Too Strong To Fall von Votani (Levi x Sakura) ================================================================================ Kapitel 7: spoken words. ------------------------ Die Nacht war aus Tinte gemacht. Sakura tauchte in sie ein, als sie die schwere Tür hinter sich zuzog, die das Licht der letzten brennenden Kerze hinter den dicken Schlossmauern einsperrte. Über dem Schlosshof tat sich das Firmament auf und Sterne glitzerten. Im Gegensatz zu den Menschen, die sich in selbstgemachten Käfigen einschlossen und es Sicherheit nannten, trug das kleine Stückchen Himmel über ihrem Kopf die wahre Bedeutung von Freiheit in sich. Das Firmament war die Verkörperung der Freiheit – und Sakura kribbelte es bei dem Gedanken, bald mehr von diesem Himmel und den Sternen zu sehen, unwillkürlich im Bauch. Doch die Aufregung, endlich einmal einen richtigen und uneingeschränkten Blick hinter die Mauern werfen zu können, war von der Tatsache begleitet, dass es das Letzte sein könnte, was Sakura jemals tun würde. Den freien Himmel und die wilden Landschaften einmal bewundern, um danach nie wieder etwas zu Gesicht zu bekommen. All das war Grund genug, um in den Nächten kein Auge mehr zuzubekommen. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, überhaupt eine Nacht auch nur ansatzweise durchgeschlafen zu haben, seit sie sich bei dem Erkundungstrupp befand. Selbst das Training konnte sie nicht genug auslaugen, um die endlosen Gedanken zu verhindern, die mit dem Erlöschen des Lichts Einzug in ihren Kopf hielten und sie jedes Mal wieder heimlich aus dem Zimmer trieben. Ob Ayana und Suwanee, die beiden Frauen mit denen Sakura sich den Raum teilte, ihre Abwesenheit bemerkten oder nicht, konnte sie nicht sagen. Niemand sprach sie darauf an und keiner schenkte ihr mehr Aufmerksamkeit als nötig. Sie verstand sich mit allen gut, mit Petra jedoch am meisten und mit Levi am wenigsten. Der Captain ihres Squads hatte seit der ersten Begegnung kein Wort mehr mit ihr gewechselt, nur manchmal konnte Sakura im Vorbeigehen seine Blicke scharf wie Skalpelle im Rücken spüren. Womit sie diese Art der Abweisung verdient hatte, konnte sie sich allerdings nur vage vorstellen. Sie hatte sich vielleicht blamiert, aber er war derjenige gewesen, der sich unfreundlich benommen hatte. Ein Funke Wut keimte in Sakuras Brust auf, als sie die Scheune mit dem angrenzenden Pferdestall erreicht hatte, die am Rande des Schlosshofs nahe des Torbogens erbaut worden war. Wieso es sie ausgerechnet hierher lockte blieb eine Frage, die sie sich selbst nicht beantworten konnte. Sie wusste nur, dass die Pferde etwas Beruhigendes ausstrahlten, etwas Intelligentes und Starkes. Das hier waren keine gewöhnlichen Reittiere, wie Sakura sie jeden Tag im Trost-Distrikt die Kutschen und anderen Lasten der Menschen hatte ziehen sehen. Nein, die Pferde des Erkundungstrupps waren für die Weiten der Welt und all ihre zweibeinigen und menschenfressenden Gefahren trainiert. Sie hatten schon mehr als Sakura im Leben erlebt und dafür respektierte sie diese Tiere. Blind tastete Sakura an der Wand entlang, nachdem sie sich in den Stall geschoben hatte. Der Geruch von frischem Heu stieg ihr in die Nase, als ihre Fingerspitzen gegen das Regal stießen und die Laterne und Streichhölzer daneben identifizierten. Mit geübten Bewegungen entzündete sie die Laterne, die den Stall sogleich ins Halbdunkel tauchte. Einige Pferde reckten die Köpfe in die Höhe, während andere genüsslich auf dem Heu herumkauten. Keines