Too Strong To Fall von Votani (Levi x Sakura) ================================================================================ Kapitel 1: the dream in the dark. --------------------------------- Das Donnern der Kanonen ließ den Boden unter Sakuras Füßen vibrieren und die schmierigen Fensterscheiben klirren. Sie hatte noch nie die hohen Mauern erklommen, die ihre kleine Welt umzäunten, welche über die Jahrzehnte immer mehr zu schrumpfen schien. Trotzdem konnte sie sich gedanklich gut ein Bild davon malen, was dort oben vor sich ging. Allerdings saß ihr der Schreck nicht mehr in den Gliedern, denn der Mensch konnte sich an Alles gewöhnen, wenn er dem lange genug ausgesetzt war. Wall Maria war schon vor Jahren gefallen und von Titanen überrannt worden. Nur wenige hatten es durch das Tor von Wall Rose nach Trost geschafft, bevor es verbarrikadiert worden war. Aber all das wusste Sakura nur aus den Erzählungen, die man sich flüsternd auf den Straßen zwischen Stoßgebeten erzählt hatte. Damals hatte sie noch hinter Wall Sina gelebt. Dort war das Leben vorangeschritten, denn in Wall Sina hielt es für nichts und niemanden inne. Hinter der dritten Mauer war keiner besorgt, bevor Wall Rose nicht ebenfalls fiel. In pessimistischen Momenten bezweifelte Sakura, dass es noch allzu lange dauern würde, bis die Mauer Risse zog und sich ein Titan durch das Gestein quetschte, um Trost einen Besuch abzustatten. Die Alpträume gehörten jedoch nicht ihr, sondern den Soldaten auf den Mauern, die vor Erschöpfung und Angst zusammenbrachen und eingeliefert wurden. Sie gehörten den Bewohnern dieses Distrikts, die ihren Familien jeden Morgen auf Wiedersehen sagten, als erwarteten sie ihre Angehörigen nie wieder in die Arme schließen zu können. Hinter der Sina-Mauer gab es gepflegte Pflastersteine und schöne Architektur, während Trost langsam in sich zusammenfiel. Dachziegeln lagen wie zerbrochene Träume auf den verschlissenen Straßen und der Wind trieb Müll durch die einsamen Gassen, in denen hungrige Kinder zusammen mit streunenden Katzen und Hunden nach Essen in den Mülltonnen suchten. Sakura löste den Blick vom Fenster und fuhr sich mit einer Hand über das schwitzige Gesicht. Ihr rosafarbenes Haar war zu einem unordentlichen Zopf gebunden und ihre weiße Uniform wies Blutsprenkel auf, die am Trocknen waren. Mit zusammengebissenen Zähnen zog sie sich die Latexhandschuhe aus, die sie nun nicht mehr brauchte. Es war keiner mehr da, der ihre Hilfe benötigte. Aber was hatte sie auch erwartet? Niemand überlebte einen Sturz von einer Mauer, die fünfzig Meter hoch war. Eine Mauer, von der Sakura nicht wusste, ob sie nur die Titanen aussperrte oder nicht gleichzeitig auch einen Käfig für den kläglichen Rest der Menschheit darstellte, der ihnen noch nicht zum Opfer gefallen war. Jedenfalls wurde sie den Gedanken nie ganz los, dass sie langsam dahinvegetierten, während sie auf ein Wunder oder gar auf das Ende warteten. Sie waren es sich nur nicht bewusst, weil man gern das verdrängte, was man nicht ändern konnte. „Sakura“, holte sie Gloria aus ihren Gedanken. Die Krankenschwester mit dem feuerroten Haar steckte den Kopf durch den Spalt, den die angelehnte Tür kreierte. „Da ist jemand, der dich sehen möchte. Er sieht sehr offiziell aus, wenn du verstehst, was ich meine. Von den Scouts.