Thinking von _Delacroix_ ================================================================================ Thinking -------- Ja'far mochte nicht so aussehen, aber er war nervös. Sehr nervös sogar. Er konnte Sinbads Intention ja verstehen. Er hatte die letzten Monate an einem Entwurf für ein mögliches Handelsabkommen gearbeitet und nun sollte er es eben auch vorstellen. Immerhin kannte er sich damit am besten aus. Das Problem war nur, auf diplomatischer Ebene war er so viel weniger überzeugend als sein König. Stumm starrte er die Tür an. Wenn ihn dahinter wirklich Kouen Ren erwartete, würde er sang- und klanglos untergehen. Möglicherweise hätte er ihn mit einem Messer in der Hand überzeugen können zu unterschreiben, aber freundlich und mit Worten? Er war nicht Sin.   Ein letztes Mal atmete er tief durch, dann trat er durch die Tür.   Das Gemach dahinter lag im Halbdunkel und roch als hätte man es schon länger nicht mehr gelüftet. Ja'far versuchte ausdruckslos zu wirken, während er lautlos über den Tatamiboden schritt. Letzteres war seine einfachste Übung, ersteres war es, was ihm schwer fiel. „Herr Ja'far“, begrüßte ihn sein Verhandlungspartner, bemühte sich aber nicht, sich zu erheben. Ja'far nahm es schweigend hin. Vermutlich war er Ren Kouen die Aufmerksamkeit einfach nicht wert. Eine schmale Hand deutete auf die andere Seite des Tisches und er folgte dieser Einladung. Es war ein seltsames Gefühl mit einem von Sins größten Feinden an einem Tisch zu sitzen. Vorsichtig musterte er den General. In den Erzählungen der Händler war er besonders für seinen stechenden Blick bekannt, doch Ja'far fand ihn viel eher teilnahmslos. Der oft beschriebene Bart war scheinbar dem Messer zum Opfer gefallen und die Haare, die hatte er wohl im Gegenzug wachsen lassen. Wachsen und verkrauten. Eine vertraute Stimme in seinem Inneren schrie, dass das alles eine Falle war und das dieser Mann überhaupt nichts von dem hatte, was er von General Kouen erwartete. Verdammt, er trug ja nicht einmal ein Schwert. Aber Ja'far ignorierte sie. Zu groß war seine Sorge, die schwierige Beziehung zu Kou noch weiter zu schädigen. „Ich danke Euch für die Möglichkeit unser Handelsabkommen persönlich zu besprechen“, erklärte er, stolz darauf, dass er sich die Eröffnung bei Sinbad hatte abgucken können. Sein Gegenüber winkte ab. „Hätten wir nicht, hätten wir geahnt, dass Hochkönig Sinbad nicht persönlich kommt.“ Ja'far zuckte zusammen. Er hatte es doch gewusst! „Mein König hat vollstes Vertrauen in mich“, behauptete er dennoch. „Ich aber nicht“, schoss sein Gegenüber prompt zurück.   In Ja'far brodelte es. Die Stimme in seinem Inneren begann zu beschreiben, wie schön es sein würde, die Hände um den blassen Hals des anderen Mannes zu legen und einfach zuzudrücken, aber noch konnte er sich beherrschen. „Ich bin mir sicher Eure Bedenken sind unbegründet“, versuchte er es noch einmal und zwang sich zu seinem besten Lächeln.   „Das sind sie nie.“   Ja'far erfror der fröhliche Ausdruck im Gesicht. Wie gerne hätten er diesem unverschämten Kerl jetzt etwas herausgerissen. Es wäre aber auch zu einfach. Ein kleiner Sprung über den Tisch, eine kleine Rangelei. Vermutlich war er sogar ohne Waffe stärker als sein Gegenüber. Es würde getan sein, noch bevor die Wache vor der Tür etwas zu ahnen begann. Er konnte es schaffen. Er konnte Sinbads größten Gegner -   „Ihr überlegt mich umzubringen.