Anne im Traumhaus von steffinudel ================================================================================ Kapitel 2: Ein schwerer Abschied -------------------------------- Der Sommer war wunderschön und Anne und Gilbert verbrachten soviel wie möglich Zeit miteinander. Doch auch der schönste Sommer geht leider einmal zu Ende. Nur noch eine Woche, dann würde wieder das Semester beginnen und Gilbert müsste zurück ans Redmond College. Anne sah diesem Zeitpunkt mit Schrecken entgegen. Als sie zusammen in der Liebeslaube saßen sprach Anne davon. "Wir werden uns am besten beide in die Arbeit stürzen, damit die Zeit möglichst schnell vergeht", meinte sie. "Ja, aber ich glaube, dass es trotzdem nicht leicht wird." Gilbert legte seine Arme um sie. "Wir werden uns so oft wie möglich schreiben, ja?" fragte Anne. "Natürlich, mein Schatz." "Auch diese drei Jahre werden vorbeigehen. Ich werde solange an meinem Buch arbeiten“, seufzte Anne. "Ich habe mir etwas überlegt, Anne. Mein letztes Studiumjahr muss ich praktisch in einem Krankenhaus absolvieren. Das bedeutet, dass ich dann zumindest schon ein bisschen Geld verdiene. Wir könnten dann also schon heiraten. Vielleicht schaffe ich es auch und bekomme eine Stelle in der Nähe z.B. in Carmody. Dann wäre es mir möglich öfters zu Hause zu sein. Was hältst du davon?" "Oh, Gil, das wäre wunderbar. Außerdem verdiene ich mit meiner Schreiberei ja auch noch was. Ich denke das ist ein Ziel, auf das wir hinarbeiten sollten." "Also gut, zwei Jahre sind immerhin schon kürzer als drei." Sie hielten einander glücklich in den Armen und küssten sich immer wieder. Am Abend vor Gilberts Abreise verabschiedeten sich die beiden an ihrer Lieblingsstelle am See. "Gil, du bist mir nicht böse, wenn ich nicht mit zum Bahnhof komme?", fragte Anne ihn zweifelnd. "Natürlich nicht mein Liebling". "Ich befürchte, ich würde auf dem Bahnsteig in Tränen ausbrechen." "Anne, es ist doch in Ordnung. Außerdem fährt mein Zug doch bereits um 8.00 Uhr. Nur mein Vater wird mich hinbringen“, er sah sie lächelnd an. Anne schluckte, sie hatte das Gefühl ein Stein würde auf ihrem Herzen liegen. "Du wirst mir so sehr fehlen, Gil. Ich kann nach deiner Abreise nicht mehr an unseren geheimnisvollen Platz kommen, sonst würde ich zu heulen anfangen." „Du wirst mir auch schrecklich fehlen, mein Anne-Mädchen. Schreib mir nur ja oft“, Gilberts Stimme klang jetzt ein wenig belegt. "Ich werde dir so viele Briefe schreiben, dass du gar keine Zeit hast sie alle zu lesen." "Für deine Briefe werde ich immer Zeit haben, egal wie viel ich lernen muss. Sie werden die Sternstunden meines Alltags sein." Sie sahen sich tief in die Augen. "Gil“, flüsterte Anne "ich liebe dich!" "Ich liebe dich auch, Anne-Mädchen". Eine Träne rollte über Annes Wange. Sie wollte sie wegwischen, doch Gilbert nahm sie in die Arme und küsste ihr die Tränen fort. "An Weihnachten werde ich wieder da sein. Das ist doch gar nicht mehr solange." Eng umschlungen genossen sie den letzten gemeinsamen Tag. Als Anne wieder in ihrem Zimmer auf Green Gables war, schrieb sie gleich ihren ersten Brief an Gilbert, obwohl er ja noch nicht mal abgereist war. Plötzlich hatte sie eine Idee. Sie schnitt eine Strähne ihres roten Haars ab, band sie mit einem schwarzen Haarband zusammen und legte sie dem Brief bei. Am nächsten Morgen war Anne bereits