Christmas in a Lion‘s Den von Arcturus (FF-Adventskalender Tag 2) ================================================================================ The Second Lion --------------- An sich war der Auftrag simpel. Er erforderte weder herausragendes Denkvermögen, noch besonderes, magisches Talent. Er wäre einfach gewesen, hätten die meisten Vertrauensschüler zu dem Zeitpunkt, an dem Professor McGonagall ihn in ihr Büro zitiert hatte, nicht bereits im Hogwarts-Express gesessen. Eigentlich hätte der Auftrag auch unter den gegebenen Umständen einfach bleiben sollen. An ‚Finde den Erstklässler, halte ihn für die Sache mit der Eulerei unbemerkt eine Runde vom Astronomieturm und übergib ihn anschließend einem Lehrer deiner Wahl!‘ war nicht sonderlich viel falsch zu machen. Leider, und das hatte Rabastan in den letzten dreieinhalb Monaten auf die harte Tour gelernt, entwickelte sich ein Auftrag wie dieser genau dann zu einer Sisyphusarbeit, wenn der Suchtrupp von Schulsprecher Oliver Bagnold geleitet wurde. Dass der verschwundene Erstklässler ausgerechnet Sirius Black war, potenzierte das Elend nur noch. Sirius Black. Ausgerechnet. Und das kurz vor Weihnachten. Unwirsch griff er nach einem Wandteppich und zog ihn beiseite. Als ihm nichts Ohren flog, spähte er in den Geheimgang dahinter. Nichts. Natürlich nicht. Bagnold mochte so viel der Meinung „Wir finden den Kurzen schon, wenn wir nur systematisch vorgehen!“ sein, wie er wollte, Rabastan wusste es besser. Auch Bagnold, da war er sich sicher, würde es einsehen, spätestens dann, wenn Black versuchte, ihn mitsamt der Kloschüssel, auf der er saß, in die Luft zu jagen. Unschuldiger, kleiner Erstklässler. Pah. Den Nächsten, der behauptete, der Junge hätte vor dem ersten September nie einen Zauberstab in der Hand gehabt, würde er eine Stunde mit dem lieben Kleinen in einem abgeschlossenen Klassenzimmer vergessen. Nur um auf Nummer sicher zu gehen, trat Rabastan hinter den Wandteppich und leuchtete mit dem Zauberstab den Gang hinab. Schatten ragten aus den Wänden, dort, wo die Steine besonders unordentlich gemauert waren. Sie flackerten im Licht seines Lumos, doch keiner von ihnen hatte Ähnlichkeiten mit Sirius Black. Zum Glück, vielleicht. Mit einem sachten Rauschen klatschte der Teppich zurück gegen das Mauerwerk, als er aus dem Geheimgang trat. Beim nächsten einkreuzenden Flur blieb Rabastan stehen. Er lauschte, doch alles blieben still. Keine Stimmen, keine Schritte, nicht einmal das entfernte Singen einer Rüstung, die zur Zeit Stille Nacht anstimmten, wenn man zu nah an ihnen vorbei ging. Vermutlich war längst niemand mehr auf den Korridoren unterwegs. Mit Pech nicht einmal Black. In Gedanken ging Rabastan ein drittes Mal die Liste an Flüchen durch, die ihn seit dem Gespräch mit Professor McGonagall in den Fingern kribbelten. Einen für Black, der vermutlich längst in seinem Bett lag und sich über sie scheckig lachte. Einen für Selwyn, der jetzt vermutlich im Slytherin-Gemeinschaftsraum hockte und das Metall nicht wert war, aus dem man sein Vertrauensschülerabzeichen gehext hatte. Und einen für Bagnold oder besser: Einen für jeden seiner dummen Sprüche aus dem Vertrauensschüler-Handbuch. Rabastan stockte. Hatte eigentlich jemand unter dem Bett der kleinen Beulenpest nachgesehen? Bagnold – nein, der war in Ravenclaw. Black – nein, sie war eine Slytherin. Selwy- nein. Scrimgeour. Scrimgeour war ein Gryffindor. Er war intelligent und gründlich genug, um unter dem Bett und unter Blacks dreckiger Unterhose