Kirschblüten im November von Sakuran ================================================================================ Kapitel 6: Ein schmaler Grat (Tai) ---------------------------------- Ich habe es wirklich versucht, aber ich konnte diese brennende, alles verzehrende Wut einfach nicht mehr empfinden. Als ich meine Schwester mit ihm zusammen sah, wurde mir bewusst, wie unglücklich sie in den letzten Monaten gewesen sein musste. Wie blind ich doch gewesen bin. Blind vor Wut. In seiner Nähe glänzten ihre Augen und dieses Lächeln auf ihren Lippen war echt. Selbst wenn ich oftmals ziemlich begriffsstutzig im Hinblick auf zwischenmenschliche Beziehungen war, so wurde selbst mir an diesem Abend bewusst, dass meine kleine Schwester diesen Mann liebte. Ein Gefühl von Übelkeit machte sich in mir breit, denn wahrscheinlich war es auch Takeru, der meine Schwester aufrichtig liebte und ich bin es gewesen, der die beiden voneinander trennte. Mein Blick blieb an meinem Spiegelbild hängen und ich beobachtete mein müdes Gesicht. In meinen eigenen Augen konnte ich sooft meine Schwester wiedererkennen. Ich lächelte kurz und mein Augenmerk fiel auf ein Foto von Izzy, Mimi und mir, welches an meinem Spiegel hing. Nein, es war nicht allein meine Schuld, dass meine Schwester und Takeru keinen Kontakt mehr zueinander hatten. Dass ihre Liebe zerbrach. Dass meine Liebe zerbrach. Da war es wieder. Ich konnte in meinen Augen dieses verschwunden geglaubte Gefühl von Wut erkennen. Schnell griff ich nach meinem Motorradhelm und verließ meine Wohnung. Ich musste diese Gedanken endlich hinter mir lassen. Diese Mischung aus Schuld und Wut würde mich noch irgendwann auffressen. Ich stieg auf meine Maschine und fuhr so schnell, dass ich nicht länger die Möglichkeit hatte über alles nachzudenken. Der Himmel war klar an diesem Samstagvormittag, als ich das Camp oberhalb von Hinohara erreichte. Die zerklüfteten Spitzen des weitläufigen Gebirges und der Gipfel des Sengenrei zerschnitten den blauen Horizont, während der kühle Wind den Abschied des Sommers unweigerlich ankündigte. Ich ließ meinen Rucksack von der Schulter gleiten und fuhr mir durchs Haar. Einige Eltern verabschiedeten sich bereits von ihren Kindern und machten sich zurück auf den Weg ins Tal. Hier stand ich nun, alleine mit 8 Kindern im Alter zwischen 6 und 12 Jahren die jeweils ein krankes Elternteil zu Hause hatten. Ein ängstliches Seufzen konnte ich mir nicht verkneifen. Wie sollte ich das heute schaffen? Wollte mich nicht jemand unterstützen? Wo steckte denn Mimi? Hatte sie nicht noch groß herumgetönt, dass sie mir zur Seite stehen wolle? Doch anscheinend hatte die verwöhnte Göre keine Lust auf eine kalte Nacht im Dreck der Berge. Bei dem Gedanken, dass sie hier mit unzähligem Gepäck und einem Luxuswohnmobil aufschlagen könnte, musste ich laut lachen. Doch all mein Jammern würde mir jetzt auch nicht helfen. Also machte ich mich mit den Kindern an die Arbeit, die Zelte aufzubauen. Trotz der anstrengenden Tätigkeit war es deutlich zu spüren, dass die Kinder glücklich darüber waren einen Tag und eine Nacht hier draußen sein zu können. Weit entfernt von ihrer Verantwortung zu Hause und der schweren Last für ihre Eltern stark sein zu müssen. „So einen Blick habe ich noch nie in deinen Augen gesehen. Was ist das? Mitgefühl?“ Eine vertraute Stimme riss mich aus meinen Gedanken und etwas erschrocken drehte ich mich um. Mimi warf ihren großen Rucksack über die Schulter zu Boden und grinste mich frech an. „Wieso muss ich hier einen halben Kilometer bergauf laufen? Warum gibt es hier oben keine Bushaltestelle? Ich glaube, dass ich vom Tragen Blasen auf der Schulter habe!