♪♫♪ Believe In Your Dreams ♪♫♪ von Jalieza ================================================================================ Kapitel 2: Unspektakuläres Festland ----------------------------------- Nions Mutter blickte vom Herd auf und sah ihre Tochter an. Nions Gesicht war tränennass und sie atmete schwer. "Was?", fragte ihre Mutter sicherheitshalber und legte den Kochlöffel beiseite. Mit der anderen Hand drehte sie die Gasflamme aus. Nion spürte, wie ihre Mutter sich ganz auf sie konzentrierte und das war neu für sie. Natürlich liebte sie ihre Mutter und diese kümmerte sich auch immer liebevoll um Nion, dennoch hatte sie selten das Gefühl, ernst genommen zu werden. Sie schluckte schwer und kämpfte die in ihr aufkommende Unsicherheit nieder. Wo war ihr Mut geblieben, der sie eben noch dazu gebracht hatte, die Tür aufzustoßen und ein Ultimatum umher zu posaunen? Irgendwo in ihrem Inneren fand Nion ein Flämmchen Mut und packte es mit aller Kraft. "Ich will reisen, Mama!", wiederholte Nion ihre Aussage. "Ich will reisen wie Rido und viele andere es tun!" Eine Weile herrschte Stille, dann ging Nions Mutter in ihr Schlafzimmer und kam kurze Zeit später ins Wohnzimmer. Nion hatte sie beobachtet und setzte sich nun neben ihre Mutter. Diese legte eine schwarz-blaue Umhängetasche auf den Tisch und öffnete sie. Herausgeholt wurden ein Gürtel, Pokébälle und ein Pokédex. Nion sah erstaunt zu ihrer Mutter auf. "Ich habe darauf gewartet, dass du diesen Schritt machen würdest", erklärte sie und überreichte Nion den Pokédex und einen Pokéball. "Ich will aber kein Trainer werden", wehrte sie erfolglos ab und spürte wenig später das Gewicht des Pokéballs in ihrer Hand. "Sei für alles offen und geh, ehe dich dein Mut wieder verlässt", riet Nions Mutter ihr zum Abschied. Nion räumte die Tasche wieder ein und hängte sie sich um. "Das sieht super aus, aber etwas fehlt noch...", überlegte ihre Mutter laut. Nion verabschiedete sich mit einem Kuss von ihrer Mutter und musste lächeln, denn sie wusste ganz genau, was fehlte. Als Nion bei der Boutique ankam, hielt sie sich nicht lange am Schaufenster auf, sondern stürzte hinein. Wenige Minuten später verließ sie den Laden wieder und machte sich auf den Weg zum Hafen. Auf dem Kopf trug sie den Haarreif mit der Blume. Nion schmunzelte, denn Hafen war ziemlich übertrieben, vielmehr handelte es sich um einen Anlegeplatz, an dem ein alter Seemann mit seinen Lapras die Bewohner von DeMille ans Festland brachte. Als sie vor dem Stadttor von DeMille stand, verschwand das Schmunzeln von Nions Gesicht, die altbekannte Unsicherheit kehrte zurück und ließ jeden weiteren Schritt schwerer werden. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Wie war sie auf diese absolut irrsinnige Idee gekommen, ihre sichere Heimat zu verlassen und auf eine verrückte Reise zu gehen? Sie hatte es großspurig herausposaunt und nun stand Nion hier, vor dem Stadttor, und zitterte wie Espenlaub. Nion wusste, dass sie jetzt nicht mehr zurück konnte. Sie würde nicht nur ihre Mutter enttäuschen, sondern auch ihren angeblichen Freunden und Rido nicht mehr in die Augen sehen können. Sie wollte es doch allen zeigen! Nion biss sich auf die Unterlippe und mit dem nächsten Fuß, den sie auf den Boden setzte, rannte sie los. Sie rannte durch das Tor und den gewundenen Weg entlang. Sie durfte jetzt nicht anhalten, das wusste Nion, denn dann würde sie ihre Reise abbrechen, noch bevor diese begonnen hatte. "Zum Festland!", rief Nion dem verdutzt dreinblickenden Seemann zu und sprang auf das am nächsten gelegene Lapras. Sie sah den Seemann nur selten, da sich ihre Wege kaum kreuzten, dennoch kannten sie sich, denn Nion war wegen ihrer klaren Abläufe mehr als bekannt und für den Seemann galt das Gleiche, denn er war der Einzige, der eine Verbindung zwischen der Insel und dem Festland herstellte. Die Insel war zu klein, als das sie von einem Schiff angesteuert wurde, doch das störte keinen der Inselbewohner. "Das Lapras wird keine Stadt ansteuern, sondern zu einem kleinen