Kirschblüten im November von Sakuran ================================================================================ Kapitel 7: Schatten der Vergangenheit (Mimi) -------------------------------------------- Was ist das, was uns ständig über Wasser hält? Warum geben wir nicht einfach auf und ertrinken in unserer Verzweiflung? Du und ich kämpfen so verbissen gegeneinander an, obwohl wir genau wissen, dass sich unsere Wege immer wieder kreuzen werden. Selbst wenn ich es versuche, ich kann das Meer zwischen uns nicht teilen. Ich kann aber auch das Ufer nicht erreichen und dich einfach hinter mir lassen. Gestern Nacht habe ich mich treiben lassen, in diesem unendlichen Ozean aus Sehnsucht und Furcht. Ungeachtet der Konsequenzen gab ich auf, gegen die Strömung anzukämpfen. Stattdessen habe ich mich dir hingegeben. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, wir beide wissen das. Ich hoffe inständig, dass es mir dieses Mal gelingt den Kopf über Wasser zu halten und nicht zu ertrinken. Ich schmiegte meinen Kopf gegen seinen Rücken und der Fahrtwind peitschte mir durchs Haar. Meine Hände vergruben sich zwischen den harten Brustmuskeln von Tai und ich konnte seinen Herzschlag durch die Lederjacke spüren. Unbeirrt verweilte sein Blick konzentriert auf der Straße. Der Tacho bewegte sich ähnlich wie sein Puls, stets zwischen 180 und 200. Doch ich spürte zu keinem Zeitpunkt Angst. In seiner Nähe fühlte ich mich sicher. Ich wusste, dass er mich unbeschadet nach Hause bringen würde. „Hey Prinzessin, wir sind da…“, seine raue Stimme erstickte unter dem Visier seines Helms und holte mich zurück in die Realität. Ich nahm meine unbequeme Kopfbedeckung ab und glitt mit den Fingern durch meine langen Strähnen. „Danke…“, sagte ich verlegen und wusste nicht so richtig, wie wir uns voneinander verabschieden sollten. Die letzte Nacht hatte es zwischen uns nicht leichter gemacht. Wie sollten wir von nun an miteinander umgehen? Wir standen uns wie zwei ahnungslose Kinder gegenüber. So vieles war ungesagt und wir wussten weder vor noch zurück. „Soll ich vielleicht mit hoch kommen?“, fragte er und ich hörte deutlich eine gewisse Unsicherheit in seiner Stimme. Tai saß noch auf seinem Motorrad und hatte ein Bein auf der Straße abgesetzt. Sachte lehnte ich mich gegen ihn und die Maschine, während er seinen Helm absetzte. „Was würde denn passieren, wenn du mit hoch kommst? Ich muss morgen ziemlich früh raus, weil ich auf Dienstreise nach Osaka muss.“, sagte ich und grinste süffisant während mich seine dunkelbraunen Augen auf eine ungewohnt begehrende Weise ansahen. „Wenn ich mit rauf käme, würdest du definitiv nicht früh aufstehen. Wahrscheinlich könntest du morgen überhaupt nicht mehr aufstehen, wenn ich mit dir fertig bin….“, antwortete er unverschämt und mir stockte der Atem bei seiner eindeutigen Ansage. Dieses Kribbeln machte sich schon wieder in meiner Magengrube breit und plötzlich spürte ich seinen heißen Atem überall auf meinem Körper. Genauso wie letzte Nacht. Seine Fingerspitzen die sich in meine Haut einbrannten und ich hätte nichts lieber getan, als dort weiter zu machen, wo wir gestern aufgehört hatten. Ich sehnte mich so sehr nach seinem Körper, seinen alles verzehrenden Küssen und seinem sinnlichen Duft. Eine Mischung aus Vanille und Bergamotte. Tai fuhr mir zärtlich über die Wange und küsste genüsslich meine Schläfe. „Du wirst rot…“, flüsterte er mir ins Ohr. Beschämt blickte ich zu Boden und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. „Ich muss morgen wirklich fit sein….“, stotterte ich wie ein kleines Mädchen. „Schon gut. Wann bist du wieder zurück?“, fragte er mit einem freundlichen Lächeln. „Mittwoch…“, antwortete ich unüberlegt. „Dann sehen wir uns wie gewohnt zum Essen? Wie jeden Mittwoch? Wir und Izzy?“ Völlig berauscht von den lebendigen Erinnerungen an die letzte Nacht nickte ich nur stumm auf seine Fragen. Taichi beugte sich zu mir und hauchte mir einen heißblütigen Kuss auf die Lippen. Seine Finger fuhren unter mein Kinn und zogen mich etwas näher zu sich. Seine Zunge drang fordernd in mich ein und ich konnte nicht anders als sofort meine Arme um seinen Nacken zu legen. Genüsslich schloss ich meine Augen und seufzte sehnsüchtig in unseren Kuss. „Soll ich wirklich nicht mit hoch kommen?“, keuchte er und löste sich langsam von mir. Ich schüttelte lächelnd meinen Kopf und leckte mir den süßen Rest seines Kusses von den Lippen. „Okay. Melde dich, wenn du gut in Osaka angekommen bist Prinzessin.“, sagte er und setzte seinen Helm auf. Ich nickte und Taichi startete den Motor. Mit einem lässigen Zwinkern verabschiedete er sich und fuhr an mir vorbei. Ich stand noch einen kurzen Moment auf der Straße vor meinem Appartement, und sah ihm hinterher. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Meine Finger tasteten vorsichtig über meine noch immer brennenden Lippen. Der Wind fuhr mir durchs Haar und ich fing an zu zittern. Ein zögerliches Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. Der Sommer war vielleicht vorbei, aber etwas Neues hatte gerade erst begonnen Selbstverständlich konnte ich mich die nächsten Tage überhaupt nicht auf meine Arbeit konzentrieren. Wir besuchten ein aufstrebendes Modelabel und wollten eine größere Serie über die kommende Kollektion in unser Magazin bringen. Meine Gedanken hingen ständig an dieser Nacht mit Taichi. Eigentlich ist es nichts Besonderes gewesen. Der Sex war eher mittelmäßig und überhaupt nicht das, was ich von ihm - dem Weiberhelden - erwartet hätte. Ich schämte mich dafür, dass ich ihn irgendwie verführt habe. Selbst heute konnte ich nicht in Worte fassen, was da über mich kam. Dieser Mann, der mir einst so nah war schien plötzlich so fern. Er war ein eiskalt kalkulierter Rechtsanwalt geworden, der wohlwissend straffällige Verbrecher freikaufte, damit sie ihm etwas schuldig waren. Auch wenn er diesen Vorteil für etwas Wohltätiges nutzte fiel es mir schwer, seinen unbändigen Sinn nach Gerechtigkeit zu erkennen. Denn genau dieses unvergleichbare Streben nach Gerechtigkeit war es, was Taichi für mich zu einem