein. „Hier ist die Rechnung und dafür habe ich eine Handtasche, eine Bluse, einen Blazer und einen knielangen Rock in Cremefarben gekauft, alles mit der Marke diskret, aber nicht zu diskret sichtbar.“ Neji verstand nicht viel von Frauenkleidung, war aber zufrieden als er ‚knielang’ vernahm. Allerdings war ihm bewusst, dass Frauen in der Regel Schuhe trugen und etwas, das sie Frisur nannten sowie Schmuck, abgesehen vom Ehering. Diesen bemerkte er nebenbei an an ihrem Finger. Geistesabwesend strich er über seinen eigenen an der linken Hand. Er hielt es für eine gute Strategie den Ring so viel wie möglich zu tragen, damit er sich daran gewöhnte und ihn nicht in entscheidenden Situationen vergaß. Er deutete auf die Kreditkarte und erkundigte sich nach „Schuhe und Frisur?“. ‘Ach, du Scheiße’, dachte Tenten und fühlte sich überfordert. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Die einzigen Schuhe mit Absatz, die sie besaß, waren ihre schwarzen Gerichtstag- /Hochzeitspumps und ihre Haare hatten wahrscheinlich Spliss. Sie wusste nichts über die Spezies der Hochreichen, aber sie vermutete, dass sie mit Vergrößerungsgläsern in den Augen eingebaut zur Welt kamen, um die Haarspitzen ihrer Schwiegertöchter zu inspizieren. Das hieß also, morgen würde sie noch Schuhe kaufen müssen und sich die Haare schneiden lassen. Eine Ehefrau zu sein war echt stressig. *** Die Frau am Telefon änderte ihre Meinung als Tenten ihr das größte Trinkgeld aller Zeiten versprach, wenn sie sie noch dazwischenquetschen könnte. Also raste Tenten in ihrer Mittagspause in die Stadt und ließ sich die Haare schneiden. Da Tenten das sonst nie tat, weil Frisöre zu viel Geld kosteten (vierzehn Euro, um die Enden zu trimmen! Vierzehn Euro!) hatte sie keine Ahnung, was sie erwartete. „Wie hätten sie’s denn gerne?“ Ein wenig überrascht fragte Tenten: „Wie bitte?” Aber die Dame starrte sie im Spiegel nur an. Also versuchte Tenten es mit ”Uhm, kürzer, gesünder, passabler?“ und endete schließlich mit „Gepflegter?“. „Dann wollen Sie, dass wir auch waschen?“ Eigentlich nicht, aber offenbar war ihr Haar nicht das, was die Frisöse unter ‚gepflegt’ verstand. Also wurde Tenten auf ihrem Stuhl herumgewirbelt, ihr Nacken auf einem Polster abgelegt und der Kopf zurückgezogen, damit die Dame Shampoo über einem Becken in ihre Kopfhaut einmassieren konnte. Noch nie so intim an ihrer Kopfhaut berührt, war Tentern das erstmal unangenehm. Außerdem kniff sie beim Auswaschen die Augen zusammen, weil sie glaubte, dass ihr Wasser ins Gesicht laufen würde, wenn die Frisöse den Hahn erhob. Aber Tenten hätte sich keine Sorgen müssen, denn ihre Wäscherin war professionell und beschützte ihre Stirn und somit ihre Augen mit einer Hand vor dem fließenden Wasser. Offenbar würde Nejis Karte auch für eine Kur bezahlen, die sie gerade einwirken lassen musste, während sie ungeduldig auf die Uhr starrte. Dann endlich begann das Schnippeln. Schnipp, schnapp, schnipp, schnapp. „Strähnchen?“ „Eigentlich lieber nicht – das heißt, nein, nein, auf gar keinen Fall!“, betonte sie, weil sie einige Horrorgeschichten von Frauen gehört hatte, die auch mit ‚eigentlich lieber nicht’ geantwortet hatten. Und dann ging das Föhnen los, welches Tenten schon wieder veranlasste die Augen fest zusammen zu kneifen. Aber alles in allem, war der Friseurtermin nicht so schlimm verlaufen wie sie erwartet hatte. Sie hatte sogar noch ein wenig Zeit übrig, um die Straße hoch zu rasen und einen Schuhladen nach den teuersten cremefarbenen Schuhen mit Absatz zu fragen, die sie in ihrer Größe hatten. Nach dieser abenteuerlichen Mittagspause war es wunderbar sich wieder an ihren Schreibtisch zu setzen. Mit Freude füllte sie einen Bogen für einen betrunkenen Obdachlosen aus. Den hatte sie über Nacht einsperren lassen, weil er sonst vermutlich vor ein Auto gelaufen wäre. Als sie nach längerer Schreibtischarbeit aufsah, erkannte sie, Naruto, der auf sie zukam. Sie schaute zu ihm hoch. „Was gibt’s?“ „Ich habe einen Coupon für Chili’s. Kiba und ich gehen hin, hast du auch Lust?“ „Klar, wann denn?“ „Heute Abend?“ Tentens Lächeln gefror. ‘Uhhhh …’, dachte sie hecktisch. „Tut mir leid. Heute hab’ ich schon was vor. Wie wär’s mit morgen?“ „Klar, cool.“ Er gab ihr die Daumen hoch und schlenderte davon. “Das war knapp”, mutmaßte sie murmelnd, nachdem er außer Hörreichweite war Sie hoffte, dass Nejis Termine sie nicht zu sehr von ihrem Privatleben fernhalten würde. Sie sah sich an ihrem Arbeitsplatz um. Der Großteil ihrer restlichen Kollegen arbeitete ebenso fleißig wie sie und schienen vollkommen unwissend, was Tentens großes Geheimnis anging. An und für sich stimmte sie das sehr glücklich, doch ein bisschen wurmte es sie schon, dass niemand ihren Gang zum Friseur bemerkt hatte. Sie selbst fand, sie sah aus wie eine völlig andere Person - so wie die Dame ihre Frisur in Form gefönt hatte. Sie winkte es mental ab. Von Kerlen konnte man nicht erwarten, dass die irgendetwas bemerkten … (Super, jetzt dachte sie sogar schon wie eine Ehefrau!) Tenten verdrehte ob ihrer eigenen Gedanken die Augen und kümmerte sich um den nächsten Papierstapel. *** Nach der Arbeit zog sie wie gewöhnlich ihren Ring auf, verstaute die Kette im Handschuhfach und fuhr Heim. Eigentlich war sie erledigt, aber sie hatte so eine Ahnung, dass der Abend ihr noch viel abverlangen würde. Etwas in Eile duschte sie also den Alltagsschweiß ab, rasierte diverse Körperteile, Beine und Achseln, und legte eine Extraladung Deo auf, weil der Blazer aus dickem Stoff war. Ihre Haare hatte sie nicht nass gemacht und konnten deshalb einfach offen gelassen werden, nachdem sie sich in ihr Kostüm gezwängt hatte. Die Schuhe waren bequem genug, hoffte Tenten, nachdem sie einige Male in ihrem Schlafzimmer auf und ab gegangen war (was wirklich nicht sehr lange dauerte). Dann entschied sie sich für ihr Hochzeitstagsmake-up (wie sie es nach neuerlichen Ereignissen benannt hatte) und fuhr zurück zum Parkplatz ihrer Arbeit. Nejis Wagen stand bereits dort und er stand wartend daneben. Während sie auf ihn zuschritt, ging sie im Kopf noch einmal ihre Notizen von gestern Abend durch. „Hey“, grüßte sie. Er nickte und sie stiegen ein. Unauffällig oder was er für unauffällig hielt überprüfte er ihre Aufmachung. Das Wichtigste war der Ring. Aber auch alles andere an ihr konnte als Ehefrau durchgehen. Als er nicht anfuhr, wandte sie sich ihm zu. Er hatte etwas aus seiner Anzugstasche hervor geholt und präsentierte es ihr vorsichtig. Es war eine Brosche. Silbrig mit einer Art blauem Edelstein (Tenten war die Art von Person, die roter und grüner Edelstein sagte bevor sie an Rubin und Smaragd dachte), dessen Farbe so tief zu sein schien wie ein Ozean. Offenbar erwartete er, dass sie sie entgegen nahm, aber sie musste ihm etwas gestehen. „Tut mir leid … Ich kann das nicht anheften.“ Ob seines Gesichtsausdrucks realisierte sie, dass sie missverständlich formuliert hatte und beeilte sich ihren Einwurf zu erläutern, bevor er beleidigt wurde: „Ich meine, ich weiß nicht wie. Wo heftet man sich das an. Hier?“ Sie präsentierte ein Stück Stoff ihres Blazers und er nickte. Vorsichtig wurde das Schmuckstück angebracht. Kapitel 5: Meet the In-Laws --------------------------- Vorschau: Ungewollte Hochzeitsgeschenke und die Drei-Sekunden-Regel Auf dem Hinweg war ihr ehrlich gesagt ein bisschen schlecht. Sie hatte nicht zu Abend gegessen, um eine bessere Figur in dem taillenhohen Rock zu machen und wusste nicht ob sie sich loben oder es bereuen sollte. Sie fuhren eine dreiviertel Stunde (ohne zu sprechen) und gelangten in eine sehr schöne Gegend, die Tenten noch nie in ihrem ganzen Leben gesehen hatte. Sie hätte nicht gedacht, dass Konoha-Gakure solch noble Villen ihr Eigen nennen durfte. Parks, Bäume, alles war entweder grün oder pastellfarben. Einige der Villen hatten sogar Säulen. Säulen! Dann erblickte sie das Haus, die Villa, nein, das Anwesen zum allerersten Mal. Sie hielten nicht davor, sondern fuhren einen geschlängelten, gepflasterten Weg durch einen wunderschön gepflegten Rasen hoch zu dem geländeeigenen Parkplatz, wo schon jede Menge Nobelkarossen nur darauf warteten von ihr fassungslos angestarrt zu werden. Sie hatte noch nie so viel Geld auf einem Haufen gesehen. Neji war schon bedenkenlos ausgestiegen, bevor er merkte, dass seine Frau regungslos auf dem Beifahrersitz festgeschnallt war. Sein sonst so beeindruckendes Hirn konnte ihm schon wieder keine Lösung auf dem Silbertablett präsentieren, weil es Tentens Reaktion einfach nicht hatte hervorsehen können. Wenn Nejis Verstand hätte sprechen können, stünde Langsam reicht’s mir mit deiner unberechenbaren Frau, Neji und Von jetzt an bist du auf dich gestellt … ganz oben auf der Liste der Dinge, die er mitteilen würde. Neji kratzte sich am Kinn, umrundete seinen Wagen und klopfte an Tentens Scheibe. Sie öffnete die Tür für ihn. Diesmal war er mit Anstarren dran. „Ich sitze in dem einzig normalen Wagen“, führte sie aus und schluckte hart. Dann schien sie sich zusammen zu reißen, schnallte sich ab, trat würdevoller als er erwartet hatte an seine Seite und ließ sich von ihm fortführen. Erstaunt blinzelte sie als er nach ihrer Hand griff, um ihr aus dem Wagen zu helfen. Allerdings vermutete Tenten, dass er es nur tat, weil ein älteres Pärchen gerade an ihnen vorbei geschlendert war, deren Schritte unwahrscheinlich nur aus purem Zufall gerade bei ihnen merklich langsamer geworden waren. Neji grüßte sie in einem Tonfall, der für seine Person als freundlich durchging. Tenten hielt ihre Augen erstmal gesenkt. Die Begegnung war vorüber, bevor Tenten ihrer wirklich bewusst geworden war und Neji hielt sie nah bei sich, während sie den restlichen Weg zum erleuchteten Herrenhaus zurücklegten. Vom Parkplatz führte eine breite Allee mit wunderschönen, hohen Bäumen zu … jawohl, noch mehr Säulen! Riesigen Säulen noch dazu. Und Treppen. Jede Menge Treppen bis man endlich im Inneren des Hauses, nein, der Villa angekommen war. Tenten hatte nichts dagegen sich die ganze Zeit über nah an der Seite ihres frischgebackenen Ehemannes zu halten und umklammerte ihre kleine Tasche mit beiden Händen als hinge ihr Leben davon ab. Sie ließen sich im lockeren Fluss der Pärchen und Einzelgänger vom Parkplatz bis zum Eingang mittreiben. Auf dem edlen Boden hallten ihre Absätze mit jedem Schritt, was für ihren Geschmack zu viel Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Möglicherweise wäre diese Aufmerksamkeit ihnen allerdings auch ohne die Absätze zuteil geworden. Ein imposantes klassisches Musikstück, das für Tentens Geschmack mit zu vielen Violinen ausgestattet war, driftete aus einem der Zimmer, die jenseits der Eingangshalle lagen. Dieser Raum war bis auf eine Laminattanzfläche mit weißem Teppichboden ausgelegt. Viele offene Glastüren ließen die späte Sommerbrise herein sowie sie den Blick auf eine mit Menschen gefüllte Terrasse hinter dem mit Menschen gefüllten Saal freigab. Im Klartext, es war angsteinflößend voll. In dem Gedränge von Menschen und einigen Kindern, die seltsamerweise schwarze Samtanzüge mit Krawatten oder Fliegen wie Erwachsene trugen, waren auch einige Kellner vorhanden, die erstaunlich hoch über ihren Köpfen Tablette mit sich herumtrugen. Einige präsentierten Getränke, einige Hors D`ouvres. Und Tenten wurde nicht einen Augenblick verschont. Diese Problematik ergab sich daraus, dass ein Teil von Nejis Verwandtschaft sie angestürmt hatte, bevor sie überhaupt den Raum, nein, den Saal völlig betreten hatten. „Neji, Herzchen, wer ist deine Begleitung?“ „Na, Junge, schön dich ‘mal nicht allein zu sehen.“ „Mein liebster Enkel, wer ist denn die Dame bei dir?“ „Mildred, dräng den Jungen doch nicht so.“ „Möchtest du uns nicht die-“ Und das war der Augenblick, in dem alle die ‚unauffällige’ Bestandsaufnahme abrupt abbrachen, weil sie sich von Tentens und Nejis Kopf herab zu den Händen gearbeitete hatten und der entzückenden Ringe gewahr geworden waren. Es herrschte verblüffte Stille. „Darf ich euch meine Frau vorstellen?“, sagte Neji eher formal als stolz in die Runde herein. Tenten lächelte ihr nettestes Lächeln, das zur selben Zeit auch ihr scheustes war und hoffte, dass es die unbekannten Personen um sie herum befriedigte. Daraufhin folgten recht viele ‚Oh’s und ‚Ah’s und dann konnten sich das Paar endlich von dem Pulk entfernen. Sie taten es unter dem Vorwand, aus dem Weg gehen, weil sie den Eingang versperrten. Aber das schienen wohl nur die Hartnäckigsten, Neugierigsten gewesen zu sein. Alle anderen waren zufrieden damit ihnen nur auffällig unauffällige Blicke zu zuwerfen und darauf zu warten, dass er, der gute anständige Junge, Neji, sich zu ihnen hin bemühte, um sie offiziell bekannt zu machen. Aber für den Augenblick konnte sie durchatmen. ‘Du machst das super’, sagte sie sich selbst, weil Neji offenbar nicht der Ansicht war, dass die Situation nach ein bisschen Pep-Talk verlangte. Aber der Augenblick hielt nicht lange und sie musste sich wieder ins Getümmel werfen. Zum Glück tat sie nicht viel außer lächeln, vielleicht ab und zu nicken. All diese Leute waren überhaupt nicht ihre Liga. Um ehrlich zu sein hatte Tenten gedacht, solche Leute kämen nur als Farce in Filmen vor, doch die juwelenbehangenen, von Schönheitsoperationen verschönerten oder verstümmelten, prada- und guccitragenden Leute gab es tatsächlich. Leibhaftig und sie unterhielten sich tatsächlich über Themen wie die Börse, Yachten, Villen in entfernten Ländern, deren Namen sie nur bei den olympischen Spielen hörte sowie Sportarten mit komischen Namen wie Croquet, Krickett und alles, was mit Pferden zu tun hatte. Sie waren ungefähr bis zur Mitte des Raums, nein, Saals vorgedrungen als Neji in seinem monotonen ‚Darf ich euch meine Frau vorstellen?’ innehielt und einen Kellner heran winkte. Er nahm ein Glas Champagner und bot es ihr an. „Danke“, sagte sie und nahm es an. Etwas Alkohol würde ihr bestimmt gut tun in dieser Gesellschaft, obwohl Tenten das zweifelhafte Talent geerbt hatte extrem trinkfest zu sein. Sie starrte den Hors D`ouvres hinterher und biss sich auf die Lippe. Dann fiel ihr auf, dass sie heute Lippenstift trug und wischte verstohlen mit der Zunge über ihre Zähne, um jede Spur von Farbe von ihnen zu entfernen. Dann gab sie ein Paradebeispiel an Können ab als sie das Sektglas und die Clutch in einer Hand balancierte und mit der freien nach dem Lippenstift suchte. Zum Glück war die Tasche nicht groß genug, um eine richtige Suche zu erfordern. Sie tupfte etwas Farbe nach und versuchte dann so vorsichtig wie möglich einen Schluck zu nehmen. Bevor sie es ganz gemeistert hatte, trat ihr ‚Schatz’ an sie heran, dessen Lieblingsgericht Lachs mit … - Sie versuchte sich als Übung für den Ernstfall zwischendurch daran zu erinnern - ...Mandarinenmarinade war. Und er hatte einem der Kellner offenbar sein Tablett geklaut. Tenten hatte in ihrer Lippenstiftaktion gar nicht gemerkt, dass er weg gewesen war und konnte sich jetzt ein Grinsen nicht verkneifen. „Wie viele darf man von diesen am Stück essen?“, wisperte sie ihm unsicher ins Ohr. „Eins, aber für die neue Frau des Millionenerben machen wir eine Ausnahme.“ War das Ironie? Tenten studierte seine Gesichtszüge genau, aber sie konnte einfach nicht sicher sein, ob sie ein Schmunzeln erahnte oder nicht. Stattdessen versuchte sie mit so viel Grazie wie sie meistern konnte drei von den exotischen jedoch köstlichen Minigerichten zu essen bevor ihre Tortur weiterging. Das erste Mal, dass sie tatsächlich irgendetwas sagen musste war als sie auf Tante Muriel trafen. Tante Muriel war eine sehr kleine Frau, die einen viel zu großen Ausschnitt für ihr Alter trug. Tenten folgte Neji durch den engen Kreis der Verwandten, welcher sie umgab. Im Augenblick hielt die Dame ein Sektglas in der Hand und lachte über einen Witz, der gemacht worden war, bevor sie ankamen. „Tante Muriel …“, begann Neji, doch er kam nicht weit. „Ja ja, ich weiß, deine Frau. Wie wunderbar. Wir dachten schon, du seiest schwul.“ Sie stand auf und wollte ihn in eine Umarmung ziehen, was schwer war, denn sie war klein und er sehr groß. Sie gab sich mit einem Klaps auf Nejis Rücken zufrieden und breitete dann die Arme für Tenten aus. Sollte sie das alte Klappergerüst etwa umarmen? Mit ihrem heute oft erprobten Lächeln ging sie ein wenig in die Knie und ließ sich von ihrer Schwiegertante (?) drücken. Gab es das Wort überhaupt? War sie überhaupt eine Tante? Sie sah älter aus als eine Tante, aber da Tenten keine Tante hatte war sie vielleicht nicht in der besten Position, um über Tantentum zu spekulieren. „Wann habt ihr Herzblättchen euch denn kennen gelernt?“ Sie starrte Tenten direkt an und als Neji antworten wollte, setzte seine Tante demonstrativ ein „Hmm, … Tenten? So heißt du doch?“ hintendran. Die Fragen waren einfach genug zu beantworten, aber die Anrede war schrecklich … Herzblättchen? „Vor einem Jahr als er in unsere Station versetzt wurde.“ „Ach, wie süß“, machte Tante Muriel mit Elan und der familiäre Kreis lächelte anscheinend wohlwollend oder ließ ein halbwegs ernst gemeintes „Oh“ hören. (Diese Familie hatte ihre „Oh“s und „Ah“s echt drauf!) „Stimmt, Ihr Kinder seid ja Polizisten.“ Tante Muriel schmunzelte, obwohl Tenten wirklich nicht wusste, was daran lustig sein sollte. „Und seit wann seid ihr so ein reizendes Pärchen?“ „Sechs Monate.“ Tenten strengte sich an ihr Lächeln aufrecht zu erhalten, während sie die Eckpunkte ihrer ausgedachten Beziehung zu Neji im Kopf abspielte. Von da an war es allerdings vorbei mit der Einfachheit der Fragen und Tenten wurde der imaginären diabolischen Hörner in Tante Muriels dauergewellter Frisur gewahr. „Und wo hat er dich bisher vor uns versteckt?“ Tenten war stolz, dass ihr Lächeln intakt blieb. Mit dem Bruchteil einer Sekunde an Verspätung schaffte sie es sogar in eine Art ‚Halblachen’ auszubrechen, das sie an diesem Abend an so vielen Leuten hatte beobachten können. Sie hatte beschlossen, alle mit etwas zu konfrontieren, das sie nicht leugnen konnten: „Wie wir alle wissen …“, begann sie und warf ihrem überaus liebevollen Ehemann einen Blick zu als würden sie ein Geheimnis teilen. Eins, das alle anderen im Raum, nein, Saal nicht einmal erahnen konnten und fuhr fort. „… ist Neji nicht das, was man unter ‚extrovertiert’ versteht. Wir haben eine Weile gebraucht, um uns sicher zu sein. Besonders mit der Brautsuche, die stattgefunden hat-“ ‘Jup, in euer Gesicht, ihr Loser! Ich weiß von euren perversen Verkupplungsversuchen!’ „-aber letztendlich konnte er sich doch durchringen mich zu fragen und …“ Sie machte eine theatralische Pause für Emphase. „...jetzt sind wir uns sicher.“ Sie unterstrich ihre süße Aussage mit einem breiten Lächeln und einem Nicken und Neji kam ihrer romantischen Ansprache unverhofft zur Hilfe, indem er etwas tat, woran er vage Erinnerungen hatte von der Zeit als seine Eltern noch lebten. Er ergriff ihre Hand, sah ihr kurz in die Augen und küsste dann federleicht ihre Knöchel. Tenten tat so als würde sie das gar nicht überraschen, sondern als täte er das andauernd. Und als fände sie es unglaublich romantisch. ‘Gut gemacht, Neji, du Eisblock!’ Wieder ertönten mehrere „Oh“s und sogar Tante Muriel schien beeindruckt. Doch dann betrat Lex Luther, der Joker, Doktor Moriarty, der Riddler, Terminator oder, wie in ihrem Falle, der berühmt berüchtigte Antagonist, abgekürzt mit Onk., die Bühne! *** Sie erkannte ihn sofort als Patriarch der Familie, allein anhand der Art und Weise wie alle Gäste beiseite wichen sobald er ankam. Er war ebenfalls sehr groß und die pechschwarzen Haare stellten eine enge Verwandtschaft mit Neji außerfrage. Ebenso die erstaunlich hellen Augen. Sie stachen bei ihm noch mehr hervor, da er es im Gegensatz zu seinem Neffen gemeistert hatte zu lächeln. „Seitdem er mir letzte Woche von seiner bezaubernden Frau vorgeschwärmt hat-...“ Der Kerl log sobald er den Mund aufmachte, musste Tenten feststellen. „...konnte ich es kaum erwarten, dich kennen zu lernen.“ ‘Ha, darauf wette ich!’ Tenten nahm Vorlieb mit ihrem süßen Lächeln. „Wie wäre es mit einem Kuss von dem glücklichen Paar?“, fragte er die Herumstehenden mit seiner festen Stimme. Es war die Art von Stimme, welche wundervolle Reden halten konnte. Augenscheinlich hatte Nejis Onkel keine Probleme mit dem Sprechen. Wieder etwas, das er seinem Neffen voraus hatte. Gerade war das allerdings Tentens geringste Sorge. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Ein Kuss! Natürlich! Gab es eine einfachere Möglichkeit sie beide zu entlarven? Was interessierte es ihn eigentlich, ob sein Neffe sie liebte oder nicht. Wenn er eine der Damen gewählt hätte, die er für ihn ausgesucht hätte, hätte er sich auch keinen Furz um Liebe geschert. Alle waren allerdings begeistert von der Idee; einige dieser Verrückten klatschten sogar. Tenten tat so als wäre sie zu schüchtern für so etwas, doch es gab kein Entrinnen. Sie sah den entschlossenen Blick in Nejis Augen. Sie waren ganz hart. Ihr eigener spiegelte seinen, dann machte sie einen Schritt auf ihn zu und ging hoch auf ihre Zehenspitzen. Augen zu und durch! *** Neji war nicht oft wütend. Da er sich für die meisten Dinge im Leben nicht genug engagierte, produzierte er nicht die nötige Gefühlswelt, die einem Wütendsein vorangehen musste. Aber nun war er für einen Herzschlag tatsächlich, wirklich wütend. Wie konnte sein Onkel verlangen, dass sie ihn küssen sollte? Wie unangebracht! Aber da kam sie auch schon auf ihn zu. Sie war eine wahrlich tapfere Frau und so etwas wie Dankbarkeit stahl sich in sein Herz. Er wollte eigentlich nicht. Die Idee sie zu küssen kam ihm aberwitzig vor, doch dann betrachtete er sie einen Herzschlag lang, dachte daran wie sie sich immer auf die Lippe biss, wenn sie sich Sorgen machte, und plötzlich war es ganz einfach. Seine Arme streckten sich nach ihr aus, umfassten sie sanft. Eine seiner Hände fuhr sogar an ihrem Rücken hoch, an ihren langen Haaren vorbei bis zu ihrem Kiefer, den er behutsam lenkte, sodass er ihr den romantischsten Kuss geben konnte, den sie und seine Verwandten jemals erlebt hatten. *** Tenten wagte nicht die Augen zu öffnen, doch seine Lippen verweilten erstaunlich lange auf ihren. Er versuchte nichts Extravagantes, behielt seine Zunge in seinem eigenen Mund und hielt sie sogar im Arm. Damit es für die Verwandten nicht langweilig wurde, lehnte sie sich etwas inniger in seine Umarmung und presste die Hände auf seinen Rücken. Als sie sich endlich lösten, fühlte Tenten sich so wohl wie man sich nun einmal fühlen konnte, wenn man gerade seinen falschen, echten Ehemann auf den sehr echten Mund vor all seiner einem vollkommen fremden und etwas unheimlichen Verwandtschaft geküsst hatte. Aber Neji schien die Situation meisterhaft wegzustecken. Er bedachte seine Tante mit einem freundlichen Gesichtsausdruck, den man allerdings noch nicht ganz als lächelnd bezeichnen konnte, und würdigte seinen Onkel unauffälligerweise keines Blickes. Also tat sie das gleiche. Tief in sich fand sie noch einmal die Kraft strahlend zu lächeln und so zu tun als wäre sie überglücklich, dass Neji sie endlich geheiratet und seiner Familie vorgestellt hatte. Nicht wegen dem Geld selbstverständlich. Sie war nicht wegen dem Geld überglücklich, versuchte sie in ihrem Lächeln zu vermitteln. „Noch ein Glas, Schatz?“ Tenten wandte sich um als sie merkte, dass sie gemeint war. „Gerne“, lächelte sie und ließ sich noch eins von ihm geben. Sie wollte sich gar nicht vorstellen wie viel so ein Glas kostete. Oder wie viel der Schmuck dieser Leute kostete. Auch den Preis ihres eigenen Schmuckes wollte sie sich nicht ausmalen und dachte dabei an die elegante Brosche. Eine Zeit lang waren sie im Mittelpunkt des Geschehens, aber Tenten konnte das Reden wieder Neji überlassen, der es irgendwie schaffte seine defensive Kommunikation (kurze Antworten, nur wenn es nicht anders ging) selbst umkreist von Plappermäulern aufrechtzuerhalten. Dann geschah etwas Unvorhergesehenes. Irgendeiner der Männer legte väterlich eine Hand auf Nejis Schulter und führte ihn flüsternd davon. Tenten hatte schon befürchtet, dass sie mit irgendwelchen Tanten allein gelassen werden würde, doch es kam noch schlimmer. Die Tanten wichen zur Seite, alle plötzlich erpicht darauf, ein Hors D`oeuvre zu verspeisen und machten Platz für Nejis Onkel, der sie mit einer strengen Hand im Kreuz immer weiter weg von Neji führte bis er sie in eine entlegene Ecke der Terrasse bugsiert hatte. Still und höflich blieb Tenten in der sommerlichen Nachtluft stehen, während er sich an das Geländer lehnte. Langsam wandte er sich um. *** „Und du liebst also meinen Sohn?“ Sohn? Aber davon abgesehen, brauchte sie einen Augenblick, um zu überlegen wie sie reagieren sollte. Wie würde ich wohl denken, wenn ich Nejis Onkel wäre und meinen Neffen explizit „Sohn“ nennen würde? Sie sah ihm direkt in die Augen. „Ich weiß, es fällt Ihnen wahrscheinlich schwer zu glauben, aber … das geht Sie überhaupt nichts an.“ Er legte einen nachdenklichen Finger an sein markantes Kinn und nickte. „Und du glaubst du kommst mit dieser Aktion durch, Töchterchen?“, wollte er wissen und er hielt ihrem Blick stand. Tenten konnte diesen Mann nicht leiden. Er hatte die falsche Miene eines Politikers und seine Stimme klang als wäre sie zum Lügen gemacht. Sie entschied sich dafür beharrlich zu schweigen, aber ein rebellisches Funkeln ihrer Augäpfel konnte sie nicht unterdrücken. Er hielt ihrem Schweigen sehr gut stand, doch schließlich öffnete er doch den Mund: „Wäre ich du, würde ich mich in Acht nehmen. Ich befürchte, du hast dir mehr eingebrockt als du auslöffeln kannst.“ Seine freundliche Fassade fiel. Plötzlich sah er wie ein sehr, sehr gefährlicher Mann aus . Seine Gesten, im Grunde harmlos, wirkten nicht so, da er derjenige war, der sie ausführte. Er tippte mit einem beringten Mittelfinger gegen ihre Brosche. „Das…steht dir nicht zu.“ Weil Tenten keinen blassen Schimmer hatte wie sie diesen Mann an Rhetorik überbieten sollte, entschied sie sich dafür ihn mit den Mitteln ihres kürzlich erworbenen Gatten zu schlagen. Sie schwieg weiterhin. Nach einer Sekunde hielt sie es für klug, der Methode ihres Schatzes eine Prise Tenten Minazuki (oder Minazuki-Hyuga, wenn man nach ihrem momentanen Ausweis gehen wollte) hinzuzufügen: Sie lächelte vollkommen grundlos siegesicher. Als sie abwartete wie ihr Antagonist das schlucken würde, verschränkte sie die Arme, was gar nicht so einfach war in ihrem neuen Business-Casual-Blazer und einem Sektglas. Dann lehnte sich mit überkreuzten Knöcheln an die Reling der Terrasse. Es schien als wolle Onk. noch etwas sagen, doch er wurde eines Ausdrucks in seines Gegenübers Augen gewahr. Daraufhin wandte er sich um und sah, dass sein Neffe im Begriff war seiner Frau zu Hilfe zu eilen. Sich von allen losreißend bahnte er sich einen Weg zu ihr, drängte sich an seinem Onkel vorbei und stellte sich vor sie. Auf Zehenspitzend stehend konnte Tenten einen überraschten Ausdruck im Gesicht ihres Erzfeindes ausmachen. Vielleicht war es Rache dafür, dass Onk. sie so herablassend behandelt hatte: „Schon in Ordnung, Schatz.“ Sie wusste nicht, weshalb sie es sagt. Doch es war aus ihr heraus, bevor sie es zurückhalten konnte. Wo vielleicht das Potential für eine unangenehme Situation gewesen wäre, blieb nur noch das breite Lächeln des Onkels. Er hatte es sofort aufgesetzt, nachdem sie die Worte gemurmelt hatte. Er klopfte Neji auf die Schulter. „Gutes Mädchen“, kommentiert er. „Gutes Mädchen hast du dir ausgesucht.“ Mit demselben breiten Grinsen wandte er sich an Neji und die Leute im Raum. Er nahm Tentens Glas aus ihrer Hand und zauberte einen Löffel aus dem Innern seines Anzugs. War der nächste Teil etwa geplant gewesen oder trug er immer einen Löffel mit sich herum, falls es nötig wurde spontan eine Rede zu halten? Das hohe Klirren veranlasste alle sich herumzudrehen sowie das Herunterdrehen der Musik. Wie ein guter Vater nahm er Neji auf seine rechte, Tenten auf seine linke Seite in den Arm und wandte sich an seine Gäste. „Ich bin höchst erfreut zu verkünden, dass wir heute mehr zu feiern haben als den Geburtstag der herzallerliebsten Muriel.“ Er machte eine erhabene Geste zu der winkenden Muriel. „Denn ich bin höchst erfreut euch allen mitteilen zu dürfen, dass unser lieber Neji sich eine reizende Partnerin ausgesucht hat, um mit ihr sein Leben zu teilen!“ In seinen Augen war ein gefährliches Funkeln als er sie scheinbar wohlwollend anlächelte. „Und anlässlich dieser wundervollen Verbindung möchte ich wieder gut machen, was die beiden versäumt haben!“ Es wurde ganz still im Saal und Tentens Herz rutschte herab bis in ihre Unterwäsche. Was zur Hölle hatte dieser Wahnsinnige geplant? Sie hatten überhaupt nichts versäumt! Und wenn doch, dann mit Absicht. „Ich möchte euch ein rauschendes Fest schenken!