nachzusehen. Scrimgeour musste ... Bang! Rabastan erstarrte. Dem Geräusch von zerberstender Keramik, die gegen Mauerwerk prallte, folgte der Explosion. Dann ein spitzer Schrei. Das Sprudeln von Wasser. Eine Erinnerung zerrte an seinem Bewusstsein. Bang! Über, unter, hinter ihm – Rabastan wirbelte herum, doch der Flur links von ihm blieb so still, wie der rechts von ihm. Der Boden unter seinen Füßen bebte oder er bildete es sich zumindest ein. Wasser. Wo war hier- BANG! BANG! BANG! Die Erinnerung hörte auf, an sein Bewusstsein zu klopfen. Sie trat die mentale Tür ein. Für einen Augenblick war er wieder auf der Jungentoilette im siebten Stock. Eine Klobrille flog an seinem inneren Auge vorbei. Rabastan schüttelte den Kopf, fluchte, dann wirbelte er herum und folgte dem Lärm, den Weg entlang, den er gekommen war. Den Wandteppich riss er beinahe aus seiner Halterung. Sein Lumos beleuchtete den Geheimgang nur dürftig, doch der Boden war eben und die Treppe, die folgte, schwach von etwas beleuchtet, das ihn vielleicht fressen konnte. Er hastete die ersten Stufen hinab, die letzten sprang er. Im nächsten Wandteppich hätte er sich beinahe verheddert. Plötzlich rannte er mitten ins Desaster. Die Tür zum Mädchenklo hatte es aus den Angeln gerissen. Wasser sprudelte durch die offene Tür und klatschte unter seinen Schuhen. Ein lautes Gurgeln folgte leisem Platschen, dann spie der Türrahmen mehr Wasser aus. Viel mehr Wasser. Reflexartig blieb Rabastan stehen. Einen Augenblick später stand er knöcheltief in einer Brühe, die er nicht näher bezeichnen wollte. Binnen Sekunden weichten seine Schuhe durch. In seinen Gedanken lächelte die Erinnerung, grinste, wie ein Kappa und warf mit Porzellanscherben nach ihm. Gänsehaut kroch ihm die Arme hoch. Er hielt die Luft an. Im Waschraum gurgelte es erneut. Ignorier das, Rabastan, dachte er, doch das Plätschern von mehr Wasser machte es schwierig. Das ist keine Gefahr, nur ein dummer Streich. Ein dummer Streich, für den du Sirius Black zur Rechenschaft ziehen wirst. Also sei ein Gryffindor, geh da rein und stopf ihn mit dem Kopf in die Toilette, die er gerade gesprengt hat. Er nahm einen tiefen Atemzug. „BLACK!“ Ein leises Wimmern war die Antwort. Es wollte nicht zu recht zu dem passen, was Rabastan erwartete. Black wimmerte nicht. Vor allem nicht wie ein Mädchen. „Black?“ Platschen antworte ihm, laut wie im Gryffindorgemeinschaftsbad, wenn die Erstklässler duschten, dazwischen das Klirren von Porzellan und lautes Juchzen und Quietschen und dann – „IHHH!“ Nein, entschied Rabastan, das war nicht Black. Zumindest nicht Sirius Black. Vorsichtig trat er einen Schritt auf die offene Tür zu. Wasser spritzte unter seinem Schuh und schwappte zwischen seinen Zehen. Beides war schwer zu ignorieren. Er tat einen weiteren, nassen Schritt, dann noch einen. Der Geruch nach dem Innenleben geplatzter Abflussrohre wurde schlimmer. Die Erstklässlerboote auf dem See. Die Abflüsse in der Küche. Und jetzt das Mädchenklo im zweiten Stock. Warum konnte während seines Vertrauensschülerdienstes nicht einmal etwas in die Luft gehen, das nichts mit Wasser zu tun hatte? Rabastan erreichte die Tür. Er warf einen vorsichtigen Blick durch den Türrahmen. Zur Belohnung schwappte eine neue Woge eisiger Brühe über und durch seine Schuhe und machte die Versuchung, umzudrehen, noch größer. Dem Schwall folgte Jaulen. Den Zauberstab erhoben trat er in den Raum. „Ist da jemand?“, rief er. „Ist da jemand?“, gackerte eine Stimme im Inneren. „Iiist daaa jeeemaaand?