so wertvollen Menschen machte. An diesem Wasserfall sagte er mir, dass es nie zu spät sei sich zu ändern. Mich ließ dieser Gedanke nicht los, dass es etwas in Taichis Vergangenheit gab, von dem ich nichts wusste. Ein tiefschwarzes Kapitel, was er gekonnt vor mir zu verbergen versuchte. Ich kannte ihn als starken, leidenschaftlichen, mutigen und kämpferischen Mann. Was ist passiert, dass nur so wenig davon übrig geblieben ist? Egal was irgendwann einmal zwischen Taichi und mir geschehen ist, ich möchte nicht, dass es ihn heute immer noch so sehr quält. Denn ich fühlte mich nach dieser gemeinsamen Nacht mit ihm glücklich. Seit Monaten hatte ich wieder Appetit und konnte richtig essen. Ich schlief die Nächte durch, ohne Alpträume. Stattdessen begleiteten mich die Erinnerungen an ihn mit ins Bett. Seine Hände auf meinem nackten Rücken, seine Lippen auf meiner Haut, sein Atmen in meinem Nacken und dieses Gefühl in seinen Armen zu liegen. Taichi schrieb mir mehrmals am Tag eine Nachricht und abends telefonierten wir wie zwei verliebte Teenager. Keiner von uns sprach auch nur ansatzweise an, was da im Zelt zwischen uns gelaufen ist. Vielleicht wäre es am Telefon auch kein sonderlich gutes Thema gewesen. Aber ich hatte momentan nicht das Bedürfnis, irgendetwas zu definieren. So wie es war fühlte es sich gut an und über mehr wollte ich überhaupt nicht nachdenken. Doch die Realität war gnadenlos und bereits auf dem Heimweg am Mittwochabend wurde mir schlagartig bewusst, dass ich mich sehr wohl früher oder später damit auseinandersetzen musste, was das zwischen mir und Tai werden sollte. Denn es gab noch jemanden in meinem Leben. Während ich erstarrt aus dem Fenster des fahrenden Zuges sah, zog die friedvolle Landschaft an mir vorbei. In der Ferne konnte ich die aufziehenden Regenwolken erkennen, welche sich im schwindenden Sonnenlicht zinoberrot färbten. Es sah so aus, als würde dieser spätsommerliche Abend unter einer gigantische Feuerwalze begraben. Plötzlich fielen winzig kleine Schneeflocken vom Himmel. Irritiert schüttelte ich den Kopf und rieb mir die Augen. Was war nur mit mir los? Woher kamen diese Erinnerungen an diese Nacht in den Bergen? Weshalb sah ich jetzt sein Gesicht vor mir. ❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈ An diesen eiskalten Tag vor fünf Jahren, konnte ich mich nur allzu gut erinnern. Es war Mitte Februar und die winzigen Schneeflocken verfingen sich in der rauen Baumwolle meines Strickschals. Meine Hände drückte ich ineinander gefaltet gegen meine Oberschenkel, während ich stetig versuchte das Gesicht tiefer im Kragen meines Mantels zu verstecken. Noch vor ein paar Tagen hatten wir den Geburtstag meines besten Freundes gefeiert und jetzt trug er die Urne seiner leiblichen Mutter zu Grabe. Der Schnee ließ bereits die ersten Schriftzeichen auf dem schmalen Granitsockel verschwinden. Koushiro hockte direkt davor und wischte mit seinen bloßen Händen immer wieder die weiße Schicht vom Grabstein. Ich war vor wenigen Stunden am Flughafen Chitose bei Sapporo gelandet. Koushiro erwartete mich dort bereits. Nach dem Tod seiner Mutter hatte man ihn als einzigen Hinterbliebenen ausfindig gemacht und damit beauftrag, die Beisetzung zu organisieren als auch den Nachlass zu verwalten. Wie sich schließlich herausstellte, gab es keine weiteren Angehörigen. Diese Frau hatte Koushiro damals zur Adoption freigeben, da sie wohl kein sonderlich gutes Leben führte. Zumindest war es das, was die Nachbarn und Bekannten seiner Mutter ihm bei der Totenwache erzählten. Sie sprachen von Alkoholproblemen, Arbeitslosigkeit und schlechten Männern, die ihre Schwächen nur ausnutzten, weshalb sich ihr Leben nur weiter in Richtung Abgrund bewegte. Ich konnte nicht verstehen, warum mein bester Freund diese Reise antrat und sich dieser Wahrheit aussetzte. Waren denn das wirklich Informationen, die man über seine leibliche Mutter haben wollte? Wie schmerzhaft musste es gewesen sein zu erfahren, dass die eigene Mutter ein bedauernswertes Dasein fristete und schließlich einsam starb? Ich war darüber erschüttert, schließlich hatte ihn diese fremde Frau vor mehr als 20 Jahren zur Adoption freigegeben und sich nie wieder bei ihm gemeldet. Wie sollte er denn da plötzlich ein anständiges Begräbnis auf die Beine stellen? Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich lediglich Verachtung, Wut und Hass für diese Person übrig gehabt. Ich glaube, dass Koushiro während der gesamten Trauerfeier kein einziges Wort mit mir gesprochen hatte. Dennoch suchte er meine Nähe und ich gewährte sie ihm. Für mich war es nicht die erste japanische Beisetzung und somit war ich mit den zahlreichen Riten vertraut. Bei dem Blick in den offenen Sarg überkam mich dann aber doch ein beklemmendes Gefühl. Diese fremde Frau hatte unfassbar viel Ähnlichkeit zu ihrem Sohn und es ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Wer wenn nicht ich, hätte besser verstehen müssen, wie unerträglich ein Leben mit der Gewissheit war, sein eigenes Kind weg gegeben zu haben? Egal wie viele Jahre vergingen, diese Schuld würde einen irgendwann auffressen. Jeden Tag stellte man sich die Frage, wo das eigene Kind gerade war und wie es ihm erging. Plötzlich tropften mir heiße Tränen vom Kinn und landeten direkt zwischen ihren schwarzen Haarsträhnen. Ihr bleiches Gesicht wirkte zerbrechlich wie Porzellan und dennoch konnte ich im Schwung ihrer Wimpern, der Form ihrer Nase und Stirn das Gesicht meines besten Freundes erkennen. Jemand nahm mich bei der Hand und zog mich vom Sarg weg. Es war Koushiro, der mir seine Hand auf die Wange legte und mich in eine innige Umarmung zog. Ich weinte stumm gegen seine Brust und fühlte nichts als brennende Reue in meinem Herzen. Er schmiegte seine Lippen gegen meine rechte Schläfe. „Es tut mir so leid, dass ich dir das antue. Verzeih mir, aber ohne dich schaffe ich das nicht.