“ sagte sie empört und musterte die Kinder. Ich war völlig erstaunt, dass Mimi tatsächlich doch noch gekommen war und zwar ganz ohne die vermuteten 10 Koffer und dem Luxuswohnmobil. „In meinem Blick spiegelt sich lediglich das Mitgefühl für dein erbrachtes Opfer, deine 15 Paar Schuhe den weiten Weg hierauf zu tragen…“, ich lächelte sie an und hob ihren Rucksack auf. Einige der Kinder reihten sich neugierig um uns und starrten die hübsche junge Frau an. Mimi stellte sich höflich vor und startete sofort mit jedem einzelnen Kind ein Gespräch. Ich hätte nichts anderes von ihr erwartet, Mimi war schon immer gut im Umgang mit Kindern. Ohne Bedenken wendete ich mich von ihnen ab und trug Mimis Rucksack in unser Zelt. „Mit wem teile ich mir diese Hundehütte?“ „Ja, mit wem teilt sich Mimi-oneechan die Hundehütte?“, fragte die kleine sechsjährige Atsuko, deren Vater vor wenigen Wochen an einem Lungenkarzinom erkrankt ist. Mimi und die Kinder hatten ihre Köpfe durch den Eingang des Zeltes geschoben und beobachteten mich argwöhnisch. „Ich habe hier oben noch keine Hundehütte entdeckt, aber bis wir eine gefunden haben, darf Mimi gerne bei mir im Zelt übernachten.“ „Warum? Ich will, dass das hübsche Mädchen bei mir schläft!“, sagte Kato, ein zehnjähriger Junge dessen Mutter Brustkrebs hatte. „Weißt du Kato, ich möchte auch gerne bei einem so mutigen Jungen wie dir übernachten. Aber ich fürchte, dass du die anderen vor den wilden Spinnen und Mücken beschützen musst.“ Mimi tätschelte liebevoll seinen Kopf aber ich grinste zynisch. „Wer muss hier tatsächlich vor Spinnen und Mücken beschützt werden?“, grummelte ich und bekam prompt von Mimi einen Klaps gegen die Stirn. „Pass bloß auf, sonst suchen wir gleich eine Hundehütte für dich!“, konterte Mimi giftig, während sie ihre langen Haare in einem Zopf bändigte. „Jeder Ort mit dir, ist wie eine Hundehütte für mich.“, antwortete ich grinsend und zog ihr am Pferdeschwanz. „Und wenn du jetzt weiter so frech zu mir bist, werde ich dir in der Nacht tausende Spinnen in den Schlafsack stopfen. Also sei jetzt ein braves Mädchen.“ Ihre goldbraunen Augen spiegelten plötzlich eine gewisse Panik. „Schon gut, du hast gewonnen…“, murmelte sie leise und kam etwas näher an mich heran. „…aber es wäre neu für mich, dass du dir ein braves Mädchen wünscht.“ Ihre zweideutige Bemerkung ließ mich tatsächlich rot werden. Was war denn jetzt mit mir los? Plötzlich quälte mich der Gedanke, was da wohl nachts zwischen uns im Zelt laufen könnte. Schnell schüttelte ich meinen Kopf und verdrängte die Idee, dass sich diese seit Wochen zwischen uns bestehende hitzige Spannung heute Nacht entladen könnte. „Können wir zu dem Wasserfall gehen?“, fragte Riku ein achtjähriges Mädchen dessen Vater an Schilddrüsenkrebs erkrankt war. „Natürlich können wir das.“, antwortete ich freundlich und sah zu Mimi. „Möchtest du zuvor noch dein Outfit wechseln?“ „Ich dachte wir wollen brav zueinander sein?“, entgegnete sie mit einem herausfordernden Grinsen. „Ob du es glaubst oder nicht, ich habe nur dieses eine Outfit mit. Ansonsten nur Schlafzeug, Essen und Kosmetik im Rucksack.“ „Du hast recht, ich glaube dir nicht!“, entgegnete ich zweifelnd und beobachtete sie dabei, wie sie etwas aus ihrem riesigen Rucksack heraus kramte. Mimi warf mir eine Brotbox entgegen und streckte mir ihre rosafarbene Zunge heraus. „Ich habe uns Bentos zum Mittag gemacht. Denn sicherlich gibt es bei dir nur Instant-Nudelsuppen.“ Verdammt, woher wusste sie, dass ich wirklich nur Instant-Nudelsuppen dabei hatte? Mimi verteilte die bunten Boxen an die Kinder und diese packten sie pflichtbewusst in ihren Rucksack. Ich konnte es kaum fassen. Sollte das bedeuten, dass Mimi gekocht hatte? Ungläubig zog ich meine rechte Augenbraue rauf und überprüfte, ob die Kinder auch alles für unsere Wanderung dabei hatten. Ich selbst trug den Proviant für meine Freundin und mich. Der Weg verlief steil den Berg hinauf und die Luft wurde immer kühler. Immerhin befanden wir uns jetzt auf einer Höhe von knapp 800 Metern. Mimi lief neben mir und fröstelte etwas. Sie hatte eine kurze dunkelblaue Stoffhose an und ein weißes Shirt mit dreiviertel