Bloody Eternity von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 1: Der Vampir aus der Gasse ----------------------------------- Ein nächtlicher Windhauch umspielte Janes lange, tiefbraune Haare und ließ diese über ihre leicht geröteten Wangen streichen. Ihre grünen Augen schweiften über die Gegend, während sie durch die nächtliche und beinahe schon menschenleere Russell Square-Straße schlenderte. Fast keiner, jedenfalls kein normaler Mensch, wagte es noch, zu dieser nächtlicher Zeit alleine nach draußen zu gehen. Schon gar nicht, wenn man eine junge Frau war. Immerhin war es zurzeit eiskalt und so manch komische, angetrunkene und auch gewalttätige Gestalten konnten auf den Straßen Londons umherwandern. Doch das war Nichts, wovor sich diese spezielle junge Frau fürchten musste. Es wäre ihre kleinste Sorge, wenn ein Mann versuchen würde, sie zu überfallen. Viel schwieriger und lebensgefährlicher war die Aufgabe, die sie sich selbst seit ihrer Kindheit auferlegt hatte. Sie spürte blutrünstige Vampire auf und tötete sie - wobei sie hierbei nur ein Ziel verfolgte: Den Vampir aufzuspüren und umzubringen, der ihr im Kindesalter ihren Vater geraubt und grausam getötet hatte. Sie wollte Rache - auch wenn sie dabei möglicherweise sogar ihr Leben aufs Spiel setzte. Das war es ihr wert. Natürlich machte sich ihre Mutter jedes Mal Sorgen, wenn sie wieder verschwand, um ihren 'Nebenjob' - wie sie ihn ironisch nannte - zu erledigen. Jedoch hatte Elizabeth mittlerweile gelernt, immer mehr Vertrauen in ihre Tochter zu haben und dementsprechend an ihre sichere Rückkehr zu glauben. Leise atmete Jane aus, sodass sich ihr Atem weiß färbte und sichtbar wurde, ehe sie nach einem Stück Papier griff, welches sie in ihrer Lederjacke verstaut hatte. Es war eine Karte, auf der ungefähr der Ort eingezeichnet war, wo zwei Menschen innerhalb von etwa einem Monat auf mysteriöse Art und Weise verschwunden und nur einige Stunden später blutleer wieder aufgetaucht waren. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ein Vampir hier am Werk gewesen war. Wer sonst hätte so etwas verrichten können? Sie glaubte kaum, dass ein normaler Mensch das Blut eines anderen Menschen ausgepumpt hätte. Zumindest war es nicht möglich - nicht ohne gewisse Spuren zu hinterlassen. "Hier muss es sein...", murmelte die Jägerin, als sie das Papierchen wieder verstaute und sich umsah. Sie musste auf der Hut sein, denn wer wusste schon, wann und wo ein solches Wesen auftauchen würde oder wie stark es sein konnte. Immerhin konnte es ein relativ alter Vampir mit viel Erfahrung sein, aber vielleicht auch ein sehr junger Vampir, der kaum eine Ahnung besaß und halbwegs Amok lief. Eine Straßenlaterne am Ende der Gasse flackerte und sie konnte erkennen, dass dort jemand lag. Ein Betrunkener? Sie musste dem nachgehen und fluchte dann auch leise, als sie sah, dass es sich um eine weitere, blutleere Leiche handelte. Vorsichtig kniete sich die Brünette runter und untersuchte die tote Frau, wobei ihr zwei langsam verblassende Stichwunden an der Halsbeuge auffielen, worauf sie ihre Augen verengte. Sie hatte also Recht gehabt. Hier war vor nicht allzu langer Zeit definitiv ein Vampir am Werk gewesen. Noch während sie über die Leiche gebeugt war, konnte die Vampirjägerin die Präsenz einer weiteren, fremden Person wahrnehmen, weshalb sie sich langsam erhob und umsah. Behutsam umschloss sie dabei den Griff ihres Osmium-Messers, welches an der rechten Seite ihres Gürtels befestigt war. Ob die Bestie noch immer ihr Unwesen trieb? Vielleicht war es aber auch nur eine Falle und man hatte auf ihr Erscheinen gewartet... Egal, was es war - es gefiel ihr nicht. Janes Sinne arbeiteten in jenem Moment auf Hochtouren, wobei sie vor allem ihrem Gehör besonders große Beachtung schenkte und versuchte, jedes nicht passende Geräusch in der Umgebung auszumachen. Dabei blieb sie zunächst erfolglos, da sie nur den Wind heulen hörte, der immer wieder über ihren Kopf hinwegblies und diese Nacht so unangenehm kalt machte. Ob sie sich vielleicht geirrt hatte? Wohl kaum. Schließlich hatte sie sich bisher immer auf ihr sensibles Gefühl verlassen, welches ihr schon oftmals aus brenzligen Situationen herausgeholfen hatte. Es MUSSTE sich also gleich in der Nähe ein Vampir befinden - es konnte gar nicht anders sein! Nur wo? Leicht knirschte die Brünette mit ihren Zähnen, wollte sich erneut in Bewegung setzen, um die Gegend ein wenig besser zu erkunden, als sie auch schon ein dumpfes Geräusch hinter sich vernehmen konnte, welches sie dazu veranlasste, sich ruckartig umzudrehen. Dabei stellte sie sich instinktiv breitbeinig, mit den Händen vor ihrem Gesicht überkreuzt und dem Messer in der rechten Hand, hin. Schließlich konnte sich die Vampirjägerin nie sicher sein, ob im nächsten Moment gleich ein Angriff folgte. Als sie jedoch weder Schmerz noch Bewegung wahrnehmen konnte, runzelte Jane die Stirn und blickte den Vampir vor sich etwas irritiert an. Kein Angriff? Nicht einmal ein Schritt auf sie zu? Wie konnte das sein? Gerade als sie ihren Mund aufmachen und ihn regelrecht anfauchen wollte, wurde sie durch seine leise, aber tiefe Stimme unterbrochen - und was sie hörte, gefiel ihr ganz und gar nicht. „Jane...?“, flüsterte, als spräche er mit einem Geist. „Jane.“ "Woher weißt du meinen Namen?!", kam es ungehalten und ziemlich laut über ihre Lippen, wobei ihr Gesicht ein wenig erblasste. Hatte er sie etwa beobachtet und sie dann hierhergelockt? Die Tatsache, dass er wusste, wie sie hieß, machte ihr wirklich Angst, denn das bedeutete, dass er vielleicht auch wusste, wo sie lebte und dies wiederum konnte heißen, dass ihre geliebte Mutter in Gefahr war - ihre einzige, offene Schwachstelle. Während sie daran dachte, verstärkte sich ihr Griff um das Messer, wobei ihr Gesichtsausdruck deutlich härter und angespannter wurde. Unter keinen Umständen würde sie freiwillig zulassen, dass ihrer Familie etwas geschah. Da musste man schon über ihre Leiche gehen. Sie würde eine gewaltsame Trennung von noch einem Elternteil nicht verkraften. Immerhin litt sie noch heute darunter, dass ihr Vater von einem Vampir umgebracht worden war. "Wie könnte ich deinen Namen vergessen?", antwortete er, wie in Trance ihr Gesicht fixierend. Janes Augen verengten sich zu feinen Schlitzen und hätte sie es gekonnt, dann hätte sie den Vampir vor sich tausend Mal mit ihrem Blick erdolcht - da konnte er auf Menschen noch so attraktiv und anziehend wirken; Jane fiel auf diese Masche schlichtweg nicht mehr herein. Während sie ihn musterte und sein Aussehen - Das markante Gesicht unter dunkelblondem, welligem Haar, die blauen Augen, die massige Statur - In ihr Gedächtnis einbrannte, lösten seine, obwohl leise ausgesprochenen, Worte, bei ihr eine innere Unruhe aus. Für einen kurzen Moment hatte sie dabei sogar fast das Gefühl, dass ihr Gesichtsausdruck entgleiste und sie ihn panisch, fast geschockt ansah. Was um alles in der Welt sollte das heißen? War das nun wirklich eine Falle? Verdammt aber auch! Wenn dem so war und er wusste, wer sie wirklich war, dann konnte das nur bedeuten, dass er sie beobachtet hatte und wahrscheinlich auch wusste, wo sie lebte und mit wem sie zusammenlebte. Ihr Griff um das Messer wurde deutlich stärker, sodass sie wegen des Kraftaufwandes sogar ein wenig zitterte. Sie musste sich wirklich zurückhalten, ihm nicht gleich direkt an die Gurgel zu springen und das Messer mehrere Male in den toten Körper zu rammen. Nur ihre Erfahrung hielt sie von einer derart unbesonnenen Reaktion ab; zuerst musste sie herausfinden, woher er sie kannte. "Ich glaube kaum, dass wir uns bereits jemals begegnet sind. Ansonsten würdest du schon längst unter der Erde liegen und friedlich schlummern. Immerhin erledige ich meine Aufgaben feinsäuberlich!", erwiderte die Brünette biestig. „Also sprich, du verdammte Bestie! Hast du mich absichtlich hierher gelockt, um mich zu töten? Welches perverse Spiel wird hier getrieben?", fauchte die junge Frau den Vampir hasserfüllt an, wobei sie sich deutlich beherrschen musste, um ihm nicht gleich an die Gurgel zu springen. Schließlich wusste Jane in dem Moment noch nicht, wie viele Vampire sonst noch anwesend waren und welcher Moment dementsprechend für einen Angriff am günstigsten war. "Aber ich spiele keine Spiele. Ich wusste bis vor einer Minute nicht mal, dass du lebst", beantwortete die Kreatur ihre Frage mit bedeutend sanfterer Stimme als sie. Er hatte nicht gewusst, dass sie noch am Leben war? Was sollte das nun wieder bedeuten? War dieser Vampir vielleicht verwirrt? Konnten Vampire Alzheimer oder ähnliche Krankheiten bekommen? Zumindest schien er in ihren Augen deutlich neben der Spur zu sein, da er überaus eigenartige Dinge von sich gab. Nun gut, das sollte Jane nicht aufhalten. Um ehrlich zu sein, würde das - wenn er nun wirklich verwirrt war - die ganze Arbeit nur erleichtern. "Ich weiß zwar nicht, mit wem oder was du mich verbindest, aber ich habe nicht vor, unser 'Wiedersehen' - oder wie auch immer du das nennen magst - mit weiterem Geschwätz zu 'feiern'", zischte die junge Frau leise und ließ ihren Blick über Umgebung schweifen, um andere Vampire ausfindig zu machen. Als die Jägerin jedoch keine entdecken konnte, grinste sie nur leicht und ging langsam, aber sicher in ihre Angriffshaltung. "Jedoch hätte ich nichts dagegen, deine abgetrennten Körperteile mit einer feierlichen Stimmung zu verbrennen!" Mit diesen Worten stieß sich Jane schnell vom Boden ab, um den Vampir vor sich anzugreifen. Dabei hielt sie das Messer mit ihrer rechten Hand leicht über ihren Kopf, sodass sie jeden Augenblick zustechen konnte. Ein kleines, hämisches Grinsen legte sich auf Janes Lippen, als sie praktisch schon direkt vor dem Vampir stand und sich sicher war, dass sie ihr Osmium-Messer ohne Probleme in seine linke Brust rammen konnte. Jedoch wurde die Brünette nur eine Sekunde darauf eines Besseren belehrt: Gerade, als sie noch ein wenig Schwung holen und sein Herz erdolchen wollte, wich der Vampir in nur einem Wimpernschlag aus, sodass ihr Angriff ins Leere ging und sie ihr Gleichgewicht erst wiederfand, als sie eine kleine Hechtrolle machte und anschließend breitbeinig versetzt auf dem Boden kniete. Wie immer hielt Jane ihre Hände wieder schützend vor sich - man wusste ja nie. Verdammt. Hätte sie doch einfach ihre Klappe gehalten und ihn ohne weiteren Ankündigung angegriffen! Dann hätte sie diese unverschämte Bestie bestimmt schon längst auseinander genommen und müsste sich jetzt nicht überlegen, wie sie aus dieser äußerst misslichen Lage herauskam. Diese ganze Situation ging ihr gegen den Strich und kratzte deutlich an ihrem Ego, weshalb sie mit den Zähnen knirschte und den scheinbar jungen Mann vor sich mit hasserfüllten Augen ansah, wie er da lässig neben seinem Abendessen – Alias dem toten Mädchen – stand und sie mit missbilligend gerunzelter Stirn betrachtete. Dass er soeben mehr als fünf Meter vor ihr zurückgewichen war, hatte ihn kein bisschen aus der Puste gebracht, und von ihren Waffen wirkte er ebenfalls nicht beunruhigt. Da sie sich kaum noch zurückhalten konnte und ihm am liebsten direkt an die Gurgel gehen wollte, setzte sie schon zu einem weiteren Angriff an. "Jane, lass das", tadelte er, als würde er zu einem Kind sprechen, und ließ sie dadurch tatsächlich mitten in der Bewegung innehalten. "Ich denke, wir haben viel zu besprechen. Du solltest diese Waffe weglegen, dann können wir uns über alles unterhalten." Sowohl Janes Gesichtsausdruck als auch ihr Griff um das Messer verhärteten sich deutlich. Wie konnte dieses Ungetüm es bloß wagen, so mit ihr zu sprechen?! "Ich wüsste nicht, was ich mit so einem Monster wie dir zu bereden hätte!", fauchte die Brünette ihn regelrecht an, wobei sie ihn, noch immer kniend, von unten her ansah. Fast kam es ihr vor, als wäre er bei dem Wort ´Monster` ein wenig zusammengezuckt, aber das konnte nicht sein. Beleidigungen trafen diese Bestien mit Sicherheit nicht – Und selbst wenn, wäre es Jane nur recht. "Und ich glaube nicht, dass du mir sagen kannst, was ich zu lassen habe und was nicht. Es ist meine Bestimmung, euch ekelhaften Vampire aufzuspüren und zu töten, um die Menschheit vor euch zu beschützen!" Mit diesen Worten stand die Vampirjägerin langsam auf, wobei sie nie ihre Verteidigung locker ließ und ihr Gegenüber stets im Auge behielt. Schließlich schien er in ihren Augen ein abgekartetes Spiel zu spielen. Woher sonst sollte er ihren Namen kennen und so vertraut mir ihr sprechen? Irgendetwas war doch daran faul! "Und wer wird DICH beschützen?", fragte er leise nach, scheinbar völlig unbeeindruckt von ihrer aggressiven Haltung. Seine beinahe geflüsterten Worte ließen sie stutzen. Für einen kurzen Moment hatte die junge Frau keine Kontrolle mehr über ihren Gesichtsausdruck und man sah ihr an, dass sie aufgrund seiner Worte etwas überfordert war, doch dann warf Jane im nächsten Augenblick aus heiterem Himmel ihren Kopf lachend in den Nacken. Dabei ließ sie von ihrer Verteidigung ab und legte ihre Hände auf den Bauch. Eine kurze Zeit lang konnte man in der Gasse nur Janes Lachen hören, ehe sie sich beruhigte und die eine Hand an ihre Hüfte stemmte, während die andere noch immer das Messer festhielt. "Mich beschützen? Als ob ich so etwas wie einen Beschützer bräuchte!", zischte die junge Frau dann auch wieder ernst, wobei sie das Wort 'Beschützer' mit ziemlicher Verachtung aussprach. Wie kam dieser elende Vampir bloß auf so eine absurde Idee? Sie war eine Rang 12 Jägerin, hatte seit ihrem zwölften Lebensjahr die beste Ausbildung zur Vampirjagd genossen und auch sonst hatte sie niemanden gebraucht, der auf irgendeine spezielle Weise auf sie hätte aufpassen müssen - und das würde nach Jane auch so bleiben. Immerhin brauchte sie niemanden, der ihr folgte oder glaubte, sie vor jedem Unheil oder jeder Gefahr abschirmen zu müssen. Sie war eine emanzipierte, starke und selbstbewusste Frau, die die Dinge selbst in die Hand nahm und sehr gut auf sich selbst aufpassen konnte. Der Vampir seufzte und sein Blick kotzte Jane einfach nur an. Fast, als hätte er Mitleid mit ihr. "Du hast dir offenbar einen gefährlichen Beruf ausgesucht - Einen, der nicht für ein Mädchen geeignet ist, wie ich anmerken möchte", fügte er noch hinzu, wie, um diesen Gedanken endlich von der Zunge zu bekommen. "Ich bin kein Mädchen!", entgegnete die Brünette sofort, da ihr bei der Aussage sichtlich der Kragen platzte. Wie konnte er sie bloß so bezeichnen? Das war doch eine Beleidigung! Sicherlich, sie war eine Frau, doch das hieß nicht, dass sie gleichzeitig ein kleines, hilfloses und zerbrechliches Mädchen war! Sie konnte sich ausgezeichnet selbst verteidigen und auch wenn sie nicht so viel aushielt, wie sie gerne wollte, so hatte sie eine gewisse körperliche Ausdauer, die sie sich in den letzten zehn Jahren angeeignet hatte. Ein amüsierter Ausdruck trat an die Stelle des Mitleids auf seinen Zügen und nervte sie mindestens genauso sehr. "Nun, für mich siehst du aber wie eines aus“, erklärte er, wobei er ganz ungeniert den Blick über Janes Körper wandern ließ. „Allerdings schätze ich, dass sich heutzutage jeder so nennen kann, wie er will… Aber wenn du die Jagd für deine ´Berufung` hältst, irrst du dich, das ist sie nicht“, verkündete ihr dieser Fremde dann, als wüsste er viel besser, was gut für sie war. Es war doch völlig absurd, welche Worte der Vampir von sich gab! Für wen hielt er sich eigentlich? Es wäre nicht ihre Berufung, die Menschheit vor Vampiren zu beschützen, obwohl sie ganz genau wusste, dass solch bestialische Kreaturen existierten und die Existenz der Menschheit bedrohten? Das konnte doch einfach nur ein Witz sein. Ihre leere Hand löste sie langsam von ihrer Hüfte, während sie ihm zuhörte, wobei sie nicht anders konnte, als diese zu einer Faust zu ballen. Dabei wandte sie einen ziemlich hohen Kraftaufwand an, so dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Jedoch dauerte es nicht lange, bis die junge Frau erneut ziemlich verdutzt dastand und ihn mit gerunzelter Stirn ansah, als er fortfuhr: „Du bist eine Königin und als solche verdienst du besonderen Schutz." Ihre Anspannung verflog (mal wieder) für einen kurzen Moment. Sie, eine Königin? Wovon sprach er bitteschön? Das war doch beinahe zum Mäusemelken! Frustriert fuhr sich die Brünette dann auch durch die Haare, ehe sie schwer aufseufzte und den Kopf schüttelte. "Noch einmal zum Mitschreiben: Ich weiß nicht, wovon du redest", erklärte die Vampirjägerin erneut, wobei sie ihn weiterhin mit ihren Augen fixierte. "Und ich habe auch nicht vor, den Inhalt deiner Worte zu verstehen!" Während sie so mit ihm sprach, atmete sie kurz durch, sodass sie ihre Fassung wiedererlangte und sich ein wenig anspannte. Schließlich musste sie - trotz dieses eigenartigen Gesprächs - auf der Hut sein und sich auf jegliche Änderungen gefasst machen. Ein gequälter Ausdruck, den sie nicht nachvollziehen konnte, huschte über das Gesicht des Vampirs. "Wenn du mich nur erklären lassen würdest, Jane...", versuchte er es erneut. „Erklären lassen...? Erklären lassen?!", erwiderte Jane sofort empört, wobei ihr Tonfall beim zweiten Mal deutlich lauter und höher wurde und sie ihn mit einem entsetzten Gesichtsausdruck ansah. Was beim Teufelsnamen wollte er ihr bitteschön erklären? Wollte er ihr vielleicht erzählen, wie er sie und ihre Mutter 'sanft' töten wollte? Na, bei dem Gedanken konnte die Brünette fast schon wieder hämisch auflachen - jedoch unterdrückte sie es nur und biss sich leicht auf die Unterlippe. Es war weder der richtige Ort, noch der richtige Zeitpunkt, um sich über so etwas zu amüsieren. Die Jägerin wurde schließlich aus ihren Gedanken gerissen, als sie eine Bewegung seinerseits wahrnahm, gerade so, als wolle er einen Schritt auf sie zu machen und die Hand nach ihr ausstrecken. Ihr Körper spannte sich sofort an und ihre Augen verengten sich ein wenig, ohne ihn dabei irgendwie aus dem Fokus zu verlieren. Zwar reagierte Jane auf seine Bewegung mit Anspannung, doch mehr machte sie nicht. Sie wich keinen einzigen Schritt zurück, sondern verharrte an derselben Stelle wie zuvor. Sie wollte ihm nicht die Genugtuung geben und zurückweichen, weil sie - im Gegensatz zu ihm - ein Mensch und ihm grundsätzlich körperlich unterlegen war. Nein, so etwas würde sie niemals tun. Dazu war Jane viel zu stolz und starrköpfig, weshalb es auch ein ziemliches Wunder war, dass sie aus so manch brenzliger Situationen doch noch heil raus kam. „Es gibt nichts, was einer wie du mir erklären könnte“, zischte sie herablassend. "Und nenn mich nicht so vertraut beim Namen! Verrate mir lieber, woher du weißt, wer ich bin!", verlangte die Brünette schroff, da dies ihr innerlich noch immer Sorgen bereitete. Sie hoffte einfach inständig, dass es bloß Zufall oder dass er der zumindest der einzige war, der wusste, wer sie war. So würde sich immerhin die Gefahr für ihre Mutter um einiges verringern, als wenn bereits schon mehrere Vampire über ihre Existenz Bescheid wussten. "Erinnerst du dich wirklich nicht mehr, Jane?", ignorierte er sowohl ihren Befehl, sie nicht mehr beim Namen zu nennen, als auch ihre Frage. Sein einer Schritt blieb die einzige Bewegung des Vampirs, sonst hielt er sich völlig regungslos, die Arme locker neben dem Körper, den Kopf leicht gesenkt, die blauen Augen in ihre grünen gebohrt. "Ich verstehe, dass du mich hasst, weil ich dich nicht beschützen konnte... Obwohl du mir glauben musst, dass ich alles versucht habe. Aber du kannst mich doch nicht vergessen haben." Dieser durchgeknallte Blutsauger sah sie an, als suchte nach in ihrem Gesicht nach etwas, aber da war nur Hass. Als er das erkannte, wurden seine Züge tieftraurig, aber das war Jane gleichgültig. Sie wollte ihn nur endlich umbringen, und wenn es nur wäre, um diese lächerliche Unterhaltung zu beenden. "Hör mal gut zu. Ich weiß nicht, wovon du redest und ehrlich gesagt, habe ich auch nicht vor, dich in irgendeiner Hinsicht zu verstehen, weil du anscheinend irgendwelche makabren Spielchen mit mir spielen willst. Es gibt keinen Zeitpunkt in meinem Leben, an ich jemals etwas mit einem Vampir wie dir zu tun gehabt habe - abgesehen vom Jagen und Töten natürlich. Also lass diesen Mist! Ich habe keine Zeit für so etwas! Sei also brav und lass dich von mir auseinander nehmen, damit ich dich danach schön verbrennen kann", sprach Jane dann schließlich, wobei ihr Tonfall - trotz der grotesken Worte - normal und ruhig blieb. Ihre so selbstbewussten Worte seines Todes bezüglich vertrieben nicht nur die Trauer aus seinen Augen, sondern brachten den Vampir sogar zum Lächeln. Er senkte den Blick und schüttelte den Kopf. "Ich fürchte, du irrst dich in mehreren Punkten. Ich bin ein Teil deiner Vergangenheit, du musst ihn nur zulassen. Das ist kein Spiel, sondern die Wahrheit und du kannst nicht davor weglaufen. Sie findet dich." Er holte tief Luft, sodass sich seine Schultern langsam hoben und senkten, und schloss die Augen. "Und ich fürchte, ich kann dir den Gefallen, mich von dir ´auseinandernehmen` zu lassen, nicht tun. Ich muss jetzt gehen und klären, wieso du hier bist..." Bei diesen Worten sah er sie intensiv an, als würde die Antwort doch noch in ihren Augen erscheinen. "Aber wir sehen uns wieder und dann kannst du es ja mal versuchen", schloss er mit einem Lächeln, als würde er nicht von seinem eigenen Ableben sprechen. "Wenn du glaubst, dass ich dich einfach so gehen lasse, dann hast du dich geschnitten! Ich werde dafür sorgen, dass du gleich in der Hölle schmoren wirst!", knurrte Jane laut und setzte erneut zu einem Angriff an, wobei sie sich wieder vom Boden abstieß und mit dem Messer auf ihn losging. Jedoch traf ihre Klinge nur das Leere, sodass sie schlussendlich wieder allein in der Gasse stand und nur noch wütend fluchen konnte. Das konnte doch nicht wahr sein! Leicht knirschte die Brünette mit den Zähnen, ehe sie tief durchatmete und sich dann auch ohne weiter zu Zögern zu ihrem Wagen begab und mit Vollgas nach Hause fuhr. Zwar hatte die Bestie niemals angedeutet, dass er ihre Mutter aufspüren oder verletzen wollte, doch ließ es der jungen Frau keine Ruhe. Außerdem hatte er angedeutet, sie ´wiederzusehen`, was für sie einer Drohung gleichkam. Dementsprechend stürmte sie praktisch ins Haus, als sie bei der Villa ankam. Erst als ihre Mutter auf sie zukam und sie begrüßte, beruhigte sich Jane langsam, sodass sie es sogar schaffte, Elizabeth sanft anzulächeln und zu umarmen. Sie war in Sicherheit und ihr ging es gut - das war alles, was für Jane zählte. Am nächsten Morgen riss Jane ein nervtötender Wecker aus dem Schlaf, worauf sie leise, aber schwer aufseufzte und sich durch die Haare fuhr. Es war Mittwoch und wie jeden Mittwoch hatte sie leider eine Vorlesung am Morgen, bei der sie nicht fehlen durfte. Ja, wenn Jane nicht gerade auf der Jagd nach Vampiren war, verbrachte sie ihre Zeit damit, ihrem Wirtschaftsstudium nachzugehen. Für Außenstehende mochte es eine verwirrende Mischung sein, die die junge Frau zwischen der Jagd nach Unsterblichen und etwas so Banalem wie frühem Aufstehen hin und her trieb, doch Jane empfand das nach all den Jahren als normal. An den Vorfall der letzten Nacht dachte sie höchstens noch mit leichtem Zähneknirschen, aber jetzt war ihr Fokus auf etwas anderes gerichtet. So begab sich die Brünette auch schon ins Badezimmer, machte sich frisch, ging nach unten und nahm wie immer einen Toast zu sich. Ihr Frühstück verspeiste sie im Gehen, während sie ihrer Mutter einen kleinen Kuss auf die Wange hauchte. Weiterhin essend und gleichzeitig die Jacke anziehend lief die Studentin nach draußen zu ihrem Wagen, mit dem sie jeden Tag zur Uni fuhr und ihre Freunde traf. Fünfzehn Minuten zu früh parkte die junge Frau ihren Wagen vor dem Campus des King's College und begab sich dann auch gleich in den Vorlesungssaal, wo sie ihre Freunde - Kate, Cynthia, Benjamin und Logan - erblickte, die wie immer einen Platz für die Brünette frei hielten. Ohne zu zögern ließ sich Jane am Rand der Gruppe nieder und begann damit, sich ein wenig mit ihren Freunden auszutauschen. Dabei dauerte es nicht lange, bis auch endlich der Professor eintrat und mit der Valuation-Vorlesung begann. Nach geschlagenen zwei Stunden wurden die Studenten dann endlich entlassen, sodass die Fünfergruppe ihre Sachen zusammenpackte und den Saal verließ, um in die nächste und gleichzeitig letzte Vorlesung für den Tag zu kommen. Dabei unterhielten sich alle angeregt, wobei Logan sich neben Jane stellte und sie anlächelte. "Was hältst du davon, wenn wir die Seminararbeit zusammenschreiben?“, schlug er ein Thema an, das die meisten Studenten gerade umtrieb. „Ich habe noch keinen Partner und wenn ich mich richtig erinnere, bist du auch noch in keiner Zweiergruppe?", schlug der braunhaarige und großgewachsene Kommilitone vor, worauf die Angesprochene kurz überlegte und lächelnd nickte. Wieso auch nicht? Logan war ein angenehmer Zeitgenosse und hatte gute Noten, was doch ziemlich für eine Zusammenarbeit sprach. Gerade, als die Brünette ihren Mund öffnen und etwas sagen wollte, konnte sie Kate und Cynthia aufgeregt tuscheln hören. Etwas irritiert hob die junge Frau die Augenbrauen an, ehe ihr Blick zu der Person schweifte, die sie am Vorabend am liebsten brennen gesehen und hier nie im Leben erwartet hätte. Der Vampir aus der Gasse war zurück. Kapitel 2: Stalking für Anfänger -------------------------------- Es war nicht besonders warm in dem Büro; die Klimaanlage tat ihren Dienst genauso geflissentlich wie die Dame hinter dem Empfangstresen. Dennoch waren Wangen und Dekolleté eben dieser Dame, einer der Universitäts-Sekretärinnen, gerötet und ein feiner Schweißgeruch ging von ihr aus. Aidens Lippen hoben sich zu einem sarkastischen Lächeln, was seine Wirkung auf die Frau jedoch noch verstärkte. "Ma´am", begrüßte er sie höflich, bevor er den Grund für seine Anwesenheit erklärte: "Ich bräuchte Ihre Hilfe bei meiner Immatrikulation, bitte." "Wir... Also, das Semester hat bereits begonnen. Wie haben Sie sich das vorgestellt...?", fragte sie ein wenig außer Atem. "Oh, ich denke, wir werden einen Weg finden, um das möglich zu machen", schnurrte er in einem süßlichen Tonfall, das Lächeln immer noch auf den Lippen. Eine gute halbe Stunde später verließ er mit den ausgefüllten Formularen für sein Wirtschaftsstudium in den Händen das Büro. Offiziell war er hier eingeschrieben seit Semesterbeginn, jedoch einige Zeit wegen einer Krankheit nicht anwesend gewesen. Es hatte sich sogar herausfinden lassen, in welche Kurse genau er gehen ´musste`, obwohl das ein wenig mehr Überredungskunst bedurft hatte. Man konnte der Sekretärin wirklich nicht vorwerfen, dass sie nicht versucht hatte, Janes Privatleben zu schützen, aber wenn ein Vampir etwas darüber herausfinden wollte, würde er das eben tun. Auf den Fluren des College herrschte reger Betrieb, überall waren Studenten, Professoren und Besucher unterwegs, um ihren unwichtigen Aufgaben nachzugehen. Sie alle interessierten Aiden heute nicht. Heute interessierte ihn nur eines; dieser unvergleichliche Duft aus der letzten Nacht. Ihr Duft, dem er folgte wie ein Magnet dem anderen. Er fand sie, als sie gerade einen Vorlesungssaal verließ und sich nach rechts wandte - genau in seine Richtung. Wie bereits gestern paralysierte ihn ihr Anblick für einen Augenblick, konnte er es doch nicht wirklich glauben. Er war so lange ohne sie gewesen und jetzt stand sie vor ihm, es konnte keinen Zweifel geben. Sie musste wirklich aus dem Totenreich auferstanden sein. Aber wie konnte das sein? Er hatte ihren Leichnam gesehen, damals, als sein neues Leben noch so jung gewesen war. In Gedanken war er unendlich weit weg. Mehr als vierhundert Jahre weit weg, um genau zu sein, an dem Tag, als er diesen Kopf zuletzt gesehen hatte - Fein säuberlich getrennt von seinen Schultern. Die Bilder von damals schoben sich wie schon am letzten Abend immer wieder vor die momentanen. Da war ihr Lächeln, das er nie hatte vergessen können, selbst, als die Gesichter seiner Familie bereits zu verschwimmen begannen. Ein früher, blutroter Sonnenuntergang hinter ihrem ernsten Gesicht. Das Gefühl ihrer Haut unter seinen Fingern. Wieder drängte sich ihm die Überlegung auf, wie das sein konnte. Vor zwölf Jahren hatte er zwar ihr Blut an einer anderen Person gerochen, und es war genauso betörend gewesen wie in diesem Moment, aber dieses Mal war es etwas anderes. Sie war wirklich seine Geliebte. Ihr Gesicht, ihre Stimme, ihre Bewegungen, alles war ihm so vertraut, nur nahm er es jetzt intensiver wahr, weil er Jane mit den schärferen Sinnen eines Raubtieres wahrnahm, nicht als Mensch wie damals. Und dann hob sie den Kopf, ihre Blicke kreuzten sich und er lief ganz automatisch auf sie zu. Da sie nicht alleine war, setzte er ein unverbindliches Lächeln auf, als er sie ansprach. Die zwei Frauen neben ihr hatte er so zumindest schon mal in der Tasche. Wie gesagt; es war viel zu einfach, um Spaß zu machen. "Hallo. Tut mir leid, euch so anzuquatschen, aber ich habe euch gerade im Vorlesungssaal gesehen. Ich bin neu an der Uni und bräuchte jemanden, der mich ein bisschen rumführt... Glaubst du, du könntest mir vielleicht helfen?", wandte er sich direkt an Jane, immerhin interessierten ihn die anderen nicht. Es war wahrscheinlich unfair, sie so festzunageln, aber eine andere Möglichkeit hatte sie ihm ja nicht gelassen. Man sah der Jägerin regelrecht an, wie es in ihrem hübschen Kopf ratterte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie sich wieder gefangen hatte und sich dann schließlich an ihren Freundeskreis wandte: "Geht ihr schon mal voraus. Ich komme nach." Aiden sah den vier jungen Menschen einen Moment nach, die ihnen ihrerseits neugierige Blicke zuwarfen. Es handelte sich um zwei Männer und zwei Frauen, je einer blond und einer brünett. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Jane zu, die mit einer kleinen Fingerbewegung andeutete, dass er ihr folgen sollte. Folgsam trottete er hinterher, die Hände entspannt in den Hosentaschen vergraben, ein äußerst zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Es hatte tatsächlich geklappt! Und sie ging nicht mal auf ihn los, obwohl der Wunsch dazu ganz genau in ihren Augen zu lesen gewesen war. Er hatte sehr lange überlegt, was er ihr überhaupt sagen wollte, aber nichts davon war ihm besonders logisch erschienen. Alles, was er wusste, war, dass sie vom Geschlecht seiner Jane abstammen musste, und dieser Grund hatte ihm genügt, die ganze restliche Nacht mit einer Recherche über sie zu verbringen. Es hatte ihn einiges an Überwindung gekostet, sie in der letzten Nacht tatsächlich stehen zu lassen, aber ihr neuerlicher Angriff war ein überzeugendes Argument gewesen, also war er über die Feuerleiter verschwunden. Auf dem Dach hatte er sie fluchen gehört, aber nur leise in sich hineingelacht, statt ihr zu folgen. