Too Strong To Fall von Votani (Levi x Sakura) ================================================================================ Kapitel 16: pieces of the past. ------------------------------- „Ich werde die erste Nachtwache übernehmen“, verkündete Levi. Es waren die ersten Worte in einer gefühlten Ewigkeit, die seine Lippen verließen. Sein Ton war kalt und ausdruckslos - und er genauso unerreichbar wie sonst auch. Sakuras müder Blick blieb auf die knisternden Flammen von dem kleinen Feuer gerichtet. Sie warfen flackernde Schatten an die Höhlenwände und auf den ungemütlichen Boden. Ihre Arme waren um sich selbst geschlungen, vorsichtig, da jeder Druck gegen ihre Rippen schmerzte. Sie lehnte an einer der Steinwände und hatte die Beine angewinkelt. „Dann werde ich die zweite Wache übernehmen“, sagte Petra, die trotz der Dunkelheit, die vor der Höhle lauerte, energisch und voller Energie klang. Ihr Lächeln war hell und gefüllt mit Leben, obwohl man die Erschöpftheit sehen konnte. „Bitte wecke mich nicht so spät, Captain.“ Ihre Augen wanderten zu ihrem Teamleiter hinüber, der sich von ihnen und dem Feuer abgewandt hatte. Er trug lediglich sein weißes Hemd, da sein Jackett und sein Umhang vom Regen durchnässt waren. Trotzdem trugen ihn seine Schritte ohne weitere Worte zum Höhleneingang hinüber und er spähte hinaus in die nächtliche Finsternis. Petra ließ ihn ziehen, denn im Gegensatz zu Sakura verstand sie Levis Schweigen. Sie verstand seine Art und akzeptierte sie, worum Sakura sie glatt beneidete. Wäre sie dazu ebenfalls in der Lage, würde sie vielleicht gelegentlich den Mund halten und sich nicht in Schwierigkeiten bringen, wenn es um Levi ging. Aber schon ihr erstes Treffen hatte unter einem schlechten Stern gestanden, was hatte sie also erwartet? Sakura schluckte das Seufzen hinunter und ließ ihre Lider zufallen, die nach einer Ruhepause schrieen, genauso wie jeder Muskel in ihrem Körper. Lange ließ der Schlaf nicht auf sich warten. Das Knistern des Feuers und Olous Gähnen und das leise Gespräch zwischen Eld und Petra lullten sie ein und verliehen selbst diesem fremdartigen Ort eine gewisse Harmonie. Doch ihr Schlaf war nicht traumlos. Er war es nie gewesen. Als Kind und selbst während ihrer Grundausbildung hatte Sakura von einer Zukunft an der Seite von dem ihr wichtigsten Menschen geträumt, bevor ihr Weg sie nach Trost geführt hatte. Dort hatte sie den kleinen Raum über Marins Laden bezogen, um viele Nächte allein an die schattenbesetzte Decke zu starren, weil die ausgemalte Zukunft nur ein Traum geblieben war. Lediglich an den Abenden, an dem Kakashis Körper dicht neben ihren gelegen hatte, hatte sie einschlafen können, obwohl die Kanonen hoch oben auf den Mauern sie bis tief in den Schlaf verfolgten und sie von gesichtslosen Monstern hatte träumen lassen, die ihr nach dem Leben trachteten. Erst beim Aufklärungstrupp, nach den rigorosen Trainingseinhalten, war sie müde genug gewesen, um sich hinzulegen und morgens aus dem Bett zu steigen und keinerlei Erinnerungen an die Zeit dazwischen zu haben. Es war der beste Schlaf, den Sakura je gehabt hatte. Nun jedoch, mit dem beständigen Pochen in ihrer Seite, war er unruhig, begleitet von Bildern von riesigen Fratzen, die grinsten und sie mit einer Leere ansahen, die unbegreiflich war. Hände