Wo dich dein Leben hinführt von tatosensei ================================================================================ Kapitel 2: Ein Plan entsteht ---------------------------- Es gibt wenige Sachen, die Seto Kaiba gerne tat. Zu gesellschaftlichen Ereignissen erscheinen gehörte nicht dazu. Im Gegenteil, er versuchte so gut es ging solche Events zu vermeiden, auch wenn ihm das am Ende nicht gelang. Es lag nicht an ihm, vielmehr wollten seine Geschäftspartner in die Öffentlichkeit treten und sich mit dem CEO in einer freundschaftlich-gelassenen Manier zeigen, wenn sie schon das Glück hatten zu dem engsten Kreis der Geschäftspartner von Seto Kaiba zu gehören, sei es um sich selbst zu vermarkten oder um ein wenig raus aus der eintönigen Atmosphäre nervenaufreibender und langanhaltender Vertragsverhandlungen zu kommen. Für Seto Kaiba wollten seine Vertragspartner das erstere erreichen und er hasste es so benutzt zu werden. Dennoch wusste er zu gut welchen positiven Einfluss ein gut sitzendes Smoking, ein Händedruck und ein Lächeln – bei ihm eher ein leichtes Grinsen – in die Kameras auf die Aktionäre, Investoren und die Öffentlichkeit hatte. Meldete er sich monatelang nicht zu Wort, beziehungsweise besuchte er keine öffentlichen Veranstaltungen, schon wurden alle um ihn herum nervös. Presseberichte überschlugen sich mit Spekulationen.   Der CEO hätte einen Burn-Out und sei in Therapie. Er sei unheilbar krank und könne sich gerade noch auf den Beinen halten. Er wäre sogar schon verschieden und hinterlasse nichts als Chaos.   Er könnte schwören, sogar die Aktien stiegen und fielen mit seiner Präsenz.   Der nicht nur von der Presse heiß begehrte CEO war nun mal dafür bekannt, dass er sich ungern in der Öffentlichkeit zeigte. Er arbeitete viel und investierte viel Zeit und Energie in das Unternehmen. Seine verbliebene Freizeit, die wahrlich so überschaubar war, dass selbst seine Angestellten sie in- und auswendig wussten, verbrachte er lieber auf seiner Villa mit seinem jüngeren Bruder Mokuba. Das Kind hatte am meisten Recht sein einziges Familienmitglied zu sehen, kam aber am wenigsten dazu.   Dies ging sogar soweit, dass sich alle anfingen Sorgen zu machen: seine Hausangestellten, die sich um die Villa und das Wohlergehen der Kaiba Brüder kümmerten, seine Mitarbeiter, weit voraus Roland, sein Chauffeur und Securitychef, der durch seine Loyalität zu den Kaibas und seine einwandfreie Arbeit mehr als nur ein Angestellter für Seto Kaiba war, und sogar Mokubas Lehrer in der Schule, die ein Mangel an Aufmerksamkeit, zunehmende Gleichgültigkeit und eine gewisse Traurigkeit bei dem Kind beklagten.   Er wusste, dass er an allem verantwortlich war. Er war nie da, wenn Mokuba am meisten seinen Bruder brauchte, er war viel beschäftigt vor allem mit den dazugekommenen fünf weltweiten Kaibaland-Projekten, er ging früh am Morgen in die Arbeit, kam erst nach Hause, wenn Mokuba bereits im Bett war. Hatte er auch nur ein oder zwei Wochenenden frei, da kamen in den nächsten Wochen so viele Meetings und Vollversammlungen im Ausland zusammen, dass er wieder gefühlt eine Ewigkeit von zu Hause weg war. Das war aber niemals seine Intention. Er hatte sich geschworen Mokuba ein besseres Leben zu bieten, aber gerade dieses Versprechen war er drauf und dran zu brechen.   Mit den Lehrern konnte er reden und nach Lösungen suchen. Roland würde sich als Chauffeur auf das Abholen von Mokuba beschränken, sodass er selbst seinen kleinen Bruder zur Schule fuhr, um mehr Zeit mit ihm zu verbringen. An ihm selber konnte er auch arbeiten und zumindest an Freitagen am frühen Nachmittag Feierabend machen; was er nicht zurechtbiegen konnte, wäre die Sachbearbeiterin vom Jugendamt, die die Sache Mokuba Kaiba aufgetragen bekommen hatte.   Es traf ihm wie ein Schlag als seine Sekretärin eines Tages den Besuch von der Dame aus dem Jugendamt ankündigte. Wie mächtig sich auch Seto Kaiba fühlen mochte als einer der wohlhabendsten und  einflussreichsten Persönlichkeiten im Land, eins wusste er ganz genau – dass er sich niemals mit dem Gesetz anlegen durfte, denn auf diesem Spielfeld würde er immer verlieren.   Die Sachbearbeiterin fasste sich kurz. Ihr wurden Hinweise weitergeleitet, die darauf hindeuten, dass Mokuba zunehmend vernachlässigt werde, er werde immer schlechter in der Schule und aggressiver mit den Mitschülern. Einer seiner Lehrer habe sogar prognostiziert, dass, wenn es so weiter gehe, er bald in Depressionen fallen würde. Deshalb sei sie hier. Deshalb werde sie einige Monate Mokuba beobachten und, wenn sie der Ansicht ist, dem Jungen ginge es nicht gut, so werde sie einen Antrag an das Familiengericht stellen und ihm das Sorgerecht wegen ungesunden Familienverhältnissen entziehen.   