Einem fernen Tage von Silberfrost ================================================================================ Kapitel 57: Doch all das steht zurück ------------------------------------- Er mochte Minoru nicht für tot halten, doch eine fundierte Aussage über seinen Verbleib hatte auch Saburō nicht vorbringen können. Nicht einmal er, der seine Augen überall zu haben schien, konnte mehr als Hörensagen wiedergeben. Ein Drachenangriff auf ein unbedeutendes Dorf im Nirgendwo, ein halbwüchsiger Daiyōkai zwischen den Fronten, und ein Kampf irgendwo im Wald mit zwielichtiger Beteiligung von Hanyōs und menschlichem Abschaums. Die Berichte von Gift beunruhigten Kōhei, doch es gab nichts handfestes. Keine Leiche, keine Sichtungen, kein Zeichen, dass die Drachen ihn ergriffen hatten. Der Junge war gut darin, für Jahre unterzutauchen, das wusste Kōhei am besten, doch er bezweifelte, dass er sich der intensiven Suche des Westens lange hätte entziehen können. Unterm Strich also keine Gewissheit, außer der, dass Saburōs Ränke seinen Ziehsohn nicht in der Versenkung hatten verschwinden lassen – zumindest wenn man seinen Worten Glauben schenken konnte. Indes heilten Saburōs Wunden, aber es hätte einige Tage gebraucht, um ihn zu Kräften kommen zu lassen. Tage, die sie nicht hatten. Laut den Berichten ballten sich die Kriegsfronten zusammen wie ein aufziehendes Unwetter und das Heer benötigte gerade jetzt wachsame Augen, um einen Zusammenstoß mit anderen Truppen zu vermeiden. Dennoch. In dieser Verfassung war der Silberfuchs gelinde gesagt zu nichts nutze und das zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Kōhei wagte die Querung des Westens mit diesem Haufen Elend nicht einmal in Etappen in Erwägung zu ziehen. Er war diese Mischung aus zusätzlichem Ballast und lohnendem Ziel, die Ärger über Meilen hinweg anzog. Noch konnte Saburō unmöglich die Form wandeln und eine Flugstrecke von mehreren Stunden bewältigen – selbst wenn Kōhei die kürzeste Route in die Ebenen wählte, die vermutlich genau aus diesem Grund am strengsten überwacht wurde. Sie hatten also keine andere Wahl, als eine weitere Nacht am Ufer des Biwa-Sees zu lagern und am folgenden Morgen die Situation neu zu bewerten. Der Silberfuchs lag in der prallen Nachmittagssonne und machte dankenswerterweise den Eindruck, als plage ihn der Hauch eines schlechten Gewissens. Zumindest hatte er sich Kōheis Anordnungen, als nachdrückliche Ratschläge verpackt, nach kurzer Diskussion gebeugt und anschließend den Großteil des Tages geschwiegen. Dennoch hoffte Kōhei, dass diese Heimsuchung eines Erben aus der Hitze und dem umliegenden Land ausreichend Kraft schöpfte, um am kommenden Tag wieder zu seinem scharfzüngigen und großkotzigen Selbst zurückzufinden. Nicht, dass irgendjemand seiner Mentalität auch nur im Mindesten nachgetrauert hätte, aber spätestens morgen wäre ihre Armee an ihnen vorübergezogen und würde blindlings durch den Westen tappen – im Glauben, er spähe ihnen den Weg aus. Kōhei biss die Zähne zusammen und schob einige Äste in die Glut, um das Feuer am Leben zu halten. Saburō schlug bei dem Knistern ein Auge auf. „Wenn Ihr ausreichend wach seid und es erlaubt, würde ich Eure Bandagen wechseln“, bemerkte Kōhei, während Saburō ihn ausdruckslos betrachtete. „Man könnte meinen, Ihr wolltet einem kleinen Kind das Händchen halten, General. Euer Kind ist mehrere hundert Kopf stark. Verschlagene, kampferprobte Illusionisten, die Ihr selbst ausgebildet habt. Wo ist Euer Vertrauen in die Fähigkeiten Eurer Männer?“ Allein sein ungewöhnlich neutraler Tonfall hielt Kōheis Gemüt davon ab, erneut in irgendeine Richtung zu schwanken. Solange Saburō nicht spöttisch klang, konnte Kōhei sich einreden, die Stacheln des Igels seien weich. Zumindest, wenn er sich darum bemühte. Wenigstens war er nicht so töricht anzunehmen, die Sorge gelte ihm. „Meine Männer sind fähig und zuverlässig. Aber ich wäre ein miserabler Heerführer, wenn mich der Stolz für die Gefahren blind machte – oder für die Fähigkeiten meiner Gegner. Den Westen zu durchqueren war schon früher ein Himmelfahrtskommando gewesen. Nun mehrere hundert Mann durch seine Wälder zu führen, grenzte an Wahnsinn, wenn ich nicht um ihre Eignung wüsste.“ „Und dennoch könnt Ihr den Gedanken nicht ertragen, tatenlos die Hände in den Schoß zu legen.“ „Mit Verlaub, Kōtaishi. Wenn ich das könnte, wäre ich kaum der rechte Mann für den Posten.“ Er lächelte schmal: „Wie Ihr Euch an so hohen Idealen messen könnt, während Ihr anderen keine abverlangt, übersteigt meinen Horizont.“ „Ich werde mit Euch nicht erneut darüber sprechen.“ „Die fragwürdige Eignung meines Vaters?“, erkundigte sich Saburō ohne auch nur die Spur eines Flüsterns und Kōhei erwischte sich dabei, wie er sich flüchtig umsah, als könne der Fürst selbst aus einem nahegelegenen Brombeerstrauch erstehen und ihnen die Köpfe von den Schultern lösen. „Die fragwürdige Eignung meines Vaters?“, wiederholte Saburō in einem geheuchelten Flüsterton und riss damit gefährlich an Kōheis Nervenkostüm, das er eben noch gesichert glaubte. Weiche Stacheln, so ein Unsinn! Dieser Igel bestand aus Eisen, aus Gift und Salz und Spott. Bevor Kōhei sich jedoch in diese Unverfrorenheit hineinsteigern konnte, wurde Saburō erneut ernst: „Seid unbesorgt, General. Mir war bewusst, dass Ihr dieses Thema um jeden Preis begraben wollen würdet, sobald wir es einmal verlassen hatten. Ihr fürchtet ihn und ich kann es Euch nicht verdenken. Wahrlich nicht...“ Er schloss die Augen und atmete angestrengt, während er eine Hand auf seinem Brustkorb ruhen ließ. „Lasst mich nach Euren Wunden sehen“, insistierte Kōhei und kniete vor Saburō nieder, nachdem dieser sich umständlich, aber eisern schweigend aufgesetzt hatte. Der Verband aus sauberem Seidenstoff war fest gewickelt, um die kühlenden Lindenblätter zu halten, die Kōhei mit einer Paste aus Spitzwegerich und Ringelblume bestrichen hatte. Während er die Blätter von der aufgerissenen Haut nahm, spürte er, wie Saburōs Blick jede seiner Bewegungen verfolgte. „Ihr tätet wohl daran, meine Vorsicht nicht achtlos zu verwerfen.