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie bis nach Hause zu verfolgen, um auf sie zu achten. Aber er begleitete sie nur, von ihr unbemerkt, bis zu ihrem Wagen, um sich dessen Kennzeichen er sich merkte, damit er sie wiederfinden konnte. Er vertraute sich nicht genug, um ihr weiter nachzulaufen; er wollte nicht, dass er irgendwann anfing, sie zu jagen. Ihr Blut hatte eine heftige Wirkung auf ihn, was ihn nicht überraschte nach dem Vorfall vor zwölf Jahren. Damals war es ein Mann gewesen, den er im Affekt getötet hatte, aber jetzt stand sie vor ihm und sah genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte... Wenn ihr seinetwegen etwas passiert wäre, er hätte es nicht ertragen. Nachdem er in Ruhe darüber hatte nachdenken können, war ihm durchaus bewusst, dass es nicht seine Jane war, die da vor ihm stand, aber sie sah aus wie seine Geliebte, bewegte sich wie sie, sprach sogar wie sie - Wenn auch in modernen Worten. Es war Aiden schlicht und ergreifend nicht möglich gewesen, dieses Ebenbild einfach so verschwinden zu lassen wie das Original. Trotz seines Wunsches, sie zu schützen, hatte ihn die Begegnung wieder durstig gemacht. Das Brennen in seiner Kehle war so stark gewesen, dass er nicht anders konnte, als jagen zu gehen, sodass es einige Zeit dauerte, bis er beginnen konnte, Nachforschungen anzustellen. Diese führten ihn zunächst zu einem Freund. Es gab nicht viele Vampire, die er als solchen bezeichnet hätte, er war zu viel gereist, um groß Bindungen zu schließen. Aber Kenny hatte es geschafft. Der sehr junge, reinblütige Vampir - Er war gerade fünfzig geworden - War stets gut drauf und das, was man unter Menschen als Nerd bezeichnete. Er liebte Computer, Autos, Videospiele und all den anderen Kram, mit dem Aiden so gar nichts anfangen konnte. Aber jetzt brauchte der alte Vampir Technologie, um mehr über Jane herauszufinden, wobei Kenny sich wunderte, warum er sie nicht sofort getötet hatte; sonst war Aiden nicht der Typ, der mit dem Essen spielte oder besonderen Reiz an komplizierten Jagdstrategien fand. Trotzdem half er ihm und mit dem Internet und ihrem Kennzeichen war es leicht, mehr über Jane zu erfahren, sodass er jetzt hinter ihr her durch ihre Universität laufen konnte. Eine ganze Weile lang ging Jane mit Aiden den Flur entlang. Erst dann packte sie den Vampir am Kragen und drückte ihn mit voller Kraft mit dem Rücken gegen die Wand. "Was zum Teufel machst DU hier?! Ich warne dich... wenn du vorhast, auch nur eine Person hier an der Uni auszusaugen, werde ich dir die Hölle heiß machen!", herrschte Jane Aiden wütend, ja, fast schon außer sich an. Sein Lächeln bekam eine sarkastische Note, als sie ihn an die Wand drückte, obwohl sie ihn damit schon überrascht hatte; sie war schneller und kräftiger, als er erwartet hatte. Es sah aber trotzdem einfach lustig aus, wie so ein Zwerg wie sie ihn durch die Gegend schupste, und hätte er es nicht zugelassen, wäre es ihr sicher nicht so leicht gefallen. So musste er leise glucksen, als sie ihm mal wieder drohte. Irgendwie hätte er ihr dafür gerne beruhigend durch Haare gestreichelt, aber er nahm mal an, das würde sie dazu veranlassen, ihm ´die Hölle heiß` zu machen. Also behielt er die Finger brav in der Hosentasche und lehnte sich entspannt gegen die Wand. "Nicht so stürmisch...", schnurrte er in sanfter, zweideutiger Tonlage, ohne sich von ihren wütend funkelnden Augen beeindrucken zu lassen oder davon, dass ihr Verhalten eine einzige Drohgebärde war. Er respektierte sie, aber eben nicht als Feind. Außerdem war er nicht hier, um einen ihrer Freunde zu verletzten, also gab es keinen Grund für sie, so auszurasten. "Du brauchst dir keine Sorgen um deine Kommilitonen zu machen. Ich habe bereits gefunden, was ich gesucht hatte." Bei diesen Worten leuchteten seine Augen auf und er ließ kurz die Zähne in seinem Lächeln aufblitzen, um sie seinerseits zu reizen. Ihr war ja wohl sicher klar, dass er einzig und alleine ihretwegen hier war. Eine volle Universität war schließlich nicht gerade das, was man ein unauffälliges Jagdrevier bezeichnen könnte. Ihn interessierten die anderen Studenten im Moment auch wirklich kein Stück. "Gut. Du hast mich gefunden. Was also willst du?", kam es knurrend und mit leicht knirschenden Zähnen über Janes Lippen. "Ich habe dir bereits gesagt, wieso ich hier bin. Ich bin ein neuer Student und kenne mich leider noch nicht aus und da du die einzige bist, die ich hier kenne, habe ich mich an dich gewandt… Macht man das nicht so?", erkundigte er sich in geschäftsmäßiger Tonlage, ohne das amüsierte Funkeln in den Augen zu verlieren. "Kein neuer Student taucht hier mitten im Semester auf und spricht willkürlich irgendeine Frau an, um sich hier rumführen zu lassen, weil diese anscheinend ein paar gleiche Vorlesungen hat!", entgegnete die Brünette sofort. "Ich muss mich wohl korrigieren: Wir haben sicher ALLE Vorlesungen zusammen. Und wie gesagt mich habe dich nicht willkürlich angesprochen. Du bist die Einzige, die ich will, Jane", erklärte er sanft. Sie hasste ihn so oder so, da konnte er ihr genauso gut Sachen sagen, die sie nicht hören wollte. Die Tatsache, dass ein Vampir ihr nun regelrecht auf Schritt und Tritt folgte, gefiel der Brünette sichtlich nicht, aber das hatte Aiden auch nicht erwartet. Statt mit ihr darüber zu streiten – Und er war sich ganz sicher, dass sie das stundenlang getan hätten – Bemühte er sich um ein wenig Höflichkeit in ihrer bisher so frostigen Bekanntschaft. "Übrigens… Mein Name ist Aiden Hunt, und ich bin sehr erfreut, deine Bekanntschaft zu machen, Jane." An dieser Stelle zog er das erste Mal die Hand aus der Hosentasche, um sich die von Jane zu schnappen. Noch bevor sie sie wegziehen konnte, hauchte er einen Kuss auf die warme, duftende Haut. "Ich bin gestern nicht mehr dazu gekommen, mich vorzustellen. Das war sehr unhöflich von mir, ich hoffe, du kannst es mir verzeihen." Schlagartig weiteten sich ihre Augen und es dauerte keinen weiteren Wimpernschlag, bis Jane ihre Hand zurückgezogen und zur Faust geballt hatte. "Fass mich nicht noch einmal an!", zischte die junge Frau aufgebracht und wischte sich die geküsste Hand an ihrer Hose ab, wobei sie ihren angewiderten Gesichtsausdruck nicht einmal zu verbergen versuchte. Es überraschte ihn kein bisschen, dass sie ihm ihre Hand nicht ließ, im Gegenteil war er eher erstaunt, dass sie ihm keine schmierte. Er wusste selbst, dass sich so etwas nicht gehörte. Normalerweise wäre er nie so dreist gewesen, aber sie wirkte so unglaublich anziehend auf ihn... "Verzeih mir", sagte er, den Blick reumütig ein wenig gesenkt. Dass er es nicht wieder tun würde, versprach er lieber nicht, denn er hielt sich gerne an sein Wort. "Ich weiß zwar nicht, was du vorhast, aber ich werde dich im Auge behalten. Falls du es je auch nur versuchst, irgendjemandem hier ein Haar zu krümmen oder auch nur anzuknabbern, werde ich dir die Hölle heiß machen und dich so quälend langsam töten, dass du mich regelrecht anflehen wirst, Erbarmen zu zeigen!", warnte die Vampirjägerin den scheinbar jungen Mann vor sich, ehe sie sich abwandte und zum nächsten Vorlesungssaal ging. Als sie sich nach ihrem kleinen Monolog abwandte, folgte Aiden ihr einfach in einiger Entfernung; wie gesagt, er musste auch zu diesen Kursen, sonst hätte die arme Sekretärin sich ganz umsonst die Mühe für ihn gemacht. Es lag natürlich ganz in seinem Sinne, obwohl ihn ihr Kurs überhaupt nicht interessierte. Er wusste nicht mal mehr, wie dieser hieß. Kurz nach Jane betrat Aiden den Hörsaal und folgte ihr mit den Augen, als sie sich wieder zu ihren Freunden gesellte. Dabei setzte sie sich neben den jungen Mann, mit dem sie zuvor schon gesprochen hatte. Es wäre Aiden lieber gewesen, sie hätte sich zu den Mädchen gesetzt, aber na ja. Dann nahm eben er den Platz bei ihren Freundinnen ein. "Darf ich mich zu euch setzten?", fragte er lächelnd und natürlich durfte er. Er hatte nicht oft die Gelegenheit, mit Menschen zu sprechen - Oder das Verlangen danach - Weshalb er jetzt höflich und neugierig auf die gedämpften Konversationsversuche der jungen Frauen einging, bis der Professor sie um Ruhe bat. Dabei lag der Großteil seiner Aufmerksamkeit jedoch auf Jane und er lächelte sie jedes Mal an, wenn ihr Blick zufällig - Oder auch nicht? - Zu ihm wanderte. Man sah Jane an, dass sie während der ganzen Vorlesung ziemlich angespannt war. Ihre Lippen hatte sie fest aufeinander gepresst, sodass sich diese ein wenig weiß färbten, und ihr Gesichtsausdruck war ein wenig verhärtet. Immer wieder biss sie sich auf die Unterlippe und versuchte angestrengt der Vorlesung zu folgen. Aiden dagegen gab dem Film sogar eine Chance, interessant zu sein, aber er wurde enttäuscht, als er feststellte, dass er keine Ahnung von dem besprochenen Thema hatte. Wenn er bleiben würde, würde er sich wohl mit dem Inhalt auseinandersetzen müssen, eine Vorstellung, die ihn ernüchterte. Das würde ein Haufen Arbeit für viel Langeweile werden. Sein Blick wanderte zu Jane zurück und er fügte sich in dieses bittere Schicksal, dass er sich ja selbst ausgesucht hatte. Endlich war die Lesung beendet, doch noch bevor er sich wieder zu Jane gesellen konnte, wurde er von seinen Sitznachbarinnen abgefangen. Leicht entnervt von dem Fragen-Bombardement runzelte er die Stirn. Manchmal war das mit der Anziehungskraft seiner Spezies ziemlich lästig, stellte er jetzt zum ersten Mal fest. Normalerweise wären sie genau sein Beuteschema gewesen; sowohl die Blondine, die jedem Barbie-Klischee zu entsprechen schien, als auch die schlanke Brünette waren jung und schön und eindeutig interessiert, aber jetzt gerade fand er sie recht anstrengend. Er erzählte ihnen zuerst mal, wieso er erst jetzt mit dem Semester angefangen hatte - Die ominöse Krankheit, die sein Fehlen auch offiziell entschuldigte - Und überlegte währenddessen, was er bezüglich seines Verhältnisses zu Jane sagen sollte. Natürlich könnte er einfach behaupten, sie wäre seine Freundin, aber dann würde sie ihm wohl wortwörtlich den Kopf abreißen, also ließ er es lieber bleiben. Allerdings wurde er von Jane vor weiteren Erklärungen bewahrt, indem diese sich an die zwei Mädchen wandte. "Müsst ihr nicht los und das Gebäude wechseln? Ich dachte, ihr habt jetzt Marketing 2 Vorlesung?", erinnerte sie, woraufhin die beiden praktisch fluchtartig das Haus verließen. Wahrscheinlich wollte sie ihre Freundinnen beschützen, überlegte Aiden, den es etwas überraschte, dass die Vampirjägerin sich freiwillig in sein Gespräche einmischte. Er sah ihren Kommilitoninnen nach, als sie losrannten, dann richtete er den Blick wieder auf Jane, welche ihn mal wieder bitterböse anstarrte. Was hatte er denn jetzt schon wieder getan? Er sah sie fragend an, als außer dem Blick nichts mehr kam. Ausnahmsweise schrie sie ihn nämlich mal nicht an, denn sie schien zu überlegen, was sie jetzt mit ihm anstellen sollte. Er hoffte, sie würde zu dem Schluss gelangen, ihm ein wenig von ihrer Zeit zu geben, aber anstatt ihn in ihre Gedanken einzuweihen, wandte sie sich wieder an diesen anderen Mann, welchen Aiden nachdenklich musterte. Es war ja inzwischen normal für junge Frauen, männliche Freunde zu haben, dennoch waren diese zwei Typen ein seltsamer Anblick an Janes Seite. "Alles okay?", wollte der fremde Mann, der sich als Logan vorgestellt hatte, wissen, worauf Jane kurz die Augenbrauen anhob und mit einem 'Ja' knapp antwortete. Ohne zu zögern stand sie auf, packte ihre Sachen und verließ mit dem Rest der Gruppe den Hörsaal, wobei sie aus ihrem Blickwinkel heraus Aiden beobachtete. "Woher kennst du den eigentlich?", wollte Logan leise von Jane wissen, als er glaubte, außer Hörweite des Gesprächsgegenstandes zu sein. Zu blöd nur, dass Vampire ein besseres Gehör hatten als Sterbliche. Allerdings glaubte Aiden nicht, dass der junge Mann damit unfreundlich sein oder Abneigung zeigen wollte, er war nur neugierig. Die Brünette seufzte schwer und winkte schwach lächelnd mit einer Hand ab. "Er ist ein alter und flüchtiger Bekannter von mir. Ist eine längere Geschichte - nicht weiter erzählenswert, glaub mir", antwortete die junge Frau. "Ich gehe dann auch mal. Schreibst du mir noch wegen der Arbeit?", meinte die Brünette und blickte zu Logan, der zur Antwort lächelte und nickte, worauf sie die Hand zum Abschied anhob, sich umdrehte und sich auf den Weg zu ihrem Wagen machte. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, folgte Aiden ihr. Dabei nickte er ihren Freunden noch kurz höflich zu; man durfte seine Manieren ja nicht vergessen und die Herren konnte er wohl nicht so leicht von sich überzeugen wie ihre Freundinnen. Jane schien schon mit seinem Kommen zu rechnen, denn ihre Autotür war auf, und er lehnte sich dagegen, um zu ihr ins Wageninnere zu blicken. "Ist das eine Einladung?", fragte er, erneut ein zweideutiges Lächeln auf den Lippen. Es war klar, dass sie sich umentschieden hatte und mit ihm reden wollte, aber sie sollte es ruhig aussprechen. Genervt verdrehte die Vampirjägerin die Augen und startete ohne auf seine Frage einzugehen den Motor, woraufhin er rasch und ohne weitere dumme Kommentare einstieg. Kaum hatte Aiden die Tür geschlossen, fuhr sie schon die Ausfahrt raus. Jeder andere Mann hätte sich wohl für das Auto interessiert, doch er blickte sie unentwegt lächelnd an. "Du hast dir echt ein ziemlich ödes Fach ausgesucht. Wie bist du darauf gekommen?", erkundigte er sich interessiert, obwohl ihm schon klar war, dass sie nicht plaudern wollte. Sie linste zu ihm und seufzte über seine Fragerei. "Ich habe nicht vor, ein Teekränzchen mit dir zu halten oder irgendwelche Details über mein Privatleben mit dir zu teilen", stellte Jane sofort kalt und schroff fest, bevor sie um die Ecke bog und einer Hauptstraße folgte. Natürlich lehnte sie es ab, seine einfache Frage zu beantworten. Aiden seufzte leise. Sich in ihr Studienfach einzuarbeiten würde wohl nicht die einzige schwere Aufgabe sein, die er bewältigen musste, wenn er sie weiterhin sehen wollte. "Nun, du möchtest ein paar Sachen über mich wissen, also steht es mir wohl auch zu, Dinge über dich zu erfahren. Zumal die Entscheidung für ein Studienfach wohl kaum die emotionalste war, die du je gefällt hast", erklärte er gelassen. Locker verschränkte er die Arme vor der Brust, den Blick hatte er auf die Straße gerichtet um ungefähr abzuschätzen, wohin sie unterwegs waren. Sie fuhr sicher über die recht vollen Londoner Straßen und er musste unwillkürlich an das erste Mal denken, als er mit einem Auto gefahren war. Er hatte es gehasst und sich lange, lange Zeit dagegen gewehrt, nochmal in eines zu steigen. Auch danach hatte er sich unwohl gefühlt und gerade war das erste Mal, dass es ihm wenig ausmachte - Er hatte zu viel anderes im Kopf, um sich groß über seine Fortbewegungsart Gedanken zu machen. Außerdem hatte Jane einen angenehmen Fahrstil. "Wer verfolgt hier bitteschön wen? Du wohl mich, oder? Dementsprechend habe ich sehr wohl das alleinige Recht, herauszufinden und zu erfahren, was in deinem untoten Schädel vor sich geht. Immerhin stellst DU gerade MEIN Leben auf dem Kopf - und das, ohne meine Erlaubnis", erwiderte die Brünette und verengte dabei leicht die Augen. "Glaubst du immer noch, dass du das Recht darauf hast, mehr von mir zu erfahren? Ich glaube kaum. Schließlich kannst du nicht leugnen, dass du ohnehin schon mehr über mich weißt, als ich über dich. Wie sonst hättest du herausfinden können, wo ich studiere und welches Fach ich an der Universität angenommen habe?" Während die junge Frau sprach, verfestigte sich ihr Griff am Lenkrad, sodass es ein leises, knirschendes Geräusch von sich gab. "Ich habe dein Leben nicht auf den Kopf stellen wollen und genau genommen weiß ich nicht, inwiefern ich das getan haben soll. Du warst in der Uni und jetzt fährst du Auto, das ist wohl kaum ungewöhnlich für eine junge Frau... Oder reagierst du so auf jede neue Person in deinem Leben?" Es gab ja Menschen, die auf neue Bekanntschaften schlecht reagierten, vielleicht war sie so jemand, obwohl er natürlich durchaus ein Sonderfall war. Außerdem hatte sie sein Leben genauso sehr oder vielleicht noch mehr auf den Kopf gestellt. Wäre sie nicht gewesen, wäre er sicher nicht am hellichten Tage durch die Innenstadt zu einem Park gefahren oder hätte eine Universität und dort sogar eine Vorlesung besucht. Über ihren Vorwurf, er wüsste mehr von ihr als sie von ihm, musste er schmunzeln. "Du hast mich auch nichts über meine Person gefragt, Jane. Wenn du es getan hättest, hätte ich dir gerne Antworten gegeben. Und ich weiß von dir nur dein Studienfach, deinen Namen und das Kennzeichen deines Wagens. Ich wollte, dass du mir den Rest selbst erzählst", erklärte er seine Intentionen. Außerdem mochte er das Internet nicht sonderlich und hätte sie kaum suchen können. "Deine ´Person` ist mir aber egal. Ich will einfach nur wissen, was du vorhast und warum du mich verfolgst. Macht es dir lediglich Spaß, zuerst mit deinen Opfern zu spielen, bevor du sie dann hinterrücks angreifst oder bist du einfach nur verrückt und stalkst mich aus keinem bedeutsamen Grund?", wollte die Brünette wissen, als sie vor einer roten Ampel hielt und ihren Blick zu Aiden wandte. Dabei bemerkte er, wie intensiv ihre Augen über ihn glitten, aber ehe er fragen konnte, was jetzt schon wieder los war, wandte sie sich kopfschüttelnd ab. Stattdessen konzentrierte er sich auf ihr sowieso schon kompliziertes Gespräch und er runzelte missbilligend die Stirn. "Nein, ich spiele nicht und ich jage dich auf gar keinen Fall. Du musst wirklich keine Angst vor mir haben", erklärte er ihr sanft, aber bestimmt. Allerdings kostete es ihn ein bisschen Selbstbeherrschung, sie nicht doch anzuknabbern - Nur so ein bisschen - Denn ihr Duft füllte das ganze Auto. Da er mehr als satt war, war es jedoch nicht allzu schwierig, außerdem wollte er ihr natürlich keinesfalls wehtun. "Und ich denke, ich bin auch nicht verrückt, obwohl ich gestehen muss, dass mein Verhalten gestern vielleicht so gewirkt haben könnte." Bei diesen Worten musste er leise auflachen und schüttelte den Kopf. So hätte aber wohl jeder reagiert, der einen Geist sah - Selbst wenn derjenige selbst untot war. "Und was ich vorhabe, habe ich dir glaube ich bereits gesagt: Ich möchte bei dir sein und dich beschützen, da ich nicht davon ausgehe, dich davon abhalten zu können, weiter eine Jägerin zu sein." "Und ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich weder den Schutz noch die Nähe eines gottverdammten Vampirs brauche", entgegnete sie schroff. Ihr Stolz brachte Aiden zum Lachen; er gefiel ihm ausgesprochen gut. "Du jagst Vampire, eine der gefährlichsten Raubtierarten der Welt. Und dabei bist du noch nicht mal unbedingt vorsichtig, oder glaubst du wirklich, du hättest mich gestern mit einem offenen Angriff verletzten können?" Erneut ließ er die Zähne aufblitzen, als er lächelte, was jedoch mehr Amüsement ausdrückte als eine Drohung war. Sie musste einfach realistischer werden und vielleicht ihren entzückenden sturen Kopf ein wenig gerade rücken, dann wäre sie schon sicherer. Dass sie damit seine Spezies gefährdete, war ihm relativ egal. Es gab genug wahre Monster unter ihnen, die zu sterben wahrlich verdienten - Allerdings gab es solche auch unter den Menschen. "Ja, das glaube ich! Unterschätz mich mal nicht lieber! Nur, weil du deutlich älter bist als ich, heißt das noch lange nichts! Du hättest genauso gut einen Fehler begehen und eine Lücke in deiner Verteidigung übersehen können!", schoss sie sofort zurück. "Ich glaube dir, dass du sehr stark bist - Für eine Menschenfrau", fügte er einschränkend hinzu, er wusste ja nicht, dass sie damit Probleme hatte. Es war ja nicht ihre Schuld, dass die Natur es so ausgelegt hatte, dass Frauen einfach schwächer waren als Männer - Noch dazu männliche Vampire, die fünfhundert Jahre alt waren. "Du könntest vermutlich deine beiden Freunde aus der Uni einfach umlegen, wenn du es darauf anlegen würdest, und du bist sicher eine würdige Gegnerin für jeden meiner Art. Dennoch hättest du mir mit diesem Zahnstocher recht wenig anhaben können." Dieser Tatsache war er sich hundertprozentig bewusst, so sehr sie es auch nicht wahrhaben wollte. Er hatte es ihr ja schon angeboten; sie könnten es gerne nochmal versuchen, wenn sie denn wollte, wenn auch vielleicht eher in einer Sportart und nicht in einem Kampf auf Leben und Tod. Er würde sich nämlich wirklich ungerne gegen sie verteidigen müssen. Sein Blick wanderte zu dem Ring an ihrem Finger, den er schon ein paar Mal gesehen hatte, wenn auch noch nie von so nahe. Zuvor hatte er sich nicht sonderlich für den Zirkel interessiert, da sie ihm nie zu nahe gekommen waren. Sicher, er hatte ab und zu gehört, dass ein Vampir getötet worden war, doch für Fremde seiner Art interessierte er sich wenig. Als er jedoch dieses Erkennungszeichen an Janes Finger gesehen hatte, hatte er angefangen, sich über ihre Gilde zu informieren. Das war nicht so leicht gewesen, da viele Vampire, die mit den Jägern zu tun hatten, danach nicht mehr über diese sprechen konnten, aber schließlich hatte er die Spur von jemandem gefunden, der sich scheinbar besser auskannte. Mit demjenigen sprechen hatte er allerdings nicht können, denn da war es bereits Zeit, zur Universität zu gehen. Auf den Straßen und Gehwegen herrschte wie immer reger Betrieb - Und die meisten der Menschen hielten etwas zu essen in der Hand, woraufhin ihm einfiel, dass es wohl etwa Mittag war. "Du solltest auch was essen... Darf ich dich einladen?", erkundigte er sich höflich und stellte dann doch die Frage: "Oder wohin genau sind wir unterwegs?" In dem Moment fand sie eine Parklücke und stellte ihren silbernen Audi ab. Jedoch stieg sie nicht gleich aus, sondern blickte neben sich zum Vampir. "Nein, danke. Ich kann mich gut selbst versorgen", meinte die Brünette sofort auf seine Worte hin und stieg anschließend aus, um mit Aiden den Park anzusteuern, der zu dieser Zeit gut besucht war. Damit hatte er wohl auch die Antwort auf seine letzte Frage. Ein leises Seufzen kam über seine Lippen, als sie sein Angebot erwartungsgemäß ablehnte. "Das ist mir schon bewusst, aber es ist nicht unüblich, sich beim Essen zu unterhalten, und bei solchen Gelegenheiten zahlt ein Mann nun mal für seine Begleitung", belehrte er sie sanft. Er wollte einfach mit ihr ausgehen, das war alles, und so ein Korb kratzte schon an seinem Ego. Es war ja nicht so, als hätte er sie in seine dunkle Gruft eingeladen, um ein Blutgelage zu feiern. Sie betraten den Park, Aiden stets ein paar Schritte hinter Jane, deren Haare im Sonnenlicht wundervoll glänzten. Sie schien inzwischen zumindest nicht mehr davon auszugehen, dass er sie gleich tötete, sonst hätte sie ihn nicht dermaßen aus den Augen gelassen, aber er war sowieso viel zu fasziniert von ihrem Anblick. Noch immer war ihm völlig schleierhaft, wie das alles sein konnte, wichtig war das jedoch zumindest für den Moment nicht. "Das mag sein“, führte Jane ihr Gespräch weiter, womit sie ihn aus seinen Betrachtungen riss. „Dies geschieht aber nur zwischen zwei Leuten, die das im gegenseitigen Einverständnis tun. Außerdem sehe ich nicht ein, weshalb ich mich von jemanden einladen lassen sollte, der normalerweise sowieso etwas ganz anderes isst - oder sollte ich lieber sagen: trinkt?", meinte die Brünette nur, wobei sie ein wenig den Kopf schüttelte. Unter einer kleinen Baumgruppe kamen sie zum Stehen, ein ruhiges, abgeschiedenes Plätzchen, doch sie schien sich immer noch beobachtet zu fühlen, so, wie sie den Blick regelmäßig über die Gegend schweifen ließ, um sicherzugehen, dass niemand zuhörte. "Ich hab dich ja auch nicht dazu gezwungen", belehrte er sie nachsichtig und zuckte dann die Schultern. "Außerdem sehe ich nicht, was meine Essensgewohnheiten mit dieser Einladung zu tun haben. Immerhin habe ich nie gesagt, dass ich selbst etwas essen möchte." Aber wenn sie nicht wollte, wollte sie nicht. Zwingen würde er sie sicherlich nicht, obwohl er das Problem eindeutig nicht sah. Jane verschränkte die Arme vor der Brust und blickte den Vampir vor sich abwartend an. Scheinbar hatte sie jetzt genug davon, seinen Vorschlag zu diskutieren. "Jetzt sprich endlich. Ich will wissen, warum du ausgerechnet mich verfolgst und welchen Hintergrund die ganze Aktion hat. Dass du mich lediglich beschützen willst, kaufe ich dir nicht ab", stellte die Vampirjägerin sofort klar. Aiden sah an ihr vorbei in das raschelnde Laub, während er einen Moment überlegte. "Du wirst mich wieder für verrückt erklären", prophezeite er düster und sah sie wieder an. "Ich weiß nicht, wie es sein kann, aber du siehst aus, wie jemand, den ich vor langer Zeit gekannt habe... Und geliebt. Aber es ist nicht nur dein Aussehen, du bist genau wie sie, sogar dieser Blick den du gerade hast, ist eins zu eins ihrer. Ihr Name war auch Jane. Lady Jane Grey. Ich habe sie vor langer Zeit verloren." Sein Blick schweifte ab, wurde leer und auch nach all den Jahrhunderten noch traurig, bevor er wieder auf Jane fokussierte. "Aber jetzt bist du hier und ich... Es ist die Wahrheit, ich will nur bei dir sein. Und vielleicht herausfinden, wer oder was genau du bist und was du mit ihr zu tun hast." Er wusste, dass er nicht der größte Redner war, aber immerhin hatte sie jetzt die Antwort, die sie die ganze Zeit haben wollte. Ob sie es glaubte, war die andere Frage. Als er endlich mit der Sprache rausrückte, fixierte Jane den scheinbar jungen Mann vor sich mit ihrem Blick und lauschte schweigend, sowie konzentriert seinen Worten, ehe sie erneut aufseufzte. Dabei schloss sie die Augen und wanderte mit der Hand ins Gesicht, um mit Daumen und Zeigefinger ihr Nasenbein zu massieren. Schließlich klang das Ganze, was er hier erzählte wirklich absurd, weshalb sie wohl kurz einen Moment brauchte, um sich zu sammeln. "Du hast Recht. Es ist verrückt - sogar mehr als nur verrückt", entgegnete die Vampirjägerin schwer seufzend und schüttelte den Kopf. "Nur weil ich dich an eine verstorbene Person erinnere, ist das noch lange kein Grund, mir auf Schritt und Tritt zu folgen. Ich glaube, ich muss nicht erwähnen, dass ich diese Person bin, oder? Hast du dabei überhaupt auch an meine Gefühle gedacht - was ich will? Ich finde es alles andere als angenehm, einen uralten Vampir wie dich stets an meiner Seite zu haben." Ihre Argumente ließen ihn nachdenklich werden. Natürlich wusste er, dass sie ihn nicht ausstehen konnte, das stand in jedem ihrer Blicke so deutlich geschrieben wie in einem Buch. Aber hatte er dann wirklich das Recht, sich ihr aufzudrängen - Selbst, wenn er sie schützen wollte? Wenn sie nicht so schrecklich stur gewesen wäre, hätte er sie gar nicht derart verfolgen müssen, aber das war wohl das Argument eines jeden Stalkers. Und uralt hätte sie ihn nicht nochmal extra nennen müssen, das war ja schon fast dreist. Er setzte gerade dazu an, etwas zu erwidern, als ihr Telefon klingelte und sie es aus ihrer Handtasche kramte. „Was?", kam es ungehalten über ihre Lippen, als sie die ersten Worte ihres Gesprächspartners vernahm, ehe sie sich durch die Haare fuhr. "Alles klar. Ich komme gleich vorbei. Sieh zu, dass sie sich nicht wegbewegt und dort bleibt, hörst du?! " Nach diesen Worten legte sie auf und wandte sich wieder dem Vampir vor sich zu. "Entschuldige mich. Wir müssen dieses Gespräch verschieben", erklärte die Brünette nur. Während Jane sprach, hatte Aiden geduldig gewartet, doch sein Gesichtsausdruck wurde besorgt, als sie so aus der Haut fuhr. Sogar ihre Hände zitterten, stellte er unruhig fest. "Was ist...?", setzte er zu einer Frage an, doch bevor er fertig reden konnte, war sie bereits davongelaufen. Er zögerte. Gerade hatte sie ihm gesagt, er solle sie einfach in Frieden lassen, konnte er ihr da wirklich nachrennen, so, wie er es gerade tun wollte? Er beschloss, ihr fürs Erste ihre Ruhe zu lassen und sich um die Sache mit dem Jäger-Zirkel zu kümmern. Es war jedoch schwerer, den Vampir zu finden, als er erwartet hatte und er musste mit einigen Leuten reden, welche ihm naturgemäß skeptisch gegenüberstanden. Schließlich war es früher Abend, als er seine Suche erstmal auf Eis legte und sich in Gedanken wieder Jane zuwandte. Sicher war nämlich schon mal, dass er sich nicht einfach so wieder aus ihrem Leben zurückziehen würde, ob sie das wollte oder nicht. Außerdem schuldete sie ihm zumindest noch ein Gespräch, weshalb er sich jetzt doch auf die Suche nach ihrem Haus machte. Er hatte deswegen ein schlechtes Gewissen, ließ sich davon aber nicht abhalten und schließlich stand er in der Einfahrt eines beeindruckenden Hauses, welches er erstmal bestaunte. Der helle, opulente Bau wies viel Glas und einige Säulen auf und war umgeben von einem ausladenden Grundstück. Zumindest angemessen leben tat seine Prinzessin schon mal. Sein Blick suchte die Einfahrt nach Überwachungskameras ab, als er sich auf den Weg zu dem Gebäude machte und an diesem Janes Fährte suchte. Diese war am stärksten an einem bestimmten Fenster, welches dann wohl zu ihrem Zimmer führen musste, und es brannte sogar Licht darin. Er überlegte schon, die Wand hochzuklettern, entschied sich dann aber dagegen. Sie würde sich nur erschrecken, wenn er auf einmal an der Scheibe klebte. Also nahm er ein Steinchen vom Boden und warf es gegen das Fenster, ein zweiter Kiesel, als auf den ersten keine Reaktion kam, erlebte dasselbe Schicksal. Auf die Idee, einfach zu klingeln, kam er dabei nicht mal. Kapitel 3: Ausgesprochen ------------------------ Schon als sie ans Handy gegangen war und sie gehört hatte, worum es ging, war ihr Gesprächspartner wie aus ihren Gedanken gelöscht. Während der Fahrt zum Krankenhaus dachte Jane nicht einmal mehr annähernd an den Vampir, der sie seit schon fast vierundzwanzig Stunden verfolgte. Immerhin war ihre Mutter während der Mittagspause in einen Unfall geraten und schließlich im Chelsea and Westminster Hospital gelandet. Von daher war es wohl nur normal, dass sie sich die ganze Zeit über Sorgen machte und hoffte, dass es Elizabeth gut ging. Nach gut zehn Minuten hatte die Brünette ihren Wagen im Parkhaus des Krankenhauses abgestellt, sodass sie direkt zum Empfang ging und den Namen ihrer Mutter nannte, um sich so schnell wie möglich zur ihr zu begeben. Dabei dauerte es nicht lange, bis sie herausfand, dass sie noch immer auf der Notfallstation war, sodass sie sofort loslief und in der Tür zur Notaufnahme stehen blieb. Wenn ihrer Mutter etwas schwerwiegenderes passiert wäre… Sie holte tief Luft, trat durch die Tür und ließ sich von einem Arzthelfer das Zimmer zeigen, in dem Elizabeth wohl untergebracht worden war. In dem luftigen Raum standen zwei sichtbare Betten, von denen eines belegt war, und eines war verborgen hinter einem Vorhang. "Es ist nicht weiter schlimm. Ich könnte auch nach Hause und mich dort ausruhen.", hörte sie eine nur allzu bekannte Stimme hinter dem Vorhang sagen. "Bleib wenigstens solange liegen, bis Jane hier ist. Du weißt genau, wie sie reagieren wird, wenn du einfach aufstehst, deine Sachen nimmst und nach Hause fährst." Kurz runzelte die Jägerin ihre Stirn, ehe sie schwer aufseufzte und direkt das Bett neben dem Fenster ansteuerte und den Sichtschutz beiseiteschob. Wie vermutet. Es war ihre Mutter, die auf dem Bett lag und ihre medizinische Praxisassistentin Lauren, welche die Ärztin zum Bleiben überreden wollte. "Jane! Liebes, du hättest doch nicht extra herfahren müssen.", sagte Elizabeth sofort, als sie ihre Tochter erblickte. Dabei konnte man nur zu gut sehen, wie jegliche Anspannung und Sorge aus ihrem Gesicht wich, als sie sich zu ihrer geliebten Mutter ans Bett setzte. Ein kleines Lächeln formte sich auf den Lippen der Älteren der Beiden, ehe sie der jungen Frau über den Kopf strich und ihr einen kleinen Kuss draufhauchte. "Es ist nur eine kleine Gehirnerschütterung. Ein Autofahrer hat bei einer Ausfahrt nicht richtig geschaut und ist leicht in den Wagen reingefahren.", erklärte sie ihrer Tochter, worauf diese schwer - aber erleichtert - aufseufzte. Es hätte immerhin deutlich schlimmer herauskommen können. Dementsprechend war sie auch dankbar dafür, dass es ihrer Mutter gut ging und sie nach einer weiteren Stunde wieder nach Hause gehen konnte. Nach dem Abendessen hatte sich Elizabeth früh ins Bett gelegt, da man ihr strenge Ruhe verordnet hatte. Selbst wenn es sich 'nur' um eine Gehirnerschütterung handelte, so musste man es trotzdem nicht herausfordern. Außerdem würde sich der Gesundheitszustand schneller wieder einstellen, wenn man sich wirklich an die Vorschriften hielt - und das wusste natürlich niemand besser, als eine Ärztin selbst. Von daher hatte Jane genug Zeit, sich um sich selbst zu kümmern und da sie den Stoff für die Universität bereits schon aufgearbeitet hatte, ließ sie sich etwas erschöpft auf das Bett fallen, um sich ein wenig zu entspannen. Immerhin war es ein ziemlich anstrengender Tag gewesen. Ihre Mutter hatte einen Unfall gehabt, die Universität hatte heute nicht unbedingt sehr viel Spaß gemacht, was unter anderem daran lag, dass ein uralter Vampir sie auf Schritt und Tritt verfolgt hatte und ... - Moment mal! Genau, sie wollte doch noch recherchieren! Wie von einer Tarantel gestochen setzte sich die Brünette auf, schnappte sich ihren Laptop und setzte sich an den Schreibtisch, um nach wertvollen Informationen zu suchen. Dabei hatte sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Vampirjäger-Zirkel sogar Zugriff auf gewisse versteckte Internetseiten, an die man sonst nicht so schnell rankam. "Lady Jane Grey... besser bekannt als die Neun- oder Sechstagekönigin, je nachdem, wann man ihre Krönung als legitim ansieht... hm… ", murmelte die junge Frau, als sie zuerst das Belanglose überflog. Jedoch kam sie schnell zu einem Abschnitt, der sie ein wenig stutzen und innehalten ließ. Moment mal. Sah sie da etwa richtig? Ihr Vater hatte zwar erwähnt, dass sie von einem Adelsgeschlecht abstammte... aber gleich so? Gerade als die Jägerin eine Seite aufklappen wollte, auf der man den eigenen Stammbaum rekonstruieren konnte, konnte sie ein dumpfes Geräusch vernehmen, worauf sie ihren Blick zum Fenster schweifen ließ. Hatte da jemand gerade einen Stein dagegen geworfen? Nein, das konnte unmöglich sein. Warum sollte man auch? Schließlich gab es Haustüren und Klingeln. Dementsprechend scherte sich die Brünette nicht darum und widmete sich wieder dem Laptop, ehe sie erneut das Geräusch vernehmen konnte und schwer aufseufzte. Ohne länger zu warten stand sie auf und öffnete das Fenster. "Was ist lo...