“ Lachen folgte der Frage. Rabastan schloss die Augen und atmete tief durch. Die Liste an Verwünschungen, die er in Gedanken ausstieß, verließ den jugendfreien Sektor. Peeves. „Verschwinde!“, hörte er eine leisere Stimme, doch sie ging im Gackern des Poltergeists unter. „Ist hier jeeemaaand? Eine Heuuulesuuuse ist hier! Heuly-Blacky ist hier! Und wer ist dahaaa?“ Heuly- Ein Flackern war die einzige Warnung. Rabastan, duckte sich. Ein Klumpen, den Rabastan nicht genauer identifizieren wollte, segelte über seinen Kopf hinweg. „Lestrange ist da! Lestrange in firing range!“ Er musste nicht sehen, was ihn erwartete. Rabastan hob den Zauberstab. Keine Sekunde zu früh riss er den Stab durch die Luft, dann knallte alles gegen seinen Schutzschild. Die Reste einer Kloschüssel, benutztes Klopapier und ein Wasserhahn. „Zieh Leine, Peeves!“, knurrte er zwischen weiteren Porzellanscherben und einem Federmäppchen, „Ich hole den Blutigen Baron!“ Der Poltergeist lachte nur gackernd. Kichernd holte er aus. Eine Kröte klatschte gegen den Schild. Mit geöffnetem Mund und verdrehten Augen blieb sie einen Augenblick kleben, bevor sie beleidigt quakend daran herab rutschte. Platschend landete sie im Wasser. Rabastan zog die Augenbrauen zusammen und starrte ihr nach – ein Fehler. Er sah Peeves noch auf sich zu rauschen, dann barst sein Schild unter Geisterhänden und ein ganzer Schwall Ekelbrühe ergoss sich über ihm. Mit Wucht. Ächzend ging Rabastan in die Knie, schlug mit den Fäusten auf den Fliesen auf und schnappte nach Luft. Er atmete Wasser. Die Flüssigkeit brannte in seinem Rachen, ließ ihn husten und japsen. „Black und Lestrange sitzen auf dem Mädchenklo und knutschen rum! Heuly-Blacky und Knasti-Basti knuuutschen auf dem Määädchenklooo!“ Peeves Stimme wurde leiser, bis Rabastan ihn zwischen den Hustenkrämpfen nicht mehr hören konnte. „Alles in Ordnung?“ Leise Schritte plätscherten im Wasser. Den Arm, der sich in sein Blickfeld streckte, ergriff er, ohne nachzudenken. Husten klammerte er sich in den nassen Stoff, wie der Zweitklässler, der er einst gewesen war. Irgendwann wurde das Husten zum Keuchen. Langsam wurde die bekannten Furcht, die ihm auch immer dann im Nacken saß, wenn er seine Freunde zum See begleitete, beherrschbar. Er wusste, dass er in knöchelhohem Wasser nicht ertrinken würde, doch seine Instinkte davon zu überzeugen, war eine andere Sache. Irgendwann hatte er sich genug unter Kontrolle, um aufzusehen. Sein Blick fiel auf silbergraue, mit Wasser vollgesogene Wollstulpen und glitt die typische Kombination aus Winterrock, Pullunder und Umhang hinauf. Schwarz mit grünem Saum. Slytherin. Rabastan sah Flecken, die er nicht genauer benennen wollte, und dann durchgeweichte, blonde Haare, die ein Gesicht umrahmten, das hätte hübsch sein können, wäre das Make-Up nicht vollkommen verlaufen. Narcissa Black sah auf ihn hinab, die Augen schwarze Flecken von Lidschatten und Wimperntusche, die Stirn gerunzelt und die Lippen zu einem dünnen, beinahe weißen Strich zusammengezogen. Er sah zurück auf den Boden, bevor sich ihre Blicke treffen konnten. „Rabastan?“ „Das war nicht sonderlich gryffindorig, fürchte ich.“ Sonderlich gryffindorig fühlte er sich in der Tat nicht. Seine Stimme krächzte in seiner Kehle. Dort, wo seine Schuluniform ins Wasser eintauchte, waberte sie träge um seine Beine, dort, wo sie es nicht tat, klebte sie an ihm wie eine zweite, eisige Haut. Nur die Kröte schien wie in ihrem Element. Mit einer Eleganz, die wohl nur grün und gelb leuchtende Amphibien aufbringen konnten, schwamm sie zwischen ihnen hindurch. Rabastan warf ihr einen finsteren Blick zu. „Ich habe gehört, Katzen mögen kein Wasser.