“, flüsterte er mit zitternder Stimme. Wieso entschuldigte er sich bei mir? Dieser Kerl war unfassbar und ich würde mich jetzt verdammt nochmal zusammen reißen und für ihn da sein. Genauso wie er es für mich gewesen ist, in den schwersten Stunden meines Lebens. Die Totenwache dauerte nicht sonderlich lange und bereits am Nachmittag waren wir im Krematorium. Ich hätte eine solche Stärke nicht aufbringen und diese Frau, die mich verlassen hatte, auf eine dermaßen hochachtungsvolle Weise bestatten können. Aber Koushiro ließ nichts aus und führte selbst das traditionelle »Kotsuage« Aufsammeln der Knochen aus den Ascheresten selbst durch. Jetzt standen wir hier. Irgendwo in der Arktis Japans, auf einem Friedhof mitten im Nirgendwo. Unter seinen Schuhen knirschte der Schnee, als er langsam auf mich zukam. Die Urne seiner Mutter stand auf einem kleinen Schrein, direkt unter dem Grabstein und einige Räucherstäbchen glühten beharrlich in der eisigen Kälte dieses Abends. „Lass uns ins Hotel gehen, du bist doch schon angefroren…“, sagte er mit einem wenig überzeugenden Lächeln. Ich hielt mir die Hände vor den Mund und sah, wie mein heißer Atem kleine Wölkchen bildete. „Wir gehen erst, wenn du Abschied genommen hast.“, antwortete ich meinem Freund. Er nahm sich seine Mütze vom Kopf und setzte sie mir auf. Seine roten Haare schimmerten im Schein der Friedhofslaternen wie buntes Herbstlaub. Sein Blick wirkte leer aber nicht wirklich traurig. „Von was sollte ich mich verabschieden? Es gibt keine Erinnerungen an diesen Menschen. Nur die Gewissheit, dass sie ihre Entscheidung mich zu verlassen, vielleicht tatsächlich zu meinem Wohle getroffen hat.“, sagte er gefasst und doch verletzten mich seine Worte irgendwie. Das Atmen fiel mir plötzlich schwer, während ich ihm weiter zuhörte. „Auch solche Entscheidungen treffen die Menschen aus Liebe. Ich habe immer voller Zorn auf meine leiblichen Eltern geblickt. Ich dachte, sie hätten mich verlassen um ein besseres Leben zu führen. Das es aber genau anders herum sein könnte, dass meine Mutter mich weg gab, damit ich es einmal besser habe, kam mir niemals in den Sinn.“, sagte er leise und sprach mit fester Stimme weiter. „Mimi, deine Schuld wird niemals aufhören dich zu quälen wenn du nicht anfängst, dir selbst zu verzeihen. Auch wenn wir freie Menschen sind, haben wir nicht immer eine Wahl.“ Koushiro wich meinem Blick aus und sah hinauf in den nachtschwarzen Himmel. „Das was wirklich von Bedeutung ist, sind doch die Spuren der Liebe die wir hinterlassen wenn wir gehen.“, nachdem er diesen Satz beendet hatte sah er mich wieder an und lächelte. Dieses Mal war es ein aufrichtiges und hoffnungsvolles Lächeln. Ich zitterte am ganzen Körper. Nicht wegen des eisigen Frostes um uns herum, sondern weil die Wahrheit die er aussprach, wie ein Messer durch alte Wunden schnitt. Zärtlich fuhren seine eiskalten Hände über meine Wangen und wischten mir die Tränen aus dem Gesicht. Verzweifelt griff ich nach seinen Handflächen und versuchte diese bitterliche Kälte, die immer weiter in mir empor kroch, nicht zu spüren. Jene Nacht mit Koushiro in diesem Hotelzimmer, irgendwo in den Bergen, werde ich niemals vergessen. Wir lagen stundenlang schweigend nebeneinander auf der Seite und sahen uns voller Schwermut an. Genauso wie in den wenigen Sekunden vor dem allersten Kuss mit einem geliebten Menschen, mischten sich Aufregung und Sehnsucht in meiner Brust. In dieser Nacht spürte ich diese unaussprechliche Spannung zwischen uns so stark und präsent wie niemals zuvor. Seine Hand berührte mich abwechselnd an meinem Oberarm, meiner Hüfte, meiner Wange und streichelte mir immer wieder zärtlich durchs Haar. Irgendwann lagen wir innig einander verschlungen beieinander. Unsere Hände waren längst unter unseren Pullovern verschwunden und ruhten auf dem nackten Rücken des jeweils anderen. Neugierig erkundete er mit seinen Fingerspitzen die frischen Konturen meiner Tätowierung. In diesem Moment wo er seine Stirn schließlich gegen meine lehnte, ich seinen Atem auf meinen Lippen spürte und seine Hand, die sich in meinem Nacken vergrub, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass er mich küsste. Doch er tat es nicht. ❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈-❈ Einzelne Regentropfen krümmten sich wie kleine Rinnsale an der Scheibe entlang, als ich gedankenverloren mein Schlafzimmer betrat. Der Stoff meiner Bettwäsche knitterte unter dem harten Leder der Reisetasche, welche ich gerade abstellte. Mit einem lauten Seufzen setzte ich mich daneben aufs Bett und starrte das blinkende Display meines Telefons an. Koushiro versuchte mich zum gefühlten tausendsten Mal in dieser Woche anzurufen. Was war ich nur für eine feige, verlogene Scheißkuh? Ich wich ihm aus, lief vor ihm davon. Wie töricht ich doch sein konnte. Zwischen uns gab es keine Liebesbeziehung und doch fühlte es sich so an, als hätte ich Koushiro betrogen. Wütend schob ich mein Telefon auf die andere Seite des Bettes und ließ mich nach hinten fallen. Gleißende Blitze durchschnitten die aufziehende Dunkelheit des Abends. Vielleicht saß ich bereits in der Hölle fest, denn anders hätte ich mir diese zerreißenden Schmerzen in meiner Brust nicht erklären können. Eigentlich hätten wir drei uns bereits vor einer Stunde zum gemeinsamen Abendessen getroffen, aber ich kam absichtlich mit dem späteren Zug. Wie eine giftige Schlange verkroch ich mich unter einem Stein und hoffte, dass es keinem der Beiden auffallen würde, dass ich unsere Verabredung platzen ließ. Aber das unerbittliche Vibrieren meines Handys zeigte mir, dass es Koushiro ernst war und er nicht locker lassen würde. Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, dass er wenige Minuten später direkt vor meiner Tür stand. „Das ist doch unmöglich…“, murmelte ich nachdem das schrille Läuten der Klingel mich wachrüttelte. Langsam stützte ich mich auf meine Unterarme ab und richtete meinen Oberkörper auf. Es läutete erneut, dieses Mal untermauert mit festen Schlägen gegen die Wohnungstür. „Mimi, alles in Ordnung? Warum gehst du nicht an dein Telefon?