“ Er drückte Tenten väterlich an sich, tat so als würden ihm die Augen tränen, während Tenten fand, dass er sie definitiv viel zu fest an sich presste. Definitiv zu fest, da sie sein wahrscheinlich über hundert Euro teures Rasierwasser in all seinen Nuancen wahrnehmen konnte. Er verkündete mit erstickter Stimme: „Du musst dir keine Sorgen machen, weil du keine Familie vorzuzeigen hast, denn wir sind nun deine Familie.“ ‘Urgh.’ Tenten musste den Würgereiz niederkämpfen. Das war das Scheußlichste, was sie je in ihrem ganzen Leben gehört hatte und Tenten hatte schon ein paar scheußliche Dinge gehört. Aber die schlimmste Erkenntnis von allen traf sie erst noch. Sie würde noch so einen Abend mit diesen Leuten verbringen müssen und dann würden sie und Neji nicht nur der inoffizielle Mittelpunkt des Geschehens sein (im Prinzip war das hier immer noch Muriels Geburtstagsparty und nicht Neji-stellt-seine-neue -Frau-vor-Party), sondern auch der offizielle. Sie konnte nur vermuten wie viel schlimmer das als heute werden würde. Die Vorstellung raubte ihr für einen Augenblick den Atem und sie schnappte nach Luft. Sie tauchte wieder auf wie ein Ertrinkender, der es endlich geschafft hatte durch die Wasseroberfläche zu brechen und frische Luft in seine Lungen strömen zu lassen. Sie überprüfte wie Neji sich hielt und musste feststellen, dass sein Antlitz wie aus Stein gemeißelt war. Antlitz? Tenten schüttelte den Kopf. Gesicht, sie meinte sein Gesicht. Okay, Neji war ausgeschaltet. Was als nächstes tun? ‘Immer das, womit der Feind nicht rechnet!’, wusste sie. Also tat sie genau das. Sie setzte ihr Paradelächeln auf, tat als müsse sie sich ebenfalls Tränen aus den Augen wischen und dann gab sie ihrem Schwiegervater oder Onkel, je nach dem wie man den Mann nennen wollte, eine sehr emotionsschwangere Umarmung. Weil sie nicht wusste, was sie nach dieser waghalsigen Aktion tun sollte, trat sie einfach an den ‚glücklichen’ Frischverheirateten heran, lächelte und ließ sich von unbekannten Leuten die Hand schütteln. Sie konnte den Blick ihres neuen Schwiegervaters im Rücken spüren, doch sie konzentrierte sich auf die Gesichter der Unbekannten. Der vielen Unbekannten. - Bis sie jemanden wiedererkannte. Sie war so überrascht, dass ihre Kinnlade herab fiel. Da war die Hokage. Die Hokage schüttelte ihr die Hand und gratulierte ihr. Mit ihrem hellblonden Haar, der imposanten Statur und den wissenden Augen! „Vielen Dank“, brachte sie heraus und bemerkte, dass die Hokage ihr zuzwinkerte, bevor diese weiter zu Neji schritt, um ihm zu gratulieren. Nachdem die Gratulationstortur vorbei war, bemerkte sie noch ein bekanntes Gesicht. Das Sasuke-Double, von dem sie gar nicht mehr so sicher war, dass es tatsächlich ein Double war, stand hinter der Menge an einer Wand. Aber es war definitiv derselbe Mann wie auf ihrer Hochzeit, denn er hatte die interessante Frau bei sich. Tenten bahnte sich einen Weg zu ihnen durch. „Hallo“, machte sie, weil sie sonst nichts zu sagen wusste. Sie war sich noch nicht einmal sicher, weshalb sie zu ihnen herüber gekommen war. „Hey, alle hier beneiden uns, weil wir dabei waren und die nicht“, war seine Begrüßung. Die Frau brachte ein Lächeln zustande. „Ja, huh, kann ich mir vorstellen“, erwiderte Tenten. „Und du bist also Sasuke Uchiha, der Echte?“ Er nickte. „Interessant und du?“ Sie wandte sich an die Frau. Sie gab Tenten freundlich die Hand. „Ich bin Sakura Uchiha.“ „Nett dich kennen zu lernen.“ „Ebenfalls.“ Sasuke befürchtete wohl, dass es von nun an nur noch Mädchengebrabbel geben würde (obwohl dem wirklich nicht der Fall gewesen wäre, weil Tenten für eine Frau Mädchengebrabbel wirklich schlecht beherrschte) und sagte dementsprechend: „Ich lass euch Ladies ‘mal kurz allein und geh zur Bar. Ich bring dir dein Übliches, Babe.“ Und dann war er weg und die Frauen schwiegen. „Ich finde, ihr passt gut zusammen“, begann Sakura schließlich, um die Stille zu füllen. „Ihr seid beide sehr …“ Sie lächelte gezwungen. Es war offensichtlich, dass sie nicht wusste, was sie in der Gegenwart der Frau sagen sollte, die behauptete Neji Hyuuga zu lieben. Tenten wollte ihr nichts von dem Abkommen erzählen, wollte aber auch nicht, dass sich Leute begannen zu fragen, weshalb sich das ach-so-glückliche Pärchen so distanziert gab. Also musste sie sich etwas ausdenken. „Wenn wir allein sind, ist er etwas anders, aber hier … mit der Verwandtschaft und so …“ Sakura schien interessiert. Es schien fast als wäre das etwas, was sie verstehen konnte. „Ich weiß, es ist hart.“ Sie nickte verständnisvoll und ihr Lächeln wurde eine Spur wärmer. „Ich sehe Neji auch nur an solchen Events. Ich war eigentlich vollkommen vom Hocker gehauen nach … du weißt schon. Ich und Sasuke konnten es gar nicht fassen. Wir haben vermutet, dass irgendwas dahinter steckte“, gab sie freimütig zu und sie lachten darüber, Tenten vielleicht eine Spur zu nervös. „Aber jetzt, wo ich euch sehe … Ich schätze, ihr habt euch gefunden. Er blickt dich so gutmütig an.“ Tenten nickte bestätigend, erleichtert über den erzielten Eindruck. „Und der Kuss vorhin!“, schwärmte Sakura. Sie lachten wieder, Tenten eine Spur zu schrill. „Ja …“, machte Tenten. „Dieser ... dieser Kuss … herrlich.“ Sie sah etwas peinlich berührt zu Boden. „Ihr habt’s den alten Säcken hier echt gezeigt.“ „Oh ja“, musste Tenten zugeben, war aber erleichtert als Sasuke zurückkehrte. Er drückte Sakura irgendetwas Klares in die Hand und hatte ein Glas Scotch für sich selbst bestellt. Die Konversation schiffte in formalere Gewässer ein: Ja, sie freute sich über die geschenkte Hochzeitsparty. Ja, alle waren sehr nett, sehr gute Gesellschaft. Ja, sie hatte sich eine neue Frisur für den Abend zugelegt. Nein, Polizistin zu sein war nicht aufregend. Ja, die Ölpreise waren schrecklich. Nein, sie konnte nicht reiten. „Ich glaube, dein Mann sucht nach dir“, sagte schließlich einer der beiden. Tatsächlich. Als sie sich umdrehte, türmte Nejis suchender Blicke über den Köpfe der anderen Gäste. Sie hob vorsichtig eine Hand, um auf sich aufmerksam zu machen. Dann verabschiedete sie sich und kam ihrem Mann entgegen. Sein Blick sagte alles. „Ja, lass uns gehen“, bat Tenten. Mit einer Hand vorsichtig in ihr Kreuz gepresst führte er sie aus dem Saal. „Puuhh … und demnächst passiert das alles noch mal viel intensiver“, befürchtete Tenten, worauf er stumm nickte. „Wusstest du, dass die Leute finden, dass wir gut zusammen passen?“ Er antwortete nicht, sondern führte sie einfach immer weiter. *** Auf dem Heimweg schaffte Tenten es die Brosche abzunehmen und hielt sie ihm hin. Er warf einen kurzen Blick darauf und meinte nur „Behalt sie. Du wirst sie noch brauchen“, bevor er wieder in Schweigen versank. Kurz fragte Tenten sich, weshalb er das gesagt hatte. Wahrscheinlich meinte er nur, dass sie sie an den anderen Events tragen sollte. Aber in Tentens Kopf formte sich ein Bild wie sie mit der Brosche die bösen Schwiegereltern abwehrte. Es gab ihr etwas, worüber sie während der stillen Autofahrt lächeln konnte. Aber sie war nicht ganz still. Während Tenten die Brosche mit spitzen Fingern inspizierte, fiel ihr nicht auf, dass ihr Fahrer sie manchmal aus den Augenwinkeln inspizierte. „Woher kriegt man eigentlich solche Prachtstücke? Habt ihr Reichen spezielle Läden oder wird euch das zugeschickt oder findet ihr das in alten Kartons auf dem Speicher?“ Tenten hatte noch nie so etwas besessen und war deshalb neugierig. Die Brosche sah alt aus. „Schmeiß mich nicht mit ihnen in eine Schublade“, bat er ungewöhnlich gesprächig. „Ein Erbstück. Sie hat meiner Mutter gehört. Also eher der Karton.“ Tenten hätte das edle Stück beinah fallen gelassen. Ein Erbstück? Und sie trug es? Sie äußerte ihre Bedenken. „Ich musste dir etwas geben, um den Ernst der Lage mit Nachdruck darzulegen“, erklärte er, was Tenten schließlich einleuchtete. Doch unbehaglich wurde ihr beim Anblick des wunderschönen Schmuckstückes schon. ‘Und das edle Ding soll bei mir in der Chaoswohnung vergammeln?’, fragte sie sich außerdem zweifelhaft. Jetzt musste sie nicht nur auf den Ring, sondern auch noch auf ein Familienerbstück aufpassen. Das Erbstück einer Familie, zu der sie nun auch gehörte. Na, das konnte ja heiter werden. Wenigstens war die erste Runde zwischen Onk. und ihr unentschieden ausgegangen. *** Es war schon spät als sie neben Tentens alter Karre hielten. Trotzdem stieg sie nicht aus. „Der Kuss … “, begann er und es war das erste Mal, dass sie eine echte Gefühlsregung in seiner Stimme hörte. Es schien ihm wirklich Leid zu tun, für seine Verhältnisse schien er geradezu zerknirscht. „Schon gut.“ Sie versuchte aufmunternd zu lächeln, aber er sah sie sowieso nicht an. „Vielleicht sollten wir das Küssen vorher üben, bevor wir noch so einen Stunt vor deiner Familie abziehen“, witzelte Tenten. Das Lachen sollte die Spannung im Wagen lösen, doch Neji lachte nicht mit. Neji lachte sowieso nicht oft. „Gute Idee“, gab er zu, was Tenten etwas überraschte. Es war eigentlich nur ein Scherz gewesen. „Ja“, stimmte sie ihm zögerlich zu, schnallte sich ab und lehnte sich leicht zu ihm herüber. „Jetzt?“, fragte er ob ihres eifrigen Verhaltens. Tenten zuckte zurück. Er hatte nicht böse geklungen, nur ein wenig überrascht. „Warum nicht? Besser wir bringen es hinter uns.“ Das schien ihm einzuleuchten. „Nicht so lang wie beim ersten Mal“, riet sie. Er nickte und sie lehnten sich beide ein wenig zum anderen hin. Ihre Lippen berührten sich für genau drei Sekunden, dann gab Tenten ihm vorsichtig ein Zeichen sich zu lösen. „Das war schon die richtige Länge, aber beim nächsten Mal versuch zu lächeln bis zu dem Zeitpunkt wo sich ... die Lippen … “ Sie brach ab, weil es zu merkwürdig wurde. Er nickte und lehnte sich noch einmal zu ihr herüber. Diesmal versuchte er zumindest einen freundlichen Blick aufzusetzen. Er hielt die Augen offen bis zu dem Augenblick, dass er sie küsste. „Perfekt“, lobte ihn Tenten hinterher und stieg aus. *** An dem Abend vor dem Einschlafen dachte Tenten noch: Das war ein guter Tag, Tenten, du hast viel erreicht. Du hast deinen echten, falschen Ehemann drei Mal geküsst und es irgendwie geschafft zu deiner eigenen Hochzeit eingeladen zu werden. „Gute Arbeit“, bestätigte sie sich selber und gähnte. Vielleicht wurde es langsam Zeit, dass sie und Neji Telefonnummern austauschten. ‘Außerdem hast du dir einen mächtigen Feind gemacht, aber was soll’s …’ Hatte nicht jeder Probleme mit seinen Schwiegereltern? ‘Ja’, bestätigte eine Stimme in ihrem Innern, aber in der Regel ging es bei den Problemen nur darum, dass eine Schwiegermutter die angeheiratete Tochter dazu anhält ihren Jungen öfter zu bekochen oder Aufläufe nur in teuren Eisenpfannen zu backen statt mit der billigen IKEA-Keramik. Das hier war ernst, aber Tenten ließ sich nicht stören. Sie war zuversichtlich, dass sie alles fest im Griff hatte. Mit diesem Gefühl schlief sie ein. *** Am anderen Ende der Stadt war sich Neji nicht so sicher wie seine Gattin. Er wusste nicht recht, ob er zufrieden oder unwiderruflich unzufrieden mit dem Verlauf des Abends sein sollte. Sein Hirn war machtlos gegen Tenten. Ihre Reaktionen konnte es nicht hervorsehen und deshalb war sie eine wacklige Variable in seinem Leben voller Konstanten. Nein, sie war eine explosive Variable sogar, aber, soweit er feststellen konnte, erstaunlich gut für den Job geeignet. Wann immer sein Gehirn aussetzte und ihn nicht mit der gewohnten Schnelligkeit mit einer Lösung belieferte, trat sie ein und machte irgendetwas Verrücktes. Er glaubte es geschah nach demselben Prinzip wie alle anderen verrückten Dinge, die sie tat. Wie sich spät abends nach dem Laufen ins Gras zu legen, was immerhin zu einer seiner brillantesten Ideen geführt hatte. Ob es ihn nicht langsam aber sicher in den Wahnsinn trieb, würde nur die Zeit zeigen. Kapitel 6: Eheleben ------------------- Vorschau: Über's Tanzen, Prinzen & Prinzessinnen und kleine verrückte Ideen Sakura und Sasuke waren ein Traumpaar. Beide wunderschön und jung. Sakura machte eine super Figur in Designerkleidung und jede Diamantkette, die Sasuke ihr schenkte, schien schlicht im Gegensatz zum Schimmer ihrer Alabasterhaut und den Smaragdaugen. Ihre Geschichte war ebenfalls ein Traum, ein Märchen. Reicher Prinz sieht Aschenputtel zum ersten Mal im Büro der Hokage und läuft beinah gegen eine Wand, ohne dass sie ihn bemerkt. Dann fiel Sasuke Hals über Kopf. Von da an hieß es verstohlene Blicke, ihr erstes Lächeln als er sie irgendetwas Belangloses fragte. Natürlich fand sie ihn attraktiv, aber mit so einem reichen Kerl hatte man doch keine Chance, oder? Dann der erste Kuss. Beim Wasserspender. Sie hatten gezittert, doch er war wunderschön gewesen. Nur zu kurz, weil sie gedacht hatten, jemand könnte sie sehen. Daraufhin hatte Sasuke für sie kämpfen müssen, hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie auf ein, nur ein, magisches Date ausführen zu können. Sie waren beinah noch ein größerer Skandal gewesen als Neji und seine neue Polizistenbraut. Aber sie hatten es geschafft und vor ein paar engen Freunden und den Familienmitgliedern, die nicht ganz so widerlich waren, hatte Sakura wie ein Engel in ihrem weißen Kleid gewirkt als sie auf ihrer Hochzeit ihrem Liebsten entgegen geschritten war. Sie wusste noch, sie hatte einen Blumenkranz getragen. Ein Traum … Als sie zu Hause nach Muriels Geburtstagsfeier ankamen, hingen sie ihre Jacken auf und zogen sich um. Das Haus hatte zwar wunderschöne, doch getrennte Badezimmer. Sakura wusch das Make-Up von ihrer porzellanartigen Haut, die im fluoreszierenden Licht ihres Badezimmerspiegels so transparent wie die Haut eines Geistes wirkte und legte sich zu ihrem Traumprinzen ins Bett, zog die Decke bis an ihr Kinn, spürte wie er erschöpft seufzend sich auch zudeckte, schloss die Augen und versuchte zu schlafen. *** Nejis Onkel blickte nachdenklich mit gerunzelter Stirn auf die Platte seines Schreibtisches. Dann rief er seine Sekretärin herein. „Bitte stell mir eine Akte über diese Tenten zusammen. Ich will alles über sie wissen.“ Kleine verrückten Ideen Ihre verrückten Ideen schienen gar kein Ende zu nehmen. Als er sich an die schwere Aufgabe heranwagte, sie auf ihre Hochzeitsfeier vorzubereiten, lernte er all ihre kleinen Macken kennen, z.B. dass sie sich weigerte Tee heiß zu trinken. „Warum?“ „Es macht überhaupt keinen Sinn Tee heiß zu trinken! Was soll das? Es verbrennt einem die Zunge und macht schläfrig!“ ‘Aha’, dachte er sich und machte fortan allen Kellnern immer klar, dass der Tee kalt sein müsste, wenn er für sie in einem Restaurant oder Café bestellte. „Ich kann auch selbst bestellen“, meinte sie irgendwann stirnrunzelnd. Er blickte nur mit großen Augen über den Tisch zu ihr herüber. „Aber, wenn’s dir Spaß macht, kannst du das auch gerne übernehmen“, erlaubte sie ihm großzügig. Sie legte auch viel Gewicht auf Geld. Selbst nach zwei Monaten legte sie ihm noch Kassenbons vor, wenn sie etwas mit seiner Karte erstanden hatte, und erklärte ihm haarklein, wofür sie das Geld ausgegeben hatte und warum. Bei ihm zu Hause hatte das noch keiner gemacht und er fand es so faszinierend, dass er sie nie unterbrach, sondern weiter ihrer Stimme lauschte. Wenn er sie mitnahm auf irgendwelche exklusiven Parties gab sie sich immer als treue, stille Ehefrau, die mit ihrem Lächeln allen die Sprache verschlug, obwohl offensichtlich war, dass man auf sie herabblickte. Aber manchmal bemerkte er, dass sie ihm gegenüber gern plappern würde wie ein Wasserfall und sich nur mit Mühe zurückhielt. Aber die Person, die am meisten unter ihren spontanen Eigenheiten litt, war sein Onkel. Neji gewöhnte sich langsam an sie und provozierte seine Gattin nicht. Aber der Patriarch legte es geradezu darauf an. Er versuchte sie immer wieder aus der Reserve zu locken wie er es bei ihrem ersten Treffen getan hatte. Immer wieder sprach er sie auf die bevorstehende Hochzeitsfeier an, die er für sie organisieren wollte, stellte ihr viel zu viele persönliche Fragen und brachte sie in Verlegenheit. Anfangs machte dies Neji sehr wütend, doch mit der Zeit schlich sich leise Bewunderung dazu. Im Machtkampf mit Nejis Frau, musste sein Onkel nämlich spontane Umarmungen, entwaffnende Komplimente und sanfte Korrekturen über sich ergehen lassen. Tenten war erstaunlich gebildet. Und, wenn sie einmal nicht weiter kam, sprang Neji ein. Er wusste nicht, wo er den Elan hernahm plötzlich seinem Onkel die Stirn bieten zu können, doch, wenn der Ältere einen allzu bissigen Kommentar über seine Herzdame gemacht hatte, wies Neji ihn sofort taktvoll zurecht. Und es funktionierte erstaunlicherweise auch. Zwar hatte Tenten ihm anvertraut, dass sie glaubte, der Alte führe etwas im Schilde, doch Neji machte sich keine Sorgen. In letzter Zeit liefen nicht nur die Familienangelegenheiten besser, sondern auf der Arbeit ging es auch bergauf. Sein Vorgesetzter hatte das Wort Beförderung bereits erwähnt. Allerdings war er auf der Station auch nicht mit denselben Komplikationen wie Tenten konfrontiert. „Wieso kommst du nicht mit mir, Kakashi und Kiba ins Kino? Unter uns, Kiba könnte ein bisschen Aufmunterung vertragen“, erklärte Naruto gerade und machte es sich auf ihrem Schreibtisch gemütlich. Kakashi, einen der jüngeren Detectives und Freund, hatte er im Schlepptau. Tenten seufzte. Zeit für eine deiner kleinen verrückten Ideen, Tenten … Sie überlegte, aber unter den forschenden Blicken der Zwei wollte ihr nichts einfallen. „Tut mir Leid. Heute Abend habe ich keine Zeit.“ „Wieso nicht? In letzter Zeit hast du oft was vor.“ Naruto grinste plötzlich, stubste seinen Kumpel an, dessen Miene eher unglücklich war. Tenten schoss ihm einen harten Blick zu. “Da gibt’s keinen Zusammenhang”, stellte sie Naruto gegenüber klar und tat so als würde sie ihn ohrfeigen. Spielerisch gab er den Eindruck als verletzte die Geste ihn sehr. “Immer so hart zu mir”, jammerte er theatralisch. Dann schien etwas seine Aufmerksamkeit zu erfordern, denn er sah über Kakashis Schulter hinweg. “Hey, da verlangt jemand nach dir”, teilte er seinem Kumpel mit und Kakashi, überrascht, entfernte sich in die angegebene Richtung. “Was glaubst du, was die von ihm wollen?”, fragte Tenten und versuchte denjenigen auszumachen, der nach dem jungen Detective verlangt hatte. “Nichts”, winkte Naruto ab. “Niemand hat gewunken. Ich wollte ihn nur kurz unauffällig loswerden”, erklärte er verschmitzt und Tenten verdrehte die Augen. “Ernsthaft”, begann er. “Was ist bei dir los? Früher war es nur Dienstagabends und jetzt hast du nie Zeit. Triffst du jemanden?” Er klang aufgeregt und das war genau der Grund, weshalb sie ihm nicht die Wahrheit erzählen konnte. Er hätte es nicht verstanden. “Ich arbeite nur gerade an einem Projekt...” Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. “Ist es denn all die Arbeit wert?” Sie nickte. “Ich hoffe es sehr.” Das tat sie wirklich. Wenn dieses Spielchen sich am Ende nicht für die auszahlte, würden Köpfe rollen. Obwohl es nicht gerade Folter war Zeit mit Neji zu verbringen. Oft waren sie gar nicht bei seiner Familie, sondern gingen irgendwo essen oder etwas trinken. Er half ihr beim Pläneschmieden für die Uni. Aber größtenteils plapperte sie nur sinnlos vor sich hin. Sie wusste nicht, was er sich davon erhoffte. Doch er hatte die Tradition vor einer Weile eingeführt; jetzt musste er damit leben, dass sie ihr Leben mit ihm teilte. In dem Augenblick kam Kakashi zurück und sie hielt den Mund. *** Seine Wohnung war riesig und spartanisch. Tenten fühlte sich dort immer unwohl, weil alles so sauber war. Doch es war nun einmal nötig, dass sie vorbei kam. Heute würde sie nämlich das Tanzen lernen. In seine fette Stereoanlage, deren Wert Tenten nur erträumen konnte, legte er eine CD ein und Tentens Ohren erfreuten sich an den Lauten, die seine Familie wohl spielen werden würde. Es waren drei Monate seit Muriels Geburtstag vergangen und das Datum der Riesenfeier rückte immer näher. Neji winkte sie zu sich auf die improvisatorische Tanzfläche - seinen Wohnzimmerteppich - und brachte ihr erst die Grundstellung bei. Behutsam ließ sie ihre Finger in seinen Griff gleiten und er hob ihren Arm. Mit einer seiner Pranken führte er ihre Hand auf seine Schulter. Dann platzierte seine eigene andächtig an ihrer Taille. Immer wenn er wollte, dass sie einen Schritt machte, stieß er mit seiner Fußspitze gegen ihre. So kamen sie erst langsam voran, die Musik noch größtenteils ignoriert, denn Tenten konnte sich an keinen Rythmus halten ehe sie nicht die Schrittsequenz verinnerlicht hatte. Als ihr Griff immer fester wurde, weil es keine andere Möglichkeit gab ihrem Frust Luft zu machen, entschied er, dass etwas verbale Unterstützung vonnöten war. Mit ein paar auflockernden Körperbewegungen entfernte er ihre Fingernägel aus seiner Haut und nahm dann wieder Haltung ein. Leise begann er die Richtungen zu murmeln. Links oder rechts kam ihm in regelmäßiger Folge über die Lippen. Mit dieser Prozedur begann Tenten nicht nur die ganze Zeit auf ihre Füße zu starren, sondern seinen Mund zu beobachten. Gerade das gab ihr die richtige Einstellung den Tanz zu lernen. Sie fühlte mehr als dass sie nachdachte und bald darauf hatte sie den Dreh heraus. Sogar den Rhythmus der Musik konnte sie erkennen. Sie musste sogar gestehen, es machte ihr beinah ein bisschen Spaß. Neji war ein sehr angenehmer Tanzpartner. Er hielt gebührenden Abstand und fasste sie mit Respekt an. Kurz fragte sie sich mit wie vielen Frauen er wohl bereits getanzt hatte. Allerdings hatten sie fast die ganze CD gehört, bevor sie es endlich begriffen hatte. Das letzte Lied war viel langsamer. Möglicherweise auch moderner, dachte Tenten. Sie hatte das Gefühl eine ähnliche, poppigere Version im Radio gehört zu haben. Plötzlich machte die Musik einen Sprung und Tenten erschrak so heftig, dass sie beinah über einen seiner Füße gestolpert wäre. Doch seine starke Hand hielt sie ohne in der Schrittfolge innezuhalten. Seine Schritte wurden kleiner bis sie ihren Rhythmus wiedergefunden hatte. Sein Duft, der von seinem Hemd aufging, stieg ihr in die Nase und sie war überrascht davon wie unaufdringlich sie ihn empfand. Als sie in sein Gesicht aufsah, schien auch er verwirrt. Unbehaglich machten sie einen Schritt zurück. Tenten musste lächeln. „Tja, danke, werter Gatte.“ Dass sie ihn ärgerte registrierte er gar nicht. Er antwortete wie gewohnt nicht. Während Neji friedlich geschlafen hatte, hatte sein Hirn ein paar perfekte nächste Schritte erarbeitet. Leider erforderten sie Tentens Kooperation. Also fand Tenten am nächsten Morgen einer der leidenschaftlichen Post-Its in ihrem Schreibtisch. Kurz fragte sie sich, ob jemand je beobachtete wie Neji diese dort platzierte, verwarf den Gedanken dann aber schnell, weil sie die Antwort gar nicht wissen wollte. In Gedanken verloren berührte sie den Ring an der Kette, der von ihrem T-Shirt verdeckt wurde. Derjenige, der sie aus seinen Gedanken riss, war Naruto, denn er wedelte mit einer Hand vor ihrem Gesicht. „Morgen!“ „Guten Morgen … Kann ich dir helfen?“ Naruto lächelte sein Tratsch-Lächeln. „Wusstest du …“, begann er, wartete aber noch einen Augenblick, denn jeder kannte dieses Lächeln. Ino, die Sekretärin bei ihnen, und Kakashi sowie das Ehepaar Kurenei und Asuma kamen angelaufen, sobald sie Tratsch riechen konnten. „Na, was ist denn hier los?“, wollte Ino wissen und Naruto, zufrieden ob der ansehnlichen Menschentraube, ließ sich nun endlich dazu herab seine ‚Information’ zu teilen. „Wusstet ihr, dass Kiba gestern versucht hat seine baldige Ex anzurufen und sie zurück zu heulen?“ Tenten schüttelte geschockt den Kopf. „Nein!“ Woher auch? Ino sagte „Das ist ja so typisch Kiba“, die ihm nie hatte vergeben können, dass er die stille Hinata geheiratet hatte statt weiter mit ihr auszugehen. „Oh je“, machte das Ehepaar, das sich nie freute, wenn eine Ehe zugrunde ging. Der einzige, der nichts sagte, war Kakashi. Er tauschte aber ein belustigtes Lächeln mit Tenten ob Narutos Lästermaul. „Hat er aber“, bestätigte Naruto. „Er hat nämlich die falsche Nummer gewählt!“ Er deutete mit beiden Daumen auf seine Person und nickte heftig. Tenten vergrub das Gesicht in den Händen und schüttelte weiter den Kopf. „Der Arme!“ Ino lachte laut auf. Sie schien ein bisschen schadenfroh. Hiernach wollte Ino natürlich noch weitere Details aus Naruto quälen, aber bevor ihr das glückte, fragte er Tenten noch: „Also, was sagst du? Ich habe noch die Chili’s Coupons. Heute Abend?“ Tenten wollte gerade Nicken als ihr das Post-It einfiel und sie mitten in der Bewegung stockte. Naruto runzelte die Stirn. „Du hast einen Verehrer, stimmt’s?“ Er grinste wissend. Ino schnappte das Wort ‚Verehrer’ auf und kam zu Tenten herüber gedriftet. „Wer hat einen Verehrer?“ „Niemand“, beschwichtigte Tenten. „Es ist nur … “ Sie brauchte eine Lüge, schnell. „Ich arbeite gerade hart daran ein bisschen Geld für ein Studium zusammen zu kratzen. Ich hab … einen Nebenjob.“ Das war noch nicht einmal ganz Lüge, das war vielleicht zu vierzig Prozent eine Lüge. Ihre verkümmerten Prinzipien gaben ihr ein schwaches Daumen-Hoch. Das fand Ino natürlich sehr langweilig und sie zog den armen Naruto mit sich fort, köderte ihn mit einem freien Lunch und bekam letztendlich ihre Details, das Ehepaar wünschte Tenten erst viel Glück und verabschiedete sich dann auch, um sich ihre wohlverdiente Mittagspause zu holen. Kakashi blieb und wollte ihr auch alles Gute wünschen. „Danke“, nickte Tenten und ließ sich von ihm die Schulter klopfen. „Da hast du dir ganz schön was vorgenommen.“ ‘Oh, du hast ja keine Ahnung’, antwortete sie in ihrem eigenen Kopf und dachte daran, dass Schwiegertochter spielen ein Nebenjob war, den viele unterschätzten. „Ich hoffe echt, du schaffst es, soll ja ziemlich hart sein.“ Er hob die Augenbrauen und Tenten hielt ihm ihre gekreuzten Finger hin. „Hoffentlich. Wenn ich’s schaffe, lass ich die Sau `raus!“ Sie zwinkerten sich zu. Dann musste sie weiterarbeiten, weil sie nämlich früher gehen wollte, um mit ihrem Gatten zu Abend essen zu können. Kapitel 7: Gefühlschaos ----------------------- Vorschau: „Temari, er ist harmlos. Das Ganze ist mehr eine Art Geschäftsessen und besonders attraktiv finde ich ihn auch nicht..." Vom Braten stieg Dampf auf, wie es sich gehörte. Die Kartoffeln formten einen ordentlichen Ring. Sie waren genau richtig, denn Sakura hatte mit der Gabel in eine hineingestochen und dann das hässliche Mal verschwinden lassen, indem sie das Gemüse umdrehte. Im Allgemeinen war der Tisch herrlich gedeckt. SAkura war sich immer noch nicht sicher wie viel sie sich aus der Aktivität des Kochens machte. Doch für Sasuke hatte sie es eigentlich immer gern gemacht. Zumindest am Anfang. Mittlerweile ging es wie automatisch. Die korrekten Temperaturen waren ihr bereits bekannt, seine Leibgerichte wie in ihr Hirn gebrannt. Da hörte sie auch schon die Tür. Der herrliche Duft ließ sie absolut kalt als er zu ihr ins Esszimmer trat. Wortkarg nickte er sein Wohlwollen und entledigte sich zumindest der Anzugsjacke. Er fragte sie nicht wie ihr Malkurs heute gelaufen war. Sie hätte noch nicht einmal sicher sagen können, ob er sich daran erinnerte, dass sie sich für einen angemeldet hatte. Stattdessen setzten sie sich in trauter Zweisamkeit an den Tisch, wünschten sich mechanisch einen guten Appetit und begannen zu essen. “Kannst du meinen Tuxedo für Nejis Hochzeit in die Reinigung bringen?”, erkundigte er sich. Mit mildem Erstaunen in den smaragdartigen Augen sah seine Frau auf. Doch seine ebenmäßigen Züge zeugten nur von Banalität. Ihm war die Frage offenbar nicht seltsam vorgekommen. Sakura schluckte, antwortete aber wahrheitsgemäß: “Natürlich. Er ist schon längst wieder da.” Sie hatte den Anzug direkt zur Reinigung gebracht. Nach der letzten Feier, zu der sie gemeinsam gegangen waren, hatte sie aus Versehen etwas Gintonic darüber geschüttet, weil Tenten sie so zum Lachen gebracht hatte. In der Regel wusste er, dass ihr Abkommen war, dass sie solche Dinge selbstverständlich erledigte. Warum auch nicht? So viel zu tun hatte sie sowieso nicht, seitdem sie nur noch halbtags bei Tsunade arbeitete. Sie ließ eine Hand auf ihren flachen Bauch gleiten, senkte den Blick und aß schweigend. *** Chaos! Chaos wurde bei Tenten eigentlich CHAOS geschrieben. Das sagte auch Tentens beste Freundin. „Du bist so chaotisch. Du hast nichtmal Zeit für ein Ferngespräch mit deiner besten Freundin, obwohl du einen Kerl geheiratet hast – den ich noch nicht einmal kenne – weil er stinkreich ist!“ Temari jammerte ihrer Freundin etwas vor, die das Telefon zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt hatte, auf dem Bein herum hüpfte, dessen Fuß den Schuh bereits gefunden hatte und versuchte sich gleichzeitig ein Kleid anzuziehen, um mit – einem Arm durch den Ärmel, den anderen vom Kleid an den Körper gepresst – feststellen zu müssen, dass sie den BH vergessen hatte. Hechelnd keuchte sie „Tut mit Leid? Es war einfach eine … weiß nicht ...