“ „Ihr haltet mich für kühner als ich bin, General. Kühner und dümmer. Ihr fürchtet meinen Vater, obgleich er wie ich um Euren Wert weiß und Euch dementsprechend zugetan ist. Was wäre ich, dem gegenüber ihm solche Zuneigung gänzlich abgeht, doch für ein Narr, dies nicht zu tun.“ „Dennoch seid Ihr hier“, bemerkte Kōhei und gab sich Mühe, es wertfrei klingen zu lassen. Er wagte kurz hinaufzusehen, doch Saburō schaute glasig über ihn hinweg zum See und schwieg. Erst als Kōhei die Wunden gereinigt und frische Lindenblätter mit der Paste bestrichen hatte, klarte sein Blick auf. „Ich habe Angst“, flüsterte er. „Um meine Mutter, meine Tochter, Akemi. Er wird sie töten, sobald ich ihm einen Grund biete. Töten und schlimmeres, das weiß ich. Wenn er erfährt, dass ich hier bin, mich ihm widersetzt habe – . Doch gehorsam zu verharren, nimmt uns allen nicht das Messer von der Kehle. Es legt die Waffe, die Verantwortung, lediglich von seiner Hand in meine. Zumindest wird er das so darstellen. Dass es mein Handeln war, das meine Familie verdammt hat. Als wäre ich die einzige Variable in einer Rechnung, die den Tod eines kleinen Mädchens und seiner Mutter rechtfertigt.“ Er hielt inne. Nach einer Weile schien er etwas hinzufügen zu wollen, sagte jedoch nichts. „So oder so. Dann wird es jetzt mein Handeln sein, das uns verdammt, nicht meine Untätigkeit. Ich kann nicht warten, bis er meiner nicht mehr bedarf. Mir läuft die Zeit davon, Kōhei und so vieles mehr. Die Ratssitzungen werden mit jedem Mal unerträglicher. Die Launen des Fürsten, die Drachen, Akemis Schwangerschaft – ich muss handeln, solange noch eine Chance besteht... und solange noch etwas von mir übrig ist. Dennoch – .“ Er brach erneut ab. Kōheis Finger verharrten einen Moment in der Paste aus Spitzwegerich und Ringelblumen. Er dachte an all die Blutergüsse und Narben, die den Körper des Erben bedeckten. Wie abgemagert und kränklich er war und er bemerkte, dass es ihm einen Stich versetzte. Saburōs Gesellschaft war ihm zuwider, seitdem sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Weil sie Unbehagen nicht nur versprach, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Gefahr mit sich führte. Saburō war das längst bewusst. Ebenso wie er die Wahrheit vor Kōhei durchschaut hatte: Wäre Saburō nicht der Erbe des Südens gewesen, der sich mit jedem Atemzug seinem Vater verwehrte, so hätte Kōhei seine scharfe Zunge vermutlich amüsiert und sein wacher Verstand – nun, wer würde freiwillig auf den Mann verzichten, der die Schwächen seiner Gegner binnen Sekunden erkannte und maßgeschneiderte Fallstricke für sie sponn? Sicherlich, Kōhei lief Gefahr, dass er genau in diesem Moment Opfer eines solchen Strickes wurde, aber gemäß dem Fall, Saburō habe all dies nur inszeniert, um seinen Blickwinkel zu verschieben, sollte er für diese horrenden Mühen auch den Lohn einstreichen. Wenngleich Kōhei nicht wirklich glaubte, dass all das Scharade war. Dafür kannte er seinen Fürsten zu gut. Einst war er es gewesen, der mit gebrochenen Rippen, Brand- und Schnittwunden versehen worden war. Es war einfacher geworden, nachdem er Einsicht gezeigt und gelernt hatte, den Launen seines Herrn einen Schritt voraus zu sein. Einsicht... . Er sah zu Saburō auf und wusste, wie der es nennen würde: Gebrochen. „Ich fürchte, er hat Eure Schwäche gefunden“, sagte er schließlich nach langer Pause, indes er die tiefste Wunde direkt mit der Salbe betupfte. „Ihr könnt für Euch entscheiden, dass Euer Ziel Euer Leben wert ist. Aber das Eurer Tochter? Das ist schwieriger.“ „Das sollte es nicht sein“, erwiderte Saburō, den Blick weiterhin auf den See gerichtet. „Es sollte eine simple Abwägung sein. Ein Kind oder das Reich.“ Kōhei beendete sein Werk, räumte Paste wie verbliebene Blätter zur Seite und betrachtete Saburō schweigend, bis der ihn schließlich ansah. „Warum seid ihr zu mir gekommen, Kōtaishi? Weil ich der General bin, der Euch die Truppen Eures Vaters einbringen kann – oder ist es meine Absolution, die Ihr wollt?” Lange ruhten Saburōs Augen auf Kōhei, während der sich mühte, der Gewohnheit wegen nicht den Blick vor dem dunklen Bernstein zu senken. Als er jedoch eine Anwort schuldig blieb, erhob sich Kōhei. „Der Truppen ungeachtet – warum ich? Ich bin weder Euer Freund, noch kann ich Euch von irgendetwas freisprechen.“ Saburō wollte den Kopf schütteln, beendete die schmerzende Bewegung jedoch im Ansatz. Sein Blick fuhr gen Himmel und auch Kōhei sah stirnrunzelnd auf, als die Aura erneut aufkam. Schwach, kaum mehr als ein Leuchtkäfer vor dem Firmament einer Neumondnacht, aber dennoch war sie da. Flackerte, verschwand und kehrte zurück; trippelte über Kōheis Nerven wie eine lästige Fliege. Er verspannte sich. Die Region um den Biwa-See war neutraler Boden und so hätten sie hier nach Belieben lagern, leben oder jahrelang im Kreis wandern können, ohne einen politischen Eklat auszulösen. Doch davon abgesehen waren neutrale Regionen so gefährlich wie alle anderen. Mit einem subtileren Auftreten hätte es ein Späher sein mögen, so jedoch war es reine Provokation. Ein Triezen und Locken, das Kōhei unter anderen Bedingungen nur ein müdes Lächeln abverlangt hätte. Mit den Reichen im Krieg und Saburōs schlechtem Zustand schmeckte ihm diese Herausforderung gar nicht. „Gekommen, um zu bleiben“, stellte Saburō trocken fest, als die Anwesenheit erneut durch das dichte Geäst zog. „Tut ihnen den Gefallen und spielt mit.