Bananeneis von Raija ================================================================================ Kapitel 1: Mädelsabend ---------------------- „Bin wieder da“, rief sie in den Flur, wobei sie das letzte Wort in die Länge zog. Den Wohnungsschlüssel legte sie auf der Kommode ab, schlüpfte aus Stiefeln und Mantel und tapste in die Stube. Dort lümmelten ihre beiden Mitbewohnerinnen auf dem Sofa. „Hey Mara!“, begrüßte sie Hanji. „Du kommst spät“, stellte Petra fest. Petra war Maras älteste Freundin. Seit der Grundschule waren sie Freundinnen, die selbst nach ihrem Abschluss keine getrennten Wege gehen wollten und sich deswegen, als sie das Studium begannen, eine Wohnung teilten. Genervt stöhnte Mara auf. „Ihr glaubt ja nicht, was für ein beschissener Tag das heute war“, grummelte sie, während sie in ihr Zimmer stapfte. Dort entledigte sie sich ihrer nassen Kleidung und streifte sich etwas frisches über. Kurz darauf platzierte sie sich zwischen ihren Mitbewohnerinnen auf der Couch. „Ihr habt schon ohne mich angefangen?“, fragte sie vorwurfsvoll und deutete auf die geöffnete Flasche Sekt. Petra lächelte sie entschuldigend an, während Hanji ihr ein Glas mit dem Sekt füllte. „Hab dich nicht so, wir haben nur schon mal vorgekostet“, sagte sie und rückte ihre Brille zurecht, während sie Mara das Glas entgegenhielt. Skeptisch betrachtete diese die Brillenträgerin, ehe sie ihr das Getränk förmlich aus der Hand riss. Hanji hatte sie vor zwei Jahren auf dem Campus kennen gelernt. Sofort hatte Mara sich mit ihrer lebhaften und aufgeweckten Art angefreundet und so dauerte es nicht lange, dass sie in ihre Wohngemeinschaft einzog. Mit einem Schluck leerte sie das schmale Glas und reichte es Hanji, die es ihr erneut auffüllte. „Nun erzähl schon, was war denn so schlimm heute?“, wollte Petra nun wissen. „Ach, auf der Arbeit haben alle geheult, dann bin ich in so einen Kerl rein gerannt, dabei habe mir den Mantel mit Eis beschmiert, den Bus verpasst, kam letztendlich zu spät zu meinem Termin und die alte Behördenschrulle war super freundlich“, zählte Mara auf, wobei die letzten Worte vor Sarkasmus trieften. Sie schwenkte ihr Glas und nahm noch einen Schluck von der kohlensäurehaltigen Flüssigkeit. „Man rennt ja auch keine Leute um“, lachte Hanji über Maras langes Gesicht. „Sah er denn wenigstens gut aus?“ Anhand der Röte, die Maras Wangen annahmen, konnten Hanji und Petra einschätzen, wie gut er aussah. „Oh mein Gott, erzähl schon!“, drängte Petra aufgeregt. Hanji schenkte ihnen mehr Sekt nach. „Ich habe nicht aufgepasst, bin gegen ihn gerannt und hin geflogen“, grummelte sie, versuchte ihren Ärger mit einem weiteren Schluck wegzuspülen. Von den Gesichtern ihrer Mitbewohnerinnen konnte deutlich ablesen, dass sie sie noch nicht mit genügend Informationen versorgt hatte. „Herrgott, ja, er war verdammt heiß! Er hat mir aufgeholfen, mich auf einen Kaffee eingeladen, aber ich hatte noch den beschissenen Termin“, tat sie ihren Freundinnen den Gefallen. „Und ich habe sein Taschentuch geklaut.“ „Wow, du erzählst so ausführlich, ich habe das Gefühl, ich wäre live dabei gewesen“, neckte Hanji sie. Bevor das in einem hitzigen Wortgefecht, wie sie gelegentlich zwischen Mara und Hanji herrschten, enden konnte, ging Petra dazwischen. „Schade, dass du morgen umziehst. Vielleicht würdest du ihn wieder sehen, wenn du bleiben würdest.“ „Tja vielleicht“, stimmte Mara zu und schaute in ihr Glas. „Aber ich kann meinen Bruder jetzt nicht allein lassen.“ „Der Giftzwerg kommt doch sonst auch super ohne dich klar“, meinte Hanji. „Aber Levi scheidet sich nicht täglich von seiner Frau“, gab Petra der Brillenträgerin zu bedenken, was diese mit einem Schulternzucken kommentierte. „Nun ist es sowieso zu spät. Die Kisten sind gepackt und ich bin schon umgemeldet. Da kann auch kein Sahneschnittchen mit Lackschuhen etwas dran ändern“, seufzte Mara und leerte ihr Glas. „Huch, die Flasche ist ja schon leer“, kicherte Hanji, die ihre Gläser abermals auffüllen wollte. Alle drei lachten los. „Ohje, wo wird das heute Abend noch hinführen?