langen Ärmeln. Ich musste lächeln, denn der Gedanke daran, wie verrückt sich Mimi wegen dieser Nacht in den Bergen sicherlich im Vorfeld gemacht haben musste gefiel mir. Bestimmt hatte sie seit Tagen ein Outfit zusammengestellt. Ich war mir absolut sicher, dass es im Kleiderschrank der Modejournalistin gewiss keine Wanderschuhe gab. Doch jetzt hatte sie welche an den Füßen. Ebenso ein Schlafsack oder Trekkingrucksack gehörten mit Gewissheit nicht zu Mimis Freizeitgrundausstattung. Mir wurde bewusst, dass sie sich verdammt viel Mühe gegeben hatte, nur um mich zu unterstützen. Denn Mimi würde einen solchen Ausflug niemals freiwillig machen. In ihrem Gesicht konnte man bei jedem Grashalm, der ihr an der Wade kitzelte oder jedem Käfer, der ihr in die Haare flog sehen, wie sehr sie es hasste. Und doch konnte man ihre Freundlichkeit gegenüber den Kindern überall spüren. Ich zog meinen Pullover aus und stülpte ihn Mimi über den Kopf. „Danke, dass du hier bist.“ sagte ich leise. Mit großen Augen sah sie mich an und schlüpfte durch meinen wahnsinnig teuren Hugo Boss Pullover aus ägyptischer Baumwolle. Das laute Rauschen des Wasserfalls drang in unser Gehör, als Mimi plötzlich meine Hand ergriff. „Ich danke dir, so etwas Schönes habe ich noch nie gesehen…“, sie schmiegte sich an meine Schulter und schon wieder war es dieses merkwürdige Kribbeln im Bauch, das mich rot werden ließ. Die Kinder stürmten zu dem kleinen See, der sich unterhalb des Wasserfalls gebildet hatte. Das Wasser schimmerte abwechselnd blau und grün. Über die nassen Felsen schlängelten sich saftige Pflanzen und dünne Ahornbäume säumten die Spitzen der Felsen. Einige Blätter hatten sich bereits golden verfärbt und segelten wie kleine Schiffchen auf der unruhigen Wasseroberfläche. „Du bist ein guter Mensch, weil du diesen Kindern die Möglichkeit gibst für einen Moment frei von ihren Sorgen zu sein.“, Mimi löste sich von mir und beobachtete die Kinder, die am Wasser spielten. „Du fängst etwas Sinnvolles mit deiner Zeit und deinem Geld an. Ich selbst fühle mich oft völlig verloren, ohne Ziel und Aufgabe in meinem Leben.“ Das was sie mir sagte, kam mir so vertraut vor. Denn auch ich hatte diese Phase im Leben, zu der ich nichts mit mir und meiner Zeit anzufangen wusste. Ich seufzte leise und legte meinen Arm um sie. „Es ist nie zu spät für uns, etwas zu verändern. Du musst nur auf dein Herz hören, es sagt dir schon was du zutun hast.“, ich unterbrach meinen Satz und blickte betroffen auf den Boden, der bereits voller goldfarbener Blätter war. „Auch wenn es schwer fällt und wir uns sehr verbiegen müssen, am Ende werden wir nicht zerbrechen. Letztlich bestimmen wir über unser Schicksal und sind dabei stärker als wir denken.“ Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen, zu sehr fürchtete ich, dass ich sie mit meinen Worten verletzt haben könnte. „Die Vergangenheit ist alles was wir waren, sie muss uns aber nicht zu dem machen, was wir heute sind.“, ihre Worte trafen mich unverhofft mitten ins Herz und ergriffen sah ich zu ihr. „Mimi…“, flüsterte ich, außerstande auch nur irgendetwas zu sagen. Wenn sie nur wüsste, wie meine Vergangenheit aussah und dass ich gewiss nicht dieser zutiefst gute Mensch gewesen bin, für den sie mich hielt. Diese Zeit in meinem Leben, zu der einfach alles am seidenen Faden hing. Eine Zeit in der ich verloren und hoffnungslos auf die Scherben vor meinen Füßen starrte, unfähig auch nur einen Schritt vorwärts zu machen ohne mich zu schneiden. „Können wir etwas essen?“, die Stimme von Kato holte mich prompt zurück in die Gegenwart. „Ja klar, lasst uns hier eine Pause machen.