“ Kōhei zögerte einen Moment, gehorchte jedoch widerwillig, als Saburō den Befehl mit einem Blick untermauerte und erhob sich auf Adlerschwingen in die Luft. Bastard! Erst schüttete der Mistkerl sein Leid aus wie einen Eimer Waschwasser, nur um bei Bedarf auf längst eingerissene Hierarchien zurückzugreifen. Sicher kam er sich nun ach so entgegenkommend vor! Ein Befehl mochte Kōhei von der Verantwortung entbinden, wenn er nun in eine offensichtliche Falle stolperte, doch wer würde sich im Zweifelsfall um diese Feinheit scheren? Wütend stieg er über die Baumwipfel empor, wandte den Kopf einmal mehr als nötig von einer Seite zur nächsten und spähte mit den scharfen Augen in das Astwerk dutzende Meter unter ihm; spürte dem Flackern nach, das aus keiner bestimmten Richtung zu kommen schien und doch deutlicher geworden war. Dann bemerkte er die Aura über sich, nur Sekundenbruchteile ehe ein Schatten über ihn fiel, und stellte die Flügel in den Abwind. Der Falke schoss an ihm vorüber durch die Luft und touchierte die Baumkrone einer Ulme. Wenige Sekunden später stürzten zwei der Raubvögel aus dem Geäst hervor – das Yōki vollkommen identisch. Mehr brauchte er nicht zu wissen. Er fischte den ersten Falken im vollen Flug aus der Luft und trieb die Adlerklauen zwischen die Federn des kleineren Vogels. Der Greifvogel verpuffte in seinem Griff zu einer Wolke aus Rauch und kreischenden Pilzen, die sich an sein Gefieder hefteten wie Kletten. Das Geschrei war ohrenbetäubend und derart schrill, dass Kōhei für einen Moment die Orientierung verlor. Der zweite Falke krachte in ihn hinein. Mitten in der Luft verknäulten sie sich zu einem Wust aus Federn und Klauen, Schnäbeln und Kreischen, bis Kōhei ihn zwischen die Äste einer Eiche schleuderte und die Pilzillusionen im Sturzflug mit smaragdgrünem Feuer niederbrannte. Unmittelbar über dem Waldboden ließ Kōhei alle Verwandlungen von sich abfallen und schnippte den letzten Pilz von seiner Schulter, der den Flammensturm überstanden hatte und nun herzzerreißend im Gras weinte. Saburō bedachte die bizarre Erscheinung mit einem kurzen Stirnrunzeln, dann faltete er die Hände unter dem Kinn und sah zu dem zerzausten Falken, der auf einem naheliegenden Ast landete und fragend den Kopf schief legte. Kōhei spürte, wie die Anspannung weiter in ihm kochte. Kriegslage, Marschbefehl, die vergangene Nacht – es nagte alles schlicht mehr an ihm, als er sich selbst eingestanden hatte. Nur mit Mühe bändigte er den Sturm, der sich in seinen Adern zusammenballte und mit jedem Hauch Adrenalin an der Oberfläche zu tanzen drohte. Als er sprach, war seine Stimme gefasst und angenehm neutral. Wenn er es auch nicht schaffte, das sonst so freigiebiges Schmunzeln auf seine Züge zu pressen. „Viel zu offene Provokation. Insbesondere in Anbetracht deiner Gegner. Ansonsten saubere Verwandlung und Verdopplung und ich mag die Pilze. Nicht besonders furchteinflößend, aber mit Unterhaltungswert.“ Shippō zog ein Gesicht wie nach drei Tagen Dauerregen und sprang auf den moosbedeckten Boden. „Ihr seht aber nicht besonders amüsiert aus. Ich hatte mir mehr erhofft.“ „Du kannst von Glück sprechen, dass dich niemand ernst genommen hat.“ Saburō hatte sich erhoben und erstickte das Jammern des Pilzes unter seinem Fuß, ehe Kōhei das Wort ergreifen konnte. Das war nicht gut. Diesen unterkühlten Tonfall hatte er bislang nur gegenüber Masuko angeschlagen und Kōhei hatte im Stillen gehofft, sich nie mit dieser gefährlichen Laune konfrontiert zu sehen – auch wenn sie sich nun gegen Shippō richete, der wie vom Donner gerührt dastand und den schwarzen Fuchs anstarrte. „Kōtaishi, der Junge-“ „Der Junge muss so taub sein wie er närrisch ist!“, zischte Saburō. „Eure Anweisungen bezüglich des Marsches waren hinreichend deutlich, General. Ihr reist allein. Das gilt auch für Euren Schüler.“ „Das waren sie und hätte Shippō sie vernommen, wäre er nun auch nicht hier. Aber der Junge hat die vergangenen Wochen mit meiner Erlaubnis bei seiner Familie verbracht. Er wusste nichts davon.“ Saburōs Haltung entspannte sich, wenngleich er immer noch verstimmt aussah. Mit den zuvor dargelegten Sorgen war jedoch wenig verwunderlich, dass er auf ungebetene Zeugen seiner Anwesenheit nicht mit dem üblichen Schalk reagierte. Offensichtlich war Kōhei nicht der einzige, den die Gesamtsituation etwas dünnhäutig zurückließ. Shippō schluckte. „Ver- Verzeihung. Wenn Ihr wünscht, dass ich abreise-“ „Nein“, unterbrach Saburō ihn harsch. „Du bleibst. Ich bin gespannt, wie du dich aus der Tatsache herauswinden willst, dass dir meine Anwesenheit entgangen ist – oder ob du wahnsinnig genug warst, uns beide zu provozieren.“ Da hatte er nicht unrecht, doch die Andeutung eines brüderlichen Schulterschlusses behagte Kōhei gar nicht. Auch Shippō war das 'uns' nicht entgangen, doch wenn er mehr Verwunderung für die Situation übrig hatte als den knappen Seitenblick an Kōhei, so ging der Unglauben in der Schelte unter, der er immer noch ausgesetzt war. „Nun?“ „Verzeiht. Ich... ich meine Ihr- … Ich habe Euch nicht erwartet und nicht gleich erkannt.“ Er schluckte, als er begriff, dass er sich damit vermutlich nur tiefer ins Elend stürzte und sah hilfesuchend zu Kōhei. „Wenn es Euch beliebt, Kōtaishi: Er ist mein Schüler. Sollte er Euch beleidigt haben, liegt die Verantwortung bei mir.“ Saburō schnaubte, dann winkte er den Jungen fort. „Essen und Feuerholz, Shippō. Mach dich nützlich.“ Selten hatte man jemand so hastig ins Unterholz stolpern sehen – und selten war der Ausdruck auf Saburōs Gesicht so schwer zu deuten gewesen. „'Wenn es Euch beliebt. Er ist mein Schüler. Die Verantwortung liegt bei mir'“, repetierte er mit trockenem Spott. „Was soll der Unsinn? Könntet Ihr wenigstens so tun, als würde Euch Euer Leben etwas bedeuten oder wollt Ihr mich in einen Streit zwingen, von dem wir beide wissen, dass ich ihn gerade nur schwerlich überstehen würde?“ „Im Gegenteil. Ich wollte Euch die Möglichkeit geben, den Streit zu beenden und Euer Gesicht zu wahren. Der Junge ist nicht am Hof aufgewachsen. Das Protokoll liegt ihm nicht. Er hätte Euch keine schön gekünstelte Entschuldigung vorbringen können, die ihn vor einer Strafe bewahrt hätte. Was hättet Ihr dann tun wollen? Ihn einfach von der Leine lassen oder wirklich züchtigen? Und wofür?“ Sein Gegenüber musterte ihn eindringlich, lange, dann seufzte er schließlich und ließ sich zurück auf den Baumstamm sinken, auf dem er den Nachmittag verbracht hatte und legte die Stirn in den Handflächen ab. „Mit einem halben Kind streiten! Erniedrigend, schlicht erniedrigend. Seit ich in seinem Alter war, habe ich mich nicht mehr so blind in eine unnötige Situation manövriert.“ „Das glaube ich Euch sogar ausnahmsweise.