-", setzte sie an; verstummte jedoch sofort wieder, als sie Aiden erblickte. Ihre Augen weiteten sich und der Schreck war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Was um Himmelswillen hatte er hier verloren?! Und wie hatte er herausgefunden, wo sie wohnte? "Was machst du hier?!", zischte Jane schließlich zu ihm runter, wobei sie keinerlei Anstalten machte, ihn in ihr Zimmer einzuladen. Es war bereits schon schlimm genug, dass er schon wusste, wo sie lebte! "Wir waren mit unserem Gespräch noch nicht fertig.", erklärte er ruhig, eine Hand in der Hosentasche, in der anderen ein drittes Steinchen, das er dann wohl doch nicht hatte schmeißen müssen. Er warf es immer wieder ein paar Zentimeter hoch, bevor er es wieder auffing. "Außerdem war ich besorgt um dich. Was ist denn heute Mittag passiert? Ich hoffe, es ist wieder alles in Ordnung." Auf Aidens Worte hin knirschte Jane nur mit ihren Zähnen und fuhr sich ziemlich genervt durch die Haare. Natürlich hatte sie gesagt, dass sie das Gespräch verschieben sollten, doch gleich auf heute Abend? Hätte der Kerl denn nicht bis zum nächsten Tag an der Universität warten können? Schließlich wären sie sich da ohnehin begegnet, wenn er wirklich alle Vorlesungen besuchte, die auch die Vampirjägerin gewählt hatte. "Was heute Mittag passiert ist, geht dich nichts an.", erwiderte die Brünette direkt, da er wirklich kein Recht hatte, sich in ihr Privatleben einzumischen - obwohl er die Grenze mittlerweile schon gefährlich weit überschritten hatte. Immerhin stand er hier in ihrem Garten und hatte ihr aufgelauert. Wenn das mal keine Verletzung ihrer Privatsphäre war... Als sie sich jedoch bewusst machte, wie aufrichtig Sorgen er sich Sorgen zu machen schien, stutze sie kurz, ehe sie sich auf die Unterlippe biss und die Augen verdrehte. "Es ist alles wieder in Ordnung und halb so schlimm, wie es zunächst angenommen war. Mehr sage ich nicht dazu.", fügte die junge Frau hinzu, wobei sie sich hinterher fragte, wieso sie ihm eigentlich eine Antwort darauf gegeben hatte. Als nächstes erzählte sie ihm dann wohl, wie wichtig ihre Mutter für sie war und legte dieser verdammten Bestie damit ihre größte Schwachstellte offen. Es war schon schlimm genug, dass der unverschämte Stalker hier war und Elizabeth vermutlich wittern konnte – Geradewegs durch das offene Fenster, an dem Jane so unverbindlich mit ihm plauderte. Sie fragte sich sowieso, warum sie das Fenster nicht einfach zuschlug und sich weigerte, mit ihm zu reden. Verdammt, sie wurde tatsächlich ein klein wenig weich. Das durfte so unter keinen Umständen weitergehen! Sie musste eine Lösung für den ganzen Schlamassel finden, und zwar bald! Ein Lächeln erhellte Aidens Züge und er nickte. "Das musst du auch nicht. Es freut mich jedenfalls, dass alles gut ausgegangen ist.", teilte er ihr mit, bevor er das Thema wechselte. "Das ist ein sehr schönes Haus. Ist es das von Innen auch?", deutete er an, dass es nicht unbedingt höflich war, ihn hier im Garten stehen zu lassen. Natürlich bemerkte Jane seine Anspielung und wenn er kein Vampir gewesen wäre, hätte sie ihn sofort ins Haus gebeten, doch weil sie ihn immer noch für eine Gefahr hielt - da konnte er im Moment noch so viel dazu sagen -, wollte sie ihn schlichtweg nicht in ihren eigenen vier Wänden haben. Aber... blieb ihr denn in dem Augenblick überhaupt eine Wahl? Sie hatte ja selbst angedeutet, noch weiter mit ihm sprechen zu wollen, da konnte sie ihn wohl kaum verscheuchen, wenn er darauf zurückkam. In ihrem Kopf ratterte es und sie dachte über all die Möglichkeiten, die ihr blieben. Sie könnte ihn natürlich nicht reinlassen, worauf er dann entweder Leine ziehen oder sich ganz einfach Zugang verschaffen würde. Sie könnte ihn auch einfach reinlassen, wobei er sich dann aber ein ziemlich gutes Bild von ihrem Zuhause machen konnte - und das wollte sie ja nicht. Ihr Blick schweifte schließlich kurz über ihr Zimmer, wobei er am Laptop hängen blieb und ihr wieder die Information in den Sinn kam, die sie sich vor wenigen Minuten angeeignet hatte. Vielleicht war es gar nicht mal so schlecht, wenn sie sich kurz mit ihm unterhielt? So würde sie möglicherweise herausfinden, ob ihre Theorie bestätigt oder verworfen werden konnte. Nun gut, welche Möglichkeit blieb ihr also? Wahrlich nur eine. Einen kurzen Moment lang blickte die Brünette wieder zum Vampir runter, ehe sie das Fenster schloss, ihre Jacke schnappte und dann auch schon das Haus verließ, um sich mit ihm zum Garten zu gesellen. So konnte er sich wenigstens nicht darüber beschweren, dass sie sich im Haus befand und er nicht. Aiden war bereits auf dem Weg zur Einfahrt – Er hatte wohl gedacht, sie würde das Gespräch wortlos beenden, und mit dem Gedanken hatte sie ja tatsächlich gespielt - als die Gartentür aufging und Jane herauskam. "Danke.", lächelte er, was wohl zeigte, dass er zu schätzen wusste, dass sie extra für ihn heruntergekommen war. Natürlich hatte Jane gewusst, dass Aiden sich über ihre Reaktion freuen oder gar amüsieren würde. Dementsprechend war sie nicht über sein Schmunzeln überrascht und verdrehte auf seine kleine Verbeugung hin nur leicht die Augen. Wieso hatte sie nicht nur das kleine Messer mitgenommen, nicht eine ihrer Waffen, die groß genug war, seinen Kopf abzuhacken? "Sprich. Ich höre.", sagte sie nur und blickte Aiden abwartend an. Schließlich hatte sie am Mittag ihren Teil gesagt und da er sie aufgesucht hatte, musste er anscheinend noch etwas zu sagen haben. Ihr gebieterischer Tonfall machte aus dem Lächeln ein Schmunzeln. "Wie Ihr wünscht...", erwiderte er leise und senkte kurz andeutungsweise den Kopf für eine ironische Verbeugung. "Natürlich hast du Recht, dass ich dir nicht folgen sollte und ich entschuldige mich in aller Form dafür. Aber ich kann nicht umhin, mir Sorgen um dich zu machen. Wie ich bereits sagte; Du siehst aus wie meine Jane..." Mal wieder zuckte seine Hand seltsam, was in Jane die Frage aufwarf, ob er nicht nur ein durchgeknallter Stalker war, sondern auch noch an Epilepsie litt. "Das mag sein. Jedoch ändert das Nichts an der Tatsache, dass ich nicht diese Jane bin.", entgegnete die Brünette sofort auf seine ersten Worte hin. Schließlich schien er das doch wirklich nicht wahrhaben zu wollen - und daran schien auch das Problem zu liegen. Wenn er wirklich glaubte, dass sie diejenige war, die er einst kannte, dann musste sie ihn unbedingt vom Glauben abbringen lassen. Vielleicht würde er dann von seinem Handeln ablassen und sie nicht mehr verfolgen "Ich glaube auch nicht, dass du sie bist. Ich denke, du weißt genauso gut wie ich, dass sie seit fast fünfhundert Jahren tot ist." "Natürlich ist mir das klar. Schließlich kannst du sicher nicht bestreiten, dass ich das am besten fühlen kann. Jedoch erscheint es mir eben doch so, als ob du mich mit ihr verwechseln würdest. Ansonsten würdest du wohl kaum so erpicht darauf sein, an meiner Seite bleiben zu wollen, oder? Immerhin kennst du mich nicht.", erwiderte die Brünette schlicht und mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ihr Blick war noch immer auf ihm fixiert und in ihrem Gesichtsausdruck konnte man - trotz der angespannten Stimmung - sehen, dass ihre Frage aufrichtig und ehrlich war. Es interessierte sie wirklich, wie seine Antwort lauten würde. War es Neugierde? Schuld? Oder vielleicht auch einfacher Zeitvertrieb? "Ich glaube nicht, dass du sie bist.", wiederholte er langsam. "Und ja, ich kenne dich nicht. Aber ich möchte dich gerne kennenlernen. Vielleicht stellt sich dabei ja raus, dass du ihr doch nicht so ähnlich bist wie ich im Moment glaube. Vielleicht will ich das alles einfach nur in dir sehen.", fügte er mit einem nachdenklichen Blick in ihr Gesicht an. Wenn Jane der Tatsache nicht bewusst gewesen wäre, dass Aiden ein Vampir war und dass solche überhaupt existierten, dann hätte sie seine Aussage als plumpe Anmache hingenommen. Schließlich klang es doch beinahe voll und ganz so. Da er jedoch kein normaler Mensch war und sie davon ausging, dass er sie nicht in dieser Weise kennenlernen wollte, keimte dieser Gedanke nicht einmal in ihr Bewusstsein auf. "Ich gebe dir in beiden Punkten Recht, wobei ich dich beim Ersteren sogar korrigieren muss: Ich bin garantiert nicht wie sie. Da kannst du dir ziemlich sicher sein. Immerhin befinden wir uns in einer anderen Zeit und dementsprechend wird auch unser Charakter deutlich anders geformt sein. Von daher tust du dir nur selbst einen Gefallen, wenn du dich selbst vom Gedanken abbringst. So wirst du sicher auch keine Enttäuschung erleben - glaub mir.", erwiderte die Brünette schlicht, "Ich weiß… Und doch kann ich nicht anders. Davon abgesehen, dass du dasselbe Blut hast wie sie. Du musst irgendwie mit ihr verwandt sein... Jedenfalls führt das leider dazu, dass du nur umso anziehender auf mich wirkst.", fügte er noch abschließend hinzu. "Anziehend oder köstlich?", wollte die junge Frau auf seine folgenden Worte dann auch skeptisch wissen, da es in ihren Augen nur zu gut auch genau das Letztere heißen konnte. Schließlich war er eine blutrünstige Bestie, die sich wahrscheinlich in einem ungünstigen Moment nicht mehr zurückhalten und zubeißen würde. Ob das wohl auch für ihre Mutter galt? Bei dem Gedanken ballte Jane ihre Hand zur Faust, wobei sie so einen hohen Kraftaufwand verwendete, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Wenn dem so war, dann würde es keine weiteren Diskussionen mehr geben. Dann würde sie unter allen Umständen versuchen, ihn in Asche zu verwandeln - ob sie da dann die Hilfe des ganzen Zirkels benötigte oder nicht, war ihr egal. Bei ihrer spitzfindigen Frage lächelte er leicht gequält. "Du riechst weiblich und nach einer Frau, die mir sehr viel bedeutet hat. Also würde ich eher anziehend sagen. Aber... Ich gebe zu, dass du auch ziemlich lecker riechst.", fügte er mit einem schuldbewussten Schulterzucken hinzu. Auf diese Worte hin kam die junge Frau dann nicht umhin, leise zu lachen und den Kopf zu schütteln. Wenigstens sagte Aiden in der Hinsicht die klare Wahrheit. Dementsprechend hatte sie nichts dazu hinzuzufügen, weshalb sie nur kurz nickte. Bevor sie jedoch etwas anderes sagen konnte, dachte sie über Aidens Worte bezüglich der 'Verwandtschaft' nach und runzelte die Stirn. Moment mal... konnte das wirklich sein? Bestätigte er hier etwa ihre Vermutung? Schließlich hatte sie vor wenigen Minuten herausgefunden, dass die Möglichkeit bestand, dass sie eine direkte Nachfahrin der Lady Jane Grey war. Wenn dem wirklich so war, dann besäße ihre Mutter ganz bestimmt nicht das Blut der ehemaligen Königin in sich - was wiederum bedeutete, dass sie außer Gefahr war. Jedoch konnte Jane natürlich nicht ganz ausschließen, dass dieses Blut von der Seite ihrer Mutter kam, doch soweit sie sich erinnern konnte, hatte ihr Vater einmal erzählt, dass seine Familie von einem Adelsgeschlecht stammte. Von daher war es doch naheliegend, dass das Blut väterlicherseits war. So oder so, sie müsste die Nachforschungen ein wenig vertiefen sobald sie mehr Zeit hatte. Als er merkte, dass sie das Thema fallen lassen wollte, fasste Aiden sich in den Nacken und rieb diesen mit der Hand, den Blick gesenkt. "Das ist alles nicht dein Problem, ich weiß. Aber glaubst du nicht, dass du es zulassen könntest, mir ein bisschen von deiner Zeit zu schenken? Ich fürchte nämlich, ich kann dich nicht einfach so wieder gehen lassen und es wäre sicher angenehmer, wenn ich dir nicht mehr derart folgen müsste." "Ganz Recht. Es ist in keinerlei Hinsichten mein Problem, ob ich nun einer Bekannten gleiche oder nicht. Vielmehr ist es mein Problem, wenn du in mein Leben platzt und die Leute um mich herum in Gefahr bringst.", meinte die Jägerin etwas schroff, ehe sie sich schwer seufzend durch die Haare fuhr und ihr Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. Ihr Blick lag jedoch andauernd auf dem Vampir vor ihr. „Wenn ich dir oder jemandem aus deiner Umgebung hätte schaden wollen, hätte ich das doch bereits getan, oder?", antwortete er ziemlich ausweichend. "Davon abgesehen, dass DU in MEIN Leben geplatzt bist, indem du mich gejagt hast. Aktion und Reaktion, Jane.", erklärte er mit spielerischem Tadel. "Das ist kein Vergleich zu deiner Verfolgung. Immerhin musste ich dich von deinem Handeln abbringen, um unschuldige Leute vor dem Tod zu retten. Du hingegen folgst mir aus einem eigenen Grund und Interesse.", entgegnete die Jägerin sofort und verdrehte dabei leicht die Augen. Dabei dachte sie nicht einmal daran, beide Tatsachen in irgendeiner Weise miteinander zu vergleichen, da sie der Ansicht war, dass ihre Verfolgung mit moralisch richtigen Gründen untermauert war. Schließlich war sie eine Vampirjägerin, verfolgte blutrünstige Bestien, die nichts Besseres zu tun hatten, unschuldige und schwache Menschen zu töten, um ihren Blutdurst zu stillen. Er hingegen folgte ihr einfach so auf Schritt und Tritt - dass er auch an ihrer Seite bleiben wollte, um sie zu beschützen, ignorierte sie gekonnt. "Glaubst du wirklich, irgendein Mensch sei unschuldig? Sie sind gierig, oberflächlich, selbstsüchtig und lüstern... Und keiner von ihnen ist es wert, dass du dich in Gefahr begibst." "Das mag sein, doch ihr Vampire seid nicht diejenigen, die solche Menschen deswegen richten dürft - zumal eure Existenz ja gegen die eigentliche Natur der Menschen spricht." Das mochte zwar ein wenig hart klingen, doch in Janes Augen war das Dasein der Vampire alles andere als gerechtfertigt. Menschen gehörten nach dem Tod unter die Erde. Sie sollten nicht als Untote auf der Welt verweilen und sich gleichzeitig vom Blut der Lebendigen ernähren. Das war ihrer Meinung schlichtweg nicht richtig. Außerdem stand natürlich überhaupt nicht zur Debatte, ob und für wen sie ihr Leben aufs Spiel setzte, deshalb wechselte Jane das Thema. "Und was schlägst du bitteschön vor? Du kannst kaum von mir erwarten, dass ich dich einfach so in meinem Leben akzeptiere. Immerhin ist dir wohl kaum entgangen, dass ich eine Vampirjägerin bin und jeden einzelnen Vampir verabscheue. Es ist also sehr gut möglich, dass ich versuchen werde, dich irgendwie umzubringen, wenn sich die Gelegenheit bietet." "Und ich könnte dich genauso in einem ungünstigen Moment töten.", erwiderte er leise. "Beides ist nicht in meinem Sinne, genauso wenig, wie ich dein Leben auf den Kopf stellen möchte. Aber ich möchte gerne daran teilhaben und dir ist wohl kaum entgangen, dass ich das tun werde - Mit oder ohne dein Einverständnis. Es wäre mir nur lieber, wenn du sie mir gäbest. Dann musst du dich nicht so sehr darüber aufregen, was besser für deinen Blutdruck ist." Er sah sie mit funkelnden Augen an, was wohl bedeutete, dass das ein Scherz gewesen war. Jane lachte nicht. "Als ob du dich wirklich um meinen Blutdruck sorgst.", murrte die junge Frau leise genervt und seufzte schwer auf, weil seine Worte in ihren Ohren einem Ultimatum glichen. Ihre Hände ballte Jane dabei zu Fäusten, ehe sie ihre Augen schloss und tief durchatmete. Auch wenn sie es wohl unmöglich offen zugeben würde, er hatte in gewisser Weise Recht: Sie würde nicht weiterkommen, wenn sie sich weiterhin aufregen würde. Was blieb ihr also übrig? Sollte sie ihm einfach so erlauben, ein Teil ihres Lebens zu werden? Wohl kaum! "Nein.", erwiderte Jane schließlich resolut und schroff, wobei sie leicht mit ihren Zähnen zu knirschte. "Mein Einverständnis kriegst du nicht - da kannst du das Ganze so drehen und wenden, wie du willst!" Natürlich wusste die Brünette aber auch nur zu gut, dass er es dennoch versuchen und sich in ihre Leben einmischen würde, doch würde sie ihn niemals freiwillig in ihrem Leben willkommen heißen - da musste sie schon irgendwie ihren Verstand verlieren! Aiden seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. "Wie du möchtest.", beugte er sich ihrem Willen, was in diesem Fall aber wohl nur hieß, dass er sich diesem weiter wiedersetzen und um ihre Akzeptanz werben würde. Im selben Moment blies jedoch ein kühler Wind direkt an Jane vorbei in Aidens Richtung, so dass sie sich durch die Haare fahren musste, um diese wieder in Ordnung zu bringen. Sobald sie wieder etwas sah, fiel ihr Blick auf den Vampir, wobei sie kurz ihre Augen verengte und ihn bei der Bewegung etwas angespannt und skeptisch zusah. Plötzlich sah seine sonst so lockere Haltung verkrampft aus, seine Augen leuchteten verdächtig irgendwie wirkte er ein wenig größer. Ach ja... Der Wind und ihr Duft. Er hatte ja gerade eben gesagt, dass sie für ihn ziemlich verlockend roch. Noch während sie sich an seine Worte erinnerte und er sich ein bisschen zu bewusst zurückbewegte, machte auch die junge Frau einen kleinen Schritt zurück, um ein wenig mehr Abstand zu gewinnen. Zwar hatte sie das Osmium-Messer in ihrer Lederjacke, doch würde eine größere Entfernung bei einem Angriff (sowie auch bei einer Verteidigung) deutlich von Vorteil sein. Dabei entging ihr natürlich nicht, wie für ein kurzer Moment seine spitzigen Fangzähne aufblitzten, weshalb sie ernsthaft mit dem Gedanken spielte, ihre Waffe zu zücken - jedoch hielt sie sich zurück, da sie keinen allzu großen Aufstand machen wollte und weil sie bemerkte, dass er sich langsam aber sicher wieder in den Griff bekam. Trotzdem hielt sie es für besser, diese Zusammenkunft jetzt zu beenden. "Falls du also nichts Weiteres zu besprechen hast, würde ich dich höflichst darum bitten, dich von meinem Familiengrundstück zu entfernen. Ich möchte wieder ins Haus und dich dabei nicht in meinem Garten oder sonst wo in der Nähe herumlungern sehen." "Sicher. Du wirst mich heute Nacht nicht mehr sehen." Was natürlich nicht hieß, dass er nicht hier sein würde. "Wir sehen uns dann morgen.", versprach er (Obwohl es für Jane eher wie eine Drohung klang), deutete erneut eine kurze Verbeugung an, um danach in der Nacht zu verschwinden. Zuerst hatte sie erleichtert aufgeatmete, da sie dachte, dass sie ihn endlich losgeworden war. Jedoch stutzte sie bei seinen und verdrehte genervt stöhnend die Augen. Sie würde ihn also morgen wohl oder übel wiedersehen - na toll. Wenn das so weiterging, würde sie noch wahnsinnig werden und wahrscheinlich sogar versuchen, ihn mit bloßen Händen und am helllichten Tag zu erwürgen. Bevor dies geschah, sollte sie eventuell doch die Hilfe des Vampirjäger-Zirkels in Anspruch nehmen. Vielleicht könnte man dann einen besseren und effizienteren Weg finden, ihn irgendwie aus dem Weg zu schaffen - sei es auch einfach nur mit Verstärkung. So drehte sich die Jägerin auch langsam um und begab sich wieder ins Haus. In ihrem Zimmer ließ sie das Gespräch nochmal Revue passieren und kam immer wieder auf den Kern des ganzen; Ihre angebliche Ähnlichkeit zu Lady Jane Grey, der Neuntagekönigin. Der Vampir behauptete, sie zu verfolgen, weil sie wie die geköpfte Adelige roch, was in ihren Augen überaus makaber klang. Dennoch musste sie mehr darüber wissen, um zumindest das Gefühl zu haben, die Wendung, die ihr Leben gerade nahm, im Griff zu haben. So öffnete sie erneut die Internetseite mit der Stammbaum-Option, atmete tief durch und verfolgte die feinen Äste, die von ihrem Namen immer weiter in die Vergangenheit verliefen. Und tatsächlich, der Ahnenstamm führte direkt zu der hochadeligen Familie Grey. Eine ganze Weile befasste Jane sich noch mit ihrer Recherche und informierte sich weiter über ihre entfernte Verwandte und deren tragischen Werdegang. Während der ganzen Zeit stieß sie jedoch nie auf den Namen ´Aiden Hunt`. Ab und zu tauchte zwar ein Joshua desselben Nachnamens auf, doch ihr persönlicher Stalker war entweder zu unwichtig gewesen, um namentlich erwähnt zu werden, oder aber er log. Aber was würde es ihm bringen, zu behaupten, Lady Jane Grey wäre seine Geliebte gewesen? Jane war nach wie vor misstrauisch, was den Vampir anbelangte, zumal sie es auch als überaus beunruhigend empfand zu wissen, dass er erstens bereits so alt (Und entsprechend stark) sein musste, wenn er die Wahrheit sagte, und dass er sie zweitens mit seiner Liebhaberin gleichsetzte. Das war bei einem Fremden, noch dazu bei einer Bestie, einfach nur abstoßend. Sie wollte nicht, dass er sie ansah wie eine Frau, ganz zu schweigen von seiner Frau. Für ihn war sie eine Jägerin, eine Bedrohung, das war alles, an das jede Bestie bei ihrem Anblick denken sollte. Ganz egal, wie treu doof diese blassblauen Augen dreinblicken konnten. Gleichzeitig kam die Brünette nicht umhin, ins Grübeln zu geraten. Wenn der Vampir sie tatsächlich in seiner geistigen Verwirrung für Lady Jane Grey hielt, was sie trotz seiner anderweitigen Beteuerungen stark annahm, ergäben sich daraus interessante Möglichkeiten. Zwar würde die Vampirjägerin weiter auf der Hut sein – Wie gesagt; Sie traute ihm nicht. Aber warum nicht seine Fähigkeiten nützen, wenn sie Aiden schon nicht mehr loswerden konnte…? Kapitel 4: Was wir wollen ------------------------- Zu gerne wäre Aiden noch in der Nähe geblieben, aber nachdem er so auf Jane reagiert hatte, zog er sich lieber wirklich erstmal zurück. Dieser feine Windhauch hatte gereicht, um ihn spüren zu lassen, wie die Muskeln in seinem Rücken sich verhärteten, er die Schultern zurückzog und die Fangzähne gegen seine Lippen drückten. Ihr Duft löste Begierde in ihm aus, sowohl nach ihr als Frau als auch nach ihr als Beute. Aber so schnell, wie das Verlangen gekommen war, war es schon von Schuldbewusstsein verdrängt worden. Er wollte nicht so reagieren und er hasste sich dafür, es dennoch zu tun. Natürlich war Jane als ausgebildeter Jägerin seine Reaktion nicht entgangen, was Aiden überaus unangenehm war. Allerdings hatte sie nicht mit der zu erwartenden Beunruhigung oder Aggression geantwortet, sondern war lediglich ein wenig vor ihm zurückgewichen und hatte behutsam nach ihrer Waffe getastet. Wenn sie ihn wirklich nicht für eine Gefahr hielt, war Jane naiver, als er gedacht hätte – Obwohl der Vampir selbst gar keine Bedrohung für sie sein wollte. Er wäre gerne jagen gegangen, aber drei Menschen in zwei Tagen wären zu viel gewesen. Außerdem hatten Janes Worte durchaus Wirkung auf ihn; er wollte nicht, dass sie ihn für einen Mörder hielt. Als solchen empfand er sich zumindest selbst nicht, denn sonst wären Menschen an Tieren ja auch des Mordes schuldig. Er war ein Jäger, es wäre wieder seiner Natur gewesen, nicht zu töten, um sich am Leben zu erhalten. Seiner Meinung nach sprach nichts gegen eine Koexistenz von Menschen und Vampiren. Darüber würde er wohl mal eine lange, ausführliche Diskussion mit ihr führen müssen. Wahrscheinlich würde es nicht leicht sein, Jane zu überzeugen, aber sie war intelligent, sie würde es schon verstehen... Hoffte er zumindest. Während er diese Überlegungen anstellte, blieb Aiden nicht untätig. Er verfolgte weiter die Spur des Vampirs mit Draht zum Jäger-Zirkel und spürte ihn schließlich in einer abgelegenen Seitengasse auf. Es gab ein paar Missverständnisse, weil Kyle, so der Name des Vampirs, ihn für einen Konkurrenten um seine Beute hielt. Der Mensch starrte die beiden Vampire völlig verängstigt an, als sie sich prügelten - Beziehungsweise ging Kyle auf Aiden los und der versuchte, ihm seine Situation zu erklären, während er auswich. Schließlich konnten sie sich jedoch einigen ( Was dadurch geschah, dass Aiden es endlich leid wurde und den anderen Vampir gewaltsam am Boden fixierte, damit er zuhören musste ) und er erhielt die gewünschten Informationen. Währenddessen war Kyles Beute leider weggelaufen, aber dieser hatte sich immerhin so weit beruhigt, dass er normal sprechen konnte und er erzählte ihm einige sehr interessante Dinge, über die Aiden gerne mehr erfahren wollte. Im Zuge dessen ließ er sich ein Treffen mit Kyles Partner am nächsten Mittag organisieren, gleich nach der Vorlesung. Nach diesem zweiten nervenaufreibenden Treffen verschwand der andere Vampir in der Nacht. Aiden tat es ihm gleich, um noch einige Stunden zu schlafen, bevor er zur Universität musste. Er hatte es sogar noch geschafft, sich über das Thema der Management-Lesung zu informieren, bevor er aufgebrochen war. Begeistert war er trotzdem nicht. Dennoch wartete er geduldig am Parkplatz auf Jane und lächelte, als ihr Wagen einfuhr. Sie dagegen schien nicht besonders erfreut über das Wiedersehen, aber das war sie ja bisher noch nie gewesen. Entsprechend unbeeindruckt schlenderte er auf sie zu und grinste sie über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg verschmitzt an. "Augenringe stehen dir ganz ausgezeichnet", schnurrte er zur Begrüßung und ging mit ihr los in Richtung des Fakultätsgebäudes, wobei er sich etwas hinter ihr hielt, immerhin wusste er nicht, wohin es gehen sollte. "Halt die Klappe", murrte sie nur leise seufzend. Ein wenig verdutzt blinzelte Aiden, als er nicht ganz so laut wie erwartet angeschnauzt wurde. Sie musste wohl wirklich erschöpft sein und er hatte das dumpfe Gefühl, daran nicht ganz unschuldig zu sein, weshalb er während des Wegs über den Hof tatsächlich ihrem Befehl nachkam und still war. Es gab nicht mal den Versuch, ihn davon abzuhalten, ihr zu folgen, also hatte sie wahrscheinlich ähnlich wenig geschlafen wie er - Nur, dass sie das eben nötig hatte, während er als Vampir mit drei, vier Stunden Nachtruhe wunderbar zurechtkam. Irgendwie fand er das fast süß, obwohl er sich natürlich wünschte, es würde ihr besser gehen. Immerhin zeigte diese Müdigkeit nur umso deutlicher ihre menschlichen Bedürfnisse und Schwächen, die sie so oft nicht wahrhaben wollte. Schweigend genoss er es, neben ihr herlaufen zu dürfen und den Duft ihres Haares, der jetzt im Sonnenschein weniger fatale Auswirkungen hatte. Er war ruhiger und seine Sinne weniger scharf als in der Dunkelheit und während sie ihren schönen, trainierten Körper anspannte, um sich zu strecken, fragte er sich, ob sie ihm während des Tages tatsächlich so unterlegen war. Er zweifelte nicht daran, dass er sie besiegen könnte, aber es wäre sicher ein wenig ausgeglichener als in der Nacht. Aiden fragte sich, ob sie das wusste, ging aber nicht davon aus. Die meisten seiner Artgenossen trieben sich ausschließlich nachts herum, da ihnen das Licht ganz und gar nicht gut bekam. Er war so in Gedanken versunken, dass er den flüchtig vertrauten Geruch eines Mannes erst bemerkte, als dieser nur noch ein paar Meter neben ihm war. Instinktiv wollte er den Arm um Janes Schulter legen, als er Logan erblickte, welcher lächelnd und mit zwei dampfenden Bechern auf sie zugelaufen kam. Jedoch hielt er sich zurück und ließ es zu, dass ihr Freund Jane mit dem Kaffeebecher gegen die Stirn tippte, obwohl ihm das überhaupt nicht gefiel. Er mochte den Blick nicht, mit dem der Menschenjunge die Frau ansah, obwohl sie das nicht mal zu bemerken schien. Sein Kiefer spannte sich an und hätte er sich nicht sehr konzentriert, hätte er drohend gefaucht. "Du siehst müde aus. Ich dachte, du könntest das brauchen, bevor der Tag richtig losgeht", meinte Logan schmunzelnd und übergab Jane direkt den Kaffee, worauf diese nur grinste und sofort einen Schluck trank. "Du bist wirklich ein Schatz, weißt du das?", murmelte die Brünette lächelnd und leise, als sie erneut am Kaffeebecher nippte und sich wieder auf dem Weg zum Vorlesungssaal machte. Dabei übersah sie Aiden weiterhin gekonnt. Der war es nicht gewohnt, derart aus der Haut zu fahren und es beunruhigte ihn. Das war nicht gut unter einem Haufen Menschenkinder - Vor allem, solange Jane unter ihnen war. Aber diese nannte Logan sogar "Schatz" und schaffte es mit diesem einen Wort, seine vorher noch so tadellose Laune gründlich zu verderben. Er folgte den jungen Leuten in den Hörsaal, wurde jedoch weiterhin nicht beachtet und als Logan sich neben Jane setzten wollte, fasste Aiden ihn an der Schulter. Dabei drückte er fester zu, als unbedingt nötig gewesen wäre, und der junge Mann verzog leicht das Gesicht. "Oh, tut mir leid. Ich habe meine Kraft falsch eingeschätzt", sagte er, indem er die Hand zurückzog. "Ich wollte nur fragen, ob es ok ist, wenn ich neben Jane sitze. Ich habe noch nicht alle Unterlagen und sie hat gestern Abend gemeint, ich könnte ihre mit nutzen... Geht das in Ordnung? Danke." Und mit diesen Worten, die bewusst betonten, dass er Jane am Vorabend noch getroffen hatte, setzte er sich neben sie, ohne auf eine Antwort zu warten. Ihre andere Seite war besetzt, sodass Logan noch die Wahl blieb, neben Aiden Platz zu nehmen oder sich zu verziehen - Wobei dem Vampir letzteres deutlich lieber gewesen wäre. Jedoch sträubte sich Logan keineswegs dagegen und setzte sich stattdessen neben dem Vampir hin, ehe er lächelnd zu Jane rüber sah und kurz mit den Schultern zuckte. Kurz erwiderte die Vampirjägerin auch das Lächeln, ehe sie sich ein wenig zu ihrem 'Feind' beugte und ihn mit böse funkelnden Augen ansah. "Was zum Teufel sollte das?! Du kannst ihn doch nicht einfach so grob anfassen und regelrecht zur Seite schubsen!", zischte sie ihm dann auch mit leiser und aufgebrachten Stimme zu. Wahrscheinlich war der junge Mann gar nicht so übel, aber der Vampir konnte generell wenig mit männlichen Menschen anfangen und noch weniger mit solchen, die die Frau anschmachteten, an der er selbst interessiert war. Es ja nicht so, als hätte Logan sie angebaggert oder berührt. Trotzdem mochte Aiden ihn schon aus Prinzip nicht, weshalb er sich bereits ziemlich albern vorkam. Er wusste, dass er bereit gewesen wäre, dem Jungen die Schulter ganz auszureißen, wenn dieser Jane tatsächlich angefasst hätte und dieses Platzhirschgehabe war völlig unpassend. Leider lag es aber nun mal in der Natur seiner Rasse, sehr selbstsüchtig zu sein und ihre Beute zu verteidigen. Und solange Aiden sich für die Jägerin interessierte, würde sie damit leben müssen, dass er sie praktisch als sein ´Eigentum` verteidigte. Dennoch war er jetzt, wo er zwischen den beiden Menschen saß, wieder besänftigt und entspannte sich sogar ein wenig, obwohl die junge Frau ihn anschnauzte. "Entschuldige bitte. Es wird nicht wieder vorkommen", erwiderte er auf ihren Tadel hin ehrlich reumütig. Bei Logan selbst entschuldigte er sich allerdings nicht, immerhin dürfte dieser nicht ernstlich verletzt sein. Vielleicht würde er ein paar blaue Flecken bekommen, aber er war ein Mann, damit konnte er sicherlich umgehen. Als sie sich abwandte, ließ er sie in Ruhe, denn dieses Mal war ihre Wut durchaus gerechtfertigt. Er beobachtete die anderen Studenten, die langsam eintrudelten und sich auf ihre Lesung vorbereiteten, und vermied es dabei geflissentlich, den jungen Mann neben sich überhaupt wahrzunehmen. Unter normalen Umständen hätte er sich vielleicht mit ihm unterhalten, so wie mit den beiden Mädchen am letzten Vormittag. Janes Freundeskreis interessiere ihn nämlich durchaus und noch am letzten Tag hätte er wohl tatsächlich mit Logan geredet, wenn die drei Mädchen nicht zwischen ihnen gesessen hätten. Jetzt wollte er sich aber nicht der Gefahr aussetzten, nochmal derart auszuticken, obwohl er das Risiko inzwischen als relativ gering einstufte. Auch die anderen aus der Gruppe trudelten langsam ein, jedoch nickte Aiden auch ihnen nur knapp zu. Er erhob sich, als die Professorin den Saal betrat, um mit ihr ein paar Details seiner Anwesenheit zu klären, entsprechend bekam er das Gespräch der jungen Leute nicht mit. Er schlüpfte gerade wieder auf seinen Platz neben Jane, als die Dozentin mit ihrer Einheit begann. Er hörte aufmerksam zu, konnte dem Thema aber nach wie vor nichts abgewinnen. Alles erschien ihm nur kompliziert und die Menschen nahmen so etwas so schrecklich ernst. Der einzige Grund für ihn zu bleiben war der, wissen zu wollen, womit Jane sich so beschäftigte. Dennoch wanderten seine Gedanken immer wieder ab zu dem Treffen, das er später noch haben würde. Er war sehr interessiert der "Partnerschaft", die Kyle angedeutet hatte. Viel hatte er nicht erzählen wollen, das sei die Entscheidung seines Kollegen. Wenn er die vagen Formulierungen des anderen Vampirs jedoch richtig verstanden hatte, war dieser Pakt oder wie er es genannt hatte genau das, was Aiden in Bezug auf Jane wollte; Die Möglichkeit, auf sie zu achten, wenn sie spielen ging. Natürlich musste er sich noch genauer darüber informieren und er ging nicht davon aus, dass ihr ein derartiges Arrangement zusagen würde. Sie schien ihm mehr eine Einzelkämpferin zu sein - Und wenn es schon ein Partner sein sollte, wollte sie bestimmt keine Bestie. Sein Blick lag schon eine ganze Weile nicht mehr bei der Professorin. Stattdessen starrte er bereits minutenlang gedankenverloren seine Sitznachbarn an. Diese bemerkte ihn jedoch erst, als es nach der ersten Stunde klingelte und sie sich zur Seite drehte, um mit Logan zu reden. Im selben Moment zuckte sie kurz zusammen. "Was starrst du mich bitteschön so an?", wollte die Brünette mit leicht aufeinander beißenden Zähnen wissen, ehe sie schwer aufseufzte und sich kopfschüttelnd durch die Haare fuhr. Ohne auch nur auf die Antwort des Angesprochenen zu warten, schnappte sie sich ihre Notizen, erhob sich und stellte sich gleich zwischen Benjamin und Logan hin. "Sag mal, verstehst du, wie sie genau auf die Lösung gekommen ist? Irgendwie konnte ich das nicht ganz nachvollziehen. Sie war mal wieder zu schnell", sprach Jane sogleich mit einer deutlich sanfteren Stimme, als sie mit dem Zeigefinger auf den entsprechenden Abschnitt deutete. "Hmm, zeig mal her", meinte Logan gleich und studierte kurz die Rechnung, ehe er nickte und damit begann, ihr den ganzen Hergang mit der graphischen Darstellung aufzuzeigen, die die Professorin ebenfalls in der Powerpoint drin hatte. Dabei lächelte sie Logan auf eine Art an, die Aiden die Zähne aufeinander pressen ließ. Er schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch - Was keine sonderlich gute Idee war, denn es roch nach wie vor stark nach Jane - Und zog es dann vor, die Kinder nicht weiter zu beachten. Stattdessen widmete er sich den zuvor so schändlich vernachlässigten Aufzeichnungen, die ihn zwar langweilten, aber immerhin ablenkten. Ebenso hielt er es während dem zweiten Teil der Vorlesung, während welchem er Jane genauso wenig beachtete wie sie ihn, nur, dass ihm das wahrscheinlich bedeutend schwerer fiel als ihr. Als die Professorin die Stunde beendete, räumte Aiden mit einem Blick auf die Uhr rasch seine Sachen zusammen. Ein bisschen Zeit hatte er zwar noch, aber die wollte er nicht vertrödeln. Auch die anderen aus Janes Freundeskreis machten sich zu gehen bereit und die jungen Leute schienen weniger darauf erpicht zu sein, ihn zum Verschwinden zu bringen. Pure Höflichkeit, nahm Aiden an. So kam es jedenfalls, dass er sich auf dem Weg ein wenig mit ihnen unterhielt. "Woher kennst du Jane denn jetzt eigentlich?", wiederholte eines der Mädchen die Frage, die sie schon am letzten Tag gestellt hatte, woraufhin der Vampir selbstironisch lächelte. Die Vampirjägerin blieb schnurstracks stehen. Aus Reflex wollte Jane nach ihm greifen und die Hand auf sein loses Mundwerk drücken, doch Aiden war schneller, sodass sie in einer komischen Bewegung innehielt und ihn nur noch mit geweiteten Augen ansehen konnte, als er sagte: "Nachdem sie sagte, es sei eine ´Lange und langweilige` Geschichte...", fing er an, dabei glitt sein Blick wieder zu Jane, welche er schief angrinste. "...Fürchte ich, ich bin ein abgewiesener Verehrer." Warum sie seine Worte so schockierten, verstand Aiden ehrlich gesagt nicht, immerhin hatte er nur die Wahrheit gesagt. Glaubte sie wirklich, dass jedes Wort aus seinem Mund eine Lüge war? Nun, so ganz ernst war es auch nicht gewesen, immerhin kannte er sie nicht, aber deswegen war ihre Reaktion doch etwas übertrieben - Was sie aber nicht weniger amüsant machte. Wieder aus ihrer Starre erwacht, ergriff sie sofort den muskulösen Arm ihres unerwünschten Begleiters und lächelte etwas nervös die Gruppe an. "Ahaha... Er... er scherzt nur. Aiden hat einen komischen Humor, also nehmt bloß nicht alles ernst, was er so von sich gibt", meinte die Vampirjägerin sofort und schielte mit einem stechenden Blick zum Vampir neben ihr, ehe sie wieder zu ihren Freunden blickte. "Eigentlich ist er ein entfernter Verwandter meinerseits, der kurzfristig hierhergezogen ist und na ja... ich wusste bis vor ein paar Tagen auch nicht, dass er existiert, aber da meine Mutter und ich hier die einzigen Bekannten seinerseits sind, muss ich mich die erste Woche ein wenig um ihn kümmern...!" Er legte mit einem Schmunzeln den Kopf schief und erwiderte ihren wütenden Blick gut gelaunt, während sie sich eine, in Aidens Ohren, wesentlich unwahrscheinlichere Geschichte zurechtlegte. Was war so unglaublich daran, dass ein junger Mann Interesse an ihr haben sollte? Das hätten ihre Freunde sicher geglaubt… Und den kleinen Jungen alias Logan hätte es geärgert, das sah Aiden deutlich. Aber Jane wollte es eben nicht hören, da war nichts zu machen. Immerhin ergab sich daraus die Gelegenheit, sie weiter zu ärgern, und sie konnte dank ihrer eigenen Lüge vor ihren Freunden nicht mal mehr etwas dagegen sagen. Anscheinend waren diese sich nicht wirklich sicher, ob sie das glauben sollten - und das bemerkte die Brünette, weshalb sie Aiden mit sich zog und sich beim Gehen an die Clique wandte. "Na los! Kommt schon! Wir wollten doch was essen gehen! Immerhin ist Mittag und einige von uns haben wenig Zeit!", rief sie, während sie eilige Schritte ging. Jedoch blickte sie kurz darauf wieder zum Vampir und presste mit zusammengebissenen Zähnen Folgendes hervor: "Na warte... wenn wir wieder alleine sind, werde ich dir höchstpersönlich die Kehle durchschneiden! Dass du so etwas meinen Freunden erzählst!" Aiden folgte artig durch das Gewühl von Studenten. "Du planst also schon, wieder mit mir alleine zu sein? Wie reizvoll", schnurrte er zwinkernd und bedauerte sehr, dass sie die Hand von seinem Arm nahm. Ohne nochmals zurückzublicken, ließ die junge Frau dann auch den Arm des Vampirs los, ehe sie direkt den Ausgang des Gebäudes ansteuerte und in die Richtung eines kleinen, naheliegendes und italienischen Bistros ging. Er überlegte, ob er mit der Gruppe essen gehen sollte, als er ins Freie trat und wiederwillig gegen die Sonne blinzelte. Zwar schmerzte das Licht ihn nicht wirklich, aber angenehm war es auch nicht, also setzte er eine Sonnenbrille auf. "Aber du hättest nicht unbedingt sagen müssen, wir seien verwandt. Das könnte ein falsches Licht auf unsere Beziehung werfen!", rief er ihr noch neckend nach, als sie davon stapfte. Scheinbar schienen Janes Freunde seine Anwesenheit zu akzeptieren, denn sie schlossen zu ihnen beiden auf und plauderten ungezwungen, bis sie bei dem kleinen Restaurant ankamen. Aiden blieb vor der Tür stehen und lächelte unverbindlich jeden an, bis sein Blick an Jane hängen blieb. Sie sah immer so grimmig aus… Aber das lag wohl ausschließlich an ihm, hoffte er zumindest. Ein so junger Mensch sollte nicht so bitter sein. "Ich habe leider noch etwas vor und kann euch keine Gesellschaft leisten. Aber euch wünsche ich einen schönen Tag. Wir sehen uns sicher wieder", fügte er mit intensiverem Blick auf die Vampirjägerin hinzu. Aiden wäre gerne bei den Kindern geblieben, alleine schon, um Jane zu ärgern, doch es würde auffallen, dass er weder aß noch trank, vielleicht noch nicht heute, aber falls er diese Menschen ab und zu sah, würden sie es merken. Außerdem war er verabredet und er hasste Unpünktlichkeit. Während die Studenten eine entspannte Mittagspause beim Italiener verbrachten, ging Aiden weiter seinen Recherchen bezüglich Jane und ihrem ominösen Nebenjob nach. Er suchte eine Reinblüterin auf, die angeblich Verbindungen zum Vampirjäger-Orden hatte, doch die Lady war nicht erfreut über den unangekündigten Besuch; Es war äußerst schwierig, sich mit ihr zu unterhalten, während sie versuchte, Aiden die Arme auszureißen. Im Gegensatz zu Jane hatte sie dabei nämlich ganz gute Chancen, obwohl er der Ältere und somit grundlegend Stärkere war; Miss Venice Succi wusste sich durchaus zu verteidigen. Der Auseinandersetzung fiel nicht nur Aidens Unversehrtheit zum Opfer, sondern auch ein Teil des Mobiliars der Italienerin. Die würde noch Spaß mit der Polizei haben, während ihr unerwünschter Besucher schon auf dem Weg zurück zu seinem Doppelleben als Student war. Leider ohne die gewünschten Informationen, dafür aber noch im Vollbesitz seiner Gliedmaßen. Das verbuchte er als Erfolg. Aiden tauchte etwas verspätet in der Vorlesung auf, und er sah recht mitgenommen aus, als er sich wie selbstverständlich auf den Platz neben Jane niederlies. Sein sowieso schon wildes Haar stand ab und er hatte Kratzer an den Armen. Das Veilchen am rechten Auge sah man nicht, weil er nach wie vor die Sonnenbrille trug. Ein paar Studenten warfen ihm neugierige, erschrockene Blicke zu, die der Vampir jedoch nicht beachtete. "Ich hoffe, ihr habt gut gegessen?", fragte er Jane beiläufig, während er ein paar Sachen auf seinen Tisch legte. Zunächst schien seine Sitznachbarin ihn ignorieren zu wollen, doch als zu vernehmen war, wie einige um sie herum zu tuscheln begannen, runzelte sie leicht die Stirn und riskierte doch einen Blick. Überrascht weitete sie die Augen und hätte er es nicht besser gewusst, hätte Aiden sich für eine Millisekunde sogar eingebildet, so etwas wie Sorge in ihnen aufblitzen zu sehen. Als hätte sich in ihren Augen gespiegelt, wie unmöglich er aussah, fuhr er sich mit den Fingern durch das Haar, das danach zwar immer noch verwuschelt war, aber zumindest nicht mehr aussah wie frisch aus einem Wirbelsturm. Mehr Aufwand machte er sich morgens nach dem Duschen auch nicht mit seinem Aussehen, aber jetzt, wo Jane neben ihm saß, wurde ihm sein Äußeres übermäßig bewusst. Er rollte die hochgekrempelten Ärmel seines grauen Pullovers über die zerschundenen Arme, als er ihren Blick darauf spürte, und lächelte sie unbefangen an. "Manche von uns..." - sie wusste sicher, was er meinte - "mögen Besuch wohl nicht so gerne.