griffen nach ihr und Finger schlangen sich um ihre Taille, sie zerrten und zerrten und zerrten – und Sakura schlug schweratmend die Augen auf. Erstarrt saß sie im Halbdunkel, das nur von dem letzten Glanz glühender Asche und ein paar sterbenden Flammen erhellt wurde. Schweiß lief ihre Schläfe hinunter und Sakura wischte ihn mit harscher Geste weg. Um sie herum war es still und sie konnte die Umrisse von Petra, Eld und Oluo ausmachen, die es sich auf dem Boden um das Feuer gemütlich gemacht hatten. Es war bloß ein Traum gewesen. Mal wieder. Ein freudloses Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie nach der angefangenen Wasserflasche neben sich griff und sich einen Schluck der kalten Flüssigkeit genehmigte. Ihr Mund und ihre Lippen fühlten sich staubtrocken an, obwohl die Luft, die in die Höhle drang erfrischend war. Sie roch nach einer Wildheit, nach einer Freiheit, die man in Trost und auch keiner anderen Stadt fand. Sakura schaute unwillkürlich zum Eingang der Höhlenformation hinüber, der noch immer von Levi bewacht wurde. Er lehnte an der Steinwand und sein Blick galt der Finsternis vor ihm, als konnte er in ihr mehr erkennen als Sakura. Die Ärmel seines Hemdes waren hochgeschoben und seine linke Hand ruhte auf seiner Ausrüstung. Er war ein stummer Wächter, der in seiner stillen Haltung einer Statue Konkurrenz machte. Sie wusste, dass es ein Fehler war. Sakura wusste es, bevor sie sich an der Wand hochzog und auf leisen Sohlen die Höhle durchquerte, ehe sie sich in seine Richtung begab. Aus irgendeinem Grund funktionierten Levi und sie nicht. Sie kamen einfach nicht miteinander aus, obwohl Sakura… es doch wollte. Es war ein dummer Gedanke, ein absurder Wunsch, denn sie sollte sich mit wichtigeren Dingen beschäftigen. Sie sollte sich ausruhen und ihre Rippen schonen, da sie morgen früh schon wieder auf dem Pferderücken sitzen und durchgeschüttelt werden würde. „Captain Levi…“, murmelte sie, weil sie vorschnell war und scheinbar einfach nicht begriff, was gut für sie war. „Ist alles ruhig dort draußen?“ Levi betrachtete sie aus den Augenwinkeln. „Ja.“ Stille folgte. Sakura nickte, mehr zu sich selbst, als auf seine Antwort. „Ich habe von Titanen geträumt“, entrann es ihr, auch wenn es Levi nicht interessierte. Sie musste darüber sprechen, um es zu verarbeiten. „Aber ich schätze, dass das unter den Umständen ganz normal ist. Außerdem hatte ich schon immer eine blühende Fantasie.“ Sie lächelte über sich selbst, als sie sich auf der anderen Seite des Höhleneingangs setzte und die Arme um die angezogenen Beine schlang. Sie bettete das Kinn auf ihren Knie und folgte seinem Blick in die Dunkelheit, die alles verschluckte und sie nicht einmal einen Meter weit sehen ließ. Der Regen hatte aufgehört, das war das einzige, was sie mit Sicherheit sagen konnte. „Ich habe schon von Titanen geträumt, bevor ich Fuß außerhalb der Mauern gesetzt habe. Nur damals haben sie noch wie die schrecklichen Karikaturen in den Büchern ausgesehen. Nicht wie… du weißt schon.