“, giggelte Petra. Mara sprang auf und tapste in die angrenzende Küche, wo sie etwas aus dem Kühlschrank nahm. Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, winkte sie mit einer weiteren Flasche Sekt. „Zum Kater des Jahrhunderts“, grinste sie diabolisch. Knallend löste sich der Korken aus der Flasche, was die Mädels kreischend auflachen ließ. „Nach dem Glas muss ich mich fertig machen, sonst bekomme ich keinen geraden Lidstrich mehr hin.“ Erneut schallendes Gelächter. „Ach Mara, was machen wir nur ohne dich?“, fragte Petra, die sich einige Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte. „Ja, was wird aus unserem DVD-Donnerstag und dem Mord-Montag?“, fragte Hanji. „Ihr werdet ohne mich Filme schauen und zum Sport gehen müssen“, antwortete sie und zuckte mit den Schultern. Auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ, war sie traurig, die Traditionen, die sie mit ihrem Mitbewohnerinnen die letzten Jahre aufrechterhalten hatte, brechen zu müssen. Kein gemeinsamer Sport mehr am Montag, keine Filmabende am Donnerstag und kein Katerfrühstück, meist bestehend aus Pizza oder Asianudeln, am Sonntag Mittag. Die Drei seufzten und leerten gleichzeitig ihr Glas. Dann sahen sie sich abwechselnd an. „Wer zu erst im Bad ist, darf zu erst duschen“, rief Hanji aus, ehe sie aufsprang und los flitzte. ☼◙☼◙☼ Eine Flasche Sekt und einige Stunden später traten sie in ihre Stammdiskothek ein. Ihre Jacken gaben sie am Empfang ab, ehe sie durch die große Doppeltür in den Hauptraum gingen. Dort war wie jeden Freitag die Hölle los. Die Musik war laut, der Bass dröhnte und die Menschen bewegten sich zu ihren Klängen. Petra entdeckte Auruo, mit dem sie seit geraumer Zeit ein Techtelmechtel hatte, verschwand zu ihm und war für den Rest des Abends nicht mehr ansprechbar. Hanji schüttelte grinsend mit dem Kopf, bevor sie sich einen Weg durch die Menschenmasse bahnte. Mara folgte ihr mit etwas Abstand. Sie hielt Ausschau nach Freunden, von denen sie sich noch nicht verabschiedet hatte, da bekam sie einen Schubs von der Seite. Erschrocken quiekte sie auf und drohte mit dem Boden Bekanntschaft zu machen, doch wurde sie noch rechtzeitig von starken Armen aufgefangen. Langsam hob sie den Blick und sah ich ein paar himmelblaue Augen, in dem sie sich am Nachmittag beinahe schon verloren hätte. Für einen Moment drang die Musik nur noch wie aus weiter Ferne zu ihr durch, so sehr war sie von seinem Antlitz in den Bann gezogen. „Sie scheinen aber auch ein Glück zu haben“, lachte er über den Sound von Robin Schulz hinweg. Noch immer lagen seine Arme um ihren zierlichen Oberkörper und wieder vernebelte sein Parfum ihre Sinne. Mara erwachte aus ihrer Starre und bedankte sich bei ihm. „Heute scheint wirklich nicht mein Tag zu sein“, bemerkte sie, wobei sie sich den Pony aus der Stirn strich. „Möchten Sie etwas trinken?“, fragte ihr Retter und deutete auf die Bar. „Gerne“, lächelte sie zu ihm auf. Er hielt ihr eine Hand entgegen. „Erwin Smith“, stellte er sich knapp vor. „Mara Ackerman“, ergriff sie seine dargebotene Hand. Seine Haut war warm und der Händedruck fest. Zusammen entfernten sie sich von dem Trubel und steuerten die Bar an. Erd, ein Student, der im selben Haus wie die Mädels wohnte, arbeitete diese Nacht hinter der Bar. Als er Mara erkannte, scheuchte er ein paar Jungs von ihren Plätzen auf, damit sie sich setzen konnte. Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu, während sie sich auf dem Barhocker platzierte. Kurz darauf stellte er einen Cocktail vor ihrer Nase ab und wandte sich dann Erwin zu. Dieser bestellte einen Whiskey on the rocks. „Sie genießen hier aber einen Service“, er deutete auf ihren Cocktail. „War das ihr Freund eben?“ „Nein, wir wohnen nur im selben Haus“, stellte sie richtig und rührte mit dem Strohhalm in ihrem Getränk. „Also sind Sie regelmäßig hier?“, mutmaßte er. Sein Getränk wurde vor ihm abgestellt und er prostete ihr zu, ehe er einen Schluck nahm. „Ja, kann man so sagen“, bestätigte sie. „Und Sie? Kommen Sie auch gelegentlich hierher?