von ihnen störte sich an Sakuras Anwesenheit, sondern hatten sich wahrscheinlich bereits an sie gewöhnt. Ein schmales Lächeln huschte über ihre Lippen. Die Laterne ließ sie auf dem Regal stehen, als sie näher an eines der Pferde herantrat und die Hand nach ihm ausstreckte. Der braune Hengst beäugte sie für einige Momente, presste schließlich jedoch seine Stirn gegen ihre Finger, als Sakura ihn streichelte. Spürte er ihre innerliche Unruhe? Es schien fast so. Vielleicht war es aber auch nur Einbildung oder Wunschdenken. Viele Dinge, die sie von ihrer bevorstehenden Mission ablenken konnten, gab es hier in diesem Schloss nicht. Es gab auch nur so viele Gesprächsthemen und so viele Soldaten zu verarzten, die sich beim Training verletzten. Doch Petra hatte ihr versichert, dass ihre Fähigkeiten als Ärztin noch früh genug auf die Probe gestellt und dass sie dort draußen gebraucht werden würden. Aber würde sie ihnen wirklich eine Hilfe sein? Nicht, wenn der erste Titan, der ihren Weg kreuzte, sie erwischen würde, das war sicher. Aber dafür trainierte sie diese zusätzlichen Stunden, wenn alle längst beim Abendessen saßen und die Dunkelheit langsam über die Mauern kroch, um den Schlosshof zu fluten. Alles, was Sakura dann noch blieb, war Petras Gesellschaft, die ihr etwas vom Abendessen aufhob und vorbeibrachte, und ihre Briefe, die sie an Kakashi schrieb, aber von denen sie bisher keinen einzigen abgeschickt hatte. Was sollte sie ihm sagen? Dass sie womöglich doch einen Fehler begangen hatte? Dass sie trainierte, aber nicht das Gefühl hatte, etwas damit zu erreichen? Dass Captain Levi sie zwar in seinem Squad akzeptierte, aber er nicht gut auf sie zu sprechen war? Dass Erwin Smiths Plan nach purem Selbstmord klang? Dass ein Teil von ihr sich wünschte, dass sie in Trost und bei— Sakuras Gedanken kamen zu einem abrupten Halt, als die Scharnieren der Tür ein langgezogenes Quietschen verlauten ließen. Ihre Augen zuckten zu dem Schatten hinüber, der sich aus der Finsternis draußen löste und in den Stall schlüpfte. Dabei verschluckte sich Sakura fast an ihrer eigenen Spucke, denn bei dem Neuankömmling handelte es sich ausgerechnet um Levi Ackerman. Ausdruckslos wanderten seine Augen durch den Innenraum, über die Tiere, das Heu und die Heugabeln und anderen Geräte, die an der linken Wand sorgfältig aufgehangen waren. Erst danach kam sein Blick auf Sakura zum Liegen, als hätte er sie eben gerade erst entdeckt oder als wäre sie bloß ein weiterer Gegenstand hier drinnen. Er wandte sich dem Regal mit der Laterne zu und ließ eine Fingerkuppe über die glatte Oberfläche gleiten, um möglichen Staub zu inspizieren. Sakura war sich fast sicher, dass er das regelmäßig tat, denn sein Ruf zur Reinlichkeit war ihm weit voraus. „Scheinbar nehmen sie euch beim Training nicht hart genug ran, wenn du immer noch die Bettruhe missachten kannst, Haruno“, durchbrach er die Stille zwischen ihnen und erinnerte Sakura somit unangenehm daran, weshalb sie wie festgefroren dastand und ihr Rücken bis zum Schmerzen durchgebogen war. Sie schnappte nach Luft, als sie nach einer glaubwürdigen Erklärung suchte, aber nicht fündig wurde. Grundgütiger, scheinbar war es ihr nicht vergönnt, auch nur einmal bei ihrem Teamleiter einen einigermaßen anständigen Eindruck zu hinterlassen! Jetzt hielt er sie nicht nur für ein Plappermaul ohne Selbstbewusstsein, sondern für ein regelbrechendes Plappermaul ohne Selbstbewusstsein. Sakuras Schultern sackten und sie wandte den Blick