“, die Stimme meines rothaarigen Freundes durchdrang mich bis in Mark und zähneknirschend erhob ich mich vom Bett. Vorsichtig öffnete ich die Tür und sah ihn entschuldigend an. Seine schwarzbraunen Augen wirkten besorgt und doch spiegelte sich Zorn in seinem Gesicht. Noch bevor ich auch nur ein einziges Wort hätte sagen können, sprach er unbeirrt weiter. „Was ist mit dir los? Ich kann dich die gesamte Woche nicht erreichen und heute lässt du uns einfach warten, ohne dich zu melden? Ich habe mir Sorgen gemacht!“, allmählich entspannte sich sein zuvor harscher Tonfall und auch seine Mimik wurde weicher. „Es tut mir leid…“, stammelte ich schuldbewusst und bat ihn mit einer freundlichen Geste herein. Koushiro trug eine schwarze Jeans und ein schlichtes weißes Hemd. Die ersten Knöpfe waren geöffnet und die dunkelblaue Krawatte hing unordentlich von seinem Hals herab. Er hatte seine dünne graue Windjacke über die Schulter gelegt. Von seinen Haarspitzen fielen kleine Tropfen zu Boden. Offenbar war er durch den Regen bis zu mir gelaufen, denn auch seine Schuhe waren pitschnass. „Ist irgendwas vorgefallen?“, fragte er tonlos. Ich drückte gerade die Tür ins Schloss und stand mit dem Rücken zu meinem Freund, als seine Frage in mein Gehör drang. Aufgewühlt starrte ich ins Leere und spürte, wie meine Kehle trocken wurde. „Was meinst du?“, fragte ich leise und wagte nicht, mich zu ihm umzudrehen. „Zwischen dir und Tai…bei eurem Ausflug. Er sagte heute, dass du sicherlich nicht gekommen seist, weil du von ihm genug hast.“ Ein beißendes Gefühl von Wut stieg in mir auf. Nervös ballte ich meine beiden Hände zu Fäusten und presste sie gegen meine Oberschenkel. Wie konnte Taichi es fertig bringen, und mit Koushiro hinter meinem Rücken über unseren Campingausflug sprechen? Ich wollte selbst entscheiden wann und wie viel ich meinem besten Freund davon erzählen würde. Doch Tai hatte mal wieder alleine die Entscheidungen für uns getroffen. Ohne auch nur eine Minute daran zu denken, welche Konsequenzen das haben und ob er mit seinem rücksichtslosen Verhalten eventuell die Menschen um ihn herum verletzen könnte. „Mimi?“, vorsichtig legte er seine Hand auf meine Schulter und unterbrach damit meine Gedanken. Mein Blick glitt dumpf über meine Schulter, doch als sich unsere Augen trafen, wich ich Koushiro sofort wieder aus. „Ich kann mit dir nicht darüber sprechen…“, sagte ich schließlich mit bebender Stimme und schob seine Hand von meinem Körper. „Mimi….du kannst mir alles sagen….“, verwirrt sah er mich an und ging einen Schritt zurück, als ich mich endlich zu ihm wandte. Ihn so unsicher vor mir stehen zu sehen erfüllte mich mit Traurigkeit. Er schien wirklich besorgt zu sein und wusste nicht, was er tun oder sagen sollte. Ich spürte, dass er mich gerne berührt hätte und doch konnte ich diese Nähe nicht zulassen. Seine tapferen Augen suchten etwas in meinem Gesicht, aber ich konnte es ihm nicht geben. Wie konnte Taichi mich nur derart hintergehen? Wie konnte er meine Freundschaft zu Koushiro riskieren? Bei diesem Gedanken schreckte ich zusammen. Wenn es lediglich Freundschaft ist, warum konnte ich Koushiro dann nicht sagen, dass ich wieder etwas mit Tai angefangen habe? Warum konnte ich meinem besten Freund nicht sagen, dass es endlich einen Mann in meinem Leben gab, mit dem ich glücklich bin? „Schon gut, du bist mir zu keiner Rechenschaft verpflichtet….“, sagte er mit einem sanften Lächeln und ging langsam an mir vorbei, um die Wohnung wieder zu verlassen. „Aber ich bin immer für dich da…“, fügte er hinzu und zog sich seine Jacke an. „Schlaf gut…“, sagte er schließlich. Ich blickte ihm völlig erstarrt hinterher, während er den schmalen Gang zurück zum Aufzug lief. Keine Ahnung was mich davon abhielt meinem besten Freund nachzulaufen und alles zu offenbaren. Völlig besessen von dem Gedanken, dass Taichi ihm von unserer gemeinsamen Nacht erzählt haben könnte, kam mir überhaupt nichts anderes in den Sinn, als dieses Großmaul endlich zur Rede zu stellen. Es sollte niemand davon wissen. Niemand! Vor allem sollte es Koushiro nicht wissen. Nachdem ich einigen Minuten unruhig durch die Wohnung irrte, machte ich mich wutentbrannt auf den Weg nach Shibuya. Ich trug noch immer mein Businessoutfit und hatte mir nicht einmal die Zeit genommen, mir eine Jacke anzuziehen. Der Regen durchnässte meine weiße Bluse und der kurze Bleistiftrock klebte an meinen Schenkeln. Einige Jugendliche feierten sich in der U-Bahn über mein etwas laszives Erscheinungsbild, schließlich zeichnete sich mein BH unter der inzwischen transparenten Bluse ab. Um diese Uhrzeit sah ich mehr nach Escort-Service als Business aus. Doch im Moment kümmerte mich das reichlich wenig. Ich wollte endlich erfahren, was die Beiden hinter meinem Rücken miteinander besprochen hatten. An der Gegensprechanlage flötete mir Taichi amüsiert entgegen und schien überrascht zu sein, dass ich plötzlich vor seiner Tür stand. Auf dem Weg in sein Stockwerk musterte ich im Aufzug mein jämmerliches Spiegelbild. Die Haare hingen tropfnass von meinen Schultern, mein Gesicht wirkte müde und abgeschlagen. Nichts desto trotz glänzten meine goldbraunen Augen vor Zorn und nur wenige Sekunden später sah ich mit genau diesem Blick meinen Gegenüber an. Taichi stand lässig im Türrahmen und hatte nichts weiter als eine Jogginghose an. Leider lenkte mich seine konturierte Bauchmuskulatur immer wieder vom Wesentlichen ab. „Na schau mal einer an. Was machst du denn hier?“, fragte er frech grinsend und nahm seine Zigarette mit Zeige- und Mittelfinger aus dem Mund. „Du besuchst mich in so einem freizügigen Outfit? Ich bin hocherfreut.“, ergänzte er und nahm erneut einen Zug. Als wäre ich nicht sowieso schon kurz davor zu explodieren, trieb er es mit seinen dämlichen Sprüchen selbstverständlich noch auf die Spitze. Ohne darüber nachzudenken schlug ich ihm die Zigarette aus der Hand und trat sie auf den Fliesen im Hausflur aus. „Hör endlich auf zu rauchen!“, fauchte ich. „Um mir das zu sagen, bist du extra durch den Regen hierhergekommen?