“ "Was zum Teufel hast du getan? Dich mit ... dieser Person angelegt?", wollte die junge Frau leise zischend wissen. Er runzelte leicht die Stirn. "Ich habe mich nicht mit ihr angelegt, ich wollte mit ihr reden... Und du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass sie herkommt. Sie war ohnmächtig, als ich ging." Aiden lächelte gleichgültig: Da weibliche Vampire, anders als Menschenfrauen, nicht schwächer waren als die männlichen, galt die Höflichkeitsfloskel: 'Man schlägt keine Mädchen!' Bei ihnen nicht. Normalerweise mochte Aiden solche Gewalttaten zwar nicht, aber er hing zu sehr an seinen Armen, als das er die Vampirin hätte gewähren lassen. "Ich wollte mich bei ihr über deinen... Job erkundigen", erklärte er mit dem üblichen missbilligenden Ton. Ihm wäre es immer noch lieber, Jane wäre Kellnerin oder etwas ähnlich triviales, Ungefährliches. Da sie nicht weiter darauf einging, sondern nur die Augen verdrehte, wechselte er das Thema: „Was habe ich verpasst?", erkundigte er sich dann, und warf einen Blick auf Janes Notizen, um gelangweilt ebenfalls mitzuschreiben. Ihm war es zwar egal, ob er irgendwelche Prüfungen bestand - er hatte schon genug Berufe gehabt - aber wenn er schon mal da war, konnte er es ja versuchen. "Finanzen und Kapitalanlegung", erwiderte sie auf seine Frage bezüglich des Seminars hin, ehe sie wieder nach vorne blickte und damit begann, weiterzuschreiben. "Wenn du schon meinen Stundenplan kopierst, dann solltest du ihn dir wenigstens einmal ansehen, damit du weißt, wo du landest", fügte die Vampirjägerin leise hinzu. "Das werde ich, aber bisher war ich zu sehr mit stalken beschäftigt" Als er grinste, spannte sein Auge und er zuckte leicht zusammen. Das war wohl das berühmt-berüchtigte Karma... Eine einschläfernde Ewigkeit später verließen sie den Hörsaal. Aiden, der Jane etwas Vorsprung gab, strecke sich, wobei er seine zerkratzten Handgelenke musterte. Er würde wohl jagen gehen müssen. Und das würde Jane nicht gefallen, dachte er mit einem Blick auf die junge Frau. Jane wandte sich erst an ihn, als sie beim Wagen ankamen und sie ihre Tasche auf die Motorhaube abgestellt hatte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte den jungen - oder vielmehr alten - Mann vor sich an. "Du meintest gestern, dass du 'ein Teil meines Lebens' sein möchtest, nicht wahr?", begann die Brünette langsam und bezeugte damit, dass sie ernsthaft über seine Worte vom Vorabend nachgedacht hatte. "Wie... darf ich das verstehen? Was meinst du damit genau?" Er überlegte eine Weile, weil er es so offensichtlich gefunden hatte, dass er noch keinen genauen Wunsch formuliert hatte. "Fürs erste wäre es nett, wenn du aufhören würdest, davon zu sprechen, mir etwas auszureißen", begann er leichthin. Schwer seufzend massierte die junge Frau dann auch mit einer Hand ihre Schläfe. "Es ist mein Job, solche Kreaturen wie dich auseinander zu nehmen und zu töten. Da kannst du nicht von mir erwarten, dass ich dich anders behandle, nur weil du anscheinend deinen Spaß hast, mich zu stalken und mir versicherst, dass du keinen Unfug anstellst", erwiderte die Brünette. "Kreaturen", wiederholte er nachdenklich. "Was genau meinst du damit eigentlich? Meinst du die von uns, die gegen ihren Willen verwandelt wurden - Die keine Wahl hatten? Die von uns, die so geboren wurden - Die keine Wahl hatten? Oder meinst du nur die von uns, die es tatsächlich genießen, zu Morden, die sich aussuchen, ein Monster zu sein und von denen es unter euch Menschen auch genug gibt?" Er sah sie gelangweilt an, was bei ihm Verärgerung ausdrückte. Janes stereotypisierende Meinung über Vampire störte ihn schon die ganze Zeit; Hätte ein Mensch so über eine Person anderer Hautfarbe gesprochen, würde das als rassistisch gelten. Außerdem klang sie für jemanden, der sich mit Vampiren auskannte, ungebildet und bäuerlich und das war ein Gedanke, den Aiden nicht mit Jane in Verbindung bringen wollte. "Letzteres vor allem", erwiderte die Brünette schlicht, womit dieses Thema wohl beendet war. "Du brauchst mich nicht zu belehren. Ich weiß, dass es bei uns Menschen genug Mörder gibt, die manchmal sogar widerwärtigere Dinge tun. Ich habe aber auch nie von mir aus behauptet, dass ich solche Menschen gutheiße oder nicht hasse", fügte die Brünette hinzu, als sie sich die Haare hinters Ohr strich. Es war nicht zu übersehen, dass es ihr egal war, ob Vampire eine Wahl hatten. Nun, genau genommen hatten sie wohl auch die Wahl, einfach zu sterben, gab er ihr gedanklich mit einem sehr schmalen Lächeln Recht. Sagen tat er etwas anderes, denn er war noch nicht fertig mit seiner Belehrung: "Und du nimmst es als Kollateralschaden hin, Unschuldige zu töten? Das ist sehr töricht und arrogant" Dass er mit einem solchen Tadel etwas erreichte, erwartete er gar nicht, aber immerhin unterhielt sie sich jetzt schon seit fünf Minuten mit ihm, ohne einen Wutanfall zu bekommen, das war doch schon mal was. "Ich habe außerdem das Gefühl, dass du mit zwei Maßstäben misst - Immerhin jagst du keine menschlichen Mörder, nicht wahr? Deswegen belehre ich dich sehr wohl", widersprach er gelassen. "Du meinst wahrscheinlich, dass du einen guten Grund für deine Taten hast, aber ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass jeder Mörder so denkt? Wir denken, dass wir ein Recht auf Leben haben" - Er lächelte, weil das etwas ironisch war, wenn man von Untoten sprach - "Ein Dieb, der sein Opfer tötet, denkt, er habe ein Recht auf die Beute… Sogar Hitler dachte, er habe ein Recht auf die Welt, nicht wahr?" Er schnaubte amüsiert über so viel ignorante Dummheit, die jedem Lebewesen mit einem Bewusstsein gleich zu sein schien. "Dass ich eine Mörderin bin und in der Hinsicht sogar auch ähnliche Gedankengänge wie einige Verbrecher haben könnte, streite ich nicht ab", erwiderte die junge Frau erschreckend schlicht, wobei man ihr ansah, dass sie eigentlich keine Lust hatte, ausgerechnet mit einem Vampir über die Ethik ihres Berufes zu sprechen. "Jedoch kann selbst diese Erkenntnis mich nicht davon abhalten, so weiterzuleben, wie bisher. Sollte ich - nachdem ich mein Ziel erreicht habe - dafür irgendwie zur Rechenschaft gezogen werden, dann werde ich das ohne zu Murren hinnehmen." Er nahm stark an, dass der einzige Richter über Jane sie selbst war - Oder eine der ihr so verhassten "Kreaturen", der sie unterlegen war. Dass es irgendwann so kommen würde, stand für ihn gar nicht zur Debatte; Aiden hatte schon viel gesehen, das seinesgleichen im Blutwahn angerichtet hatte. Es gab Vampire, die im Blut badeten, weil sie dachten, das würde sie stärken, es gab jene, die Säuglinge bevorzugten, es gab solche, die das Jagen zu einer regelrechten Kunst entwickelt hatten und ihre Opfer quälten, sobald sie sie in ihrer Gewalt hatten. All die verrückten Dinge, die Menschen taten, bloß in schneller, stärker und grausamer, perfektioniert durch Jahrhunderte an Erfahrung und Langeweile. Und mittendrin war sie - Jane. Der Gedanke war beängstigender, als er angesichts der Tatsache, dass sie sich nicht kannten, hätte sein dürfen. Der volle Parkplatz der Universität war jedoch kaum der richtige Zeitpunkt, sie von einem anderen beruflichen Werdegang zu überzeugen, also neigte Aiden schicksalsergeben den Kopf. "Die Diskussion ist nicht beendet", kündigte er an. Sie waren von Janes eigentlicher Frage abgekommen, weshalb das Gespräch wohl ebenfalls noch nicht beendet war. Weil er das Gefühl hatte, es wäre höflicher bei so einem direkten Gespräch, nahm er die Brille ab und zeigte ihr sein zerschundenes Gesicht, woraufhin sich leicht zusammenzuckte. Wegen ihr sah er jetzt so aus, aber das war ihm gleich. "Um auf deine Frage zurückzukommen… Ich würde dich gerne kennenlernen.“ "Kennenlernen… Du hast ohne Probleme herausgefunden, wie mein Stundenplan aussieht, wer meine Freunde sind, wo ich wohne und wie meine Familienverhältnisse sind... Ich denke wohl kaum, dass du mich da noch weiter 'kennenlernen' kannst", entgegnete die Vampirjägerin und Aiden merkte, wie sie erschauderte. Irgendwie verständlich, dass ihr der Gedanke, dass ein Fremder derart viel über sie herausfinden konnte, nicht gefiel. Viel interessanter fand er aber etwas anderes, und das sprach Aiden direkt an: "Es ist beunruhigend, dass du meinst, jemand würde dich kennen, weil er deinen Stundenplan kennt, Jane", sagte er streng. Sie gab sich zwar selbstbewusst, aber vielleicht sollte sie nochmal ihr Selbstbild überdenken. Andererseits war sie natürlich sehr jung und sehr auf die Aufgabe fixiert, die sich selbst ausgesucht hatte, wahrscheinlich war es schwer für sie, sich selbst noch hinter der "Jägerin" zu sehen, die sie zu sein beschlossen hatte. "Ich möchte wissen, was du machst, wenn du dich nicht gerade in Todesgefahr begibst. Ist dieses Studium absichtlich so langweilig, um deine nächtlichen Abenteuer auszugleichen? Woher weißt du von meiner Art? Warum hasst du Vampire so sehr - uns alle", endete er, zum ersten Mal ernst, wobei er ihr tief in die Augen sah, als könne er darin die Antworten lesen. "Diese Fragen beantworte ich nicht. Das ist ein privates Thema", meinte Jane schlicht, wobei für einen kurzen Moment eine Spur von Trübsinn in ihren Augen aufblitzte. Man konnte erahnen, wie nah ihr das ging und wie schwer es ihr fiel, darüber zu sprechen und Aiden beschloss, sie – Für den Moment – Damit in Ruhe zu lassen. „Gut. Ich will auch gar nicht, dass du mir einfach so vertraust – Das wäre im Gegenteil sehr dumm“, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu. Sie wussten beide, dass er gefährlich sein konnte, wenn er es darauf anlegte. „Alles, was ich von dir will, ist, was du mit diesen jungen Leuten, deinen Kommilitonen, hast, nichts weiter. Was ist an diesem Gedanken so beunruhigend? Du bist eine schöne, interessante junge Frau, wieso überrascht es dich, dass ein Mann dich kennenlernen möchte?" Sie erstarrte eine Sekunde lang, als hätte er ihr eine unglaubliche Neuigkeit erzählt. Sie schien seinen schlichten Wunsch, sie kennen zu lernen, äußerst unverständlich zu finden, aber sie zog es vor, nichts mehr dazu zu sagen, sodass auch Aiden das Thema fallen ließ. Unter normalen Umständen sagte man so etwas natürlich nicht, es war offensichtlich, aber Jane schien die Möglichkeit, dass er mit ihr befreundet sein könnte, für so abstrus zu halten, dass er es eben aussprechen musste. Zudem hatte sie gefragt, was hätte er machen sollen, als zu antworten? Um sich wieder zu fangen, schloss die junge Frau für einen Augenblick die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Dementsprechend änderte sie auch das Thema und musterte ihn misstrauisch. "Was wirst du gegen die Wunden tun? Du wirst wohl kaum jagen und einen Menschen töten, um Blut zu erhalten, oder?", wollte sie wissen, wobei man schon hörte, dass sie das nicht freiwillig zulassen wollte. Aiden lächelte, denn ihre Vermutungen trafen den Nagel auf den Kopf. "Hm, du könntest mir natürlich auch freiwillig etwas von deinem Blut geben, Jane…", schnurrte er, jetzt wieder in dem spielerisch-herausfordernden Tonfall, den er ihr gegenüber normalerweise anschlug. "Als ob. Steig ein. Ich besorg dir Blutkonserven", meinte die Jägerin schlicht, ehe sie ihre Tasche schnappte und auch schon in den Wagen stieg. Ihr Angebot kam zugegebenermaßen sehr überraschend. Blutkonserven? Er hatte zwar schon davon gehört, dass ein paar Artgenossen es vorzogen, auf diese Art zu trinken, aber er selbst hatte es noch nie in Betracht gezogen. Trotzdem stieg er zu Jane und schnallte sich an, wobei er sie angrinste. "Ist das jetzt eine Einladung zum Essen?", fragte er scherzhaft, doch da führte sie schon ein recht absonderliches Telefonat, bei dem sie ihre Mutter dazu anhielt, mit ein paar Blutkonserven vor dem Krankenhaus zu waren. Interessante Beziehung hatten die beiden da am Laufen, dass die Ältere nicht mal nachfragte, für was ihre Tochter Blut benötigte. "Warum greifst du mich nicht an, wo ich geschwächt bin, sondern möchtest mich stärken?", erkundigte er sich gelassen; Mit einer Attacke hatte er fast sicher gerechnet, sobald sie alleine waren. Andererseits waren sie jetzt unterwegs zu einem unbekannten Ziel, vielleicht zu einem verlassenen Waldstück. Der Anruf konnte ja auch nur zum Schein gewesen sein. Als sie dann bei einer roten Ampel hielt, blickte sie auch kurz zum Vampir, der angeschnallt auf dem Beifahrersitzt saß. "Nimm es einfach hin. Ansonsten werde ich dich wirklich angreifen und die Blutkonserven einfach wieder zurückgehen lassen", meinte die Brünette nur, ehe sie wieder nach vorne blickte und wieder auf das Gaspedal drückte. "Jaaa, weil ich mir auch nicht anders etwas zu trinken besorgen kann", erwiderte er höchst amüsiert. Er ging mit ihr, weil er das wollte, nicht, weil sie ihn dazu zwang, da unterlag sie offensichtlich einem Trugschluss. "Aiden“, sprach die junge Frau mit Nachdruck, wobei sie ihn zum ersten Mal beim Namen nannte. "Solange du mit mir zu tun hast, wirst du keinen Menschen töten." Es war, als hätte sein Name auf ihren Lippen ihm das Lächeln von seinem genommen. Für den Moment wurde er ernst und musterte sie nachdenklich, dann nickte er folgsam. Dass sie nicht wollte, dass er tötete, war Anbetracht ihrer Rasse und ihres Berufes nur zu verständlich, und da er tatsächlich vorhatte, näher mit ihr zu tun zu haben, würde er sich wohl oder übel ihren Regeln beugen müssen. Und seltsamerweise… Wollte er das sogar. Sie knirschte kurz mit den Zähnen und ihre Augen verengten sich, als sie weiterfuhr. „Außerdem steckt mehr dahinter, dass du hier sein darfst, als du denkst - auch wenn mir das nicht ganz lieb ist. Ich tue das, weil ich dich wahrscheinlich noch benötige", kam es dann auch eher etwas zähneknirschend über ihre Lippen, bevor sie mit dem Wagen vor einem Krankenhaus parkte. "So? Wirst du das?", fragte er, denn sie klang, als wäre er ein Werkzeug. "Und darf ich fragen, wofür?" Irgendwie hätte er sich wohl denken können, dass sie nicht völlig ohne Grund Essen auf Rädern für ihn spielte. Auch die Tatsache, dass sie ihre Messer nicht mehr gezückt hatte, hätte ihm auffallen können. Aiden konnte sich vorstellen, wie sehr es ihr gegen den Strich gehen musste, irgendwie von ihm abhängig zu sein und er fragte sich, was ihr wichtig genug sein konnte, um das auch noch offen zuzugeben. Neugierig sah er die Auffahrt zur Notaufnahme hoch, wer denn da runterkommen würde - Denn er ging schwer davon aus, dass er in Janes Gegenwart nicht ins Krankenhaus gehen durfte. "Erklär ich dir später. Warte hier", wies sie ihn an, ehe sie kurzerhand ausstieg und im Krankenhaus verschwand und ihn alleine in ihrem Wagen ließ. Aiden, den ihr ganzes Verhalten ziemlich irritierte, sah sich im Fahrerraum um und ließ die Finger über das gepflegte Armaturenbrett des Audi gleiten. Zur Not konnte er zwar fahren, aber er tat es äußerst ungern, und weil er sich in dem Auto ziemlich unwohl fühlte, stieg er zum Warten aus und lief ein wenig auf und ab, wobei er die Sonnenbrille wieder aufsetzte. Andernfalls hätte ihn mit seinem demolierten Gesicht wahrscheinlich noch eine besorgte Schwester eingeliefert. Allzu lange blieb Jane jedoch nicht weg; schon eine Viertelstunde später kam sie mit einem ungewöhnlichen Päckchen zurück, auf dem Rücksitz verstaute. Trotz des Plastiks konnte Aiden das Blut in den Konserven riechen, und seine Zähne drückten ihm gegen die Lippen. Nur mühsam riss er die Gedanken davon los und richtete die Aufmerksamkeit wieder auf das Mädchen, neben das er sich wieder ins Auto setzte und das ihm einen schmuddeligen Zettel reichte, den er neugierig studierte. Darauf war ein Siegel und eine bereits verblassende Schicht Tinte, in der einige Worte aufgeschrieben waren. Jane musste ihn schon einige Zeit mit sich herumschleppen und immer wieder betrachtet haben, denn er war öfter gefaltet und abgegriffen. "Es ist ein Auftrag den ich erledigen will, nur scheitere ich an den Bedingungen", erklärte die Brünette. Diese Bedingungen besah Aiden sich jetzt genauer. Als Voraussetzung wurde erwähnt, dass man den Auftrag nur annehmen durfte, wenn man mindestens ein Rang 9 Vampirjäger war oder einen Vampir als Partner hatte. Da sie recht offensichtlich keinen Partner hatte – Das sollte ja schließlich Aiden werden – war davon auszugehen, dass sie noch nicht den entsprechenden Rang erreicht hatte. Den Teil mit der Zusammenarbeit von Jäger und Vampir fand Aiden jedoch wesentlich spannender. Genau diese war nämlich der Grund, aus dem Miss Succi so wütend auf ihn reagiert hatte; ihr Sohn hatte genauso einen Pakt mit einem Jäger geschlossen, nachdem seine Freundin von einem anderen Vampir ermordet worden war. In der Gesellschaft der Unsterblichen war es praktisch unmöglich, sich für etwas derartiges zu rächen, ohne einen Krieg zwischen den Familien anzuzetteln, und da der Vampir Gerechtigkeit für den Tod seiner Geliebten wollte, hatte er sich der einzigen Organisation angeschlossen, die Untote zur Rechenschaft ziehen konnte; der Jägerzirkel. Natürlich war die besorgte Mutter nicht begeistert und da sie dachte, Aiden hätte etwas damit zu tun, war sie auf ihn losgegangen - Außerdem hatte sie es wohl nicht geschätzt, dass ein Unbekannter in ihr Jagdrevier eingedrungen war. Er las weiter und kam zum eigentlichen Auftrag, bei dem es sich um die Ergreifung genau eines solchen Vampirs handelte, von denen er gerade gedacht hatte, Jane vor ihnen beschützen zu müssen; ein Psychopath, der Menschen in der Sicherheit ihrer Häuser tötete. Noch dazu spielte er dabei offensichtlich mit den Leichen, denn laut der Beschreibung waren die Tatorte stets blutgetränkt. Es gab sogar eine Skizze mit der ungefähren Beschreibung des Aussehens des männlichen Vampirs. Noch während Aiden den Zettel durchlas, schnallte sich Jane an und fuhr den Wagen raus, damit sie sich an einem ungestörteren Ort unterhalten konnten und er endlich das Blut zu sich nehmen konnte. Natürlich hatte sie ihm das Blut nicht direkt auf dem Parkplatz geben können, das hätte die Patienten sicher irritiert. Trotzdem war der Geruch, der das Auto langsam füllte, überaus ablenkend für den Vampir. So schlug die junge Frau während der Fahrt die Richtung des Waldes an, sodass sie nur wenige Minuten später auch schon am Waldrand ankamen und sie dort den Wagen abstellte. "Der Beschreibung nach zu schließen, würde ich sagen, es ist ein sehr alter Vampir oder ein sehr wütender", sagte er langsam, blickte kurz von dem Blatt zu Jane. "Du willst ihn jagen?“ "Nein, ich möchte mit ihm spielen", erwiderte sie ironisch auf seine Frage hin, ehe sie die Augen verdrehte. Aiden musterte sie amüsiert. Die Taktik, mit der sie um Gefallen bat, war… Nun, unorthodox. „Was ich meinte, war, dass du willst, dass ich dir helfe, obwohl ich dir mehrmals gesagt habe, dass ich es nicht gutheiße, dass du die Jägerin spielst? Wirklich?" Sachte legte er das Blatt auf das Armaturenbrett, als würde sich sonst noch jemand daran verbrennen. Sie fing sich wieder und räusperte sich, während sie die Arme verschränkte. "Also... ja. Ich würde ihn gerne jagen, wenn ich denn dürfte und könnte", korrigierte sich die Brünette, wobei sie sich sichtlich Mühe gab, höflich zu klingen. Sie bildete sich wohl ein, durch Höflichkeit mehr Chancen darauf zu haben, ihren Willen durchzusetzen, und obwohl das nicht so war - Er war nicht anfällig für Schmeicheleien, dazu war er schon zu lange im Geschäft. Jedenfalls konnte er es ausnutzen, um ein bisschen mehr aus ihr rauszubekommen. Zudem musste er wohl wissen, worauf er sich einließ, wenn er denn mitmachte. "Ich verstehe. Und warum muss es ausgerechnet dieser Auftrag sein, für den du offensichtlich noch nicht qualifiziert bist?", erkundigte er sich. "Warum ich diesen Auftrag unbedingt erledigen will, kann ich dir nicht genau sagen. Ich hoffe du kannst es akzeptieren, wenn ich dir sage, dass es aus privaten Gründen ist und ich damit etwas herausfinden will", sprach Jane langsam und eher leise, aber nicht so grob abweisend wie sonst. Natürlich steckte mal wieder eines ihrer tausend Geheimnisse hinter diesem Auftrag, sodass sie ihm nicht sagen wollte, warum sie ihn überhaupt wollte. Was hatte er sich auch dabei gedacht, überlegte er selbstironisch, zu fragen, warum genau er sich und sie in Lebensgefahr bringen sollte. Dieser Verrückte war nicht zu unterschätzen, das konnte man schon der Jobbeschreibung entnehmen. Allerdings akzeptierte Aiden fürs erste Janes Geheimniskrämerei. Sein Blick fiel ins Wageninnere zu dem Zettel. Stufe 9… "Was bedeuten diese Stufen? Und auf welcher bist du?" "Diese Stufen, respektive die Ränge zeigen an, wie stark und qualifiziert ein Vampirjäger ist, beziehungsweise, wozu er fähig ist. Je tiefer die Stufe ist, desto schwierigere Aufträge kann man annehmen und auch das Ansehen und die Belohnung ist dementsprechend höher", erklärte die junge Frau in Ruhe, da sie wohl einsah, ihn ohne ein paar Informationen nicht für ihre Sache gewinnen zu können. "Rang 50-Jäger sind die Schwächsten und Rang 1-Jäger die Stärksten. Ich befinde mich momentan auf der 12. Stufe." „Mhm… Und wonach ist es gestaffelt, wie qualifiziert ein Jäger ist? Kampfkraft und Erfahrung? Und was für Aufträge bekommen dann die Anfänger? Kinder zu töten?" Andererseits wäre das, in Anbetracht der Mütter, wohl eher ziemlich gefährlich, immerhin hatten die eine Ewigkeit Zeit, sich zu rächen. "Kampfkraft und Erfahrung sind zwei dieser Messlatten. Dazu kommen auch erfüllte Aufträge und Prüfungen. Es kommt nicht selten vor, dass man vom Hohen Rat zu einer Prüfung einberufen wird, bei der man sein Können unter Beweis stellen muss. Dabei kann es auch gut sein, dass man zurückgestuft wird.", erklärte die Brünette weiter, während sie ihren Sicherheitsgurt löste um eine der Blutkonserven vom Rücksitz holte, um dieses dann dem Vampir auch gleich in die Hände zu drücken. Der Beutel fühlte sich unnatürlich und glitschig an in seiner Hand und entlockte ihm doch ein leises Knurren, weil der Blutgeruch so intensiv von ihm ausging. Er blinzelte ein paar Mal, bis es wieder ging, dann lächelte er Jane an. "Danke. Du hast nicht zufällig ein Glas?", erkundigte er sich scherzhaft (Sie gab wie auf die meisten seiner Witze keine Antwort) und stieg aus, wobei er sich neben der geöffneten Tür ans Auto lehnte, um weiterhin mit ihr sprechen zu können. Er wollte einfach nicht neben ihr sitzen, wenn er trank, das kam ihm unschicklich und sogar recht gefährlich vor. Blieb nur zu hoffen, dass sie sitzen blieb, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass sie unbedingt zusehen wollte. Er schraubte den Verschluss ab, musterte amüsiert sein ungewöhnliches Trinkgefäß und sagte: "Auf dein Wohl", bevor er einen Schluck nahm. Fast augenblicklich fühlte er sich besser. Wie immer am Tag war er nicht im Vollbesitz seiner Kräfte, aber die Wunden heilten, langsam, wahrscheinlich, weil es kein frisches Blut war. Es schmeckte etwas eigenartig, wohl wegen dem Plastik, aber er würde sich nicht beschweren, jetzt gab es sowieso wichtigeres zu besprechen. "Zurückgestuft? Ich nehme an, dir ist das noch nie passiert?", führte er ihr Gespräch fort. "Natürlich nicht", erwiderte die junge Frau sofort und wie aus der Kanone geschossen, als habe er sie tödlich beleidigt, was den Vampir leicht grinsen ließ. Scheinbar reichte es Jane jetzt auch, denn sie beendete die kleine Fragestunde, indem sie ihn zu überreden versuchte: "Sieh es doch so: Wenn du mitkommst, kannst du aufpassen, dass ich keine Dummheiten anstelle und dass mir nichts geschieht.“ "So, wie ich das sehe, kannst du ihn überhaupt nicht jagen und dich in Gefahr begeben, wenn ich dich nicht begleite. Also wärest du sicherer, wenn ich nein sagen würde", überlegte er trotz besseren Wissens. Da er davon ausging, dass sie letztendlich diesen Vampir mit oder ohne Auftrag jagen würde, war seine Entscheidung eigentlich schon gefallen. Er spielte einfach gerne. Und sie machte jetzt ihren Einsatz. "Was hältst du von einem Deal? Wenn du mir hilfst, werde ich nicht mehr versuchen, auf dich loszugehen und... dich als einen meiner 'Kommilitonen' anerkennen - natürlich nur solange du keine Gefahr für meine Mitmenschen darstellst." Er sah Weile schweigend in den Wald und trank einen Schluck. "Ich BIN offiziell dein Kommilitone, Jane, ob dir das gefällt oder nicht.", sagte er dann unberührt; Immerhin war er eingeschrieben, das machte ihn zu einem Studenten, unabhängig von seiner Ernsthaftigkeit. "Und falls es dir noch nicht aufgefallen ist, sind deine kleinen "Überfälle" bisher immer fruchtlos geblieben." "Das ist mir mehr als bewusst", stellte Jane klar. "Ich habe mich vielleicht ein wenig missverständlich ausgedrückt. Was ich damit sagen wollte, war: Du wolltest ja 'ein Teil meines Lebens' sein und das haben, was ich mit meinen Freunden habe, nicht wahr? Ich biete dir an, dass wir so etwas wie… uhm.. nicht gerade Freunde, aber vielleicht... 'gute Bekannte' werden? Ich würde dich nicht mehr als Feind betrachten, sondern einfach als jemanden, den ich besser kenne und auch versuchen, dir gleich an die Gurgel zu springen, wenn du mit mir sprichst oder Ähnliches." Er lachte, doch ihr Angebot klang überaus verführerisch. Der Haken war nur, dass sie zwar sagen konnte, sie würde ihn akzeptieren, es aber im Inneren doch nicht tat, also hätte er überhaupt nichts gewonnen und sie wäre trotzdem in Gefahr. Schwierig. Inzwischen war die Konserve geleert und er griff in den Wagen, um die zweite zu nehmen. Dabei schlug im Janes Duft wie eine Wand entgegen, die ihn für einen Moment innehalten ließ. Das Blut hatte ihn rastlos gemacht; Er wollte laufen, sich bewegen und dann saß sie da, ganz ruhig. Es wäre so einfach gewesen. Er hätte ihr sogar einen Vorsprung geben können, aber sie wäre sicher nicht weggelaufen… Oh nein, Jane hätte gekämpft, bis das Adrenalin ihr Blut noch süßer gemacht hätte… Rasch ließ er die Konserve fallen und machte ein paar Schritte vom Auto weg, den Blick starr auf einen Baum gerichtet, aus dem gerade panisch kreischend ein paar Vögel flüchteten. Er musste auch hier weg, und zwar schnell. "Alles in Ordnung?", wollte die Vampirjägerin aus dem Wageninneren wissen. Natürlich bemerkte Jane, dass er auf Abstand ging, sie war ja geschult darin, ihre Umgebung genauestens im Auge zu behalten. Diesmal war es an ihm, nicht zu antworten, wenn er es auch im Gegensatz zu ihr mit einem unbekümmerten Lächeln und einem Nicken tat. Er würde sicher nicht ihre soeben erst gefundene Ruhe, was ihn anbelangte, zerstören, indem er ihr sagte, was sie in ihm auslöste… Dass er sie jagen wollte, stellen, auf den Boden drücken, spüren, wie ihr Widerstand schwächer wurde, während das Gift in ihren Körper träufelte. Aiden hatte die Augen geschlossen, öffnete sie aber wieder, als er leise Janes Herzschlag hörte. Sie war so ruhig, ahnte wohl nichts von seinen Gedanken, blieb aber zum Glück trotzdem im Auto und er zwang sich, sehr flach zu atmen, den Blick jetzt konzentriert auf eine Ameise gerichtet, die ein Blatt an ihm vorbei zerrte. Es war ein Fehler, alleine mit ihr so weitab von Menschen zu sein, und er nahm sich vor, das nie wieder zu riskieren. "Ich muss darüber nachdenken", sagte er beherrscht, noch immer, ohne sie anzusehen, noch immer auf dem Rückzug. Er hatte noch einige Fragen, er wollte nicht gehen, schaffte es auch nicht. In einiger Entfernung zum Auto setzte er sich auf den Waldboden, den Blick wie hypnotisiert auf die Beifahrertür gerichtet "Was wären die Bedingungen für eine solche Zusammenarbeit? Der Zirkel lässt ja sicher nicht einfach ein paar Vampire auf seine Jäger los…“, redete er weiter, um sich von seinen eigenen Gedanken abzulenken. Nachdenklich rieb er eine Blutkruste von seinem Arm, unter der jetzt keine Wunde mehr lag. Er könnte eine Dusche vertragen, oder ein sehr langes Bad in einem sehr kalten Fluss. "Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das nicht so richtig. Immerhin hatte ich bisher noch nie eine solche... Partnerschaft und hatte auch nie vorgehabt, eine einzugehen. Ich weiß nur, dass ich dich wohl anmelden und mit dir gemeinsam im Zirkel auftauchen muss, um die Formalitäten zu erledigen. Darunter fällt, soviel ich weiß und gehört habe, auch ein Eid, den wir ablegen müssen", gab die Vampirjägerin ehrlich zu. "Besonders viele Gedanken hast du dir aber um eine mögliche Partnerschaft noch nicht gemacht, wie es aussieht", stellte er fest, da sie keine Details kannte. Andererseits war die Wahrscheinlichkeit, einem wohlgesonnenen Vampir zu treffen, der auch noch bereit war, einen Pakt einzugehen, recht gering, deshalb war es wohl verständlich. "Wie gesagt, ich hatte es nie in Erwägung gezogen, jemals mit einem Vampir zusammenzuarbeiten. Dementsprechend hatte ich nie einen Grund, mich darüber zu informieren. Solange ich keine Probleme hatte, war für mich alles in bester Ordnung", erwiderte die Brünette schlicht und mit den Schultern zuckend. Sein Lächeln blieb, aber seine Beunruhigung und der Wunsch, zu gehen, wurden größer. "Es gibt also eine Anmeldung? Klingt ja sehr offiziell für einen Geheimbund.", spöttelte er trotzdem, ehe er mit wichtigeren Fragen fortfuhr. Er hatte jetzt keinen Kopf mehr für Humor. "Müssen eure Partner auch Prüfungen ablegen?", schoss es ihm dann durch den Kopf: Er hatte nicht wirklich Lust, sich vor irgendwelchen Menschen zu beweisen, denen er wahrscheinlich im Handumdrehen den Kopf umdrehen könnte. "Ich habe noch nie davon gehört, dass die Vampire ebenfalls Prüfungen oder so ablegen mussten. Jedoch muss ich auch zugeben, dass ich mich nie darüber informiert habe. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass sich diese Kre...