“ Die letzten Worte waren geflüstert, als hätte sie Angst, dass ihr Besucher sie aufschnappen könnte. Sakura runzelte die Stirn. Was wollte denn jemand von dem Erkundungstrupp im Trost-Distrikt oder ausgerechnet hier im Krankenhaus? Was wollte jemand ausgerechnet von ihr? Doch sie würde keine Antwort auf ihre Frage bekommen, wenn sie nicht mit ihm sprach. „Ich bin gleich da, Gloria“, sagte Sakura und schenkte ihrer Arbeitskollegin ein schmales Lächeln. Erst nachdem Gloria verschwunden war, warf Sakura einen letzten Blick auf die beschmutzten Handschuhe, mit denen sie retten und nicht töten sollte, und schmiss sie weg. Sie kehrte dem kleinen Pausenraum den Rücken, der als Ort des Zurückziehens fungierte, als harmonischer Ruheort, an dem man seine Gedanken ordnen konnte, ganz egal, wie viel Trubel in den Behandlungszimmern herrschte. Sakura musste nicht lange nach ihrem Gast suchen, denn mit seiner strammen Haltung entdeckte sie ihn bereits aus der Ferne in der Menge an Patienten, die auf einen Arzt warteten. Auf den ersten Blick wusste Sakura bereits, dass sie heute wieder bis tief in die Nacht hinein arbeiten würde. Andererseits hatte sie das Wartezimmer noch nie auch nur halbleer erlebt, denn in Trost gab es zu viel Leid. „Ah, Sakura Haruno. Es freut mich Sie endlich zu treffen“, begrüßte sie der hochgewachsene Mann mit den blonden Haaren und der glatten Uniform. Obgleich des freundlichen Lächelns wurde Sakura sich sofort der Intensität bewusst, die in seinen blauen Augen versteckt lag und mit der er sie musterte. Zudem kannte er ihren Namen, während Sakura dem Mann vor ihr noch nie im Leben begegnet war. Er war informiert, was ihm einen Vorteil verschaffte. „Und mit wem habe ich die Ehre?“, fragte sie und betrachtete skeptisch die ausgestreckte Hand des Soldaten, anstatt sie zu schütteln. Ein Lachen drang aus seiner Kehle. „Wie unfreundlich von mir, mich nicht einmal vorzustellen“, antwortete er, doch Sakura war sich sicher, dass er genau wusste, was er tat oder was er nicht tat. Seine Hand schwebte weiter einladend vor ihr. „Mein Name ist Erwin Smith. Ich bin Kommandant des Aufklärungstrupps und hier, um Ihnen einen Job anzubieten.“ Sakura blinzelte, nicht ganz sicher, was sie mehr verwirrte: Dass ausgerechnet der berüchtigte Erwin Smith vor ihr stand oder dass der berüchtigte Erwin Smith ihr ein Jobangebot machte. Es war zu absurd. So etwas passierte in Büchern und in Abenteuergeschichten, die man als Kind von seinen Eltern erzählt bekam, aber nicht im realen Leben. Das wusste Sakura inzwischen. Sie hatte gelernt, dass es keine Ritter in strahlender Rüstung gab, die einen retteten, und auch dass es keine Helden gab, die jedem Drachen den Kopf abschlugen und ganze Königreiche vor dem Untergang bewahrten. Trotzdem – oder gerade deswegen – schüttelte Sakura die Hand des Kommandanten. „Ich habe bereits einen Job.“ Das Lächeln von Erwin Smith schwand nicht, während sein Blick durch den Raum und über die Menschen wanderte, die auf harten Plastikstühlen saßen und verschlissene Kleidung trugen. „Können wir unter vier Augen sprechen?“ Mit einer Handgeste bedeutete Sakura ihm, ihr zu folgen. Sie führte ihn weg von dem Stimmengewirr in der Luft und hinein in das Hinterzimmer, welches so einen Frieden für sie ausstrahlte. Erwin schloss die Tür hinter sich. „Ich bin mir durchaus bewusst, dass Sie bereits einen Job haben, Miss Haruno“, sagte er anschließend und seine Augen erfassten sie wieder, hielten sie an Ort und Stelle gefangen, ein wenig wie die Mauern, die sie vor den Titanen schützten. „Aber ich hatte gehofft, Sie überzeugen zu können, dass dort draußen wichtigere Arbeit auf Sie wartet.“ Für einen kurzen Moment wusste Sakura nicht, was er meinte. Dort draußen, die Worte waren fremd, denn es gab kein dort draußen. Draußen hörte an den Mauern auf, an denen sich die Titanen sammelten, als konnten sie spüren, was sich hinter ihnen verbarg. „Sie haben die Menschen im Wartezimmer gesehen. Glauben Sie da wirklich, dass es wichtigere Arbeit gibt? Ich habe sie bis jetzt jedenfalls noch nicht gesehen. Irgendjemand muss sich schließlich um diese Menschen kümmern, selbst wenn die Vorräte und das Geld immer knapper werden. Diese Leute haben niemand anderen.