von dem Mann ab, der ohnehin nur grobe Worte für die Welt übrig hatte. Ihre Hand kehrte zu dem Pferd zurück und sie streichelte dem Tier, das den Kopf gesenkt hatte, um an das Heu heranzukommen, den Hals. Scheinbar war Levi frei von sämtlichen Zweifeln von denen Sakura einfach nicht loskam. Lag das an seiner jahrelangen Erfahrung oder doch an seiner Persönlichkeit? War er die Sorte Mensch, an der sämtliche Ängste abperlten? Doch das glaubte Sakura nicht. Niemand war dermaßen eiskalt, nicht einmal Levi Ackermann. Ihren Gedanken nachhängend bemerkte Sakura erst nach einigen Sekunden, dass dieser noch immer rechts von ihr am Regal stand. Er hatte die Arme locker vor dem Oberkörper verschränkt und sah mit unergründlichem Blick in ihre Richtung. Auf was wartete er? Dass sie zurück ins Schloss ging und in ihr Bett kroch, weil sie eigentlich zu dieser Uhrzeit nichts mehr hier draußen zu suchen hatte? Sakura wollte ihn danach fragen, aber letztendlich rutschte ihr eine völlig andere Frage über die Lippen: „Hast du nie irgendwelche Bedenken oder Zweifel, Captain?“ Sogleich schlug sie sich mit der flachen Hand gegen den Mund, da sie Levi nicht einmal gesiezt hatte. Doch dieser blinzelte nicht einmal. Sein Gesicht blieb auch weiterhin ausdruckslos, unbeeindruckt, beinahe verschlafen. Er schwieg und kam ein paar Schritte auf sie zu, bis er neben ihr stand. Seine Augen waren auf das Pferd gerichtet, welches nur das Ohr erwartungsvoll in seine Richtung drehte, während Levi auch Sakuras vollkommene Aufmerksamkeit auf sich ruhen hatte. Ihr Blick klebte an seinen Lippen und ihr Herz pochte gegen ihren Brustkorb. Jetzt würde er ihr sagen, dass er sie nicht bei der Mission dabei haben wollte. Dass man sich auf jemanden, der schon jetzt Erwin Smith und seinen Plan anzweifelte, nicht verlassen konnte. Sakuras Hand fiel von dem Hals des Pferds und Levis ersetzte sie. „Es gibt niemanden hier, der sich keinerlei Gedanken macht“, sagte er schließlich und etwas Nachdenkliches schwamm in seiner sonst so gleichgültigen Stimme mit, als er den Hengst tätschelte. „Aber... wenn du dir zu viele Gedanken machst, bist du vielleicht falsch bei dem Erkundungstrupp. Darüber solltest du dir im Klaren sein, bevor wir aufbrechen. Das ist etwas, was niemand außer dir wissen kann.“ Damit wandte er sich ab und schlenderte aus dem Stall hinaus, als hätte er ihr diese Worte nicht soeben einfach vor die Füße geworfen. Er ließ die Tür offen stehen, als ihn die Dunkelheit verschluckte, die in wenigen Stunden bereits der Dämmerung weichen würde. Ein heiseres Lachen steckte in Sakuras Kehle und ihre Mundwinkel hoben sich zu einem freudlosen Lächeln, um ihm Ausdruck zu verleihen. Er hatte keine Ahnung, nicht die geringste. Sakura hatte sich in letzter Zeit mit nichts anderem beschäftigt, als diese eine Frage zu beantworten. Sie stellte sie sich beim Aufstehen, jede Sekunde, die sie auf dem Trainingsplatz verbrachte, wenn sie Tee mit Petra und den anderen trank und beim Schlafengehen. Die Antwort, ihre Antwort, fiel jedoch jedes Mal gleich aus: Es musste der richtige Platz für sie sein, denn sie hatte keinen anderen. Sie konnte nicht einfach ihre Sachen packen und nach Trost zurückkehren, zu Kakashi, weil die Unsicherheit die Oberhand gewonnen hatte. Sakura musste wissen, wie weit sie gehen konnte, wo ihre Grenzen lagen und ob sie all dem gewachsen war. Sie wollte dem hier gewachsen sein, denn sie glaubte an diese Mission. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)