“ „Nein, mein Freund hat mich heute dazu überredet.“ Mara hätte sich beinahe an ihrem Cocktail verschluckt. Sein Freund? Für schwul hätte sie ihn nicht gehalten. Sie musterte seine gepflegte Gestalt: Das ordentlich frisierte Haar, das teure Jackett und die glänzenden Lackschuhe. Plötzlich lachte er auf. „Mike ist mein Kumpel, nicht mein Lebenspartner. Da bevorzuge ich Frauen.“ Ihr stieg die Röte ins Gesicht. Hatte er etwa ihre Gedanken erraten? Peinlich gerührt nahm sie den Strohhalm in den Mund und wich seinem Blick aus. Sie könnte sich ohrfeigen dafür. „Sind Sie allein hier?“, wechselte er das Thema. „Ich bin mit meinen Mitbewohnerinnen gekommen“, sagte sie und hielt nach den Beiden Ausschau. Petra war nirgends zu sehen, doch Hanji stand nicht unweit von ihr und grinste sie wissend an. Am Liebsten würde sie ihr den Finger zeigen, doch riss sie sich in Erwins Gegenwart zusammen, denn sie wollte ihn nicht vergraulen. „Hat das Taxi Sie eigentlich noch rechtzeitig zu ihrem Ziel bringen können?“, wollte er nun als nächstes wissen, weswegen sie sich wieder ihm zu wandte. „Naja, die werte Dame wollte gerade die Tür abschließen und war nicht unbedingt begeistert, dass ich so spät noch kam. Ich musste all meine Überredungskunst aufbringen, damit sie mir meine neue ID aushändigte und mich nicht auf Montag verwiesen hat, denn dann hätte ich ein Problem gehabt“, berichtete Mara, während sie einfach nicht aufhören konnte ihn anzusehen. Das helle Haar, das in den verschiedenen Farben der Diskobeleuchtung getränkt wurde, und seine geschwungenen Lippen, dessen Mundwinkel leicht nach oben gezogen waren. Doch am Meisten faszinierten sie seine Augen. „Wieso? Wollen Sie verreisen?“ „So ungefähr. Ich ziehe morgen um“, ließ sie die Katze aus dem Sack. Erwin schien ehrlich überrascht. Seine markanten Augenbrauen wanderten höher und er sah sie wortlos an. „Mein Bruder macht eine schwierige Phase durch und er wohnt zu weit weg, um hin und her zu pendeln“, erklärte sie und rührte erneut in ihrem Cocktail. Bis heute Nachmittag war sie sich ihrer Sache so sicher gewesen, wieso machte es sie selbst nun so traurig? Das konnte doch nicht nur an ihm hängen. Wahrscheinlich machte der Alkohol sie sentimental. Da kam ihr das Taschentuch in den Sinn. Sollte sie Erwin fragen, ob er sie zu ihr nach Hause begleiten würde, damit sie es ihm zurück geben konnte? Und wenn er mit ihr kommen würde, was würden sie dann machen? Sollte sie Hanjis Worten 'den letzten Abend in vollen Zügen genießen' nachgehen und mit ihm mehr tun, als sich nur zu unterhalten? Oder sollte sie das Thema erst gar nicht ansprechen? Mara blickte auf und sah in seine bezaubernden Augen. Sie fasste einen Entschluss. „Ich habe vorhin ganz vergessen Ihnen Ihr Taschentuch zurück zu geben“, setzte sie an. „So, haben Sie das?“, fragte er belustigt und ein reizvolles Lächeln lag auf seinen Lippen, die von dem Whiskey, von dem er zuvor einen Schluck genommen hatte, glänzten. Gerade als sie ihm ihren Vorschlag unterbreiten wollte, tauchte Hanji neben ihr auf und vor Schreck wäre sie beinahe vom Hocker gerutscht. „Mara wir müssen los, Petra kotzt sich die Seele aus dem Leib!“, sie packte ihre Freundin am Handgelenk und zerrte sie vom Hocker. Verdattert sah Mara zwischen Hanji und Erwin hin und her. So gern sie bei ihm geblieben wäre, musste sie sich um ihre Freundin kümmern. „Entschuldigen Sie, aber ich muss los“, sagte sie und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln. „Kein Problem. Das Tuch können Sie für mich aufbewahren, bis wir uns das nächste Mal treffen“, versicherte Erwin. Eigentlich hatte sie seine Aussage hinterfragen wollen, doch schleppte Hanji sie schon Richtung Ausgang. Kurz, bevor sie den Raum verließen, wandte sie sich nochmals zu ihm um. Er saß noch immer an der Bar und sah zu ihr herüber. Bei seinem Anblick fragte sie sich, ob sie sich tatsächlich ein drittes Mal über den Weg laufen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)