“, fragte er und sah mich weiterhin belustigt grinsend an. Am liebsten wäre ich sofort an die Decke gegangen und geplatzt, aber sein nackter Oberkörper lenkte meine Aufmerksamkeit immer wieder auf völlig andere Gedanken. Ich sammelte mich kurz, schluckte hart und richtete mein Augenmerk auf alles oberhalb seines Halses. Tai hatte einen Dreitagebart und sein Haar stand etwas unsortiert von seinem Kopf ab. Es irritierte mich, dass er seinen Blick nicht von mir abwendete und mit seinen haselnussbraunen Augen versuchte aus meinem zornigen Gesicht zu lesen. „Was fällt dir ein, Koushiro von uns zu erzählen?“, platzte es völlig ungefiltert aus mir heraus. „Es geht niemanden etwas an, was zwischen uns gelaufen ist. Wie kannst du wieder einmal alles im Alleingang entscheiden?“ Ich kam gerade richtig in Fahrt und dachte gar nicht daran eine Pause zu machen, doch mit einem Mal dröhnte seine tiefe Stimme durch mich hindurch. „Was ist dein Problem? Es war nur Sex. Ich habe keine Ahnung was du von mir willst.“, sagte er ungewohnt ruhig. Sein Blick verweilte unbeirrt auf meinem Gesicht. Ich konnte kaum glauben was ich da hörte und wurde nur noch wütender. „Ich habe kein Problem. Ich weiß, dass es lediglich Sex gewesen ist und deshalb kann ich nicht verstehen, warum du es sofort unserem besten Freund erzählen musst.“, zischte ich inzwischen ziemlich gereizt. „Offensichtlich hast du sehr wohl ein Problem, denn du willst nicht, dass Izzy etwas von uns weiß. Was läuft da zwischen dir und ihm?“, sagte er. „Liebst du ihn?“, fügte er plötzlich hinzu. Taichi klang noch immer völlig unberührt. Dennoch erkannte ich, dass seine lässige Körperhaltung allmählich wich. Er stand inzwischen ziemlich angespannt mir gegenüber und umfasste seine beiden Oberarme vor der Brust. Nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, brach ein Sturm über mich herein. Als würden meine Gefühle im Moment nicht ohne hin schon Achterbahn fahren, machte Tai jetzt diesen Nebenschauplatz auf. Eine Frage, der ich mich selbst noch nie gestellt habe und der ich mich auch zukünftig nicht stellen wollte. Jegliche Selbstbeherrschung schwand aus meinen Gliedern und zwischen Verzweiflung und Angst fiel mir nichts weiter ein, als auszuholen und ihm eine kräftige Ohrfeige zu verpassen. Entsetzt über mein eigenes Verhalten riss ich meine Augen auf und starrte ihn fassungslos an. „Wow…“, sagte er lächelnd und fuhr sich mit der rechten Hand von der rot glühenden Wange hinab zu seinem Kinn. „…das könnte eindeutiger nicht sein.“ Ich rang zitternd nach Atem. Was wollte Taichi mir damit sagen? Weshalb war meine Reaktion eindeutig? Vollkommen außer Stande auch nur ansatzweise in Worte zu fassen was in mir vorging, blieb ich perplex stehen. „Ich habe ihm überhaupt nichts von uns erzählt. Ich sagte lediglich, dass ich dich auf dem Ausflug genervt habe und du vielleicht deswegen keinen Bock auf ein gemeinsames Essen hast. Er wollte heute noch bei dir vorbei gehen, um nach dem Rechten zu schauen. Du hast ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen. Du verhältst dich so, als hättest du ihn mit mir betrogen.“, sagte er und stockte kurz. „Hast du ihn mit mir betrogen?“, diese Frage quälte sich schmerzhaft langsam über die Lippen des sonst so selbstsicheren Taichi Yagami und ich konnte hören, dass es ihm nicht leicht fiel sie zu formulieren. Nun hatte Tai das ausgesprochen, was mich die gesamten letzten Tage beschäftigt hatte. Mein Brustkorb fühlte sich so an, als würden mir jemand die Rippen zusammen schnüren. Ich musste diese bescheuerte Vorstellung endlich los lassen, dass Koushiro mehr in mir sah als nur eine gute Freundin. Es war doch vollkommener Schwachsinn. Wir waren Freunde und sicherlich würde er sich über mein Glück freuen. Aber es machte zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn, dieser Sache zwischen mir und Tai einen Namen zu geben. Die Vergangenheit hatte uns schließlich gelehrt, dass die Liebe so zart wie ein Schmetterling war. Schloss man seine Hände zu kräftig, drohte sie zu zerbrechen. Hielt man die Liebe nicht fest genug, würde sie davon fliegen. Ich hob meinen Kopf etwas, damit ich Tai ansehen konnte. Er wirkte unsicher und vielleicht sogar ein bisschen wütend zugleich. Was war nur mit mir los? Von der ersten Minute an, als wir uns am Flughafen nach acht Jahren endlich wieder sahen, herrschte diese unbeschreibliche Spannung zwischen uns. Alles in mir sehnt sich nach diesem Mann. In jeder wachen Minute meines Daseins denke ich an ihn und doch gibt es diese Zweifel in meiner Brust. Vielleicht war es nicht Koushiro den ich betrogen hatte. Vielmehr machte ich wohl mir selbst etwas vor und versuchte nicht nur meine Vergangenheit, sondern auch meine gesamte Gefühlswelt auszublenden. Langsam trat ich vom Treppenaufgang in die Wohnung herein, entledigte mich meiner Schuhe und schloss die Tür hinter mir. Ich wollte nicht, dass sämtliche Nachbarn an unserer persönlichen Seifenoper teilhaben konnten. Ein kräftiger Atemzug ließ mich etwas zur Ruhe kommen. „Es ist nichts zwischen mir und Koushiro. Ich will nicht, dass du so etwas denkst.“, sagte ich zögerlich. „Aber es wird nicht auf Begeisterung stoßen, dass du und ich wieder irgendwas miteinander haben. Es wird bei niemandem unserer Freunde erfreuen….nicht nach allem, was damals zwischen uns gelaufen ist.“, sagte ich völlig aufgelöst und suchte irgendwas in seinem Blick, dass mir Sicherheit gab. Doch Taichi gab mir nichts dergleichen. Angepisst stand er an die Wand gelehnt und biss sich böse zischend auf die Unterlippe. „Was ist denn damals zwischen uns gelaufen?