“, antwortete Mimi und setzte sich mit den Kindern auf einen kleinen Felsvorsprung. Die Sonne verschwand allmählich hinter den Bergen im Westen. Nur noch wenige Touristen teilten sich den Platz am Wasserfall mit uns, als wir unser Mittagessen auspackten. Die Kinder lachten über die merkwürdig unsymmetrischen Formen der Onigiri, aber es schmeckte hervorragend. Der Rückweg zum Camp führte uns an einigen atemberaubenden Aussichtspunkten vorbei. Auf einer kleinen Lichtung forderten mich die Jungs zum Fußballspiel heraus. Die Mädchen wollten lieber mit Mimi einige Blumen pflücken. Ich selbst unterdrückte immer wieder mein Verlangen nach einer Zigarette. Es wäre wohl sehr unpassend gewesen in der Gesellschaft von Kindern, mit krebskranken Eltern, zu rauchen. „Ich möchte aber auch Blumen pflücken…“ sagte Hiroki, ein achtjähriger Junge, dessen Vater zum zweiten Mal an Krebs erkrankt war. Die anderen Jungs zogen ihn natürlich damit auf und machten dumme Witze. „Auch echte Männer müssen Blumen pflücken können. Denn so ein hübsches Mädchen wie Mimi gibt sich nur mit einem Mann ab, der ihr wunderschöne Blumen schenkt.“, ich zwinkerte den Jungs zu und schoss den Fußball gekonnt über meine Schulter. Plötzlich traf mich der Ball am Kopf. Er musste irgendwo abgeprallt sein und hatte mich nun selbst erwischt. Kleine tanzende Sterne vernebelten mein Sichtfeld. „Oh Gott, alles in Ordnung?“, fragte mich Mimi und kam sofort zu mir gelaufen. Vorsichtig tastete sie mir über den Hinterkopf und ich hörte deutlich, wie sie sich ein lautes Lachen verkneifen musste. „Schon gut…“ knurrte ich und beobachtete besorgt den Himmel. Einige dunkle Wolken zogen sich gefährlich schnell an den Spitzen der Berge zusammen. „Es sieht nach Regen aus…“, sagte Mimi und just in diesem Moment dröhnte das laute Grollen eines Donners in der Ferne. „Oh Scheiße!“, entfuhr es mir besorgt. „Scheiße sagt man nicht!“, kreischte Harumi, als der Zehnjährigen die ersten Regentropfen aufs Haar prasselten. Es war zu spät, wir gerieten mitten in das Gewitter und kamen letztlich pitschnass im Camp an. Obwohl ich gedacht hätte, dass die Stimmung kippen würde, lachten die Kinder mit Mimi über ihre verrückten Sturmfrisuren. Ich ging mit den Jungs in deren Zelt und Mimi kümmerte sich um die Mädchen. Der Regen trommelte ohrenbetäubend auf die Zeltwand, während ich mit einem Handtuch versuchte die Haare von Hiroki zu trocknen. Nachdenklich musterte ich den kleinen Menschen vor mir und ein beklemmendes Gefühl machte sich in meiner Brust breit. Kaum vorzustellen, aber ich hätte jetzt auch ein Vater sein können. Der Vater eines achtjährigen Sohnes. Wie ungerecht diese Welt doch war. Warum schenkte sie Hiroki keinen gesunden Vater? Einen Vater, mit dem er hätte Fußball spielen können? Einen Vater, der ihn in seinen Armen halten und vor dem Gewitter beschützen könnte? Meine Hände ruhten auf seinem Haar und ich schluckte hart. So wie diese Welt Hiroki keinen gesunden Vater schenkte, hatten wir einem kleinen unschuldigen Wesen ein Leben in dieser Welt verwehrt. Mir wurde übel bei dem Gedanken, was wohl meine gerechte Strafe dafür sein würde. Denn letztlich hätte ich es wohl verdient so krank zu sein und nicht Hirokis Vater. „Der Regen hat aufgehört, wollen wir ein kleines Lagerfeuer machen und zu Abend essen?“, fragte Mimi und riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Hiroki kroch unter meinen Händen hervor und folgte den anderen Kindern nach draußen. Mimi kniete sich hin und betrachtete mich besorgt. „Alles in Ordnung Tai?“ Ich legte das Handtuch beiseite. „Ja, alles in Ordnung.“, sanft lächelte ich sie an und kümmerte mich schließlich um das Feuer. Zum Abendessen gab es lediglich eine Instant-Nudelsuppe, aber das kleine Feuer vor unseren Zelten war das absolute Highlight für die Kinder. Die Luft hatte sich nach dem Regen deutlich abgekühlt. Die Sonne war inzwischen verschwunden und der Tag wich allmählich der Nacht. Mimi ging schließlich mit den Mädchen ins Waschhaus und machte die kleinen Gören für das Schlafen fertig. Ich selbst begleitete die Jungs. Ich zeigte ihnen wie sich richtige Männer duschten. Ein echter Mann kannte seine Schmutzstellen und wusch sich effizient – das bedeutet: hohe Wirksamkeit mit verhältnismäßig wenig Aufwand. Nach bereits 15 Minuten lagen die Jungs schlafend in ihrem Zelt. Ich saß völlig erschöpft am Lagerfeuer, als Mimi zu mir kam und grinste. „Ein Pullover von Hugo Boss zum Wandern? Ich frage mich, wer inzwischen die Prinzessin von uns beiden ist.