“   Jafar erstarrte. Konnte dieser ungekämmte Kerl am Ende Gedanken lesen? Und wenn ja, wie kam er da jetzt wieder raus? Er schluckte schwer. Wenn das Gespräch noch schlechter lief, würde der General ihm noch den Krieg erklären.   „Ich überlege immer Leute umzubringen“, versicherte er schließlich und erntete dafür einen skeptischen Blick aus pinken Augen. „Immer?“, hakte der General nach und strich beiläufig mit der Hand durch die dunklen Federn seines Fächers. Ja'far nickte. „Immer und bei Jedem“, präzisierte er. Er konnte nur hoffen, dass der Andere verstand, dass das nichts mit ihm zu tun hatte und das er auf gar keinen Fall vor hatte, in alte Verhaltensweisen zurückzufallen, auch wenn sie ihn zuweilen ziemlich lockten.   „Was hast Du Dir zu mir überlegt?“, fragte sein Gegenüber. Ja'far spürte, wie der Kloß in seinem Hals noch dicker wurde. Mit solchen Fragen hatte er nicht gerechnet. Er hatte auf dem Schiff für einen Wirtschaftsvortrag geübt, nicht für die Beschreibung eines Meuchelmordes. Aber die Frage stand im Raum und nichts zu sagen, wäre mehr als unhöflich gewesen. Ja'far holte tief Luft. Wenn sein Gegenüber eine Antwort haben wollte, dann würde er sie eben bekommen. „Erwürgen“, spucke er ihm prompt entgegen. „Ich würde über den Tisch langen und Euch die Kehle zudrücken, bis Ihr aufhört zu zucken und zu röcheln und Euer Körper erschlafft.“   „Das wollen die Meisten irgendwann.“ Ein schmales Lächeln erschien auf den Lippen des Generals. „Kouen hat's schon mal versucht.“ Ja'far gaffte ungläubig und brachte den Anderen damit endgültig zum lachen. „Das war ein Scherz“, erklärte er ihm, „Mein Bruder würde so etwas nie tun.“ „Dann seid Ihr nicht -“ Jafar brach ab, doch offensichtlich zu spät, denn sein Gegenüber lachte weiter. „Du hast geglaubt...“, gluckste er, „Ernsthaft?“ Ja'far erwischte sich beim Schmollen. Es war schon schlimm genug, wenn Sin ihn ein ums andere Mal mit irgendwelchen Sachen aufzog, da musste es nicht auch noch Kouen Rens Bruder versuchen.   Langsam ebbte das Lachen ab. „In Dir steckt ja ein Schmeichler.“   Ja'far öffnete den Mund, doch er fand einfach keine geeignete Antwort darauf. Als er hatte schmeicheln wollen, hatte der Andere ihn mit Misstrauen gestraft und jetzt, wo er bloß ehrlich war, bekam er das zu hören. Was sollte er dazu sagen? Auf der anderen Seite des Tisches musterten ihn ungewöhnlich pinke Augen mit neuem Interesse. „Ich bin Koumei Ren“, erklärte ihm sein Gegenüber und legte den Kopf auf eine Art zur Seite, die ihn automatisch wieder an seine Mordfantasien erinnerte. Ja'far nickte langsam, bemüht nicht zu sehr auf die weiße Haut zu starren, die er nur zu gerne unter seinen Fingerspitzen gespürt hätte. Sicher war sie warm und weich und wenn man etwas stärker zudrückte, würde es wunderbar erkennbare Abdrücke hinterlassen. Koumei schenkte ihm einen wissenden Blick. „Wir können diese Wirtschaftsbesprechung auch gerne auf morgen verschieben“, schlug er leise vor und Ja'far spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Er war nicht Sin, aber selbst er verstand einen solchen Vorschlag wenn er ihn gemacht bekam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)