“, fragte er provokativ. Verzweifelt starrte ich an die Zimmerdecke und kämpfte mit meinen Tränen. Ich wollte dieses Gespräch nicht führen. Nicht hier, nicht jetzt. Ich war noch nicht dazu bereit, mich mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Es war womöglich eine Kurzschlussreaktion, aber ich hätte nicht gewusst, wie ich anders aus dieser Situation hätte entfliehen können. Mit wenigen Schritten kam ich auf ihn zu, stieß ihn bestimmend gegen die Wand und legte meine Hände harsch in seinen Nacken. Ich zog ihn in einen stürmischen Kuss. Zunächst löste er sich entsetzt und versuchte mich von sich zu drücken. „Hör auf damit…“, keuchte er angespannt. Doch ich ließ nicht von ihm ab und fing erneut an, ihn leidenschaftlich zu küssen. Ich wehrte mich mit jeder Faser meines Körpers dagegen, mich mit diesen Fragen auseinandersetzen zu müssen. Keine Ahnung was Tai und ich irgendwann mal waren. Keine Ahnung wie Koushiro und ich zueinander standen. Keine Ahnung wie das alles hier weiter gehen sollte. Einzig und allein wusste ich, dass mich irgendetwas immer wieder zurück zu diesem Punkt trieb. Zurück in seine Arme. Das was zwischen mir und Tai war, riss uns beiden jedes Mal den Boden unter den Füßen weg und selbst nach all den Jahren waren wir nicht dazu im Stande, uns dem zu widersetzen. „Mimi…“, flüsterte er ein paar Mal hoffnungslos und versuchte mir zu widerstehen. Doch es half alles nichts. Als sich der großgewachsene Brünette schließlich seinem Schicksal hingab, packte er mich hart an den Hüften und stemmte mich gegen die Kommode. Seine Lippen legten sich geschmeidig auf meine und sofort spürte ich seine Zunge in meinem Mund. Etwas unbeholfen rutschte ich mit meinem nassen Hintern auf das spröde Holz, während er sich zwischen meine Beine drängte. Ich spürte seine Erektion an meiner Mitte und lächelte amüsiert gegen seine Lippen. Dieser beschissene enge Rock rutschte mir bis zum Bauchnabel rauf, was diesen heißblütigen Mann zwischen meinen zitternden Schenkeln natürlich wenig kümmerte. Außer Atem keuchte ich in unseren Kuss und schlang beide Beine um seine Taille. Gierig schob ich mit meinen Füßen seine locker sitzende Jogginghose hinab. Er trug nichts weiter darunter. Gekonnt wendete er sich aus dem Kleidungsstück und nahm dies sofort zum Anlass, um seine Hände unter meine Pobacken zu schieben. Ohne Probleme trug er mich auf seinen Händen ins Schlafzimmer. Ich kam nicht umhin meine Augen zu öffnen und sein Bett anzustarren. Unbewusst löste ich den Kuss mit ihm. Die Frage, mit wie vielen Frauen er hier bereits gelegen hatte, trieb mich in den Wahnsinn. Eifersucht ist etwas, das unserem Verstand die Freiheit nimmt, die Dinge so zu sehen wie sie sind. Und verdammt nochmal ich war scheiß eifersüchtig. Außerdem hasste ich es, wenn ich mit anderen Frauen verglichen wurde. Ich wollte etwas Besonderes für ihn sein und keine von Vielen. „Mir hat erst vor kurzem jemand gesagt, dass ich endlich aufhören soll nachzudenken…“, sagte er zärtlich flüsternd, während er die Stelle zwischen meinem Ohr und Hals küsste. Ich schloss genüsslich meine Augen und schmiegte mich seinen Lippen entgegen. Tai hatte recht, ich selbst sagte zu ihm, er solle nicht so viel nachdenken. Wahrscheinlich hätte mich eine ehrliche Antwort nur weiter verunsichert und weiß Gott, ich wollte jetzt nicht zweifeln. Ich lechzte nach seinen Lippen, nach seinem eindringlichen Blick, seinem heißen Atem in meinem Nacken. Ich wollte einfach alles von ihm und zwar jetzt. Etwas unsanft landete ich in seinen Laken. Der Regen prasselte gegen die Fenster, doch inzwischen nahm ich dieses Geräusch überhaupt nicht mehr wahr. Es verschmolz mit der Stille der Nacht und hielt uns Beide in diesem Moment gefangen. Meine langen Haarsträhnen kitzelten auf meiner nackten Haut, als Tai sich über mich beugte und meine Bluse langsam aufknöpfte. Nach all der Aufregung der letzten Stunden, dieser verzweifelten Furcht vor meiner Vergangenheit und der damit verbundenen Leere in meinem Herzen überkam mich plötzlich dieses tiefe Gefühle von Verbundenheit und Sehnsucht in seinen Armen. Genauso wie vor drei Nächten. Er berührte beinahe schon zurückhaltend meine Brüste. Ich löste unseren Kuss und streichelte ihm liebevoll durchs Haar. Einen Atemzug später glitt ich aus meinem Oberteil und Tai öffnete gekonnt den Verschluss meines weißen Spitzenbalconette. Er betrachtete neugierig meinen entblößten Oberkörper. Seine warmen Fingerspitzen bewegten sich zaghaft über meine Rundungen. Seine Augen wendeten sich von meinem Körper ab und blickten in mein Gesicht. Schweigend beugte er sich hinunter und fing zärtlich an mich zu küssen. Mit einem zufriedenen Seufzen kostete ich von seiner Zunge in meinem Mund. Danach nahm ich seine Hand und führte sie zwischen meine Beine. Er ließ es bereitwillig geschehen und schob achtlos den Stoff meines Höschens beiseite. Ich zog meine Beine an, schloss meine Augen und stemmte ihm mein Becken entgegen. Ohne weitere Worte drang er schließlich mit seinem Finger tief in mich ein. Kurz zuckte ich unter seiner Berührung zusammen, bevor ich letztlich erstickt aufstöhnte. Jedes Mal wenn er seinen Finger so verboten langsam in mir bewegte, verlangte ich nach mehr. Und Tai gab mir mehr. Er löste unseren innigen Kuss und verwöhnte meine fröstelnde Haut mit seinen wohlig warmen Lippen. Sie wanderten allmählich von meinen Brüsten hinab zu meinem Bauchnabel. Ich spürte wie meine Knie anfingen zu zittern, als seine Zunge neugierig an meiner Körpermitte vorbei, hinab zu meinem bebenden Venushügel glitt. Mein Herz raste. Mein Atem ging schnell und flach, beinahe hätte ich komplett vergessen nach Luft zu schnappen. Was geschah hier mit mir? Was stellte dieser Mann bloß mit mir an? Liebestrunken blickte ich in sein Gesicht, als er ein letztes Mal zu mir aufsah. Sein Finger glitt aus mir heraus und gleichzeitig hob er mit beiden Händen meine Hüften etwas an. Alles was er mit mir anstellen wollte, würde ich geschehen lassen. Seine Hände legte er um meine Brüste und noch während ich genussvoll stöhnte, versank sein Gesicht in meinem Schoß. Seine heiße Zunge berührte mich an meiner empfindlichsten Stelle. Meine Finger krallten sich kraftvoll in sein wildes Haar und im selben Moment bäumte sich mein Körper voller Lust unter seinen heftigen Zungenschlägen auf. Gierig zog ich an seinem Schopf, denn ich hielt es nicht länger aus. Ich wollte seinen nackten Körper auf meiner Haut, ich wollte ihn in mir, dass er mich voll und ganz einnimmt. Ich wollte, dass er mich besitzt. Unter meinem unerbittlichen Zerren an seinem Kopf, löste er sich von meiner pulsierenden Mitte. Tai sah mich mit einem durchdringenden Blick an. Was suchte er in meinen Augen? Eine Einverständniserklärung? Ich schlang meine Schenkel um seine Hüfte und drückte ihn dicht an meinen Körper. Er lehnte sich zu mir und suchte flehentlich meine Lippen. Sofort stürzten wir uns in einen heißen Kuss. Sein Bart kratzte auf meiner Haut, doch es interessierte mich nicht. Seine harte Erektion stimulierte meine Klitoris. Mein Geist war völlig weggetreten. Ich bekam überhaupt nicht mit, dass er neben meinem Kopf in eine Schublade seines Nachttisches griff und etwas suchte. Plötzlich kam es über mich und ich öffnete meine Augen. „Wie viele?