“ Kōhei überhörte das trockene Lachen. Jede Unverschämtheit, jede Stichelei, die aus diesem schier unerschöpflichen Quell an Abgründen hervorgesprudelt war, war wohl kalkuliert gewesen, das konnte man nicht bestreiten. Selbst als Fürst Hayato ihm Akemi aufgezwungen oder seine Partnerin ermordet hatte, war er auf seine Art gefasst gewesen. Ihn nun in einer vergleichsweise belanglosen Situation impulsiv zu erleben, war unerwartet und schien nicht ins Bild zu passen – zumindest wenn man nicht wusste, dass die Leben seiner Familie von seinem Geschick abhingen, eine Lehmpuppe hunderte Kilometer weiter südlich durch die Palastgänge zu schubsen. Davon, und von der Diskretion seiner gewählten Umgebung, zu der Shippō eindeutig nicht gehörte. Kōheis Kopf wäre die Luft nicht wert gewesen, die er einnahm, wenn er nicht gewusst hätte, dass das den Kadetten in eine sehr gefährliche Lage brachte. „Die Zeiten fressen an allen, Kōtaishi. Und ich möchte mir den Gedanken anmaßen, dass auch Ihr Grenzen habt. Ein Großteil Eurer Kraft und Nerven ist auf einen weit entfernten Punkt konzentriert, sonst wären die Verletzungen der letzten Nacht kaum der Rede wert. Womit ich Euch mitnichten beleidigen will. Die meisten hätte allein der Versuch eines solchen Kunststückes umgebracht. Ich selbst bin reizbarer als üblich und habe derlei nicht zu schultern. Solange wir unsere Lasten der Jugend jedoch vorenthalten, können wir kaum mit Verständnis oder angemessenem Verhalten rechnen.“ „Womit Ihr sagen wollt, dass ich die Finger von Eurem teuren Schüler lassen soll.“ „Ich sehe, Ihr versteht mich. Ich bin bereit, Euren Wünschen nach bestem Gewissen zu entsprechen. Sollte Shippō jedoch irgendein Unglück widerfahren -.“ „Kōhei, bitte. Ich bin reizbar und ja, vermutlich auch erschöpft, aber nicht grenzdebil. Beleidigt mich nicht, indem Ihr andeutet, ich wüsste nicht, mit welchen Mitteln ich mir einen Mann zum Feind machen kann. Und Eure Feindschaft ist das letzte, das ich brauchen kann. Gleich nach Eurem Tod. Wenn Ihr also die Güte hättet, nicht ständig für Eure Schützlinge in die Bresche zu springen? Die Verantwortung auf Euch zu nehmen – das ist Wahnsinn. Ich beginne mich zu fragen, wie Ihr meinen Vater überlebt habt, wenn Ihr mir so einen gedankenlosen Unfug an den Kopf werft.“ „Hatten wir nicht eben beschlossen, ihr kämt nicht nach Eurem Vater?“ Schweigend betrachteten sie einander, ehe Saburō sich geschlagen gab und mit einem halben Lächeln resigniert den Kopf schüttelte. „Vertraut Ihr ihm?“ „Würde es einen Unterschied machen?“ „Nicht unmittelbar. Aber es wäre hilfreich, um meine ewig mahlenden Gedanken zu beruhigen. Um mir einzureden, dass alles gerade nicht noch schlimmer geworden ist.“ Das wahrlich Unheimliche an alledem war jedoch, dass Kōhei erkannte, wie unberechenbar die Angst den Erben machte. Er stolperte über den Gedanken und biss die Zähne zusammen. Dachte er im Umkehrschluss also tatsächlich, das übrige Gebaren des schwarzen Unheils sämtlicher Ratsherren und Spinners unzähliger Netze sei voraussehbar? Narr. Diese Annahme hatte das Potential, ihm jederzeit den Hals zu brechen. ☾ Zähneknirschend versuchte Kaito das herausragende Bündel Zypressenholz tiefer in A-Uns Satteltaschen zu stopfen, während sich der Longma vom Boden abstieß und sie in den Himmel trug. „So ein Gierschlund! Dieser Sohn einer billigen-“ „Du wolltest das Holz auf 'ehrliche Weise' erwerben. Falls dir entgangen sein sollte, wie ihm beim Anblick eines Han'yōs die Mimik entgleist ist, hätte dir spätestens dieser herablassende Unterton zu denken geben müssen.“ Kaito schnaubte. Wider Erwarten waren sie schon bis in den späten Nachmittag unterwegs, um das Material zu beschaffen, nach dem der Schmied verlangt hatte. Quellwasser, Zypressenholz und Spinnenlilien klangen erst einmal nach lachhaft einfachen Besorgungen, wenn er gleichermaßen nach Stimmbändern eines stummen Tengu oder dem rechten, kleinen Zeh eines dunkelgrünen Oni hätte verlangen können. Doch der Teufel steckte auch hier im Detail: Längst nicht alles Zypressenholz war trocken genug und wenn es dem richtigen Grad der Feuchtigkeit entsprach, waren die Äste zu klein gewesen. Schlussendlich hatte Kaito aufgegeben und mit einem Händler um passendes Edelholz gefeilscht. Der hatte die Lieferung für eine Tempelanlage vorgesehen und darüber hinaus wenig für einen Mischling übrig gehabt, sodass ein kleines Bündel hellen Holzes Kaito den gesamten Verdienst der letzten Wochen gekostet hatte und ihm zum Dank mit seinem süßlichen Zitronenduft in der Nase stach. „Der Ton ist mir kaum entgangen.“ „Dann verstehe ich nicht, warum du dich von diesem Greis wie Dreck behandeln lässt.“ Die gepfefferte Erwiderung auf Kaitos Zunge wurde umgehend so schal wie zahlreiche andere an diesem Tag. Murrend schluckte er sie hinunter. Untertöne herauszuhören – insbesondere herablassende – beherrschte er seit frühester Kindheit. Jedoch entging ihm auch nicht, wenn jemand sich nach Leibeskräften mühte, Verletzungen zu überspielen – seien sie nun körperlicher oder auch tiefgreifender Natur. Seit sie von Tōtōtsai aufgebrochen waren, lag hinter Minorus Worten kein Biss mehr. Nur hohle, gähnende Leere und der Versuch, sich nicht gänzlich in Schweigen zurückzuziehen. Das allein war schon untypisch genug. Nun waren vier Jahre in ihrem Alter noch eine lange Zeit und konnten sicherlich den ein oder anderen Charakterzug verändern, der bei älteren Dämonen in Stein gemeißelt war, doch in diesem Fall war es nicht nötig, Jahre zurückzudenken. Stunden waren ausreichend. Der Tod des Flohgeistes hatte Minoru derart hart getroffen, dass Kaito sich ernstlich fragte, wie sein Vetter einen Krieg überstehen wollte, bei dem seine Mitstreiter scharenweise fielen – geschweige denn ein Volk führen, dessen Lebensinhalt aus Schlacht, Tod und Eroberung bestand. [Die Inu waren für den Kampf geschaffen, ausgebildet, erzogen. Das war zumindest die vorherrschende Stereotype, welche der Inu no Taishô bravurös verkörperte. Sein Sohn hingegen... – eine Falte auf Kaitos sonnengegerbter Stirn wurde unmerklich tiefer. Er hätte es erkennen müssen, als Minoru den Drachen nach Musashi geführt hatte; vor ihm geflohen war, um genau zu sein. Der Moment, als er unter dem hastig errichteten