“ Kurzschlussreaktion? „Er ist wirklich nur für’s Geld da … Ach, Scheiße, wo ist dieser BH?! Ich sag dir ja auch nicht jedes Mal, wenn ich mit einem neuen Kerl ausgehe“, verteidigte sich Tenten und steckte ihren Kopf in ihren Wäschekorb, um auf Unterwäscheexpedition zu gehen. „Du trägst seinen Ring über dem Herzen-...“ „Um den Hals“, verbesserte Tenten. „Und ihr habt euch – wie oft geküsst?“ „Drei Mal.“ „Das ist... – Tenten, was machst du da eigentlich?“ „Versuche meinen BH anzuziehen und den anderen Schuh zu finden. Gehe gleich mit unserem Gesprächsthema essen.“ „Ach, Essen geht ihr auch, ja?“ Tenten seufzte. Sie konnte den Schmollmund ihrer Freundin vor dem inneren Auge ausmachen. „Temari, er ist harmlos. Das Ganze ist mehr eine Art Geschäftsessen und besonders attraktiv finde ich ihn auch nicht, nur sympathisch. Ich würde noch nicht einmal aus Spaß mit ihm ins Bett gehen-...“ „Nein, dafür habt ihr leidenschaftlich einen Vertrag unterschrieben, der-...“ „Ist gut und-...“ Diesmal wurde sie nicht von der Frau am anderen Ende der Leitung unterbrochen, sondern von der Türklingel. Erschrocken wandte Tenten den Kopf. Dabei vergaß sie den Lippenstift mitzuführen und plötzlich hatte sie einen dunklen Streifen, der ihr aus dem Mundwinkel bis auf die Wange reichte. „Ach, Scheiße, ich muss auflegen. Kuss und so!“ „Hey! Dass du ihn nicht magst, muss nichts bedeuten, denn-...“ Aber da hatte Tenten sie schon weggedrückt. Als sie sich humpelnd, stolpernd und fluchend auf den Weg zur Tür machte, hallten die letzten Worte vom Telefon in ihren Gedanken nach. Ihre Freundin spielte damit darauf an, dass sie sich am Anfang gehasst hatten, sich nicht ausstehen mochten und nun die geheimsten Ängste des anderen kannten. So konnte es gehen, aber Neji und sie ... Tenten schmunzelte ob der Vorstellung seine geheimsten Ängste zu kennen. Sie glaubte nicht, dass er Ängste hatte. „Oh …“, entfloh es ihrem roten Mund als sie die Tür endlich erreicht und geöffnet hatte. „Habe mich nach deiner Adresse erkundigt. Du magst Chili’s.“ Auf seine seltsam feststellende Art, schien Neji ihr gerade zu erklären, weshalb er vor ihrer Türschwelle stand, obwohl sie sich im Stadtzentrum verabredet hatten. Doch so weit in Gedanken war Tenten noch gar nicht. Im Augenblick dachte sie eher daran, dass ihr reicher Schnösel von Mann zur Schwelle ihrer chaotischen, dreckigen Wohnung vor ihrem chaotischen dreckigen Selbst stand. Sie wischte sich mit der Handinnenfläche über die Wange, machte es damit schlimmer, zog die Ärmel der Bluse richtig über die Schultern und trat beiseite, um ihn hereinzulassen. „Nicht gerade das, was du gewohnt bist, aber von mir aus können wir die Besprechung auch hier abhalten.“ Er nickte, um kundzutun, dass es ihm genehm wäre und vor allen Dingen, dass ihm ihre sachliche Ausdrucksweise zusagte. Er musste sich vornüberbeugen, um durch die Tür zu treten. Neji stand hervor wie ein Auftragskiller in Disneyland. Er füllte ihre winzige Wohnung beinah vollkommen aus und seine ruhige, stoische Art, stand im starken Kontrast zum Leben, das ihre Wohnung ausstrahlte. Tenten schob all ihre Klamotten hastig in eine Ecke, beschloss sich wieder umzuziehen und wies ihm einen Platz am winzigen Tisch ihrer winzigen Küche. Neji musste seitwärts gehen, um zwischen Tisch und Arbeitsfläche zum zweiten Stuhl zu gelangen. Als sie in Jeans und Schlabberpullover zurückkam, saß er brav mit geradem Rücken, wo sie ihm aufgetragen hatte, sich niederzulassen, und blickte starr gerade aus. Wie ein Roboter, dachte Tenten mit gemischten Gefühlen; irgendwo zwischen amüsiert und unbehaglich. „Universität?“ Tenten vervollständigte den Satz in ihrem Kopf automatisch. ‘Hast du dir schon eine Universität ausgesucht?’ „Eigentlich hatte ich ja vor mich noch mal an der Uni zu bewerben, die ich mir vorher ausgesucht hatte”, rief sie ihm ins Gedächtnis. “Aber jetzt habe ich doch noch eine bessere gefunden. Habe sogar schon meine Bewerbung abgeschickt. Sie müssen mich nur noch nehmen, dann kann ich im Herbst nächsten Jahres beginnen.“ Er nickte bedächtig. Dann schien er sich an etwas zu erinnern und fragte: „Anwalt?“ Sie hatte sich erst letztens beschwert, dass sie ein paar Probleme mit ihm hatte. Der Prozess dauerte echt lange, weil er sehr beschäftigt war. „Der’s eigentlich gut und kompetent. Aber, ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass du vorhast mir Probleme zu machen. Außerdem bist du der mit dem Geld, der aufpassen muss von niemandem ausgenommen zu werden.“ Sie fläzte sich ihm gegenüber auf einen harten Stuhl und trank Eistee – wie immer. Unwillkürlich begann sie im Neji-Style zu sprechen: „Eistee?“ Er schüttelte unmerklich den Kopf- „Die Party … “ Er hatte wieder denselben Unterton in der Stimme wie als er über den Kuss reden wollte, aber Tenten winkte lässig ab. „Mach dir keinen Kopf. Das schaff ich mit links. Sag mir nur, was ich anziehen soll.“ „Dasselbe in einer anderen Farbe und die Brosche.“ Gut, das konnte sie sich merken. Sie schmunzelte. Die Brosche, mit denen man Schwiegereltern abwehren konnte … “Nur noch einen Monat”, seufzte sie. Sie fand es erstaunlich, dass sie schon vier Monate verheiratet waren. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Aber es war auch ein wenig unheimlich. Sie dachte daran, was ihre Freunde sagten. Naruto meinte, sie hätte wenig Zeit für ihn und Temari hatte sie kaum davon informiert. Es war beinah so als schäme sie sich etwas für ihre Entscheidung. Sie schüttelte den Gedanken ab. Neji saß ihr unglaublich steif gegenüber. Allerdings saß er allem und jedem steif gegenüber. Sie berührte gedankenverloren den Ring unter ihrem Pullover. Sie dachte an die Hochzeitsfeier und war zuversichtlich. Eigentlich gab es nichts, was sie nicht schaffen konnte. Was waren schon ein paar Verwandte gegen sie? Der einzige, der ihr gefährlich schien, war sein Onkel und der verhielt sich im Augenblick ruhig. Verdächtig ruhig …. Aber eigentlich machte sie sich mehr Sorgen um ihren Mann. Schließlich machte er nicht den Eindruck als wäre er gut darin im Mittelpunkt seiner eigenen Party zu stehen. Um ehrlich zu sein, befand Tenten sogar, dass sie fast noch besser mit seiner Familie klarkam als er. ‘Verrückt, ich gehöre wohl jetzt so richtig zur Familie’, dachte sie sarkastisch. Dann, einem Impuls folgend, beugte sie sich über den kleinen Tisch und wollte ihm einen Kuss aufdrücken. Allerdings zuckte er erschrocken zurück. „Schlecht, schlecht“, kommentierte Tenten immer noch Zentimeter von seinem Antlitz entfernt. „Wenn uns das auf unserer Hochzeitsfeier passiert, kann ich uns aber nur noch schwer herausreden.“ Ausdruckslos starrte er sie an bis Tenten glaubte, sie habe ihm zu viel zugemutet. Würde er wütend werden? Sie hatte ihn noch nie wütend erlebt. Neji schien keine Angst vor seinem Onkel zu haben. Auseinandersetzungen waren ihm unangenehm, doch sie hatte oft beobachtet wie er ihr zu Hilfe kam, wenn seine Familie ihr zu viel aufbürdete. Manchmal bildete sie sich für einen Atemzug ein, dass Neji eigentlich einen guten Gerechtigkeitssinn hatte. Sie lächelte unwillkürlich ob es Gedankens. Doch er war noch bei ihrem letzten Thema. Dass sie ihn unvorbereitet erwischt hatte, war ihm ein Dorn im Auge. Er wollte definitiv nicht, dass er das schwächere Glied ihrer Partnerschaft war. Daher wurde er nicht wütend auf sie, sondern gab ihr vielmehr den Kuss, den sie hatte haben wollen. ‘Super, Nummer vier!’, dachte Tenten nebenbei und wollte ihm wieder bedeuten, dass er die drei Sekunden für einen Kurzkuss zwischen Ehepartnern in der Öffentlichkeit überchritten hatte. Da geschah etwas Seltsames. Ihr Körper wurde ganz weich. Ihr Hals fühlte sich an als hätte jemand in ihm ein Feuer entzündet, das erst ganz schwach und dann schlagartig so groß wurde, dass es ihr die Kehle verbrannte. Erschrocken machte sie sich los und ließ sich zurück auf ihren Stuhl fallen. „Das war falsch“, herrschte sie. „Entschuldige.“ Seine Augen waren groß, respektvoll und … ehrlich. „Ich bin nicht besonders…“ Doch dann versiegte seine Sprache einmal wieder und Tenten tat es schon wieder Leid ihm gegenüber laut geworden zu sein. „Ach, nicht schlimm. Wir üben ja noch. Ich weiß, was du brauchst.“ Sie stand auf und öffnete einen ihrer Schränke. Auf andere hatte Alkohol eine auflockernde Wirkung. Das hatte sie anhand jahrelanger Studien an Lebensobjekten herausgefunden. „Trink“, befahl sie nicht unfreundlich und deutete auf das Glas, das sie ihm samt klarer Flüssigkeit gerade vorgesetzt hatte. Er starrte das Glas vor sich an. Hatte er eigentlich etwas auf dem Geburtstag getrunken?, fuhr es ihr durch den Kopf. Nein, er hatte ihr immer wieder Champagner angeboten, doch selbst hatte er nie getrunken. „Bist du krank oder so?“ Aber wenn er so lange Antibiotika nahm, wäre ihr das bestimmt aufgefallen. Er wiegte den Kopf beinah unsicher hin und her. „Na los, trink aus. Gutes Zeug. Sei lieber froh, dass ich’s mit dir teile.“ Tenten war kurz davor, das Glas selber zu leeren, denn er schien tatsächlich mit sich zu ringen, doch dann umschlossen seine langen Finger das Glas endlich und er kippte den Inhalt in einem seine Kehle herab. Er musste noch ein Glas trinken, bevor Tenten erstaunt erkannte, weshalb er am Anfang so sehr gezögert hatte. Seine Zunge wurde schwer, seine Bewegungen unkoordiniert. Er suchte nach einem Zettel in seiner Jackentasche, warf beinah das mitgebrachte Essen vom Drive-Thru herab und hatte trotzdem keinen Erfolg. Neji Hyuuga vertrug keinen Tropfen Alkohol! Als er konfus versuchte mit ihr über einige Punkte auf seiner Agenda zu sprechen, wusste sie nicht, ob sie sich schuldig fühlen oder lauthals lachen sollte. „Was?”, begann er ob seiner eigenen Handschrift. “Ehh...? Ess-... Essen? Nein, P… P? Party?“ Er betrachtete die Worte, die er aufgeschrieben hatte. „Sauklaue …“, murmelte er und Tenten konnte ihm in Gedanken nur zustimmen und stolz darauf sein, dass er endlich gemerkt hatte wie unlesbar seine Handschrift war. „Ffff …“ Sie wusste gar nicht, welches Wort er aussprechen wollte und seine Augen wirkten unkonzentriert. Je mehr er die Stirn runzelte und versuchte die Worte zu entziffern, desto schwerer schien es ihm zu fallen überhaupt bei der Sache zu bleiben. Schließlich legte er den Zettel halbwegs ordentlich zur Seite (Er segelte trotzdem vom Tisch auf den Boden) und bettete die Stirn auf die verschränkten Arme, was für seine Frau so ungewohnt aussah, dass sie das Lachen nicht mehr zurückhalten konnte. „Ach, du Armer“, schmunzelte sie. „Teufel Alkohol!“ Wer hätte das gemacht? Es machte ihn zum ersten Mal menschlich und Tenten schüttelte ob der Erkenntnis fassungslos den Kopf. ‘Ich habe einen Menschen geheiratet.’ Der Gedanke ließ sie noch breiter grinsen und sie musste resigniert einsehen, dass die Besprechung für heute wohl vorbei war. „Okay, das versuche ich nicht noch einmal, aber an deiner Kusstechnik musst du arbeiten“, neckte sie unbefangen. Sie war sich noch nicht einmal sicher, dass er sich überhaupt erinnern würde. Mit entschlossenen Schritten trat sie um ihren Tisch herum und versuchte Neji aufzuheben. „Ufff!“ Der Riese wiegte Tonnen! Okay, vielleicht nicht, aber knapp über hundert Kilo Muskel- und Knochenmasse lag mindestens halbbewusstlos in ihrer Küche herum. Wenn sie ihn einfach hier ließ, würde sie sich schlecht fühlen. Schließlich begegnete er ihr auch immer mit ausgewählter Höflichkeit und solche Leute ließ man nicht auf harten Küchenoberflächen schlafen. Das war ein Grundsatz, an den sich Tenten hielt, wenn sie schon keine anderen Prinzipien hatte. „Du musst mir ein bisschen helfen“, flüsterte sie nah an seinem Ohr. „Stell dich nur auf die Füße und folge mir. Stütz dich auf meiner Schulter ab.“ Sie nahm einen seiner Gorillaarme und schlang ihn sich um den Hals. Wie ein schlaftrunkener Bär oder vielleicht ein Fels, der durch Magie zum Leben erwachte, setzte Neji sich in Bewegung. Auf Tentens Beinen traten alle Muskeln stahlhart hervor und auch auf ihrem Bauch hätte man Porzellan zerscheppern können als sie ihn von der Küche ins Wohnzimmer transportierte. Dort ließ sie sich erschöpft auf ihren Boden fallen. Er blieb noch eine Sekunde ohne Halt stehen und klappte dann mehr oder minder in sich zusammen. Erstaunlich weich fing er seinen Sturz ab und, sich aufsetzend, lehnte er sich an Tentens Couch an. „Warum hast du nicht gesagt, dass du so wenig verträgst?“ „Hyugas sind stark …“ Es klang als würde er jemanden zitieren. Erstaunlich. Wenn er betrunken war, formulierte er vollständigere Sätze als wenn er nüchtern war. „Tja, dumm gelaufen, was?“, machte sie schadenfroh und rutschte zu ihm, Sie berührte ihn mit dem Fuß und sein Oberkörper schwankte. Kurzerhand hielt er ich an ihrem Bein fest. Sein Körper war schwer und außergewöhnlich warm. Die Finger, die ihre muskulöse Wade beinah völlig umschlossen, brannten förmlich. Erschrocken öffnete sie die Augen als sie feststellte, dass sie ob seiner Berührung genüsslich die Augen geschlossen hatte. Sie schubste ihn von ihrem Bein weg und er konnte sich gerade noch auffangen, bevor sein Kopf endgültig auf den Boden aufprallen konnte. „Alles dreht sich“, murmelte er hilflos. „Nicht mein Problem“, entgegnete Tenten hart. Sie schluckte fest. Doch dann ging ihr auf, dass nichts hiervon wirklich seine Schuld war und sie wurde wieder etwas lockerer. Die Situation war außerdem einfach zu witzig, um nicht darüber zu lachen. Mit Schadenfreude im Gesicht dachte sie sich, dass ein betrunkener Kerl in ihrer Wohnung ein viel vertrauteres Milieu als schicke Restaurants waren. Außerdem wurde er langsam gesprächig. Er faselte etwas über tolle Einrichtungsfähigkeiten und Tenten lag vor lachen beinah komplett am Boden. Ihre Wohnung war nämlich so gut wie gar nicht eingerichtet. Nur Couch, jede Menge Unordnung, ein winziger Fernseher und ein selbstgezimmertes Bücherregal. Seine Haare waren ein bisschen durcheinander und sein Blick unstet, sein Rücken krumm bis er es endlich wieder schaffte sich so weit aufzurichten, dass er sich an das Sofa anlehnen konnte. Sie wagte es ihm auf den Oberschenkel zu klopfen. Die Geste sollte ihm Mut machen. Im nächsten Augenblick wandte er sein Antlitz und tat das bisher Ungewöhnlichste an diesem Abend. Er lächelte sie an. Noch zeigte er keine Zähne, doch es war eindeutig ein richtiges Lächeln. Der Anblick durchzuckte Tentens ganzen Leib. Ihr Mund war leicht geöffnet vor Erstaunen. Dann begann etwas in ihrem Innern zu zittern, zu wimmern. Sie musste es einfach tun, konnte sich nicht helfen. Sie vergrub die Finger in seinem dichten, dunklen Haar und küsste ihn mit einer Inbrunst, die sie sonst nur im Bett an den Tag (oder die Nacht) legte. Das Erlebnis fuhr ihr unter die Haut, ließ das Blut im Eiltempo durch ihre Venen pulsieren und sie konnte es sogar in ihren Ohren rauschen hören. Ohne großartig darüber nachzudenken schob sie ihm ihre Zunge zwischen die Lippen und erkundete den feuchtfröhlichen Mund des Mannes, auf dessen Schoß sie sich rittlings schwang. Er benutzte dieselbe Technik wie bei dem Kuss auf dem Geburtstag. Zögerlich streiften seine Hände fahrig über ihren Rücken, streichelten ihre Haarspitzen. Mit dem Handrücken karessierte er ihre Wange, aber nur für einen Augenblick. Dann war die Berührung schon vorüber. Das machte Tenten wütend wie nichts anderes zuvor. Sie packte ihn am Kragen und versuchte sich immer enger an ihn zu pressen, immer mehr von ihm zu erobern. Ihre Küsse wurden so stürmisch, dass einmal sogar ihre Zähne aufeinander trafen. Da biss sie ihm kurzer Hand einfach in die Lippe. Kurz und heftig. Sein Aufstöhnen machte sie beinah wahnsinnig. Statt weiter an seinem Haar oder Kragen zu zerren, schob sie ihre kalten Fingerspitzen unter sein Hemd und hoch in das drahtige Haar an seinem festen Bauch. Verzweifelt spürte sie wie seine Finger sich allerdings keinen Millimeter von ihrer sittsamen Stelle an ihren Hüften entfernten. Mit einem verzweifelten Ruck hob sie ihn weg von der Couch und auf den Boden. Ihren Ausbruch fing er sanft mit den Händen ab und gestattete, dass sie sich auf ihn legte. Mit immer fordernden Küssen trieb sie ihn dazu eine seiner riesigen Pranken in ihren Nacken zu legen, wo er irgendeinen Nerv gestreift haben musste, denn daraufhin wandt sie sich wie eine Ertrinkende in seinen Armen, versuchte sich noch härter an ihn und seine Männlichkeit zu pressen. „Tenten...“ Seine Stimme fuhr wie Sandpapier über ihre überstimulierten Nerven und sie musste die Augen fest zusammenpressen vor Verlangen. Doch gleichzeitig machte ihr seine Stimme auch klar, mit wem sie es hier trieb, wessen Gemächte das war und, all ihre Leidenschaft ignorierend, war sie plötzlich der festen Überzeugung, dass sie Neji Hyuga, den Eisblock, gar nicht so sehr begehren konnte. Mit heftigem Beben im Unterleib drückte sie sich von ihm hoch und gehorsam glitten seine Hände von ihrem Körper, was ihr jener zwar schade fand, aber ihr Verstand sehr willkommen hieß. Denn es bedeutete, dass er endlich wieder ‘was zu sagen hatte. ‘Oh je, du hättest den Vertrag beinahe wahr gemacht’, dachte sie durcheinander und dabei fiel ihr gar nicht auf, dass sie ihre Gedanken laut gemurmelt hatte. „Der Vertrag ist nicht wahr …“, antwortete er. „Ach, das weiß ich doch“, erwiderte sie dem betrunkenen Neji und wollte ob dem Klang seiner Stimme noch mehr Distanz zwischen sie beide bringen. Als sie mit den Worten „Ich glaub wir brauchen beide einen Eistee“ seufzend in die Küche ging, wurde ihr erst bewusst, was seine Worte tatsächlich bedeuteten. Seine unsicheren Küsse, die unerfahrenen Handbewegungen … Sie hatte sich Neji noch nie beim Sex vorgestellt und auch noch nie überhaupt darüber nachgedacht. Aber eigentlich war es offensichtlich: Mit seinen Zwängen und der Emotionslosigkeit war er doch nie und nimmer in der Lage mit einem anderen Menschen zu schlafen. Ernüchtert war Tenten zufrieden als sie erkannte, dass sie Neji nicht nur ohne irgendwelche sexuellen Gelüste ansehen konnte, sondern auch wieder das Bild vom kalten, reichen Partner vor Augen hatte. Seit vier Monaten hatte sie schon keinen Sex mehr gehabt. Wahrscheinlich hatte es etwas damit zu tun. Sein Lächeln hatte sie da kurzfristig so überrascht, dass irgendetwas mit ihr durchgegangen war. Sie deckte den armen Kerl noch zu und ging schlafen. Am Morgen danach Am nächsten Morgen hatte er Kopfweh und fand eine Tasse Eistee neben sich auf dem Boden. Sorgsam richtete er sich auf, trank den Tee, so grässlich kalter schwarzer Tee auch schmeckte, in einem herunter und setzte sich dann aufrecht auf weitere Anweisungen wartend hin. Seine Frau baute sich mit verschränkten Armen vor ihm auf. Sie trug einen hellblauen Schlabberpullover, der erstaunlich gut ihre athletische Figur betonte und einen freien Blick auf ihre muskulösen nackten Beine freigab. Warte, sagte neji still an sich selbst gewandt. So etwas fiel ihm in der Regel nicht auf. War er noch betrunken? Ihm war auf jeden Fall noch speiübel. Aha, daran lag es also. nAchdem das abgehakt war, konnte er sich wieder auf das Dilemma vor sich richten. „Nach Hause“. „Klar darfst du nach Hause gehen“, erwiderte Tenten schmunzelnd. Sie genoss es schon ein bisschen ihn so zu sehen. Neji war erstaunt, dass sie wusste, was er meinte, da sie ihn sonst immer lange anstarrte bis er ein wenig ausholte, um ihr mitzuteilen, was er wollte. Er nickte ihr seinen Dank zu, stand vom Boden auf und versuchte sein Schwindelgefühl in den Griff zu kriegen, indem er ganz still stand und sich dann erst in Bewegung setzte. Sie war noch so nett und führte ihn zur Tür. Er wollte gerade aus ihrer Wohnung treten als er es blitzen sah in ihrem Dekoltee. „Trägst du den noch immer an einer Kette?“ Selbnst von seiner Gesprächigkeit überrascht, blieb Neji in einer seltsamen Position stehen, halb in der Wohnung, halb außerhalb. „Ich hab Angst, dass ich ihn verliere.“ Mit einem bedeutenden Blick auf seinen Ringfinger, an dem es ebenfalls blitzte, fügte sie hinzu „Du wohl auch noch.“ Statt ihr einfach zuzustimmen, widersprach er. „Nein, ich versuche mich immer noch an das Gefühl zu gewöhnen.“ Das war die wahrheit. Neji log nicht. Nur Nejis Hirn log und zwar ihm selbst gegenüber. Wie zwei Teile eines ganzen sich belügen konnten scheint erst schleierhaft, wird aber dann verständlich, wenn man die Begriffe Unterdrückung und Repression einführte. Ob der typischen Antwort schüttelte Tenten seufzend den Kopf. Neji wr offensichtlich wieder beim Alten. Hoch aufgerichtet ließ er ihre Wohnung schäbig um sich herum wirken und bedachte sie mit einem Nicken beim Abschied. Sie entschied sich ihm noch die Treppe herunter und nach draußen zu folgen, um ihn zu fragen, ob er sich an irgendetwas erinnern könne. Mit unmerklichem Kopfschütteln verneinte er. Er zollte seiner Umgebung kaum Aufmerksamkeit. Ihr Zuhause, ihre Gegend … mit den billigsten Wohnungen weit und breit. Obwohl Tenten ihn ganz genau beobachtete, konnte sie ihn nicht dabei ertappen wie er sich abschätzig umsah. Es war keine besonders schöne Gegend, in der sie lebte. Überall prangte Graffiti und unglücklicherweise war es Graffiti-Grafiti. Graffiti-Graffiti ist zu entdecken, wo großartige Straßenkünstler ihre politisch-provokanten Kunstwerke erstellt hatten, mit viel Können und artistischen Hintergedanken, und wo dann irgendein Kleinstadtgangster mit seiner Clique, die er Gang nannte, hingegangen war und sein „MonSterZ“ unfein direkt darauf gesetzt hatte. Graffiti-Graffiti war die schlimmste Sorte Graffiti. Außerdem fand man leere Pappkartons einfach mitten in der Straße herumliegend. Niemand wusste, woher sie kamen oder wofür sie einmal gut gewesen waren. Auch beliebte Dekorationen waren leere (immer leere) Bierflaschen oder -dosen. Das einzige, worauf Tenten ein wenig stolz war, war eine Couch, die an einer Häuserwand aufgestellt war. Es war ein altes, zerschlissenes Ding und es war sehr dreckig, doch die Nachbarschaft hatte geholfen es aus der Wohnung des edlen Spenders zu transportieren und für die Kinder der Straße aufgestellt. Von ihrem Küchenfenster aus konnte Tenten oft beobachten wie sich Jung und Alt dort trafen, darauf herumtollten oder abhingen. Natürlich glaubte sie nicht, dass das Sofa mit Säulen konkurrieren konnte, doch jeder brauchte etwas, worauf er stolz sein konnte und für Tenten war es nun einmal diese Couch. Sein breiter Rücken wandte sich ihr zu. „Bis Montag.“ *** Vom Braten stieg Dampf auf, wie es sich gehörte. Die Kartoffeln formten einen ordentlichen Ring. Sie waren genau richtig, denn Sakura hatte mit der Gabel in eine hineingestochen und dann das hässliche Mal verschwinden lassen, indem sie das Gemüse umdrehte. Im Allgemeinen war der Tisch herrlich gedeckt. Sakura war sich immer noch nicht sicher wie viel sie sich aus der Aktivität des Kochens machte. Doch für Sasuke hatte sie es eigentlich immer gern getan. Zumindest am Anfang. Mittlerweile ging es wie automatisch. Die korrekten Temperaturen waren ihr bereits bekannt, seine Leibgerichte wie in ihr Hirn gebrannt. Da hörte sie auch schon die Tür. Der herrliche Duft ließ ihn absolut kalt als er zu ihr ins Esszimmer trat. Wortkarg nickte er sein Wohlwollen und entledigte sich zumindest der Anzugsjacke. Er fragte sie nicht wie ihr Malkurs heute gelaufen war. Sie hätte noch nicht einmal sicher sagen können, ob er sich daran erinnerte, dass sie sich für einen angemeldet hatte. Stattdessen setzten sie sich in trauter Zweisamkeit an den Tisch, wünschten sich mechanisch einen guten Appetit und begannen zu essen. “Kannst du meinen Tuxedo für Nejis Hochzeit in die Reinigung bringen?”, erkundigte er sich. Mit mildem Erstaunen in den smaragdartigen Augen sah seine Frau auf. Doch seine ebenmäßigen Züge zeugten nur von Banalität. Ihm war die Frage offenbar nicht seltsam vorgekommen. Sakura schluckte, antwortete aber wahrheitsgemäß: “Natürlich. Er ist schon längst wieder da.” Sie hatte den Anzug direkt zur Reinigung gebracht. Nach der letzten Feier, zu der sie gemeinsam gegangen waren, hatte sie aus Versehen etwas Gintonic darüber geschüttet, weil Tenten sie so zum Lachen gebracht hatte. In der Regel wusste er, dass ihr Abkommen war, dass sie solche Dinge selbstverständlich erledigte. Warum auch nicht? So viel zu tun hatte sie sowieso nicht, seitdem sie nur noch halbtags bei Tsunade arbeitete. Sie ließ eine Hand auf ihren flachen Bauch gleiten, senkte den Blick und aß schweigend. *** Im Laufe des Samstags tätigte Tenten zwei Anrufe. Der erste ging an ihre beste Freundin, der sie erst einmal mitteilte „Ich glaube, ich war gestern das erste Mal in meinem ganzen Leben so richtig besoffen …“ Und der zweite ging an denjenigen, mit dem sie sich am Abend treffen würde. Sie wusste, dass er ihr seit ungefähr einer Woche schon hinterher sah. Wenn er glaubte, niemand sähe es, hatte er sie beobachtete, und hatte sich öfter als sonst in ihrer Nähe aufgehalten. Unter einem Vorwand war er sichergegangen, dass sie seine Nummer erhielt. Als sie ihn an der Bar traf, lächelte sie, ging direkt auf ihn zu und zog ihn mit einer starken Hand im Nacken zu sich herab. Noch benommen von der Heftigkeit des Kusses freute sich Kakashi. „Ich dachte nicht, dass du interessiert bist“, gestand er atemlos lachend. Tenten zuckte mit der Schulter und schenkte ihm ein Lächeln. Jeder hatte Bedürfnisse. Laut sagte sie: „Ich bin halt ziemlich gut darin meine Gefühle zu verheimlichen bis … “ Hier fügte sie ein verruchtes Lächeln ein. „Es nötig wird sie zu zeigen.“ Er legte ihr einen Arm um die Schultern und wollte sie schon hineinführen, aber Tenten schüttelte den Kopf, legte eine Hand auf sein wohlgeformtes, knackiges Gesäß und teilte ihm ihre Wünsche mit. „Jetzt, wo die Formalitäten geklärt sind, können wir die Bar auch überspringen“, flüsterte sie ihm zu. „Aber hallo“, meinte Kakashi anerkennend, küsste sie auf die Stirn und führte sie selig lächelnd zu sich nach Hause. Kapitel 8: Die Liebhaberklausel, Post-Its, und das Übliche ---------------------------------------------------------- Hechelnd stützte sie sich auf ihren Oberschenkeln ab. „Heute waren wir echt schnell, Schatz.“ Er nickte, wollte an ihr vorbei gehen, blieb aber stattdessen unvermittelt stehen. Auch Tenten hielt in ihrem Gedankengang inne. ‘Schatz …?’, wiederholte er. Falls er es unheimlich fand, dass ihre Charade sich in ihren Alltag geschlichen hatte, so verbarg er es gut. Sie waren gerade ihre gewohnte Dienstagsrunde gelaufen und wollten sich eigentlich umziehen und wieder heimfahren. Neji löste sich aus seiner Starre und verschwand im Männerumkleideraum. ‘Also, wenn es jetzt schon so weit ist, dass du deinen Gatten ‚Schatz’ nennst, wenn ihr allein seid, dann läuft die Ehe gut …’, dachte Tenten mehr belustigt als beunruhigt. Ihn schien es nicht sonderlich gestört zu haben sonst hätte er sein berüchtigtes Stirnrunzeln gezeigt. Sie nannte ihn so oft Schatz vor seiner Familie, dass ihr Mund wohl auf Automatik geschaltet hatte. Sie fuhr sich durch das schweißnasse Haar und zog sich um. Neji wartete schon auf sie. Irgendwann letzten Monat war ihnen aufgefallen wie viel Benzinverschwendung es eigentlich war getrennt hierher zu fahren. Seitdem sammelte Neji sie einfach auf dem Hinweg ein und setzte sie auf dem Rückweg wieder ab … Wie ein guter Ehemann, schmunzelte sie und ließ sich in seinen schönen Wagen plumpsen. „Hör ‘mal, unsere Anwälte haben doch auch eine Klausel für Liebhaber eingebaut, oder?