“, fragte ich. Es war wie ein bedrohlicher Schatten, der mich einfach nicht los lassen wollte. Wie viele Frauen hatte er vor mir in diesem Bett? Sein Blick war auf die Schublade gerichtete, deshalb bekam ich wohl eher eine beiläufige Antwort, die mich zutiefst erschütterte. „Keine Ahnung…so um die 30?“ „Was? Dreißig?“, schrie ich beinahe schon völlig hysterisch. Ziemlich verblüfft über meine Reaktion sah mich Tai verunsichert an. „Ja, sie sind im Dutzend billiger…“ Ich schüttelte ungläubig meinen Kopf und löste sofort meine Beine von seinen Hüften, „Wie bitte? Sie sind im Dutzend billiger?“ „Ich weiß es doch auch nicht. Wie viele sind denn in einer Packung?“, antwortete er auf meine entsetzten Fragen. „In einer Packung?“, stammelte ich weiter. Dieser Mann schien nicht ganz zu verstehen wovon ich sprach. Oder ich hatte nicht mitbekommen, dass man Prostituierte mittlerweile in einer Großpackung kaufen konnte. „Ja, ich denke 24 oder 30 Kondome sind in einer Verpackung. Warum machst du jetzt so einen Aufstand? Es wird schon für heute Nacht reichen.“ Mir blieb sofort der Spucke im Hals stecken. Ich musste nicht in den Spiegel sehen um zu wissen, dass sich mein Gesicht feuerrot färbte. Peinlich berührt schluckte ich hart und Tai schien zu begreifen, dass ich offenbar nicht wissen wollte, wie viele Kondome her hatte, sondern wie viele Frauen es waren. „Oh, wie viele! Also 30 waren es nicht.“, sagte er hämisch kichernd. „Spielt die Anzahl denn eine Rolle? Jetzt bist du hier und du bist alles, woran ich denken kann. Keine Frau kann dir das Wasser reichen. Du bist etwas ganz Besonderes für mich.“, sprach er mit einem ungewohnt zärtlichen Gesichtsausdruck und streichelte mir einige Strähnen aus dem Gesicht. Das, was er zu mir sagte ging mir tiefer unter die Haut, als ich für möglich gehalten hätte. Meine Hände vergruben sich in seinem Haar und behutsam zog ich Tai zu mir herunter. Dieses Mal folgte kein wildes, leidenschaftliches Zungenspiel, sondern ein vorsichtig sehnsüchtiger Kuss. Seine Hände ließen mich spüren, dass seine Worte ernst gemeint waren. Zärtlich schlang er seine Arme um mich und zog mich zu sich rauf. In einer raffinierten Bewegung setzte er mich auf seinen Schoß, dabei löste er sich von meinen Lippen und blickte mich hingebungsvoll an. Taichi musste kein einziges Wort sagen, ich verstand ihn. Diese Angst, Unsicherheit und dennoch tiefe Begierde in seinen dunkelbraunen Augen. Mir ging es genauso. Ich wollte diesen Mann so sehr und selbst nach all den Jahren, hatte sich daran nichts geändert. In einer rhythmischen Bewegung ließ ich ihn schließlich in mich gleiten. Ich keuchte erstickt und legte meine Arme um seinen Nacken. Seine Hände griffen meine Pobacken und dirigierten die Geschwindigkeit meiner Bewegungen. Dieses Mal fühlte es sich anders an, als vor drei Nächten. Tai war dominant und schien genau zu wissen, wie er mich berühren oder bewegen musste, damit ich meinem Höhepunkt immer näher kam. Immer kräftiger und tiefer spürte ich seine Stöße in mir. Erschöpft lehnte ich meine Stirn gegen seine. Sofort küsste er mich und schlang seine kräftigen Arme um meinen Rücken. In meinem Körper bebte jedes Molekül, alles fing an zu kribbeln und ich wusste, dass ich nicht länger an mich halten konnte. Mein Atem wurde flach und völlig außer Stande auch nur noch einen klaren Gedanken zu fassen, löste ich mich aus seinem Kuss und öffnete meine Augen. Als sich unsere Blicke trafen, überkam mich ein Gefühl, das ich so intensiv noch nie zuvor erlebt hatte. Meine Fingernägel krallten sich in seine Schulterblätter, während mein Körper derart verkrampfte, dass ich nicht einmal einen Ton heraus bekam. Was geschah hier mit mir? Sein Blick warf mich völlig aus der Bahn und bescherte mir einen überirdischen Orgasmus. Schweißnass ließ ich mich von ihm gleiten und legte mich schlaftrunken auf die Seite. Mit einem genüsslichen Lächeln streckte ich meine Beine aus und vergrub meinen Kopf in seinem Kissen. Ich hörte, wie er langsam aufstand, das Licht einschaltete und sich des Kondoms entledigte. Danach kam er zurück und legte sich zu mir ins Bett. Seine Finger streichelten über meinen Rücken und es fühlte sich beinahe so an, als würde er ein Bild malen. Meine Sinne schärften sich und nachdenklich verfolgte ich im Geiste seine Bewegungen auf meinem Rücken. Eine Kirschblüte? Entsetzt riss ich meine Augen auf. Mein Herzschlag setzte für einige Sekunden aus und mir wurde mit eiskalter Panik bewusst, dass er mit seinen Fingern meine Tätowierung nachzog. Ich hatte völlig vergessen, die Bettdecke über mich zu ziehen. Er sollte es nicht sehen. Noch nicht. „Es sind acht Kirschblüten…“, seine raue Stimme klang ruhig und dennoch zerrissen seine Worte mich innerlich. „…wir müssen darüber sprechen, Mimi.“, beendete er schließlich seinen Satz. Um ehrlich zu sein, hätte ich nicht erwartet, dass er die Bedeutung meiner Tätowierung tatsächlich so schnell kapieren würde. Aber offenbar schien er nicht umsonst ein guter Jurist zu sein. Ich erhob mich eilig und griff nach meinen Klamotten. Noch bevor ich aus seinem Schlafzimmer raus war, hatte ich mich wieder anzogen und wollte nur noch weg hier. Weg von ihm. Doch plötzlich packte er mich an meinem Handgelenk und zog mich unsanft zu sich zurück. „Du kannst dir jedes Jahr eine neue Blüte stechen, aber es wird nichts an der Vergangenheit ändern. Du kannst für immer davon laufen, aber dieses unendliche Gefühl von Schuld und Selbsthass in deinem Herzen wird nicht verstummen.