Bannkreis im Angesicht der Echse panisch in sein Verderben gelaufen wäre, hätte Kaito ihn nicht rechtzeitig zu Boden gerissen. Seine Rüstung, die keinerlei Scharten aufwies, sondern glänzte, als sei sie unlängst vom erst vom Schmiedeblock gefallen. Sogar das Schwert, das Minoru ihm schon Monate zuvor im Kampf überlassen hatte. Kaito hätte sich für seine Ignoranz gern selbst eine saftige Ohrfeige verpasst. Nie im Leben war der Dämon, der vor ihm auf dem Longma saß und mehr oder weniger offen um einen winzigen Floh trauerte, von Sesshômaru aufgezogen worden – ganz davon abgesehen, dass er die Klauen in das Sattelleder geschlagen hatte, als ob sein Leben davon abhinge. Die Unzulänglichkeiten eines Sohnes waren gänzlich anders zu bewerten als das Verhalten von Rin oder Jaken, die im öffentlichen Auge nichts als Anhang darstellten. Eine Laune. Menschen und Kappa waren keine Lebensformen, an die ein Daiyôkai wie Sesshômaru Ansprüche stellte. Sein Erbe hingegen war Teil seiner Reputation, Spiegel seiner Ambitionen. Seine Verantwortung und sein Nachlass. Nein, Minoru war nicht von seinem Vater aufgezogen worden und sehr wahrscheinlich nicht einmal bei Hofe – kein zum Herrschen erzogener Arrogant, der auf Leben und Schicksal anderer bestenfalls mit Kälte herabsah. Das war im Angesicht der Trauer klarer denn je, auch wenn es ausreichend Hinweise gegeben hatte. War Minoru nicht sogar für ihn eingestanden, als es zur ersten Auseinandersetzung mit den Zwillingen gekommen war? Und hatte er nicht bereits damals bedenklich nah am Kontrollverlust geschwankt, weil Inuyasha Myôga grob behandelt hatte? Myôga war nur ein Flohgeist gewesen und Kaito selbst konnte sich nur deshalb einen Halbdämon nennen, weil niemand sich die Mühe gemacht hatte, ein Wort für den geringen Blutanteil zu finden, den er sein Eigen nannte. Im Vergleich wirkten kleine Dämonen und Menschenmädchen beinahe relevant. Doch das hatte Minoru nicht gekümmert. Stattdessen vergoss er Tränen für einen Floh und hielt Kaito Vorträge über Selbstwertgefühl, als sei er das Problem.] Unzufrieden ließ er seinen Blick vom angespannten Rücken vor ihm über den langen, weißen Flechtzopf wandern. Er wurde das Gefühl nicht los, irgendetwas zu übersehen, das eigentlich auf der Hand lag; etwas, das sich ihm immerzu im letzten Moment entzog. Seine Mutter hatte ihm stets ein gewisses Talent bei der Einschätzung von Situationen nachgesagt, die er in ihren Augen viel zu oft nutzte, um seinem Gegenüber eins auszuwischen - womit sie vermutlich recht hatte -, doch was seinen Vetter anbelangte, fühlte er sich stets wie auf einem Auge blind und das wurmte ihn. Wurmte ihn so sehr, dass er erst dann bemerkte, dass er sich erneut an dem Zypressenholz zu schaffen gemacht hatte, als ein gepresstes Zischen vor ihm in ein Knurren überging. „Würdest du das bitte unterlassen?“ Minoru hatte seine Klauen ob der wackelnden Satteltaschen tiefer in das Leder geschlagen und die Beine eng an A-Uns Seiten gepresst. Mit einem süffisanten Grinsen, das sich in Sekundenbruchteilen in seinen Mundwinkeln festsetzte, zog Kaito sein angewinkeltes Knie enger an sich heran, während er das übrige Bein provokant gelassen in der Luft baumeln ließ. „Das ist ja drollig. Du hast Höhenangst.“ „Nein.“ „Und die Krallenspuren im Leder sind dann was genau?“ „Höhen sind mir gleichgültig“, beharrte Minoru. „Ich will nur nicht fallen.“ Die Art wie er leiser wurde, nahm Kaito erneut den letzten Funken Schadenfreude. Es hätte kaum schlimmer sein können, wenn er noch dazu geschaudert hätte wie ein unterkühlter Welpe. Angestrengt fuhr er mit der Hand durch sein rabenschwarzes Haar und strich die Hundeohren glatt an den Kopf. Das war ja nicht zum Aushalten! Als die Landschaft karger wurde und Schwefel den Geruch der Zypresse überlagerte, brach Minoru das anhaltende Schweigen und bestätigte abermals Kaitos Annahme, dass ihm am Morgen der Schutt ganz unglücklich am Kopf getroffen haben musste. „Noch rechne ich damit, dass er das Holz verbrennt und die Lilien an die Kuh verfüttert.“ „Ich hoffe für den alten Sack, dass das hier keine Beschäftigungstherapie war, um uns loszuwerden.“ „Ich begreife nicht, was seine Meinung geändert haben soll.“ Kaito schnaubte. „Das ist doch offensichtlich.“ „Erleuchte mich, wenn du ihn so leicht durchschaust.“ „Etwas weniger Kälte dürfte geholfen haben. Er und der Floh waren seit Jahrtausenden befreundet.“ Minoru schien die Antwort eine Weile abzuwägen, dann schüttelte er den Kopf. „Vielleicht hat das seine Einstellung mir gegenüber geändert. Aber es ist dennoch wahnwitzig, dass er sich im Vorfeld geweigert hat, gerade die Waffe zu reparieren, die uns eine reelle Chance gegen die Drachen bietet.“ „Dafür hat er hoffentlich eine gute Erklärung. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sein Dickschädel allein das Problem war. Oder Gier. Tief in seinem senilen Verstand ist er Idealist. Ebenso ein Träumer wie der Rest der Bande.“ „Und das weißt du?“ „Ja, das weiß ich. Sicher, er ist schwierig und grätig wie ein Fisch, aber er hat in seinem Leben zu viel für das Land getan, um es nun den Drachen zu überlassen. Da kann er melodramatisch faseln wie er will. Er hat Tenseiga eine Weile aufbewahrt, nicht wahr? Also war er bereit, etwas zu tun.“ „Hm“, unschlüssig rieb Minoru die Zähne aneinander. „Hoffen wir, dass du recht hast.“ Als sie sich der Hütte näherten, waren die Rippenwände wieder bespannt und ein Großteil des Chaos beseitigt. Insgesamt wirkte alles noch recht windschief, aber das machte bei den vielen Löchern und abgenutzten Stellen im aufgespannten Leder auch keinen Unterschied mehr. Eigentlich fügte es sich sogar ganz harmonisch ins Gesamtbild ein. Auch Minoru ließ den Blick schweifen, wenngleich seine Mimik nichts darüber verlauten ließ, was er von diesem Unterschlupf im Allgemeinen und ihren Bemühungen um dessen Untergang im Besonderen halten mochte. „Das muss ein komischer Haufen gewesen sein“, sagte er schließlich ohne jedwede Vorwarnung. Kaito gab ein fragendes Brummen von sich, machte sich aber nicht die Mühe, Minoru anzusehen und schlug stattdessen hartnäckigen Staub aus seinem blauen Suikan. Während sich die schweineteure Seidenkleidung seines Vetters beharrlich weigerte, Verunreinigungen zu dulden und noch jedes Staubkorn abperlen ließ, war seine weniger gnädig. „Tōtōsai, Myōga und unser Großvater: Idealisten, Träumer, Kriegsherren. Ich bemühe mich, aber die Kombination bleibt in meiner Vorstellung grotesk. Ich meine... schau ihn dir an.