Anleger an der Route 10 schwimmen", erklärte der Alte und erntete, als Antwort seitens Nions, lediglich ein Nicken. "Lapras, bring Nion sicher zum Festland. Ich verlasse mich auf dich." Mit einem Laut der Zustimmung setzte sich das große Pokémon in Bewegung und ließ ihre Heimatinsel schnell hinter sich. Nion setzte sich auf und blickte zurück zu den Inseln. Sie hatte es wirklich getan. Nion hatte ihre sichere Heimat verlassen und reiste auf einem geliehenen Lapras Richtung Festland, wie es zuvor schon andere getan hatten. Sie schwammen an einem großen Kreuzfahrtschiff vorbei, auf dessen Reling sie zwei Pokémon spielen sah. Schnell holte Nion das viereckige Ding aus ihrer Tasche, welches ihre Mutter als PokéDex bezeichnet hatte. Wie beschrieben hielt sie es auf das kleine gelbe Pokémon. Die beiden Hälften des PokéDex fuhren auseinander und ein durchsichtiger Bildschirm kam zum Vorschein. "Pikachu. Typ Elektro. Die erste Weiterentwicklung von Pichu. Es hat kleine Backentaschen, die mit Elektrizität gefüllt sind. Bei Gefahr entlädt es sie", sagte eine monotone, weibliche Stimme. Dabei zeigte der Bildschirm das Pikachu, sowie weitere Informationen, die Nion nicht wirklich verstand. Nun hielt sie das Gerät auf das zweite Pokémon und der PokéDex sagte: "Milza. Typ Drache. Es markiert sein Revier, indem es mit seinen Fängen Kerben in Bäume schlägt. Brechen diese einmal ab, wachsen sie sofort nach." Es waren die ersten Pokémon, welche Nion außerhalb von DeMille zu sehen bekam. Das löste bei ihr ein kribbelndes Gefühl aus, das sie nicht näher beschreiben konnte. Die Menschen hinter den Pokémon winkten Nion zu und diese erhob ebenfalls, wenn auch zögerlich, die Hand, um zu winken. Vermutlich sind das die Trainer von Pikachu und Milza, überlegte Nion und wunderte sich, warum die beiden nicht in ihren Pokébällen waren. Während Lapras weiter über das Meer zog, sah Nion immer wieder neue Pokémon und konnte langsam das Interesse der Menschen an Pokémon ein wenig nachempfinden. Schließlich machte Lapras Nion darauf aufmerksam, dass sie bald das Festland erreichen würden. Sofort fing Nions Herz erneut an, zu rasen. Vorsichtig kletterte Nion von Lapras Rücken und sah sich um. Vor sich sah Nion einen Weg, der ziemlich unspektakulär war, wie Nion erstaunt feststellte. Sie wusste nicht genau, was sie für ihren ersten Moment auf dem Festland erwartet hatte, aber sie hatte es sich nicht so friedlich vorgestellt. Ein wenig habe ich wohl damit gerechnet von Pokémon überfallen zu werden oder etwas in der Art, überlegte Nion. Einige Männer luden zwei Kisten von dem Rücken des Wasser-Pokémon und trugen sie weg. Nion drehte sich zu Lapras, als dieses sie am Arm anstieß. Sie legte ihm eine Hand auf die Nase und streichelte es langsam. "Danke, dass du mich sicher hierher gebracht hast", bedankte sie sich und sah auf ihre Hand. "Du bist das erste Pokémon, das ich streichle", bemerkte sie und Lapras steuerte einen erfreuten Laut dazu bei. In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass Lapras das Letzte war, was ihr eine Verbindung zu DeMille sicherte. Das machte Nion traurig. Am liebsten wäre sie wieder auf Lapras´ Rücken geklettert, doch sie entschied sich dagegen, streichelte das Pokémon ein letztes Mal und machte einen Schritt zurück. "Nochmal vielen Dank, Lapras. Pass gut auf dich und den alten Seemann auf." Lapras stieß einen kleinen, etwas traurigen Ton aus und schwamm davon. Als Nion bemerkte, dass sie weinte, wischte sie hastig ihr Gesicht trocken und drehte sich um. Das hier war ihre Chance, neu anzufangen und den Leuten in ihrem Dorf zu zeigen, dass kein Feigling war. Das ist also Route, dachte Nion und konnte nun die Umgebung etwas auf sich wirken lassen. Sie stand auf einer riesigen Wiese, die nur von ein paar Bäumen und einem Weg aufgelockert wurden. Rechts von sich konnte Nion in der Ferne einen Wald erkennen, links von sich verlief die Wiesenlandschaft weiter. Welche Richtung sollte sie einschlagen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)