- diese Wesen ihre Kraft nicht unter Beweis stellen müssen. Wir wissen ja eigentlich nur zu gut, wozu ihr körperlich fähig sein könnt, wenn ihr wollt. Mich würde es jedoch nicht wundern, wenn sie euch irgendwie auf die Psyche testen würden. Immerhin hängt diese ja oftmals damit zusammen, ob ihr eine Gefahr für uns Lebenden darstellt", erwiderte die Brünette nachdenklich. „Und was ist der Plan, wie gedenkst du, an den Vampir ranzukommen?" "Ich dachte, ich würde ihm eine Falle stellen, indem ich den Lockvogel in einer verlassenen Wohnung gebe. Nach meinen Recherchen zu urteilen, schlug der Vampir immer in einem gewissen Bezirk zu. Das Ganze hat sich natürlich rumgesprochen und viele Familien haben die Häuser und Wohnungen fluchtartig verlassen, so dass es sicher kein Problem darstellen würde, da ranzukommen." Bei ihrer Erklärung, was ihren sogenannten "Plan" anging, verschwand jeder Rest von Belustigung von seinen Zügen. Aiden starrte sie ausdruckslos an, dann sagte er: "Nein." Eine weitere Erklärung brachte er nicht heraus. Sie musste doch wissen, dass das völlig verrückt und inakzeptabel war, dieses dumme Mädchen. "Fein. Ich werde mir was anderes überlegen, wenn du willst", seufzte die junge Frau leise, wobei er meinte, ein leises Schmunzeln aus ihrer Stimme herauszuhören. Sie fuhr sich durch die Haare und schaute in seine Richtung. "Darf ich fragen, wie lange du brauchen wirst, um dich zu entscheiden?" Ihr Gespräch näherte sich seinem Ende - Wohl auch, weil er selbst immer angespannter war und immer weniger auf die Konversation einging - Und Aiden stand auf. Er klopfte sich den Staub von der Hose und erlaubte sich einen kurzen Blick auf Jane, wagte es jedoch nicht, ihr wieder näher zu kommen. Darüber, dass sie nicht weiter auf ihrer verrückte Idee beharrte, war er sehr erleichtert, denn angesichts der Brutalität der bisherigen Taten war davon auszugehen, dass Aiden ihr nicht mehr helfen könnte, wenn der andere Vampir sie alleine vorfand. Er hätte sich einfach zu weit weg verbergen müssen, damit der Killer ihn nicht witterte, als dass er schnell bei Jane hätte sein können. Außerdem gab es, wenn man an das Verhalten der Vampirin dachte, die er heute getroffen hatte, eine wesentlich einfachere Methode, den Mörder aus seinem Versteck zu locken. Aiden musste in seinem Revier jagen - Oder zumindest so tun. Da er sich aber noch nicht entschieden hatte, ob er nicht warten sollte, bis Jane tatsächlich auf eigene Faust losziehen würde und ihm somit nichts mehr anderes übrig bliebe, als einzugreifen, sagte er im Moment noch nichts von dieser Idee. "Da du schon so lange gewartet hast, eilt es doch jetzt auch nicht, oder?", fragte er lächelnd, ehe er darüber nachdachte. "Vielleicht nächste Woche. Bis dahin kannst du ja schon mal versuchen, ob du dein Versprechen, mich nicht mehr wie einen Mörder zu behandeln, einhalten kannst. Wenn du das nämlich nicht kannst, müssen wir uns etwas Neues ausdenken…" Er stockte, als sie sich weiter zur Beifahrerseite lehnte und ihr Haar im grünlichen Licht des Waldes schimmerte. Gott, wie es duftete… Seine Zähne schnitten in das dünne Fleisch seiner Lippen und sein ganzes Denken begann zu verschwimmen, bis er nur noch die Stelle sah, an der Janes Puls in ihrer Kehle pulsierte. "Ich muss jetzt gehen, verzeih mir", beendete er ihre Unterredung dann recht abrupt, indem er mit einem Windhauch zwischen den Bäumen verschwand. Normalerweise hätte Aiden sie nach Hause begleitet - Mit oder ohne ihre Zustimmung - Aber in seinem unruhigen Zustand lief er lieber in die andere Richtung, etwa zwei Stunden lang. Er war in einem Park ein Stück außerhalb der Stadt und ein bisschen außer Atem, als er endlich anhielt. Seine Rastlosigkeit war abgeflaut, trotzdem bekam er den Gedanken ans Jagen nicht wirklich aus dem Kopf. Aber er hatte keinen Durst und er weigerte sich, zu töten, nur um sich zu beruhigen. Das war doch letztendlich die Frage, wenn er an eine Zusammenarbeit mit Jane dachte; Nicht, ob er sie vor anderen beschützen konnte, denn daran zweifelte er nicht. Sondern ob er sich selbst im Griff hatte. Er hatte schon mal jemanden getötet, der ihr Blut hatte, einfach, weil er die Kontrolle über sich selbst verloren hatte. Und dieser Mann war nicht schön wie die Liebe seines Lebens gewesen. Aiden holte tief Luft und fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar, beließ die Finger dann im Nacken und sah eine Wiese hinab. Wenn sie diesen Vampir wirklich jagten, würde Blut fließen und er würde kämpfen, seine Deckung aufgeben müssen. Natürlich widerstrebte ihm nichts mehr, als der Gedanke, Jane zu verletzen, aber was, wenn ihr doch etwas passierte? Was, wenn ihr eigenes Blut floss? Würde er dann an sich halten können? Und war sie sich der Gefahr überhaupt bewusst, in die sie sich bei so einer Vereinbarung begab? Bisher hatte er sich ihr gegenüber absolut nicht gewaltbereit gezeigt und sie hatte ihre erste Verteidigungshaltung weitestgehend aufgegeben, was ihn freute. Aber dabei hatte sie ja wohl nicht vergessen, was er war. Nein, sie hasste Vampire so sehr, das würde sie nie vergessen, und wenn er sie aus einem brennenden Haus zog. Noch immer nicht sicher, was er tun sollte, beschloss er, sich erstmal abzulenken und zu tun, was Jane ihm geraten hatte; sich mit seinem Studium zu befassen. Befriedigender war das auch nicht, denn es langweilte ihn und war sehr kompliziert, aber er gab sich redliche Mühe und zwang sich, die halbe Nacht damit zu verbringen, bevor er sich für ein paar Stunden hinlegte. Kapitel 5: Probelauf -------------------- Am nächsten Morgen wachte die junge Frau ziemlich spät auf, da sie erst am frühen Nachmittag die erste Vorlesung in 'Personal und Organisation' - ein überaus interessantes Fach, weil auch ein wenig Psychologie miteinfloss und es für Jane relativ einfach zu merken war. Dementsprechend ließ sich die Vampirjägerin Zeit, sich vorzubereiten, aß dann auch zuerst ihr Mittagessen mit Elizabeth, ehe sie sich mit einem kleinen Kuss von ihr verabschiedete und zum Campus fuhr. Nach gut zehn Minuten Fahrt, stieg sie aus, steuerte gleich mal den Kaffeestand an, um sich einen Cappuccino zu kaufen und damit gleich mal den Saal 211 anzusteuern. Dabei wurde sie von Logan und Kate abgefangen, die ebenfalls die gleiche Vorlesung besuchten. "Du kommst doch heute Abend, nicht wahr?", wollte der junge Mann wissen, worauf die Angesprochene kurz überlegen musste. Ach ja, sie wollten ja zusammen auf die Feier im Club Vegas. Kate hatte sie vor ein paar Tagen eingeladen. Als ihr das wieder einfiel, lächelte sie leicht und nickte als Antwort, während sie an ihrem Getränk nippte. "Was haltet ihr davon, wenn wir uns vorher noch im Crown treffen? Soweit ich weiß, kommen wir erst gegen zehn oder elf in den Club.", schlug Cynthia vor, den Vorlesungssaal betraten. Aiden war früher da gewesen, als Jane und ihre Freunde und er stand lächelnd auf, als sie auf sich zukommen sah. "Guten Morgen", begrüßte er sie höflich und offensichtlich neugierig. "Hattest du noch einen schönen Abend?" Jane atmete erstmal tief durch, um ihren Vorsatz halten zu können. Immerhin wollte sie auch zeigen, dass sie es ernst meinte und ihre Versprechen nicht einfach leere Worte waren. Nachdem sie sich gefangen hatte, begab sie sich dann auch entschlossen zu ihm rüber und setzte sich - sogar freiwillig - neben ihn. Die junge Frau begrüßte ihn, während sie ihre Utensilien auspackte, wobei sie sich auf seine Frage hin an ihn wandte und nickte. "Na ja... Ich hab noch ein wenig für die Vorlesungen gearbeitet. Von daher war es wohl eher langweilig, als 'schön'", erwiderte Jane ehrlich, sowie auch lächelnd, ehe sie sich die Haare hinters Ohr strich und sich ein wenig in ihrem Stuhl zurücklehnte. Er sah sie mit hochgezogenen Brauen an, als könne er nicht so ganz glauben, was gerade passierte. Es würde noch etwa zehn Minuten dauern, bis die Professorin in den Saal kommen und die Vorlesung beginnen würde. "Oh! Aiden. Ich weiß gar nicht, ob dich Jane auch dazu eingeladen hat, aber eine Bekannte von ihr veranstaltet eine Party im angesagten Club Vegas. Wir gehen heute gemeinsam hin. Hast du Lust, mitzukommen? Wir würden uns vorher einfach noch im Pub 'The Crown' treffen", wandte sich Cynthia an den Neuzugang. Da er wohl nun öfters Zeit mit der Clique verbringen würde, wäre es bestimmt nicht schlecht, ihn auch mehr außerhalb der Universität kennenzulernen und ihn ebenfalls in der Freizeit zu integrieren. Außerdem wollte die Halb-Irin auch freundlich sein und ihm keineswegs das Gefühl geben, ausgeschlossen zu werden. "Hm... stimmt, habe ich vergessen zu erwähnen. Ich war mir nicht sicher, ob du dich dafür interessierst, aber wenn du willst, könnten wir zusammen hin - für den Fall, dass du nicht weißt, wo es ist", bot die Vampirjägerin Aiden dann auch überraschend an, wobei sie den Kopf schief legte und ihn fragend ansah. Eigentlich hatte es die Brünette eher für absurd und einen lustigen Gedanken gehalten, den alten Vampir in einer Disco zu sehen, weshalb sie sich zusammenreißen musste, nicht breit zu grinsen, als er zusagte, und das auch noch in diesem überaus steifen Ton, den er meistens anschlug, wenn er nicht gerade seine dummen Witzchen riss: "Ich würde euch gerne begleiten." Voranging eine von ihnen, vermutete die Betreffende. "Vielen Dank für die Einladung." Jane biss sich leicht auf die Unterlippe, um sich Nichts anmerken zu lassen und war ganz froh, dass die Doppelstunde begann und sie sich nicht weiter unterhalten mussten. Da der Unterricht für Jane überaus interessant war und sie dementsprechend auch vertieft war, vergingen die beiden Stunden wie im Flug, sodass sie dann auch ihre Sachen zusammenpackte und aufstand. Anschließend verließ sie mit der Clique den Saal und schmiss auf dem Weg den Kaffeebecher in einen Mülleimer, ehe sie ihre Freunde und den Vampir ansah. "Dann sehen wir uns heute um acht bei Crowns?", wollte die Brünette wissen, worauf Logan und Cynthia nickten. "Gut, dann sehen wir uns später. Vergesst nicht, Ben und Kate Bescheid zu geben." Mit diesen Worten trennte sie sich - natürlich mit ihrem 'Stalker' - von der Gruppe, um direkt in den nächsten Saal zu begeben, wo das doppelstündige Seminar 'Grundprinzipien des Consumer Behavior` stattfand und ( ihrer Meinung ) nach genauso interessant war, wie die vorher eingegangene Vorlesung. Auf dem Weg zum Saal, wandte sich die junge Frau sogar an ihren potentiellen Jagdpartner. "Kommst du später direkt zu mir nach Hause, damit wir zusammen zum Pub gehen können oder sollen wir uns irgendwo in der Stadt treffen und danach gemeinsam hingehen?", wollte die Vampirjägerin wissen, ehe sie mit ihm den etwas kleineren Hörsaal betrat und sich ziemlich in der Mitte niederließ. Aiden kramte gerade ein paar Unterlagen hervor, während er erklärte: "Ich hole dich selbstverständlich ab. Allerdings weiß ich ehrlich gesagt nicht, wo dieses Pub sein soll", gab er freimütig zu, ehe er sie ein wenig nachdenklicher musterte. "Soll ich vor der Auffahrt warten?" "Wie du willst. Dann treffen wir uns um halb acht vor der Auffahrt", bestätigte die junge Frau ihm. Dann musterte er sie prüfend, bis ein Lächeln seine Lippen teilte. "Du findest das auch amüsant, nicht wahr? Ein alter Knacker wie ich, mit euch jungen Hüpfern in der Disko?" Sie konnte einfach nicht anders, als breit zu grinsen, verkniff sich aber eine Antwort. Oh ja... und wie lustig sie das doch fand. Immerhin war der Gedanke daran mehr als absurd und komisch. Vor allem, weil sie ja wusste, aus welcher Zeit er stammte und was er eigentlich wirklich war. Sie hoffte einfach nur, dass im Club nichts geschehen würde, was ihn für die Umgebung zur Gefahr machen würde. Sie hatte nämlich nicht geplant, ihn irgendwie beruhigen oder niederstrecken zu müssen - nicht, an einem freien Abend. Allerdings ging ihr diesbezüglich noch eine weitere Frage durch den Kopf, die ihr seit der vorherigen Doppelstunde durch den Kopf ging: "Warst du eigentlich schon einmal in so einem Club?" Er schüttelte den Kopf. "Nicht zum Tanzen, nein. Aber betreten habe ich solch ein Etablissement durchaus", fügte er noch hinzu, was wohl für seine Aufgeschlossenheit sprechen sollte, aber einfach nur spießig klang. "Keine Sorge. Ich bin in diesen Gegenden auch nicht unbedingt bewandert und gehe auch sehr selten in Clubs. Ich tue das eigentlich nur, um ein wenig Abwechslung zu kriegen und weil Kate so nett gefragt hat", gab die Vampirjägerin offen zu, wobei sie sich diesmal ernsthaft zusammenreißen musste, um nicht zu lachen, als sie seine altbackene Antwort vernahm. Was für ein Glück, dass keiner ihrer Freunde dabei war. Ansonsten hätte es bestimmt einige Fragen gehagelt. Nachdem sie diese Sachen geklärt hatten, konnte sie von ihrem Sitz auch schon sehen, wie der Professor eintrat, sich kurz vorbereitete und auch schon mit der Doppellektion begann, die Jane mit großem Interesse verfolgte und absorbierte. Dementsprechend verging auch dieses Seminar - in ihren Augen zumindest - wie im Flug, so dass sie auch den letzten Hörsaal für heute verlassen konnte, um dann auch endlich nach Hause zu gehen. "Weißt du schon, was du nach dem Studium machen willst? Oder bleibst du bei deinem Job?", erkundigte Aiden sich unterwegs, der jetzt nach seinem komischen Verhalten kurz vor Ende ihres Gesprächs am letzten Nachmittag wieder gesprächig und gut gelaunt wie immer war. "Nun ja, da ich Wirtschaft im Hauptfach und Psychologie im Nebenfach habe, dachte ich mir, dass ich später möglicherweise für den Anfang in einer Firma arbeiten werde. Ich habe mich da noch nicht so auf ein gewisses Arbeitsgebiet fixiert, da ich ohnehin denke, dass ich erst mit der Berufserfahrung wirklich weiß, welche Richtung ich einschlagen werde. Außerdem habe ich vor, nach dem Bachelor ein Jahr Pause einzulegen, um mich auf dem Jobmarkt ein wenig umzusehen. Falls ich jedoch schon früher herausfinde, was ich machen will, werde ich wohl auch einfach ein wenig Urlaub machen und auf Reisen gehen", erklärte die junge Frau ohne Widerwillen. "Den Nebenjob würde ich solange ausüben, wie es nötig ist. Übrigens besteht auch die Option, Hauptberuflich für den Zirkel zu arbeiten - und das nicht nur als Jägerin. Wie du aus den Gesprächen vielleicht herausgehört hast, ist der Zirkel eine riesige Organisation… nun ja, eigentlich eine eigenständige Stadt, so dass es auch 'normale' Berufe gibt, die man da ausüben kann und das auch ganz legal.“ "Hm, und als Wirtschaftspychologin?" - bei diesem Wort sah er sie fragend an als wäre er nicht sicher, ob es diese Jobbezeichnung gäbe - "Analysierst du dann deine armen Kunden, um ihnen möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen? Klingt nett", endete er ironisch. In der Tat wäre sie wohl offiziell dann eine 'Wirtschaftspsychologin' im engeren Sinne, wenn sie ihren Abschluss in der Tasche hatte. Jedoch hatte sie nicht vor, den Leuten aufgrund ihres Wissens möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Dementsprechend schüttelte sie auf seine Worte hin nur den Kopf. "Das habe ich keineswegs vor. Mir geht es lediglich darum, möglichst selbstständig zu sein und das kann man mit Wirtschaft am besten. Psychologie habe ich hinzugezogen, weil es mich interessiert und ich finde, dass es mich... als Mensch weiterbringen kann", erklärte sie die Wahl ihres Majors und ihres Minors. Ob er ihr das nun abkaufte oder wie er das weiterinterpretieren würde, überließ sie ihm – Abgesehen von seiner offensichtlichen Langeweile sah er jetzt nämlich auch noch recht kritisch aus. Außerdem hatte sie ja ohnehin vor, später ein zweites Studium anzuhängen. Das erste diente ehrlich gesagt einfach zur finanziellen Absicherung und - wie sie erwähnt hatte - zur Selbstständigkeit. „Wie sieht es eigentlich bei dir aus?“, wechselte sie das Thema, bevor er sich zum Wirtschaftskritiker aufschwingen konnte. Seine ethischen Belehrungen über ihren Beruf hatten Jane am letzten Tag schon gereicht. „Was hast du eigentlich vor, wenn du... na ja, die Nase von all dem voll hast und mich nicht weiter... wie nenne ich das jetzt... hm... ach ja.. wenn du mir nicht mehr 'folgen' willst?" Scheinbar hatte ihre nicht böse gemeinte Frage den Vampir Konzept gebracht und er musterte sie für einen Moment mit leerem Blick. "Ich..." Er räusperte sich, lächelte dann aber bereits wieder. "Nach dir such ich mir jemand anderen zum stalken, oder?", sagte er dann vergnügt. Jane hoffte einfach, dass das möglichst bald passieren würde – Nachdem er ihr bei dem Auftrag mit dem Serienkiller geholfen hatte. Und bei allem was ihr wichtig war, sie wollte diesen Auftrag erledigen! Immerhin glich die Vorgehensweise der, mit der ihr Vater vor gut zehn Jahren umgebracht worden war. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um den Vampir handelte, der für den Tod ihres geliebten Vaters verantwortlich war, war dementsprechend groß. Es war ihr nicht unbedingt leicht gefallen, Aiden um Hilfe zu bitten, doch da ihr der Auftrag so wichtig war, wollte sie möglichst alles versuchen, was in ihrer Macht stand. Am liebsten hätte sie es natürlich anders geregelt, aber da der Ältestenrat des Zirkels auf stur schaltete, blieb ihr nichts anderes übrig. Natürlich hatte sie seine Fragen bezüglich ihrer Motive verstanden, beantworten wollte sie ihm diese dennoch nicht. Das Problem war, dass alles irgendwie zusammenhing und wenn sie etwas preisgab, hieß das, dass sie ihr eigentliches und wichtigstes Ziel ebenfalls offen legen musste. Dementsprechend sträubte sich die Brünette so sehr, auch nur irgendetwas zu sagen, was nur annähernd mit dem Tod beziehungsweise brutalen Mord ihres Vaters zu tun hatte. Außerdem war es die Brünette nicht gewohnt, so gelöchert zu werden, da ja kein anderer Normalsterblicher ( abgesehen von ihrer Mutter natürlich ) von ihrem kleinen 'Nebenjob' wusste. So hatte sie bisher auch nie Frage und Antwort stehen müssen. "Dann sehen wir uns also in ein paar Stunden“, setzte Jane ihr Gespräch mit dem Vampir fort. „Ich freue mich darauf, Jane", erwiderte dieser, ausnahmsweise sehr sanft, keine Spur ironisch. „Falls sonst was ist... du weißt ja, wo ich wohne", meinte die Brünette zum Abschied, wobei sie bei den letzteren Worten nicht anders konnte, als leicht die Augen zu verdrehen und ein wenig selbstironisch zu klingen. Immerhin klang es doch schon ziemlich eigenartig und doch entsprach es der vollen Wahrheit. Sie gingen gemeinsam zum Parkplatz und er zog wegen ihrer seltsamen Abschieds Floskel die Brauen hoch. "Du könntest mir auch deine Nummer geben", schlug er vor. Überrascht runzelte die junge Frau die Stirn und legte den Kopf schief. "Du benutzt ein Handy? Wie kommt es, dass ich es noch nie gesehen habe? Ich ging davon aus, dass du gar nicht weißt, wie man so etwas benutzt", entgegnete Jane direkt, wobei sie dann aber mit den Schultern zuckte. Wenn er ihre Nummer haben wollte, dann würde sie ihm die später mal irgendwie geben - wenn sie es nicht vergaß. "Ich besitze eines. Benutzen tue ich es äußerst selten", korrigierte er sanft, bevor er sie intensiv musterte und die Lippen zu einem anerkennenden Lächeln kräuselte. "Übrigens machst du deine Sache sehr überzeugend. Man könnte fast meinen, du würdest mich nicht verabscheuen." Mit dieser seltsamen Verabschiedung ließ er sie auf dem Parkplatz stehen und sie sah ihm kopfschüttelnd nach. Sie hatte den Deal doch vorgeschlagen, natürlich hielt sie sich auch daran. Natürlich steckte ein gewisses Maß an Kalkül hinter dem ganzen Verhalten und der Gesprächigkeit, die Jane momentan an den Tag legte, doch wie konnte es bitteschön auch anders sein? So etwas konnte sie doch nicht von heute auf morgen ehrlich meinen. Es würde wohl einfach seine Zeit brauchen, bis es so etwas wie 'aufrichtig' sein würde und bis es soweit war, würde sie einfach versuchen, sich daran zu gewöhnen. Außerdem… Wie hatte er so schön gesagt? Sie sollte auf ihren Blutdruck achten. Sie fuhr direkt nach Hause und kümmerte sich um den Stoff der Vorlesungen und einige Dinge für den Vampirjägerzirkel. Nach dem Abendessen mit ihrer Mutter, schnappte sich die junge Frau ihr Outfit, bestehend aus einem klassischen schwarzen Kleid und schwarzen Pumps, zog es an und frischte ihr Gesicht noch ein wenig mit Mascara und rotem Lippenstift auf, ehe sie ihre silberne Clutch schnappte, ihren cremefarbigen Mantel überzog und anschließend das Haus verließ, um Aiden zu treffen und sich gemeinsam mit ihm zum Treffpunkt der Gruppe zu begeben. In einem schlichten, schwarzen Hemd mit hochgeholten Ärmeln und dunklen Jeans unter einem grauen Mantel wartete der Vampir pünktlich vor der Auffahrt der McCollins und strahlte, als er die Tochter des Hauses auf sich zukommen sah. "Du siehst bezaubernd aus", begrüßte er sie und küsste ihr die Hand. Jane musste sich innerlich zurückhalten, ihre Hand nicht gleich aus seinem Griff zu reißen, als er sie zum zweiten Mal so ungewollt intim berührte. Sie rang einen klitzekleinen Moment mit der Fassung, doch schaffte sie es doch, sich ein schwaches Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. "Du übertreibst, aber danke für das Kompliment. Du siehst auch nicht schlecht aus", erwiderte die junge Frau sein Kompliment, bevor sie ihm mit einer kleinen Handbewegung andeutete, ihr zu folgen. Schließlich hatte er vor einigen Stunden gesagt, dass er sich nicht auskannte und nicht wusste, wohin sie sich gleich begeben würden. Gemeinsam gingen sie los und er zog ein wirklich sehr altes Handy, es hatte noch ein graugrünes Display, aus der Hosentasche. "Siehst du? Ich bin auch im 21. Jahrhundert angekommen", erklärte er stolz. Fraglich war, ob das Gerät auch aus besagtem Jahrhundert stammte. Für einen kurzen Augenblick blieb sie stehen, ehe sie sich einfach nicht mehr zurückhalten konnte und leise lachen musste. Immerhin entsprach dieses mobile Telefon keineswegs der heutigen Zeit, so dass sie gar nicht anders konnte, lachend den Kopf schüttelte. "Entschuldige, aber...", begann die junge Frau dann auch, ehe sie in ihre silbrige Clutch griff und ihr iPhone rausnahm und es ihm zeigte.“... das hier entspricht der heutigen Zeit. Deines ist schon wieder längst aus der Mode. Damit fällst du auf wie ein bunter Hund. Bei Gelegenheit solltest du dir wirklich ein Smartphone zulegen." Mit einem "Darf ich?", nahm Aiden Jane das Handy für einen Moment ab, um es zu inspizieren. Kurz darauf reichte er recht unbeeindruckt das Smartphone an die junge Frau neben sich zurück. "Ich glaube, ich bleib bei meinem. Es funktioniert noch, oder?", sagte er, was sehr klang wie ein Senior. Während sie unterwegs waren, tauschte sie ihre Nummer mit Aiden aus, damit er sie anrufen konnte, wenn er mal nicht in der Lage sein sollte, sie direkt aufzuspüren. Jedoch bezweifelte sie, dass dies jemals der Fall sein würde. Der ganze Weg - auf dem sie auch zwischendrin mal kurz die Underground nehmen mussten - dauerte knapp 20 Minuten. Natürlich hätten sie den Wagen nehmen können, doch da sie nicht wusste, ob sie später überhaupt in der Lage sein würde zu fahren, ließ sie es lieber gänzlich sein. Womöglich hätte Aiden sie wieder nach Hause fahren können, doch da sie nicht wusste, ob er einen Führerschein besaß, riskierte sie es nicht, ihren Audi mitzunehmen. Während die beiden noch das letzte Stück gingen, erkundigte sich Jane höflich über die freie Zeit, die der Vampir nach der Vorlesung gehabt hatte. Zu mehr reichte es dann auch gar nicht und sie traten schon in das Pub, welches bereits schon ein wenig gefüllt war und dementsprechend auch schon eine lebhafte Atmosphäre abgab. "Jane! Aiden! Hier!", hörte die junge Frau Cynthia rufen, die bereits schon mit Benjamin an einem Tisch saß. Dabei merkte man der Halb-Irin an, dass sie ein klein wenig nervös wirkte - was wohl daran lag, dass sie wohl schon eine ganze Weile mit ihrem 'Schwarm' allein gewesen war. Ohne weiter zu zögern, ließ sich die Vampirjägerin am Tisch nieder und zog ihren Mantel aus, den sie hinter sich über die Stuhllehne legte. "Wartet ihr schon lange?", wollte Jane höflich wissen, worauf die Angesprochenen den Kopf schüttelten und ihr auch noch gleich erklärten, dass Kate direkt im Club auf sie warten würde, da sie ihrer Bekannten noch ein wenig unter die Arme griff, bevor die Party losgehen würde. Dementsprechend warteten sie nicht länger und bestellten sich etwas zu trinken und ein paar kleine Snacks, um den Abend ziemlich ausgelassen zu beginnen. Aiden winkte die Kellnerin mit einem freundlichen Lächeln weiter und meinte, er habe schon gegessen, dann hörte er dem Gespräch der Studenten neugierig zu, ohne selbst viel dazu zu sagen. Kurz nach ihnen traf auf Logan ein, der sich auf Janes anderer Seite niederließ und sich auch direkt an sie und ihre Begleitung wandte. "Nun erzählt doch mal, wie war das zwischen euch? Ihr seid miteinander verwandt? Was hat dich dieses Jahr so plötzlich ans King's College verschlagen?" "Na ja, verwandt ist etwas zu viel gesagt. Meine Familie ist gut mit einer Verwandten von Jane befreundet, aber wir selbst hatten uns bis vor kurzem - Leider - Noch nie kennengelernt“, änderte der Vampir ihre kleine Geschichte kurzerhand ein wenig ab. „Na gut, ich hab wohl ein wenig übertrieben, was die Verwandtschaft anbelangt, aber das liegt auch nur an seinem dummen Witz, den er gestern gerissen hat und sich als einen Verehrer ausgeben wollte", fügte die Vampirjägerin hinzu und strafte ihren Sitznachbar mit einem wütenden Blick (der nicht einmal gespielt war), indem sie ihre Augen ein wenig verengte. Ausnahmsweise hielt er sogar mit nur einem leicht sarkastischen Schnauben den Mund. Jane nahm einen weiteren Schluck von ihrem Cider und blickte zu Cynthia, die immer mal wieder verstohlene Blicke zu Benjamin rüber warf. Es war kein Geheimnis zwischen den drei Frauen, dass die Halb-Irin schon länger tiefere Gefühle für den blonden Mann hegte. Es war jedoch fast schon ein Wunder, dass die beiden bisher noch nicht zusammengefunden hatten, denn Benjamin schien die junge Frau sehr zu mögen - auch wenn man nicht genauer sagen konnte, ob es über die Freundschaft hinausging -, doch weder Kate, noch Jane konnten sich vorstellen, dass er dem abgeneigt sein würde. Dementsprechend hofften sie sehr, dass es endlich zwischen den beiden richtig funken würde. "Jedenfalls musste ich aus familiären Gründen den Studienplatz wechseln, und um möglichst wenig Zeit zu verschwenden, hab ich das eben jetzt schon gemacht, statt auf das Sommersemester zu warten", fuhr der Vampir gerade mit seiner Erklärung fort. Die Erläuterungen schienen den Freunden zu genügen, denn Logan wandte sich mit einem anderen Anliegen an Jane: "Hast du eigentlich nächste Woche mal Zeit, damit wir uns treffen können? Wir wollten ja noch die Struktur und die Aufteilung der Arbeit besprechen. Wenn es dir lieber ist, komm ich auch bei dir vorbei und du musst nicht den ganzen Weg zu mir fahren." Die Angesprochene dachte kurz darüber nach und teilte ihm mit, dass sie ihm noch am Wochenende darüber Bescheid geben würde. Immerhin musste sie zuerst noch abklären, was im Vampirjägerzirkel so abging und ob sie irgendwelche Aufträge erledigen wollte beziehungsweise sollte. Eine ganze Weile lang unterhielt sich die Gruppe über alles Mögliche: Hobbies, wie es Aiden am College gefiel, was für lustige Dinge geschehen waren und wie es generell in der Schule und Zuhause aussah. Als die Uhr kurz vor zehn zeigte, wies Benjamin dezent darauf hin, so dass alle die Getränke zahlten und aufstanden. Dabei stieß Jane kurz mit einem anderen, fremden Mädchen zusammen, so dass sie sich - natürlich unabsichtlich - an Aidens Arm festhielt und sich kurzzeitig an ihn lehnte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er legte kurz die Hand auf ihre Taille, bis sie wieder gerade stand, dann zwinkerte er ihr spielerisch zu. „Nicht so stürmisch.“ "Oh. Sorry", sagte sie sofort, ehe sie direkt von ihm abließ und ihren Mantel überzog, um mit der Gruppe zum besagten Club Vegas zu gehen, wo sie auch gleich durch den VIP-Eingang eingeschleust wurden, weil sie Dank Kate auf der Gästeliste waren. So dauerte es kaum fünf Minuten, bis Aiden den Damen die Jacken abnahm und sie für sie der Garderobiere gab. Dann trat die kleine Truppe in den lauten Clubraum des Vegas' Clubs, wo sie von Kate empfangen wurde, die sich natürlich überaus freute, dass alle gekommen waren. Sie drückte die Mädchen allesamt kurz, ehe sie - nach kurzen Worten - auch schon wieder im Getümmel verschwinden musste, da man sie wohl brauchte. Niemand störte sich daran und sie boxten sich zur Bar durch, wo Aiden Jane fragte, was sie trinken wollte. Das wurde irgendwie falsch interpretiert und führte dazu, dass er zu Janes Belustigung allen eine Runde ausgeben durfte. Nun ja, sein Geldbeutel würde deswegen wohl kaum einen Schaden nehmen. Immerhin lebte er schon sehr lange und auf seinem Konto musste - aufgrund seiner Zinsen und den ganzen Ersparnissen - bestimmt einiges drauf sein. Dementsprechend nahm sie den Tequilashot liebend gerne an und trank ihn - wie der Rest der Gruppe auch - gleich auf ex. Zwar spürte sie, wie der Alkohol sich in ihrem Körper ausbreitete, doch würde es wohl deutlich mehr benötigen, um die junge Frau komplett umzuhauen. Nachdem Jane ihr Glas wieder auf die Bartresen gestellt hatte, ließ sie ihren Blick beiläufig durch den ganzen Raum schweifen, um sich ein Bild für die Orientierung zu machen - nur für den Fall, dass sie schnell hier raus mussten. Noch während sie den Club durchscannte, fiel ihr ein etwas blasser, junger Mann auf, der etwas abseits stand und die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Er hatte sich an die Wand gelehnt, musterte einige, junge Frauen und grinste schließlich kurz, als er anscheinend sein Ziel erfasst hatte und zielstrebig auf eine Blondine zuging. Jane sah noch zu, wie der Typ dem Mädchen etwas ins Ohr flüsterte, das leise kicherte, dann wandte die Jägerin sich ihren eigenen Freunden zu. Inzwischen hatten alle den Tequila geleert und ein zweites Getränk in der Hand. Logan drückte auch ihr einen Cocktail in die Hand und lächelte sie an, als er mit seinem Bier mit ihr anstieß. Die Gruppe plauderte ein wenig, während der Club sich langsam füllte, dann verlangte Cynthia, man solle tanzen gehen, und alle folgten ihr auf die inzwischen gut besuchte Tanzfläche. Irgendwie war Jane neben Aiden gelandet, der wie die anderen Männer ein Bier in der Hand hielt, was die Brünette neugierig aufmerken ließ. „Kannst du das trinken?“, fragte sie, indem sie sich etwas streckte, um ihm praktisch ins Ohr zu brüllen. Der Vampir verzog leicht das Gesicht und zuckte etwas weg. „Du musst nicht so schreien, Jane. Ich habe bessere Ohren als ihr“, klärte er sie erstmal auf, bevor er mit einem Schulterzucken sein Getränk musterte. „Ich bin mir nicht sicher. Wenn wir Blut von Alkoholisierten trinken, werden wir selbst beschwipst. Wahrscheinlich hätte der pure Alkohol eine wesentlich stärkere Wirkung.“ Scheinbar hatte er jedoch nicht vor, das herauszufinden, denn bei der nächsten Gelegenheit platzierte er die Flasche ´unauffällig` auf einem Tisch und ließ sie dort zurück. Hauptsächlich war Jane zwar damit beschäftig, zu tanzen und ab und zu mit ihren Freunden zu reden, doch sie bemerkte den angespannten Gesichtsausdruck des Vampirs und seine leicht gerümpfte Nase, was sie, nachdem er sie auf sein sensibles Gehör hingewiesen hatte, auf die laute Musik und die Nebelmaschine zurückführte. Fast tat er ihr ein wenig leid, aber er hatte sich ja selbst dafür entschieden, sie zu begleiten, und er konnte auch jederzeit wieder gehen. Inzwischen war auch Janes Glas leer, sodass sie sich ein wenig von der Gruppe entfernte, um es loszuwerden. Dabei fiel ihr erneut der Blasse auf, der nicht weit entfernt mit seiner ´Freundin` tanzte. Gerade sagte er etwas zu ihr, woraufhin sie nickte, seine Hand ergriff und ihm von der Tanzfläche folgte. Das wäre ja nichts Ungewöhnliches gewesen, wenn seine Augen nicht kurz rot aufgeleuchtet hätten und das Mädchen ihm beinahe schon in Trance Richtung Hintertür nachgelaufen wäre. Sofort läuteten in Janes Kopf sämtliche Alarmglocken, sodass sie sich gleich direkt bei ihren Freunden, mit dem Vorwand auf die Toilette zu müssen, entschuldigte und dem Pärchen folgte, um nach draußen zu gelangen. Zwar hatte sie am heutigen Abend 'frei', doch über so etwas hinwegschauen, konnte sie definitiv nicht. Dementsprechend griff sie - als sie vor dem Ausgang stand - auch schon nach dem Messer, welches sie in ihrer Clutch verstaut hatte. Ohne zu zögern stieß die Vampirjägerin die Hintertür auf, ehe sie sich in einer abgelegenen und engen Gasse wiederfand. Die schwere Tür hinter ihr fiel ins Schloss, sodass sie alleine war in der zugigen Straße. Nun, fast alleine. Nur wenige Meter entfernt sah sie den schwarzen Haarschopf des Vampirs hinter einer Mülltonne. Ohne zu zögern stürmte sie auf die beiden zu und sah, dass die Bestie einen Arm um die zierlichen Schultern der Blondine geschlungen und sich zu ihrem Hals runtergebeugt hatte. "Lass sie sofort los, du elendes Mistvieh!", fuhr sie die verhasste Kreatur an, worauf diese sich zu ihr umdrehte und sie sichtlich irritiert ansah. Offenbar hatte er nicht mit dem Auftauchen einer Jägerin gerechnet - vor allem wohl nicht in solch einer Umgebung. Ohne groß zu überlegen, stieß er das unbekannte Mädchen in die Ecke, sodass dieses mit einem lauten Geräusch auch mitten in den Mülltonnen landete. Der dunkelhaarige Vampir knurrte, hatte sich nun wohl Jane als seine neue Mahlzeit ausgesucht, sodass er sie mit seinen rot aufblitzenden Augen fixierte und auf sie losging. Mit einem Sprung stand er zähnefletschend vor ihr und wollte die Brünette packen, doch diese wich ohne Probleme zur Seite aus. Dabei stolperte die Jägerin jedoch beinahe, und sie warf mit einem Fluch einen Blick auf ihre Schuhe. So unpraktisch! Kurzerhand beförderte sie ihre Pumps mit zwei kleinen Kicks zur Seite, sodass barfuß auf den kalten Pflastersteinen stand. "Du musst schon mehr versuchen, wenn du mein Blut willst. So leicht werde ich es dir nicht geben", sprach sie spielerisch, fast makaber. Immerhin ging es hier um ihr Leben. Durch ihre Worte gereizt, knurrte der wildgewordene Vampir, der sich vom Boden abstieß und auf Jane zuraste. Mit voller Wucht versuchte er immer und immer wieder, seine Krallen in ihren zierlichen Körper zu bohren, wobei die junge Frau jedes Mal auswich und sich schlussendlich - kurz bevor sie an der Wand ankam - duckte, unten an ihm vorbeihuschte und gleichzeitig ihr Messer in sein Fleisch rammte und mit sich zog, sodass im nächsten Moment eine große Wunde an seiner Hüfte aufklaffte. Vor Schmerz schrie die blutrünstige Kreatur auf. Man konnte wohl von Glück reden, dass die dröhnende Musik und die lauten Leute das Meiste überdeckte. Leise keuchend erhob sich die Brünette vom Boden, ehe sie sich durch die Haare fuhr, um kurz zu verschnaufen. Sie bereitete sich gerade auf einen neuerlichen Angriff vor, als ein massiger Schatten vor sie sprang und den fremden Vampir mit einem Fauststoß quer durch die Gasse schickte. Die verängstigte junge Frau, die neben einer Mülltonne zusammengesunken, war, hatte er wohl registriert, obwohl er über die Schulter hinweg ausschließlich Jane ansah. "Bring sie weg.", befahl Aiden Jane, mit nichts von der üblichen Freundlichkeit in der Stimme. "Ich kümmere mich später um sie", entgegnete Jane stur und wollte auch ohne weiteres ihre Arbeit erledigen, obwohl sie zugegebener Maßen ein wenig überrascht von seinem Auftauchen war. Er gab ein kaum hörbares Knurren von sich und stand ein wenig geduckt vor ihr, bereit für den Angriff, der schon im nächsten Moment erfolgte. Jedoch ging der Vampir nicht auf Aiden los, sondern in rasender Wut auf die Jägerin hinter ihm; sie hatte ihn an der Hüfte schmerzhaft erwischt und jetzt wollte er wohl ihr Blut sehen. Noch bevor der andere Vampir an Aiden vorbei war, hatte dieser ihm die Faust in den Magen gerammt und presste ihn zu Boden. Irgendwo hinter ihnen quietschte das fremde Mädchen, ehe sie in Ohnmacht fiel. "Sie gehört mir", sagte Aiden sehr leise zu dem stöhnenden Jungvampir. "Wenn du sie nochmal anfasst, bleibt nichts von dir übrig." Wie bitte? Sie gehörte ihm?! Was bildete er sich hier bloß ein!? "Das ist mein Job! Halt dich da raus, Aiden!", zischte sie ihn an, ehe sie zu dem Vampir blickte, der unter ihm lag und noch immer fauchend versuchte, sich aus dem Griff zu befreien und Jane zu erreichen. Angewidert blickte die Jägerin die Kreatur an, wobei sie ihren Griff am Messer verstärkte und zu ihrem Kommilitonen blickte. "Geh zur Seite", sagte sie schlicht. Immerhin wollte sie ihr Ziel beseitigen. Die Hand im Gesicht des anderen Vampirs knurrte Aiden leise, weil Jane ihm nicht gehorchte. „Geh jetzt.