“ Tōtōsai hockte vor seinem Brennofen und kratzte die Schuppen von seinem kahlen Haupt, während er mit der anderen Hand geistesabwesend die Glut schürte. Kaito begegnete Minorus vielsagendem Ausdruck mit einer Geste der Ratlosigkeit. Diese Beziehung war schwierig, selbst wenn man außer Acht ließ, dass Inu nicht dafür bekannt waren, engere Kontakte außerhalb ihres Volkes zu knüpfen. Ihr Großvater war unter Feinden gefürchtet gewesen und dass Kaitos Vater seinen Erzeuger nie kennengelernt hatte, verlieh Tōgas Person etwas unnahbares, fast mystisches. Dieses Bild war schwer mit der Vorstellung vereinbar, dass er mit diesen Karikaturen an einem Feuer gesessen und ernsthafte Debatten über die Zukunft des Reiches geführt haben mochte. Fakt war, dass Floh und Schmied als altersgraues Gespann gut zusammengepasst hatten - der eine mit dem Kopf stets in der Vergangenheit, der andere kaum in der Lage seinen gegenwärtigen Gedanken länger als drei Wimpernschläge zu verfolgen. Es blieb zu debattieren, ob die Vorstellung ihres in die Tage gekommenen Großvaters in jenen senilen Reihen dem Schicksal eines frühen Todes vorzuziehen war. Nur mit Letzterem befeuerte man Legenden, aber der Tod war auch schrecklich endgültig. Kaito schulterte das Zypressenholz und versuchte den Gedanken an frühzeitige Tode so weit wie möglich fortzuschieben, erwischte sich jedoch dabei, wie er beim Eintreten den Schmied genauer betrachtete und beschloss, dass es ihm hunderte Male lieber gewesen wäre, diesem grotesken Triumvirat beizuwohnen als seinen Großvater so jung im Grab zu wissen. Tōga hatte Welten zusammengebracht, die bereits nebeneinander nur schwierig existierten, und seine Söhne mit dem heraufbeschworenen Sturm zurückgelassen. Hätte er die Möglichkeit gehabt, diese Wogen zu glätten, sähe heute einiges anders aus. „Ihr seid spät“, gnarzte der Schmied. „Holz auf den Stapel und Quellwasser in den Bottich. Zeig die Lilien.“ Er reckte eine spinnenhafte, altersfleckige Hand in die Luft, ohne die übergroßen Augen auch nur eine Sekunde von der Glut zu lösen. Im Innern der Hütte war es, als liefe man gegen eine Wand aus Hitze und stehender Luft. Kaito hatte Tōtōsai schon oft bei der Arbeit zugesehen, war dabei aber noch nie mit derart unerbittlichen Temperaturen konfrontiert worden. Widerwillig machte er einen Schritt zurück, als der Alte die Kohlen mit einem Eisenstab schürte und eine erneute Hitzewelle durch den Raum schickte - nur um festzustellen, dass sein Vetter unbeeindruckt nähertrat, um die grünen Stängel zu überreichen. Entweder er konnte das Unbehagen zur Perfektion überspielen oder Dämonen besaßen in der Tat eine Toleranz gegenüber Hitze, die er nie erreichen würde. Der Alte zog die Pflanzen umgehend zur Begutachtung heran und rümpfte kritisch die Nase. „Ziemlich erbärmlich.“ „Es ist August. Was habt Ihr erwartet?“ Nun hob Tōtōsai doch den Blick und betrachtete den westlichen Erben, als habe der gerade erklärt, den Sinn des Lebens unter einem Haufen Rinderdung gefunden zu haben. Kaito konnte das nur zu gut nachvollziehen: Was die Lilien anbelangte, so hatte sich Minoru als botanisch versiert erwiesen und mit Leichtigkeit irgendwelche blattlosen, grünen Stängel als Spinnenlilien identifiziert, die Kaito bestenfalls als abgeblühtes Unkraut bezeichnet hätte. Kaito hatte ihn lediglich mit erhobener Augenbraue angesehen und es seiner Mimik überlassen zu vermitteln, was er von den sonderbaren Anwandlungen seines Vetters hielt. Anschließend hatten sie Stunden damit zugebracht, winzige Blütenstände mit den Klauen aufzuschlitzen und darüber zu debattieren, ob die geringen Farbpartikel dieser oder jener Pflanze nun eher violett, zartrosa oder doch ausreichend rot waren. Am Ende war ein ganzen Bund von diesen Mistdingern zusammengekommen, der so kahl war, dass er im Zweifel nicht einmal seiner Mutter gefallen hätte - und der hatte Kaito als Kind jeden Kieselstein als besonderen Fund andrehen können. Tōtōsai schien ebenso wenig verzückt von seinem Strauß, der eher an unterernährten Spargel erinnerte, hatte aber zurecht mehr mit der Vorstellung zu kämpfen, dass Sesshōmarus Sohn ausreichend über Pflanzen wusste, um sich von seinem miesepetrigem Gemurmel nicht anstacheln zu lassen. Nachdenklich musterte er die Lilien und schielte dann mit einem Ausdruck zu Minoru empor, der an Scheinheiligkeit schwer zu überbieten war. „August?“ „Die meiste Zeit sind das eben schnöde Halme. Selbst die Blätter kommen erst nach der Blüte. Sagt mir jetzt bitte nicht, Ihr benötigt die Blätter. Es ist unmöglich-“ „Mit den Lilien ist alles in Ordnung“, fuhr Kaito dazwischen, ließ das Holzbündel auf einen harzigen Stapel in der Ecke fallen und sich gleich daneben. Hier war es aushaltbar. „Er ist lediglich fasziniert. Und das nicht von dem Grünzeug.“ „Ah“, erwiderte Minoru dunkel, während seine Stimme in etwas abrutschte, das Tōtōsais auflodernde Kühnheit in Eiswasser ertränkte. „Unterhalte ich Euch, Tōtōsai?“ Der Schmied stockte, bemerkte die Hitze, die an ihm emporkroch und jene dicke, graue Schicht am Boden aufwirbelte, die sich nach dem turbulenten Morgen erst vor einigen Stunden wieder gesetzt hatte. „Vielleicht arbeitet er schneller, wenn er unterhalten wird“, bemerkte Kaito und lehnte den Kopf an den Knochen hinter sich. Die umherfliegende Asche heftete sich mit einer Geschwindigkeit an seinen Suikan, die an Zuneigung grenzte. Immerhin war er sauber angekommen - halbwegs jedenfalls. „Ist dem so?