Kleine Augenblicke von Goetterspeise (Eine Geschichte über Aufzüge) ================================================================================ Kapitel 9: Eine Geschichte über Unangenehmes -------------------------------------------- 27. September Kennt ihr das? Ihr steht mit einem Freund oder einer Freundin vor dem Aufzug und seid in ein privates Gespräch vertieft? Ja? Gut. Kennt ihr das auch, wenn der Aufzug dann kommt und ihr dieses besagte Gespräch nicht unterbrechen wollt und es deswegen im Inneren des Aufzuges fortsetzt? Ja? Sehr schön. Kennt ihr das aber, wenn noch jemand mit einsteigt, dieses private Gespräch wirklich sehr privat ist und eure beste Freundin einfach nicht die Klappe halten will? An alle, die mit nein antworten: ihr Glücklichen. An den Rest: ich fühle mit euch. Ino ist nämlich auch so! Und da dachte ich doch wirklich, dass das peinlichste, was mir in diesem Aufzug hätte geschehen können, bereits durch meine Bowlingkugeleinlage mit Naruto geschehen wäre. Fehlanzeige. Wie ich gerade merken darf, geht es nämlich immer noch ein bisschen schlimmer. Am Liebsten würde ich im Erdboden versinken, da das allerdings leider nicht im Bereich des möglichen liegt, muss ich mich damit vergnügen Ino warnende Blicke zuzuwerfen und mich zu schämen. In dieser überaus unangenehmen Situation befinde ich mich ja sowieso nur, weil Ino sich betrunken aufgeführt hat wie der letzte Vollidiot und natürlich muss sie gleich im nüchternen Zustand weitermachen. »Ino ...«, versuche ich vergebens sie zu unterbrechen und schiele verlegen in Richtung Sasuke, der mit verschränkten Armen neben mir steht und recht desinteressiert geradeaus schaut. Ich bin mir aber sehr sicher, dass er ein Grinsen unterdrückt. Wer würde das bei diesem Thema auch nicht machen? Ich meine, Ino erzählt gerade ausgiebig von ihrer Nacht mit Sai – zumindest haben sie nicht miteinander geschlafen. Aber diese detaillierte Beschreibung über seine markanten Gesichtszüge und die verschiedenen Nuancen seiner schwarzen Haare, wenn das Licht sich in ihnen bricht, bräuchte ich jetzt auch nicht. Ino geht so in ihrer Erzählung auf, dass mir doch tatsächlich das Blut in die Wangen schießt und sie heiß werden. Ich habe absolut kein Interesse daran, mit ihr vor Sasuke über Sais Bauchmuskeln zu sprechen, die sich durch sein weißes T-Shirt abgezeichnet haben und wie weich seine Finger sind. Also langsam vermisse ich wirklich ihre ständigen Beschwerden über ihn und seine blöde Art. Ich seufze und kann nicht anders als mir zu wünschen, ich hätte sie aus Rache versetzt oder zumindest so getan als hätte ich heute keine Zeit. Ino hat mir gestern nämlich eine ewig lange Entschuldungs-Sprachnachricht geschickt und mich regelrecht angebettelt, sie heute in einem Cafe zu treffen, sodass wir in Ruhe über alles reden können. Und weil ich mal nicht so seien wollte, habe ich in meiner grenzenlosen Großzügigkeit eingewilligt. Und jetzt habe ich den Dreck. Sie redet, seit wir uns versöhnt haben, über nichts anderes mehr als Sai. Wie falsch sie ihn eingeschätzt hat und dass Künstler nun einmal extravagant sein müssen und und und. Die Sache mit ihren Daumen (»Na ja, ein bisschen komisch schauen sie ja schon aus«) und ihrem normalen Gesicht (»Er meinte mit normal eigentlich zu perfekt«) haben sich mittlerweile übrigens auch erledigt. Ich weiß außerdem inzwischen, wie seine kleine Zehe aussieht, weil das ihr großes Thema auf dem Weg zum Hochhaus war. Und oh … momentan (wir sind in Stock fünf angelangt) geht es darum, dass sie ihn am Liebsten sofort vernascht hätte, als sie sein wunderschönes Lächeln gesehen hat. Beim ersten Mal war es noch aufgrund seiner geheimnisvollen, schwarzen Augen, dann wegen seiner angeblich so heißen, rauchigen Stimme und nun ist es eben das Lächeln. »Wieso hast du ihn nicht gleich im Aufzug genommen?