“, begann Tenten geradeheraus. Neji nickte. „Erlaubt“, kommentierte er auf seine typische Weise und war nicht einmal neugierig genug, um sie auszufragen. Das machte ihn eigentlich nicht nur zu einem perfekten Kumpel, sondern auch zum perfekten Mann. Er drängte sich anderen nie auf und war auch nie neugierig. Tenten lehnte sich erschöpft in den Schalensitz zurück und merkte gar nicht wie sie eindöste. *** Er studierte die Blätter, die seine Sekretärin ihm vertraulich in die Hand gedrückt hatte, sehr genau. „Interessant, interessant …“ Dann legte er sie vor sich auf den Schreibtisch, sein Blick trat in die Ferne und er schien über etwas nachzusinnen. „Hmm …“, machte Nejis Onkel nachdenklich. *** Tenten rief Kakashi oft an. Besonders Dienstags sollte er immer bereit sein. Frisch geduscht, sodass ihr fülliges braunes Haar noch feucht war, stand sie dann bei ihm vor der Tür und er zog sie nur allzu gern in seine Arme. Tenten war immer ungeduldig. Sofort drängte sie ihn Richtung Schlafzimmer, warf ihn mit der Kraft ihrer beiden Arme auf das Bett und stieg dann über ihn. Sie liebte ihn als wäre sie wütend. Es war sehr erregend und anders, wie ein kleines Abenteuer, und Kakashi konnte beinah nicht fassen wie anziehend er es fand wenn er sie knurren hörte. Während er fest und hart in sie eindrang, waren alle Gedanken wie aus seinem Hirn weggeblasen, aber sie trieb ihn weiter, rüttelte an seinem Hemd, das er stets noch immer trug, weil sie ihm kaum je genug Zeit zum Entkleiden ließ. Sie stellte ihre Füße auf, um sich ihm besser entgegendrängen zu können. Hemmungslos krallte sie sich an seinen Schultern fest und schlang für den Höhepunkt ihre Beine ganz eng um seine Mitte. Manchmal wollte sie zwei Mal hintereinander. Dann hielt er sie erst ruhig im Arm, streichelte ihre Schläfe mit seinem Kinn und bemerkte langsam wie sie unruhig wurde. Sie streichelte ihn nie, doch wenn sie so zappelig wurde, musste er sie hart küssen und wenn er Glück hatte zog sie für das zweite Mal ihr Top aus und presste ihr nacktes Fleisch ganz fest an seins. *** Nackt stieg Tenten aus dem Bett. Sie hörte wie irgendetwas klickte, doch beachtete es kaum. Sie konnte nicht schlafen und wollte sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzen. Kakashi schlief noch im Bett, tief und fest. Sie beneidete ihn. Ein Blick auf die Zeiger verriet ihr, dass es schon fünf Uhr war. Eigentlich lohnte es sich nicht noch einmal schlafen zu gehen. Bald müsste sie auf der Arbeit sein und sie wollte nicht mit ihrem Liebhaber fahren. Während sie sich anzog, amüsierte sie der Gedanke. ‘Tja, du entwickelst dich zu einer richtigen Ehefrau, hälst dir jetzt sogar einen gutaussehenden Liebhaber. Weiter so, Tenten …’ Aber der Gedanke war nur von Kurzweiliger Unterhaltung. Dann ging sie. *** Nejis Tag war reine Routine. In seinem spartanischen Heim nahm er jeden Morgen genau den gleichen Weg in genau die gleichen Zimmer wie am Tag zuvor. Er aß jeden Morgen das gleiche und brühte sogar jeden Morgen auf dieselbe Art und Weise Kaffee. Nur, dass das in letzter Zeit nicht ganz stimmte. Plötzlich trank Neji morgens Tee. Aber das war nur nebensächlich. Die wirkliche Veränderung fand in seinen Gedanken platz. Als er das erste Mal in ihrer Wohnung gewesen war, war er dämlich genug gewese sich zu Alkoholkonsum drängen zu lassen, was ihm einen seiner befremdlichsten Träume beschert hatte. Zum Glück konnte er sich an nichts von dem Abend erinnern, aber der verstörende Traum verfolgte ihn immer noch. Der Traum wurde in letzter Zeit umso beängstigender, weil er einem weiteren unheimlichen Vorfall von letzter Woche vorausgegangen war. Wie ein sexuell geladener Vorbote. Neulich war Tenten im Wagen auf dem Weg nach Hause vom Trainingsplatz neben ihm eingeschlafen. Er hatte es erst gar nicht bemerkt, doch als er ihr zufällig einen Blick zugeworfen hatte, traf ihr Anblick ihn wie ein Blitz. Das Bild ihrer friedlich gesenkten Lider brannte sich in sein Hirn ein und ihm stockte der Atem. Plötzlich hatte er seltsame Gedanken. Die Vertrautheit, die von ihr ausging, wie sie neben ihm im Auto schlief, war ihm so fremd, dass er es unheimlich fand. Es war als könnte er ihren Atem einsogen, wenn seine Kehle nicht so zugeschnürt wäre; und mit jedem schweren Atemzug, der ihre Brust hob und senkte, wurde das Gefühl stärker. Es schmerzte ihn, wie ein agonisierendes Ziehen in seiner Brust, sodass er sich zwingen musste den Blick abzuwenden und ihn wieder auf die Straße zu richten. Ganz alleine musste er die Autofahrt überstehen. Als der Wagen endlich stand, räusperte Neji sich und Tenten murrte im Schlaf, doch sie schaffte es nicht ganz in diese Welt zurückzukehren. Resigniert begriff er, dass er die Hand nach ihr ausstrecken müsste. Bebend legte er ihr eine Hand auf die Schulter und rüttelte sanft. Mit einem Aufstöhnen schlug sie endlich die Augen auf, sah nicht ihn zuerst, sondern die Windschutzschreibe, lächelte dann schläfrig und bedankte sich. Neji atmete tief ein und aus als sie fort war. Seine Hand, mit der er sie geweckt hatte, fühlte sich noch unbehaglich an, und ihr Duft machte das Atmen schwer. Doch er hatte das Fenster herab gekurbelt und daraufhin war es ihm besser ergangen. Als Bilder von ihrem wund geküssten Mund aus seinem Traum sich zu den Erinnerungen dieses Zwischenfalls mischten, wurde sein Mund so trocken, dass es ihn beunruhigte. Er fragte sein Hirn nach dem Grund für diese Tortur, doch es schwieg peinlich berührt. Als wäre er wieder mit ihr im Wagen wie letzte Woche begann sein Leib zu schmerzen. Mit nochmals heruntergekurbeltem Fenster, fühlte er sich wieder wohler und der Schmerz gehörte bald der Vergangenheit an. Bis er sie am nächsten Tag auf der Arbeit sah. *** Tenten fand, dass die ganze Post-It-Sache gar keine schlechte Idee war. Zuerst hatte sie sie natürlich als dumm abgestempelt, weil sie davon ausging, dass es eine doofe ‚Ich-bin-zu-faul-um-zu-sprechen’-Neji-Sache war, doch sie wollte sich auch nicht in der Mittagspause zu ihm an den Tisch setzen und anfangen mit „Hallo, Schatz, wusstest du schon, dass ich einen Anruf von meinem Anwalt erhalten habe?“. Also schrieb sie den Namen des Anwaltes und seine Nummer auf einen Zettel. Jetzt blieb nur noch ein Problem. Wie fand sie heraus, wo Nejis Arbeitsplatz war ohne jemanden danach zu fragen? Vielleicht war es lächerlich nicht zu wissen, wo sich der Schreibtisch des eigenen Gatten befand, doch auf der Arbeit hatten sie nie Kontakt. Glücklicherweise brauchte sie gar keine unauffälligen Inquisitionen zu machen, denn seine große Gestalt markierte seinen Arbeitsplatz. Unauffällig versuchte sie am Tisch vorbei zu gehen und den Zettel darauf fallen zu lassen. Dabei hatte sie eines nicht bedacht: Post-It-Zettel kleben. Also marschierte Tenten stolz weiter, versuchte den Zettel in der Damentoilette loszuwerden und so zu falten, dass er nicht noch einmal im entscheidenden Moment an ihren Fingern kleben bleiben würde. Dazu ihre neue ‚Nicht-klebe-’Methode auszuprobieren kam sie aber gar nicht, denn sie konnte Neji auf dem Weg zum Klo marschieren sehen. Er streifte sie nur kurz und schon war der Zettel in seiner Hand statt ihrer. ‘Wow, mein Mann hat die Geheimniskrämerei wirklich drauf!’, dachte sie. Der Mann war wie ein Ehe-Spion! *** Jetzt hatte er noch nicht einmal auf der Arbeit seine Ruhe. Ihr schwerer Geruch hatte den gleichen Effekt wie Asthma und weil sie sich so schlecht dabei anstellte ihm eine Nachricht mitzuteilen, musste er sie nun auch noch berühren. Ihre Finger wirkten so zierlich im Kontrast zu seinen. Warum hatte sie ihn nicht einfach angerufen? Aber darauf wusste Neji keine Antwort. Schließlich hatte er selbst auch keine Zettelwirtschaft mehr betrieben, nachdem er ihre Telefonnummer erfragt hatte. Eine weitere seltsame Entwicklung in Nejis Leben war, dass er zu faul wurde abends beim Fernsehen den Kanal zu wechseln. Die Nachrichten waren vorbei und der Vorspann des Abendfilms lief bereits an als er sich nach der Fernbedienung umsah. Sie lag auf der niedrigen Kommode unter dem Flachbildschirm und er saß auf seinem Sofa. Es war ein Liebesfilm, dessen war er sich sehr sicher, und trotzdem konnte er sich nicht dazu aufraffen aufzustehen und wegzuschalten. Stattdessen saß er die nächsten zwei Stunden brav vor der Glotze und hörte sich an wie sich zwei Menschen erklärten, dass sie absolut keine Gefühle füreinander hatten, obwohl die Sexszene gerade gelaufen war. Sein sonst so leistungsstarkes Hirn blieb auch hier still, ersparte sich jeden Kommentar. *** Am darauffolgenden Dienstag stellte sie ihm eine seltsame Frage. Noch etwas verschwitzt stiegen sie in den Wagen als Tenten damit herausplatzte: „Hast du eigentlich nie Angst, dass ich dich nur ausnehmen will?“ Ihre verkümmerten Prinzipien krächzten irgendwas und Neji antwortete mit dergleichen für ihn typischen Sicherheit wie damals als sie sich erkundigt hatte ob er den Antrag ernst gemeint hatte: „Nein“. Das freute sie ungemein. Er machte nicht den Eindruck als vertraute er jedem. “Wie läuft es mit deiner Beförderung?”, fragte sie. Ein Thema, das er wahrscheinlich auch nicht jedem anvertraute. Er wiegte den Kopf hin und her. Offenbar nichts Neues an der Front. Sie konnte erkennen, dass er lieber nicht darüber sprechen wollte. Nicht, dass er überhaupt je über etwas sprechen wollte. Aber manchmal kam er ihr entgegen: “Nächster offener Tag?” Sie verdrehte die Augen. “Nicht offener Tag, sondern Tag der offenen Tür. Dieses Wochenende. Kommst du wieder mit?” Er nickte. Stillschweigend beendeten sie die Fahrt. Zu Nejis Erleichterung schlief sie dieses Mal nicht ein. „Bis Morgen, Schatz“, sagte sie nach ihrem Standardtreffen noch. „Bis Morgen, Liebling“, erwiderte er automatisch, bevor sie ausstieg. *** Seit ihrer Hochzeit war Tentens Leben sehr viel eingewickelter geworden. Jetzt hatte sie nicht nur eine Ehe, sondern auch noch eine Affäre. Lief doch ganz super! So muss das Leben gelebt werden, Tenten! Doch ihre eigenen Ermunterungen verklangen hohl in den Wänden ihres Kopfes. In den nächsten Wochen stellte sie fest, dass Kakashi ein guter Liebhaber war. Er machte wirklich schöne Dinge mit ihr. Sein Körper war auch ein Traum. Sie war überrascht, weshalb sie nicht schon viel früher auf die Idee gekommen war mit ihm etwas anzufangen. Doch selbst nachdem sie gekommen war, war sie nicht ruhig. Irgendetwas schien zu fehlen. Rastlos schloss sie die Augen und bettete den Kopf an seine starke Brust, die mit einem goldenen Flaum überzogen war. Sie versuchte wohlig zu stöhnen, aber der Laut kam ihr nicht über die Lippen. Dann befreite sie sich störrisch aus seinen Armen und schlüpfte nackt aus seinem Bett. Sie konnte hören wie er irgendetwas in der Schublade suchte, aber sie beachtete es nicht. Sie war frustriert, dass Kakashi nie Eistee hatte. Also trank sie Wasser, aber es war nicht dasselbe. Leise kleidete sie sich wieder an. Es dauerte einen Augenblick, weil sie die Kleidung achtlos zu Boden geschmissen hatte, aber sobald die Suche beendet war war sie auch schon wieder verschwunden. Sollte Kakashi von ihr doch denken, was er wollte, aber auf Kuscheln hatte sie keine Lust. Er brachte ihr das Übliche. Sakura nahm den Gintonic entgegen und ließ sich auf ihre Couch fallen. Da kam er wieder. Ihr Sasuke. Mit den dunklen, mysteriösen Augen, die sie immer so in ihren Bann gezogen hatten. Sie nahm einen Schluck. Die Augen, denen sie versprochen hatte für immer treu zu sein. Sie nahm noch einen Schluck. Gemeinsam saßen sie auf der dunkelbraunen Ledercouch in dem dunklen Zimmer mit Holzvertäfelung und schauten sich das Spiel auf ihrer kleinen Kinoleinwand an. Wie jeden Abend. Sasuke hatte sein Hemd aufgeknöpft, ließ die Beine weit gespreizt und hatte einen Arm auf der Couchlehne ausgestreckt. Seine Fingerspitzen berührten beinah ihre Schulter. Sakura hatte sich schon seit einem Jahr nicht mehr an ihn heran gekuschelt. Er schien es noch nicht einmal bemerkt zu haben. Ein Jahr … Sie schloss die Augen und dachte daran wie es früher gewesen war. Er war aus ihrem Büro gerauscht. Er rauschte immer, hatte ein paar Dispute mit Tsunade und trug immer nur die allerbesten Anzüge, die seine schlanke Figur betonten. Mit den Haaren fein zurückgekämmt hatte er so elegant gewirkt und sein Lächeln war einfach berauschend. Natürlich durfte er sie nicht auf ein Date aus fragen. Er musste mit den biederen, langweiligen Mädchen ausgehen, die sein Vater aussuchte oder sich selbst eins von den reichen, dummen aussuchen. Die Sorte mit Platinblonden Haaren und Edelsteinchen auf dem Eckzahn. Doch schließlich hatte er es gewagt, seinen ganzen Mut zusammengesucht, sich zu ihrem Schreibtisch bewegt und sie gefragt. Und was hätte sie anderes als „ja“ sagen können? Welche andere Möglichkeit war ihr vor dem Altar geblieben? Es war wie ein Traum, wie ein Märchen … und sie war die Prinzessin. Wie er für sie gekämpft hatte, damit er sie haben konnte, und jetzt brachte er ihr nur ihr Übliches und bemerkte es noch nicht einmal, wenn sie nicht mehr seine Nähe suchte. Sie konnte keinen Trost mehr in ihrer eigenen Märchengeschichte finden. Stattdessen stellte sie sich das neue Skandalpärchen, Neji und Tenten, vor. Ob er wohl für sie kämpfte? Es war ziemlich imposant gewesen wie er den ganzen Saal durchmessen hatte und sich vor seinem Onkel aufgebaut hatte, nur um seine unscheinbare braunhaarige Frau vor den Blicken des tyrannischen Familienhauptes abzuschirmen. Ob Sasuke und sie am Anfang auch so unsicher gewirkt hatten, als könnte ein falscher Tritt sie in die Hölle befördern? Wahrscheinlich … Sakura öffnete die Augen und da war wieder das dunkle Zimmer mit dem Fußballspiel. Sie nahm noch einen Schluck. Manchmal fragte sie sich, ob sie sich das alles nur eingebildet hatte. Hatte sie nur „ja“ gesagt, weil sie überrumpelt von seinem Reichtum gewesen war, seinem guten Aussehen? Vielleicht hatte sie ihn nie geliebt. Wie sollte man auch jemanden wie Sasuke lieben, der kaum je über seine Gefühle sprach und nur über das Essen redete, wenn sie ausgingen? War das überhaupt möglich? Sie muss sich ihre Liebe nur eingebildet haben … Doch, halt! Diese Tenten liebte Neji und wenn es jemanden gab, der schlecht mit Emotionen umgehen konnte und keine Liebeserklärungen beim Essengehen hervor bringen würde, dann war das dieser Eisblock. Er musste noch eine ganze Ecke schlimmer als Sasuke sein. Doch die beiden schienen sich trotzdem zu lieben … Sakura atmete tief ein und aus, stellte ihr Glas fort und rutschte auf der kalten Couch näher zu ihrem Mann. Sanft lächelnd schmiegte sie sich an ihn. „Na, Babe? Keinen Durst?“ Sie schüttelte den Kopf und sein Arm auf der Lehne rutschte auf ihre Schultern herunter. Er streifte ihren Scheitel verstohlen mit den Lippen. *** Eine Woche vor dem berauschenden Fest war es dann so weit. Seltsame Dinge wurden bemerkt. „Aha, du hast dich also wieder von deinem Onkel unterbuttern lassen?“, wollte Lee sich enttäuscht bestätigen lassen. Neji antwortete einfach nicht. Lee saß neben ihm auf der Couch und sie schauten einen Liebesfilm. Seit der Hochzeit hatten sie sich nur ein paar Mal gesehen. „Dein Onkel und du – ihr müsst euch ‘mal so richtig aussprechen. Sonst geht das dein ganzes Leben so wei-... Was gucken wir hier eigentlich?“ Lee, der immer viel zu viel redete, unterbrach sich kurz selbst, um verdattert auf den Flachbildschirm zu starren. „Haben die da gerade Sex?“, wollte er wissen. Neji nickte, doch Lee ignorierte ihn und fuhr fort: „Oh mein Gott, ich glaube schon! Aber haben die sich nicht gerade noch gestritten? Ist das nicht eigentlich der beste Freund ihres Bruders?“ Lee schaffte es tatsächlich die Klappe zu halten bis der Sex vorbei war, dann wandte er sich an den schweigsamen Neji zu seiner Rechten. „Seit wann guckst du Liebesfilme? Hast du Fieber? Oh mein Gott, seit deiner Hochzeit, nicht wahr?“ Wenn Neji nicht wusste, welche der Fragen, die ihm von Lee gestellt wurden, er zuerst beantworten sollte, schwieg er meistens beharrlich bis Lee die Anzahl seiner Fragen reduzierte. „Hast du Fieber? Seit der Hochzeit, nicht wahr?“ Er wartete noch ein paar Sekunden. „Seit der Hochzeit, stimmt’s?“ Endlich konnte Neji mit dem Kopf schütteln. Lee beobachtete ihn argwöhnisch. Lee und Neji waren beste Freunde seit Ersterer dies beschlossen hatte. Zu allem Überfluss hatte er auch noch herausgefunden, wo Neji lebte, und dann war Neji ihn einfach nicht mehr los geworden. Sein selbsterklärter bester Freund kam ab und zu einfach vorbei. Am Anfang fand Neji den unwillkommenen Freund recht irritierend, doch mittlerweile hatte er sich an ihn gewöhnt. Kennengelernt hatten sich die beiden auf der Polizeischule, doch Lee hatte abgebrochen und schlug sich jetzt mit allem möglichen durch. Jede Woche war es etwas anderes, aber Neji fand es angenehm, wenn er nicht reden musste und ein bisschen menschliche Nähe brauchte sogar er. Das Gute war, dass Lee nicht viel Bestätigung brauchte. Das einzige Entgegenkommen, das Neji ihm je gezeigt hatte, war als jener ihm seinen Geburtstag verraten hatte (Lee war ein leidenschaftlicher Geschenkshopper und überglücklich als sein bester Freund ihm gestattete seinen Geburtstag mit ihm zu feiern, was Neji selbst mit der Familie nur ungern tat) und als er ihm angeboten hatte sein Trauzeuge zu sein. Lee, vollauf begeistert von der Idee, war hingerissen von Tenten, aber er brachte es nicht oft zum Ausdruck, weil er sich nicht sicher war was sein Freund von seiner Frau hielt. Obwohl er von dem Geschäft wusste, war er froh, dass sein Kumpel eine Frau hatte und dann auch noch zufällig diejenige, mit der er sich jeden Dienstag traf! Neji traf sonst keine anderen Frauen. Nie … „Also nicht seit der Hochzeit?“ Neji nickte bestätigend. „Dann aber irgendwann seitdem du mit ihr verheiratet bist?“ Er musste nicken. „Hmmm“, machte Lee. „Eure Hochzeitsnacht-...“, begann er, wurde aber unterbrochen. „Vertrag“, erklärte Neji. „Wegen Ungültigkeitsklausel.“ Ja, das verstand Lee. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt Nejis Wortfetzen zu ganzen Sätzen zusammen zu setzen. So wusste er, dass keine echte Hochzeitsnacht stattgefunden hatte. „Neji, denkst du jemals über deine Frau nach?“ Neji log Lee nicht gern an. Deshalb musste er schon wieder nicken, aber weil ihm das Gespräch unangenehm wurde, bot er seinem Gast lieber etwas zu trinken an. „Eistee?“ „Ja, gerne“, machte Lee geistesabwesend, während er über die Ehe seines Freundes nachgrübelte. Doch dann wurde er stutzig. „Neji, seit wann trinkst du Eistee? Oh mein Gott, seit der Hochzeit? Trinkt Tenten Eistee?“ Und schon wieder die Fragerei. Es war schwer zu sagen ob Lee aufgeregt oder verstört war ob Nejis unüblichen Verhaltens. Jener wartete natürlich bis Lee sich für nur eine der Fragen entschieden hatte bis er antwortete … Kapitel 9: Schmetterlingsseife, und Ex-Freundinnen -------------------------------------------------- Das Leben war gut. Tenten und Neji schlenderten über den Campus, ihre Arme hingen entspannt an ihren Seiten. Vertraute Zweisamkeit herrschte in der Stille zwischen ihnen. Im Nachhinein hätte Tenten noch nicht einmal sagen können wie genau es geschehen war, doch am Wochenende begleitete ihr Gatte sie regelmäßig zu potenziellen Universitäten. Natürlich verbrachte er die meiste Zeit damit den anderen Gästen aufgrund seiner düsteren Ausstrahlung Angst einzujagen oder griesgrämige Kommentare über die Fehlleistungen der Institution abzugeben. Aber Tentens Gemüt ließ sich diese Tage keinen Dämpfer auflegen. Es war als flöge sie durch die Luft, konnte alles erreichen. Offensichtlich war ihr die Geschichte des Icarus entfallen. Sie war sich so sicher, dass sie nächstes Jahr stolze Studentin einer guten Uni sein würde. Sie hatte sich sogar mit hochhakigen Schuhen ausgesöhnt. Sie trug sie noch immer nicht gerne und pflegte immer ein ganzes Sortiment an Gelpflastern in ihrer Handtasche bei sich zu haben, doch mittlerweile konnte sie es einen ganzen Abend in den Dingen aushalten ohne am nächsten Morgen gelähmt zu sein. Einen ganzen Tag konnte sie allerdings noch nicht verkraften. Daher lagen die beigefarbenen Pumps im Augenblick am Boden ihrer Tasche vergraben. Nach dem Universitätsbesuch hatten sie versprochen zu einem kleinen Soiree zu erscheinen. Sie wusste nicht was Nejis Onkel jetzt wieder ausgeheckt hatte, doch sie war sich sicher es konnte ihnen nichts anhaben. Es stellte sich nämlich heraus, dass Neji und sie ein recht gutes Team waren. Sie warf ihm kurz lächelnd einen Seitenblick zu. Sie waren keine Grace Kelly und Marlon Brando, doch wenn es dazu kam das glückliche Brautpaar zu spielen, waren sie in letzter Zeit erstaunlich erfinderisch geworden. Es bereitete Tenten beinah eine diebische Freude den Schein so aufrecht wie möglich zu erhalten. Sie erinnerte sich an eins der letzten Wochenenden, an denen sie Nejis Onkel ein Schnippchen geschlagen hatten. Das furchteinflößende Familienoberhaupt hatte am Telefon Neji gegenüber erwähnt, dass er die nächste Zeit gern mal vorbei kommen würde. Ganz nebenbei, keine große Sache. Das Problem war, dass Nejis Onkel nie zu Besuch kam. Daher gingen bei Neji natürlich sofort die Alarmglocken los und er rief seine Frau an, um ihren Konterangriff zu diskutieren. Tenten hatte den perfekten Plan. Nach der Arbeit fuhr sie in die Stadt, um ein paar Sachen einzukaufen. Mit dem Wagen voller Einkaufstaschen machte sie sich dann auf den Weg in das gute Viertel, in dem Neji residierte. Es war keine der Orte am Stadtrand, wo jedes Haus einer Villa glich, doch es war definitiv nichts was Tenten sich hätte leisten können. Sie war erst ein paar Mal bei Neji gewesen, doch sie fand sein Haus ohne Umstände. Die Fassade des zweistöckigen Familienhauses war recht schlicht bis auf zwei Säulen, die die Überdachung über der Haustür trugen. Die Fenster hatten Klappläden, sodass Neji neugierige Blicke leicht aussperren konnte. Sein Wagen war zum Glück in der Garage, sodass Tenten ihr Auto in seiner Einfahrt parken konnte. Beladen mit Einkäufen klopfte sie an. Es dauerte nicht lange bis man ihr öffnete. Sie nahm die zweite Tür im Flur von links und fand sich in der ausladenden Küche wieder. Auf der Kücheninsel stülpte sie die Taschen um und sah belustigt mit an wie ein skeptischer Neji den Inhalt begutachtete. Er hob ein Stück Seife hoch und sagte: “Ein Schmetterling.” Es war undeutlich ob er missbilligend oder überrascht war. “Ja, das soll auch so sein. Glaub mir, im Augenblick würde niemand glauben, dass hier eine Frau wohnt.” “Bei dir auch nicht”, gab er ironisch zu Bedenken. “Du willst auch keine Schmetterlingsseife.” Sie schob seine Redseligkeit auf sein Erstaunen ob der vielen plüschigen Dinge, die plötzlich Einzug in sein Haus nahmen. “Das wissen deine Verwandte doch nicht”, rief sie zurück während sie Zierkissen auf der Couch im Wohnzimmer verteilte. Daraufhin versank er wieder in gewohntes Schweigen, half ihr aber willig alles im Haus zu verteilen. Leider war er nicht besonders gut darin zu wissen wo alles hingehörte. Also arrangierte Tenten alles noch mal neu sobald er mit einem Raum fertig war. Am Ende des Abends war eine Hälfte des Schrankes voller eleganter Kleider und Schuhe. Im Badezimmer hatten neue Handtücher Einzug gehalten. Tenten hatte nicht nur ihre eigenen lavendelfarbenen Handtücher hinzugefügt, sondern seine alten auch noch mit neuen weißen ersetzt. Auf ihren stand “Sie” und auf seinen “Er”. Sie bekam auch ihre eigenen Schubladen, wo sie Damenbinden, Slipeinlagen, Tampons, Shampoo, ihren Rasierer und alles andere was der weiblichen Hygiene zugeschrieben werden konnte lagerte. Für sein Arbeitszimmer und das Wohnzimmer hatte Tenten sogar ein paar romantische Bücher besorgt. In seinem Schlafzimmer machte sie sich auch zu schaffen. Das Deckbett zierte ein Blumenmuster, auf dem Nachttisch lagen Frauenzeitschriften und eine Nagelfeile. Das letzte was sie taten war einen großen, weißen flauschigen Teppich im Wohnzimmer zwischen Couch und Fernseher auszubreiten. “Und fertig!”, seufzte Tenten und ließ sich auf das Sofa fallen. Behände gesellte Neji sich zu ihr. Er hob die Fernbedienung leicht an und Tenten verstand. Sie nickte. Er schaltete den Fernseher an und schaute die Nachrichten. Als sie beim Wetter angekommen waren, warf er ihr noch einen Blick zu. Mit dem Kopf weit im Nacken und offenstehendem Mund war sie eingeschlafen. Ein Rinnsal Speichel lief aus ihrem Mundwinkel. Neji schaltete den Fernseher und das Licht aus, machte es sich mit verschränkten Armen auf seiner Couch gemütlich, schloss die Augen und schlief ebenfalls. Tatsächlich war Nejis Onkel an dem Wochenende vorbeigekommen. Tenten hatte mit Neji in trauter Zweisamkeit die ganze Zeit geduldig auf ihn gewartet. Als er dann endlich in seinem Porsche die Einfahrt hochgefahren kam, öffnete Tenten ihm freundlich die Tür, servierte Eistee im Esszimmer und zog sich dann mit einem Buch in Nejis Wohnzimmer zurück, während die zwei irgendeine scheinheilige Familienangelegenheit besprachen. Wahrscheinlich war sie sowieso nur erfunden. Als das Familienoberhaupt sich entschuldigte, um zur Toilette zu gehen konnte Tenten genau mitverfolgen wie der ehrwürdige Herr sich die Treppe hochschlich, um vermutlich im zweiten Stock herumzustöbern. Als er wieder ging und Neji und Tenten ihm Arm in Arm nachwinkten sah er ganz und gar nicht erfreut aus. Als sie jetzt über den Campus wanderten konnte Tenten sich ob dieses Siegs ein Grinsen nicht verkneifen. Sie war gewiss, dass sie und Neji heute Abend auf dem Soiree gleichfalls siegreich sein würden. Als sie schon in Siegesgefühlen schwelgte, zeigte er ihr sein Handgelenk. Sie registrierte die Uhrzeit und automatisch lenkten sie beide ihre Schritte Richtung Wagen. Auf der Hinfahrt streifte sich Tenten im Beifahrersitz umständlich die Nylonstrumpfhosen über, wechselte ihr T-Shirt für eine gebügelte Bluse ein und schminkte sich noch mal die Lippen nach. Wie Frauen mit so was auf dem Mund zu Mittag aßen war ihr schleierhaft. Als letztes heftete sie sich Nejis Brosche an und streifte ihren Ring von der Kette ab und ihrem Finger über. “Wie seh ich aus?”, erkundigte sie sich. Seine Antwort war ein kurzes Nicken. Das als klein angekündigte Soiree bestand aus mindestens dreißig Leuten, die allesamt in Konversationen vertieft waren, die Tenten Kopfschmerzen gaben. Natürlich fragten viele sie nach ihrer anstehenden Hochzeitsfeier, doch Tenten lachte nur verschwörerisch und vertraute allen an, dass ihr Schwiegeronkel sie und Neji überraschen wollte. “Ich bin davon überzeugt, dass es absolut wunderschön wird”, versicherte Tenten einer Runde schmuckbehangener Hausfrauen. “Nur das feinste Menü mit exquisitem Geschirr. Mir wurde auch versichert, dass einige der talentiertesten Musiker für den Anlass einfliegen würden.” Beeindrucktes Munkeln zog sich durch die Gruppe. Während die Frauen Geschichten über ihre eigene Hochzeitszeremonie austauschten, wurdeTenten ein wenig von den anderen isoliert. Jemand hatte sanft ihren Arm ergriffen und führte sie vom allgemeinen Trubel der anderen Gäste fort. Es war kein anderer als Nejis Onkel. Seine zerfurchte Stirn wurde noch ein bisschen runzliger als er ihr ein breites Lächeln schenkte. Seine gefährlichen hellen Augen schienen sie durchdringen zu wollen. “Liebe, Tenten”, begann er und sie bereitete sich mental auf eine Interrogation vor. Zurecht. “Ich arbeite zur Zeit an der Rede für meinen Toast. Und da ist mir aufgefallen, dass ich leider nicht genug Zeit mit euch verbringe.” Sein Lächeln wurde eine Spur breiter. “Natürlich hoffe ich das bald zu ändern. Aber worauf ich hinaus möchte ist dass ich gar nicht weiß welche der vielen wundervollen Facetten meines Neffen du so innig liebst.” Tenten stutzte, ließ es sich aber nicht anmerken. Stattdessen seufzte sie als schwelge sie in Erinnerungen, aber in Wirklichkeit war ihr Kopf wie leergefegt. Was war wohl die beste Antwort? Weshalb konnte man einen Mann wie Neji wohl lieben? Schade, dass er nicht mehr lächelte … Sie sah ein, dass sie sich einen Grund zusammenbasteln musste. „Er hält mich die ganze Nacht über und die Welt scheint sich plötzlich nicht mehr so schnell zu drehen. Bei ihm bin ich vollkommen ruhig und geborgen“, gab sie zum Besten und beobachtete ganz genau wie ihr Gegenüber das schlucken würde. Es war riskant sich so weit aus dem Fenster zu lehnen, doch Nejis Onkel hatte die Augen zu schmalen misstrauischen Schlitzen verengt, aber bisher noch nicht protestiert. Tenten sah ihm weiterhin fest in die Augen, ganz so als hätte sie ihre Worte ernst gemeint und hoffte darauf, dass sein Onkel ihrem Mann nicht nahe genug stand, um zu wissen wie er sich in trauter Zweisamkeit verhielt. Und sie hatte mitten ins Schwarze getroffen erkannte sie erleichtert als ihr Antagonist schwieg. Er konnte sich nicht sicher, einfach nicht vollkommen sicher sein, dass sie es sich ausgedacht hatte … Er gab auf und blinzelte. Er räusperte sich umständlich. „Aha.