“ Interessanterweise schrumpfte Tōtōsai im selben Maße wie der scheinbar gelangweilte Tonfall in Minorus Stimme zunahm. Der Alte warf einen knappen Seitenblick auf Kaito, der mehr als deutlich machte, dass er es allemal vorzog, wenn sie sich gegenseitig an die Kehle gingen. Kaito hingegen hatte wenig Mitleid. Wenn man mit Feuer spielte, war mit Verbrennungen zu rechnen. Minoru lehnte sich vor: „Wenn es tatsächlich etwas gibt, das zu Eurem Erfolg beitragen könnte, werde ich Euch gern zuhören. Solltet Ihr jedoch der Meinung sein, wertvolle Zeit mit Niedertracht vergeuden zu müssen, bin ich nicht mehr so handzahm. Versteht mich nicht falsch, Tōtōsai. Aber der Gedanke, dass Ihr hier Eure Späße treibt, während meine Leute dort draußen sterben - ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt, wenn Ihr versteht.“ Das aschfahle Anlitz des Schmieds gewann zwar keinerlei Farbe, aber er schaffte es dennoch, gefasst zu wirken. „Ich verstehe.“ „Dann vergessen wir das jetzt. Benötigt Ihr noch etwas?“ Die Augen des Alten waren unentwegt auf den Inu gerichtet. Die graduelle Entspannung seiner Muskeln, die Bedrohlichkeit, die aus seiner Haltung wich, als habe er eine zweite Haut abgelegt und seine ruhig fließende Aura - wie Ebbe nach dem Hochwasser. Tōtōsai studierte sein Gegenüber als ob sein Leben davon abhinge - eine valide Annahme, wenn man bedachte, dass seine Profession einschloss, höchstrangigen Dämonen den ein oder anderen „Wunsch“ auszuschlagen. „In der Tat.“ Das matte Lächeln, das sich schließlich in den runzeligen Mundwinkeln festsetzte, bereitete Kaito Unbehagen. „Dich.“ Kaito glaubte das Knirschen von Zähnen zu hören. „Inwiefern?“ „Setz dich.“ „Ich kann mich nicht erinnern, dass Ihr -.“ „Setz dich, Junge! Ich erkläre es dir, aber ich bin ein alter Mann mit einem steifen Genick und dieses Gespräch wird länger dauern. Also mach schon!“ Wortlos ließ sich Minoru in Staub und Asche nieder ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Seine Miene war wie in Granit gemeißelt und Kaito konnte nur erahnen, wie sehr es ihm widerstreben musste, Befehle auszuführen. Dennoch waltete er mit einer gewissen Höflichkeit. Ließ genug Abstand zu Tōtōsai und setzte sich so, dass dieser ihn mit Leichtigkeit im Auge behalten konnte, ohne ihm gegenüber sitzen zu müssen - womit er praktischerweise den direkten Fluchtweg des Schmieds blockierte. Das schien auch Tōtōsai aufgefallen zu sein, als er seinen Blick über Minorus Schulter hinweg zum Eingang seines Hauses schweifen ließ und sich schließlich dem Aufstochern der Glut widmete, als beunruhige ihn diese Tatsache nicht. „Warum man euch das Abschlachten in Kinderreimen lehrt, aber die Grundlagen der Waffenherstellung nicht einen einzigen Atemzug wert sind, übersteigt meinen Horizont. Und dann muss ich mich wieder mit übertriebenen Erwartungshaltungen herumschlagen und Unverschämtheiten erdulden, nur weil das Wissen bei der Klingenschärfe endet. Du!“ Er deutete mit einem Finger über die Feuerstelle unmittelbar zwischen Kaitos Augen, der trotz der Entfernung zusammenzuckte. „Ich hatte erwartet, dass du es begreifst. Ich habe wertvolle Zeit und Wissen wie Perlen vor die Säue geworfen, wenn dein Vater dich Mal um Mal bei mir abgeladen hat als wäre ich deine informelle Amme!“ Kaito starrte auf den knorrigen Finger. Hitze kroch von seiner Brust seinen Hals empor und nistete sich in seinem Gesicht ein wie ein Fieberschub. „Ich-“ „Versuch’ gar nicht, dich zu rechtfertigen! Ich kenne dein Temperament nur zu gut. Du bist schlauer als gut für dich wäre, aber eine kleine Provokation und - buff!“ Tōtōsai vollführte eine kleine Explosion mit den Händen. „Ganz der Vater! Kopf aus, Zähne zeigen! Was habe ich dir über heute morgen erst über Materialunterschiede heutiger und früherer Schwerter erklärt? Na?!“ Selten hatte Kaito sich derart bloßgestellt gefühlt. Hätte Tōtōsai schlicht sein Erinnerungsvermögen in Verruf gebracht, wäre er mit Sicherheit wütend geworden. Ihm jedoch Desinteresse vorzuwerfen, Zeitverschwendung, persönlich zu werden, ja, Enttäuschung anzudeuten - ! Wirr flogen seine Gedanken zum Vormittag zurück, versuchten panisch etwas sinnvolles zu Tage zu fördern, huschten ziellos durch Erinnerungen, in denen er kaum älter gewesen war als Yayoi heute und stolperten ein ums andere Mal über den anklagenden Ausdruck in Tōtōsais Gesicht. Wie sollte er klar denken, wenn ihm die Enttäuschung so unverhohlen entgegenschlug? Schließlich biss er die Zähne zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. Hut ab. Der Mann mochte alt sein, aber er wusste sehr genau wie ihn treffen konnte. In ein mit Murren und Beleidigungen gespicktes Gemurmel vertieft, nahm der Schmied eine schmucklose Schwertscheide zur Hand und zog Tenseiga daraus hervor. Mit wenigen Griffen hatte er die zerborstene Klinge aus dem Handstück gelöst und bettete sie sorgsam wie einen schlafenden Säugling auf den glühenden Kohlen. Mit geübten Auge betrachtete er das Metall, auf dem die Hitze die spröden Scharten zum Glühen brachte, schob ein Stück Kohle näher heran, zog ein weiteres an anderer Stelle fort und sah erst wieder auf, als er mit dem Glutnest zufrieden war. „Die historische Schmiedekunst hat Naturstoffe benutzt“, sagte Kaito schließlich, als Tōtōsai offenbar immer noch auf eine Antwort wartete. „Heute verwendet man yōki-bindendes Material. In der Regel sind das Körperteile lebendiger Dämonen. Wie Zähne, Haare oder einzelne Gliedmaßen.“ Als der Alte fortfuhr, würdigte er die Aussage nicht einmal eines knappen Nickens. Zumindest aber sah er davon ab, Kaito weiterhin mit diesem vorwurfsvollen Ausdruck zu durchbohren: „Es ist nicht notwendig, ein Teil vom späteren Besitzer zu nehmen, aber die wirklich guten Werkstücke tun es. Sie harmonieren mit ihren Ursprung, kanalisieren die Aura besser und die Resonanz ist - nun, sagen wir schlicht, es ist wünschenswert. Aber es setzt auch Grenzen. Ich kann Attribute nicht entstehen lassen und auch wenn man gewisse Eigenschaften schleifen kann, müssen sie mehr als rudimentär vorhanden sein. Wäre mein Kunde ein herzenskalter Dämon aus den nördlichsten Schneewehen, dessen Yōki in erster Linie Erfrierungen anrichtet, könnte ich ihm alle Zähne einzeln rausreißen, ihn kahlrasieren und alle Finger einarbeiten - ich könnte kein Schwert schmieden, das Flammen spuckt.