“, sie warf mir meinen Pullover entgegen. Ich glaubte ich hörte nicht richtig. Augenblicklich holte ich aus und schlug ihr mit einem breiten Grinsen auf den Hintern. „Was fällt dir ein?“, zischte Mimi entrüstet und sprang auf meinen Schoß. „Ich glaube du hast den Verstand verloren, nachdem dir der Ball dein kleines Hirn durch die Schädeldecke geschleudert hat!“, fuhr sie fort und versuchte mir gegen die Brust und den Oberarm zu boxen. Ohne Probleme hielt ich ihren Attacken stand. Ich packte schließlich beide Hände von ihr und presste sie hinter ihrem Rücken zusammen. Außer Atem hielt Mimi inne und sah mich an. Als sich unsere Blicke im flackernden Schein des Feuers trafen, kam eine seltsame Stille zwischen uns auf. Ich konnte nicht davon ablassen in ihre goldenen Augen zu sehen. Diese Frau auf meinem Schoß war einfach perfekt. Ihre langen mahagonifarbenen Haarsträhnen, die sich in der Spitze lockten. Ihre tiefschwarzen Wimpern, welche den Kranz ihres Augenlides säumten. Ihre kirschroten Lippen, die meinen so verdammt nahe waren. Es war nur ein schmaler Grat, der unsere Lippen voneinander trennte. Ich spürte, wie sich Mimis Körperspannung löste und ihre Finger in meiner Hand nachgaben. In meinem Kopf brüllte diese Stimme die mir sagte, wir müssten damit aufhören. Mein Herz das schrie, ich dürfte diese Gefühle für Mimi auf keinen Fall zu lassen und doch kam ich nicht dagegen an. Ich schloss meine Augen, dazu bereit sie endlich an mich zu drücken und zu küssen. „Tai, wir sollten das nicht tun.“ Das Beben in ihrer Stimme brachte mich ins Stocken. Ich öffnete vorsichtig meine Augen, unfähig ihr ins Gesicht zu sehen. Mimi löste sich von mir und setzte sich mit dem Rücken vor mich hin. Ihre Beine zog sie dicht an ihren Körper und beobachtete die unruhig tanzenden Flammen des Feuers. Die Finsternis der Nacht hüllte uns in unbehagliche Stille und ich wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ein Kuss zwischen uns hätte zu nichts geführt. Er hätte womöglich nur alte Narben aufgerissen. „Es tut mir leid.“, sagte ich leise und beugte mich nach vorne, damit ich ihre Schulter berühren konnte. Sie schmiegte ihren Kopf an meine Hand. „Lass uns schlafen gehen. Der Tag war ziemlich anstrengend…“, ihre Antwort stimmte mich nicht glücklich. Aber wahrscheinlich war es besser, jetzt nicht über diese Situation zwischen uns zu sprechen. Wir löschten das Feuer und schlüpften in mein Zelt. Ich legte mich auf den Rücken und Mimi platzierte sich neben mir. In der Dunkelheit schwiegen wir und wussten doch, dass keiner von uns Schlaf finden würde. Das Schicksal ereilt uns oft auf den Wegen, die wir eingeschlagen haben, um ihm zu entgehen. (Jean de La Fontaine) Ich bemerkte plötzlich ihre Hand auf meiner Wange. Mimi hatte sich zu mir gedreht und stützte sich auf ihrem Unterarm ab. Ihre zarten Finger fuhren von meinem Gesicht hinab zu meinem Hals. Bis sie sich schließlich gänzlich über mich beugte und ich ihren heißen Atem auf meinen zitternden Lippen spüren konnte. Sie küsste mich. Es war ein vorsichtiger Kuss und doch spürte ich ihre Sehnsucht. Ich zögerte keine einzige Sekunde und erwiderte ihre liebevolle Geste. Ich schloss meine Augen und legte beide Hände auf ihren Hinterkopf. Hingebungsvoll zog ich sie dicht zu mir, was Mimi dazu zwang auf mich zu klettern. Ihre Beine platzierte sie neben meiner Hüfte und der leichte Druck ihres Gewichtes gab mir Gewissheit, dass ich nicht träumte. Mein Herz raste und ich konnte dieses unbeschreibliche Gefühl kaum aushalten. Ich fühlte mich, als würde ich ertrinken. Unter ihren Lippen flammte etwas in mir auf, was ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gespürt habe. Unser Kuss wurde wilder. Ich rang zwischendurch immer wieder nach Atem. Meine Hände glitten langsam nach unten und schoben sich unter ihre Strickjacke. Ich konnte ihre Gänsehaut unter meinen Fingerspitzen spüren. Kurz zögerte ich und löste meine Lippen von ihr. „Du sagtest, wir sollten das lassen…“, keuchte ich mit dem letzten Verstand, der mir noch geblieben war. „Sag mir, dass du es nicht willst. Dann werde ich sofort….