“ Mehr sagte er nicht, weil Neji zu ihrer Rettung eilte. Jener hatte sich von einer seiner jungen, schönen Verwandten losgerissen und stürmte mit langen, maßvollen Schritten und gerunzelter Stirn auf sie beide zu. “Er brauchte nur ein bisschen Input für seine Rede”, beruhigte Tenten ihren Gatten mit weicher Stimme und einer sanften Geste auf seinem Unterarm. Federleicht glitt eine seiner Hände auf ihren unteren Rücken. Sie hatten diese Pose erst neulich in seinem Wohnzimmer einstudiert. So würden sie für Fotos posieren, wenn der große Tag da war. Hiaschi machte eine unauffällige Geste mit der linken Hand, die Tenten nur aus den Augenwinkeln bemerkte. Die schöne blonde Verwandte, mit der Neji sich eben noch unterhalten hatte, machte sich mit gleitenden Schritten auf den Weg zu ihnen. “Ich möchte euch eine der Musikanten vorstellen, die ich für die Hochzeit angeheuert habe. Sie ist eine formidable Cello-Spielerin und-” Er nahm elegant ihre Hand in seine und küsste sie. Die Blondine hielt ihre Augenlider für einen Herzschlag demütig gesenkt. “... eine alte Bekannte des Bräutigams.” Hiaschi schien nach einer Regung in Tentens Gesicht Ausschau zu halten, doch sie gab ihm keine. Mit etwas Verzögerung hielt sie ihre Hand aus, um sich vorzustellen, vergaß, dass das nicht ihre Aufgabe war und änderte in allerletzter Sekunde den Kurs. “Verzeih, aber dein Kleid ist so wunderschön, ich muss einfach wissen wer es entworfen hat!” Mit der ausgestreckten Hand deutete sie auf die Spitze, die sich um die schlanken Arme schlang. “Vielen Dank. Es ist von Gucci”, sagte sie freundlich, noch immer mit gesenkten Lidern. Neji schritt ein und stellte sie einander vor. “Eloise, dies ist Tenten, meine Frau. Tenten, dies ist Eloise. Wir hatten vor ein paar Jahren viel Verkehr.” Die Damen plauderten eine Weile über Belanglosigkeiten. Eloise erkundigte sich auch nach dem weniger aufreizenden Kleid das Tenten trug. Dann tauschten sie Gedanken über die Hors d'œuvre aus. Aber alles woran Tenten denken konnte war, dass Hiaschi ein altes Schlitzohr war. Ihr ging auf, dass Eloise eine Art Ex-Freundin Nejis sein musste. Sie war nicht allzu besorgt, dass Neji sich plötzlich wieder in den Fängen einer alten Liebschaft zurückgezogen fühlen könnte und ihr Arrangement aufgeben und somit Tenten im Stich lassen würde. Aber das lag nur daran, dass sie ihn gut kannte. Wenn sie sein betrunkenes Gemurmel richtig interpretiert hatte, war er noch nie mit einer Frau intim gewesen. Er war auch nicht besonders gefühlsbetont. ‘Romantiker’ stand ihm sicher nicht auf der Stirn geschrieben. Wie könnte diese Eloise also eine Gefahr für sie darstellen? Unauffällig ließ Tenten den Blick über den Körper der anderen Frau fahren. Ihr goldenes Haar war lang, aber auf der linken Seite hochgesteckt. Wie reifer Weizen fiel es in eleganten Kurven auf ihre zierlichen, spitzenbesetzten Schultern. Das Rot ihres enganliegenden Kleides schmeichelte dem Lippenstift den sie gewählt hatte. Ihre ozeanblauen Augen waren so einnehmend, dass man darin versinken wollte. Plötzlich wusste Tenten die Antwort, denn sie fühlte sich mausgrau. Was keine Anzahl an diamantbesetzten Verwandten geschafft hatten war von dieser einen kleinen Frau und ihrem roten Kleid vollbracht worden. “Du siehst auch sehr gut aus”, wandte Eloise plötzlich das Wort an Neji. Dieser bedankte sich so knapp wie möglich. “Wisst ihr noch was für einen herrlichen Anzug er zu deinem ersten Konzert getragen hat?”, fragte Hiaschi seufzend. “Ein hervorragender Schneider”, stimmte Eloise zu. Doch Neji sah kurz von einem zum anderen und sagte dann deutlich: “Nein.” Tenten musste sich ein Lachen verkneifen und lehnte ihre Wange kurz sanft an seinen Arm. *** Das mit Eloise hatte offenbar nicht funktioniert. Hiaschi saß mit einem guten Port weit über seinen Schreibtisch gebeugt und grübelte. Wie sollte er bloß diese impertinente Schmeißfliege von einer Gattin von seinem Neffen loswerden? Da fiel sein Blick auf eines der vielen Diplomen, die bei ihm an der Wand hingen. Er griff nach seinem kleinen schwarzen Buch und dem Telefonhörer. Kapitel 10: Ablehnung --------------------- Tenten war auf die bevorstehende Feier vorbereitet. Sie hatte sich ein mit Spitze besetztes weißes Kleid besorgt und von einem Youtube-Tutorial gelernt wie sie ihre Haare mit der neuen, teuren Klammer hochstecken musste. Gestern als Neji und sie sich zu einem Geschäftsessen getroffen hatten, hatten sie noch einmal den Spontankuss mit der drei-Sekunden-Regel (Nr. 5!) geübt und Tenten hatte auch sonst an alles gedacht. Neue Schuhe, neue Handtasche. Und die Brosche war so ziemlich das einzige was nicht drohte vom Chaos ihrer Wohnung verschlungen zu werden. Sie fühlte sich vorbereitet, als könne ihr niemand in die Quere kommen - nicht einmal der böse Onkel! Doch da hatte sie noch nicht mit der Bombe gerechnet. Die Bombe kam mit der Post, lag beinahe einen halben Tag bei Tenten herum, weil sie erst am Mittag dazu kam sich mit ihr zu beschäftigen, und sie machte auch nicht tatsächlich „boom“. Sie riss Tenten nicht wirklich in Tausend Stücke. Höchstens metaphorisch. Aber der Effekt war derselbe. Ihr Blick überflog das Dokument. „… leider ablehnen …“, hauchten ihre Lippen, während ihre Augen auf den ersten Zeilen kleben blieben. Tenten fühlte sich nicht nur als wäre eine Bombe in ihrem Gesicht explodiert, sondern als hätte man ihr auch den Boden unter den Füßen weggezogen. Vorsichtig legte sie den Brief auf ihrem winzigen Küchentisch ab, trank ihren Eistee aus und stand lange Zeit einfach nur mit hängenden Schultern herum und dachte … an gar nichts. Tut mir Leid Der Tag ihrer Hochzeitsfeier war gekommen. Ihnen stand ein ganzer Nachmittag und Abend mit langweiligen Zeremonien und Reden im Schoß seiner Familie bevor. Er war nicht überrascht, dass Tenten nicht freudig aus ihrer Wohnung gelaufen kam, aber dass sie sich gar nicht blicken ließ fand er merkwürdig. Schließlich hievte Neji sich aus seinem Wagen und trat an das Apartmenthaus heran. Beim ersten Mal, an dem verhängnisvollen Abend an den er sich nicht erinnern konnte, war eine ältere Dame so gut gewesen ihn mit hereinzulassen. Aber diesmal war niemand weit und breit zu sehen. Er suchte nach ihrer Klingel, doch dann fiel ihm etwas ein. Vor ein paar Wochen hatte sie ihm einen Schlüssel gegeben. Dass das von großem Vertrauen zeugte, hatte er nicht begriffen. Er fand es sehr verständlich und hatte sogar eine mentale Notiz gemacht ihr auch einen zukommen zu lassen, den sie für sein Heim benutzen könnte. Für Notfälle, zum Beispiel. Er nahm den Schlüssel aus seinem Handschuhfach und schloss damit erst die Haustür und später, nachdem er angeklopft hatte, ihre Wohnungstür auf. Es war verdächtig still. Tenten war sonst nie so still. Das Chaos hieß ihn stumm willkommen und er wandte den Blick von dem Sofa ab, vor dem er damals mit einem schrecklichen Kater aufgewacht war. Er fand sie in der Küche, mit dem Rücken zu ihm. Sie stand vor der Anrichte, ein leeres Glas vor sich. Auf dem Küchentisch schräg hinter ihr lag ein geöffneter Brief inmitten einiger Rechnungen, die – so bemerkte Neji beiläufig – überfällig waren. Statt irgendwie verbal auf sich aufmerksam zu machen, hoffte er es würde genügen wenn er dichter an sie herantrat. Doch sie schien keine Notiz von ihm zu nehmen. Selbst als er so dicht hinter ihr stand, dass sie seinen Atem auf ihrem Hinterkopf spüren musste erhielt er keine Reaktion. Als sie endlich eine Reaktion zeigte, kam sie so schnell und unerwartet, dass sogar der ruhige Neji zusammenzuckte. Mit blitzschnellen Bewegungen wurde das leere Glas gepackt und nur Sekunden später zerschellte es an der Wand. „Ahhhhhhhhrgh!“, drang es aus Tentens Kehle. Es klang wie eine verwundete Löwin. Schwer stützte sie sich mit den Händen auf der Arbeitsfläche ab. Wieder war es ganz still, doch schließlich deutete sie auf einen geöffneten Brief. Stillschweigend kam er ihrer Aufforderung nach. Auch Neji trafen die schlechten Neuigkeiten wie der Inhalt eines Kübels eiskalten Wassers. Er hatte ihr garantiert … Sie hatte ihn geheiratet, nur weil er eine Konfrontation mit seinem Onkel bezüglich dessen Heiratskandidatinnen... bezüglich überhaupt des Wunsches, er solle heiraten gescheut hatte … Er hatte ihr sein Wort gegeben … Egal wo, egal was … Seine eigene Betroffenheit überraschte ihn und er mochte Überraschungen nicht. Sein Verstand, der ihn sonst immer abschirmte, war noch immer verdächtig still. Was sollte er denn jetzt machen? Normalerweise bekam er die Antworten und Lösungen seiner Probleme auf einem Silbertablett präsentiert. Arbeitete sein Hirn einfach langsamer? Nein, wahrscheinlich nicht. ‘Was tun?’, fragte er sich und ließ den Brief zurück auf den Tisch segeln. „Tut mir Leid“, war alles was er laut aussprach. Es war nicht viel, doch es war das einzige, womit er dienen konnte und da hielt sie es nicht mehr aus. Ob dem Klang seiner Stimme begann sie zu schluchzen. Den Atem konnte sie einfach nicht länger anhalten, die Augen nicht länger zukneifen. Ihre Arme zitterten vor Schwäche als ihr ganzer Körper von ihren Schluchzern erfasst wurde. Neji wendete sein neues Wissen aus den Liebesfilmen an und war ganz erstaunt als sein Hirn zu seiner alten Leistungsstärke zurückkehrte. Plötzlich wusste er wieder ohne sich viele Gedanken darüber zu machen, was getan werden musste. Sanft befreite er ihre Arme von der Last, indem er die kleine Frau umdrehte und vorsichtig an seine Brust sinken ließ. Ihre Nähe war ihm zwar unangenehm und als er die Arme vorsichtig um sie legte, brannte sich ihr Körper in die weiche haarlose Haut an der unteren Seite seiner Arme. Doch irgendwo sah er auch ein, dass es gerade nicht um ihn ging. Seinen Teil der Abmachung hatte er bekommen: eine Familie, die ihn nicht mit jedem reichen Mädchen verkuppeln wollte, das gerade ihren Mädchenschulabschluss hinter sich gebracht hatte; doch ihrer … Unwillkürlich zogen sich seine Arme fester um sie zusammen. Wie automatisch leiherte sein Mund noch einmal „Tut mir Leid“. Gemeinsam durch die Krise Irgendwann machte sich Tenten von ihm los, ging wortlos ins Wohnzimmer und schmiss sich auf die Couch. Neji blieb nutzlos in der Küche zurück bis sie sich seiner erbarmte und mit erstickter Stimme um Eistee bat. Gehorsam suchte er bis er fand und brachte ihr das Gewünschte. Schweigend saßen sie lange auf dem Sofa. Tenten weinte noch immer, doch sie versuchte es etwas stiller zu machen. Er konnte nur betreten zu Boden schauen. An eine Hochzeitsfeier war jetzt nicht mehr zu denken. Beklommen befühlte er den Ring an seinem Finger. Immer, wenn er nicht auf der Arbeit war, trug er ihn und er wusste, dass Tenten ihren an einer Kette um den Hals trug. Ob sie ihn auch beim Schlafen trug? Ihre Schluchzer wurden immer kraftloser. Sie schwankte ein bisschen auf ihrem Sitzplatz. Er glaubte sie „Ist doch alles nicht so schlimm“ murmeln zu hören. Die Kraft die Schluchzer zu unterdrücken nahm sie, indem sie die Arme eng um sich schlang und die Augenlider fest aufeinander presste. Er wagte nicht sie zu berühren, doch als der Tag immer weiter fortschritt, verlor sie all ihre Zurückhaltung und suchte haltlos nach seiner Nähe. Beinah unverschämt bettete sie den Kopf auf seinen Oberschenkel, nur dass es selbstverständlich gar nicht unverschämt war. Eher verzweifelt. Wenn man sich schon auf ihn für menschliche Nähe verließ, konnte man nur verzweifelt sein. Doch er tat sein Bestes und legte eine Hand auf ihr weiches volles Haar. Von ihrem Kopf ging eine unsägliche Hitze aus. So verweilten sie. Sogar als Tenten auf seinem Schoß eingeschlafen war. Sogar als er im Sitzen mit seinem Hinterkopf auf der Couchlehne eingeschlafen war. *** „Wieso fällt die Feier aus?“, wollte Tenten wissen. Sie kam gerade mit nassen Haaren aus dem Bad. Offenbar hatte er telefoniert, während sie geduscht hatte. „Weil wir nicht hingehen“, erklärte er. Sie hatten noch gut zwei Stunden Zeit bis sie eine Verabredung in weißem Kleid und Anzug bei einem Priester vor fünfhundert geladenen Gästen hatten. Genug Zeit, um Tenten in besagtes weißes Kleid zu quetschen. Sie war sehr verwirrt. Er hatte sie doch geheiratet, weil er Konfrontation und Rebellion aus dem Weg gehen wollte. Da ging ihr ein Licht auf … „Ist es wegen der Uni? Neji, ich helf dir gern weiter, auch wenn ich nicht dort studieren kann. Ich versuch es nächstes Jahr nochmal woanders. Ich werd mir Mühe geben, versprochen. Heute Mittag war eine Art … Ausfall, Systemstörung, aber jetzt bin ich wieder funktionstüchtig. Ich such mir einfach ein paar andere Universitäten aus, mit leichteren Kriterien. Es … war nur so ein Schock. Ich hab es nicht kommen gesehen. Alles lief so wunderbar. Da habe ich mich ein wenig gehen lassen.“ Er erwiderte darauf nichts und Tenten nahm fälschlicherweise an ihre Annahme sei richtig gewesen. Sie setzte sich neben ihn und legte eine Hand auf seinen Oberschenkel. “Wär doch eine Schande, wenn ich Standardtanz umsonst gelernt hätte, oder?” Sie wollte ihn eigentlich ob seiner grimmigen Miene etwas aufheitern. Doch es funktionierte nicht. Sie gingen nicht zu ihrer eigenen Feier. Tenten wusste nicht was er seiner Familie erzählt hatte. Aber sie ging davon aus, dass Hiaschi gebrüllt hatte. Eine Hochzeit mit fünfhundert geladenen Gästen wenige Stunden vorher abzusagen war der Albtraum eines jeden Familienoberhauptes. Wahrscheinlich waren alle direkt zur Bar gegangen und hatten den Rest der Feierlichkeiten damit zugebracht über das abwesende Brautpaar zu lästern. Leider erfuhr Tenten nie die Wahrheit, denn das war das letzte Mal, dass Neji mit ihr über seine Familie sprach. Im Allgemeinen geschah etwas unerwartet schockierendes für Tenten: Nach dem Vorfall kühlte ihre aufblühende Freundschaft merklich ab. Tenten war nicht wirklich klar, wer von ihnen daran Schuld war, doch sie unternahmen nicht mehr so viel miteinander und sprachen nur noch das Nötigste. Angesichts der Tatsache, dass Tenten davon ausgegangen war, dass Neji vorher bereits nur das Nötigste geäußert hatte, fühlte sie sich sehr von ihm abgeschieden. “Tenten!”, rief Naruto und wedelte vor ihrem Gesicht herum. Träge sah sie auf. “Verzeihung”, entschuldigte sie sich. “Was hast du gesagt?” Sie saßen alle beim Chinesen und Kurenei schien ihr eine Frage gestellt zu haben, denn Naruto neben ihr deutete auf die elegante Frau. “Ja, bitte?”, erkundigte sich Tenten. “Machst du eine Diät? Du hast noch gar nichts gegessen”, erwähnte die Frau. Obwohl sie nie etwas zu befürchten hatte, versuchte sie immer auf ihr Aussehen zu achten. Allerdings wollte sie es auf die gesunde Art und Weise tun. Ino war da viel extremer. Tenten rechnete schon beinah mit einem Vortrag Kureneis darüber, dass man richtig, nicht weniger essen sollte, als die blonde Sekretärin ihr unverhofft zu Hilfe kam. “Ich finde es vollkommen ok, dass sie das nicht essen möchte. Die tun doch heutzutage alle Zucker in ihre Suppen.” Während die zwei Frauen am Tisch weiter diskutierten, wandte Naruto sich Tenten zu und fragte: “Ist dir nicht gut?” Sie hob die Schultern. “Ich bin einfach nur nicht hungrig.” Sie lächelte ihm zu. Irgendwie fühlte sie sich auch müde. Nachdem sie alle zu Ende gegessen hatte, zerfiel die Gruppe. Kurenei und Asuma verließen das Etablissement Arm in Arm, Ino klebte mit einem Ohr am Telefon und Naruto drückte sie ungewöhnlich fest zum Abschied. “Du schaffst das schon mit deinem Nebenjob”, versicherte er ihr augenzwinkernd und machte sich ebenfalls auf den Weg. Zurück blieb nur Kakashi, der mit Absicht so getan hatte als gäbe es Komplikationen mit seiner Rechnung. Sein Blick war hoffnungsvoll, doch sie schüttelte nur den Kopf, was ein schlichtes Stirnrunzeln in sein Antlitz zauberte. Kapitel 11: Wie man jemanden vermisst... ---------------------------------------- Das Cafe war in Pastellfarben gehalten, genauso wie Sakura. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt und unter einem Beret verborgen. Dazu trug sie eine stylische Sonnenbrille mit großen Gläsern. Ihr Fuß wippte nervös während sie in ihrem Kaffee rührte. Endlich kam derjenige auf den sie gewartet hatte. Mit großen Schritten trat er auf ihren Tisch zu und setzte sich zu ihr in den Schatten der Mansarde. “Hey”, machte er, sein Ton sanft. Das mochte sie so an ihm. Er war immer feinfühliger als Sasuke. Ihre Finger berührten einander federleicht auf der Tischplatte. Kurz spielte sie mit seiner großen Hand, zog sich dann aber abrupt zurück. Sie wollte nicht, dass er sich Hoffnungen machte. Er lachte jungenhaft, mit nur einer Spur Bitternis. Schließlich fragte er ernsthaft: “Vermisst du unsere Rendezvous manchmal?” Sie nickte. “Natürlich”, kam es ihr über die Lippen. “Ich auch”, gestand er. Er lächelte reumütig, doch es war kein Betteln. Darauf schwiegen sie eine Zeit lang. “Warum hast du mich hergebeten?”, wollte er schließlich wissen. Sakura nahm einmal tief Luft und sah ihm dann direkt in die Augen. Sie fragte sich flüchtig ob es denselben Effekt mit der Sonnenbrille haben würde wie sie es ohne gewohnt war. “Vermisst du es jemals mit mir zu reden?” Die Frage traf ihn unvorbereitet. Wenn man an zwei Liebhaber in einer Affäre dachte, kamen einem verbale Konversationen nicht als allererstes in den Sinn. Doch er musste gestehen, dass er es sehr vermisste mit ihr über seinen Tag, seine Arbeit, sogar über ihren Mann zu reden. Er hörte ihr gern bei ihren Problemen zu. Deshalb waren sie überhaupt in dieses Dilemma geraten. Zögerlich nickte er. “Warum können wir dann nicht einfach Freunde sein?” “Du willst mit deinem Ex-Liebhaber befreundet sein?”, lachte er. Es klang gepresst. “Du weißt, dass du...”, begann sie, ließ es aber bleiben. Wenn er darüber lachen wollte, sollte er es doch tun. Ihr Stuhl scharrte laut über den Stein als sie sich zum Gehen erhob. Da hielt er sie am Arm zurück. Sein Gesichtsausdruck war wieder ernst. “Bitte setz dich. Entschuldige”, begann er. “Ich wollte dich nicht auslachen. Es ist einfach...” Schwer. Er hatte schwer sagen wollen. Immer wenn er sie sah überkam ihn ein fürchterliches Drängen. Er wollte sie in die Arme schließen, über ihren Rücken streicheln, mit ihren wunderschönen, einzigartigen Haaren spielen. Er wollte ihr all die Dinge ins Ohr flüstern, die ihr Gatte ihr nicht mehr sagte. Er konnte sich noch zu gut an die leidenschaftlichen Treffen erinnern. Wenn sie in ein Hotelzimmer kam, konnte er nicht anders als ihr sofort entgegen zu kommen. Noch bevor sie sich ihres Mantels entledigt hatte würde er ihren Mund bereits wund küssen. Sie musste im Nachhinein immer neuen Lippenstift auftragen. Er erinnerte sich auch an lange Nächte zusammen, wenn ihr Mann auf Geschäftsreisen gewesen war. Wie faszinierend ihre Alabasterhaut in der Dunkelheit glühte. Wie weich sie sich anfühlte. Er versank jedes Mal in ihrer Weiblichkeit. Obwohl er immer gewusst hatte, dass was sie taten falsch war, so hatte er es einfach nicht lassen können. Als sie die Affäre beendet hatte, hatte es ihm das Herz gebrochen und war zugleich eine gewaltige Erleichterung gewesen. Er selbst hätte niemals so stark wie sie sein können. Er wusste noch genau wie es vorgefallen war. Sie hatte ihn mittels ihrer geheimen Nummer zu ihr gerufen, doch als er ankam war die Atmosphäre bedrückend gewesen. Er hatte sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte. “Es ist endlich soweit”, sagte sie. Da wusste er was geschehen würde. “Ich will nicht mehr weiter machen”, gestand sie ihm. Obwohl er solche Gefühle auch hegte, bemerkte er wie er auf sie zuhielt, ihre Arme mit beiden Händen ergriff und verzweifelt versuchte sie an sich zu ziehen. Doch sie wollte nicht. “Bitte, Sakura”, hörte er sich murmeln. Gleichzeitig war er froh als sie sich ihm noch immer verweigerte. Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und er tat es ihr gepeinigt nach. “Wir haben ein Paar kennen gelernt, dass mich ein wenig an Sasuke und mich erinnert. Du weißt, als wir noch jung waren. Es ist ein Bekannter Sasukes, Neji, und seine neue Braut. Dieser Neji … er ist noch schlimmer als Sasuke je gewesen ist. Und weißt du was?”, fragte sie, doch er konnte darauf nicht reagieren. Sie fuhr unbeirrt fort: “Sie liebt ihn trotzdem. Man kann förmlich sehen wie sie ein Team gegen seine ganze Verwandtschaft bilden. Und irgendwie … seitdem fühle ich mich … Und Sasuke auch. Ich meine, wir saßen letztens auf der Couch und wir haben zusammen ferngesehen.” Sie seufzte und begriff, dass das recht banal klang. “Ich meine, wir waren nicht zwei Menschen, die zufällig auf derselben Couch zur selben Zeit saßen, sondern … mehr.” Sakuras Blick war in einem anderen Moment. Er nickte. Er begriff. “Glaubst du , ihr könnt endlich...” Er brachte es nicht über die Lippen. “...darüber hinweg kommen?”, beendete er die Frage. Sie hob die Schultern. “Ich weiß es nicht, aber ich will es noch mal probieren.” Er bemerkte erst, dass er weinte als sie ihm liebevoll doch bestimmt über die Wange wischte. Sie gab ihm ein Taschentuch und hielt seine Hand. So verbrachten sie den Rest ihres Treffens. Als er ging lächelten sie sich gegenseitig traurig an. Die Geschehnisse waren ihm so klar vor Augen als sei dies gestern erst geschehen. Hier vor dem Cafe lächelte sie ihn wieder genauso traurig an. “Hast du schon mit ihm darüber geredet?”, wollte er schließlich wissen. Sakura schüttelte den Kopf. Sie sah ängstlich drein. Er ergriff ihre Hand. Nicht auf die drängende Art eines Liebhabers, sondern die sanfte Art eines Freundes. “Natürlich möchte ich noch mit dir befreundet sein”, erklärte er inbrünstig. Sie umschloss seine Hand mit ihren beiden und drückte so fest sie konnte. *** Ihr Kopf bebte. Tenten konnte die Freundin am anderen Ende der Leitung kaum verstehen. “Temari, nicht so schnell.” “Ich rede überhaupt nicht schnell”, gab sie zurück. “Geht’s dir gut?” Tenten schüttelte den Kopf, was die Migräne nur noch schlimmer machte. Außerdem fiel ihr zu spät ein, dass ihre beste Freundin das sowieso nicht sehen konnte. “Nein.” ”Was ist los, Süße?” “Ich vermisse...”, begann sie, verschluckte sich, und endete mit “...meine Aspirintabletten.” “VIelleicht solltest du eine Pause vom Arbeiten nehmen”, schlug Temari nicht zum ersten Mal vor. “Geht nicht. Ich stehe kurz davor aus meiner Wohnung herausgeworfen zu werden.” “Schätzchen, wie hast du das denn wieder geschafft?” “Ich hatte ein Missverständnis mit meinem Vermieter.” ”Genau. Wie immer. Ich hatte gehofft, du könntest mir verraten wie es kommt, dass der Rest der Welt es schafft Frieden mit ihren Vermietern zu halten. Nur du fällst mal wieder aus dem Raster.” An ihrem Tonfall konnte Tenten erkennen, dass Temari sich gerade die Zehennägel lackierte. “Ich wollte eine Couch die Treppe herab tragen, doch letzten Endes habe ich sie wohl eher geschmissen.” Tenten seufzte. “Jetzt schulde ich ihm einen Haufen Geld für das Treppenhaus und die Tür.” “Du bist unverbesserlich”, war Temaris einziger Kommentar. Statt weiter auf ihrer Freundin herumzureiten, schlug sie eine praktische Lösung vor. “Warum fragst du deinen Gatten nicht um Hilfe? Du hast schließlich nicht zum Spaß geheiratet.” Temari erahnte Tentens Verneinung bereits bevor sie sie aussprach. “Aber das ist doch wofür er da ist!”, erstickte sie den Protest der anderen im Keim. “Temari...”, versuchte Tenten doch noch ruhig einzuwenden. Doch ihre Freundin war nicht zu halten: “Warum reich heiraten, wenn es einem keine kaputte Tür bezahlt? Oder zumindest die Miete!” Ihr Unterton war leicht sarkastisch, wie immer eigentlich. “Temari...”, begann Tenten wieder. “Was denn?”, fragte sie geistesabwesend. “Ich muss dir etwas erzählen.” Sie konnte förmlich spüren wie sich Temaris Augenbrauen am anderen Ende der Welt zusammenzogen und sie den Nagellack wegstellte. “Ok… Du klingst ernst.” Sofort stellte sie eine ihrer Vermutungen an: “Der will sich aber nicht scheiden lassen, oder?” Tenten wünschte sich die andere könnte ihr einfach mal nur zuhören. “Nein”, antwortete sie genervt. “Das heißt...”, musste sie sich dann doch korrigieren. “Das weiß ich nicht. Aber… das ist schon richtig so.” Tenten sprach mit einer Absolutheit in der Stimme, die Temari beunruhigend fand. Sie ahnte, dass der ganzen Geschichte mehr zugrunde lag als man ihr preisgab. “Wollte er etwa plötzlich doch Sex als Teil der Vereinbarung?” Temari hatte es nur gut gemeint. Sie war fest davon überzeugt, dass er ihrer besten Freundin irgendein Unheil angetan hatte. Doch Tenten war einfach blind wütend. “Nein!”, donnerte sie. “So ist er nicht!” Sie hielt kurz den Atem an, um nicht zu schreien. “Du verstehst das nicht!”, presste sie angestrengt hervor und legte auf. Verblüfft und besorgt blieb Temari am anderen Ende der Leitung zurück. Das war ja noch nie geschehen. *** Sie drückte die Klingel beinah ein, so stark war ihr Fingerdruck. Ein verschlafener Kakashi öffnete und war regelrecht überrumpelt vom Auftauchen seiner ehemaligen Liebhaberin. Sie war ihm in letzter Zeit aus dem Weg gegangen. Schweren Herzens hatte er beschlossen, ihr etwas Zeit zu lassen. Als sie ihn mit ihrem Kuss ins Wohnungsinnere drängte, war er davon überzeugt, dass er richtig gehandelt hatte. Tief im Innern hatte er gewusst, dass sie ihn wollte! Eifrig wollte er sie entkleiden, doch das wollte sie noch immer nicht. “Komm schon, Liebling...!”, bat er atemlos. “Nenn mich nie wieder Liebling”, befahl sie zwischen räuberischen Küssen. Aber Kakashi war im Liebestaumel, sodass er mit flinken erfahrene Händen versuchte ihr Top von den Schultern zu streifen. Da berührte etwas kühles, dünnes seine Haut. Erstaunt wollte er das Kleinod um ihren Hals in Augenschein nehmen, doch Tenten schlug seine Hand weg. “Trägst du diese Kette immer noch?”, fragte er belustigt. Es war eine dämliche Kette mit einem Ring daran. Besonders modisch war Tenten nicht, musste er zugeben. Er fand es eigenartig, dass sie ihm nie hatte erzählen wollen, was das Monstrum von Schmuck ihr eigentlich bedeutete. Sie trug es immerzu. Trotz ihrer Stillosigkeit fand er sie von allen Frauen bei Weitem am attraktivsten, am aufregendsten. “Ja”, machte sie barsch. “Und jetzt halt die Kappe”, informierte sie ihn noch bevor sie sich mit ihm zu Boden fallen ließ. *** Der Professor starrte Temari an - wie alle Männer; da waren die Akademiker keine Ausnahme. Tenten seufzte und schaute sich lieber in der Kantine um. Als sie zurückkam, ging der Professor gerade von Dannen und ihre beste Freundin hielt eine Telefonnummer in Händen. “Bitte schlaf nicht mit meinem Professor”, bat Tenten matt. “Wir wissen doch noch gar nicht, ob er wirklich dein Professor sein wird”, merkte die Wüstenbraut an und besah sich den knackigen Hintern des Gelehrten. “Temari...”, mahnte Tenten. “Schon gut, schon gut!” Sie zerriss den Zettel und sah sie stattdessen fragend an. “Also, wie gefällt dir diese? Ganz ehrlich, mir ist der Sinn von diesen offenen Tagen nicht ganz klar.” Tenten machte sich nicht einmal die Mühe das zu korrigieren. Nur ihre innere Stimme lamentierte ‘Das heißt Tag der offenen Tür’. “Na ja, nicht so sehr wie meine Erstwahl, aber...” Tenten setzte ein breites Lächeln für Temari auf. “...Gefällt mir sehr gut!” “Na, wunderbar! Können wir jetzt gehen?” Temari rieb sich den knurrenden Magen und hielt nach einem Fluchtweg Ausschau. Ihre Freundin nahm es ihr nicht übel. Sie wusste, es war nur ihre Art. Temari musste sich echt um sie gesorgt haben, denn sie war den ganzen Weg hier heruntergeflogen, nur um sich neue Universitäten mit ihr anzuschauen. Und Temari hasste Universitäten. Wenn man es nicht mit learning by doing meistern konnte, dann sah Temari nicht den Zweck. “Was machen denn deine Finanzen?”, fragte sie just in dem Augenblick. Tenten zuckte zweideutig mit der Schulter. “Was soll denn das heißen?” Ihr war schon aufgefallen, dass Tenten Abstand davon genommen hatte sich die teuren Eliteuniversitäten anzuschauen. Hieß das etwa ihr Sugar Daddy bezahlte nichts mehr? “Eigentlich ganz gut...”, antwortete Tenten in einem Tonfall, den man nie mit ‘ganz gut’ assoziiert hätte. “Aha. So klingst du aber nicht… Hast du Sorgen?” Tenten winkte beruhigt ab. “Ach nein, gar nicht. Neji hat wohl noch meine Kontoinformation. Er hat mir letzte Woche einen Haufen Geld überwiesen.” Viel zu viel, um genau zu sein. Und zwar völlig unnötigerweise. Wenn sie sein Geld hätte haben wollen, dann hätte sie einfach seine Kreditkarte benutzen können, die mittlerweile in die Tiefen ihres selten benutzten Schmuckkästchens verbannt worden war. “Das ist doch hervorragend!” Tenten nickte halbherzig. “Ja, jetzt kann ich die Miete zahlen.” Sogar Kakashi hatte ihr Geld aufdrängen wollen, doch der wurde vollkommen ignoriert. Temari betrachtete ihre Freundin besorgt. Der anstrengende Eisblock war aus ihrem Leben, Geld bekam sie trotzdem noch und bald würde sie studieren - Trotzdem klang Tenten als mache sie eine schlimme Zeit durch. Dabei schien es doch gerade bergauf zu gehen. Weil sie am Ende ihres Lateins war, tat Temari etwas ganz untypisches, lehnte sich zu Tenten hinüber und gab ihr einen Kuss auf die Wange. “Du wirst schon sehen. Wenn deine Bewerbung erstmal angenommen wurde, sieht die ganze Welt gleich schon viel besser aus!” Ob der warmherzigen Geste huschte Tenten zum ersten Mal ein zierliches doch ehrliches Lächeln über die Lippen. Kapitel 12: Für Notfälle ------------------------ Das Jahr schritt voran. Es wurde wieder wärmer. Im Prinzip sollte sie ihm dankbar für das Geld sein. Doch es erschien ihr trotzdem falsch. Wie konnte er davon ausgehen, dass sie noch sein Geld wollte, wenn er wie am Anfang nicht mehr mit ihr sprach? Sie saß auf der Futonmatte, die ihre zerschellte Couch ersetzte und stopfte Chips in sich hinein. Später war sie mit Kakashi verabredet, aber irgendwie hatte sie wenig Lust. Der Grund weshalb sie heute besonders aufgewühlt war, war der dass es wieder der Erste im Monat war. Das war immer der Tag seiner Überweisungen. Was schlimmer war, sie war sich immer noch nicht ganz klar darüber wie es dazu gekommen war. Sie konnte sich noch daran erinnern wie er plötzlich alles geschmissen hatte - Die Hochzeitsfeier seiner Familie, die Ehe. Sie fragte sich, ob er überhaupt noch Kontakt zu seinem Onkel hatte. Dieser Bastard von einem Familienmitglied. Sie drehte sich auf den Rücken und erinnerte sich an all seine schleimigen Heucheleien. Was für ein Wunder, dass Neji so eine reine wenn auch etwas zu simplistische Seele hatte. Sie öffnete die Augen wieder. Und wurde angestarrt von ihrer kahlen weißen Raufaserdecke. Während