“ Er wendete die Klinge, begutachtete sie eingehend und fuhr dann erst fort. „Tessaiga und Tenseiga wurden aus dem Fangzahn deines - eures Großvaters erschaffen. Nach tagelangen Diskussionen wohlgemerkt. Seine Vorstellungen und meine Möglichkeiten gingen da doch etwas auseinander.“ Ein Lachen entrang sich Kaitos Kehle. „Du meinst, deinen Arbeitswillen?“ „Der Gierhals wollte zwei Schwerter! Zwei! Hast du eine Vorstellung, wie lange andere Dämonen mich damals ersuchen mussten, nur um meine Aufmerksamkeit zu erhalten, während er daherkam und mit einer Selbstverständlichkeit nach zwei Waffen verlangt hat, als gehöre das irgendwie zu unserer Freundschaft dazu, dass ich sein persönlicher Schmiedeofen bin? Hätte ich ihm gleich nachgegeben, hätte er nur Wochen später mit diesem schiefen Lächeln da gesessen und verlangt, dass ich Löffel und Messer für die Hofküche schmiede, die besonders hübsch auf den Tischen tanzen!“ Kaito hob eine Braue, woraufhin Tōtōsai zischend Rauch ausatmete. „Du glaubst, ich übertreibe? Oh, du hast ja keine Ahnung. Der große Inu no Taishō - er war schon in seiner Jugend schwer zur Vernunft zu überreden, wenn sein verdammter Dickschädel in irgendwelchen Wolken steckte. Als er später die Macht hatte, jeden Widerstand einfach zu ersticken… - Myōga war fast ein halbes Jahrtausend jünger als ich, wusstet ihr das? Ich habe ihm gesagt, dass der Versuch, diesem Hund Verstand einzubläuen, ihm noch den letzten Nerv kosten wird. Grau war er jedenfalls vor mir. Und dann stürzt sich der Floh auf seine letzten Tage nochmal in diesen Abgrund. Mit einem neuen, noch grüneren Welpen. Nostalgie und Wahnsinn, sage ich euch. Nostalgie und Wahnsinn.“ Mit leiser Sorge sah Kaito zu seinem Vetter und versuchte zu ergründen, ob ihm diese neuerliche Einschätzung seiner Beziehung zu Myōga oder die bloße Erinnerung an dessen Tod zusetzen mochte. Dessen Miene war jedoch so ausdrucklos wie üblich. Als er aber das Wort ergriff, schwang etwas mit, das stark nach Verteidigung klang. „Vielleicht hat ihn die Zeit an meiner Seite übermäßig gefordert. Das will ich nicht abstreiten. Aber es war seine Entscheidung und für die bin ich dankbar.“ Es war befriedigend zu sehen, dass auch Tōtōsai die grätigen Bemerkungen wie ein ganzer Fisch quer im Hals stecken blieben. So abstrus es auch anmuten mochte, es konnte doch niemand bezweifeln, dass dieser Flohgeist auf seine alten Tage so viel Wertschätzung erfahren hatte, dass es Minoru nicht einmal unangenehm war, den Verlust offen einzugestehen. Nach einer ebenso wenig angenehmen Stille, räusperte sich der Schmied: „Wie dem auch sei… Tōgas Aura ist mit den Fangzähnen in die Klingen eingearbeitet worden und auch wenn sie denselben Ursprung haben, besitzt jedes Schwert einen eigenen Charakter. Keine Waffe ist der vollkommene Spiegel seines Ursprungs. Es sind Splitter der Gesamtperson. Mit eigenem Willen, eigenen Fähigkeiten. Das ist die eigentliche Kunst. Stahl zu bearbeiten ist ein ehrenvolles Handwerk, aber mit Fleiß, Mühe und viel, viel Arbeit ist es erlernbar. Aber die mächtigsten Dämonen des Landes zu lesen, ihren Charakter, ihre Stärken und auch Schwächen zu begreifen, und in Stahl zu bannen - keine Zeit der Welt würde für diese Lektion reichen.“ Er stieß einen Feueratem aus, der Tenseigas Stahl heller glühen ließ, wo die Kohle trotz aller Sorgfalt weniger Hitze entwickelt hatte. „Eine umfassende Reparatur wie diese, erfordert jemanden, der dem Charakter der Waffe entspricht; dem Splitter des Ursprungs ähnelt. Dass ihr verwandt seid, ist zweitrangig. Dass du jedoch derart über einen unbedeutenden Flohgeist trauerst -“ Tōtōsai fischte mit langen Fingern die Phiole aus der Tasche, mit der er am Morgen Minorus Träne aufgefangen hatte, zerschlug sie am Rand des Kühlbeckens und warf sie samt Inhalt ins Wasser. „Mitgefühl, Junge. Etwas, das dein Vater nur schwer gelernt hat und bis heute nur spärlich zeigt. Mir ist bewusst, wie dringend ihr diese Klinge braucht. Aber das Zutun deines Vaters hätte Tenseiga vernichtet. Alle anderen waren nicht vollblütig oder verdankten ihr Leben dieser Waffe. Wenn ich versuche, sie neu zu schmieden, dann mit dir.“ „Wenn Ihr etwas von mir benötigt -“ „Oh, ich werde dir den ein oder anderen Zahn ziehen. Aber was ich wirklich brauche, bist du. Dein Charakter. Dein Wesen. Tōga kannte ich mein halbes Leben lang. Du hingegen tauchst als verwahrloster Bengel auf und kehrst als Fürstensohn zurück. Wer also bist du?“ Es war erstaunlich, wie blass jemand mit ohnehin weißem Haar noch werden konnte. „Ich wüsste nicht, wie ich Euch mein Wesen darlegen sollte.“ Tōtōsai musterte ihn eindringlich. „Mein lieber Junge, das wusste bisher noch niemand. Zu deinem Glück habe ich jahrtausendelange Erfahrung in derlei Dingen. Fang also einfach vorne an.“ „Ich verstehe nicht.“ „Vorne. Bei deiner Geburt oder an was auch immer du dich erinnerst. Deinem Vater. Deiner Mutter.“ Was er vorher für blass gehalten hatte, war kein Vergleich zu dem Anblick, der sich nun bot. Die dunklen Dämonenmale auf Minorus Wangen wirkten mehr denn je wie Blut, als sämtliche Farbe aus seinem Gesicht wich. Sein Blick wurde sonderbar starr, während seine Hand abwesend über sein Handgelenk fuhr, als taste er nach etwas. „Nein.“ Tōtōsai hob den Blick und betrachtete ihn eingehend, dann zuckte er die Achseln und machte Anstalten, Tenseiga aus der Glut zu ziehen. „Wie du willst. Dann kommen wir nicht überein.“ Kaito war auf den Beinen, ehe er recht darüber nachgedacht hatte. Hätte Tōtōsai ihn zu solchen Gesprächen aufgefordert, hätte er in Minorus Anwesenheit nicht ein Wort gesagt - und er sollte verdammt sein, wenn diese Chance seinetwegen zu Grunde ging. „Wartet. Ich kann gehen. Dann könnt ihr zu zweit-“ „Du bleibst genau dort sitzen!“, fauchte der Schmied so giftig, dass Kaito augenblicklich zurück in den Staub rutschte. Dann wandte sich Tōtōsai erneut Minoru zu: „Tenseiga wird nur dann wieder ganz, wenn ich es auf dich abstimmen kann. Es mit dir in Resonanz bringe. Und dafür brauche ich mehr als Halbwahrheiten, Vermutungen und Schein. Es ist allein deine Entscheidung. Aber Deine Leute sterben immer noch da draußen, oder etwa nicht?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)