“, doch ich ließ sie nicht ausreden. „Alles was ich will bist du!“, hastig zog ich sie zu mir und raunte ihr diese letzten Worte ins Ohr, bevor ich ihr die Strickjacke samt Shirt vom Oberkörper streifte. Mimi ließ es bereitwillig geschehen und tat es mir gleich. Unsere Lippen trafen sich gierig, während ihre weichen Handflächen über meine angespannte Brust tasteten. So kannte ich mich überhaupt nicht, völlig nervös und ängstlich irrten meine Hände über ihren nackten Rücken. Ich wagte es nicht, sie woanders zu berühren. Ich konnte Mimi kaum erkennen in dieser Dunkelheit. Die Nacht schien nicht nur unsere Augen erblinden zu lassen. Ich wollte nicht länger vernünftig und stark sein. Es war mir egal, ob wir nach dieser Nacht erneut ins Verderben stürzen würden. Einzig und allein dieser Moment mit ihr zählte. Meine Sehnsucht nach ihr war so überwältigend, dass ich nicht länger standhalten konnte. Meine Hände glitten unter ihre Pyjamahose und schoben diese sachte nach unten. Mimi öffnete ebenfalls den Saum meiner Jogginghose und half mir dabei, mich davon zu befreien. Unsere Körper schmiegten sich hitzig aneinander und ich konnte ihren bebenden Herzschlag tief in meinem Bauch spüren. Meine Hände zitterten aufgeregt, als wäre dies unser erstes Mal. Zärtlich streichelte ich über ihren nackten Rücken, hinab zu ihrem Po und an der Seite ihres Oberschenkels wieder hinauf zu ihrem Bauch. Meine Hand ruhte kurz auf ihrem Nabel, um dann zielstrebig weiter hinauf zu wandern. Sanft umschlossen meine Finger ihre Brüste und ich löste keuchend unseren Kuss. Alles passierte so schnell, dass ich es gar nicht fassen konnte, dass wir wirklich drauf und dran waren, miteinander zu schlafen. Ich tastete in der Dunkelheit nach meinem Rucksack, um hoffentlich ein paar Kondome zu finden. Während meiner Suche stieg Mimi von mir ab und legte sich auf ihren Rücken. Stumm zog sie mein Gesicht zu sich und küsste behutsam meinen Hals. Ihre Schenkel schlang sie um mich und begann ihre heiße Mitte gegen meinen Bauch zu drücken. Ich keuchte erregt und kniff meine Augen zusammen. Diese Frau machte mich vollkommen willenlos. Es war beinahe eine Erlösung, als ich den glatten Blister zwischen meinen Fingern spürte und mir das Kondom endlich überstreifen konnte. Mit Kraft stemmte ich meinen Körper gegen ihren und drückte sie somit zurück auf den Rücken. Meine Hände fuhren unter ihren Hinter und hoben ihr Becken etwas an. Ich zögerte. Um Gotteswillen ich zögerte wie ein unerfahrener Schuljunge. Fahrig griffen ihre Finger in meinen Nacken und zogen meinen Kopf etwas nach hinten. Mimi presste ihre Lippen an meinen Hals und ich spürte ihre Zähne auf meiner Haut. Nach und nach kam sie meinem Ohr immer näher. Zärtlich liebkoste ihre Zunge mein Ohrläppchen während sie mir mit ihrer süßlichen Stimme etwas ins Ohr hauchte. „Hör auf zu denken…ich will dich.