“, seine Worte klangen gequält. Ich schwieg, riss mich los und versuchte mich von seinem Gerede nicht beeindrucken zu lassen, stattdessen zog ich meine Schuhe an und wollte nur noch verschwinden. „Mimi, wenn das zwischen uns endlich eine stabile Beziehung werden soll, dann müssen wir über unsere Vergangenheit sprechen….ich weiß bis heute nicht, was es mit dir gemacht hat…“, Tai stand hilflos hinter mir und schien irgendwas von mir hören zu wollen. Wahrscheinlich wie ich mich gefühlt habe, nachdem ich mit allem alleine dastand. Nachdem mich meine Eltern ins Ausland geschleppt hatten. Nachdem mich der Vater meines Kindes wie ein kleiner Feigling im Stich gelassen hatte. Wollte er tatsächlich wissen, was ich über seine Rolle in diesem theatralischen Theaterstück meines Lebens dachte? Mit einem bittersüßen Lächeln richtete ich mich auf und drehte mich zu ihm um. „Nein, ich will nicht darüber sprechen.“, antwortete ich kurz und knapp. „Aber…“, versuchte er einzulenken doch ich ließ ihn überhaupt nicht zu Wort kommen. „Ich will nicht mit dir über unsere Vergangenheit oder eine Beziehung sprechen. Denn dann müsste ich mich entscheiden, ob ich dir verzeihen kann oder nicht. Und ich befürchte, dass ich dir nicht verzeihen kann, dass du mir mein Herz gebrochen hast.“ Ich weiß nicht, ob ihn meine Worte oder das freundliche Lächeln derart fassungslos machten. Denn er starrte mich nur mit einem schmerzerfüllten Blick an. „Tai, ich kann und will mich nicht festlegen, was das zwischen uns ist. Ob ich lediglich nach etwas suche, was in der Vergangenheit mal von Bedeutung für mich gewesen ist. Etwas das sich gut anfühlt, weil ich es kenne oder ob….“, ich zögerte und wendete mich von ihm ab. Liebe war ein sehr tiefes Gefühl. Vielleicht sogar das stärkste Gefühl, was ein Mensch für einen anderen empfinden konnte. Doch war das zwischen mir und Tai tatsächlich Liebe? „Ich möchte dir gerne etwas zeigen und dann kannst du gehen…“, sagte er leise. Verwundert sah ich ihm nach, als er zurück ins Schlafzimmer ging. Langsam glitt ich aus meinen Schuhen und folgte ihm schließlich. Taichi hockte vor seinem großen Kleiderschrank und hatte einen gelben Karton heraus gezogen. Der Deckel lag daneben und im Inneren konnte ich einige verschlossene Briefumschläge und kleine Plüschtiere erkennen. In mir kroch pure Verzweiflung empor. Tränen sammelten sich in meinen Augen und wohlwissend, was mich nun erwarten würde, setzte ich mich auf die Bettkante. Mit zittrigen Händen vor den Lippen versuchte ich mein Schluchzen zu verbergen. Tai stand auf, drehte sich zu mir um und legte mir die Briefe auf den Schoß. „Ich habe jedes Jahr einen Brief geschrieben. Du hast jedes Jahr eine neue Kirschblüte unter deiner Haut stechen lassen. Wir beide haben acht Jahre versucht, auf unsere Weise damit zu leben und den Schmerz zu ertragen. Ich möchte, dass du diese Briefe irgendwann liest. Vielleicht hilft es dir dabei eine Entscheidung zu treffen, ob du mich hassen solltest oder mir verzeihen kannst.“, Tai kniete vor mir nieder, er berührte mich jedoch nicht. „Mimi, wenn du nicht mit mir darüber sprechen kannst, dann werde ich das akzeptieren. Aber ich werde es nicht hinnehmen, dass wir das zwischen uns nicht definieren.“, er lächelte und berührte mich vorsichtig am Kinn. „Entweder ganz oder gar nicht….“, flüsterte er erstickt und es schien, als würde er gegen seine Emotionen ankämpfen. Ist es nicht bemerkenswert wie erfolgreich wir es schaffen, uns jeden Tag selbst zu belügen? Ich bin 25 Jahre alt, habe einen perfekten Job und bin eine erwachsene Frau. In meiner Realität bestand absolut nicht die Möglichkeit, dass ich mich überhaupt noch einmal damit auseinandersetzen müsste, inwieweit meine Vergangenheit einen Schatten auf mein jetziges Dasein warf. Doch herzlich Willkommen in der erbarmungslosen Gegenwart. Hinter der glänzenden Fassade zeigte sich schließlich doch noch mein zersplittertes Ich. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass es nicht nur Taichi war, der sich voll und ganz in seinem Wesen verändert hatte. Nein, auch ich hatte mich zu einem Menschen entwickelt, der mir im Spiegelbild fremd erschien. Das, was ich an mir am meisten schätzte, war meine Aufrichtigkeit. Ich war nie ein Mensch der betrog, log oder sich aus unbequemen Situationen heraus manövrierte wie eine hinterhältige Schlange. Doch letztlich war alles in meinem Leben eine Maskerade. Ich belog mich selbst, meinen besten Freund und wahrscheinlich auch diesen Mann, der vor mir kniete und nach Vergebung ersuchte. Er zeigte immensen Mut und Zuversicht indem er mich tatsächlich darum bat, es noch einmal zu probieren. Taichi hatte keine Angst vor den Schatten unserer Vergangenheit und somit fürchtete er auch nicht die Zukunft. Aber was war mit mir? Umso länger ich vor meiner Vergangenheit davon lief, desto weiter schien sich auch meine Zukunft von mir zu entfernen. „Es gibt nichts mehr worum man kämpfen kann. Es ist viel zu viel für mich. Mein Herz hat solche Angst mehr zu wollen. Der Schmerz der Vergangenheit wiegt zu schwer.“, sagte ich mit tränenerstickter Stimme und schob seine Hand von mir weg. Ich stand hastig auf, umklammerte seine Briefe jedoch mit meinen Fingern, während ich stürmisch das Zimmer verließ und meine Schuhe anzog. „Man kann nur gewinnen, wenn man nicht aufgibt. Denn die Liebe ist immer wieder das Schwanken zwischen Krieg und Frieden. Zwischen Fliegen und Fallen. Hoffen und Verzweifeln.“, sagte Tai mit fester Stimme. Seine Worte trafen mich unvermittelt ins Herz und regungslos blieb ich im Türrahmen stehen. Ohne mich noch einmal umzudrehen, lächelte ich in die Dunkelheit und erkannte unsere beiden Schatten auf der gegenüberliegenden Wand im Hausflur. „Mit der Zeit wird sich zeigen, ob wir fliegen oder fallen, hoffen oder verzweifeln, kämpfen oder lieben. Wo keine Sonne scheint, fällt auch kein Schatten. Das Eine existiert nicht ohne das andere. Wir beide wissen, dass wir nicht gut füreinander sind und doch können wir nicht voneinander lassen.“, sagte ich und drehte mich nun doch wieder zu ihm um. Nun wurde es mir bewusst. Der Grund weshalb wir die Schatten unserer Vergangenheit nicht hinter uns ließen war, dass Tai und ich uns nicht aufgeben konnten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)