“, betonte er und warf ihr einen flüchtigen, scharfen Blick zu. Als Aiden seine Stimme erhob, zuckte die Angesprochene kurz zusammen, da sie so eine Umgangsweise von ihm nicht gewohnt war. Jedoch würde sie das nicht davon abbringen, ihr Ziel zu verfolgen. Das dumme Mädchen zwischen den Mülltonnen konnte ihr doch egal sein. Sie würde nicht verletzt werden und konnte dankbar sein, dass die Beiden eingriffen und Schlimmeres verhinderten. Immerhin hätte die Blondine hier ihr Leben geben können. Es missfiel der jungen Frau auch sichtlich, dass sich ihr potentieller Jagdpartner in diesem Kampf einfach einmischte. Schließlich war sie diejenige gewesen, die den Mörder aufgespürt hatte und somit war es auch eigentlich ihre Aufgabe gewesen, sich um diese blutrünstige Kreatur zu kümmern. Der fremde Vampir nutzte die kurze Ablenkung seines Artgenossen, bäumte sich auf und bockte Aiden von sich runter. Dieser landete keuchend auf dem Rücken, blieb für einen Moment überrascht liegen, dann war er mit einem Satz auf den Beinen. Die Zeit hatte dem anderen Vampir gereicht, sich auf Jane zu stürzen und wieder zu versuchen, ihr die Kehle aufzureißen und Aiden fauchte wütend auf. Leicht nach vorne gebeugt erwartete Jane den Angreifer, um ihm das Messer direkt in den Körper zu rammen. Jedoch kam ihr Aiden dazwischen, so dass sie innerlich fluchte und nur zusehen konnte, wir ihr Stalker den dunkelhaarigen Vampir am Hals packte und hochhob wie eine Stoffpuppe. "Ich sagte…" Er schleuderte den Vampir gegen die Mülltonne neben dem ohnmächtigen Mädchen. Gelassen ging er auf ihn zu, kniete sich hin und legte die Hände um seinen Hals, obwohl der andere sich heftig wehrte. "Fass. Sie. nicht. an" Und mit dem letzten Wort riss er die Arme hoch und trennte den Kopf vom Rumpf ab. Dabei sah Jane nicht eine Sekunde weg und zuckte auch nicht mit den Wimpern. Wieso auch? Sie sah das beinahe tagtäglich - und das, seit sie zehn Jahre alt war. Keuchend starrte Aiden in die leeren Augen des anderen Vampirs, dann ließ er den Kopf los, der mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufschlug. "Bist du jetzt zufrieden?", fragte er gelangweilt, als er sich nach Jane umdrehte. "Das ist ein Kind. Mit einer Familie… Mit einer Mutter, die jetzt alles daran setzen wird, mich zu töten. Kannst du nicht ein Mal nachdenken, bevor du etwas sagst oder tust?" Zum ersten Mal schlug er einen schärferen Ton an, doch dann schüttelte er nur den Kopf und rieb sich den Nasenrücken. "Wir müssen die Unordnung beseitigen." "Wenn du so fragst, bin ich nicht ganz zufrieden", erwiderte die Brünette nüchtern, ehe sie in ihre Clutch griff und ein Feuerzeug rausnahm, um den toten Vampir anzuzünden, welcher nach wenigen Minuten lichterloh brannte und direkt zu Asche wurde. "Selbst wenn es ein Kind ist. Er wollte einen Mensch aussaugen und womöglich umbringen. Das konnte ich nicht zulassen." In ihrem Blickwinkel konnte sie dann auch eine Regung wahrnehmen, die offensichtlich von dem blonden Mädchen kam. Sie wachte auf, sah, wie der ´tote Untote' brannte, schrie kurz auf und verlor gleich wieder das Bewusstsein. Wäre die Vampirjägerin in dem Moment nicht so aufgewühlt gewesen, dann hätte sie deswegen sicher lauthals gelacht. Auch wenn es ziemlich makaber war - es sah einfach nur zu witzig aus. Nachdem das Feuer erloschen war, schlüpfte die junge Frau in ihre Pumps, schnappte sich die Blondine, legte deren Arm um ihre Schultern und trug sie zum Eingang des Clubs. Aiden konnte dies bei seinem blutgetränkten Aussehen ja nicht tun. Es würde zu viel Aufsehen erregen. Vor dem Eingang überließ Jane die Fremde dem Türsteher, nachdem sie erklärt hatte, dass sie das Mädchen im Hinterausgang zusammengesackt aufgefunden hatte und sie womöglich zu viel getrunken hatte - eine eigentlich ziemlich logische Erklärung, die der Herr vor der Tür nicht hinterfragte. Stattdessen rief er per Handy ein paar Leute vom Club, um das Mädchen in einen Nebenraum zu bringen. Als das erledigt war, warf sie einen Blick zurück in die Gasse, doch ihr Stalker war verschwunden. Die Brünette begab sich dann auch auf dem Heimweg, wobei sie ihr iPhone zückte und der Gruppe eine Nachricht zukommen ließ und erklärte, dass sie sich nicht wohl fühlte und Aiden sie nach Hause brachte - was ja nicht unbedingt eine Lüge war. Aiden war sicher irgendwo und verfolgte sie im Hintergrund, obwohl er sich nicht mehr zeigte. Aber sollte er doch schmollen, ihr Gemütszustand war in dem Moment auch nicht unbedingt der Beste. Es dauerte gut eine halbe Stunde, bis die Grey-Nachfahrin Zuhause ankam und sich direkt in ihrem Zimmer zurückziehen konnte, wo sie sich umzog und etwas genervt zu Bett begab. Logischerweise konnte sie nicht direkt einschlafen, da sie sich noch einige Gedanken machte und mit der offensichtlichen Lösung für ihre Meinungsverschiedenheit mit dem Vampir nicht zufrieden war. Irgendwann fand sie sich jedoch damit ab und driftete schlussendlich doch friedlich ins Land der Träume ab. Am nächsten Morgen hatte die Wirtschaftsstudentin zum Glück frei, da es Wochenende war, sodass sie nicht von einem nervigen Geklingel geweckt wurde und ausschlafen konnte. Sie nahm sich dann auch alle Zeit der Welt, um sich frisch zu machen und mit ihrer Mutter zu frühstücken, da sie den geplanten und unangenehmen Teil der Tagesplanung noch ein wenig herauszögern wollte. Nun gibt es wohl kein Zurück mehr, dachte sich die Brünette, als sie sich wieder in ihr Zimmer zurückzog und wie gebannt auf ihr iPhone starrte und folgende Worte eintippte: » Aiden, tut mir Leid. Können wir uns treffen und reden? - Jane « Kapitel 6: Selber Schuld ------------------------ In dieser Nacht kehrte er nicht in sein Hotelzimmer zurück, sondern lief rastlos durch die Straßen Londons, nicht, um zu jagen, sondern einfach, um in Bewegung zu bleiben. Er ging davon aus, dass Jane nicht wusste, was sie getan hatte, trotzdem musste er überlegen, wie er jetzt reagieren sollte. Irgendwann würde die Familie des Jungen diesen vermissen, selbst, wenn sie nicht in London oder sogar England lebten. Eigentlich hätte Aiden die Stadt sowieso schon längst verlassen sollen, und jetzt hatte er noch einen weiteren Grund dazu. Leider hatte er aber in Jane einen wesentlich triftigeren Grund, zu bleiben. Obwohl sie die Überreste seiner ekelerregenden Tat mit nüchterner Professionalität weggeräumt hatte. Obwohl sie schon so oft Leichen weggeschafft hatte, dass es ihr nicht mal etwas ausmachte, wie verstümmelt der Junge war, der doch aussah wie ein Mensch. Obwohl sie ihn gezwungen hatte, einen Mord zu begehen an einem Vampir, der nach den Maßstäben ihrer Rasse kaum ein Teenager war, wahrscheinlich nicht mal dreißig. Trotz all dieser Tatsachen konnte er nichts dagegen tun, sich nach ihrer Nähe zu verzehren, aus dem einfachen Grund, weil sie aussah wie seine Jane und er die Hoffnung nicht aufgeben konnte, auch einen Hauch ihres Charakters in der Vampirjägerin zu finden. Und doch verstand Aiden nicht, wie sie so kalt sein konnte. Der Tod eines anderen Lebewesens, egal, wie anders als sie es war, konnte ihr doch nicht völlig gleichgültig sein, so wollte er sie einfach nicht einschätzen. Als die Sonne aufging, kehrte er nach Hause zurück, um eine Dusche zu nehmen und doch noch ein wenig zu schlafen. Als er aus dem Badezimmer kam, hörte er aber ein ungewohntes Surren, das ihn ein wenig irritierte, bis er merkte, dass es aus seiner Hose kam, die er über einen Stuhl gehängt hatte. Er nahm das Handy heraus und stellte erstaunt fest, dass er eine SMS bekommen hatte, die erste seit Ewigkeiten - Und dann auch noch von Jane. Schnaubend legte er das Telefon erstmal weg und zog sich an, doch als er mit einem Handtuch seine Haare trocknete überkam ihn die Neugierde und er las die Nachricht. Kurz sah er den Display an, dann legte er das Handy weg… Und zehn Minuten später war er auf dem Anwesen der MCCollins, wo er wie automatisch Janes Geruch in den Garten und somit zum Wohnzimmer folgte. Einen Moment sah er zu, wie sie mit entspannter Miene fernsah und er fragte sich, ob sie tatsächlich verstand, für was sie sich da so nonchalant entschuldigt hatte, dann klopfte er mit dem Knöchel gegen die gläserne Tür, damit sie ihm diese öffnete. Sie schielte nur kurz in Aidens Richtung, seufzte leise und machte den Fernseher aus, um sich zu erheben und sich zu ihm nach draußen zu begeben. Hereingebeten wurde er mal wieder nicht, sondern schweigend von Jane in einen abgelegenen Teil des Gartens geführt, wo sie alleine waren. Aiden hatte die Arme verschränkt und wartete. Er würde ihr nicht den Gefallen tun und zuerst das Wort ergreifen. Als sie dann anfing zu sprechen, tat sie das so widerstrebend und geknickt, dass er sie nur verblüfft ansehen konnte. Er hatte nicht mal gedacht, dass ihre Stimme zu diesem unterwürfigen Tonfall überhaupt fähig war. „Aiden... also... ich weiß, dass es falsch von mir war, so zu handeln und ich hätte dich gleich zu Beginn hinzuziehen müssen. Jedoch habe ich halt ziemlich instinktiv gehandelt und nicht nachgedacht... auch während des Kampfes ist es wohl mit mir durchgegangen." Während sie sprach, blickte sie auf den Boden und verlagerte ihr Gewicht auch immer wieder von einem Bein auf das andere. Es fiel ihr sichtlich nicht leicht, darüber zu reden und es ging mächtig gegen ihr Ego, so etwas zu sagen. Nach einer kurzen Pause, trat Jane dann auch auf Aiden zu, wobei sie zögerlich seine Hand in ihre nahm und dann auch vorsichtig zu ihm hochsah. "Es tut mir Leid, wirklich. Ich hätte auf dich hören sollen.", fügte die Brünette hinzu, während sie seine Hand leicht drückte. Das war wohl das erste Mal, dass sie ihn freiwillig berührte, und dann gleich so vertraut. Wahrscheinlich wäre er etwas errötet, wenn er nicht vor zwei Tagen zuletzt getrunken hätte. In den letzten Jahrhunderten war er nur sehr selten körperlich geworden, er war es einfach nicht mehr gewöhnt. Und sie sah aus wie seine Jane, so wunderschön und sanft... Jedenfalls ließ er ihr seine Hand, von der sich eine angenehme Wärme seinen ganzen Arm hochzog, und lauschte versonnen. "Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob du das wirklich weißt.", erwiderte er leise. "Jane, dieser Junge... Ich glaube nicht, dass er schon dreißig war. Das ist, als hättest du ein zehnjähriges Kind erschossen, weil es sich beim Essen daneben benimmt.“ "Das mag sein, aber ... was hätte ich bitteschön tun sollen? Er wollte das blonde Mädchen umbringen. Hätte ich einfach zusehen sollen? Außerdem war der so Außer sich. Denkst du da wirklich, er hätte sich wieder beruhigt und dann nicht einfach ein anderes Opfer gesucht?", erwiderte die junge Frau sorgfältig und leise. Natürlich hätte der Junge weiter gejagt, dachte Aiden, der frustriert die Augen schloss. Was hätte er auch sonst tun sollen? So hatte die Natur ihre Rasse nun mal geschaffen, genauso gut hätte sie versuchen können, einer Katze das Mausen abzugewöhnen. Es ging einfach nicht, und so war es auch nicht vorgesehen. Natürlich verstand er, dass sie sich und andere Menschen verteidigen wollte, das war genauso natürlich. Sie befanden sich einfach am entgegengesetzten Ende der Nahrungskette und hatten entsprechend andere Perspektiven von dem Geschehenen. "Du hättest zum Beispiel nicht meinen Namen sagen müssen", begab er sich auf ein weniger subjektives Feld ihrer Diskussion. Das war ein Fehler gewesen, sie wusste es, das war wohl auch der einzige Grund, aus dem sie überhaupt dieses Gespräch führten, das ihr merklich gegen den Strich ging. "Ich hätte ihn nicht laufen lassen können, nicht, nachdem ich ihn angegriffen und dich verteidigt hatte." Er hätte ihn wegbringen können, ihn ohnmächtig schlagen, irgendetwas, nur nicht das Blut eines Kindes an den Händen kleben haben… Sie sah ihn auch ziemlich verwirrt - beinahe schockiert - und mit großen Augen an, bevor sie gestand: "Ich... habe das nicht bemerkt. Verzeih. Ich war gestern wohl zu aufgewühlt und durch dein Auftreten verwirrt, dass ich es unbewusst getan habe.“ Intensiv beobachtete er die junge Frau, aber ihre Überraschung und ihr Schreck schienen echt. Das wiederum erstaunte Aiden. Also entschuldigte sie sich, weil sie alleine losgezogen war? Oder aus welchem Grund? Er nickte langsam wegen ihrer neuerlichen Entschuldigung, sagte aber nichts mehr dazu. Geschehen war geschehen und wenn es Konsequenzen für ihn gab, dann nur, weil er ihr überhaupt gefolgt war. Sollte Jane selbst Probleme bekommen, würde er sich eben darum kümmern müssen. „Hör zu… Ich weiß, du hasst uns, und du musst mir nicht sagen wieso, aber du musst dich an ein paar Regeln halten, wenn du meine Hilfe willst." Er stockte, weil er damit ja indirekt zugegeben hatte, dass er mit ihr zusammenarbeiten würde. Sie verwirrte ihn, wenn sie so nah war, ihn auch noch berührte. Er schaffte es nicht mal, ihr in die Augen zu sehen, deshalb ließ er - äußerst Wiederwillig - ihre Hand los und trat, erneut mit verschränkten Armen etwas von ihr weg. Dabei sah er das Haus an. "Davon abgesehen, dass du hättest tot sein können." Der sanfte Ton, der wohl ihrer Hand in seiner geschuldet gewesen war, nahm spürbar ab. Jetzt llang er eher resigniert. „Ich könnte über die Straße gehen, von einem Auto erfasst werden und sterben. Genauso könnte ich in den Supermarkt gehen, etwas einkaufen und erschossen werden. Ich, als Mensch, kann immer irgendwie sterben.", erwiderte Jane ziemlich nüchtern und realistisch, ehe sie die Arme vor der Brust verschränkte und ihren Blick abwandte, um an Aiden vorbei zum Haus zu blicken. Er sah sie wieder an, jetzt mit einem gequälten Ausdruck im Gesicht. "Ich weiß. Du bist so zerbrechlich…" Das wollte sie sicher nicht hören, aber so war es für ihn nun mal. "Aber du brauchst ja nicht ´Ich bitte!!` rufen, als wäre der Sensenmann ein Artist im Zirkus, der einen Freiwilligen braucht." Lachend schüttelte sie den Kopf und auch Aiden lächelte kurz über seine wohl doch etwas übertriebenen Vergleiche, doch gleich darauf wurde er wieder ernst. "Du kannst kämpfen, das habe ich gesehen, aber der Vampir, den du jagen willst, ist vielleicht fünf Mal so alt und stark. Ich kann nicht..." Er stockte, weil es doch ziemlich gruselig wäre zu sagen, dass er sie nicht nochmal sterben sehen konnte. Aber seit er Jane kennengelernt hatte, träumte er wieder vom blutigen Kopf der anderen Jane auf dem Boden und von seinem Erschaffer, und er fühlte sich so hilflos, wenn er aufwachte, hilflos in all seiner immensen Stärke. "Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Du musst auf mich hören. Bitte.", endete er in einem leicht flehenden Ton, der auch in seinen Augen lag. In ihrem Gesichtsausdruck legte sich ein Schleier von Verzweiflung, welche auch mit jedem Worte deutlicher zu hören war. "Ich weiß, dass der Vampir deutlich stärker ist und dass es ein überaus großes Risiko ist, aber ... genau darum habe ich dich gefragt. Wenn wir zusammenarbeiten, wird bestimmt nichts passieren. Außerdem würde ich mich nicht einfach kopflos in den Kampf stürzen, sondern das Ganze mit dir besprechen. Ich würde mich sogar nach dir und deinen Plänen richten - Hauptsache, wir machen diesen Vampir unschädlich! Aiden, bitte!" Ihre Tonlage sorgte dafür, dass er einen leichten Knoten im Magen bekam. "Bestimmt sagst du. Glaubst du das wirklich oder soll mich das überzeugen?" Er glaubte nicht, dass sie ihm derart vertraute, ihr ganzes Verhalten bis zum gestrigen Morgen hatte eine andere Sprache gesprochen. Und jetzt sollte sie ihm bereitwillig ihr Leben in die Hände legen? Wohl eher nicht. Er trommelte mit den Fingern auf dem Oberarm rum, sah jetzt zur Straße, auf der ein paar Autos vorbei fuhren. Seine eigene größte Sorge war nicht der andere Vampir; Er wusste zwar nicht, wie stark derjenige war, aber er war relativ zuversichtlich, dass er Jane beschützen konnte, und sie war ja auch nicht ganz so wehrlos, wie er angenommen hatte - Diesen Schnitt an der Hüfte hätte nicht jeder Sterbliche einem Vampir beibringen können. Er machte sich nach wie vor größere Gedanken um seine Selbstkontrolle. Er konnte ihr das Gefühl nicht beschreiben, das seiner Art die Kehle versengte, wenn sie Blut rochen. Am meisten war es wohl wie ein Junkie, der unbedingt einen Schuss brauchte, bereit war, alles dafür zu tun, um diesen zu bekommen. Es gab in diesem Moment nichts anderes mehr und es war schwer zu stoppen, wenn es einmal angefangen hatte. „Ich glaube das wirklich; nein, ich weiß es - wenn du dabei bist.", erwiderte sie auf seine Frage hin ehrlich und resolut, wobei sie ihm dabei auch in die Augen sah. Sie glaubte wirklich an ihn... Er schluckte etwas; Sein bröckelnder Widerstand schmeckte trocken im Mund. "Ich weiß es einfach noch nicht, Jane. Gib mir noch Zeit.", sagte er leise, ohne ihren Blick zu erwidern. Er hätte alles getan, um sie zu beschützen, nur, weil sie aussah wie seine Jane. Für die war er sogar bereit gewesen, sein Leben zu geben und weil er das Gefühl hatte, er schuldete ihr noch etwas, würde er seine Existenz jetzt eben ihrer Nachfahrin schenken. Als Ausgleich dafür, dass er zu spät gewesen war. "Wie du willst. Geduld ist zwar nicht meine Stärke, doch ich gebe dir diese Zeit. Du meintest gestern ohnehin, dass du es dir gründlich und gut überlegen willst, also finde ich mich damit ab. Ich würde es jedoch sehr begrüßen, wenn du dich mit deiner Entscheidung beeilen könntest.", meinte die Brünette etwas enttäuscht, ehe sie sich dann auch von Aiden entfernte. Unwillkürlich legte er die Hand auf ihre Schulter, hielt sie vom Gehen ab. Sofort merkte Aiden, wie Jane kurz zusammenzuckte und ihn mit einer leicht hochgezogener Augenbraue ansah. Auch ihre Nackenhaare richteten sich ein wenig auf und der Vampir spürte, wie ihre Muskeln sich unter seinen Fingern verkrampften, weshalb er diese sofort zurückzog. Sie hatte ihre Rolle am letzten Tag wohl zu gut gespielt. Fast wäre er Gefahr gelaufen, zu glauben, sie würde ihn tatsächlich nicht abstoßend finden. "Mach in deiner Ungeduld nichts unbedachtes.", sog er sich eine Erklärung für die Berührung aus den Fingern, als die Jägerin ihn fragend ansah. „Tue ich nicht, keine Sorge. Ich hab ja gemerkt, dass du nicht darauf stehst.", erwiderte sie sehr schlicht Anbetracht dessen, dass Aiden richtiggehend ausgetickt war, weil dieser andere Vampir sie berührt hatte. "Und ich will ja, dass du mit mir zusammenarbeitest, also unterlasse ich das… Wenn sonst nichts ist, dann würde ich jetzt gerne reingehen und mein Wochenende genießen." Als er nickte, wandte sie sich ab und zog sich ins Haus zurück, womit sie ihn praktisch von ihrem Grundstück schmiss. Während des Wochenendes hatte Aiden sich von Jane und dem Anwesen ihrer Familie ferngehalten. Außerhalb der Stadt hatte er gejagt, was seine düstere Stimmung weitestgehend vertrieben hatte, und er hatte tatsächlich den jungen Vampir auftreiben können, der im Zirkel arbeitete. Das Ganze war mehr in eine Befragung über Jane und ihre Arbeitsweise und ihr Verhalten ausgeartet, als in die Erkundigung über die Partnerschaft, die Aiden eigentlich angedacht hatte. Leider hatte Tommaso aber nicht viele Auskünfte geben können, weder, was die junge Jägerin, noch, was seine Arbeit anging; Das sei geheim, hatte der Italiener gesagt, er könne Außenstehenden nicht einfach alles erzählen. "Ich weiß nur, dass sie schon ewig dabei ist und so schnell die Ränge hochgeklettert, dass manche das nicht guthießen… Neid oder Sorge, keine Ahnung, ist mir auch egal.", hatte der gutaussehende Mann mit Schulterlangen, dunklen Locken und leuchtend braunen Augen lässig erzählt. "Jedenfalls ist sie verbissener als alle anderen. Wär schon interessant zu wissen, wieso." Ja, das hatte Aiden sich auch gedacht. Sie war hinter diesem Serienkiller her, über den es wenig herauszufinden gab; Kein Vampir wusste, wer er war, weil die meisten sich aus den Revieren raushielten, die jemand als festes zu Hause ausgesucht hatte. Allerdings hatte Aiden sich auch nicht allzu viel Mühe gegeben, weil er etwas Abstand zu dieser ganzen Affäre gewinnen wollte. Er erkannte sich in dieser Neugierde, in dieser Beharrlichkeit selbst nicht wieder und er wusste nicht, ob ihm diese Seite an sich gefiel. Jedenfalls war er wieder der üblichen guten Laune, als er am Montagmorgen auf dem Campus wartete, diesmal schon mit einem Becher Kaffee für Jane in der Hand und der obligatorischen Sonnenbrille in die dunkelblonden Haare hochgerutscht, die dadurch vom Kopf abstanden. Er stand bereits neben der Tür zum Lehrsaal, als die junge Frau auf ihn zukam, und er stieß sich von der Wand ab, als sie mit suchendem Blick auf ihn zukam. "Guten Morgen. Ich wusste nicht, wie du deinen Kaffee willst, also hab ich ihn schwarz gelassen. Wenn du Milch und Zucker willst hab ich das auch.", erklärte er, als er ihr den Becher in die Hand drückte. Kurz zog sie die Augenbrauen überrascht hoch, dann lächelte sie ihn an. "Danke.", erwiderte Jane als sie den Kaffeebecher entgegennahm und dann auch gleich erklärte, dass sie ihren Kaffee immer schwarz und zwei Löffeln oder Stück Zucker trank. Zum vermutlich ersten Mal wirkte Janes Lächeln aufrichtig, was Aidens Laune fast noch mehr hob, falls überhaupt möglich. Sie sah noch hübscher und vor allem jünger aus, wenn sie sich entspannte und er freute sich jedes Mal, wenn er das sah. Er erwiderte das Lächeln sanft und nahm sich vor, ihr öfter Kaffee zu bringen, wenn das ihre Reaktion darauf war. Aus der Tasche seines Mantels zog er zwei Tütchen Zucker, den Rest der mitgebrachten Zusätze warf er noch auf dem Weg zu ihren Plätzen weg. "Hattest du ein schönes Wochenende?" Es war ohne vampirischen Besuch verlaufen, das dürfte für sie wohl aus ´Gut` gelten, aber fragen durfte man wohl mal. „Ganz gut, eigentlich. Ich habe endlich mal ein wenig das Haus mit meiner Mutter auf Vordermann gebracht und dann auch noch mit Logan zusammen an der Seminararbeit gearbeitet, damit wir diese so schnell wie möglich abgeben können. Ansonsten habe ich mich ausgeruht und ein paar Recherchen angestellt.“ Während die junge Frau gesprochen hatte, hatte sie immer mal wieder einen kleinen Schluck Kaffee zu sich genommen, wobei ihr Blick beinahe stets auf Aiden gerichtet war. Im Gegensatz zu dem Zustand von vor ein paar Tagen, schenkte sie ihm nun wirklich ihre Aufmerksamkeit, was der Vampir mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nahm. Ob sie das wirklich interessierte oder nur ihrer ´Masche` gehörte, um ihn für ihre Sache zu gewinnen? "Und seid ihr gut vorangekommen mit der Arbeit?", fragte er, relativ gleichgültig, wenn auch nach wie vor mit einem stoischen Lächeln. Folgsam berichtete sie ihm von ihrer Arbeit, in der es wohl um unterschiedliche Formen von Kapitalismus in der Zeit der Krise gehen sollte. Aiden hätte zu diesem Thema sicher etwas sagen können, zog es aber mangels tiefergehender Bildung vor, zu schweigen. Die Wirtschaft der Menschen war ihm ein so entrücktes Thema, es erschien ihm unnötig kompliziert und unfair, dass er sich nicht damit befasste - nun, abgesehen von seinem spärlichen Studienarbeiten. Es gab aber auch keinen Grund für ihn, sich damit auseinander zu setzen. Wenn er wollte, könnte er sich ohne einen Cent in der Tasche versorgen, doch wie die meisten seiner Art zog er es vor, möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Wie war es bei dir?", erkundigte Jane sich für ihren Sitznachbarn überraschend. "Ähnlich wie deines; Ich habe Nachforschungen angestellt. Ich nehme an, dass du dich über unsere Beute informiert hast?", erkundigte er sich, wobei er absichtlich offen ließ, ob er sich ebenfalls mit ihrer Beute befasst hatte. Er konnte sich schließlich gut vorstellen, dass es der Jägerin nicht passte, dass er Informationen über sie einholte. "Ich habe mit einem Kollegen von dir gesprochen, Tommaso Succi, vielleicht kennst du ihn? Dünn, klein und dunkelhaarig?" Dass er hübsch war, brauchte er wohl nicht sagen; Das waren sie fast alle. Er warf ihr einen Blick zu, aber da sie sich nicht sonderlich mit der Partnerschaft auszukennen schien, die sie ihm vorgeschlagen hatte, ging er eigentlich nicht davon aus dass er Teams kannte, die ein solches Bündnis geschlossen hatten. "Tommaso Succi?", murmelte Jane leise ehe sie den Kopf schüttelte. "Um ehrlich zu sein, kann ich ihn nicht zuordnen, aber ich werde beim nächsten Mal versuchen, auf so jemanden zu achten." "Da wird Tommaso aber enttäuscht sein." Das stimmte sogar; der Halbitaliener war Aidens Meinung nach ziemlich eingebildet und von einer hübschen Frau übersehen worden zu sein, würde sicher an seinem Ego kratzen. Wenigstens bin ich nicht der einzige, dachte Aiden vergnügt. "Er schien… Sehr überrascht, dass du einen Partner möchtest." "Das überrascht wiederum mich nicht. Ich bin nicht gerade bekannt dafür, mit jemandem zusammenzuarbeiten.", erklärte die junge Frau ehrlich. "Die meisten kennen mich für meine Zielstrebigkeit und tadellose Arbeit - ohne Tamtam und ohne oberflächliche Nettigkeiten." Der Vampir lachte auf; Das hatte er gemerkt, und doch saß sie jetzt hier und plauderte über ihr Wochenende. Man musste die Leute nur zu überzeugen wissen... Beziehungsweise sie zappeln lassen, wenn sie etwas wollten. "So etwas in der Art sagte er auch. Und, dass du eher mit den 'hohen Tieren' herumtreibst, wie er es so malerisch ausdrückte." "Mit den 'hohen Tieren'?", wiederholte Jane seine Worte schließlich etwas belustigt, bevor sie sich durch die Haare und ein wenig schmunzelte. "Gut. Da hat er irgendwo Recht, wobei ich zu meiner Verteidigung sagen muss, dass ich es beim 'höchsten Tier' nicht selbst beeinflussen konnte. Das war die Laune dieses ... Tieres." Irgendetwas an dem Wort 'Tier', das nur einer Redensart geschuldet war, schien sie höchst amüsant zu finden. Aiden zog die Brauen hoch. "Also darf ich annehmen, dass die... Ich weiß nicht, wie ihr das nennt, Anführer? Eure Führungsriege hat dich ausgewählt hat, um deine Zeit mit ihnen zu verbringen? Woher diese Ehre?", erkundigte er sich. "Nenn ihn ruhig das 'höchste Tier'.", erwiderte die Brünette sofort mit einem Grinsen, wobei man merkte, dass sie das Lachen nur zu schwer unterdrücken konnte. Dann versuchte sie, wieder eine ernstere Miene aufzulegen, indem sie sich räusperte und den weiteren Worten ihres potentiellen Partners widmete. "Ganz ehrlich? Ich weiß es bis heute nicht genau oder vielmehr: Ich habe aufgegeben, es verstehen zu wollen.", gab die junge Frau ehrlich zu und strich sich die Haare hinters Ohr, wobei sie bemerkte, wie einige Studenten in den Hörsaal kamen und sie dementsprechend auch ihre Lautstärke ein wenig sinken ließ. "Jedes Mal, wenn ich gefragt habe, meinte er nur, dass ihn meine gesamte Ausstrahlung und mein Blick fasziniert haben. Später war er anscheinend so von meinem Willen und meiner Verbissenheit beeindruckt, sodass er mich weiterhin unter die Fittiche nahm und ich so - ganz automatisch - Zeit mit den höheren Tieren verbrachte." Die Antwort war für Aiden, der ja eben aufgrund reiner Äußerlichkeiten an Jane interessiert war, seltsamerweise sogar nachvollziehbar. Man sah ihr Potential an und es war sicher spannend zu beobachten, was sie daraus machte. Allerdings schien Jane etwas anderes auf dem Herzen zu haben als ihre Vorgesetzen. Sie fuhr sich leise seufzend durch die Haare, auf diese unzufriedene Art, die Aiden inzwischen schon recht gut kannte. Dann stellte sie den Becher auf dem Tisch ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei lehnte sie sich ein wenig zum Vampir vor und sah ihn direkt, sowie auch unverfroren an. "Und? Was wolltest du sonst noch von ihm wissen? Das war sicher nicht das Einzige, was du aus ihm herausbekommen wolltest, oder?", verlangte die junge Frau zu wissen. "Ich denke, wenn wir schon zusammenarbeiten, dann kannst du auch versuchen, die Fragen zuerst an mich zu richten. Immerhin geht es dabei wohl oder übel um mich. Außerdem ist es nicht unbedingt die feine, englische Art hinter dem Rücken einer Lady solche Recherchen über sie anzustellen, findest du nicht auch?" Bei ihrem Verhör bekam er ein schlechtes Gewissen, denn tatsächlich gehörte sich nicht, was er getan hatte, aber als Tommaso schon mal da war, hatte ihn irgendwie die Neugierde übermannt, sehr zur Erheiterung des reinblütigen Vampirs. Trotzdem lächelte Aiden nur unverbindlich, als er antwortete. "Noch arbeiten wir aber nicht zusammen, Jane.", erinnerte er sie freundlich. Sie hob leicht die Augenbrauen, gab aber leicht seufzend nach. "Gut. Dennoch wäre ich froh, wenn du solche Fragereien direkt an mich wenden würdest. Ich mag es nicht, wenn man versucht, hinter meinem Rücken etwas herauszufinden, wenn ich doch offensichtlich in der unmittelbarer Nähe bin.", korrigierte sich die Brünette daraufhin. "Außerdem… Falls wir zusammenarbeiten würden, wäre das ein durchaus größerer Vertrauensbruch, findest du nicht?" "Vertrauen?", fragte er, als wäre ihm das Wort unbekannt. Seine Züge wurden für einen Moment hart. Nannte sie es 'vertrauen', ihn einfach stehen zu lassen, während sie sich in Gefahr begab? Wo doch sie ihre Partnerschaft überhaupt anstrebte? Nannte sie es Vertrauen, auf jede seiner Fragen mit 'Das kann ich dir nicht erzählen.', zu antworten, aus irgendeinem hergeholten Grund - wo dieser Grund ihrer beider Leben Wert zu sein schien? Sie verlangte den Schutz von etwas, dass es nicht mal zu geben schien. Aidens Stimme klang ein winziges bisschen kühl, obwohl er wieder lächelte bei seiner Antwort: "Es müsste erstmal etwas da sein, das gebrochen werden könnte." „Punkt für dich.", entgegnete sie diesbezüglich nur, ehe sie ihn fordernd ansah, damit er ihre eigentliche Frage beantwortete. "Ich habe ihn aufgesucht, weil er einen menschlichen Partner hat und ich mehr über die Bedingungen für einen solchen Vertrag herausfinden wollte, bevor ich zustimme oder ablehne. Als er mir nicht weiterhelfen konnte, kam das Thema auf dich zu sprechen... Allerdings wusste er nicht viel von dir." Ihr Gespräch wurde von einem leisen Surren unterbrochen, welches aus Janes Ledertasche kam, sodass sie sich von Aiden abwandte und das Handy rausnahm. Geduldig wartete er, bis sie auf ihr Handy gesehen hatte, obwohl er das für eine Unart der heutigen Menschen hielt, reale Gespräche zu unterbrechen, weil sich irgendein Medium meldete. Während des Telefonats sah sie zunächst etwas irritiert aus, weil sie wohl nicht mit so einer Nachricht gerechnet hatte, doch ihr Gesichtsausdruck rutschte schnell ins Genervte und sie verdrehte die Augen als sie das Handy auf den Tisch vor sich ablegte. "Hast du nach den Vorlesungen schon was geplant?", wollte Jane unverfroren von ihrem Sitznachbar wissen, nachdem sie sich wieder ihm zugewandt hatte. "Dein Informant scheint wohl ein wenig geplaudert zu haben, denn ich bin offiziell gebeten worden, mal wieder im Zirkel aufzutauchen - mit der ausdrücklichen Bitte, dich mitzunehmen, wenn es möglich ist." Er fühlte sich ziemlich überrumpelt, als Jane ihm eröffnete, wohin er mit ihr gehen sollte, denn er hatte das Gefühl, nicht mehr nein sagen zu können, wenn ihre Vorgesetzten ihn erstmal gesehen hätten. Außerdem würde er sich damit auf die Seite der Menschen schlagen, seine Existenz zu einem gewissen Grad öffentlich machen, was ihm nicht sonderlich behagte. "Ist das so?", fragte er ausweichend und strich ein Blatt noch glatter, als es eh schon war. "Und was soll dort passieren?" „Keine Sorge. Sie werden nicht versuchen dich umzubringen oder dir sonst eine Falle zu stellen. Sie sind lediglich überrascht darüber, dass ich mit einem Vampir so... 'vertraut' umgehe. Sie wollen näheres zu unserer Beziehung herausfinden und dich einfach mal... 