“ Ohne weiter einen Gedanken zu verschwenden ließ ich es geschehen. Ich nahm einen tiefen Atemzug und drang in sie ein. Mimi nach all den Jahren so intensiv zu spüren übermannte mich regelrecht und ich stöhnte erstickt auf. Ihre Finger krallten sich sofort in meinen Nacken. Ich hörte ihren unruhigen Atem unter jeder meiner Bewegungen erzittern. Meine Arme schlang ich um ihren Oberkörper. Daraufhin schmiegte sie sich dichter gegen meinen. Ihre Füße kreuzten sich hinter meinem Rücken und drückten mich tiefer in sie. Mein Puls raste und ich konnte kaum noch an mich halten. Was geschah hier nur mit mir? Mein Atem wurde immer schwerer und der Geruch ihres Schweißes, der sich mit meinem vermischte erregte mich nur noch mehr. „Oh Gott Tai…“, raunte Mimi und besiegelte damit ihr Schicksal. Ich konnte es beim besten Willen nicht länger aushalten. Diese Frau steckte mich lichterloh in Flammen und mein Höhepunkt überwältigte mich viel zu früh für meine Verhältnisse. Jeder Muskel, jede Sehne, jede Faser in meinem Körper zog sich rhythmisch zusammen und mit einem erlösenden Stöhnen ließ ich mich auf sie sinken. Meine beiden Hände legte ich auf ihre und glitt mit meinen Fingern zwischen die von Mimi. In meinem Kopf war alles wirr durcheinander. Ich konnte kein einziges Wort sagen oder einen klaren Gedanken fassen. Ich konnte mich lediglich in diesem Moment treiben lassen. Ihre Nähe und dieses vollkommene Gefühl von Glückseligkeit genießen. Nach einigen Minuten richtete ich mich auf und streichelte ihr einige Haare aus dem Gesicht. Was hätte ich jetzt darum gegeben sie zu sehen? Einen flüchtigen Blick auf ihre Augen zu erhaschen. Doch es war einfach zu dunkel im Zelt. Ich würde wohl nie erfahren, ob sich Mimi auch nur ansatzweise so glücklich fühlte wie ich. Als ich mich neben sie legte und Mimi sofort in meine Arme gekuschelt kam wurde mir bewusst, dass jeder Mensch nur einmal dem Menschen seines Lebens begegnet, aber nur wenige erkennen diesen Menschen rechtzeitig. Ob wir beide und irgendwann erkennen würden? Mit einem zufriedenen Lächeln küsste ich ihre Stirn und legte meine Hand auf ihre Schulter. „Hugo Boss und Kondome auf einem Wanderausflug? Ich glaube, dass wir uns morgen dringend unterhalten müssen…“, ihre zarte Stimme durchbrach die angenehme Stille zwischen uns. Ich hatte meine Augen bereits geschlossen und musste über ihre Anmerkung lachen. „Und wenn wir schon dabei sind, sollten wir auch darüber sprechen, was für ein ungezogenes Mädchen du bist obwohl du versprochen hattest brav zu sein.“ „Gute Nacht Tai…“, flüsterte Mimi kichernd und küsste mich zärtlich auf die Lippen. „Es wird die beste meines Lebens mit dir in meinen Armen, Prinzessin.“ Sie in meinen Armen zu halten, ihren Körper dicht bei mir zu spüren, ihren Atem gleichmäßig zu hören gab mir so viel Sicherheit, dass ich sofort einschlafen konnte. Diese Zeit mit ihr war bereits so lange her und doch fühlte es sich genauso intensiv wie damals an. Als wäre kein einziger Tag vergangen, als wären wir nicht älter geworden. Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten meine Haut und ich schlug langsam meine Augen auf. Etwas benommen rieb ich mir über das Gesicht. Hatte ich das alles nur geträumt, oder war das letzte Nacht tatsächlich passiert? Ich schlug meinen Schlafsack zur Seite und erblickte meine makellose nackte Schönheit. Ein breites Grinsen machte sich auf meinen Lippen breit. Es war also kein Traum. Doch wo steckte die Frau, die mich letzte Nacht so hinterrücks überfallen hatte? Mimi war nicht mehr im Zelt. Panik schnürte mir den Hals zu. Vielleicht war es Mimi doch klar geworden, dass es ein großer Fehler war. Ich zog mir etwas an und ging nach draußen. Der frühe Morgen hüllte alles in andächtige Stille. Die Kinder schliefen noch und andere Menschen waren auch weit und breit noch nicht zu sehen. Ich fühlte mich furchtbar. Sicherlich war Mimi Hals über Kopf aufgebrochen. Was hatte ich auch erwartet? Nach allem was zwischen uns passiert war, wie hätte ich da denken können, dass wir jemals wieder hätten zueinander finden können? In einem schwachen Moment haben wir uns unseren Gefühlen ergeben, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. „Suchst du etwas?“, ihre Stimme hallte in meinem Ohr wieder. Ich konnte es überhaupt nicht fassen, dass sie plötzlich hinter mir stand. Meine Augen müssen mein Entsetzen wohl sofort gespiegelt haben, denn Mimi legte mir besorgt ihre Hand auf die Wange. „Es ist alles in Ordnung zwischen uns….keine Sorge.