sie sich das Salz von den Fingern leckte, erkannte sie wie sehr sie es vermisste Dienstags laufen zu gehen. Sie stand auf und verließ das Apartment ohne Laufschuhe. Erst als sie ankam ging ihr auf, dass sie nicht das Laufen, sondern etwas anderes vermisste. Sie konnte nicht ganz den Finger darauf legen. Tief sog sie die Nachtluft ein als sie über den Sportplatz schritt. Da wurde sie einer Gestalt gewahr. Sie stand bereits etwas weiter entlang der Rennstrecke. Je näher Tenten kam, desto bekannter kam ihr die hohe, breitschultrige Silhouette vor. Es gab kein Irren. Diese stoische Pose hätte sie überall erkannt. Der Name kam ihr nicht über die Lippen. Aber antippen konnte sie ihn auch nicht. Wie sich herausstellte musste sie das auch gar nicht, denn Neji wandte sich zu ihr um. Sein Blick fuhr sofort an ihren Hals, wo er das schwache Funkeln ihrer Kette ausmachen konnte. Erst dann legte sich sein ruhiger Blick auf ihre Augen. “Was machst du denn hier?”, wollte sie wissen. Sie hatte es eigentlich netter sagen wollen, doch es klang als beanspräche sie alleiniges Aufenthaltsrecht am Sportplatz. “Ich bin hier jeden Dienstag”, erklärte er als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Dann griff er in seine Jacke hinein und hielt ihr den ausgestreckten Arm hin. Es dauerte einen Atemzug bis sie begriff, was die Geste bedeutete. Dann breitete sie die Händfläche unter seiner aus und er ließ den Zweitschlüssel für seine Wohnung darin fallen. Den hatte er ihr schon eine ganze Weile lang geben wollen. “Für Notfälle”, lautete sein monotoner Kommentar. Tenten betrachtete das Kleinod eindringlich; ihre Kehle zog sich zusammen. Das konnte sie sich nicht erklären. “Sprichst du noch mit deinem Onkel?”, fragte sie mit erstickter Kehle. Er schüttelte den Kopf als sei es keine große Sache. Das verwirrte Tenten umso mehr. Sie dachte, sie hätte seine simplen Beweggründe verstanden, doch jetzt ergab er überhaupt keinen Sinn mehr. Im nächsten Moment hörte sie ihre eigene Stimme wie aus weiter Ferne sagen “Für den Notfall.” und stellte sich dann dicht vor ihm auf die Zehenspitzen, um ihm die Arme ohne Scham um den Hals zu werfen und seine eiskalten, harten Lippen zu küssen. Zögerlich auf die ihm so typisch behutsame Weise begann er zu erwidern. Als er sie also zum letzten Mal küsste und zum ersten Mal ehrlich, war sie heilfroh, dass er sich nicht an die dämliche Drei-Sekunden-Regel hielt. *** Da hatte er es schon geschafft, dass sie nicht mehr miteinander sprachen und er schickte ihr noch immer Geld! Diese Frau war hartnäckiger als Ungeziefer. Da klopfte es an seine Bürotür. Ein Gast sei für ihn eingetroffen, sagte man ihm. Es stellte sich heraus, dass es eigentlich ein Angestellter war. Na ja, eher eigenständiger Auftragnehmer. Aber egal wie man ihn nennen wollte, er würde hoffentlich die Rettung dieser Familie sein. Dessen war Hiaschi sich zwar nicht hundertprozentig sicher, doch er hatte Nejis Blicke gesehen. “Hast du sie?”, fragte er hoffnungsvoll. Sein Gast nickte und händigte ihm eine Mappe. Hiaschi lächelte. *** Neji war die Sorte Mann, die unglaublich schlau, unglaublich sozial unbegabt und unglaublich faul war. Diese Mischung hatte zur Folge, dass jegliche Interaktion mit anderen nur tolerierbar war, wenn es sein musste. Er hatte einfach keine Freude an Freunden und fand den Verkehr mit ihnen mühsam und beschwerlich. Das gleiche galt für seine Familie. Jede Interaktion war mühsam und beschwerlich. Er war sich noch nicht vollkommen im Klaren darüber was er vom Leben wollte, aber er war sich ziemlich sicher, dass die Antwort „seine Ruhe“ war. Seine Karriere gab ihm alles, was sein männlicher Stolz von ihm erwartete und es gab genug Gelegenheiten aufzusteigen und mehr Geld zu verdienen, um alles andere zu kaufen, was sein männlicher Stolz wollte wie z.B. einen übergroßen Plasmafernseher. Dieselbe Faulheit, die soziale Interaktion so anstrengend für ihn machte, hatte über die Jahre die perfekte Methode gefunden, um mit seiner Familie auszukommen. Er ignorierte sie, wo er konnte und wenn es nicht mehr ging, tat er so als würde er sich ihrem Willen beugen und gab nach. Für viele andere wäre dies anstrengender als sich zu wehren, aber Neji war über die Jahre die Disziplin in Person geworden und er ging zu jeder Party, zu der er eingeladen wurde, und eigentlich sollte dies die idealen Voraussetzung für jedermanns Glück schaffen. Dem war auch so gewesen. Bis er sie getroffen hatte. Jetzt erschien die ganze Anstrengung - endlose ignorierten Anrufe -, die es ihn kostete seiner Familie aus dem Weg zu gehen, wert. Trotzdem saß er meistens allein in seiner Wohnung. Manchmal war Lee da, doch Neji war sich nie wirklich sicher worüber jener in seinen endlosen Monologen sprach. Manchmal lag noch der Hauch eines Kusses vom Sportplatz auf seinen Lippen, doch dieser verflog immer schnell. “Und dann hat Carrie gesagt...”, brabbelte Lee im Hintergrund. Es störte ihn nicht im Mindesten, dass der andere Freundschaften nicht genoß. Neji trank seinen Eistee und war froh, dass er die Courage besaß eine Frau wie Tenten vor seiner Familie zu beschützen statt sie noch weiter mit hineinzuziehen. Wie er überhaupt jemals von Anfang an so etwas von ihr hatte verlangen können, war ihm mittlerweile schleierhaft. *** Seine Fingerspitzen fuhren liebevoll über ihre Haut. Er hatte seine sehnige Hand unter ihr Hemd geschoben. Aber die intime Berührung war Tenten nicht ganz geheuer. Daher entzog sie sich Kakashis Griff. “Ich muss nach Hause“, erläuterte sie, schwang die Beine vom Bett und wollte sich die Schuhe anziehen. “Tenten, jetzt warte doch”, bat er. Manchmal klang seine Stimme zu nett, um aufrichtig zu sein. Sie wandte sich um. “Was denn?” Sein Gesichtsausdruck war nicht direkt verletzt, denn er hatte eine dicke Haut, aber etwas nahe ging es ihm schon, wenn sie den Anschein erweckte als könne sie es nicht erwarten ihn wieder verlassen zu können. “Ich würde dich gern mit etwas überraschen”, gestand er. Sie sah skeptisch aus und er fuhr mit einem amüsierten Grinsen fort: “Ich habe mir schon gedacht, dass du vielleicht so reagierst. Daher habe ich mich gegen eine Überraschung entschieden.” Er rutschte etwas näher zu ihr. “Und stattdessen Demokratie gewählt. Ich möchte dich also bitten mitzubestimmen.” Tenten verstand nur Bahnhof. Aber wenigstens schwang sie die Beine zurück auf das Bett. “Ich habe in letzter Zeit etwas mehr Geld verdient und würde...” Er sah ihr schelmisch in die Augen. Sein Blick hätte das Herz jedes Schulmädchens zum Schmelzen gebracht. “...dir davon gern einen Ring kaufen.” Tenten verdrehte die Augen. “Bitte fang nicht schon wieder damit an”, seufzte sie. “Ich finde wirklich nicht, dass wir einen Penisring nötig haben”, beruhigte sie ihn. Aber er schüttelte nur seufzend den Kopf. Dann deutete er auf ihren Hals. Instinktiv griff sie nach dem Stückchen Metall das über ihrem Herzen baumelte. “Um… den hier zu ersetzen?”, hauchte sie fassungslos. Diesmal war Kakashi es, der die Augen verdrehte. “Also ich hatte ja gehofft, dass du ihn für jedermann sichtbar am Finger tragen würdest, nicht versteckt wie das Ding da.” Er zwinkerte. “Na, was denkst du?”, stellte er ihr den wohl unelegantesten Heiratsantrag aller Zeiten. Na ja, nicht aller Zeiten… Tenten hatte schließlich zumindest schon einen unromantischeren gehört. Erst war sie sprachlos. Was war es mit den Männern auf ihrem Polizeipräsidium - Hatten sie alle plötzlich das Heiratsfieber ergriffen? Aber weil sein Gesichtsausdruck so hoffnungsvoll war, rang sie sich für ihn ein Lächeln ab. Er hob die Decke hoch und machte eine einladende Geste. Tenten stand so unter Schock, dass sie der Einladung sogar automatisch folgte. Während Kakashi friedvoll an ihrer Seite döste, drehten sich ihre Gedanken im Kreis. Natürlich war Kakashi keine schlechte Partie. Auf der anderen Seite… Eigentlich gab es einen Haufen Argumente dagegen. Einer davon war, dass sie bereits eine verheiratete Frau war. Der andere, dass sie sich seit geraumer Zeit völlig leer fühlte. Als hätte jemand all ihre Emotionen eingepackt und mitgenommen. Aber sie wusste nicht so wirklich wie sie Kakashi das sagen könnte. Kapitel 13: Take-Out, Krankenhaus, und Intrige ---------------------------------------------- Tenten blickte auf den Kalender. Fast kaum zu glauben, dass rund ein Jahr vergangen war seitdem sie den Brief der Ablehnung erhalten hatte. Wenn der Sommer vorbei war, würde auch ihr Hochzeitstag anstehen. Wie schnell die Zeit verging. Und wie ironisch, dass sie sich möglicherweise bald scheiden lassen müsste, nur um direkt wieder heiraten zu können. Als nächstes führte sie sich die Post zu Gemüte. Gott sei Dank war diesmal nichts überfällig. Doch etwas fiel ihr ins Auge! Der Umschlag war nicht besonders dick, doch es prangte definitiv das Siegel einer Universität darauf. Da ihr Zeugnis offensichtlich für die höheren Universitäten nicht gut genug gewesen war, hatte sie beschlossen es an mittelmäßigen Hochschulen zu versuchen. Nicht gut, aber definitiv nicht schlecht. Sie war sich eigentlich recht sicher, dass sie es schaffen würde. Aber sicher konnte man sich eben nie sein. Einen Herzschlag lang überlegte sie noch ob sie den Umschlag sofort aufreißen sollte, doch dann steckte sie ihn kurzerhand ein, schnappte sich die Autoschlüssel und war binnen Sekunden die Treppe herunter und über die Straße zu ihrem Wagen gehastet. Noch vor der Arbeit musste sie jemandem einen Besuch abstatten. Ihr fiel einfach kein anderer Mensch ein, mit dem sie diesen Moment sonst teilen könnte. Egal ob er gut oder schlecht ausfallen würde. Da klingelte ihr Mobiltelefon, das Kakashi ihr zum besonderen Anlass seines Vorschlags geschenkt hatte. Natürlich war es Temari. Sonst rief niemand so früh bei ihr niemand an. Offenbar konnte sie sich nicht zwischen Orangen- oder Grapefruitsaft zum Frühstück entscheiden. Ihr Zugang zu einer Nummer zu geben, unter der Tenten 24 Stunden am Tag zu erreichen war, hatte sich als schlechte Idee entpuppt. “Ich weiß nicht, Temari”, entgegnete Tenten gestresst. “Ich bin gerade echt beschäftigt.” “Womit denn?” Darin war die andere sehr interessiert. “Ich muss meinem Mann etwas zeigen.” “Meinst du nicht, dass es etwas früh ist ihn so zu nennen? Ich meine, ihr seid doch erst seit kurzem verlobt und-...” “Ich habe doch noch überhaupt nicht angenommen”, rief Tenten ihr wieder ins Gedächtnis. Das war eine Tatsache, die Temari zugern außer Acht ließ. “Außerdem mein ich doch nicht Kakashi”, fügte sie noch hinzu. Das schien Temari zu beunruhigen. “Aber dann bleibt nur noch ein Ehemann übrig...”, murmelte sie. “Eben”, herrschte Tenten in den Hörer und legte erstmal auf. *** Klingeln musste sie nicht, denn sie hatte schließlich den Schlüssel. Unverschämt rief sie in die ominöse Stille des Hauses seinen Namen. Erst geschah nichts. Doch dann lugte sein Kopf aus der Küche. Es zeigte sich nicht viel Regung in seinem porzellanen Antlitz, doch sie kannte ihn gut genug, um zu erahnen, dass er nicht überraschter hätte sein können. Aber das war jetzt alles nicht wichtig. Sie hielt den Umschlag hoch. Atemlos. Er kam um die Ecke in den Flur und nahm das Szenario ruhig in sich auf. Mit einer minimalen Geste forderte er sie auf den Brief zu öffnen. Sie biss sich auf die Lippe, doch tat es schließlich. Ihr Herz pochte. Und setzte dann einen Schlag aus. Sie musste es noch nicht einmal laut vorlesen. Sogar Neji, dessen emotionale Intelligenz gering war, konnte an ihrer Körperhaltung erkennen wie das Ergebnis ausgefallen war. “Ich versteh das einfach nicht”, murmelte sie. Sie hatte ein gutes Zeugnis. Ein wirklich gutes. Es hatte sie sogar verwundert, dass man sie an den egalitären Hochschulen abgewiesen hatte. Hatte sie irgend ein No-No in ihrem Motivationsschreiben übersehen? Sie sah in seine ratlosen, hellgrauen Augen hoch. “Ich glaube ...”, begann Tenten. Am Ton ihrer Stimme konnte er bereits hören, dass eine ihrer verrückten Ideen folgen würde. “Ich würde jetzt gern ein wenig in einer Badewanne liegen.” Elegant glitt er zur Seite und gab den Weg zur Treppe frei, die in den zweiten Stock und zum Masterbad führte. Dort gab es eine Badewanne, wusste Tenten von ihren vorherigen Besuchen. Es war erstaunlich und gleichzeitig zu erwarten gewesen wie wenig sich hier verändert hatte. Tenten konnte nicht anders als traurig zu lächeln als sie all die kleinen Dekorationen ausmachte, die sie und Neji hier aufgestellt hatten als sie sich auf Hiaschis Besuch vorbereitet hatten. Schmetterlingsseife war nur der Anfang! Nachdem sie an einem Abend zehn verschiedene “Better Home and Living” Ausgaben analysiert hatten, hatten sie noch mehr kitschige Indizien, dass eine Frau hier wohnte, bestellt. Im Badezimmer angekommen schien es als hätten sie damals an alles gedacht; die zwei Zahnbürsten, die ganzen Hygieneartikel, die verschiedenen Duschgele und Shampoos (einige waren sogar halb ausgeleert, um es realistischer wirken zu lassen), Rasierer, Badesalze und –öle sowie seltsame Cremes und Deo mit exotischen Gerüchen! Ein kleines Extra war Haarspray und Make-up sowie die Frauenklamotten in der Wäsche und dann waren da auch noch diese grässlichen Badematten – Mit Sonnenblumen! Es war urkomisch, dass er sich nicht die Mühe gemacht hatte das alles loszuwerden. Der Rest seines Hauses war schließlich eher monochrom und spartanisch. Bis auf ihre Unterwäsche entkleidet stieg sie in die Wanne. Sie überlegte kurz, ob man sich selbst ertrinken lassen konnte, entschied aber dass der Überlebensinstinkt sich bemerkbar machen würde. Trotzdem sank sie bis zur Nasenspitze ein. Ehe. Ehe ist ein seltsames Ding. Es klang so erwachsen. Dabei war sie noch gar nicht sicher, ob sie so erwachsen sein konnte. Mit Neji war es kein Problem gewesen, doch sie begriff immer mehr, dass es mit Kakashi außer Frage stand... Tenten glitt immer tiefer unter die Wasseroberfläche, erst ihr voller Mund, dann ihre dunkle Nase, die Augen, die Stirn … und dann tauchte sie wieder auf. Neji stand in der Tür. Sein Blick wich nicht einmal von ihren Augen ab. „Es ist echt eine große Badewanne“, sagte sie anerkennend, aber sie hatte sich Neji nie darin vorstellen können. Er erschien ihr mehr wie ein Duschtyp. Besonders weil sichergestellt war, dass er definitiv nicht der Typ für dreckige Sachen in der Wanne war. Jungfrauen waren das in der Regel nicht. “Ich...”, begann sie. Aber die Situation war so schon surrealistisch genug, ohne dass sie irgendetwas Sentimentales von sich gab. Wer hätte gedacht, dass man einen Eisklotz so vermissen konnte? “Die einzige, die du ausgeschickt hast?”, fragte er auf so typische Art und Weise. Natürlich schüttelte sie den Kopf. Sie wusste genau was er meinte. Andere Universitätsumschläge würden kommen und einer würde sie bestimmt annehmen. Da er sich offensichtlich nutzlos vorkam, hielt er ihr schlicht ein trockenes Handtuch entgegen und fragte, ob sie noch zur Arbeit wollte. Sie seufzte, dann nickte sie. Und so kam es, dass sie seit Langem wieder gemeinsam zur Arbeit fuhren. Es war fast so als wäre kaum Zeit vergangen. Tenten kurbelte das Fenster herunter und der Wind fegte nicht nur durch ihre Haare, sondern ließ auch den kleinen Ring an ihrer Kette klimpern. *** Doch das alte Gefühl der Geborgenheit hielt nicht an. Die anderen Umschläge ließen nicht lange auf sich warten. Genau wie der letzte und der vom letzten Jahr brachten sie alle nur schlechte Neuigkeiten. Sie kamen alle binnen einer Woche. Nach dem ersten hatte Tenten Nejis Haus nicht verlassen. Es war schwer zu sagen weshalb. Nachdem sie an dem Morgen zusammen zur Arbeit gefahren waren, hatte er sie natürlich auch zurück zu sich nach Hause fahren müssen. Ihr Wagen stand schließlich noch in seiner Einfahrt. Doch statt in ihr Auto zu steigen war sie noch mit ihm in die Küche gegangen, hatten zusammen einen Eistee getrunken. Dann hatte er ihr wortlos die Bestellkarte eines Restaurants gezeigt. Sie hatte genickt, dann hatten sie bestellt und zusammen vor dem Fernseher Chinesisch gegessen. Vielleicht hatte sie in dieser Woche einfach nicht die Kraft besessen nach Hause zu gehen. Stattdessen hatte sie im Bett ihres besten Freundes geschlafen, während dieser es sich Nacht für Nacht auf seiner Couch gemütlich gemacht hatte. Es war erstaunlich wie wenig es Neji kümmerte, dass Tenten seine Privatsphäre so kontaminierte. Temari hatte noch ein paar weitere Male auf ihrem Mobilfunktelefon angerufen, einmal sogar um ihr mitzuteilen, dass Kakashi sich Sorgen machte. Tenten hatte ihm auf der Arbeit nämlich nur erzählt, dass sie bei Freunden war. Weil ihr Möchtegern-Verlobter nicht genau wusste wie weit Temari entfernt wohnte, war er natürlich davon ausgegangen, dass Tenten von ihr gesprochen hatte. Doch als er dort anrief, - weil Tenten nicht dranging, wenn sein Name auf der Caller ID auftauchte, - war er gar nicht froh gewesen, dass dem offenbar nicht so war. Davon abgesehen war es eine gute Woche gewesen, fast wie die Ruhe vor dem Sturm. Erfüllt mit Nejis selbstgenügenden Schweigen, Tentens Gelächter, Chinesischem Take-Out und schlechten Fernsehfilmen. Wie es sich für zwei harmlose beste Freunde gehörte. Doch mit jeder Ablehnung, die sie morgens auf dem Weg zur Arbeit in Tentens Postfach abholten, schwand die ungezwungene Atmosphäre. Die letzte brachte das Fass zum Überlaufen. Tenten zerschlug sich die Faust an der Ziegelsteinmauer ihrer Hauswand. Der blutüberströmte Brief fiel ihr zerknittert aus den kaputten Fingern. Ein scharfes Zischen, gefolgt von qualvollen kehligen Lauten kam über Tentens Lippen. Neji sprang sofort aus dem Wagen. Statt sie hochzuheben wie eine holde Maid, verfrachtete er sie nur zurück auf ihren Beifahrersitz und fuhr auf direktem Weg zur Ambulanz. Kein Wort der Züchtigung. Eins der besten Sachen an Neji war: Er enthielt sich meistens jeden Kommentars. *** So kam es, dass sie den Großteil des Tages im Krankenhaus verbrachten. Zum Glück war Tenten hervorragend versichert (weil sie als seine Frau natürlich bei ihm mitversichert war) und Neji unterschrieb alle Papiere für seine Frau, da ihre rechte Hand gerade etwas außer Gefecht gesetzt war. Die Ärzte in der Notaufnahme hatten nicht schlecht ob der Verletzung geschaut. Auf die Frage wie das geschehen war, hatte ihnen keiner der beiden eine Antwort gegeben. Während der Warteperiode nach der Behandlung aber vor der Entlassung war sogar eine nette Dame zu Tenten gekommen, um ein ernstes Wort zu wechseln. Neji war gerade auf der Suche nach Eistee ausgezogen. “Sie müssen wissen, ich weiß was Sie durchmachen”, begann sie und setzte sich vertrauenerweckend neben Tenten. “Haben Sie studiert?”, lautete die unwirsche Gegenfrage. “Ja, natürlich.” “Dann kann ich mir das echt schlecht vorstellen.” “Ich kann ihnen versichern, egal was er sagt, sie sind nicht dumm”, flüsterte die Frau ihr eindringlich zu. “Huh?”, machte Tenten. “Sie können es mir ruhig erzählen.” Tenten starrte die Dame an. Ihre Drogen begannen langsam zu wirken und so war ihr Verstand nicht so scharf wie sonst. “Was erzählen?” “Was ihr Mann mit ihnen macht.” “Was soll’n der mit mir machen? Wir haben noch nicht mal Sex.” “Ich meine...” Die Fremde deutete vielsagend auf die Verletzung. “Ach das!” Tenten lachte. “Das ist meine Schuld!” “Nein!”, entgegnete die Fremde vehement gerade als Neji zurückkehrte. Wortlos drückte er Tenten eine Flasche in die Hand. “Neji, das ist irgend so eine Sozialhelferin….” Tentens Stimme wurde kurz undeutlich, weil sie murmelte. “...dich für einen Frauenschläger hält. Mach bitte, dass sie weggeht.” Dann lehnte sie sich an seine Schulter und lauschte dem schmerzlichen Pochen in ihrem rechten Arm. Neji ignorierte die Frau schlichtweg. Stierende Blicke machten ihm nichts aus. Am Ende des Tages waren sie beide so müde, dass Tenten noch nicht einmal richtig weinen konnte. Ihr Gesicht schien angeschwollen vom Stress, doch sie konnte nicht anders als ihr Schicksal ein wenig zu lamentieren: “Ich versteh das einfach nicht...”, schniefte sie auf der Couch. Dann lehnte sie sich wieder an seine runde Schulter und versuchte mit laufender Nase etwas zu schlafen. Die Schmerzmittel halfen ihr sehr dabei. Neji hingegen war hellwach. Ihm ging auf, dass er es ebenfalls nicht verstand. Und gerade diese Tatsache ließ ihm ein Licht aufgehen. *** Und am nächsten Morgen war das erste, was Neji tat sie beide krank zu melden und sich auf den Weg zu einer ganz bestimmten Universität zu machen. Er hatte Tenten einen Post-It-Zettel zurückgelassen für den Fall, dass er es nicht rechtzeitig zurückschaffen sollte. Er hatte ihn an die Eisteekanne im Kühlschrank geheftet. Die Fahrt dauerte nicht besonders lang, anderthalb Stunden, und er fuhr auch nicht wirklich zur Universität selbst. Neji war doppelt reich – nicht nur reich, sondern auch einflussreich. Als er mit der Schule fertig war hatte sich jede Universität darum bemüht ihn zu ködern - Eigentlich hatten sie sich um ihn gerissen. Zufällig hatte die Hochschule, die Tenten sich vorheriges Jahr ausgesucht hatte, ganz vorn im Rennen gelegen. Wenn Neji nicht entschieden hätte, dass er sein Leben in eine andere Richtung lenken wollte, hätte er wahrscheinlich dort studiert. Unter anderem hatte der Direktor ihn sogar zu einem Abendessen zu sich nach Hause eingeladen. Dorthin wollte Neji. Um halb fünf Uhr morgens stand er vor der Tür und klingelte das Haus wach. Ein überraschter, wutentbrannter und vor allem fetter Direktor öffnete ihm die Tür und stockte mitten in der Bewegung. Bevor sein Gegenüber im Schlafanzug und altmodischer Zipfelmütze (Die trug doch echt wirklich niemand mehr!) etwas sagen konnte, stellte Neji einiges klar: „Ich werde nicht zulassen, dass meine Frau noch einmal so behandelt wird und denken Sie daran - Sie sind jünger als mein Onkel und wenn mein Onkel fort ist, bin ich noch da.“ Er sah dem verdatterten Mann fest in die Augen. Es war noch dunkel. Nur einige Vögelchen wagten es zu zwitschern. Der Mann mittleren Alters sah geradezu ängstlich aus. Wie ein fettes Kaninchen, das gerade realisierte, dass es auf den falschen Bau gesetzt hatte, um vor dem Fuchs sicher zu sein. Er ergriff die Chance den Bau zu wechseln und nicht gefressen zu werden. Sein Brustkorb hievte genauso schwer wie Nejis, doch bei ihm wohl eher aus Angst und Fettleibigkeit als Wut. Er wollte nicht zerfleischt zu werden. „Ach, Neji … schön dich zu sehen … Äh, leider glaube ich nicht, dass ich heute Zeit für dich habe. Mir ist gerade aufgefallen, dass einige Briefe falsch `rausgegangen sind. Ich muss mich augenblicklich darum kümmern!“ Er legte einen wichtigen, beschäftigten Ton an den Tag, der vollkommen unpassend für einen Mann war, der um halb fünf Uhr morgens im Schlafanzug in seiner Haustür stand und viel besser hinter einen Schreibtisch gepasst hätte, aber Neji verstand, nickte und machte kehrt. Er wollte noch zu Hause sein, bevor Tenten erwachte. Leider musste er vorher noch woanders Halt machen. *** Für Neji war der Tag sehr ereignisreich, war im Prinzip sogar bereits sehr ereignisreich gewesen. Aber der Direktor würde an diesem Tag nicht der einzige bleiben, der Nejis gefährliche Aura, gespickt mit unterdrückter Wut, zu fürchten lernen würde. Als Neji auf der Couch mit seiner schlafenden Frau gesessen hatte, war ihm etwas aufgegangen und er hatte die Zusammenhänge erkannt. Daher hatte er sich sofort auf den Weg gemacht die Dinge zu richten und jetzt … Neji musste nicht eingelassen werden. Er hatte die Schlüssel zu allen Seitentüren. Der opulente Teppichboden im Flur dämpfte seine herrischen Schritte. Als er das Büro erstürmte, war sein Onkel erst überrascht, doch das legte sich schnell. Neji erkannte am überheblichen Lächeln seines Onkels, dass jener erwartete, diese Konferenz würde wie jede andere verlaufen… Jetzt da er Neji endlich wieder in dieses Zimmer gelockt hatte, wo er ihn scheinbar jahrelang hatte kontrollieren können, war sein Onkel siegesgewiss. Er war sicher, dass er seinen Neffen zur Vernunft bringen können würde. Damit er dieses schreckliche Weib endlich verließ und in den Schoß der Familie zurückkehrte. Oder zumindest wieder mit ihnen sprach. Der alteingesessene Geschäftsmann schmiss etwas vor sich auf den Schreibtisch, bevor Neji das Wort ergreifen konnte. Wortlos hob der Jüngere es auf und betrachtete es eindringlich. Schließlich fragte er „Woher hast du das?“. „Ich habe meine Quellen“, deutete sein Onkel an und fühlte seinen Sieg herannahen. „Du musst sie los werden“, beschied er. „Ich meine, so etwas geht doch nicht. Wirklich, willst du mit so jemandem verheiratet bleiben?“ Sein Onkel hob die Brauen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, während er sich selbstzufrieden in seinem Rollsessel zurücklehnte. „Das muss eine sehr diebische Quelle sein, denn das Foto hier habe ich gemacht.“ Neji hielt das Nacktfoto mit ruhiger Hand. „Ich sehe wirklich nicht ein, weshalb ich mich von der Frau scheiden lassen sollte - die ich sehr liebe - nur weil sie sich von mir fotografieren lässt. Im Gegenteil würde ich aufgrund dieser Information sogar schließen, dass wir recht glücklich verheiratet sind.“ Sein Onkel nahm die Hände herunter. Er sagte nicht „Wie bitte?“ oder „Du lügst doch!“, sondern wischte einfach nur den Triumph aus seiner Visage. „Kannst du mir erklären, wessen Apartment das in dem zweiten Foto dann ist?“ Das Apartment war Neji tatsächlich fremd, doch das ließ er sich nicht anmerken. „Das ist unsere neue Wohnung. Ich hatte es satt, dass ihr alle genau wisst, wo ihr uns finden könnt.“ Und das war das. Oder auch nicht. Sein Onkel ließ nicht locker und wollte ihm das Foto aus den Händen schnappen. Mit einem ärgerlichen Gesichtsausdruck erwägte Hiaschi den jungen Mann zusammen zu schreien, der behauptet hatte das Foto gemacht zu haben. Er konnte den Blick seines Neffen nicht deuten, wusste nicht ob er log oder nicht. Er sah in seiner Schwiegertochter eine Erbschleicherin und glaubte, Neji habe sie nur ausgesucht, um seinen Kandidatinnen aus dem Weg gehen zu können, doch er konnte … konnte sich nicht sicher sein, genau wie vor dem Treffen mit Eloise. Er bekam das Foto zu fassen, doch Neji ließ nicht los. Stattdessen stellte er die wichtigste Frage überhaupt: „Wie kommst du dazu dir Fotos von meiner nackten Frau anzugucken?“ Ein verdatterter Gesichtsausdruck legte sich über die Züge des alten Familienoberhauptes. Für mehr blieb keine Zeit. Bam! Die Faust traf ihn an der Seite, wo die Schläfe ins Augenlied überging. Hiaschi fand sich in seinen Rollsessel zurückgeschleudert, der auf dem Laminat bis zur Wand sauste. Jetzt allerdings sagte er „Wie bitte?“, während er eine Hand unwissend an sein Gesicht hob. Er stierte Neji vollkommen fassungslos an. Der Schock betäubte jeden Schmerz. „Ich erwarte, dass du mir die Negative zukommen lässt“, beschied Neji. Damit war diese Konferenz endgültig beendet. Kapitel 14: Betrug & Almosen ---------------------------- Die Fotos lagen auf dem Beifahrersitz, starrten ihn geradezu an. Neji wusste noch, dass sie ihn einmal nach der Liebhaberklausel gefragt hatte. Daher war er nicht überrascht; es störte ihn auch nicht. Das einzige was ihn wirklich ärgerte war, dass sein Onkel ihre Privatsphäre derartig verletzt hatte. Dafür gab es wirklich keine Entschuldigung. Keine Familienehre war es wert jemanden so zu behandeln. Ganz davon zu schweigen, dass Tenten von ehelichen Rechtswegen alle Erlaubnis hatte sich einen Liebhaber zu nehmen. Es war sogar vertraglich festgelegt! Aber selbst wenn er seinem Onkel davon erzählte, würde dieser keine Ruhe geben. Auch wenn sein Onkel die Heirat nicht annulieren lassen könnte, würde er trotzdem einen Weg finden seiner Tenten das Leben schwer zu machen. Nejis Gedanken umkreisten noch stets dasselbe Dilemma als er in seiner Auffahrt parkte. Er musste sich etwas einfallen lassen, um Tenten vor dem Einfluss seines Onkels zu schützen. Entschlossen steckte er die Fotos ein, sodass Tenten sie nicht zu Gesicht bekommen würde. Obwohl prinzipiell sehr ästhetisch, wären die weichen, schattierten Kurven ihres Körpers ein schrecklicher Anblick für sie. Zu Hause lag Tenten noch immer schlafend auf der Couch, wo er sie zurückgelassen hatte. Ihr ruhiger Atem ging stetig und friedvoll. Ihre Kleidung verbarg ihre dunkle Haut, den winzigen Bauchnabel, die muskulösen Beine. Angesehen des Zustands ihrer Hand würde sie wohl heute nicht zur Arbeit gehen; daher hinterließ er eine Nachricht im Büro. Er dachte noch nicht einmal darüber nach, was sein Anruf so früh morgens für die Klatschmühle bedeuten würde. Ermattet ließ er sich neben ihrem Kopf auf dem Sofa nieder. Das letzte was er spürte bevor die Müdigkeit ihn übermannte war ihre Wange an seinem Bein. *** Als Tenten aufwachte, lag ihr Kopf auf dem Oberschenkel des schlafenden Neji. Sie hatte ein vages Gefühl, dass er viel zu früh heute Morgen eine Mitteilung auf dem Anrufbeantworter der Stationssekretärin hinterlassen hatte, was sehr viel Sinn machte. Obwohl einen Haufen Papierarbeit mit links abzuarbeiten schwierig genug sein würde, um sie von ihrer derzeitigen Misere abzulenken. Still beschloss sie, dass sie heute doch ins Büro gehen würde. Seine sonst so kalte, abweisende Aura ignorierend, schmiegte sie sich an den rauen Stoff seiner Jeans. Wenn er schlief, gab es diese Aura eigentlich gar nicht, stellte sie fest und bettete den Kopf näher an seinen Torso, der selbst durch den Stoff des Hemdes Wärme absonderte. Aber dann hörte sie den Wecker oben im Schlafzimmer klingeln. Bald müsste sie auf der Arbeit sein. Sie seufzte. Der Rest des Morgens verlief wesentlich stressiger als ihr friedvolles Aufwachen. Da sie schlecht mit einer Hand fahren konnte, hatte Neji beschlossen sie mit ins Büro zu nehmen. So saßen sie nebeneinander im Wagen auf dem Weg zur Arbeit. Nejis Haar war noch nass vom Duschen, denn er hatte heute morgen Tenten viel zur Hand gehen müssen. Im Eiltempo hatten sie sich fertig gemacht. Er wirkte sehr müde, dabei hatte der Tag gerade erst angefangen. „Es muss keine Uni sein”, versicherte sie noch einmal. “Meinetwegen bleib ich den Rest meines Lebens Straßenpolizist. Das ist schon mehr als-...