“ Narcissa kicherte leise, verstummte aber nach einem kurzem Moment. Zwischen ihnen quakte die Kröte anklagend, aber vielleicht bildete er sich den Tonfall auch nur ein. Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht auf seine Knie. Mit einer unwirschen Bewegung, die ihm ein weiteres Quaken einbrachte, gab Rabastan ihr einen Schubs Richtung Abfluss. In der Vertiefung, durch die die Brühe nur langsam abfloss, drehte sie sich einmal im Kreis, dann begann sie zu paddeln. Er schüttelte den Kopf. „Das mögen die meisten wirklich nicht“, krächzte er. „Es hat trotzdem funktioniert“, erwiderte Narcissa. „Kannst du aufstehen?“ Vielleicht nicht, wollte er antworten, verkniff es sich aber. Das Wasser war immer noch eisig und jetzt, wo er sich nicht länger die Lunge aus dem Leib hustete, spürte Rabastan wieder, wie sich die Kälte langsam in ihn fraß. Die Kälte und wer wusste schon, was Peeves noch alles aus dem Abflussrohr gelassen hatte. Langsam löste er seine Finger aus Narcissas Ärmel. Erst jetzt spürte er, wie verkrampft sein Griff gewesen war. Jede Berührung schmerzte, vermutlich nicht nur ihm. Er verzichtete darauf, aufzusehen und zu prüfen, ob sie sich den Unterarm rieb oder ob sie kontrollierte, ob sich bereits blaue Flecken bildeten. Kommentarlos half Narcissa ihm auf. Tatsächlich war Aufstehen schwerer, als Rabastan gehofft hatte. Seine Knie waren steif vor Kälte und seine Waden kribbelten. Der Anblick des Chaos half nicht. Das komplette Bad stand unter Wasser, aus dem Nebenraum mit den Kabinen lief immer noch neues nach. Im Licht der magischen Beleuchtung wirkte die Brühe gelb, braun und grün, unter den Lampen selbst schimmerte sie beinahe wie ein Regenbogen. Sie wirkte nicht überall klar und auf dem Boden, dort, wo die Überschwemmung langsam abebbte, hinterließ sie eine Schicht von undefinierbarem Dreck. Dazwischen schwammen all die Dinge, die man auf einem Schulklo erwartete, inklusive eines Fangzähnigen Frisbees. Der Wasserhahn, den Peeves nach ihm geworfen hatte, lag unbeachtet neben der Tür, überzogen von einer dünnen rotbraunen Schicht Schlick. Über dem Abflussgitter zog die Kröte noch immer ihre Bahnen, der magische Sog des Rohres darunter zu stark, um dagegen anzupaddeln. „Ich hab Lärm vom Klo gehört“, sagte Narcissa in die Stille, die sonst nur vom dem Plätschern eines geborstenes Rohres in einer der Kabinen unterbrochen wurde. „Ich dachte, es sei Sirius.“ „Es war nicht Sirius.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Es war Myrte.“ „Sie hat sich auf dich gestürzt, kaum, dass sie dich bemerkt hat, oder?“ „Oh ja“, Narcissa schnalzte mit der Zunge. „Und sie war bester Laune. Faselte irgendwas von – ich habe ihr nicht zugehört.“ „Natürlich nicht.“ „Natürlich nicht“, sie schnaubte, „es war Myrte, nicht die Graue Dame.“ Die Graue Dame hätte mit Sicherheit auch nicht mit ihr gesprochen, aber den Gedanken behielt Rabastan für sich. Ihm war klar, dass er in puncto weiblicher Geister kaum mitreden konnte, immerhin wohnte die auffälligste, aufdringlichste und penetranteste Geisterdame in einem Mädchenklo und damit an keinen Ort, den Rabastan normalerweise frequentierte. Abgesehen von heute. „Jedenfalls – ich habe sie ignoriert und stattdessen die Kabinen kontrolliert. Ich meine – mein reizender Cousin ist immer dort, wo man ihn am wenigsten erwartet. Und das Klo der Maulenden Myrte ist schon sehr unerwartet.