“, flüsterte sie sanft und sah mich ängstlich an. Ich griff sofort ihre Hand und zog sie fest in meine Arme. Der Gedanke, dass ich sie schon wieder verloren haben könnte lähmte mich. Sehnsüchtig presste ich meine Lippen gegen ihre. Ich schloss meine Augen und hoffte so sehr, dass dies keine Einbildung war. „Bitte bleib…“, hauchte ich gegen ihre Lippen. „Ja, dieses Mal bleibe ich…versprochen.“, antwortete sie irgendwie traurig und küsste mich erneut. Die Kinder unterbrachen schließlich unser inniges Beisammensein und forderten ihr Frühstück. Mimi und ich mussten uns den restlichen Nachmittag anhören, wie dämlich wir beim Knutschen aussahen. Aber solange die Kinder ihren Spaß hatten, stimmte es mich zufrieden. Nach dem Frühstück bauten wir die Zelte ab und packten alle Sachen zusammen. Nach und nach trafen die Eltern ein und holten ihre Kinder ab. Sie waren sehr dankbar dafür, dass wir etwas Zeit mit ihren Kindern verbracht hatten und die strahlenden Augen der kleinen Quälgeister zeigten, das sich unsere Mühe gelohnt hatte. Am Nachmittag hatten auch Mimi und ich alles zusammen gepackt und machten uns auf den Heimweg. „Soll ich dich nach Hause bringen?“, fragte ich und legte meinen Rucksack auf mein Motorrad. „Schon gut, du hast doch keinen zweiten Helm dabei…“, Mimi winkte lächelnd ab. Ich klappte die Sitzbank hoch und drückte ihr meinen zweiten Helm in die Hand. „Also jetzt müssen wir wirklich reden. Hugo Boss, Kondome und einen Ersatzhelm der auf den zierlichen Kopf einer Frau passt?“, strafend fixierten mich ihre goldenen Augen. Ich lächelte peinlich berührt, denn sie hatte mich wohl ertappt. „Also gegen meinen Klamottenstil gibt es nichts einzuwenden. Kondome hatte ich dabei weil ich, um ehrlich zu sein, vielleicht ein kleines bisschen damit gerechnet hatte, dass du in der Romantik der Berge, des Zeltes und meines atemberaubenden Körpers schwach werden und mich vernaschen könntest. Und den Helm habe ich mitgenommen, weil ich dich sowieso nach Hause gefahren hätte.“ Mimi lachte laut. „Du hast also damit gerechnet? Es war alles von langer Hand geplant? Wer von uns beiden ist hier nicht brav gewesen?“ Ihre glücklichen Augen strahlten mir ins Gesicht. Mein gesamter Körper kribbelte von den Füßen bis in die Nasenspitze. Sie tat mir gut. Egal was da noch kommen würde, aber im Moment war Mimi gut für mich. Ich versuchte Mimi und unser Gepäck auf meinem Motorrad unter zu kriegen. Irgendwie schaffte ich es tatsächlich und wir fuhren gemeinsam zurück nach Tokyo. Auf dem Heimweg hielt ich mit ihr auf einer kleinen Aussichtsplattform, von der aus man ins Tal und fast bis nach Tokyo blicken konnte. Die Sonne schien zwar, aber der Wind hatte etwas aufgefrischt und unzählige Blätter flogen uns um die Ohren. Mimi war bereits vor gelaufen und lehnte sich über das Geländer. Ich sah auf meine Füße und wischte das Laub etwas beiseite. Dabei fiel mir auf, dass sich eine dünne Linie gebildet hatte, auf der kein einziges Laubblatt lag. Ich verfolgte mit meinen Augen den Verlauf und sah, dass Mimi am Ende stand. Es war ein schmaler Grat zwischen uns. Wenn ich diese tiefen Gefühle für dich wieder zulasse und es nicht klappen sollte, werde ich durchdrehen. Ich könnte das alles nicht noch einmal durchstehen. Sooft bewegen wir uns auf einem schmalen Grat zwischen Kämpfen und Verlieren, Liebe und Freundschaft, Hoffen und Aufgeben. Wir beide haben letzte Nacht diesen schmalen Grat, der uns noch voneinander trennte endgültig überschritten. Wir haben etwas entfesselt, von dem ich mir nicht sicher bin, ob wir beide das überstehen können. Wer hätte gedacht, dass du – meine Prinzessin – sehr bald die Einzige sein würdest, die mich auf diesem schmalen Grat zwischen Leben und Tod begleiten wird? Diejenige, die mich mit aller Kraft auf diesem schmalen Drahtseil aufrecht hält? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)