“ „Egal was, egal wo“, gab Neji schließlich von sich und es klang so endgültig, dass Tenten gar nicht wusste, was wie erwidern sollte. Sie musste aber auch gar nichts erwidern, denn im nächsten Augenblick parkte Neji bereits und stieg aus. Tenten tat es ihm gleich und ging dann still an seiner Seite zum Polizeigebäude. Ihr war klar, dass er das Thema nicht weiter besprechen wollte. Aber der Weg zur Station verlief nicht ohne Zwischenfälle: „Schön, dass ihr’s jetzt öffentlich macht.“ Die Stimme klang beleidigt und zischend. Sie war so verzerrt, dass Tenten sie erst wieder erkannte als sie den Kopf wandte und sah wem sie gehörte. „Kakashi?“, fragte sie ungläubig. Es war das erste Mal, dass jemand sah wie sie zusammen ankamen. Normalerweise waren sie immer extra früh aufgestanden und spät wieder gegangen, damit es niemandem auffiel. Nur heute Morgen war ihnen das natürlich nicht gelungen. Ihr war bewusst, dass Kakashi fortwährend versucht hatte sie zu erreichen. So heiß sie auch in der Regel auf ihn war, hatte Tenten ihn in der letzten Zeit einfach nicht vermisst. Nicht einen Gedanken hatte sie an ihn verschwendet. „Das habt ihr schön eingefädelt. Habt ihm erzählt, dass er selbst die Nacktfotos geschossen hat, was?“ Er trat unruhig von einem Bein auf das andere, aber es wirkte nicht nervös. Es wirkte eher als wolle er Neji gleich eine herunterhauen. Kakashi war ein hochgewachsener Mann, aber von der Statur her schlanker als Neji. „Warum hast du ihn nicht aufgehalten, Tenten?“, fragte er seine ehemalige Geliebte anklagend. Kakashi wandte sich mit eindringlichen Augen an sie, lehnte sich zu ihr, seine Stimme wurde sanfter, doch sie wusste leider nicht, wovon er sprach. „Mit dem Geld hättest du bei mir bleiben können. Für immer, dich scheiden lassen. Du musst nicht bei ihm bleiben!“ Tenten wusste nicht, weshalb Kakashi offensichtlich von ihr und Neji wusste, doch ihre Hand fuhr automatisch zu dem Ring, den sie in ihrem Ausschnitt spüren konnte und seine Worte berührten einen verborgenen Teil ihres Herzens. „Wovon sprichst du?“, fragte sie verwirrt und beinah ängstlich zugleich. „Ich habe es nicht gemacht, um dir zu schaden. Das musst du mir glauben, aber dieses Monstrum ist nicht der Richtige für dich. Ich bin der Richtige für dich.“ Er nickte mit dem Kopf als könne er sie so dazu bewegen dasselbe zu tun und ihm zuzustimmen. Als Tentens Blick nur weiter verwirrt blieb, wandte sich ihr Liebhaber an Neji. „Sie will mich. Sie schläft fast jeden Tag mit mir. Die letzten paar Monate. Sogar zwei Mal hintereinander. Du kannst mir nicht das Wasser reichen! Letztes Jahr schon hatte sie die Schnauze voll von dir. Da ist sie zu mir gekommen!“ Kakashi plusterte sich auf, ließ sich nicht davon stören, dass Neji es ihm nicht nachtat und trat immer näher an seinen Rivalen heran. Eine Prügelei. Das war ja was ganz Neues. Zwischen zwei Kerlen und einer Frau. „Phantastisch“, seufzte Tenten sarkastisch und stellte sich vor ihren Mann. Es war nicht mehr als eine Geste, denn die beiden großen Männer hätten sich auch leicht über Tentens Kopf hinweg prügeln können. „Jetzt erklär mir ‘mal einer, was hier eigentlich los ist“, verlangte sie mehr erbost als durcheinander. Es war kurz still, doch auf Nejis ehrliche Ader war Verlass: „Dein Liebhaber hat Nacktfotos von dir an meinen Onkel weitergegeben“, erklärte er, umschritt sie und Kakashi, und ließ die beiden das unter sich ausmachen. Weshalb er es gesagt hatte, konnte Neji sich selbst nicht erklären. Er hatte es ihr eigentlich nicht sagen wollen. Tenten wandte sich in Rage an Kakashi. „Du hast was getan?“ Sie wollte es aus seinem eigenen Munde hören. Doch er war nicht gewillt ihre Frage zu beantworten. Stattdessen leckte er sich über die Lippen. Mittlerweile wirkte er doch nervös. Er war so selbstabsorbiert, dass der Verband ihm gar nicht auffiel. Als sie so darüber nachdachte, rasten Tentens Gedanken. ‘Ach so’, dachte sie. ‘Das Klicken, immer dieses Herumsuchen in der Schublade …’ Ihr ging ein Licht auf. Mehrere Empfindungen rangen um die Vorherrschaft in ihr, doch schließlich siegte der Ekel. Einer ihrer Hauptgedanken war: Hiaschi hatte ihren nackten Körper betrachtet. Das war für sie das Schlimmste und jetzt machten auch alle Bemerkungen Kakashis von vorher Sinn. Obwohl ‘Sinn’ vielleicht etwas zu viel gesagt war. Wie konnte er sich einbilden, dass sie mit dem Kerl zusammensein wollte, der Nacktfotos von ihr verkauft hatte? „Auch, wenn ich das erwartete Geld doch nicht gekriegt habe...”, begann er dreisterweise. Seine Nervosität war einer eigentümlichen Nüchternheit gewichen. “...bin ich bereit dir eine zweite Chance zu geben. Du könntest zu mir ziehen und-“ Tenten war so angewidert, dass sie gar nicht wusste, was sie lieber tun würde. Ihm ins Gesicht spucken oder ihm die Visage polieren. Sie konnte nicht fassen, dass er es war, der ihr gerade eine zweite Chance anbot. Da sie beinah Polizistin im Dienst war und direkt auf dem Parkplatz einer Polizeistation stand, entschied sie sich für einen groben Stoß vor die Brust und ein tief geherrschtes „Pack mich nie wieder an”. Das erschien ihr jedoch nicht hart genug. “Sprich nie mehr mit mir“ folgte daher. Ihr Blick war vernichtend. Dann konnte Kakashi nur noch ihren Rücken sehen. Tenten rannte das kurze Stück zur Station, wo ihr Gatte bereits auf sie wartete. „Danke“, keuchte sie, auch wenn sie fast sicher war, dass er sich keinen Reim darauf machen konnte, weshalb sie sich bei ihm bedankte. Schweigend traten sie durch die Tür. *** Den ganzen Tag über konnte Tenten an nichts anderes denken als dass ihr Antagonist sie nackt gesehen hatte. Es war ein verrückter Tag. Zum Glück war es auf der Station ruhig, doch das beruhigte Tentens aufgewühltes Innerste nicht im geringsten. Ganz im Gegenteil. Weil so wenig zu tun war lagen viele neugierige Blicke auf ihr und ihrem Verband. Das änderte sich erst nachdem sie Naruto gebeten hatte allen klar zu machen, dass heute kein Tag war an dem sie es dulden würde, wenn sich wieder alle um ihren Tisch gruppieren würden. So ließ man sie in der Mittagspause glücklicherweise in Ruhe. Nur Naruto brachte ihr fürsorglich einen Eistee. “Du brauchst mir gar nichts zu erzählen”, schnitt er ihren aufkeimenden Protest ab. “Aber wenn irgendwas ist, du weißt wo du mich findest.” Er drückte ihr noch kurz die Schulter. Tenten raffte sich im Gegenzug dazu auf ihm ein Lächeln zu schenken. Trotz der Wärme, die ihr Freund ihr entgegenbrachte, fühlte sie sich übel verletzt. Wenn sie ihre Kleidung für jemanden auszog, dann nur für diese Person, und nur weil sie es wollte. Der heftiger Wunsch Hiaschi einen Kinnhaken zu geben keimte in ihr auf. Erst als Neji sie am Ende des Tages nach Hause fuhr wunderte es Tenten, dass es sie nicht störte, dass Neji sie womöglich ebenfalls nackt gesehen hatte. Der Gedanke beschäftigte sie noch eine ganze Weile an dem Abend. Sie warf ihm einen subtilen Seitenblick im Auto zu. Doch er sah aus wie immer, darauf konzentriert die richtige Abfahrt zu ihrem Viertel zu nehmen. Sie hatte ihn gebeten heute zu ihr zu fahren. So gern sie bei ihm blieb, wollte sie ein bisschen in ihrer eigenen Wohnung sein. Kakashi hatte nicht versucht sie auf der Arbeit zu belästigen und wartete auch nicht vor ihrer Haustür auf sie, doch das hielt ihn nicht davon ab sie den ganzen Abend lang mit Telefonanrufen zu belästigen. Immer hinterließ er irgendwelche seltsamen Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter, in denen er über Dinge wie Leidenschaft und unbändiges Verlangen sprach. Offenbar sollten er und Tenten, seiner Meinung nach, diese für einander empfinden. Allerdings musste Tenten sich nicht allein über diese Anrufe lustig machen. Neji blieb an diesem Abend bei ihr. Als er vor ihrem Apartmenthaus gehalten hatte, war sie erst nicht ausgestiegen. Es war das erste Mal, dass sie wieder in ihren eigenen vier Wänden wohnen würde. „Soll ich … mit hoch …?“, hatte er sich mit tiefer Stimme erkundigt. Kurzerhand hatte sie genickt. Es war ganz einfach gewesen. *** Sie waren auf der Futon, dem Couchersatz, eingeschlafen. Tenten legte bereits neue Kleidung von ehemaligen Freunden für ihn heraus und machte Eistee als sie endlich dazu kam ihre Post zu öffnen. Ein bisschen wunderte sie der Brief, dessen Absender die Uni zu sein schien, die sie letztes Jahr abgelehnt hatte. Hoffnung war nicht etwas, das es bis in ihr Bewusstsein schaffte. Ganz im Gegenteil ging sie davon aus, dass etwas total Banales in dem Brief stehen würde und hätte ihn beinah nicht geöffnet. Zum Glück tat sie es doch. Erst konnte sie es nicht fassen. Ein Fehler. Letztes Jahr hatte es einen Fehler mit den Briefen gegeben. Die Zustellungssoftware hatte einen Defekt und es war erst dieses Jahr aufgefallen als die neuen Briefe zugestellt werden mussten. Es war ein Deus Ex Machina. Da wurde Tenten von einer so tiefen Freude übermannt, dass ihr Tränen in den Augen standen. Es fühlte sich so an als wollte das Universum ihr eine Chance geben. Nach anfänglicher Verwunderung freute sie sich also ausgiebig, sprang sogar in ihrer winzigen Küche umher und konnte es kaum glauben. Als sie gerade Neji aufwecken wollte, um ihm von der guten Neuigkeit zu berichten, stutzte sie … Kaum zu glauben. Es war ja auch kaum zu glauben. Sie schlug den Brief noch einmal auf. „Entschuldigen Sie, es gab eine Verwechslung bei der Zustellung...“, las sie die erste Zeile murmelnd vor. Tentens Zahnräder arbeiteten, während sie Nejis friedlich schlafende Gesicht nicht aus den Augen ließ. Sie konnte nicht den Finger darauf legen, doch irgendetwas störte sie. Hatte er …? Sie rüttelte ihn grob an der Schulter. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte sie, besorgt sie könne Recht haben. Er blickte sie nur mit seinem ehrlichen, leeren Blick an. Seine hellen grauen Augen waren nicht schuldbewusst. Trotzdem erwiderte er nichts. Sie fuchtelte mit dem Brief vor seiner Nase herum. Noch immer keine Reaktion seinerseits. Warum zur Hölle sagte er denn nichts? „Ich kann es allein schaffen von einer guten Uni angenommen zu werden”, begann sie, obwohl das ihres Wissens nach nicht der Fall war. “Ich brauche nicht dich, um irgendwen zu bestechen“, stellte sie klar, doch noch immer folgte keine Antwort. „Ich habe gesagt, dass ich mir eine andere Uni suchen werde. Es tut mir auch sehr Leid, dass ich dich so sehr in Anspruch …“ Ihre Stimme kippte kurz. „...in Anspruch genommen habe, aber ich will mit meinen eigenen Noten in eine Uni kommen. Du...“ Hier deutete sie mit einem strikten Finger auf seine Brust „...bist nur, wirklich nur für das Geld da.“ Ein erstickter Laut entfloh ihrer Kehle. Als er noch immer nicht antwortete, sondern sie nur aus seinen emotionslosen Augen anstarrte, setzte sie noch hinterher: „Verstanden?“ Er nickte nicht. Da wies sie ihm die Tür. Er ging. Kapitel 15: Narutos Geheimnis ----------------------------- Die darauffolgenden Tage waren ein Albtraum. Von ihrem Liebhaber betrogen, von ihrem Feind entblößt gesehen, von ihrem Mann gönnerhaft behandelt, von allen Hochschulen außer ihrer Traumuniversität abgelehnt und gerade letztere konnte sie trotzdem nicht annehmen. All das ließ sie in einem schrecklich leeren Zustand zurück. Temari war leider gerade auf einer Auslandsmission für ihren Vater, den Diplomaten, doch jede Minute, die sie erübrigen konnte, verbrachte sie mit Tenten am Telefon. “Und er ... er hat einfach geschwiegen”, schluchzte Tenten. Temari war ungewöhnlich still; sie fühlte, dass es ausnahmsweise an Tenten war ununterbrochen zu reden. “Wie konnte er nur? Das ist nicht nett. Das sind Almosen. Wie unglaublich demütigend...” Ein Schluckauf gesellte sich zu ihren Schluchzern. “Das ist noch schlimmer als mich nackt zu sehen!” Sie drehte sich auf eine komfortablere Seite ihrer Futonmatratze. Nachdem Tenten so das ganze Wochenende vollbracht hatte, entschied Temari es sei an der Zeit ihr Schweigen zu brechen. “Meinst du nicht, es wäre gut mal raus zu gehen?” Tenten schüttelte den Kopf, was die andere natürlich nicht sehen konnte. Daher musste Temari zu ernsteren Maßnahmen greifen. Sie hatte einige Telefonnummern von Tentens Arbeitsfreunden. Nachdem sie und Tenten aufgehangen hatten, wählte sie eine davon. Das nächste was Tenten in ihrem Dämmerzustand mitbekam war ein vehementes Klopfen an ihrer Haustür. “Geh weg!”, rief sie. “Ich will keinen von euch jemals wiedersehen!” “Ich weiß nicht ob ich einer derjenigen bin, aber für den Fall, dass ich keiner von denjenigen bin … Hier ist Naruto!”, rief der Blondschopf. Tenten schlurfte zur Tür und öffnete ihm. “Du siehst nicht gut aus”, begrüßte er sie. Sie lächelte schwach. “Wem sagst du das?”, erwiderte sie. “Komm, wir gehen einen Happen essen”, schlug er vor. Endlich duschte Tenten und zog sich frische Kleider an. Danach sah sie eigentlich schon wieder recht präsentabel aus. “Willst du mir jetzt erzählen woher du den Verband hast?” Tenten winkte ab. “Ach, das ist noch nicht mal das Schlimmste.” Naruto machte einen besorgten Gesichtsausdruck als sie zu seinem Auto schritten. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen nahm Tenten zur Kenntnis, dass Neji ihren Wagen unbemerkt in ihrer Straße geparkt hatte. Einer Eingebung folgend warf sie einen Blick in ihren Briefkasten und fand dort ihre Autoschlüssel. Wie er wohl wieder nach Hause gekommen war…? “Was ist denn das Schlimmste?”, riss Naruto sie aus ihren Gedanken. Tenten wandte sich vom Briefkasten ab und zuckte mit den Schultern. Sie mochte Naruto. Er war einer ihrer engsten Freunde, aber sie sprachen nicht so oft über persönliche Dinge. “Es ist kompliziert”, gestand sie ihm während sie auf der Beifahrerseite einstieg. “Ok.” Naruto gab ihr sein größtes Grinsen. “Dann lass uns dich erstmal füttern. Danach können wir immer noch über komplizierte Dinge reden.” Tenten lachte herzhaft auf. Naruto führte sie ins feinste Restaurant weit und breit: Burger King. Sie bestellten jede zwei Burger mit sämtlichen Pommes Frites und großen Getränken. Zusammen alberten sie herum, steckten sich Strohhalme in die Nasenlöcher und schmierten einander Ketchup ins Gesicht. Es tat gut unbeschwert ein bisschen kindliches Verhalten an den Tag zu legen. Als sie schließlich auch noch Dessert bestellt hatten und vor ihrer Eiscreme saßen, begann Tenten mit stiller Stimme zu erzählen. “Letztes Jahr ist etwas geschehen. Du hast selbst bemerkt, dass ich nicht so viel Zeit wie früher hatte.” Er nickte bedächtig. Er konnte sich noch gut an die Zeit erinnern. Tenten hatte sich sehr verdächtig verhalten. Ihm war bewusst gewesen, dass sie ein Geheimnis gehabt hatte. Doch obwohl er so ein Lästermaul sein konnte, wusste er nur zu gut, dass es einige Geheimnisse gab, die niemanden etwas angingen. “Hieran kannst du dich wahrscheinlich nicht mehr erinnern, doch ich habe dich auch mal nach einem Kollegen von uns ausgefragt-” “Neji Hyuga”, hauchte Naruto und ahnte Schlimmes. Sie nickte, die Lippen schmerzlich verzogen. “Oh mein Gott...” Er ergriff eine ihrer Hände, eiskalt vom Dessertbecher. “Hat er dir weh getan?” Natürlich machte die Stadt nicht gern einen Wirbel darum, doch dergleichen geschah auch unter Polizisten. Tenten allerdings schreckte alarmiert zurück und begann sofort den Kopf zu schütteln. Sie seufzte. “Nein, ganz und gar nicht”, versicherte sie. “Ich hab ihn geheiratet”, gestand sie ihm. Das hatte Naruto nicht erwartet. Diese Möglichkeit wäre ihm sogar in den wildesten Träumen nicht eingefallen. Sie sah wie überrascht er war und so holte sie den Ring an der Kette aus ihrem Hemdausschnitt. Der Blondschopf starrte das Kleinod dümmlich an. “Nicht zu fassen”, murmelte er endlich, sodass Tenten ihn wieder einstecken konnte. Er sah seiner Freundin ins Gesicht. “Warum?”, wollte er verdattert wissen. Er sah Neji vor dem inneren Auge. Großer stiller Typ mit nichtssagender Visage, keinem Sinn für Humor, ein pures Monstrum der Effizienz. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die extrovertierte und charismatische Tenten sich zu so einem Mann hingezogen fühlen konnte. “Ich habe mich für einen Studienplatz beworben”, eröffnete sie ihm als nächstes und gab ihm somit das zweite Puzzlestück. “Wow”, machte Naruto. “Also hast du’s tatsächlich geschafft mit dem Nebenjob genug...” Seine Stimme wurde immer stiller als die Realisation ihn traf. “Es gab gar keinen Nebenjob, oder?” Sie schüttelte den Kopf. “Und warum hast du Neji dann ge- … Ach so...” Naruto ging ein Licht auf. Jetzt war es an ihm den Kopf zu schütteln. Er war fassungslos. “Das hätte ich mir niemals ausmalen können”, gestand er. Er gab ihr einen mitleidigen Blick. “Das tut mir so leid für dich. Das muss hart gewesen sein.” Er rieb ihr ermutigend die Schulter, doch Tenten verdrehte nur die Augen. Sie wusste was in Narutos Kopf vorging. “So war es gar nicht”, erklärte sie ihm. Sie erzählte ihm, dass Neji sie nie auch nur unangebracht angefasst hatte. Es gab keine Avancen. “So ein Typ ist er einfach nicht. Er...” Das konnte sie eigentlich nicht erzählen. Wie es um ihn und seine Familie stand war seine Privatangelegeheit, doch Naruto war ungewöhnlich erahnend: “Seine Familie wollte, dass er endlich heiratet, was? Und er wollte bloß in Ruhe gelassen werden?” Sie nickte. “Woher weißt du das, Naruto?” “Ach”, machte er ausweichend. “Ich habe einen Freund, der so eine ähnliche Familie hat.” “Jedenfalls war es gar nicht so übel. Wir hatten sogar so was ähnliches wie Spaß zusammen.” Tenten war selbst überrascht über die Worte, die ihren Mund verließen. Sie dachte an die Tanzstunden. “Und was ist dann passiert? Ich meine, irgendwas Schlimmes muss doch vorgefallen sein … ” Er deutete vage in ihre Richtung und seine Geste schloss ihren schlabberigen Pullover und die abgerissene Jeans mit ein. Da stützte Tenten das Kinn in die Hände und dachte nach. “Tja”, stieß sie aus. “So genau ist das schwierig zu sagen. Hm. Ich schätze es fing an als ich eine Affäre begonnen hab.” Von der Nacht in der sie Neji betrunken gemacht hatte erzählte sie Naruto lieber nichts. Er war schockiert. “Eine Affäre? Du böses Mädchen!” Sie kicherte. “Ok, halt dich fest. Das kommt vielleicht etwas überraschend, aber Ich habe eine Zeit lang mit Kakashi geschlafen.” Narutos Kinnlade fiel herab. “Ich kenne unseren Arbeitsplatz viel weniger gut als ich vermutet hätte”, musste er erkennen. Und dann erzählte sie ihm alles. Sie erzählte ihm von ihren enttäuschenden Erfahrungen mit all den Bewerbungen, wie demotiviert sie sich gefühlt hatte im ersten Jahr. Und wie viel schrecklicher es im zweiten Jahr gewesen war. Als sei sie zu nichts zu gebrauchen. Sie beschrieb auch wie Kakashi ihr erst sehr nett und simpel erschienen war. “Ich glaube, erst wollte ich einfach Spaß haben. All meine Zeit war aufgeteilt zwischen Arbeit und einem falschen Ehemann, mit dem ich nicht schlafen konnte - Ich mein, nicht schlafen wollte. Und dann beim zweiten Mal…” Tenten überlegte angestrengt. “Da hab ich Trost gesucht, glaube ich.” Ihr Freund nickte verständnisvoll. “Und dann … dann wird alles einfach mega kompliziert. Ich weiß gar nicht wie ich das beschreiben soll. Plötzlich waren Neji und ich keine Freunde mehr, und dann war da ein Kuss. Dann kam plötzlich eine Zusage, die unmöglich echt gewesen sein konnte, und auch noch Fotos und ... ” Tenten fasste sich an den Kopf als habe sie Migräne. Liebevoll half er ihr sich die Schläfen zu massieren. Mit Hilflosigkeit im Blick sah sie zu ihm auf. “Dann hab ich ihn weggeschickt und… Jetzt bin ich hier.” “Dir ist schon klar, dass die letzten paar Sätze absolut zusammenhangslos waren, richtig?”, fragte er sanft. Tenten lachte leise ob seiner Frage und nickte resigniert. Dann schüttelte sie ihre Hilflosigkeit ab und versuchte es erneut. Diesmal schien es mehr Sinn zu ergeben. Naruto sah nachdenklich aus. Er starrte lange ins Nichts bevor er sich wieder an sie wandte. “Tenten”, sagte er bestimmt. “Ich glaube, ich sollte dir jemanden vorstellen.” *** Es stellte sich heraus, dass Naruto auch ein paar Geheimnisse hatte. Im Auto erklärte er ihr, dass er einen Freund hatte. Jemanden mit dem er ab und zu gern abhing. Naruto kannte ihn über seine Frau, die eine Freundin aus Kindheitstagen war. Offenbar war das derselbe Mann, der eine ähnliche Familie wie Nejis hatte. “Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass du mich mal nach dem Hyuga ausgefragt hast”, eröffnete Naruto ihr als er in Richtung Stadtzentrum abbog. “Und zwar weil ich da lügen musste. Ich meinte ich wüsste das alles von Jiraya, doch das stimmte nicht. Mein Kumpel ist in denselben Kreisen wie dein-” Naruto unterbrach sich kurz, weil ihm die nächsten Worte, die er aussprach, so falsch und ungewöhnlich vorkamen. “...Mann zu Hause.” “Warum hast du denn über so etwas gelogen?”, wollte sie wissen. “Warum hast du darüber gelogen Neji zu kennen.” “Na ja, technisch gesehen habe ich nicht darüber gelogen ihn zu kennen, sondern darüber ihn geheiratet zu haben.” Naruto verdrehte die Augen. “Du wolltest nicht, dass jeder auf der Arbeit die Tratschmühle über dich in Gang setzt”, beantwortete er seine eigene Frage und sie bestätigte das. “Jetzt stell dir vor es ist nicht nur die Tratschmühle auf der Arbeit. Sondern die der ganzen Stadt. Alle Frauenmagazine spekulieren darüber ob du ein enger Freund bist oder nur der Hausjunge, fragen dich ob du nicht ein exklusives Interview geben könntest...” Tenten war erstaunt. “So berühmt ist dein Freund?” Naruto nickte. Nun war Tenten gespannt wer dies sein mochte. Sie parkten in dem Parkhaus einer unglaublich schicken Appartementanlage. Offenbar hatte Naruto einen Besuchspass. “Er wohnt hier?”, wollte Tenten mit Ehrfurcht in der Stimme wissen. Naruto bestätigte. Der Lift war sehr schnell, brauchte aber trotzdem eine ganze Weile bis er die gewünschte Etage erreichte. Als sie endlich ankamen, wurden sie von einem paar überraschter Gesicht in Empfang genommen. “Also wer ist jetzt deine Freundin, die Hilfe brau-”, begann der Mann mit dem rabenschwarzen Schopf griesgrämig bevor er verdutzt innehielt. Sakura neben ihm ging rasch von Überraschung zu Sorge über. “Ist alles ok?”, fragte sie Tenten. Die elegante Frau Uchiha hatte Tenten noch nicht oft gesehen, doch sie hatte ein starkes Band zwischen ihnen gespürt. Sie identifizierte sich sehr mit dieser Frau und hatte sie als Inspiration gefunden, um ihre eigene Ehe wieder aufleben zu lassen. Jetzt fürchtete sie sich doppelt. Sie fürchtete um ihre neue Freundin und um ihren frisch wiedergefundenen Glauben an die Ehe. Tenten begriff die Situation nicht wirklich. “Was geht hier vor sich, Naruto?”, verlangte sie zu wissen. Sasuke wurde es zu viel. Also ging er ins Wohnzimmer und schüttete sich einen Scotch ein. “Will sonst noch jemand was?”, fragte er in die Runde. “Also wenn du schon anbietest, ich könnte auch einen vertragen”, stimmte Tenten an und schob sich an Naruto vorbei zu Sakura, die sie zur Couch führte. Mit einem Glas in der Hand fühlte die Welt sich schon ganz anders an. “Also… Dein Freund ist Sasuke Uchiha. Und deine Busenfreundin aus Kindertagen ist Sakura?”, versuchte Tenten die Fakten aufzuzählen. Alle im Kreis nickten. Naruto hatte sich mittlerweile auch zu ihnen gesellt. “Und du kennst die beiden von all den Events, die Nejis Onkel organisiert?”, wollte Naruto sich diesmal bestätigen lassen. Wieder dreimal Nicken. “Jetzt da das geklärt ist...”, begann Naruto. “Tenten und Neji haben Stress. Und da ist mir etwas eingefallen was du letztens gesagt hast, Sasuke. Du hast irgendwas darüber erzählt, dass einer deiner Gastgeber ein richtig übles blaues Auge hatte?” Tenten wurde hellhörig. “Ja”, bestätigte Sasuke. “Aber eigentlich weiß Sakura da mehr drüber. Ich fand es einfach nur amüsant, dass jemand dem aufgeblasenen Sack endlich mal eine verpasst hat.” Sakura wandte sich aufgeregt an Tenten. “Neji war’s!”, platzte es aus ihr hervor. “Hiaschis Sekretärin hat es mir erzählt. Er ist diese Woche ganz früh morgens bei seinem Onkel ins Büro geplatzt - er hat sich vorher noch nicht mal bei Asuza gemeldet! Ist einfach an ihr vorbei! - und dann war er da eine Weile lang drin und dann ist er da wieder raus und Hiaschi war übel zugerichtet.” Sakura fuchtelte mit den Händen an ihrer Augenbraue herum. “Hier war die Haut aufgeplatzt und er hat geblutet.” Tenten lauschte fasziniert. Das hatte er ihr nie erzählt. Zögerlich wagte sie es eine Frage zu stellen. “Hiaschi ist ein sehr einflussreicher Mann, oder?” Sasuke warf ihr einen Blick zu als zweifle er an ihrem Intellekt. “Natürlich”, antwortete er mit Nachdruck als sei es die offensichtlichste Sache der Welt. “Hat er auch viel Einfluss mit Universitäten?” Sakura nickte ausgiebig. “Ja, er hat Abschlüsse von vielen sehr angesehenen Hochschulen. Darüber hinaus stiftet er ihnen oft neue Gebäude oder Bücher, was auch immer.” Langsam schlich sich ein wenig Zweifel in Tentens Gedanken. *** Tenten schien sehr überfordert. Daher nahm es ihr niemand übel als sie sich kurze Zeit nach Sakuras Offenbahrung entschuldigte. “Soll ich dich nach Hause fahren?”, fragte Naruto, doch sie verneinte wie in Trance. “Ich werde die U-Bahn nehmen. Ich brauche etwas Zeit zum Nachdenken”, gestand sie. “Das ist zu viel Drama für mich”, erklärte Sasuke. “Ich geh mal sicher, dass sie aus dem Apartmentkomplex herausfindet und schnappe dabei ein wenig Luft.” Sakura wusste, dass dies sein Codewort für eine Zigarre rauchen gehen war. Doch sie sagte nichts. Stattdessen begleitete sie Sasuke und Tenten nur zur Tür, umarmte Erstere zum Abschied, und wandte sich dann an Naruto. “Was für ein Fiasko”, entwich es ihr. Er nickte nur zustimmend. Ihm war klar, dass Sakura gerade sehr verstört war. “Es schien ihnen so gut zu gehen.” Sakura seufzte und strich mit ihren Händen rastlos über den Bauch. Eine Geste die sie oft machte, wenn sie verstört war. Mit ein paar großen Schritten war er bei ihr und schloss sie fest in die Arme. Seine Lippen fuhren über ihre Stirn, doch er versuchte nicht sie zu küssen. Sie ließ es geschehen solang er nichts Drastischeres tat. “Ist es mit ihm besser geworden?”, wollte Naruto wissen, seine Nase in ihrem duftenden Haar vergraben. Sie schüttelte den Kopf und hob dann die Schultern. Sie war eindeutig unschlüssig. “Ach, ich weiß es nicht Naruto.” Sie und Sasuke hatten ein schweres Jahr gehabt. Es war schwer weil sie es dieses Jahr wirklich versucht hatten. Die Jahre davor hatten sie einfach in uninteressierter Neutralität gelebt. Das war viel einfacher zu ertragen als mitanzusehen wie die Versuche die Vergangenheit wieder einzufangen scheiterten. Sie bemerkte, dass Sasuke versuchte freundlicher zu sein. Er fragte sie nach ihrem Tag, merkte sich kleine Details die sie ihm erzählt hatte, und brachte ihr manchmal kleine Mitbringsel von der Arbeit zurück. Sie unternahmen auch mehr zusammen. Sie gingen ins Kino, versuchten zumindest einmal im Monat einen schweigsamen Spaziergang zusammen zu machen, und gingen ins Restaurant. Sie beide versuchten auch weniger zu trinken, obwohl Sakura in dem Departement definitiv die Nase vorn hatte. Im Gegenzug lehnte Sakura sich an ihn an, wenn sie zusammen saßen, hatte ihre Affäre mit ihrem gemeinsamen langjährigen Freund Naruto abgebrochen, und versuchte im Allgemeinen die Bewunderung, die sie damals für ihn gehegt hatte, wieder zum Vorschein zu bringen. Es war schön. Es war schön einfach nur Zeit mit jemandem zu verbringen, mit dem man sein Leben teilte, aber sie waren noch immer losgelöst voneinander. Sie sprachen nie über ihre Gefühle. Im Bett lagen sie Rücken an Rücken. Wenn sie einander küssten waren es nur steife Wangenküsse. Sie waren freundlich miteinander, aber nicht zärtlich. Sie bemerkte wie sehr sie Zärtlichkeit vermisste als sie in Narutos Armen lag. Sie presste sich enger an