'kennen lernen'.", meinte die junge Frau schulterzuckend, ehe sie sich nach vorne drehte, als sie merkte, wie die Professorin eintrat und ihre Sachen aus der Aktentasche nahm und es wohl nicht mehr allzu lange dauerte, bis das Seminar begann. Mal wieder bekam Aiden keine wirklich aufschlussreichen Antworten; Das einzige, das unmissverständlich klar war, als sie sich der Professorin zuwandten, war, dass er keine Wahl hatte, als Janes "Einladung" anzunehmen und mit ihr in den Zirkel zu gehen. Flüchtig überlegte er, nach der Lesung einfach zu gehen, doch er verwarf den Gedanken mit einem schicksalsergebenen Seufzen; Das wäre viel zu unhöflich. Er glaubte auch nicht, wie Jane offenbar annahm, dass man ihn zu töten versuchen würde, schließlich war er eingeladen worden und ein potentielles Mitglied. Nein, er fühlte sich einfach überrumpelt, was kein Wunder war, so, wie sie von diesem Treffen sprach. ´Etwas über seine Beziehung zu Jane herausfinden`, ihn ´Kennenlernen`, das klang genau nach dem, was er nicht wollte; Einem Bewerbungsgespräch. Aus seiner Sicht war dieser Vertrag, sollte er tatsächlich geschlossen werden, nämlich eine Sache zwischen ihm und dem Mädchen. Natürlich wusste er, dass der Zirkel hinter ihr stand, aber dieser tangierte Aidens persönlichen Interessen nicht. Diese bezogen sich momentan einzig und alleine auf Jane und ihre Sicherheit. Da er aber wohl nicht der einzige war, der sich Sorgen um die Jägerin machte und er ihren Vorgesetzten zugestehen musste, ihn zu Janes Sicherheit zu überprüfen - Sonst wäre er wohl der nächste auf der Abschussliste; Man würde wohl kaum einen vampirischen Stalker beim Liebling des Organisationschefs dulden - Folgte er ihr in den Wagen und machte sich mit Jane auf den Weg zum Zirkel. Er hatte sie ja nicht in Ruhe lassen können und am letzten Abend sogar seine Bereitschaft, ihr zu helfen, angedeutet. Da war er wohl selber schuld, dass er sich jetzt mit ihr unter eine Horde von Menschen begeben musste, die sich der Ausrottung seiner Spezies verschrieben hatte. Kapitel 7: Der Zirkel --------------------- Den Weg von der Universität zum Standpunkt des Vampirjägerzirkels kannte Jane schon fast im Schlaf, jedoch war sie es nicht gewohnt, diese Strecke mit Begleitung zurückzulegen – Noch dazu mit einem Vampir. Hätte noch vor einer Woche jemand dieses Szenario beschrieben, sie hätte ihn für wahnsinnig erklärt, während alles, was sie jetzt erklärte, gewisse Verhaltensmuster waren, an die Aiden sich halten sollte. "Verhalte dich ruhig und beweg dich nicht ruckartig, wenn wir dort sind. Ignorier einfach die komischen Blicke, die dir möglicherweise zugeworfen werden und stell bitte bloß keinen Ärger an, sonst werde ich den Kopf hinhalten müssen", wies sie den Vampir auf dem Beifahrersitz an, als sie fuhren. Sie konnte sich zwar kaum vorstellen, dass er Ärger machen würde, doch sicher war einfach sicher. "Ich versuche, mich so fließend zu bewegen wie möglich", versprach er belustigt, den Ernst der Lage völlig ignorierend. Schließlich parkte die Brünette den Wagen in einer Nebenstraße und ging etwa hundert Meter weiter, ehe sie in eine Gasse einbog, die sich zwischen einem Kino und einem Wohngebäude befand. Anschließend ging sie schweigend auf das angrenzende Gebäude zu, welches am Ende der Gasse eine Sackgasse bildete. Lediglich eine Tür war vorhanden, die Jane direkt ansteuerte. Vor ihr blieb sie stehen, sah sich kurz um und drückte ihren Ring, den sie am Ringfinger ihrer rechten Hand trug, gegen den Türknopf, der im Gegensatz zu den Normalen kein Schlüsselloch, sondern eine Einbuchtung besaß. Sofort drehte sich der Türknopf automatisch um, nachdem die junge Frau den Ring wieder entfernt hatte. Ohne zu zögern öffnete sie die Tür und wies Aiden mit einer kurzen Handbewegung an, ihr zu folgen. Kaum hatte sie hinter sich die Tür geschlossen, ging das Licht an und man konnte erkennen, dass sie sich in einem Aufzug befanden, in dem ungefähr acht Leute Platz hatten. Jedoch rührte sich der Lift nicht. Dazu musste Jane zuerst einen Zahlencode auf die Lift-Tasten eingeben, bevor sie den Ring gegen eine weitere Einbuchtung drückte, die sich neben den Tasten befand. Sofort setzte sich der Aufzug mit einem kleinen Ruck in Bewegung und beförderte sie und den Vampir nach unten in die Tiefe. Die ganze Fahrt dauerte kaum zwei Minuten, sodass sie nach kürzester Zeit aus dem Aufzug treten konnten und sich direkt im Vampirjäger-Zirkel befanden. Deutlich angespannt begab sich die junge Frau nach draußen; nie hätte sie gedacht, einmal in Begleitung eines lebenden, freien Untoten hier aufzuschlagen. Vor ihr erhob sich die große Stadt im Untergrund, die von der Größe her einer normalen Stadt glich, außer, dass sie statt vom Himmel von Erdmasse begrenzt wurde, sodass der Eindruck einer riesigen Höhle entstand. "Willkommen in Zirkel V", sprach die Brünette kurz an ihren Begleiter gewandt, bevor sie sich wieder abwandte und vorausging. Überall zwischen den einzelnen Hochhäusern und normalen Gebäuden ragten eiserne Stützpfeiler in die Höhe, die die Stadt vor einem Einsturz der Erddecke über ihnen beschützte und die mit der Zeit sogar teilweise mit der Erde verwachsen waren. Neben diesen Kilometer hohen und mehrere Meter dicken Säulen ragten noch einige weitere Gebäude in die Höhe, die die Verbindungen zwischen der Untergrundstadt und der Erdoberfläche bildeten. An jeder Straße befanden sich mindestens alle dreißig Meter eine Laterne, um die Gegend zu erhellen, wobei die Gegend - trotz fehlendem Tageslicht - wirklich belebt war. Es befanden sich viele Leute in der Stadt, die wie draußen ganz normal rumliefen, lachten und sich unterhielten. Einige von ihnen hatten sich sogar für ein Leben hier unten entschieden und besaßen eine Wohnung oder ein Haus. Es existierten ganz Läden, wie zum Beispiel Supermärkte und Shopping-Möglichkeiten. Sogar Autos standen hier rum, die man hier wie auch an der Oberfläche benutzen konnte. Es war also wirklich eine ganz normale Stadt - nur ohne Tageslicht. "Weiß eure Regierung hiervon?", erkundigte Aiden sich, als sie gemeinsam eine Straße entlang gingen. Die junge Frau war mehr als froh darüber, dass Aiden zu den eher 'pflegeleichteren' Vampiren gehörte und es nicht mochte, wenn zu viel Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet wurde. Er folgte ihr und ließ den eher skeptischen Blick über die Umgebung schweifen, hielt sich aber stets ruhig und dicht an ihrer Seite. Die misstrauischen Blicke der Menschen, die einen Unsterblichen, der mangels Ring deutlich als Nicht-Mitglied des Zirkels zu erkennen war, nicht guthießen, ignorierte er entweder oder bemerkte sie tatsächlich nicht. Dementsprechend hatten sie auch keinerlei Probleme und Jane würde seinetwegen in nächster Zeit sicher nicht einen Kopf kürzer werden. "Ja, sie weiß Bescheid. Die Regierung selbst ist es auch, die einiges an Geld hier investiert. Schließlich setzt sie einiges daran, dass Nichts an die Öffentlichkeit gelangt", erwiderte die Vampirjägerin auf seine Frage hin und ging zielstrebig durch die Straßen der unterirdischen Stadt. Auch wenn man ihr nicht genau gesagt hatte, wohin sie kommen sollte, so wusste sie ganz genau, wo man sie erwarten und wo man Eldric finden würde. Nach gut fünf Minuten Fußmarsch kamen sie beim Justizgebäude an, welches eines dieser alten Bauwerke war, das typisch hohe Säulen besaß. Hier wurden Urteile gesprochen, Verträge und Bündnisse besiegelt, Aufträge erlassen und entlohnt und vieles mehr. Es bildete das Herzstück des Zirkels und man kam so gut wie nie daran vorbei. „Wir werden erwartet, nehme ich an?", erkundigte Aiden sich, dem man anmerkte, dass er am liebsten so schnell wie möglich wieder verschwinden wollte. "Wir haben keinen offiziellen Termin, aber so wie ich ihn kenne, wird er uns so schnell wie möglich empfangen", meinte die Brünette, als sie Treppen hochging und dann auch schon in der Eingangshalle stand. Der Bereich war gepflegt, aber könnte eine Renovierung vertragen; dunkles Holz, quietschender PVC-Boden und ältliche Vitrinen ließen darauf schließen, dass in den neunziger Jahren zuletzt etwas erneuert worden war. Jane war dieses Bild jedoch gewohnt und sie steuerte sofort eines der drei Empfangspulte an, an dem eine ältere Dame saß und etwas in den Computer vor ihr eintippte. "Hallo Evelyn." Die grauhaarige Frau hielt inne und blickte von ihrem Bildschirm hoch, um über die runden Gläser ihrer Brille hinweg zu blicken und die Brünette mit ihren grauen Augen zu fixieren. "Oh, Jane! Schön, dich hier zu sehen. Es kommt mir vor, als wäre es eine halbe Ewigkeit her, seit du das letzte Mal hier warst", begrüßte sie die Jüngere. "Ich melde dich bei Eldric an. Er hat momentan keinen Termin und sollte dementsprechend zur Verfügung stehen. Du kannst dich ja schon mal zu seinem Büro begeben." "Danke dir. Grüß Matthew von mir", bat die Vampirjägerin und wies Aiden mit einer kurzen Kopfbewegung an, ihr weiter zu folgen. Sie begaben sich ein Stockwerk nach oben und gingen weiter nach hinten, bevor Jane am Eckzimmer stehen blieb und klopfte. Kurz darauf war ein klares 'Herein' zu vernehmen, sodass Jane mit einem Ruck die Flügeltüre öffnete. Ohne zu zögern trat sie ein und erblickte auch schon Eldric der gerade von seinen Dokumenten hochblickte. Sein silbrig-weißes Haar hatte er wie immer gepflegt etwas nach hinten gekämmt und seine schlanke, sehnige Gestalt steckte in einem teuer aussehenden Anzug. Der jungen Frau war der Anblick des eckigen, stets freundlichen Gesichts so vertraut, dass sie jede Falte hätte aufzählen können. Viele gab es davon sowieso nicht, denn das Oberhaupt des Jägerzirkels hatte ein altersloses Antlitz, das vielleicht auch daher rührte, dass er eben nicht alterte. Bei ihrem Eintreten schenkte Eldric den beiden Gästen ein breites Lächeln, das seine spitzen Eckzähne entblößte. Das war nämlich der Grund, aus dem Jane sich so über die Bezeichnung ´Hohes Tier` bezüglich ihres Mentors amüsiert hatte; Dieser war ein Vampir. Es war reinste Ironie, dass diese Untergrundstadt voller Vampirjäger von einer Kreatur angeführt wurde, die all diese Menschen eigentlich jagten und als ihren Feind ansahen. "Jane, Liebes! Welch großartige Überraschung!", begrüßte der uralte Vampir seinen Schützling, nachdem er sich erhoben hatte. Jane verdrehte nur die Augen; als hätte er sie beide nicht selbst hierher zitiert! Dann widmete er sich mit einem ebenso strahlenden Lächeln ihrem Begleiter, der jedoch in einer völlig verkrampften Haltung an der Tür zurückgeblieben war und Eldric misstrauisch beäugte. "Oh, du musst Aiden sein. Ich habe schon einiges von dir gehört... aber ich bin mir sicher, dass es noch so einiges über dich zu wissen gibt, was ich noch nicht weiß! Bitte, setzt euch doch." Das Lächeln erblasste nicht, als Jane sich auf einen der barocken Sessel niedergelassen hatte und Eldric beobachtete Aiden amüsiert, der nur langsam seiner potentiellen Partnerin zu den ihnen angebotenen Stühlen folgte. Auch das Zirkeloberhaupt ließ sich wieder nieder ohne dabei seine Gäste aus den Augen zu lassen. Er stützte sogleich seine Ellenbogen am Holz ab, faltete seine Hände und ließ sein Kinn darauf ruhen, wobei er sich gleich an die beiden wandte. „Es freut mich, dass ihr meine spontane Einladung annehmen konntet.“ „Komm einfach zur Sache“, verlangte die Jägerin, was ihren Mentor eher zu amüsieren denn zu beleidigen schien. Jedenfalls kam er ihrer Aufforderung nach: "Ist es wahr, dass ihr gedenkt, ein Bündnis einzugehen? Wie kommt das?", wollte der ältere Herr mit einem leichten Hauch von Überraschung wissen, worauf Jane leise, aber schwer seufzte und ihre Hand ins Gesicht legte, ehe sie diese wieder sinken ließ und ihren Mentor mit leicht verengten Augen ansah. "Tu nicht so, als würde dich das überraschen, Eldric. Du weißt ganz genau, dass ich den Auftrag will. Du warst es ja persönlich, der jedes meiner unzähligen Gesuche für eine Einzelaktion immer mit einem Grinsen abgewiesen hat!", kam es verärgert über ihre Lippen. "Ach Jane, Liebes. Sei doch nicht gleich so sauer. Du weißt doch: Wir sorgen uns lediglich um deine Sicherheit. Wir können dich unmöglich alleine zu diesem Auftrag losschicken und dabei riskieren, dich zu verlieren", beschwichtigte der Anführer der Vampirjäger die junge Frau und wandte sich dann, weiterhin lächelnd, an ihren Begleiter. "Da ich wohl ahne, wie es meinem Schützling geht und wie sie zu diesem Bündnis steht, würde ich gerne wissen - wenn es dir nichts ausmacht - wie deine Ansichten zu dieser Sache sind." Aidens Mundwinkel hatte ein wenig gezuckt, als Eldric dieselben harschen Antworten von dem Mädchen bekam, die er nun schon gewohnt war, jedoch wurde er wieder ernst, sobald er angesprochen wurde. "Ich denke, das ganze Vorhaben ist sehr gefährlich und es wäre mir lieber, wenn Sie es Jane verbieten könnten", sagte er ehrlich und ohne, dass seine Anspannung in seiner Stimme zu hören wäre. "Allerdings denke ich, dass sie früher oder später auf eigene Faust losziehen wird, und bevor das geschieht, wäre ich lieber an ihrer Seite." Jane, die in Erwartung von Ausflüchten genervt auf der Armlehne ihres Sessels herumgetrommelt hatte, stockte verblüfft. Wie bitte? Hatte sie sich da gerade verhört? Das waren ja ganz neue Töne! Eldric, dem die Gefühlsregung seines Schützlings nicht entgangen war, konnte gar nicht anders, als kurz und leise zu glucksen. „Dann verstehe ich es also richtig, wenn ich behaupte, dass du sie beschützen willst?“, wollte der ältere Vampir wissen, während er sich ein wenig in dem massiven Sessel zurücklehnte und seinen Blick anschließend über die beiden wandern ließ. „Das ist richtig“, stimmte Aiden gelassen zu, als wäre es das Normalste auf der Welt, Menschen beschützen zu wollen, die man gerade Mal eine Woche lang kannte. Dabei konnte Eldric eine Regung von Jane registrieren, weshalb er sofort die Hand hob um sie davon abzuhalten, etwas zu sagen. Er konnte sich immerhin gut vorstellen, dass sie die Wortwahl ihres Begleiters kritisieren wollte. Diese Gelegenheit nutzte Aiden, um das Wort zu ergreifen, wobei er Jane einen kurzen Blick zuwarf, ehe er wieder den anderen Mann ansah. "Wissen Sie, wer der Killer ist?" „Bitte, nenn mich ruhig Eldric. Du brauchst mich nicht so höflich anzusprechen. Immerhin sind wir hier so etwas wie… Unter Gleichgesinnten“, meinte das Oberhaupt fast schon belustigt. „Danke, Eldric“, beharrte Aiden auf genau demselben steifen Ton wie zuvor. Das Zirkeloberhaupt ließ das Thema fallen und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich einen Moment später ein wenig. Schließlich war der Fall, den Jane sich ausgesucht hatte, alles andere als einfach und eine gewisse Anspannung war diesbezüglich geboten, weil das Wohl der Vampirjäger auf dem Spiel stand, die diese Mission annahmen. Kurz seufzte der ältere Herr auf, ehe er mit ein paar kurzen Bewegungen in eine Schreibtischschublade zu seiner Rechten griff und eine beigefarbene, dickere Mappe herausnahm, die er auf den Schreibtisch legte. Man erkannte schnell, dass darin sämtliche Informationen waren, die man im Bezug zu dem Auftrag hatte. „Ja. Wir wissen über die wichtigsten Details dieser… Person Bescheid. Jedoch kann ich nicht mehr verraten, denn du weißt genauso gut wie ich, was wohl eine gewisse junge Dame tun würde, wenn sie den Namen und die Hintergründe der besagten Person herausfände“, sprach er mehr an Jane gewandt als an denjenigen, der die Frage gestellt hatte. Diese schnaubte dann auch leise und stand ruckartig auf, um ihren Unmut kundzutun. „Es ist ja nicht so, dass ich mich gleich im nächsten Moment kopflos da reinstürze! Außerdem siehst du doch, dass ich daran arbeite, Aiden als Partner zu gewinnen. Was willst du noch?!“, wandte die Brünette ein und musste dem Drang wiederstehen, auch noch mit dem Fuß aufzustampfen. Immerhin juckte es sie schon seit Wochen in den Fingern und die ganze Ungeduld, die ganze Wut durchfuhr ihren Körper, als sie die Mappe gesehen und Eldrics Worte gehört hatte. „Jane…“, redete Aiden sie sanft, aber belustigt an, was sie jedoch ignorierte. „Beruhige dich, Jane. Du weißt, dass ich dir mein Wort gegeben habe, dass wir alles in unserer Macht stehende tun, damit du ihn sehen kannst, bevor wir ihn zur Strecke bringen – Und du weißt, dass ich meine Versprechen einhalte“, beschwichtigte der Anführer die junge Frau, woraufhin diese die Arme vor der Brust verschränkte und leise schnaubend wieder in den Sessel sank. „Du weißt ganz genau, dass es mir nicht reicht, wenn ich ihn nur sehen darf“, murmelte die Vampirjägerin leise, worauf der alte Vampir jedoch nicht einging. Stattdessen wandte er sich wieder an Aiden und lächelte ihn freundlich an. „Darf ich einen Vorschlag machen?“, wollte er wissen, wobei sich das Lächeln in dem Moment in ein schelmisches Grinsen verwandelte. „Wie du vielleicht gemerkt hast, liegt mir mein persönlicher Schützling sehr am Herzen und ihr Wohl – Natürlich nicht nur ihres, sondern das aller Vampirjäger – Steht an oberster Stelle. Und da Jane einen so überaus geeigneten ´Partner` gefunden hat, wäre es mir mehr als lieb, wenn euer Bündnis auf… Nun ja… Eine längere Zeit und nicht nur auf einem Auftrag basieren würde.“ „Eldric!“, rief Jane dann auch sofort laut, als sie verstanden hatte, worauf ihr Mentor hinaus wollte. Das konnte doch unmöglich sein Ernst sein! Aiden schien den beiden Zirkelmitgliedern nicht ganz folgen zu können. Fragend sah er zu Jane, ehe er leicht sarkastisch sagte: „Es freut mich zu hören, dass Sie mich für so geeignet halten.“ – Das war ein durchaus berechtigter Einwand, immerhin hatte er in Eldrics Gegenwart kaum zehn Worte gesagt – „Allerdings muss ich klarstellen, dass ich sowieso gedachte, Jane so lange zu beschützen, wie es in meiner Macht steht. Mit oder ohne Vertrag.“ Die Brünette hatte das Gefühl, im falschen Film zu sein, als sie dieses ´wahre` Vorhaben hörte. Beinahe wäre sie vom Stuhl gefallen, als sie ruckartig und mit geweiteten Augen den Kopf zu ihrem Stalker drehte. Einen kurzen Moment herrschte Stille und die brauchte Jane auch, um das Ganze sacken zu lassen. Nachdem sie sich endlich ein wenig gefasst hatte, wandte sie sich von ihrem Pseudo-Kommilitonen ab und stattdessen wieder an ihren Mentor. „Eldric, ich halte das nicht für eine gute Idee. Du weißt ganz genau, dass ich alles andere als gut mit Vampiren auskomme. Wenn du jetzt auch noch versuchst, mich mit dem Eid an einen zu binden, dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie das ausgehen wird“, sprach die Vampirjägerin offen, wobei sie Aiden keines Blickes würdigte. Sie konnte ihn im Moment einfach nicht anschauen – Nicht, nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte und sie anscheinend wirklich beschützen wollte. „Aber das ist doch gerade der Sinn dieser Sache. Du könntest versuchen, dich ihnen ein wenig auf zwischenmenschlicher Basis zu nähern“, erwiderte Eldric und stützte seine Ellbogen auf seinem massiven Schreibtisch ab, während er seinen Kopf in der Innenseite seiner Hand ruhen ließ. „Außerdem könntest du so mehr Aufträge erfüllen und der Zirkel müsste sich nicht andauernd so viele Gedanken um deine Sicherheit machen.“ Gerade, als Jane den Mund aufmachen und wiedersprechen wollte, schnitt der alte Vampir ihr das Wort ab, indem er mit der rechten Hand eine kurze Bewegung machte und sie mit seinem Blick fixierte. „Muss ich dich daran erinnern, wie wir vor drei Jahren drei Leute losschicken mussten um dich aus der Themse zu fischen, weil du dein Opfer sogar bis in den Fluss gefolgt bist? Oder als du vor einem halben Jahr völlig erschöpft hier aufgetaucht bist, weil du zwei Tage und Nächte lang kein Auge zugemacht hast, als du einem Vampir nachgestellt hast? Oder als…“ „Okay! Okay! Ich gebe zu, ich übertreibe manchmal!“, unterbrach die Brünette den Anführer, während sie sich schwer seufzend die Schläfe massierte und kurz die Augen schloss. Wundervoll. Jetzt waren die Chancen, den bekloppten Vampir loszuwerden, der scheinbar auf ihre Sicherheit versessen, gegen Null gesunken. „Dennoch… Ist so ein Vorschlag wirklich nötig?“ Nachdem die junge Frau die Worte ausgesprochen hatte, öffnete sie die Augen und schielte zu Aiden, der wohl nicht wusste, worum es sich bei dem Eid eigentlich handelte und momentan nur Bahnhof verstand. „Das kommt ganz darauf an, wie dein potentieller Partner das sieht, Liebes“, meinte Eldric schlicht und wandte sich dann wieder dem jüngeren Vampir zu. Jedoch fiel sein Blick auf die Uhr, die über der Flügeltür tickte, bevor er zu weiteren Erklärungen ansetzen konnte, und er seufzte schwer. „Ich möchte dieses Gespräch nur ungerne unterbrechen, doch da nun eine wichtige Ratssitzung bevorsteht, müsst ihr mich entschuldigen. Jedoch weiß Jane genug über diesen Eid, sodass ich es ihr überlasse, dir in Ruhe alles zu erklären.“ Mit diesen Worten erhob sich der ältere Herr, klemmte die Auftragskarte und seine Achsel und schritt langsam zur Tür. „Ich wäre froh, wenn ihr euch das gut überlegt, bald eine gemeinsame Entscheidung trefft und mir Bescheid gebt“, wies Eldric die beiden an und öffnete die Tür, um nach draußen zu schreiten. Jedoch hielt er nochmal kurz inne und blickte zurück, um Jane ein schelmisches Lächeln zuzuwerfen. „Ach ja, da fällt mir ein… Wenn dieser Eid geschlossen würde, dann würde einer Beförderung von drei Rängen nichts im Wege stehen, Jane.“ Bevor die Angesprochene überhaupt noch etwas sagen konnte, war das Oberhaupt des Zirkels auch schon komplett durch die Tür verschwunden, sodass die junge Frau nur komplett fassungslos auf den Boden starren konnte. Glücklicherweise brauchte Aiden wohl ebenfalls ein paar Minuten, um das Gesagte richtig aufnehmen zu können. Schließlich hatte die junge Frau keinesfalls mit einer solchen Wendung der Sache gerechnet, als sie sich mit ihrem potentiellen Partner auf den Weg hierher gemacht hatte. Hätte sie auch nur annähernd geahnt, in welche Richtung das Ganze sich wenden würde, hätte sie alles daran gesetzt, dieses Treffen zu verhindern. „Ich möchte, dass du mir ein paar Dinge erklärst, Jane“, verlangte Aiden sanft, gerade, als die Brünette sich ein wenig gefangen hatte. Er sah aus dem Fenster auf den Hinterhof des Gebäudes und hatte die Arme verschränkt. „Warum ist es dir egal, ob du stirbst? Wie kann es sein, dass deine Mitmenschen sich mehr Sorgen um dich machen als du selbst?“, begann er mit einer Frage, die nichts mit dem Eid zu tun hatte, wie Jane eigentlich erwartet hätte. Diese Worte warfen sie verständlicherweise ein wenig aus der Bahn, verübeln konnte sie sie ihm nach Eldrics Erzählungen jedoch nicht. „Es ist mir natürlich nicht egal, ob ich draufgehe oder nicht. Es ist nur so, dass ich – Zum Leidwesen meiner Mitmenschen und des Zirkels – Meine Sicherheit gerne vernachlässige, wenn es darum geht, Vampire zu jagen. Es ist halt so, dass ich… Seit meinem Betritt in den Zirkel ein bestimmtes Ziel verfolge“, gab die Vampirjägerin zu, wobei sie für einen kurzen Moment schwieg. Sie dachte darüber nach, ob und wie sie das Ganze ausführen sollte, doch schaffte sie es nicht. Sie war wohl einfach noch nicht dazu bereit, darüber zu sprechen. Dementsprechend war sie ganz froh, als er das Thema wechselte. „Von was für einem Eid hat Eldric gesprochen?“, wollte er wissen. „Was sind die Bedingungen? Was ist so anders an der Partnerschaft, die du vorgeschlagen hattest? Und wieso glaubst du, es wäre besser für dich?“ Das war ein unverhältnismäßig leichteres Thema, das sie ihm beantwortete, während ihr Ellbogen auf der gepolsterten Armlehne und ihr Kopf mit geschlossenen Augen in der Hand ruhten. „Es ist ein Eid, der – Wie Eldric es genannt hat – Für eine längere Zeit andauert, wobei das noch milde ausgedrückt ist. Im Gegensatz zu dem Vertrag, den ich dir angeboten habe, dauert dieser Eid ein Leben lang. Ist dieser einmal geschlossen, kann man ihn nicht so schnell wieder lösen“, fuhr sie fort, ehe sie langsam die Augen öffnete und den Sessel auf dem Eldric zuvor gesessen hatte mit einem stechenden Blick beinahe durchbohrte. „Wir würden einen Eid vor dem hohen Rat ablegen, in dem wir schwören, dass wir die Existenz des Zirkels geheim halten, wir einander so gut es geht schützen und die Sicherheit des jeweils anderen nicht unnötig gefährden.“ Die Vampirjägerin hielt nach diesen Worten inne, da ihr der folgende Part nicht so einfach von der Zunge gehen wollte. Immerhin konnte man das auch missverstehen. „Zudem würden wir uns noch speziell angefertigte Ringe anstecken und ein Armband umbinden, welches besondere Funktionen besitzt, die sehr nützliche sein können.“ „Das klingt ja interessant“, meinte Aiden, jetzt wieder amüsiert. „Soll ich dir dann einen Ring besorgen? Wie viel Karat hättest du gerne?“ Sie brachte ihn mit einem finsteren Blick zum Schweigen. „Die Ringe sind vorgefertigt und passen zueinander. Jedoch ist das eher Nebensache, da das aus rein praktischen Gründen getan wird. Viel wichtiger sind die Bedingungen, die man für den Eid erfüllen muss. In unserem Fall wäre das dann nur noch deine Aufgabe: Der Verhaltenstest. Darin werden dir Fragen gestellt, damit man deine Psyche beurteilen und sichergehen kann, dass du zurechnungsfähig bist und nicht gleich auf deinen Partner losgehst, wenn du mit ihm oder ihr alleine bist. So einen Test müsstest du auch machen, wenn du nur zeitweise mit mir zusammenarbeiten möchtest.“ „Nun, ich denke, wenn ich mich auf dich hätte stürzen wollen, hätte ich das bereits tun können, nicht wahr?“, fragte er lächelnd, aber irgendwie auch ein wenig versonnen. „Du hättest es gewiss tun können, aber wer weiß, ob du nicht einen perfiden Plan verfolgst, den du bisher – Aus welchen Gründen auch immer – Nicht ausführen konntest?“, erwiderte die Vampirjägerin nüchtern und zuckte leicht mit den Schultern. Es war nicht so, dass sie Aiden das wirklich zutraute, doch es bestand immer eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sein Verhalten und all sein Tun nur einem gewissen Zweck dienten, der ihren Tod bedeuten konnte. Dementsprechend war es sicher nicht falsch, ihren potentiellen Partner zu diesem Verhaltenstest zu schicken – Einfach nur, um sicher zu gehen und später nichts zu bereuen. Aiden dagegen schien das für so absurd zu halten, dass er auflachte und den Kopf schüttelte, ehe er freimütig erklärte: „Mein ´perfider Plan` ist es, dich kennenzulernen und, wenn möglich, deinen Tod zu verhindern, Jane.“ Jane empfand sein Amüsement als ziemlich unpassend, beschloss aber, es ihm nicht unter die Nase zu reiben. „Das sagst du jetzt, aber wer sagt mir, wie das in fünf Minuten, heute Abend oder Morgen aussieht? Vielleicht wartest du auf irgendwas“, erwiderte sie schlicht, ehe sie auch mit einer abwinkenden Handbewegung andeutete, dass sie das Thema lieber abhaken sollten. „Lassen wir das. Wir können endlos darüber diskutieren und würden nicht von unserem Standpunkt abkommen. Von daher lassen wir es einfach, wie es ist und führen diese… Beziehung fort wie gehabt.“ Aiden gab ein zustimmendes Geräusch von sich und sah eine Weile schweigend aus dem Fenster, ehe er sich nach ihr umwandte und sie forschend anblickte. „Und glaubst du, du schaffst es, mir zu vertrauen?“ Er sprach das mit einem unglaublichen Ernst aus, der deutlich machte, wie wichtig ihm dieser Aspekt war, doch Jane konnte nicht anders, als kurz aufzulachen. Sie stand auf und blickte ihn zwar mit verschränkten Armen, dafür aber offenem Blick an. „Genau deshalb ist der Vertrag für einen einzigen Auftrag für mich besser. Ich weiß nicht, ob ich dir jemals vertrauen kann“, erwiderte sie ehrlich, ohne den Blick abzuwenden. „Ich meine… Ich habe noch nie einen Vampir getroffen, der so war wie du.“ Er zog leicht die Brauen hoch. „Hast du, abgesehen von Eldric und mir, überhaupt schon mal einen Vampir ´getroffen`? Also mit ihm gesprochen?“, erkundigte er sich höflich, aber auch ein wenig tadelnd. „Nicht wirklich, nein. Es gibt zwar genug Vampire hier im Zirkel, die sich mit einem Vampirjäger zusammengetan haben, doch wirklich unterhalten habe ich mich noch nie mit ihnen. Ich bin – Wie du ja dank deines Informanten bereits weißt – Nicht unbedingt die Gesprächigste hier“, teilte Jane ihm ehrlich mit und lehnte sich seitlich an die Rückenlehne ihres Barocksessels, in dem sie vor wenigen Minuten noch gesessen hatte. „Und die restlichen Vampire, die ich bisher getroffen habe, waren blutrünstig oder mordlustig, sodass ich gar nicht wirklich mit ihnen sprechen konnte.“ „Sie waren blutrünstig, weil sie gejagt und getrunken haben, Jane. So ist jeder von uns im Blutrausch“, erklärte er sanft, womit er zugab, selbst keine Ausnahme zu bilden, womit sich ihre Vorsicht von vorhin wohl wieder begründete. „Vielleicht wäre es anders, wenn du im normalen Leben mit ihnen geredet hättest… Vielleicht auch nicht“, fügte er mit einem seltsamen Lächeln, das sie nicht ganz nachvollziehen konnte, hinzu. Jane reichte es jetzt mit dem Tadel über ihre Pauschalisierung von Vampiren. Natürlich war es nicht gut, dass sie alle in einen Topf warf, doch wenn sie alle ihre Handlungen hinterfragte und die Blutsauger ´vermenschlichte`, würden alle ihre Überzeugungen wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Entsprechend wollte Jane gar nicht weiter darüber nachdenken, sondern einfach wie gehabt weiteragieren. Außerdem konnte sie den Hass, den sie seit zehn Jahren sorgfältig kultivierte und der ihre treibende Kraft war, nicht von heute auf morgen verpuffen lassen. Es würde wohl noch eine ganze Weile dauern, bis sie diesen endlich vollständig verarbeitet hatte und sie ihn los wäre. „Dir können doch andere Vampire egal sein. Zumal du mir nicht erzählen kannst, du seist normal. Ein nachstellender Vampir, der mich anscheinend aus irgendwelchen mir unerklärlichen Gründen beschützen möchte, der mich offensichtlich davon abbringen will, das Dasein als Vampirjägerin weiter zu führen und der so etwas wie… eine zwischenmenschliche Beziehung aufbauen will. Dementsprechend kann ich nicht sagen, ob ich dir jemals so etwas wie vertrauen entgegen bringen ka…“ Sie hielt plötzlich inne und runzelte die Stirn, da Eldric kurz vor ihrem inneren Auge aufflackerte. Wie war das eigentlich mit ihm? Vertraute sie ihm? In gewisser Weise schon, aber es war auch nicht unbedingt das typische Vertrauen, welches man einander schenkte wenn man sich mochte. Ihr Mentor unterschied sich einfach von den anderen, blutrünstigen Wesen – So wie auch Aiden – Und setzte sich sehr für das Wohl der Menschen ein. Er verhielt sich sogar beinahe wie ein Mensch, indem er sich ihnen anpasste und seine Instinkte so gut wie möglich unterdrückte. Dementsprechend hatte sie sich an ihn gew… Oh! Das war es. Sie hatte sich nach all den Jahren an Eldric gewöhnt! Nachdem sie sich wieder gefangen und ihre momentane Antwort gefunden hatte, räusperte sie sich kurz und begann erneut: „Ich kann dir nicht sagen, ob ich dir jemals vertrauen kann. Jedoch ist es durchaus möglich, dass ich mich an dich gewöhne – So, wie ich es bei Eldric getan habe.“ „Gewöhnen… Kein Wunder, dass dir dieser Pakt nicht gefällt, wenn er lediglich auf einer erzwungenen Gewöhnung basieren soll“, meinte Aiden recht trocken. „Weißt du… Ich glaube, du übersiehst in deiner Ablehnung gegen Eldrics Plan, dass ich hinter dir stehe, egal, für was du dich entscheidest. Du musst dich nicht dazu gezwungen fühlen, diese dauerhafte Partnerschaft einzugehen, weder von mir noch von deinem Mentor. Und mit dieser Freiheit kannst du dir doch überlegen, welche Option die Bessere für dich ist. Es wäre unklug, kurzsichtig nein zu sagen, weil dir der Gedanke missfällt. Vielleicht bringt es dich ja weiter? Ich kenne mich damit nicht aus, das musst du selbst entscheiden. Aber gib dir doch die Zeit, das bewusst zu tun“, riet er und lächelte sie ermutigend an. Jane blickte ihn ziemlich verwirrt und überrascht an, ehe sie ihren Blick langsam von ihm abwandte und auf den Boden blickte. Er stand hinter ihr, egal, für was sie sich entschied…? Sie konnte einfach nicht fassen, was sie da gerade zu hören bekam. Er drängte sie nicht, wollte ihr den Freiraum lassen, den sie für diese Entscheidung benötigte, und machte sich augenscheinlich viel mehr Gedanken um sie, als die Vampirjägerin bisher angenommen hatte. Kurz atmete die Brünette durch, wobei sie nicht umhin kam zu merken, wie ihre Mundwinkel flüchtig zuckten und sich für einen kleinen Augenblick zu einem Lächeln formten. Jedoch erblasste dieses so schnell wie es erschienen war. „Danke“, flüsterte sie kaum hörbar, ehe sie sich vom Sessel abstieß und sich direkt mit verschränkten Armen vor dem Vampir platzierte. Dabei sah Jane ihm direkt in die Augen – Diesmal ohne Hohn, Spott oder Hass, sondern einfach mit aufrichtiger Neugierde. „Wie sieht deine Meinung diesbezüglich aus? Was bewegt dich dazu, dich mir anzupassen? Was springt für dich raus? Einfach Langeweile kann es unmöglich sein, oder?“ „Für mich springt dabei deine Gesellschaft raus, Jane, auch, wenn du das nicht als überaus erstrebenswerten Preis akzeptieren willst“, erklärte er mit einem kleinen Lächeln, das langsam schwand, während er offensichtlich mit seinen nächsten Worten haderte. „Außerdem geht es mir um deine Sicherheit. Ich möchte nicht… Ich kann dich nicht… Wenn du sterben würdest…“ Sie wollte unwillkürlich die Hand auf seinen Oberarm legen, ihm ein wenig Wärme spenden und ihn beruhigen. Jedoch hielt sie mitten in der Bewegung inne, da sie es noch nicht über sich brachte, ihn freiwillig zu berühren. Ob es nun eher aufgrund der Unsicherheit war oder am Ekel lag, war etwas, über das sich die Brünette lieber keine Gedanken machen wollte. Stattdessen senkte sie ihre Hand wider und wandte sich von ihm, sodass sie nun seitlich zu ihm stand. „Du musst nicht weiter antworten wenn du nicht willst, oder nicht kannst…“, sagte sie ungewohnt sanft, da sie das Gefühl nur zu gut kannte. Schließlich hatte auch sie einiges, über das sie noch nicht reden konnte. Sie wandte sich dann auch ganz von Aiden ab, um ihm nicht zu zeigen, dass sie mit ihm mitfühlte und sogar so etwas wie größere Sympathie für ihn hegte. Auch der Vampir wich etwas von ihr zurück, wobei er jedoch seine gleichmütig-freundliche Tonlage langsam wieder zurückerlangte, als er sagte: „Ich… Nein… Ist schon gut. Frag ruhig, wenn du etwas wissen willst.“ Dieses Thema würde sie sicher nicht so schnell wieder anschneiden; Es war kein angenehmer Anblick, einen so großen und muskulösen Mann beinahe zusammenbrechen zu sehen wegen einer einfachen Frage und da er ihre Geheimnisse akzeptierte, würde auch sie das bei seinen tun. Trotzdem nickte sie, als sie sich zur Tür begab, welche sie öffnete ehe sie über die Schulter zu ihm zurückblickte. „Da wir alles besprochen haben und uns hier eigentlich nichts mehr hält, wäre ich dafür, wenn wir die Lokation ändern. Außerdem gibt es noch ein paar Dinge, die ich besorgen könnte, wenn wir ohnehin schon hier sind“, sagte die Brünette auffordernd und verließ dann mit ihrem Begleiter das Justizgebäude. „Ich werde mich noch kurz am schwarzen Brett erkundigen und bei den Waffen- und Ausrüstungsgeschäften vorbeischauen. Da deine Pflicht erfüllt ist, musst du mir nicht weiter folgen, wenn du nicht willst. Ich könnte dich wieder zum Lift bringen, damit du nach Hause kommst“, meinte die Vampirjägerin und legte den Kopf schief, während sie Aiden abwartend musterte. Dieser sah sie kurz ein wenig abwesend an – So ganz auf der Höhe war er wohl doch noch nicht wieder – Dann schüttelte er den Kopf. „Ich würde mich gerne noch etwas umsehen, wenn das ginge.“ Irgendwie hatte sie sich ja denken können, dass er nicht so schnell verschwinden wollte. Schließlich hatte er – In der kurzen Zeit, in der sie sich kannten – Nur zu oft deutlich gemacht, wie sehr er es mochte, bei ihr zu sein. Ob es nun an ihrem Blut, ihrem Geruch oder sogar an ihrem Beruf lag, sollte dahingestellt sein: Natürlich hatte Jane brennend interessiert, weshalb er so erpicht darauf war, sie zu beschützen und sie besser kennenzulernen, doch hatte sie in dem Gespräch vorhin gemerkt, dass er anscheinend auch seine Gründe hatte, die er nicht aussprechen wollte. Solange er keine Anzeichen für Gefahr machte, würde es die Brünette vorerst dabei belassen und nicht versuchen, weiter auf diesem Thema herumzureiten oder ihn zu töten. Schließlich brauchte sie ihn noch – Ob nun über kurze oder längere Zeit, würde sich bald zeigen. Mit einem kleinen Nicken deutete sie die Richtung an, in die sie gehen wollte und schlenderte mit dem Vampir über die Straßen der unterirdischen Stadt. „Da du möglicherweise mein Partner wirst und du es mir angeboten hast, Fragen zu stellen, würde ich gerne wissen, ob du irgendwelche sonstigen Fähigkeiten besitzt? Die ´normalen` Fähigkeiten wie Stärke, Geschwindigkeit, der hypnotische Blick und die schärferen Sinne sind mir bekannt, aber… Besitzt du sonst vielleicht noch irgendeine Kraft, über die man Bescheid wissen sollte?