“ „Ich glaube, die normalen Toiletten wären bei ihm fast unerwarteter. Soweit ich weiß, machen die meisten Mädchen lieber einen Umweg in die Toiletten auf den anderen Stockwerken.“ Narcissa verzog das Gesicht. „Ja, ich weiß. Er war ja auch nicht da.“ „Und Peeves?“ „Hat gehört, dass Myrte ein Opfer hat.“ Rabastan seufzte. Dieser verfluchte Poltergeist. Vermutlich konnten sie noch dankbar sein, dass er sich nicht mit Black verbrüdert hatte. „Quasti hat ihn gepudert, aber ...“ Narcissa verstummte. Sie griff in eine Tasche ihres Umhangs und zog einen Gegenstand hervor, der genauso durchgeweicht war, wie Rabastan sich fühlte. Es war eine handtellergroße Puderquaste aus hellem, rosafarbenem Plüsch, dessen exakten Farbnamen er bei Rodolphus' Hochzeit bereits einmal gehört hatte, aber selbst dann nicht hätte benennen können, hätte sein Leben davon abgehangen. Sie war ziemlich lädiert. Automatisch trat Rabastan einen Schritt zurück. Quasti knurrte. „Ich ... ähm“, sagte er, ohne die Puderquaste aus den Augen zu lassen, „wir sollten uns um den Rohrbruch kümmern. Bevor uns noch irgendetwas um die Ohren fliegt.“ „Sicher, dass du hier bleiben willst?“, fragte Narcissa. „Nein“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Aber jemand muss es tun.“ Narcissa schüttelte den Kopf. Zwar glaubte er , ein leises „Gryffindors!“ gehört zu haben, doch immerhin hatte sie offenbar seinen Blick bemerkt. Jedenfalls verstaute sie ihre Puderquaste wieder in ihrem Umhang. Rabastan hörte Quasti noch zum Protest knurren, doch offenbar fehlte ihr die magische Energie, um mehr als ein paar silbrige Puderpartikel abzugeben, die zwischen ihnen durch die Luft schwebten. Er wedelte sie fort, dann fischte er seinen Zauberstab aus dem Wasser.   Es war nicht ein Rohrbruch, es waren sieben. Glücklicherweise hatte Peeves mehr Elan in das quantitative Ausmaß seiner Zerstörungswut gesteckt, als in das qualitative und so reichten ein paar Kurzzeit-Gefrierzauber und Reparo aus, um die geborstenen Rohre vorerst zu verschließen. Ohne weiteren Nachfluss erledigte das magische Abflussystem im Waschraum den Rest. Binnen weniger Minuten und einer Reihe von Evanescos war der Boden zwar nicht trocken, aber zumindest wieder betretbar. Nur für Myrtes Toilettenschüssel kam jede Hilfe zu spät. „Reparo!“, hörte er Narcissa hinter sich ein drittes Mal sagen, doch es klang nicht sonderlich überzeugt, weder von den Erfolgschancen, noch von der Aufgabe selbst. Leises Klicken ertönte, als sich Porzellanscherben zusammensetzten. Einen Moment lang folgte Stille, während der Rabastan der Scherbe, die vor seinen Füßen liegen geblieben war, einen skeptischen Blick zu warf. Die Scherbe wackelte kraftlos. Dann folgte das unvermeidliche Krachen, als die Scherben wieder auseinander barsten. Narcissa fasste das Ergebnis mit einem Wort zusammen, das sie so sicher nicht in ihrem Elternhaus gelernt hatte. Rabastan gab der Scherbe vor sich einen gut gezielten Tritt. Sie schlitterte über die Fliesen und stieß gegen eines der gemauerten Waschbecken, wo sie liegen blieb. „Gib es auf.“ Rabastan hörte ein leises Knurren, doch er vermied den Blick über seine Schulter. Manchmal glaubte er, Narcissas Puderquasten spürten Angst. Kopfschüttelnd hob er seinen Zauberstab, richtete ihn auf seinen Umhang und murmelte einen Trocknungszauber. Augenblicklich trat heiße Luft trat aus der Spitze seines Zauberstabs. Seine Haut unter dem Stoff kribbelte, als die Wärme langsam in ihn zurückkehrte. „Es war deine Idee“, antworte Narcissa ihm mit einem Tonfall, der dem Quastis erschreckend ähnlich war. „Du sagtest, wir sollten das Chaos beseitigen.