“ Die Worte stolperten aus ihrem Mund, ungehindert und frei. Ihr Kopf war genauso klar wie der Nachthimmel über ihren Köpfen. Die Wolkendecke war an einigen Stellen aufgerissen und sie konnte die Sterne sehen, winzig und unendlich weit entfernt. „Es gibt keinen Soldaten, der nicht von Titanen träumt, Sakura“, sagte Levi, als Sakura nicht mehr daran glaubte, dass er sich auf eine Unterhaltung mit ihr einlassen würde. Immerhin hatte er sie vor einigen Stunden abgewiesen, was sie ihm nicht einmal übel nehmen konnte. Sie war unhöflich gewesen, respektlos, denn er war immer noch ihr Vorgesetzter. „Träumst du auch von ihnen?“, fragte Sakura. „Gelegentlich.“ Ein Zucken der Schultern folgte. „Meistens sind es die Gesichter meiner toten Kameraden, die mich bis in den Schlaf begleiten.“ Sakura senkte den Blick, denn Gunthers Gesicht würde sich fortan zu den anderen gesellen. Sie hatte schon oft gehört, dass der gefürchtete Levi Ackerman stets auf den Beinen zu sein schien, ganz gleich der Uhrzeit. Selbst mitten in der Nacht sah man ihn durch das Schloss streifen oder aber es brannte noch Licht in seinem Zimmer. Lag es an den Träumen? „Warum hat sich jemand wie du, der hinter Wall Sina ein wohlbehütetes Leben geführt hat, dem Militärdienst verschrieben?“, fragte Levi und wandte den Kopf in ihre Richtung, um sie diesmal richtig anzusehen. Röte schlich Sakura in die Wangen, während Levi sie mit müden und vollkommen unlesbaren Blick musterte. Hoffentlich konnte er in der Dunkelheit ihre Gesichtsfarbe nicht erkennen… „Was… was soll das denn heißen?“, stammelte sie. „Glaubst du, dass ich nicht weiß, wer die Harunos sind? Wenn ja, dann muss ich dich enttäuschen. Erwin hat mich oft genug gezwungen, zu irgendwelchen unsinnigen Veranstaltungen mitzukommen. Dein Vater ist ein recht hohes Tier und deine Familie reich genug, damit du kein einziges Mal in deinem Leben den Finger rühren musst. Geschweige denn, dem Aufklärungstrupp beitreten. Verhätschelte Menschen bleiben in der Grundregel verhätschelte Menschen.“ Er nahm kein Blatt vor den Mund, dies wurde schnell klar. Levi hatte nachgeforscht, ehe er sie in seinem Team aufgenommen hatte. Immerhin gab es einige Familien, die diesen Nachnamen trugen, obwohl Sakura ihre Herkunft auch nie zu verstecken versucht hatte. Sie hatte nichts zu verbergen, oder doch? „Du hast recht“, gestand sie, wohlwissend, dass sie Levi nicht Rede und Antwort stehen musste. Nicht einmal mit seinem Teamleiter musste man seine Vergangenheit besprechen, wenn diese rein gar nichts mit der Mission oder dem Dienst als Soldat zu tun hatte. „Mein Vater ist ein guter Mann. Ignorant, aber gut. Er würde alles für seine Familie tun. Ich hatte alles, was ich zum Leben brauchte und auch alles, was ich jemals haben wollte. Bis auf eine Sache.“ Sakura schluckte und ihre Augen wanderten durch die Gegend, einen Bogen um Levi machend, dessen Aufmerksamkeit sie noch immer auf sich ruhen hatte. „Bis auf einen Menschen.“ Sie kam sich so dumm und naiv vor, obwohl sie sich stets einredete, dass sie nicht mehr die Person war, die einst ihrem Kindheitsfreund in der Hoffnung, dass sie ein gemeinsames Leben aufbauen könnten, hintergerannt war. „Sein Name ist Sasuke Uchiha. Ich bin sicher, du hast schon von ihm oder wenigstens seiner Familie gehört.“ „Sie leiten die Militärpolizei. Ihre Netzwerke sind riesig und ihre Gene gut genug, um von vielen als Genies angesehen zu werden“, erklärte Levi, dessen Augenbrauen sich zusammenzogen. Ob es nun aufgrund der Uchihas war oder weil er sich denken konnte, was sie dazu inspiriert hatte, dem Militär beizutreten, konnte Sakura nicht sagen. Sie presste die Augen zusammen, um ihn nicht länger ansehen zu müssen. „Ich war schwer verliebt in ihn. Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen. Ich… dachte, er fühlt so wie ich. Jedenfalls hab ich mir das eingeredet, obwohl er immer furchtbar kühl gewesen ist. Emotionslos.“ Ein bisschen so wie Levi selbst, denn sie war scheinbar dazu verdammt, die gleichen Fehler immer wieder zu begehen. „Ich war blind vor Liebe. Ich bin ihm in die Akademie gefolgt. Erst da habe ich gemerkt, dass er kein Interesse hat und auch nie gehabt hat. Plötzlich stand ich allein da, mit nichts.“ Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einer Grimasse, die eigentlich ein Lächeln sein sollte. „Aber es war nicht alles umsonst. Immerhin habe ich entdeckt, dass ich mich als Ärztin ganz gut mache. Und Trost braucht jeden Arzt, den die Stadt bekommen kann.“ „Kakashi hat dir geholfen“, schlussfolgerte Levi und riss Sakura aus ihrem Selbstmitleid. Sie hob den Kopf und sah ihn an. Seine Mimik hatte sich nicht verändert und er schien kein Stück erstaunt oder angewidert über ihre einstige Motivation. Vielleicht war er aber auch nur ein besonders guter Schauspieler oder tatsächlich so gefühlskalt, wie alle immer von ihm behaupteten. Andererseits träumten Menschen ohne Gefühle nicht von ihren toten Kameraden und sie nahmen sich auch nicht die Zeit, sich mitten in der Nacht die alten Liebeskamelen einer Untergeordneten anzuhören. Sakuras Gesicht fühlte sich heiß an. „Ja, irgendwie schon. Er hat mir geholfen herauszufinden, worin ich gut bin und was mich interessiert.“ „Er ist ein guter Soldat gewesen. Jedenfalls gibt es nicht viele Männer, über die so viele Geschichten erzählt werden“, erzählte Levi mit monotoner Stimme. „Ich habe ihn selbst nie getroffen, aber er trat mit Erwin zusammen dem Aufklärungstrupp bei. Sie waren beide zusammen in der Akademie, soweit ich weiß.“ Sakura blinzelte. Davon hatte sie nichts gewusst, was kein Wunder war, denn Kakashi sprach grundsätzlich nicht von der Vergangenheit. Er konnte wunderbar über Expeditionen oder Trainingseinheiten reden, aber sobald es um seine Person ging, wurden seine Erwiderungen furchtbar schwammig und vage. Im Grunde wusste Sakura nichts über ihren ehemaligen Ausbilder außer, dass er den Aufklärungstrupp verlassen hatte, um an der Akademie zu unterrichten. Er lebte in Trost, las gerne seine Schmuddelbücher und stellte den paar streunenden Hunden, die sich in der Gasse hinter seiner kleinen Wohnung herumtrieben, gelegentlich Futter raus. Weder wusste sie, warum er den Aufklärungstrupp verlassen hatte, noch warum er sein Gesicht hinter einer Stoffmaske versteckte, auch wenn er unheimlich gutaussehend war. Levi hingegen, der ihn nicht einmal kannte, wusste mehr über seine Vergangenheit, als die Frau, die für lange Zeit sein Bett geteilt hatte. Doch Sakura war zu müde, um wütend zu sein. Er hatte seine Gründe, denn Kakashi war der einzige Mensch, auf den sie sich immer hatte verlassen können und daran wollte sie festhalten. „Was meinst du, warum er die Scouts verlassen hat?