«, rutscht mir, vor lauter mit Sai Sex haben hier und Sai auf sein Sofa schmeißen dort, heraus. Erst einen Augenblick zu spät fällt mir auf, dass Sasuke nach wie vor neben mir steht und ich möchte nicht, kann aber den Seitenblick nicht verhindern. Mittlerweile kann er den Ansatz eines Grinsens nicht mehr verstecken. Wer hätte das gedacht, Sasuke kann sogar nett aussehen – und dieses dezente Mundwinkel nach oben ziehen steht ihm wirklich sehr gut. Schade, dass er das nicht öfter macht. »... also dann erst das nächste Mal«, nehme ich nur das Ende von Inos Antwort wahr und genau in diesem Moment öffnen sich endlich die Türen des Aufzugs und ich kann ihr eine Erwiderung schuldig bleiben. Sasuke wartet bis wir ausgestiegen sind und ich beeile mich, Ino in die Richtung meiner Wohnung zu lotsen, damit wir endlich aus der Öffentlichkeit kommen. Ich habe wirklich kein Problem mit Gesprächen wie diesen – wegen mir darf es auch gerne mal etwas perverser zugehen in Geschichten. Aber vor Sasuke? Das ist mir wirklich verdammt unangenehm, weil dieser Kerl einfach so … so Sasuke ist. »Schönen Nachmittag noch«, sage ich über meine Schulter hinweg, während ich die Wohnungstür öffne, um mein eigenes Unbehagen zu überspielen. »Oh, ja. Schönen Nachmittag noch, Sasuke«, flötet Ino grinsend und ich schubse sie regelrecht in meinen Wohnungsflur. »Euch auch«, höre ich seine Antwort noch, bevor meine und kurz darauf seine Tür sich schließen. »Er ist doch gar nicht so unhöflich«, sagt Ino und zieht sich ihre Schuhe aus. Ich folge ihrem Beispiel und möchte gerade etwas erwidern, als sie auch schon weiter spricht: »Aber egal. Auf jeden Fall haben Sai und ich die ganze Nacht geredet und wenn man mal seine Art durchschaut hat, wie man seine Worte nehmen muss, kann er wirklich ...« »Ino!«, schreie ich unvermittelt, weil ich es langsam wirklich nicht mehr hören kann. Sie verstummt – na immerhin. »Ist dir überhaupt aufgefallen, dass Sasuke neben uns stand als wir hochgefahren sind?«, frage ich sie und mein Brustkorb hebt und senkt sich ungewöhnlich schnell, so als hätte ich gerade einen Marathon hinter mir. »Ja. Und?«, erwidert sie irritiert und hebt eine ihrer fein geschwungenen Augenbrauen. »Wie 'und'? Er ist mein Nachbar und du hast ... du hast einfach über Sex gesprochen.« Ino blinzelt ein paar Mal perplex und fragt: »War dir das peinlich?« Ich antworte nicht, spüre nur wieder, wie meine Wangen warm werden und höre Ino plötzlich laut loslachen. Das Lachen wird so schlimm, dass ihr bereits Tränen in die Augen steigen und sie sich den Bauch halten muss. Nach Luft schnappend versucht sie sich zu beruhigen und wirft mir einen hoch amüsierten Blick zu. »Dir was das echt peinlich?« »Ja!«, rufe ich, weil das doch wohl offensichtlich sein sollte. Ino räuspert sich einmal laut und wischt sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln, bevor sie sich aufrecht hinstellt und mich einer genauen Musterung unterzieht. Wir haben beide völlig vergessen, dass wir im halbdunklen Gang meiner Wohnung stehen. »Ach bitte. Dir ist sowas sonst nie peinlich. Normalerweise kannst du gar nicht genug peinliche Sachen sagen, oder eklige.« Ein verschwörerisches Lächeln taucht auf ihren Lippen auf und mir schwant böses. »Aber wenn es dir wirklich unangenehm war, dann bleibt nur eins: Du stehst auf Sasuke.« Bäm! Was?! »Das ... was für ein Blödsinn!« »Komm schon Sakura«, sagt sie und begutachtet in aller Seelenruhe ihre blau lackierten Fingernägel, »wir müssen uns alle mal unbequemen Wahrheiten stellen.« Ich würde sie ja gerne bitten das genauer auszuführen, weil ich ihrer Argumentationskette nicht so ganz folgen kann, aber momentan hängt mein Kiefer so weit unten, dass es mich nicht wundern würde, wenn er nur ein paar Millimeter über dem Bodenschweben würde – und dadurch fällt mir das Reden leider schwer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)