Seto Kaiba hörte aufmerksam zu, als diese kleine mollige Frau – die ihn so sehr an eine strenge Bibliothekarin erinnerte- diese Frau mit zu einem Dutt zusammengebundenen grauen Haaren und dem altmodischem Jackett ihm Vorwürfe der Vernachlässigung seines eigenen Bruders, seiner einzigen Familie, die ihm auf der Welt geblieben war, machte. In diesen Augenblicken wäre jeder aus den Fugen geraten, vor allem wenn er die Vorwürfe genauso absurd finden würde wie Seto Kaiba. Aber nicht er, er war die Geduld in Person.   Nachdem die Dame vom Jugendamt ihre Meinung kundgetan hatte, verabschiedete sie sich von Seto Kaiba und begab sich zur Tür. Kaiba begleitete sie bis dorthin und schloss die Tür hinter sich. Er hatte keine Zeit über die Konsequenzen nachzudenken, würde die Dame ihre Drohung verwirklichen, denn die wären in jedem Fall untragbar; er musste handeln.   Mehrere Tage lang beriet er sich mit seinen Top Anwälten über die Situation, ließ sich Gutachten erstellen und Lösungen vorschlagen, bis sich alle klar waren. Es gab nur eine Lösung, die Lösung, die das Jugendamt davon abhalten würde ihn den einzigen wichtigen Menschen wegzunehmen, den er in seinem Leben hatte. Aus ungesunden Familienverhältnissen müssten gesunde Familienverhältnisse gemacht werden. Er hatte vor die Sache so schnell wie möglich und so unkompliziert wie möglich zu lösen. Er musste dem Jugendamt zeigen, dass Mokuba in einer normalen Familie aufwächst, wo für ihn jemand sorgt, der nicht von ihm bezahlt wird und den auch Mokuba gern hat. Der zweite Teil des Planes war schwierig. Wie sollte er es hinkriegen, dass ein sturer Teenager, dem erst Mal alles zuwider ist, in nur wenigen Monaten anfing eine völlig unbekannte Person zu mögen.   Man sagt, dass komplizierte Fälle ihre Lösungen an den unterschiedlichsten Orten finden, dort, wo man am wenigsten damit rechnet. So hat Newton seine Gravitationsformel unter einem Apfelbaum zusammengereimt und Mendelejew sein Periodensystem, im wahrsten Sinne des Wortes, erwträumt. So war es auch bei Seto Kaiba, als er sich im Balkon des National Theatre of Domino mit seinen Geschäftspartner die Premiere von Schwanensee anschaute.   Er sah sie tanzen, als Odette, die Schwanenkönigin. So graziös und wunderschön hatte er sie nicht in Erinnerung gehabt, aber sie sofort, trotz Maske und Bühnenoutfit, wiedererkannt. Sie hat ihm den Atem beraubt. Er musste sich sogar anlehnen, um sie besser im Blick zu haben, um jede ihrer Schritte zu verinnerlichen. Sie war bezaubernd. War sie das schon immer? Was war mit dem unscheinbaren, nervigen Teenager Tea Gardner passiert? Hat sie das Erwachsenwerden so verändert, dass sie nun auf ihn einen ganz anderen Eindruck machte, ihn so aus dem Konzept brachte? Er schaute sich um. Gott sei Dank hatte ihn niemand in dieser unkontrollierten Situation voller Gefühlsausbrüche – Faszination, Staunen und Verlangen – gesehen; seine Nachbarn waren vielmehr selbst damit beschäftigt die zierliche Tänzerin mit ihren Blicken aufzusaugen, zu absorbieren. Diese alten gewissenlosen Bastarde wollten nicht einmal ihre Begierde, die sie gegenüber der jungen Schwanenkönigin empfanden, zurückhalten, geschweige denn verstecken. Dieser Anblick machte ihn krank, ohne dass er sich erklären konnte warum, warum gerade in dieser Situation, warum gerade bei dieser einen jungen Frau.   Noch weniger hatte er damit gerechnet, dass sie auf der After-Show-Party erschien. Ihre Erscheinung am Eingang der Halle hatte allen zum Schweigen gebracht. Alle Blicke wandten sich zu ihr, alle Gespräche verstummten für einen Augenblick, ein leises Geräusch der Bewunderung ging umher. Als sie sich auf Zeichen des Direktors zu ihnen begab, fühlte Seto Kaiba, wie auf einmal sein Herz anfing schneller zu klopfen. Warum denn, verdammt! Sie hob ihr breites dunkelblaues Satinkleid und kam mit langsamen und federleichten Schritten zu ihnen. Er sah das Staunen in ihren Augen, als sie ihn erkannte. Er dachte für einen Augenblick, dass ihre saphirblauen Augen noch mehr leuchteten, mehr als zuvor, angesichts eines Bekannten unter den unzähligen unbekannten Gästen.   Das Gespräch hatte nicht lange gedauert. Sie ging so schnell wie sie kam. Aber sie hinterließ bei ihm eine Gewissheit, eine Entschlossenheit und eine Lösung eines Problems, welches zu diesem Zeitpunkt keines mehr war.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)