“ „Ich sagte, wir sollten den Rohrbruch beseitigen“, korrigierte er sie und wiederholte den Zauber auf seiner Hose und den Schuhen. „Bevor das ganze Schloss schwimmt.“ „So schnell schwimmt das Schloss schon nicht.“ „Aber die Kerker.“ Statt einer Antwort hörte er, wie Narcissa nun selbst Trocknungszauber sprach, einen für ihre Haare, einen für jedes ihrer Kleidungsstücke und einen, der nur Quasti gelten konnte. Selbst die gemurmelten Zauberformeln klangen vorwurfsvoll. Unwillkürlich lief Rabastan ein kalter Schauer über den nun wieder trockenen Rücken. Er ließ den Zauberstab sinken. Eher zufällig fiel sein Blick auf die Kröte von vorhin. Mittlerweile lag auch sie wieder auf dem Trockenen. Einen Augenblick lang beobachtete er sie dabei, wie sie sich über die Fliesen schleppte, dann trat er kurzentschlossen auf sie zu. Mit dem fachmännischem Griff eines jungen Mannes, der als Kind sämtliches Getier, das er rund um Lestrange Manor hatte auftun können, nach Hause geschleppt hatte, griff er nach dem Tier und hob es hoch. „Du bist immer noch sauer“, stellte er fest, während er die Kröte beäugte. Dafür, dass sie vermutlich von einem Erstklässler ausgesetzt worden war, war sie ein überraschend hübsches Tier. Die grünen Streifen leuchteten förmlich auf der gelben Grundfärbung, als er sie ins Licht hielt. Hinter ihm schnaubte Narcissa. „Du nicht?“ Rabastan verzog das Gesicht, als habe sie ihm angeboten, eine Schnupperstunde Wahrsagen zu belegen. Sauer war vielleicht das falsche Wort, aber begeistert war er dennoch nicht. „Es ist ihre Entscheidung“, antwortete er, aber vermutlich hörte auch Narcissa die Lüge in seinen Worten. „Oh ja“, grollte sie. „Und was für eine.“ Eigentlich, das wusste Rabastan, hätte er Rodolphus verteidigen müssen, doch er brachte es nicht über sich. Allein die Erinnerung an den Tag während der Osterferien, an dem sein Bruder ihm eröffnet hatte, dass er beabsichtige, Bellatrix Black zu heiraten, hinterließ einen faden Nachgeschmack in seinem Mund. „Er hat sie doch nur wegen ihrem Namen geheiratet“, fuhr Narcissa fort. Irgendetwas klirrte, vermutlich eine weitere Porzellanscherbe. „Dabei passt er absolut nicht zu ihr. Er tut immer so höflich und freundlich, aber ich weiß ganz genau, wie er mich immer ansieht. Für ihn bin ich nicht mehr wert, als die Mitgift, die meine Familie mir mitgibt. Und Bella ist für ihn auch nicht mehr.“ „Du tust ihm Unrecht“, sagte er jetzt doch. Der fade Geschmack verschwand nicht von seiner Zunge. „Er will Großvater Arcturus' Platz im Gamot, das ist alles.“ „Er will irgendeinen Platz im Gamot, und den bekommt er auch ohne eine Ehe. Er ist ein Lestrange.“ „Und alle Lestranges drehen krumme Dinger, ich weiß.“ Rabastan öffnete den Mund, doch kein Ton kam heraus. Sein Blick glitt zu seinem Unterarm, wo sein Umhang das dunkle Mal verbarg. Er wusste, er hätte es leugnen können, doch es erschien ihm falsch. Die Kröte in seiner Hand quakte. Selbst sie klang anklagend. Kurzentschlossen ließ er die Hand sinken und stopfte die Kröte in seine Umhangtasche. Hinter ihm ertönte das leise Klackern von Narcissas Absätzen auf den Fliesen. „Tut mir Leid.“ Ihr Tonfall klang versöhnlicher. „Weißt du, ich würde mich zur Zeit nur sehr über ein krummes Ding freuen.“ „Willst du ihn so dringend loswerden?“, fragte er tonlos. „Nein, nicht ihn“, antwortete sie. „Einen Pfau.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)