“, fragte sie dennoch. „Soweit ich weiß, weil jemand gestorben ist. Eine Frau“, antwortete Levi, beließ es aber dabei. Eine Frau… Diese Worte echoten durch Sakuras Kopf, bedeutungsschwer, obwohl sie sich hätte denken können, dass es schon öfter Frauen in Kakashis Leben gegeben hatte. Immerhin lagen doch einige Jahre zwischen ihnen und sie konnte nicht erwarten, dass sie die einzige in seinem Leben war, nur weil er der erste und bisher einzige für sie war. Ihre Augen wanderten zu Levi hinüber und fingen seinen Blick auf, der abschätzend auf ihrer Gestalt ruhte. Fast so, als hätte er jeden ihrer Gedanken gelesen. Allein diese wahnwitzige Idee sollte ihr peinlich sein, doch angesichts der Tatsache, dass Levi überhaupt noch mit ihr sprach, kam diese Emotion nicht auf. „Kakashi war einer der besten Soldaten im Aufklärungstrupp“, sprach Levi weiter. „Einer der wenigen, die ihn lebend verlassen haben.“ Hörte sie da Missbilligung heraus? Verschrieb man sich mit dem Einstieg in den Trupp solange auf Missionen zu gehen, bis man von einem Titan gefressen wurde? Oder war es etwas anderes? Dass Kakashi gegangen war, weil jemand gestorben war, obwohl bei jeder Mission unzählige starben? Machte das Kakashi in Levis Augen zu einem Feigling? Die Frage steckte in Sakuras Kehle, brannte ihr auf den Lippen, doch schaffte es nie aus ihrem Mund, als dumpfe Geräusche ertönten. Der Boden unter ihr vibrierte in gleichmäßigen Abständen, die Sakura nicht zuordnen konnte. „Was ist—“ „Ruhe“, stieß Levi mit einem Zischen aus und zog ein Schwert aus seiner Ausrüstung hervor. Er spähte hinaus in die Dunkelheit, suchend. Sakura kämpfte sich auf die Beine und stolperte rückwärts, gerade in dem Moment, in dem ein riesiges Bein vor dem Höhleneingang auftauchte. Ein Fuß versperrte ihnen den Weg, bevor die monströse Gestalt sich bückte und ein riesiges Gesicht den gesamten Eingang einnahm, als es sie mit einem Auge erspähte. Hinter ihnen ertönten Stimmen, orientierungslos und verwirrt. Die anderen waren durch den Krach erwacht, den der Titan erzeugt hatte. „Was soll das? Was ist los?“ brummte Oluo verschlafen, während Eld scharf die Luft einzog und Petra einen spitzen Schrei ausstieß. Levis Schwertklinge schlitzte dem Auge entlang und der Kopf wurde zurückgezogen, um stattdessen von einem Arm ersetzt zu werden. Die Hand schob sich blind in den Hohlraum hinein. Die Pferde wieherten aufgeregt und drängten sich zurück. Sakura stürzte nach vorn, um die Arme um Levis Schultern zu schlingen. Mit ihm zusammen stolperte sie nach hinten, bis sie die Steinwand im Rücken hatte. Levis Körper presste sie an ihren, um der Hand zu entgehen. Schmerz zog sich ihren Rippen entlang, doch sie ignorierte ihn, um ihren Captain festzuhalten, dem ein Fluch auf den Lippen lag. Er wehrte sich halbherzig gegen ihre Geste, was Sakura bestätigte, dass er wusste, dass hier drinnen kein Platz zum Manövrieren war. Dass ein Kampf in ihrer Situation aussichtslos war. Die Hand wanderte suchend umher und Fingernägel kratzten dem Steinboden entlang, tiefe Schrammen hinterlassend. „Schnell!“, rief Oluo, der einen Ast, der halbverbrannt im Feuer lag hob und sie als Fackel benutzte. Er schwang sie herum, um die Hand zu vertreiben, die ein Stück zurückzuckte, jedoch weitersuchte. Petra winkte sie in manischer Geste zu ihnen hinüber, auch sie war dicht an die Wand gepresst. „Hier lang. Wir können die Tunnel benutzen. Vielleicht gibt es einen zweiten Ausgang.