um sechs Uhr wach. Sie konnte einfach nicht mehr schlafen, weil sie dauernd an Gils Abreise denken musste. Um sieben Uhr kam sie dann die Treppe herunter. Marilla war auch schon aufgestanden. " Was ist los Anne?" "Marilla, darf ich den Buggy nehmen?" "Was hast du vor Anne?" "Ich werde doch zum Bahnhof nach Bright River fahren. Ich muß Gil noch etwas geben. Wenn ich gleich losfahre, schaffe ich es noch," sagte Anne, während sie ihre Jacke anzog. "Anne Shirley," antwortete Marilla ernst "du wirst erst gehen, wenn du etwas gefrühstückt hast." "Marilla, ich kann jetzt nichts essen. Wie kann man in so einem Augenblick nur an Essen denken?" "Gilbert will bestimmt nicht, dass du total ausgehungert am Bahnhof stehst" warf Marilla ein. "Wenn ich nicht gleich fahre, komme ich noch zu spät. Bitte, Marilla". "Na, dann trink zumindest eine Tasse warmen Tee. Bei der morgendlichen Kälte, wirst du sonst noch krank." Sie schenkte eine Tasse Tee ein. "Also gut," gab Anne nach und fing an den Tee zu trinken. "Ich pack dir ein Brot für unterwegs ein" Marilla war schon damit beschäftigt Erdnussbutter auf eine Scheibe Brot zuschmieren. Anne ließ sie lieber gewähren. Es würde nichts bringen mit Marilla zu diskutieren, sie konnte ebenso stur sein wie Anne. Anne nahm das in Papier eingewickelte Brot, gab Marilla noch einen Kuss auf die Wange und konnte dann endlich gehen. Schließlich war sie doch froh, noch einen Tee getrunken zu haben. Es war wirklich ein kalter Septembermorgen. Friedlich lag die Straße vor ihr. In Avonlea war es noch ruhig, erst langsam begann sich das kleine Dorf zu regen. Die Stute trabte gemächlich des Weges entlang, es war so kalt, das man ihren Atem sehen konnte. Zehn Minuten vor 8.00 kam an in Bright River Station an. Der Zug war schon angekommen, denn er legte in Bright River einen kurzen Stopp ein. Gilbert stand zusammen mit seinem Vater auf dem Bahnsteig. Als er Anne erblickte strahlte er. "Anne," rief Gilbert überrascht, " du bist ja doch gekommen." Anne lächelte ihn an und an Mr. Blythe gewandt sagte sie: "Guten Morgen, Mr. Blythe." "Hallo Anne", erwiderte er "ich werde mich mal um dein Gepäck kümmern, Gil". Taktvoll ließ er die beiden alleine. Gilbert nahm ihre Hand und zog sie um die Ecke des Bahnhofgebäudes. Hier konnte sie keiner der anderen Fahrgäste sehen. "Ich musste einfach herkommen, denn ich wollte dir auch noch etwas geben, Gil" Anne holte den Brief aus ihrer Tasche und gab ihn Gilbert. "Lies ihn später." Gilbert hielt immer noch Annes Hand und spielte mit dem Verlobungsring, den sie trug. Sie sahen sich an, keiner sprach ein Wort. Anne schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn. Dann hörten sie den Schaffner rufen: " Alles einsteigen bitte. Abfahrt in wenigen Minuten." Eilig liefen sie auf den Bahnsteig zurück. Mr.Blythe nahm seinen Sohn nochmals in den Arm. Dann sah Gilbert Anne in die Augen und flüsterte "Weihnachten..". Anne nickte stumm. Er stieg in den Zug und als dieser anfuhr, winkte er den beiden nochmals zu. Anne merkte wie die Tränen in ihren Augen brannten. Doch sie schluckte mühsam ihren Kummer hinunter. Als der Zug abgefahren war liefen sie und Mr.Blythe zu ihren Wagen. "Ich muss noch nach Carmody weiter," sagte Mr. Blythe. "Komm uns ruhig mal besuchen, wenn du magst. Meine Frau und ich würden uns sehr darüber freuen. Du bist immer