sich. Ihm entging diese Geste natürlich nicht, doch er enthielt sich jeden Kommentars und jedes Annäherungsversuches. Er hielt sich davon zurück, weil sie versuchten nur Freunde zu sein. Manchmal war es schwer, doch es sie war es ihm definitiv wert. Als sie allerdings begann am ganzen Leib zu zittern, ertrug er es nicht mehr. Entschlossen machte er sich von ihr los. Der verletzte Ausdruck in ihren überwältigenden grünen Augen brachte ihn beinah um. “Sakura...”, begann er, räusperte sich weil seine Stimme drohte zu kippen, und fuhr dann fort. “Du musst mit ihm reden. Ich weiß, das ist nicht eure Art. Aber so kann es nicht weiter gehen. Du sagst du willst euch eine Chance geben? Dann musst du etwas Drastisches tun. Rüttel euch wach!” Er schüttelte sie sanft bei den Schultern um sein Argument zu untermalen. Ihr Blick wurde ängstlich. “Ich weiß nicht, ob das so gut laufen wird”, gestand sie. “Ich auch nicht.” Er musste ehrlich sein. “Das könnte euer Ende genauso gut wie euer Neuanfang sein. Aber versuchen musst du es trotzdem. Er wird es ganz bestimmt nicht tun und ihr siecht einfach nur vor euch hin!” Manchmal machte es ihn krank wie sehr seine beiden besten Freunde ihr Glück einfach so dahin verwesen ließen. Er wusste Sasuke konnte ein klasse Typ sein, wenn man ihn erst aus der Reserve gelockt hatte und dass Sakura eine Traumfrau war stand außer Zweifel. Aber die Zwei hatten vor ein paar Jahren ein traumatisches Erlebnis durchgemacht und seitdem waren sie einfach nicht mehr dieselben. Langsam erkannte Sakura, dass er Recht hatte und nickte mit dem Kopf. Als Sasuke nach Hause kam, konnte seine Frau den Zigarrenqualm an ihm riechen. Er sah sie verwundert an als er den gepackten Koffer neben ihr bemerkte. Dazu trug sie Schuhe und ihren Mantel. “Geht’s irgendwohin?”, wollte er wissen. Er durchkämmte sein Gedächtnis nach irgendwelchen Memos, die sie ihm an den Kühlschrank geheftet hatte. Er fragte sich ob sie ihm erzählt hatte sie wollte irgendwohin fahren. Vielleicht ihre Mutter besuchen? Er war jedenfalls nicht vorbereitet für das folgende Gespräch. “Ich weiß es noch nicht”, antwortete sie ihm. “Das hängt eher von dir ab.” Nicht dass Sasuke es nicht gewohnt war die Kontrolle in ihrer Beziehung zu haben, doch dies fühlte sich nicht ganz wie Kontrolle an. Eher wie ein Ultimatum. Ihn überkam ein ungewohntes Gefühl, das sich zu Sasukes alarmierter Überraschung als Schwindel entpuppte. Ungewöhnlich bestimmt bedeutete sie ihm sich zu setzen. So hatte er sie seit Jahren nicht mehr erlebt. Matt ließ er sich nieder; sie nahm neben ihm Platz. Es schien als wollte sie seine Hand ergreifen, entschied sich dann aber anders. “Die Fehlgeburt war nicht meine Schuld”, eröffnete sie das Gespräch. Zu seinem Schwindel gesellte sich Übelkeit. “Und ich kann das einfach nicht mehr, Sasuke. Ich fühl mich auch schlecht. Ich denke jeden Tag daran.” Sie machte wieder ihre typische Geste der Nervosität, indem sie über ihren Bauch fuhr. “Und ich kann es nicht länger.” Sie schniefte kurz, bevor sie fortfuhr. “Ich weiß, dass du und deine Eltern mich hassen, weil das Wichtigste für euch ist die Familie fortzuführen. Und es tut mir auch wirklich leid, aber...” Sie nahm einen tiefen Atemzug. “Entweder wir versuchen darüber hinwegzukommen oder wir lassen uns scheiden.” Er zuckte heftig zusammen beim Klang dieses Wortes. Sie hatte noch nie von Scheidung gesprochen. Er konnte nicht fassen, dass er sie vielleicht verlieren würde. Aber er war zu schockiert zum Sprechen. Sie hatten schon seit Jahren nicht mehr an dieses Thema gerührt. “Ich muss dir auch etwas anderes beichten”, verkündete sie. Sasuke schluckte heiße Galle hinunter. Er war nicht sicher wie viel hiervon er noch ertragen konnte. Wenn ihm das Drama mit Tenten vorhin schon nicht zugesagt hatte, so war dies regelrechte Folter für ihn. “Ich hab eine Affäre gehabt. Drei Jahre lang. Es ist jetzt schon eine Weile vorbei. Wenn du wissen möchtest wie sein Name war, dann werde ich es dir sagen.” Wohingegen ihre Stimme vorher von vielen Pausen übersät gewesen war, so war dieser letzte Informationsschwall schnell hervorgestoßen. Sie hatte noch nicht einmal Luft geholt bis ganz zum Ende. Es war offensichtlich, dass sie auf irgendeine Reaktion wartete. Doch sein kühles Äußeres gab nichts preis. Er schien so unnahbar wie immer. Als ließe ihn das alles kalt. Als ließe Sakura ihn kalt. So verharrte er ganze fünf Minuten lang, ohne ein Wort. Sie verstand. “Naruto wartet unten im Wagen auf mich”, erklärte sie und ging. Er konnte sich noch nicht einmal aus seiner Starre lösen als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Kapitel 16: Notfallgeschenke & Aussöhnungen ------------------------------------------- „Wolltest du nicht die Scheidung einreichen?“ Tenten schwieg am anderen Ende. „Tenten?“ „Nein, ich will mich bedanken.“ „Was?“ Tentens Stimme klang ausdruckslos. „Ich will mich eigentlich nur bedanken.“ „Aber, ich dachte … “ Temari verzweifelte am anderen Ende. „Ich dachte, du fandest das ganz schrecklich von ihm?“ Temari wurde nicht schlau aus ihrer besten Freundin. Dass diese mit Kakashi endgültig abgeschlossen hatte war mittlerweile eingesickert - sie konnte ihre Freundin in der Hinsicht sogar sehr gut verstehen - doch warum sie sich plötzlich bei dem Eisblock bedanken wollte war ihr ein Rätsel. „War’s ja auch”, gab Tenten zu. “Ich meine, wenn’s denn so wäre, aber … Ich habe nachgedacht.“ „Das solltest du öfter ‘mal versuchen“, murmelte Temari. Tenten trank einen Schluck Eistee, weil ihre Kehle so trocken war, bevor sie weitersprach. „Ich kann ja nicht wissen, dass es tatsächlich so war. Es ist einfach alles so kompliziert und heimtückisch und ich weiß nicht .. und ... und … ich möchte mich einfach wirklich gern bei ihm bedanken.“ Temari seufzte. „Hast du nicht gesagt, dass er’s nicht abgestritten hat? Das ist bei Kerlen in der Regel genauso gut wie ein Geständnis.“ „Bei ihm nicht. Außerdem möchte-...“ „Ja, ja“, herrschte Temari. „Ich weiß. Du möchtest dich wirklich gern bedanken. Sag ‘mal, Tenten, wie hast du eigentlich vor dich zu bedanken? Ich blicke gerade nicht mehr durch. Hast du den Uniplatz jetzt doch angenommen oder was?“ „Ja, ich ziehe demnächst um. Ich war schon auf Wohnungssuche. Ich habe ja noch seine Kreditkarte. Da war das einfach.“ „Hast du ihn auch schön bluten lassen?“ „Ja.“ Tenten schniefte. „Hast du dich erkältet?“ „… Ja.“ Temari bemerkte ihr Zögern nicht, sondern wechselte das Thema. „Ruft der leidenschaftsbesessene Liebhaber noch an?“ „Ja, ab und zu.“ „Hoffentlich findet der nicht deine neue Nummer heraus.“ „Hoffentlich nicht …“ „Okay, ich komm dich in deiner neuen Wohnung besuchen. Ich muss jetzt weg. Mein Date steht vor der Tür. Besorg deinem Mann einen Geschenkekorb oder so, wenn du dich bedanken willst. Mit Worten kann der wahrscheinlich sowieso nichts anfangen.“ „Oh, keine Sorge. Ich hatte nicht vor viel zu sprechen.“ „Dann ist’s ja gut. Bye!“ „Bye …“ Tenten legte langsam und bedächtig auf, zog sich an und verließ ihre Wohnung. Die eiskalte Abendluft tat ihr gut, auch wenn ihr Gesicht sich dabei anfühlte als sei es von Tausenden kleiner Kristalle überzogen. Der Ring baumelte an seiner Kette unter ihrer Kleidung als sie in ihren Wagen stieg und zu Nejis Wohnung fuhr. Seinen Schlüssel, den er ihr für „Notfälle“ gegeben hatte, hielt sie fest in der linken Hand umklammert. Wahrscheinlich würde er dies nicht als Notfall charakterisieren, aber er wusste ja auch nicht wovon er sprach. Sie ließ sich in seine Wohnung ein. Alles war dunkel. Sie räusperte sich. „Neji?“ Es war nur ein Krächzen. „Neji?“ Sie hörte seine Stimme von oben. „Ja?“ Es klang uncharakteristisch zögerlich und unsicher, doch es war eindeutig seine Stimme. Wenn er überrascht war, dass sie in seinem Haus war, so zeigte sein Ton das nicht. Schon hörte sie seine schweren Schritte die Treppe herab kommen, doch das konnte sie jetzt gar nicht gebrauchen. Sie wollte zu ihm kommen. „Bleib oben.“ Sie stieg die Treppen hoch und fand ihn am Ende. Er trug Jeans und kein Hemd. Seine Haare waren zerzaust. Offenbar hatte er im Bett gelegen. Das erkannte sie auch daran, dass die Tür zum Schlafzimmer offen stand und die Bettdecke unordentlich zerknüllt war. Die grässliche geblümte Überdecke, die sie ihm damals gekauft hatte, lag in einer Ecke über einen Stuhl gefaltet. „Hallo“, machte sie mit belegter Stimme, senkte den Blick, um ihn nicht ansehen zu müssen und schob ihn, mit einer Hand firm auf seinem Brustkorb platziert, durch die offene Tür. Immer noch ohne den Blick zu heben, schloss sie die Tür. „Ich werde dir jetzt etwas schenken“, kündigte sie an und ließ ihre Jacke zu Boden fallen. Auch ihr Top streifte sie in einem ab. Darunter kam ein schwarzer Spitzen-BH zum Vorschein. Unter seinem stillen Blick, öffnete sie mit ausdruckslosem Gesicht ihre Hose, schälte ihre Beine heraus und stand dann beinah unbekleidet vor ihm. Er rührte sich noch immer nicht, doch damit hatte sie gerechnet. Mit leichten Schritten kam sie zu ihm, wo er sich auf der Bettkante hingesetzt hatte. Ihr dunkler Körper schimmerte, plötzlich von dem Hauch eines Schweißfilms bedeckt, als sie sich bewegte. Alle Muskeln traten hervor. Ihr Muskelspiel beim Gang machte sie noch schöner als sie sowieso schon in seinen Augen war. Das lange dunkle Haar brach sich los und fiel einem Sturm gleich in Wogen auf dem Meer ihrer knochigen Schultern herab. Statt sich einige Fransen aus dem Antlitz zu fischen, blieben ihre Hände reglos an den Seiten ihres Körpers, während sie immer näher kam. Manchmal konnte er ihren Blick nicht erkennen, weil die Haare im Weg waren, doch er spürte ihn ganz eindeutig auf seiner Haut. Als sie endlich so dicht vor ihn getreten war, dass sie zwischen seinen gespreizten Beinen stand, blickte er auf in ihr Gesicht und sie wagte es die Hände auf seine Schultern zu stützen. Ihr Mund war gar nicht so weit entfernt und ihr Duft hüllte ihn ein, stieg von ihrer Haut auf. Er war herb und würzig. Ungewöhnlich für eine Frau. Er hatte ihn erst ein paar Mal zuvor wahrgenommen, wenn sie unparfümiert dicht bei ihm gestanden hatte. Als ihre Haare sein Gesicht berührten und ihn kitzelten, hatte er freie Sicht auf ihre großen braunen Augen und konnte die Absicht darin lesen, bevor es geschah. Jede Faser seines Seins war auf sie ausgerichtet noch bevor sie sich vollends zu ihm herunter gebeugt hatte und ihre Lippen aufeinander getroffen waren. Der Kuss war alles, wonach sie sich gesehnt hatte, so schön, dass es ihr das Herz zusammen drückte. Seine einfachen, großen Hände wagten nicht sie zu berühren, doch er gab ihr all die Sanftheit, die sein Mund aufzubieten hatte, so süß, dass Tenten es kaum zu glauben vermochte. Wie bei ihrem allerersten Kuss war er schüchtern und zurückhaltend als wolle er ihr nicht zu nahe treten, doch Tenten konnte sich nicht mehr zurückhalten. Sie wollte immer mehr von diesem Mund, küsste ihn hungrig mit fest zusammengekniffenen Augen. Als sie absetzte, um tief durchzuatmen, flüsterte sie seinen Namen und verschränkte die Hände fest in seinem Nacken als befürchte sie ihn in die Flucht zu schlagen. Sie stellte sich noch dichter vor ihn und hauchte „Bleib bei mir“ zwischen schweren Atemzügen. Sie wiederholte es noch einmal zwischen Küssen. Als er die traurige Verzweiflung in ihrer Stimme vernahm, traute er sich endlich die Fingerspitzen nach ihr auszustrecken. Er zischte, denn ihre Haut verbrannte seine. Die empfindlichen Fingerkuppen fuhren überstimuliert über Tentens glatte Haut als wäre es das zerbrechlichste Porzellan der Welt und er nur ein tollpatschiger Elefant. Er hatte sich noch nie so gut und noch nie so unsicher gefühlt. Er wanderte an ihrer Seite immer weiter hoch bis er auf den BH stieß. Da drückte sie sich grob von ihm ab und trat einen kleinen Schritt zurück. Enttäuscht ließ er die Hände sinken, doch sie beeilte sich ihm zu zeigen, dass er ruhig alles tun konnte, was er wollte. Sie löste den BH im Rücken und schmiss ihn wenig erotisch über ihre Schulter hinweg in den Raum. Statt direkt wieder zu ihm zu kommen, schluckte sie hart und gab ihm einen Augenblick Zeit, um sie zu betrachten. Sie konnte spüren wie sich die Haut ihrer Höfe unter seinem ruhigen Blick zusammenzog und ihre Nippel somit nach vorn rückten. Er betrachtete das Phänomen eine Weile, doch dann blickte er ihr wieder ins Gesicht als bekäme er nicht genug davon zu beobachten wie ihr dunkler Blick auf ihm ruhte. Ihr Anblick schnürte ihm die Luft ab, ihre Anwesenheit trieb ihn in den Wahnsinn, ihre bloße Existenz brachte ihn um. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass ihm derartige emotionale Kapazität zur Verfügung stand. Er war auf ungewohntem, möglicherweise feindlich gesinntem Territorium. Trotzdem konnte er sich nicht zügeln. Ganz impulsiv richtete er sich zu seiner imposanten Größe auf und ergötzte sich an ihrer kehligen Stimme als sie stöhnte, weil er sie in den Arm nahm. Er drückte ihre starke Taille sanft an seine und erforschte ihren Mund fasziniert. Eine ungeahnte Unruhe ergriff ihn. Obwohl er sich in der Regel nie von etwas aus der Ruhe bringen ließ, musste er gestehen, dass diese Frau es mühelos schaffte. „Atmen“, keuchte er auf seine typische Art und Tentens Lippen teilten sich zu einem unwillkürlichen Lächeln. Sie versuchte ruhiger zu atmen, doch ihre Lungen wollten nicht mitspielen. Seine ruhigen Fingerspitzen an ihrem Rücken riefen ihr die seltsamsten Wünsche ins Gedächtnis und sie drängte sich an ihn wie an dem Abend, an dem er betrunken gewesen war. „Bitte“, wimmerte Tenten, die langsam erkannte, dass ihr jeder Sex mit einem anderen Mann nichts bringen würde. Sie brauchte seine großen, ungeschickten Hände, seinen ruhigen klaren Blick, seinen süßen Atem und überhaupt sein ganzes Wesen. Sie brauchte seine sanften Küsse, seine zarten Berührungen. Auch, wenn es sie furchtbar ärgerte, dass er sie nicht einfach auf’s Bett schmiss, wusste sie doch, dass sie ihn so nötig hatte. Trotzdem machte sie sich wieder einmal los, sodass seine elektrisierenden Berührungen ein Kribbeln in ihrem ganzen Leib hinterließen als wäre jeder ihrer Muskeln eingeschlafen. Es war so intensiv, dass es schmerzte. Hastig ließ sie sich auf das Bett sinken, bevor ihre Knie unter ihrem Gewicht nachgeben konnten, und schob sich etwas weiter hoch bis sie halb auf seinem großen Kopfkissen lag. Dann breitete sie ehrlich die Arme aus, aber er stürzte nicht zu ihr, sondern setzte sich auf die Bettkante, streichelte ihren Knöchel, ihre Wade. Dann kam er etwas näher. Seine breiten Schultern wirkten bedrohlich als ziehe ein Sturm über ihr auf. Sie beugte sich kurz an sich selbst herab und zog das Spitzenhöschen aus. Doch bevor sie es genauso wegschleudern konnte wie den anderen Teil ihrer Unterwäsche, ergriff er es mit einer seiner Riesenpranken, entwand ihr das Stoffstück zärtlich und legte es fürsorglich beiseite. Sein glasklarer Blick hielt ihren gefangen. Dann war seine Schulter ganz nah bei ihrer und er drückte sie mit seinem Kuss in die Daunen. Jede seiner Zärtlichkeiten pressten ihr Herz noch enger zusammen und ließ es bluten. Gleichzeitig wusste sie nicht, dass ihre rauen Hände, versunken im drahtigen Haar seiner Brust, ihm wehtaten. Einerseits wollte er, dass sie sie herunter nahm, andererseits wollte er auch den süßen Schmerz weiter auskosten. Er wollte sich nicht auf sie legen aus Angst sie zu erdrücken, denn unter ihm wirkte sie fragil. Doch plötzlich war ihr Griff stahlhart und das fragile Bild von ihr zerbrach. Sie war klein, sonst nichts. Eine Kraft floss durch ihre brennenden Berührungen in seinen Körper, die echtes Verlangen zum ersten Mal in ihm aufwallen ließ. Ihre starke Hand war in seinem Nacken und presste ihn immer härter an sich, während ihr biegsamer Leib sich ihm entgegen wölbte. Ihre Stimme wurde noch dunkler als würde sie fuchsteufelswild werden, wenn er sich nicht bald beeilte. Ohne zu Fragen nahm er ihre Leidenschaft an, ließ sich von ihr beißen bis seine Lippe blutete und den Rücken zerkratzen bis auch dieser blutüberströmt war. Doch ihren Mund verließ er nie. Er wollte das Gefühl einen anderen Menschen zu küssen noch etwas auskosten, bevor er gleich zur nächsten neuen Empfindung stürmte. Aber Tenten verstand diesen geduldigen Zug an ihm einfach nicht. Sie wollte ihn und zwar jetzt und dass er so ruhig bleiben konnte, machte ihr höllische Angst. Angst, dass ihm sein Geschenk nicht gefiel, dass sie ihm nicht gefiel. Doch ihre Sorge war unbegründet. Sie musste ihm nur auf die Sprünge helfen. Ein ganz leichtes Drücken konnte ihn schon dazu bewegen sich von ihr abzulösen. Ihre wilden braunen Augen verschlangen die glatte Haut seiner nackten Schultern, sogen sie in sich auf, bevor sie an seiner Hose nestelte und er ihr gestattete diese und seine Boxershorts auszuziehen. Statt den Anblick zu genießen, zog sie ihn ruckartig mit sich in die Kissen, biss ihn mit stummer Leidenschaft in die Schulter und schlang die Beine um seine Hüfte, damit er gar nicht erst auf den Gedanken kam sie noch länger warten zu lassen. Sie stießen beide einen erleichterten Schrei aus als er endlich in sie eindrang. Es war ganz anders als sonst. Sie hatte gar nicht gemerkt wie bereit sie war, dunkel pulsierte das Fleisch und nahm ihn willig auf. Je tiefer er in sie eindrang, desto mehr verabschiedete sich ihr Verstand. Ihre Augen sahen nur noch verschwommen und sie war froh, dass sie auf dem Rücken lag. Einen Augenblick litt sie unter Atemnot, doch das legte sich augenblicklich als er sich in ihr regte. Indem sie ihn fest bei den Schultern packte, trieb sie ihn dazu endlich ein bisschen grober zu werden und sie mit jedem Stoß heftig in die Kissen zu drücken. Tenten keuchte entsetzt auf als sie kam und er presste die Lippen auf ihre Stirn als er sich das letzte Mal heiß in sie hinein schob. Vorbei, dachte Tenten resigniert. Sie hatte sich vorgenommen sofort zu gehen und es nicht noch einmal zu wiederholen, doch das kam ihr nun unmöglich vor. Mit seinen Lippen immer noch fest auf ihrer Haut und seinen gewaltigen Armmuskeln rechts und links von ihr, fühlte sie sich beinah gefangen; regelrecht an ihn gefesselt. Ihr liefen ein oder zwei Tränen aus den Augenwinkeln. Als ihr Bewusstsein langsam wieder zu ihr fand, wurde ihr klar wie laut und keuchend sie atmeten. Sein warmer Atem traf ihre Stirn, ihre Wimpern. Gleichzeitig fiel eine gewaltige Last von ihr ab als sei sie wochenlang angespannt gewesen. Nun endlich entkrampften sich ihre Muskeln, entkrampften sich so sehr, dass sie zerlief wie Butter in der heißen Pfanne. Er ließ sich neben sie fallen, doch sein Arm verweilte bei ihr als spürte er, dass sie einen Teil von ihm brauchte, um keinen Grund zum Aufstehen und Gehen zu haben. Er rollte sich noch einmal zu ihr und küsste ihre betörende Stirn, ihren Haaransatz, ihre Augenlider, ihre Wangenknochen. Er wusste selbst nicht wieso. Objektiv betrachtet waren es überflüssige Gesten, doch er konnte sich einfach nicht zurückhalten. Für die Nacht vergaß Tenten all ihre Bedenken, war glücklich, weil sie sich fühlte als hätte sie das Richtige getan. Sie ließ sich von seinen Fingerspitzen verwöhnen und war endlich, endlich zufrieden nach dem Sex. Irgendwann schlummerte sie mit ihm zusammen ein. Und als sie dann schließlich kurz vor Morgengrauen ging, war es bestimmt nicht, weil sie keine Lust gehabt hätte zu kuscheln oder ihn bis in alle Ewigkeiten zu halten. *** Naruto gähnte und kratzte sich unelegant unter dem Bund seiner Boxershorts. “Selbst wenn ich mich nicht ungeheuer zu dir hingezogen fühlen würde, wär dies der perfekte Moment”, verkündete er und lächelte selig. Er scherzte natürlich. Nur weil sie vorläufig bei ihm eingezogen war hieß das nicht, dass sie ihre Affäre fortgesetzt hatten. Weil Naruto jede Tragödie im Leben mit Humor handhabte, konnte Sakura ihm seine gutgemeinten wenn auch manchmal etwas unangebrachten Kommentare nicht übel nehmen. Der Anblick, der seinen Kommentar diesmal herbeigeführt hatte, war wirklich ein guter: Sakura stand mit nassen Haaren, Shorts, Top und einer Schürze in der Küche und machte ihm Eier zum Frühstück. Der herrliche Duft zusammen mit dem Anblick ihrer makellosen Beine war himmlisch. Naruto hatte sein Leben lang nie jemand anderes geliebt als Sakura, doch nun konnte er sich vorstellen zumindest zu versuchen ein Date mit einer anderen Frau zu genießen. Nur damit er dieses heimische Gefühl noch einmal einfangen konnte. Es überfiel ihn jedes Mal, wenn er und Sakura zusammen kochten, fernsahen, sich bettfertig machten oder frühstückten. Ihm war gar nicht bewusst gewesen wie allein er sich die ganze Zeit gefühlt hatte. Sie wohnte nun anderthalb Wochen bei ihm, aber er bemerkte jetzt schon, dass es gut für ihre Freundschaft war. Sie erinnerten sich an all die glücklichen Erinnerungen, die sie vor der Affäre gemeinsam erlebt hatten, und es half Naruto sie wieder in einem platonischeren Licht zu betrachten. Mittlerweile bat er sie sogar um Dating Ratschlag. “Glaubst du, ich könnte eine Frau glücklich machen?”, hatte er gefragt. Sakura hatte ihn nur breit angelächelt und genickt. Dann hatte sie ihn kurz aber heftig umarmt. Ein paar Tage später hatte sie ihm sogar versprochen ihm zu helfen, wenn er auf sein erstes Date ginge. Dass er seine alte Freundin langsam zurückgewann, tröstete ihn über den Verlust einer Liebhaberin hinweg. So war also der stand der Dinge als an diesem Samstagmorgen die Haustür plötzlich aufflog. Es war Sasuke. Er sah nicht gut aus. Sein Gesicht schien ausgezehrt, dunkle Balken malten sich unter seinen pechschwarzen mandelförmigen Augen ab und sein mit Bartstoppeln übersätes Kinn wirkte kantig. Der Ausdruck in seinen blutunterlaufenen Augen war gehetzt. Vielleicht hatte er sogar geweint. “Hallo, Naruto!”, grüßte er hektisch und abwesend. “Ich hatte noch den Notfallzweitschlüssel”, erklärte er kurzangebunden. Ohne ein weiteres Wort marschierte ernichtsahnend an seinem halbnackten Freund vorbei und hielt direkt auf Sakura zu. Einerseits war Naruto erleichtert. Andererseits ein bisschen beunruhigt. Er war froh, dass sein Freund sich endlich entschieden hatte vor einer Konfrontation nicht länger davon zu laufen. Gleichzeitig war ihm aber auch unwohl zumute. Wenn Sasuke jetzt schon so aussah, wie viel schlimmer würde es ihn dann treffen wenn er erführe mit wem genau seine Frau die Affäre gehabt hatte. Dieser Auseinandersetzung wollte Naruto lieber nicht in Unterwäsche beiwohnen. Also schlich er sich unauffällig ins Schlafzimmer, um sich besser zu rüsten. Sakura setzte vorsichtshalber den Herd aus, bevor Sasuke sie erreicht hatte. Mit ausgestreckten Armen wusste er nicht so recht was er mit sich anfangen sollte. Wie ein Fisch öffnete und schloss er den Mund ein paar Mal. “Baby...”, wisperte er flehentlich als enthielte dieses eine Wort alle Information die sie brauchte. Sakura war ein bisschen überwältigt von der Situation, ganz so hatte sie sich diese Unterredung zwischen ihnen nicht vorgestellt. Die ersten paar Tage hatte sie noch still im Badezimmer geweint, weil er keinen Kontakt, weder zu ihr noch zu Naruto, aufgenommen hatte. Doch so langsam hatte sie sich damit abgefunden. Natürlich hoffte sie noch, dass Tenten und Neji das Streitbeil begraben konnten, doch sie sah auch ein, dass man manchmal einfach aufgeben musste. Dass er jetzt wahrhaftig vor ihr stand kam ihr ein wenig surreal vor. Dass er sprachlos schien auch. Sasuke war nie sprachlos. Wenn er nichts sagte, dann weil er nichts sagen wollte. “Ich...”, begann er. Seine Stimme hatte ihren selbstvertrauten Ton verloren. Es war als sei er nur noch eine Hülse des Mannes den sie geheiratet hatte. “Du...”, lautete sein zweiter Ansatz. Sasuke hatte sich wirklich viel Mühe gegeben. Nachdem Sakura ihn mit ihrem Ultimatum überrascht hatte, hatte er etwas Zeit gebraucht um sich davon zu erholen. Als er wieder klar denken konnte war er schockiert, dass sie so über die Vergangenheit dachte. Der Grund weshalb er so tief verletzt gewesen war hatte nichts mit seiner Familie zu tun gehabt. Es war immer schwierig ein Kind zu verlieren. Und es war schwierig eine Frau zu trösten, die ein Kind verloren hatte. Wie gerade auch hatte er damals einfach nicht gewusst was er hätte sagen können. Seiner Ansicht nach hätte rein gar nichts die Situation besser machen können. Gefühle zu äußern war noch nie seine Stärke gewesen. So war er einfach nicht erzogen worden. Im Allgemeinen war die Familientradition wenn es um Gefühle ging diese, dass man sie einfach unterdrückte. Bis man explodierte. Aber das alles konnte er einfach nicht über die Lippen bringen. “Mein Gott, Sasuke!”, rief Naruto aus dem Schlafzimmer. “Jetzt küss sie endlich!” Erst war Sasuke sich nicht sicher, ob sein Freund scherzte. Doch dann kam er zum Schluss, dass dies eins der wenigen Augenblicke war in denen er es ernsthaftig meinte. Mit aufgestauter Leidenschaft explodierte er also endlich. Unter ihrem hoffnungsvollen Blick schloss er die Distanz zwischen ihm und seiner Frau mit einem großen Schritt, packte sie an den Oberarmen und presste die Lippen fest auf ihre. Weil er fühlte wie sie sich versteifte, begriff er dass seine stürmische Vorgehensmethode etwas unangebracht war. Dies war ihr erster Kuss seit einiger Zeit und er war sich recht sicher, dass er sie so fest hielt dass es schmerzte. Vorsichtig entkrampfte er seine Finger und schloss seine Arme stattdessen fest doch liebevoll um ihren gesamten Oberkörper; sein Mund wurde weicher. Es war genauso ungelenk wie ihr erster Kuss beim Wasserkühler. Nur dass sie sich nun nicht sputen mussten. Sie hatten Zeit den zaghaften Kuss auszukosten. Alle Zärtlichkeit, die er ihr verweigert hatte, versuchte sich in diesem Kuss Bahn zu brechen. Seine Finger streiften ihre Wange, fuhren ihr durch’s Haar und er küsste sogar ihren Mundwinkel und Hals. Danach sah er ihr aufrichtig in die smaragdgrünen Augen. Naruto spinxte aus der Tür in die Küche. Dort schien alles gut zu laufen. Sein bester Freund löste sich gerade von seiner besten Freundin und Liebe seines Lebens. Aber sonst war alles super-duper. Er fühlte einen Stich in der Brust, ein Überbleibsel seiner Gefühle. Sakura sah nicht so aus als würde sie Sasuke in einem Herzschlag vergeben, doch sie zog sich auch nicht aus seinen Armen zurück. Vorsichtig versuchte Naruto sich an den Zweien vorbei zu schleichen. “Wohin so schnell?”, wollte Sasuke wissen. Mit jedem Atemzug schien er wieder seiner Selbst Herr zu werden. Sein Rücken schien gerader, sein Blick schärfer und seine Stimme selbstsicherer. Naruto wunderte dies nicht. Sein Freund hatte eine unheimliche Gabe dafür in allen Lebenslagen selbstsicher zu wirken. Um ehrlich zu sein hatte es ihn gewundert, dass das mögliche Ende seiner Ehe ihn kurz aus der Fassung gebracht hatte. Obwohl … Naruto dachte zurück an die Zeit in der die beiden ihr erstes Kind verloren hatten. Der zerstörte Gesichtsausdruck, der auf Sasukes Zügen festgefroren gewesen war. Danach hatte sein Freund sich einfach nach innen gekehrt, als sei es alles gar nicht so traumatisch gewesen. Naruto nahm sich zusammen und schlug Sasuke auf die Schulter. “Gut gemacht, Tiger”, lobte er. Sakura verdrehte die Augen ob des lächerlichen Kosenamens. “Heißt das, du kommst wieder nach Hause, Baby?”, wollte Sasuke wissen. Obwohl er versuchte spielerisch zu klingen war da noch eine Spur der Verlorenheit von vorhin. “Wegen eines Kusses”, wollte sie lakonisch wissen. Er gab ihr einen Seitenblick wie früher, Unausgesprochenes wurde kommuniziert. Sie seufzte, nickte jedoch lächelnd. Kurz herrschte eine unangenehme Stille als allen etwas auf der Zunge lag, doch niemand etwas sagte. “Ach so”, fiel Sasuke ein. “Ich muss übrigens nicht wissen wer der andere Kerl war. Ich bin sicher du hattest deine … Gründe.” Er räusperte sich und zeigte somit wie lang und hart er mit sich selbst gerungen hatte. “Es wäre kleinlich darauf herumzureiten”, fügte er hinzu. Er musste zwischendurch schlucken, war aber froh, dass er es geschafft hatte zu sagen. Langsam breitete sich in der Küche ein übler Geruch aus. Gepaart mit dem Rauch, wurde allen schlagartig klar was passiert war. “Die Eier!”, kreischte Sakura und nahm die Pfanne von der Herdplatte. Obwohl sie sie ausgeschaltet hatte, war diese noch heiß genug gewesen, um die Unterseite des Omelettes zu verbrennen. “Entschuldigt. Frühstück geht auf mich. Buffet am Fullerton?”, schlug Sasuke vor mit einer Hand in der Hosentasche und die andere um seine Frau. Naruto zuckte mit der Schulter “Meinetwegen!” Er war nicht dafür bekannt gratis Frühstück abzuschlagen. Selbst wenn es mit seiner Ex-Liebhaberin und ihrem Gatten war. Arm in Arm mit Naruto im Schlepptau machte das Paar sich auf den Weg zu einem Frühstück und Neuanfang. Während Naruto die Tür hinter sich ins Schloss zog, tauschten er und Sakura einen verstohlenen Blick hinter Sasukes Rücken. Sie lächelten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)