“ Eld war bereits zu den Pferden hinüber geschlichen und zog die störrischen Tiere tiefer in den Arm der Höhle hinein, weg von der Titanenhand, die nach ihren Reitern lechzte. „Petra hat recht“, presste Sakura hervor. „Das ist der einzige Weg.“ Ihre Finger waren in Levis Hemd vergraben, nicht wissend, ob sie ihn zurückhielt oder sich bei ihm abstützte. Ihre Seite stach. Levi schnaufte, steckte seine Schwerter weg und wandte sich um. Er packte sie am Oberarm, mit sich ziehend, dicht an der Steinmauer entlang, die ihrer Haut entlang schürfte. Der Arm zog sich zurück, nur damit die Hand ein weiteres suchend in den Hohlraum vordringen konnte. Sie pressten sich in eine Ecke, als die Finger in ihre Richtung tasteten, als könnten sie ihre Beute riechen. Levi befand sich hinter ihr, so dicht, dass sie ihn spüren konnte, als er sie weiterzerrte, sich aber stets zwischen ihr und der Hand befand. Sie war die Ärztin und ein wertvolles Mitglied des Teams. Dieser Gedanke schmerzte, mehr noch als ihre angeschlagenen Rippen es taten. Petra und Oluo warteten im Tunnel auf sie. Die letzten Meter rannten sie, waghalsig, den Kopf einziehend, als die Hand über ihre Köpfe hinweg sauste. Der Durchgang im Gestein empfing sie mit einer Sicherheit, die Sakura diesem engen Raum kaum zutraute. Sie stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab, während sie ihren Atem zu beruhigen versuchte. Ihr Herz schlug heftig und das Blut rauschte in ihren Ohren. In den Augenwinkeln sah sie die Hand, die noch immer nach ihnen suchte und nicht findig wurde. „Das war knapp...“, murmelte Petra. „Woher wusste er, dass wir in der Höhle sind?“, fragte Oluo mit skeptisch zusammengezogenen Augenbrauen. „Es ist, als ob er einen sechsten Sinn besitzt. Vielleicht ist er ein abnormaler Titan...?“ Die Fackel in seiner Hand spendete ihnen als einzigstes Licht und ihre Gesichter waren schattenbesetzt, blass, leichenblass. Sakura schluckte, verschluckte sich fast und ein Frösteln ging durch ihren Körper. Was würde sie nun für ihren Umhang oder ihre Jacke geben... Sie warf einen Blick zurück in die Höhle, doch es war zu dunkel, um ihre zurückgelassenen Kleidungsstücke zu entdecken. „Das spielt jetzt auch keine Rolle“, unterbrach Levi. „Holen wir lieber zu Eld und den Pferden auf und finden einen anderen Ausgang. Ich habe keine Lust hier unten zu verrotten.“ Er schob sich zwischen Petra und Sakura hindurch, nahm Oluo die Fackel ab und übernahm die Führung. Sakura folgte ihnen, als sie sich tiefer in das Höhlensystem hineinwagten. Sie rieb sich die Oberarme. Was sollte aus ihnen werden, wenn es keinen Ausweg gab? Was, wenn sie sich verliefen und nicht einmal den Weg zurück fanden? „Hier, Sakura“, sagte Petra neben ihr. Ihr Gesicht war verschwitzt und ihr rotes Haar wirr, als sie Sakura ihre Tasche überreichte. „Ich konnte sie retten. Immerhin brauchen wir die Sachen da drin vielleicht noch mal.“ Ihre Augenwinkel brannten, als sie die Tasche von der anderen Frau annahm und den Riemen um ihre Schultern legte. Ihr Gewicht war vertraut, angenehm, in der Lage die negativen Gedanken wenigstens für den Moment zu verscheuchen. „Wenigstens sind wir zusammen...“, flüsterte Sakura, eine Weisheit wiederholend, die Eld vor ein paar Stunden erst ausgesprochen hatte. Hosted by Animexx e.V. 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