“ Immerhin war es kein Geheimnis, dass die Menschen, welche die nötigen Beziehungen und finanziellen Mittel hatten, Trost verließen, um sich stattdessen auf einem weniger bevölkerten Fleckchen Erde innerhalb der Mauern niederzulassen. Einem Örtchen, an dem es keine Krankheiten aufgrund schlechter Sanitäreinrichtungen gab oder ständige Titanenangriffe. Übrig blieben die Mittellosen und Kranken, die Alten und Jungen. Erwin schwieg, als könnte er ihre Gedanken mühelos verfolgen, als würde er jede kleine Reaktion, die sich auf ihrem Gesicht widerspiegelte, aufsaugen und kategorisieren. Er blinzelte kein einziges Mal. „Ich bestreite nicht, dass die Arbeit hier von äußerster Wichtigkeit ist, Sakura“, sagte er und wechselte zu einer Vertrautheit, welche ihn in ihren Augen wohl sympathischer wirken lassen sollte. „Aber wollen wir alle nicht viel eher in einer Welt leben, in der es Möglichkeiten auf ein besseres Leben gibt? In dem man nicht von Alpträumen geplagt wird, in dem Titanen an unseren Kindern speisen. In dem niemand von hohen Mauern fällt... oder gar springt.“ Ein Schauer fuhr Sakuras Wirbelsäule hinab. Sie senkte den Blick auf ihre Hände, die mindestens genauso viel Blut an ihnen kleben hatten, wie Erwin Smith an seinen. Jeder Soldat, genauso wie jeder Zivilist, kannte die Geschichten über Erwin Smith und seine unzähligen Missionen außerhalb der Mauern, die mehr Tote anstatt Erfolge erbracht hatten. Andererseits konnte Sakura ihm nicht widersprechen. Sie hatte keine Argumente, die seine widerlegen konnten. „Und warum kommen Sie dann ausgerechnet zu mir? Ich bin Ärztin, keine Soldatin.“ „Ich bin mir völlig darüber im Klaren, was du bist und was du nicht bist.“ Das Lächeln war zurück, welches für einen winzigen Augenblick einer Ernsthaftigkeit gewichen war. „Ich höre mich regelmäßig nach vielversprechenden Kandidaten für den Aufklärungstrupp um. Deiner Akte nach zu urteilen bist du sogar die perfekte Kandidatin. Und ich irre mich selten.“ Sakura unterdrückte ein Schnauben. Bei jedem anderen hätte diese Aussage arrogant geklungen, aber aus dem Mund von Erwin Smith klang sie viel eher nach einer simplen Feststellung. Nach einer Gewissheit. „Du warst auf Platz fünf deiner damaligen Trainingseinheit, zu der auch Anwärter wie Sasuke Uchiha von der berühmten Militärpolizeieinheit der Uchihas und Shikamaru Nara, einer der besten Strategen, gehörten. Es bedarf einer Menge, um mit diesen Leuten mitzuhalten.“ Sakura zuckte mit den Schultern. „Das ist schon eine Weile her.“ Und eigentlich hatte sie auch keine große Lust, daran erinnert zu werden. Jeder Gedanke an Sasuke verursachte auch heute noch ein Stich in ihrem Herzen und eine gewisse Bitterkeit ihrer eigenen Naivität gegenüber. „Das ändert nichts daran, dass dein Werdegang herausragend ist und wir herausragende Leute bei den Scouts brauchen“, erzählte Erwin weiter und machte eine Handbewegung zu der geschlossenen Tür hinüber. „Das hier ist nur ein Zwischenstopp. Eine Pause von dem Kampf für die Menschheit. Ein Moment, in dem man das Gefühl hat, dass die Chancen gegen einen stehen, bevor man sich wieder aufrafft. Und wenn du bereit bist, den Kampf wieder aufzunehmen, habe ich eine Position als Ärztin bei den Scouts für dich, Sakura.“ Damit war offensichtlich alles gesagt, was Erwin Smith im Sinn gehabt hatte, denn er salutierte ihr und verließ das Hinterzimmer, in dem Sakura einmal mehr mit ihren Gedanken allein war. Mit ihren Gedanken und all den Worten, die der Kommandant ihr dagelassen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)