ein gern gesehener Gast in unserem Haus, Anne." "Vielen Dank, Mr. Blythe. Ich werde sie gerne mal besuchen." Dann machte sich Anne auf den Heimweg. Währenddessen saß Gilbert im Zug nach Kingsport. Er holte Annes Brief aus seiner Manteltasche. `Gilbert` stand in Annes schöner Handschrift auf dem Umschlag. Er öffnete ihn und faltete das Blatt auseinander. Dazwischen lag Annes zusammengebundene Haarsträhne. Ein Lächeln huschte über Gilberts Gesicht. Liebster Gilbert, dies wird mein erster Brief an Dich. Ich weiß jetzt schon, dass ich dich fürchterlich vermissen werde. Ich zähle die Tage bis Weihnachten, wenn Du wieder bei mir bist und ich mich an Dich lehnen kann, Du Deine Arme um mich legst und wir gemeinsam von der Zukunft träumen. Von unserem gemeinsamen Leben. Meine ganze Sehnsucht schicke ich Dir in diesem Brief. Du sollst wissen, dass jede Zeile und jedes Wort in diesem Brief vor Liebe zu Dir glühen. Ich liebe Dich,Gilbert, so sehr wie mein Leben. Anbei ist eine Haarsträhne von mir, damit Du meine Haarfarbe nicht vergisst. Sie ist leider "rot" wie du weißt. Bis bald. Deine Dich liebende "Karotte" Gilbert lächelte und flüsterte "Karotte", als er Annes Haarsträhne in seinen Händen hielt. Als Anne in Green Gables ankam, war sie ziemlich geknickt. Marilla hatte ihr einen Tee gekocht, den sie dankbar in der warmen Küche trank. "Ach, Marilla bis Weihnachten ist es noch furchtbar lang." "Du hast gar keine Zeit für Trübsinnigkeiten. Hast du schon vergessen, dass du an deinem Buch arbeiten willst? Außerdem wirst du in zwei Jahren heiraten. Wir müssen noch an deiner ganzen Aussteuer arbeiten und hier auf Green Gables wirst du mir auch noch zur Hand gehen. Du siehst die Zeit wird regelrecht verfliegen." "Du siehst immer alles so praktisch, liebste Marilla. Ich wünschte, ich könnte manchmal auch mehr so denken." "Anne, alle lieben dich, so wie du bist. Na, komm schon, der Alltag geht weiter." Sie legte den Arm um Anne. " Ja," sagte Marilla plötzlich, " der Alltag in Avonlea geht wirklich weiter. Rachel Lynde ist im Anmarsch." Anne sah zum Fenster und erblickte Mrs. Lynde, wie sie in den Hof von Green Gables marschierte. "Guten Morgen," flötete Mrs. Lynde, als sie durch die Hintertür hereingeschneit kam. "Guten Morgen, Rachel," erwiderten Anne und Marilla fast gleichzeitig. "Ach, Anne ist Gilbert nicht heute abgereist? Du solltest jetzt mal anfangen an deiner Aussteuer zu arbeiten. Nicht, dass es dir am Ende noch wie Emily Harris geht. Die war vier Jahre verlobt und hat es nicht geschafft bis zu ihrer Hochzeit ihre Aussteuer komplett zu haben. Der arme Edward musste damals noch den halben Hausstaat dazukaufen. Also nutze die Zeit und verträum nicht soviel davon," schnatterte Mrs. Lynde. "Lass sie doch in Ruhe, Rachel," sagte Marilla scharf "und misch dich nicht überall ein." "Marilla," rief Mrs. Lynde entsetzt. "Ich werde schon fertig werden," wand Anne ein, sie wollte nicht, dass die beiden jetzt auch noch einen Streit vom Zaun brachen. "Ich geh jetzt auf mein Zimmer, um an meinem Buch zu arbeiten". "Ist gut Anne", antwortete Marilla, sie konnte gut verstehen, dass Anne Mrs. Lyndes Geplapper manchmal nicht ertragen konnte. Anne setzte sich an ihr Fenster und seufzte `wie soll ich nur bis Weihnachten durchhalten` ging es ihr durch den Kopf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)