Weihe des Siegelschwerts (neu) von Ubeka ================================================================================ Prolog: -------- Als die Königin geglaubt hatte, dass die Stimmen mit ihr stürben, hätte sie nicht falscher liegen können. Ihre Brust fühlte sich an wie unter Felsen begraben, während sie im Bett lag und mit jedem Atemzug das Bewusstsein verlor und wiedererlangte. Grade waren die Schweißperlen auf ihrer Stirn noch eisig kalt gewesen, nun brannten sie wie glühende Kohlen. Die Stimmen brachte jedoch nichts zum Schweigen. Was ist mit den anderen zweien? Sie flüsterten ihr nach wie vor zu. Wie sie es ihr halbes Leben lang nun getan hatten. So wie ihre Mutter und ihr Vater sie zu einer Maid herangezogen hatten, waren die Stimmen ihre Lehrmeister bis ins Erwachsenenalter gewesen. Sie waren aufgetaucht, als ihr Bruder von ihr gegangen war. Ein schlechter Tausch, wie Kaelyn in den vergangenen Monaten klar geworden war. Sie hatte ihren ungebetenen Rat geschätzt, ihre Hinweise und Fingerzeige auf die Dinge, vor denen eine Königin sich am meisten hüten musste. Der Mörder ihres Bruders. Ja, das war sicherlich jemanden gewesen, den man im Auge behalten musste. Und hätten die Stimmen nicht zu Kaelyn gesprochen, als niemand anders sie hörte, hätte sie diesen Dreckskerl vielleicht sogar damit davonkommen lassen! Und auch der Krieg. Da hatten sie ihr geholfen, die Oberhand zu behalten, obgleich ihr eigener Gatte, der König, irgendwann fast aufgegeben hatte. Doch für all das geheime Wissen, wie ein Heer ungesehen die dichten Wälder von Carlem durchqueren konnte, um von den Rebellen erst wahrgenommen zu werden, wenn sie längst Dolche im Rücken hatten, bezahlte Kaelyn nun mit der Gesundheit ihres Geistes. Sie wollten einfach nicht mehr still sein. Die Zacken, die Zacken, wiederholten sie immer wieder, Was ist mit den anderen beiden Zacken? Er kommt. Er ist nicht tot, sprach eine andere Stimme ständig. Und Kaelyn wusste, dass sie nie grundlos Warnungen aussprachen. Doch sie war es leid. Sie konnte kaum noch Gespräche führen mit denen, die leibhaftig vor ihr standen. Wegen all dieser winzigen Mäuler, die an ihrem Hirn nagten und schrien, Gib ihn nicht auf! An keinen von ihnen! Er gehört dir! Er ist nicht tot, sagte die eine Stimme wieder. Ja. Aber wer auch immer er war, er bekäme keine Chance, Kaelyns Leben zu nehmen. Das hatte sie längst selbst in die Hand genommen. Der Saft der Tollkirsche, um sie hinfortzuraffen, und die Milch des Mohns, um es erträglich zu machen, während die dicken Wände von Burg Bersass sie vor allem außerhalb ihrer Gemächer beschützten. Nichts davon ließ allerdings ihre unsichtbaren Berater verstummen. Was ist mit den anderen zwei Zacken?! Schrie einer von ihnen, Du darfst ihn nicht aufgeben! Sie waren noch nie wütend gewesen auf sie. Er ist nicht tot. Der Zacken ist immer noch in seinen Händen. Er wird auch deinen holen wollen. Wenn sie doch nur so sprächen, dass sie verstünde! Wenn sie doch nur wüsste, wenn sie meinten! Ein Kinderspiel wäre es gewesen, einen weiteren Attentäter loszuschicken. Eine weitere Stadt niederzubrennen, den nächsten selbsterklärten Feldherren auszutricksen. Doch sie sprachen nur in Rätseln. Die Zacken spüren einander! Du musst leben! Finde die anderen zwei! Kaelyns Herz schlug gegen die Gitterstäbe sein knöchernes Gefängnis. Wenn es schon nicht aufhörte zu schlagen, wünschte Kaelyn wenigstens, dass es einfach aus ihrer Brust brechen und ihr so oder so ein Ende bereiten würde. Die Stimmen wollten davon nichts wissen, Nein! Überlasse den Zacken niemand anderem! Sie stieß einen gequälten Schrei aus. Ihr Herzschlag wurde lauter. Oder nein. Das war nicht ihr Herz. Das waren Schritte draußen auf dem Gang! Aber wie? Hatte sie nicht diesen Tag und diese Zeit extra gewählt, damit niemand zugegen war, wenn sie das Gift schluckte? Ihr Gatte war aus zur Jagd, ihre Töchter spielten im Burghof, die Zofe war zum Einkaufen geschickt worden. Niemand sollte hier sein! Er ist nicht tot! Er kommt, deinen Zacken zu holen! Kreischten die Stimmen. Dann sprang die Tür auf. Sie hatte das Gift stark dosiert und, obgleich es Kaelyn so wenig half, endlich von Olphe hinfortgetragen zu werden – eine Mistgabel in ihr Fleisch, dass sie sich so viel Zeit ließ – flutete es ihre Augen mit Licht, bis sie keine Einzelheiten mehr erkennen konnte. Zischend wich Kaelyn in die Kissen zurück. Der Fremde war aufgeregt und sagte irgendwas, doch die Stimmen waren lauter, Nein, tu es nicht! Behalte ihn! Behalte den Zacken! Kaelyn traf eine Entscheidung. "Tötet mich!" rief sie dem Fremden zu, während ihre Augen überquollen vor Tränen, "Bitte, es ist egal, wie, nur tötet mich!" Der Fremde schien zu protestieren, doch wieder verstand sie kein Wort. Er war wie die Stimmen, wollte sie nicht sterben lassen. "Nehmt den verdammten Zacken!" weinte sie schließlich, "Ich will ihn nicht! Tötet mich und er gehört Euch!" Nein! Das darfst du nicht! Was ist mit den anderen zweien?! "Zu Vas mit den anderen beiden!" fluchte sie erschöpft, "Nehmt einfach meinen! Macht, dass es aufhört!" Noch immer redeten die Stimmen auf sie ein, schalten sie eine Närrin, als Kaelyn spürte, wie etwas kaltes sich in ihren Hals drückte. Die Wärme aus ihrem Körper saugend, ließ der Stahl ihre Mundwinkel nach oben zucken zu einem dankbaren Lächeln. So wie das rote Lächeln, das sie gleich tragen würde, sobald der Fremde ihre Kehle durchtrennt hätte. Das Licht erlosch schnell, die Stimmen verstummten endlich. Sie konnte nicht einmal mehr das Gesicht ihres Erlösers sehen. Doch sie erkannte ihn an seiner Stimme, als er sprach, "Ich werde den Zacken mit Freuden empfangen. Das wird den König bei seiner Rückkehr sicher freuen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)