“, fragte die Vampirjägerin, bevor sie vor einem größeren, mehrstöckigen Gebäude ankamen. Sie betrat dieses und ging direkt auf einen der fünf Aufzüge zu und betätigte den Knopf für den vierten Stock. Um dorthin zu gelangen, musste sie ihren Ring erneut in eine kleine Einbuchtung drücken. Als sie nach oben fuhren, beantwortete Aiden Janes Frage mit einem Zwinkern: „Ich bin betörend charmant… Nein, ich muss dich leider enttäuschen. Du hast dir einen ganz normalen Feld-, Wald- und Wiesenvampir als Partner geangelt.“ Für einen Moment hätte Jane fast lauthals losgelacht, doch das hätte wohl zu viel Aufsehen erregt und es hätte nicht unbedingt zu ihr gepasst, also unterdrückte sie den Drang und ließ es lediglich zu, dass ihre Mundwinkel kurz zuckten. Nun gut, immerhin wusste sie jetzt, dass keine unbekannten Überraschungen auf sie zukommen würden, wenn sie – Wenn es denn dazu kam – Mit ihm kämpfen würde. Immer vorausgesetzt, Aiden log nicht, denn die Jägerin vertraute dem Vampir natürlich immer noch nicht völlig. Als der Lift zum Stillstand kam, verließ die junge Frau diesen und öffnete erneut eine größere Flügeltür. Zum Vorschein kam ein belebter Saal, in dem sich zehn schwarze Digitaltafeln, unzählige Aktenschränke und fünf Schreibtische befanden, an denen jeweils eine Person saß und die Auftragsdokumente an die Jäger aushändigte. Auf den Tafeln stand ganz oben der entsprechende Rang, den man innehaben musste, um die aufgelisteten Aufträge ausführen zu können. Die Missionen standen akribisch liniert auf dem Bildschirm, wobei diese jeweils alle zwei Minuten weggewischt und durch die nächste Seite ersetzt wurden. Dies geschah in einer Endlosschleife, sodass man irgendwann wieder beim ersten Ausschrieb ankam. Die Aufträge standen jeweils mit einer Headline auf dem Bildschirm, wobei rechts die Belohnung und ein Code zu sehen waren, den man benötigte, um die Dokumente für den Auftrag zu erhalten. Schweigend stellte sich Jane vor den Rang-12-Bildschirm, um sich die Liste anzusehen. Gerade, als sie bei der letzten Linie angekommen war, gesellte sich ein weiterer Vampirjäger zu dem ungleichen Gespann. Der schwarzhaarige Mann mittleren Alters war nicht so groß wie Aiden, hatte aber ebenfalls breite Schultern und Hände, die offensichtlich zugreifen konnten. In seinen braunen Augen lag ein amüsiertes Glitzern, das Jane zu ignorieren versuchte, indem sie den Blick weiterhin auf die Auftragstafel gerichtet behielt. „Lässt du dich also auch mal wieder blicken, Kleines?“, sprach der Ältere Jane an, als er merkte, dass von ihrer Seite aus nichts kommen würde. Während sich auf seinen Lippen ein Schmunzeln bildete, verdrehte die Angesprochene nur die Augen. Erst jetzt fiel die Aufmerksamkeit des Jägers auf den Begleiter der jungen Frau und er staunte ziemlich, nachdem er Aiden kurz gemustert hatte. „Ein Vampir? Bei dir?“ Ein schweres Seufzen entwich den Lippen der Brünetten, ehe sie kurz nickte. „Das ist Aiden. Aiden, das ist Lucas“, stellte sie die beiden vor. „Und ja, er ist ein Vampir und mein… Potentieller Jagdpartner. Jedoch ist noch nichts offiziell und wir sind noch in der Entscheidungsphase.“ Lucas hielt dem Vampir höflich die Hand hin, wobei er nicht anders konnte, als zwischen den beiden immer mal wieder hin- und herzusehen. „Erstaunlich. Ich hätte so etwas niemals für möglich gehalten. Ich meine… Als wir uns vor fünf Jahren zusammengetan haben, warst du nicht begeistert und nun… Ein Vampir? Wie kommt es?“, wollte er wissen. Eigentlich hatte Jane gehofft, dass sie sich trotz der lebendigen Atmosphäre in der Auftragszentrale in Ruhe umsehen konnte, doch Lucas belehrte sie eines Besseren. „Es hat sich halt einfach so ergeben. Außerdem findet es Eldric eine… Wie nennt er es immer? Ah ja. Er findet es eine höchst interessante Idee und Möglichkeit, die neue Türen öffnet“, erklärte die junge Frau schlicht und zuckte die Schultern. Daraufhin lachte der fast vierzigjährige Vampirjäger nur und wandte sich an den Vampir. „Und du… Du setzt sie doch nicht mit irgendwelchen Mitteln unter Druck, oder? Oder hast du ihr möglicherweise sogar etwas ins Essen oder ins Getränk getan?“ Natürlich meinte er das nur als Scherz und so, wie sie Aiden bisher kennengelernt hatte, hätte sie das für genau seinen Humor gehalten. Jedoch hatte der Untote nur ein gleichgültiges Lächeln für den ihm fremden Jäger übrig und auch seine Körperhaltung wirkte zwar entspannt, aber abweisend gegenüber dem anderen Mann. Er fühlte sich nicht bedroht, hielt aber auch nichts von Lucas, das sah man ihm deutlich an. „Sie hat mich um meine Hilfe gebeten, es besteht kein Grund zur Sorge“, erklärte er kurz angebunden. „Und selbst wenn ich sie erpressen würde, würde ich es dir wohl kaum sagen, nicht wahr?“ „Wohl nicht“, gestand der ältere Vampirjäger grinsend. Dieses Gespräch war für Aiden scheinbar beendet, denn er wandte sich wieder an die Dame ihrer Runde, die er in deutlich freundlicherem Tonfall ansprach: „Ihr habt zusammen gearbeitet?“ Lucas schmunzelte, was die junge Frau mit einem bösen Blick strafte. Jedoch merkte sie schnell, dass er keine Anstalten zu einer Erklärung machte und das voll und ganz ihr überließ. „Vor fünf Jahren wütete ein Vampir, der von der breiten Öffentlichkeit als ´normaler` Serienkiller eingestuft wurde. Da ich damals noch sehr jung war und der hohe Rat es als Risiko ansah, mich alleine loszuschicken, sollte ich den Auftrag mit Lucas erledigen“, erzählte die junge Frau, wobei sie einen gewissen Teil ganz absichtlich aus ließ. Natürlich mischte sich der ältere Vampirjäger ein, um genau diesen Part beizusteuern. „Das Beste an diesem Auftrag war aber der Part mit dem Stromausfall. Sie hat so heftig mit dem Vampir gekämpft, dass sie mit ihm gegen einen Strommast geknallt ist und gleich den Stromkasten zerstört hat. Die ganze Gegend hatte für die nächsten 24 Stunden keinen Strom mehr!“ „Sehr… Amüsant“, antwortete Aiden trocken, der für einen Moment angespannt die Augen schloss, als könnte er nicht fassen, dass der andere Mann zugelassen hatte, in was für eine Situation Jane sich begeben hatte. Während Lucas so frei und grinsend erzählte, schnaubte die Wirtschaftsstudentin verächtlich. Sie wollte ihm einen Tritt gegen das Schienbein verpassen, doch er wich gewandt zur Seite aus. „Na ja, auch, wenn sie so impulsiv und temperamentvoll ist, sie macht ihre Arbeit überaus gut“, lobte Lucas sie, wobei er frech grinste und ihr beim Vorbeigehen durch die Haare wuschelte. „Solltest du also mal wieder jemanden brauchen, sag Bescheid, Kleines.“ Ohne auf eine weitere Reaktion von Jane zu warten, begab er sich zu den Aktenarbeitern, um sich die benötigten Informationen für seinen Auftrag zu holen. Leise seufzte die Brünette auf, während sie sich die Haare richtete und wieder in Richtung Ausgang begab, da sie keinen interessanten Auftrag hatte erblicken können – Was wohl auch daran lag, dass sie sich zu sehr auf den Auftrag fixierte und die anderen Missionen regelrecht übersah. „Du bist wahrscheinlich ziemlich gut versichert“, bemerkte Aiden schmunzelnd, der ihr natürlich aus dem Raum folgte. „Ich wäre dumm, wenn ich es nicht wäre“, erwiderte Jane schlicht und zuckte leicht mit den Schultern. Das ersparte ihr nach jedem Auftrag so einiges. Außerdem konnte sie stets davon ausgehen, dass sie gut behandelt wurde, weil sie überall privatversichert war. Sie verließen das Gebäude und machten sich auf dem direktesten Weg in den Waffen- und Ausrüstungsdistrikt, in dem sich unzählige Läden befanden. Auf dem Weg dorthin wandte sie sich an ihren Begleiter, da sie in der Ferne die sogenannte ´Blutbank` erblicken konnte, bei der sich die Vampire des Zirkels mit ihrer Nahrung versorgen konnte. Das zweistöckige Gebäude hatte etwas von einem Krankenhaus, was wohl daran lag, dass beim Blutabnehmen natürlich sterile Verhältnisse herrschen mussten. Außerdem konnten dort kranke, beziehungsweise verletzte Blutsauger versorgt werden und die Konserven wurden direkt vor Ort gelagert. „Denkst du, du wärst in der Lage, dich ausschließlich von Blutkonserven zu ernähren?“, wollte Jane von Aiden wissen, weil diese Versorgungsstation ihre Gedanken zu seiner weiteren Ernährung gebracht hatte. Dass er als ihr Partner weiterhin Menschen tötete, stand schließlich nicht zur Debatte. Aiden folgte ihrem Blick und musterte das Gebäude nachdenklich, wobei sich seine Nüstern ein wenig blähten, gerade so, als könne er über einen halben Kilometer den Blutgeruch wahrnehmen, der von dort aufstieg. Aber wer wusste schon, was er so alles konnte… „Ich weiß nicht“, antwortete er ehrlich, aber scheinbar wenig begeistert bei der Erinnerung an die Kostprobe von letztens. Dann fiel sein Blick wieder auf Jane und ein kleines Lächeln teilte seine Lippen. „Aber ich schätze, ich kann es versuchen.“ „Es ist nicht so, als müsstest du dich ausschließlich davon ernähren, wenn wir den Pakt eingehen“, erklärte die Brünette, als sie weiterging und einen bestimmten Laden auf der Straße ansteuerte. Diese erinnerte auf den ersten Blick an eine normale Einkaufsmeile, auf den zweiten offenbarte sich jedoch das ungewöhnliche und ziemlich silberlastige Angebot. Es verkauften jedoch bei weitem nicht alle Läden ausschließlich die Messer, mit denen Jane so gerne arbeitete. Diese fuhr jetzt auch in ihren Ausführungen fort: „Man könnte dir die Beutel für ein gewisses, verhältnismäßig sehr kleines Entgelt zur Verfügung stellen. Jedoch steht es dir frei, weiter zu jagen – Einfach mit der Restriktion, nicht zu töten.“ Bestimmt konnte der Vampir sich vorstellen, welche Ernährungsweise Jane bei ihm bevorzugen würde, jedoch würde sie ihm ihre Meinung in dieser Hinsicht nicht aufzwingen. So sensibel war sie noch. „Das ist… Schwierig“, sagte Aiden langsam und sah sie unsicher an. „Es liegt einfach in meiner Natur, Jane…“ „Verstehe.“ Mehr konnte sie zu dem Thema nicht sagen, schließlich hatte sie als Mensch kein solches Problem, sodass sie ihm keine Tipps oder sonstigen Dinge geben konnte, die ihm weiterhalfen. Womöglich würde die junge Frau aber ein paar Recherchen anstellen, falls es tatsächlich zu dem Eid kommen würde. Schließlich wollte sie nicht, dass ausgerechnet ihr Partner bei diesem Thema scheiterte und sie wegen ihm Probleme bekam. Außerdem würde sie bei einer Zusammenarbeit keinen halbstarken Kämpfer brauchen können. Dementsprechend vermerkte sie sich das innerlich und hakte das Thema ab. Auch ihr Begleiter war wohl einverstanden, das vorerst hintan zu stellen, denn er betrachtete amüsiert die Auslage eines Ladens, in der ein ziemlich klischeemäßiges Kreuz hing, dessen Spitze wie ein Pflock zugespitzt worden war. „Das ist ja niedlich – Und auch noch aus Holz statt aus Silber. Gibt es hier auch einen Laden für Knoblauch?“, belustigte der Untote sich, woraufhin auch Jane nicht anders konnte, als für einen klitzekleinen Moment leicht zu schmunzeln. Der Aberglaube, Knoblauch würde gegen Vampire helfen, basierte auf ihrem feinen Geruchssinn, aber schaden tat ihnen die Knolle nicht. Ähnliches galt für Kirchengegenstände. Das Gerücht, Weihwasser und co. würden im Kampf gegen Untote nützen, rührten schlicht und ergreifend daher, dass die katholische Kirche die erste Organisation gegen Blutsauger gegründet hatte. Leider halfen Kruzifixe und andere ´heilige` Gegenstände gegen Vampire etwa genauso wie ein Handbesen. Es sei denn natürlich, besagter Handbesen bestand aus Silber und man rammte ihn der zu erlegenden Bestie in den Magen, bis das Metall sich durch das untote Fleisch geätzt hatte. „Einen Laden nicht unbedingt, aber man findet immer mal wieder Knoblauch als Dekoration an den Wänden. Wenn du welchen haben willst, kann man das sicher arrangieren“, bot Jane an, wobei sie auf einen Sack voller Knoblauch deutete, der vor einer Ladentür hing. Einen Scherz mit diesem Mythos erlaubten sich viele Vampirjäger immer mal wieder. Kunstkritisch musterte Aiden diese Dekoration. „Nun, die Architektur hier unten ist beeindruckend genug, da kann man euch wohl diesen Fauxpas bei der Inneneinrichtung verzeihen.“, sagte er gnädig. Janes Grinsen konnte er nicht sehen, denn sie öffnete gerade eine Tür, an der ´Batts Weapons and More` hing. Sie betrat den Laden, wo sie von einem alten Mann mit einer Tabakpfeife begrüßt wurden. Er hatte ein breites Gesicht fast ohne Lippen, dafür aber mit umso mehr Falten. Auf der Stirn prangte eine imposante Narbe. „Oh, Jane! Wie lange ist es her, seit ich dich gesehen habe?“, begrüßte der Ladeninhaber seine Kundin freundlich, worauf die junge Frau sein Lächeln herzlich erwiderte. Dabei kam er nicht umhin, überrascht Aiden anzusehen, da er wohl – Wie jeder andere im Zirkel – Überrascht war, die Brünette in Begleitung eines Vampirs zu sehen. „Ist das… Dein Partner?“ „Oliver, das ist Aiden. Und nein, ist er nicht… Direkt. Wir sind sozusagen in einer Testphase.“, meinte sie schulterzuckend und sah sich gleich im Laden um, wobei sie sofort eine Schusswaffe ihr Interesse erweckte. „Könntest du mir ein Dutzend von den Wurfmessern bereitstellen, die ich immer benutze? Die Hälfte meiner letzten Ration ist schon wieder draufgegangen und man kann ja nie genug davon haben.“ Oliver nickte, verschwand in einem Hinterzimmer und besorgte die Wurfmesser, die Jane wollte. Unterdessen nahm die Vampirjägerin die Pistole zur Hand, die sie schon die ganze Zeit musterte, und betrachtete sie eingehend. Dicht neben sich spürte sie Aidens Präsenz, doch als sie kurz zu ihm aufblickte, runzelte sie leicht die Stirn. Er sah ein wenig unbehaglich aus und hatte die Arme verschränkt, als wäre ihm kalt. Und soweit Jane wusste, konnten Vampire nicht frieren. „Alles ok?“, fragte sie, woraufhin sofort das obligatorische Lächeln auf seinen Zügen erschien. „Natürlich. Es ist nur... Das Silber. Es fühlt sich kalt an. Als würde er in einem Gefrierschrank arbeiten.“ Jane nickte interessiert, denn sie hatte bisher nur gewusst, dass das Metall seinesgleichen tötete, aber nicht, wie es sich auf die lebende – Oder eben untote – Variante auswirkte. Allerdings war ihre Aufmerksamkeit eher auf die Waffe in ihrer Hand gerichtet, mit der sie jetzt auch auf den Ladenbesitzer zutrat, der gerade ihre Wurfmesser einpackte. „Welche Kugeln hast du für die?“ „Wie erwartet hast du gute Augen, Kindchen. Jedoch gibt es dafür nur eine Art von Patronen.“, meinte Oliver, der nur einen Blick auf die Pistole geworfen hatte. Schmunzelnd kam er zu ihr rüber, nahm die Waffe ab und deutete mit einer kurzen Handbewegung an, ihm zu folgen. Für einen Moment sah sie den älteren Mann verwirrt an, nickte dann aber und folgte ihm durch eine Tür, die sie in einen größeren Raum brachte. Darin befand sich ein Schießstand mit kugelsicherem Glas als Ziel, hinter dem eine Zielscheibe angebracht worden war. Dieser Raum war eindeutig gebaut worden, um die Jäger ihre Waffen ausprobieren zu lassen. „Hier. Versuch es am besten selbst“, wies der Weißhaarige die Jägerin an, woraufhin diese die Pistole in die Hände nahm und zielte. Sie feuerte in Richtung der Zielscheibe, die sofort nach dem Aufprall der Kugel einen heftigen elektrischen Schock abbekam und aufgrund der hohen Voltzahl sogar zerfetzte. Beim Anblick der teilweise abgebrannten und zerfetzten Scheibe weitete die Brünette die Augen und wandte sich ruckartig an Oliver. „Ich gehe davon aus, dass nicht jeder diese Waffe erwerben kann, oder? Wie sehen die Bedingungen aus?“ „Mindestens Stufe 14, gültiger Waffenschein, drei Jahre Berufserfahrung und mindestens fünf erfüllte Aufträge im Alleingang – Also kein Problem für dich.“, erklärte Oliver lächelnd, woraufhin Jane schon zum bürokratischen Teil übergehen wollte. “Darf ich es auch mal versuchen?“, fragte in dem Moment aber Aiden höflich, woraufhin Jane ihn überrascht ansah und die Stirn runzelte. Er interpretierte das wohl falsch, denn er fügte stockend hinzu: „Nur, wenn es euch nicht unangenehm ist, natürlich.“ Jane hatte sich nicht bedroht gefühlt, sie war nur überrascht, dass er mit Schusswaffen umgehen konnte. Das hätte sie ihm nie zugetraut, denn für sie galt er praktisch schon als Pazifist seiner Art. Oliver war nicht minder überrascht, grinste dann aber kurz über beide Ohren und nickte. „Nur zu. Versuch aber, nicht etwas anderes als die Zielscheibe zu treffen, okay? Obwohl… Ich muss mir glaube ich keine Sorgen darüber machen, oder? Ansonsten würdest du wohl kaum so natürlich fragen“, sprach der ältere Herr und drücke dem Untoten die silberne Waffe in die Hand. „Ich denke, das sollte kein Problem sein“, versicherte er eher amüsiert und nahm die Pistole. Dabei zuckte er leicht zurück, als seine Haut das Silber berührte, griff aber so schnell nach, dass die Waffe nicht mal einen Zentimeter gefallen war. Er trat einen Schritt zur Seite – Dank Janes Versuch brauchte er ja ein anderes Ziel – und fixierte die Glasscheibe. Mit einer lässigen Geste traf er genau die Mitte der Scheibe, dann sicherte er die Waffe und gab sie mit gebührender Bewunderung, aber auch ein wenig erleichtert, dem Ladenbesitzer zurück. „Beeindruckend“, sagte er anerkennend und ließ die scheinbar steifen Finger kreisen. „Aber ein anderes Material wäre mir lieber.“ Jane hatte ihn, noch immer überrascht, beobachtet, und gab jetzt ein leises, anerkennendes Pfeifen von sich. „Woher hast du Erfahrung mit Schusswaffen?“, wollte sie wissen. Inzwischen war sie froh darüber, mit ihm in den Zirkel gekommen zu sein, denn hier bekam sie einige neue Eigenschaften an ihm zu sehen, die sie an der Oberfläche wohl nicht so einfach entdeckt hätte. „Jagen war zu meiner Zeit ein ganz normales Hobby, gerade in den höheren Ständen. Ich habe das nie aufgegeben, sofern es mir möglich war… Also, eure Definition von Jagen.“, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu. „Und als es neue Utensilien dazu gab, war ich neugierig. Ich habe sogar einen Waffenschein, allerdings nicht bei mir.“, fügte er hinzu und tastete seine Taschen ab, in denen er jedoch nicht mal einen Geldbeutel fand. Nun, das wäre von Vorteil und ein großer Pluspunkt, der dafür sprechen würde, mit ihm einen Pakt einzugehen, dachte sie, als sie sich mit den Männern zurück in den Laden begab. Während Oliver ihre Einkäufe verpackte, fiel ihr Blick auf ein Oberteil. Es bestand aus braunem Stoff und hatte einen korsagenähnlichen Schnitt, kurze Ärmel und einen rautenförmigen Ausschnitt, über dem sich ein hoher Kragen schloss. „Hübsch“, bemerkte Aiden, der ihrem Blick gefolgt war. „Aber ist es nicht am Dekolleté etwas unpraktisch?“ Der Vampir meinte wohl, dass für männliche Vampire ein anziehender Duft von der Brust einer Menschenfrau ausging, aber Oliver verteidigte gleich sein Produkt, indem er erklärte, dass der Stoff robust und Kugelsicher wäre, außerdem hielt er hoher Hitze aus und schützte die Trägerin ebenfalls vor Kälte. Diese Vorteile machten den Nachteil des Ausschnitts wieder wett, sodass Jane die Korsage auf ihre Einkaufsliste setzte. Dazu kamen noch ein paar spezielle Stiefel, die an der Spitze und in der Sohle versteckt eingebaute Messer besaßen. Nachdem sie mit der kleinen Shoppingtour fertig war, begab sie sich zur Kasse, zückte ihr Portemonnaie und bezahlte ohne mit der Wimper zu zucken den vierstelligen Betrag. Sie bedankte sich bei Oliver, schnappte sich ihre Einkaufstaschen und verließ mit ihrem Begleiter den Laden. Noch ehe sie aus der Tür waren, hatte Aiden ihr die Tüten abgenommen, woraufhin sie sich durch die Haare fuhr und die Stirn runzelte. „Es ist zwar nett, die schweren Einkaufstaschen einer Frau zu nehmen, aber das ist nicht nötig. Ich kann sie selber tragen“, erklärte die Vampirjägerin, wofür er jedoch nur ein unverbindliches Lächeln übrig hatte. Anstalten, ihr die Tüten zurück zu geben, machte er keine, also verdrehte sie nur die Augen und steuerte den Aufzug an. „Also ich meinerseits hätte jetzt alles. Falls du dich nicht noch weiter umsehen willst, würde ich sagen, wir machen uns aus dem Staub“, schlug die Vampirjägerin vor. „Ja, gehen wir. Mir fehlt der Wind“, erwiderte er nachdenklich und blickte zur Decke hoch über ihnen. „Gefällt es dir hier unten?“ „Das würde ich nicht unbedingt sagen. Es hat seine Vorzüge und ist entsprechend nicht zu verachten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, auf Dauer hier zu leben“, erklärte die Vampirjägerin ehrlich und stieg mit dem Vampir in den Lift, der sie wieder nach oben brachte. Aiden rieb sich verstohlen die Hand, in der er zuvor die Waffe gehalten hatte. „Hier leben also echt dauerhaft Menschen?“ Er klang ziemlich entsetzt, aber Jane konnte nur nicken, wobei sie noch hinzufügte, dass es hauptsächlich Vampire waren oder Menschen, die es praktischer fanden, direkt im Zirkel zu leben. Nicht selten kam es auch vor, dass ein oder zwei Familien das Tageslicht hinter sich ließen, um sich vor möglichen Racheaktionen zu schützen. Für Aiden stand das wohl nicht zur Debatte, so erleichtert, wie er durchatmete, als er den Aufzug verließ. Bedeutend besser gelaunt als die ganze Zeit im Untergrund sah er zu Jane und grinste. „Und? Habe ich mich gut genug benommen?“ Zuerst zog sie nur die Brauen hoch, doch dann erinnerte sie sich, dass sie ihn aufgefordert hatte, sich zu benehmen. „Das hast du. Sogar mehr als das“, erwiderte Jane ehrlich, wobei der zweite Satz so leise war, dass er beinahe vom Geräusch der nahegelegenen Straße verschluckt wurde. Sie hatte viel mehr damit gerechnet, dass er sich quer stellen und sie um jeden Preis zu diesem absurden Pakt drängen wollte. Niemals hätte sie gedacht, dass er ihr die Entscheidung überlassen würde. Man konnte zwar nicht wirklich von einer Entscheidung reden, aber dennoch… Er hatte sich ihr nicht einmal annähernd aufgedrängt. Außerdem hatte die Brünette gemerkt, dass er sehr viel Wert auf ihr Wohlergehen legte und sie beschützen wollte, sodass sie den Eid mittlerweile sogar ein wenig in Erwägung zog. Natürlich würde Jane ihm das jetzt nicht gleich unter die Nase reiben, da sie sich das Ganze wirklich gründlich durch den Kopf gehen lassen wollte. Im Moment würde es ihr aber vollkommen genügen, wenn er endlich zusagen würde, ihr bei dem Auftrag mit dem Serienkiller zu helfen, den sie jetzt auch wieder ansprach: „Du hast zwar gemeint, dass du mich beschützen willst, egal, wie ich mich entscheide, aber wie sieht es mit einer kurzfristigen Zusammenarbeit aus? Dazu hast du dich bisher immer noch nicht geäußert. Brauchst du noch mehr Bedenkzeit?“ Um sich noch etwas Zeit zum Nachdenken zu erschleichen, verstaute Aiden übermäßig umsichtig die Einkäufe in Janes Audi, bevor er ein wenig ausweichend und recht steif sagte: „Wir können es als eine Art Testlauf für eine längere Zusammenarbeit sehen, wenn du möchtest.“ Ihr Gesichtsausdruck erhellte sich sofort, gerade so, als würde es ihr Spaß machen, sich in halsbrecherische Abenteuer zu stürzen. „Das ist eine gute Idee“, meinte die Vampirjägerin, die sich fragte, wieso sie nicht selbst auf die Idee gekommen war, ihm das vorzuschlagen. Alles andere als begeistert verschränkte ihr Gegenüber die Arme und sah sie an. „Hast du inzwischen eine bessere Idee, wie du den Vampir aufscheuchen willst?“ Sie fuhr sich nachdenklich durch die Haare, hielt jedoch inne, als ihr spontan eine Idee kam. Sie war zwar irgendwie gleich, aber zumindest wäre sie selbst nicht in Gefahr. „Nun, ich weiß nicht, ob die Idee besser ist… Aber da du so dagegen bist, dass ich das Opfer spiele, wie wäre es, wenn jemand anderes das übernimmt? Ein anderer Vampirjäger Lucas vielleicht?“, schlug sie vor und legte mit einer hochgezogenen Augenbraue den Kopf schief. Wenn der Vampir dem zustimmte, würde sie mit ihrem Arbeitskollegen reden. Viel Überredungskunst wäre sicherlich nicht nötig, denn der Ältere wusste ja, wie auch Eldric, wie viel ihr an diesem Auftrag lag und dass sie diejenige sein wollte, die dem Serienkiller den Gar ausmachte. Aiden hob leicht amüsiert die Augenbrauen und meinte: „Du würdest deine Kollegen einfach als Frischfleisch anbieten? Ich hätte mit etwas mehr… Nun, Heldenmut von dir gerechnet.“ Mit einem Schulterzucken tat sie diese Kritik ab. Nach außen hin wirkte ihr Vorschlag natürlich mehr als makaber, doch hätte die Brünette die ganze Sache niemals vorgeschlagen, wenn sie sich nicht sicher gewesen wäre, dass Lucas sich selbst verteidigen könnte. Außerdem hatte sich dieser ja auch schon oft genug angeboten, ihr dabei zu helfen – Nur hatte sie bisher nie wirklich einen Grund dazu gehabt, sich wieder mit ihm zusammen zu tun. Mit einem menschlichen Partner wäre sie nicht an den Auftrag gekommen, den sie wollte. Aber in Zusammenarbeit mit Aiden wäre er perfekt. Über ihren Vorschlag, den Lockvogel zu spielen, hätte er wohl nur gelacht und ohne zu zögern angenommen. Scheinbar zog Aiden diese Idee jedoch tatsächlich in Betracht, denn er schwieg eine Weile nachdenklich. Es war schon interessant, wie kategorisch er es ausschloss, Jane in Gefahr zu bringen, während ihm das Schicksal ihrer Kollegen offensichtlich sonst wo vorbei ging. „Ich glaube, wir sollten das zu zweit machen“, sagte er jedoch schließlich sanft. „Darf ich dich zum Essen einladen? Ich hätte eine Idee, die wir während dessen besprechen können.“ Ihre Mundwinkel hoben sich leicht; Das hörte sich doch wirklich gut an, seinen eigenen Vorschlag konnte der störrische Vampir schließlich nicht so leicht wieder vom Tisch wischen wie ihre Pläne. „Keine schlechte Idee. Ich kenne ein nettes Pub, wo wir… Ich etwas essen kann und wir reden können.“ Sie stieg mit Aiden ins Auto und fuhr los – hoffentlich zu den ersten Vorbereitungen ihres heißersehnten Auftrags. Kapitel 8: Eignungstest ----------------------- Bereits auf der Fahrt zu dem Restaurant bereute Aiden die Entscheidung, Jane zu helfen, aber dann dachte er wieder an ihren strahlenden Gesichtsausdruck und er fragte sich, wie er ihr überhaupt so lange hatte wiederstehen können. Wenn ihre Freude doch nur einen anderen Grund gehabt hätte… Nun, jetzt hatte er ihr jedenfalls sein Wort gegeben und hing mit ihr in der Sache, bis sie den Killer gefasst oder – Weit weniger erstrebenswert – bei dem Versuch drauf gegangen waren. Der Vampir betrachtete die Sache recht nüchtern; würde er sterben, wäre Janes Leben sehr wahrscheinlich verwirkt, also würde er nicht sterben. Die Fahrt dauerte knapp zehn Minuten, dann machten sie sich auf den Weg in ein gemütliches aber gut besuchtes Pub. Noch immer war Aiden ein wenig überrascht darüber, wie bereitwillig die Jägerin auf seine Einladung eingegangen war; Bisher hatte sie ja immer abgelehnt, im freundlichsten Fall noch mit einem sarkastischen Lachen. Mit einem zufriedenen Lächeln folgte er ihr durch das Lokal; wenn das war, wie sie ihn als Partner behandeln würde, wäre er sofort dabei~ Jane suchte einen Tisch direkt am Fenster aus und bestellte bei einem Kellner, der Aiden böse anstarrte, bis dieser wiederstrebend einen Tee bestellte. Wie immer schien die junge Frau höchst engagiert und kam gleich zur Sache, sobald sie alleine waren. „Also? Was hast du dir ausgedacht?“ „Ich habe mich ein wenig umgehört, was unsere Beute angeht, allerdings hat wohl niemand etwas gesehen. Wenn er nicht jagt, passt er sich also an. Deswegen nehme ich an, er möchte auch weiterhin in diesem Viertel bleiben; Er hat es sich als Revier ausgesucht “, erklärte er etwas ausführlicher das territoriale Verhalten seiner Rasse „Das heißt, er wird keinen anderen Jäger dort dulden… Was dich in noch größere Gefahr bringt“, fügte er mit gerunzelter Stirn hinzu. Er hatte aufgehört, Jane als Mädchen zu betrachten, das mit besseren Zahnstochern spielte, und teilte ihr das hierdurch indirekt mit; sie war eine Jägerin, das erkannte er gerade zum ersten Mal an. Während er sprach, war Janes Lasagne gekommen, aber sie sah Aiden noch immer mit großen Augen an, während sie aß. Der Vampir sah ihr ein wenig neidisch zu. Für ihre Ernährung mussten zwar auch Tiere sterben, aber immerhin kein Wesen mit einem dem Menschen vergleichbaren Bewusstsein. Aber dieser beunruhigende Gedanke war nicht, was ihn grade aufmerken ließ. Aiden hatte sich lange nicht mit anderer Nahrung als Blut beschäftigt, fand den Gedanken, ein Stück Brot zu essen, aber plötzlich so interessant, dass er tatsächlich eine Scheibe aus dem kleinen Korb nahm und sie näher begutachtete. Allerding wusste er nicht, was passieren würde, wenn er menschliches Essen zu sich nahm, deswegen gab er seiner Neugierde nicht nach. Wahrscheinlich würde nichts Schlimmeres passieren – Er war so gut wie unzerstörbar, das hatten die letzten vierhundert Jahre eindrucksvoll gezeigt – Aber man musste es ja nicht darauf anlegen. Als Jane auffordernd die Brauen hochzog, beendete Aiden die philosophische Betrachtung der Backwaren. „Jedenfalls möchte ich nicht, dass du alleine mit ihm bist, deswegen denke ich, dass es besser wäre, wenn ich in seinem Revier jagen würde – Natürlich ohne zu töten“, erwähnte Aiden aus Respekt vor ihrer Rasse und ihrer Organisation. „Er wird kommen. Ich könnte auch alleine gegen ihn kämpfen, aber ich nehme an, ich habe richtig verstanden, dass du ihn sprechen möchtest?“ Sie nickte zwar, sah aber so konzentriert aus, wie sie da an ihrem Wasser nippte, dass Aiden fast sicher war, dass das noch nicht alles war. Er beschloss, ihre Beweggründe vorerst hintanstellen zu können und fuhr fort: „Dann ist das also abgemacht. Ich werde ihn zu einem abgesprochenen Ort lotsen, wo wir ihn gemeinsam festsetzen, dann kannst du ihn befragen… Und töten, wenn du möchtest“, sagte er zögerlich, weil sie in Bezug auf diesen Auftrag fast schon gierig an Eldric herangetreten war und es Aiden nicht passte, die junge Frau so mordlüstern zu sehen. „Hm… Mir gefällt es nicht, dass du dort jagen gehst und ich eher unbeteiligt warten soll.“ „Ich werde ja nicht wirklich jagen“, beruhigte er sie sanft und rührte mit dem Löffel in seinem Tee. „Und du sollst nicht untätig sein, sondern dafür sorgen, dass der Vampir nicht mehr gehen kann, wenn er mal da ist.“ „Gut, dann werden wir das vorerst als unseren Plan annehmen. Jedoch sollten wir bedenken, dass Eldric anscheinend noch andere Informationen über diesen Serienkiller besitzt. Sollte er etwas Signifikantes haben, können wir den Plan zu unseren Gunsten und bezüglich den zusätzlichen Informationen abändern“, schlug sie vor, woraufhin Aiden nur nickte. „Bleibt nur noch zu klären, wo das ganze stattfinden soll. Wir könnten ein Zimmer nehmen, aber die meisten Räume sind zu klein, als das drei Leute darin kämpfen könnten – Vor allem in der Gegend.“ Er rümpfte leicht die Nase. Aiden hatte sich in dem Viertel, das der Serienkiller als Revier ausgesucht hatte, ein wenig umgesehen, und es hatte ihm nicht gefallen. Eine Gegend voller billiger, langsam verfallender Hochhäuser, so arm wie übervölkert. Das einzige, was es dort mehr gab als Menschen, waren Ratten. „Und wir wollen ja nichts kaputt machen“, neckte er Jane ein wenig, immerhin wollte er die Geschichte von Lucas auch nicht ganz umsonst gehört haben. Allerdings hoffte er, Jane in seiner Obhut vor derartigen Eskapaden bewahren zu können. Sie überging die Stichelei, indem sie weiter über einen geeigneten Standort nachdachte. „Wie wäre es mit dem Park in der Nähe? Er ist groß genug und ich denke kaum, dass da jemand während der Nacht unterwegs sein wird – Vor allem nicht jetzt, wo blutige Morde stattgefunden haben.“ Noch während sie sprach, zog die Brünette ihr Smartphone aus der Tasche und suchte ein wenig, ehe sie Aiden das Telefon hinhielt, der es nur unsicher nahm. „Was hältst du von diesem kleinen Feld zwischen der Woodlands Avenue und der Cannon Lane? Falls das zu klein ist, können wir auf die umliegenden Felder ausweichen.“ „Gut… Und es sind keine Strommasten oder Flüsse in der Nähe, hoffe ich?“, fragte er mit einem Zwinkern nach. Ok, vielleicht fand er die Geschichte doch ganz lustig und hatte vorhin nur so reserviert reagiert, weil der Mann Jane ´Kleines` genannt und ihr Haar berührt hatte. Statt darauf einzugehen, ließ die Vampirjägerin den Blick durch das Lokal wandern, was Aiden während ihres gesamten Aufenthalts noch nicht getan hatte. Viel zu fasziniert war er von Jane, ganz davon abgesehen, dass er es gewittert hätte, hätte Gefahr in der Luft gelegen, und gehört, hätte sich ihnen jemand genähert. „Ich werde heute Abend noch mit Eldric telefonieren und die wichtigsten Dinge für den Vertrag abwickeln, damit wir so bald wie möglich offiziell losziehen können“, fuhr die junge Frau fort und aß nebenbei das Stück Brot, das Aiden zuvor schweren Herzens hatte zurücklegen müssen. „Ich schätze, dass wir bereits dieses Wochenende diese mordlustige Kreatur jagen können.“ „Ich würde es vorziehen, wenn du aufhören könntest, uns ´Kreaturen` zu nennen, Jane“, erinnerte Aiden sie sanft. „Hm? Oh… Ich dachte, dass das eher eine neutrale Art wäre, Vampire zu bezeichnen“, erwiderte die Vampirjägerin mit hochgezogenen Augenbrauen. „Neutral… Alleine die Konnotation dieses Wortes ist doch schon negativ. Dir würde es doch auch nicht gefallen, wenn ich dich als ´Futter` bezeichnen würde.“ Er war nicht beleidigt, vor allem, da sie sich lernwillig gab, aber ein wenig Höflichkeit schadete nie und Jane schien in manchen Dingen noch etwas Erziehung zu brauchen. Sie zuckte die Schultern. „Wie sieht es mit ´Wesen` aus? Ist das auch ein No-Go?“ „Wenn du nicht ´Vampir` sagen willst, geht ´Wesen` denke ich. Der Vorname wäre am besten. Apropos, ich habe versucht, den Namen des Killers rauszufinden, bin aber gescheitert. Nun, Eldric meinte ja, er wüsste mehr.“ „Ob ich das im Kampf berücksichtigen kann, weiß ich nicht, aber ich werde es versuchen“, versprach sie, woraufhin Aiden lächelte. „Das genügt mir.“ Jane hatte aufgegessen und nippte an ihrem Glas, wobei sie ihren Ellbogen auf dem Tisch und ihr Kinn in der Innenfläche ihrer Hand abstützte. „Gibt es noch andere Bedingungen? Keine ´Kreaturen`, kein kopfloses Hineinrennen in Gefahr, keine Feindseligkeit dir gegenüber. Sonst noch was?“ „Ich bin wunschlos glücklich damit, deine Leibgarde spielen zu dürfen, danke.“ Sie verschluckte sich – Wohl wegen der geschwollenen Ausdrucksweise – Und Aiden schob ihr diskret eine Serviette zu. „Viel mehr sollte ich dich das fragen. Muss ich noch irgendwas unterzeichnen? Wann muss ich zum Psychologenbesuch antreten?“, fragte er ein wenig spöttisch. Es war ja wohl wahrscheinlicher, einen einmaligen Partner zu töten als jemanden, den man gut kannte und zu dem man eine Beziehung aufgebaut hatte. Auch Vampire schlossen schließlich Bindungen zu anderen Lebewesen. „So, wie ich es einschätzen konnte, schien Eldric deinen Worten Glauben zu schenken. Ansonsten hätte er den längerfristigen Pakt nicht vorgeschlagen. Deshalb denke ich, dass du für diesen einmaligen Auftrag mit einer gekürzten Form des eigentlichen Tests auskommen wirst. Wann und wo dieser stattfinden soll, werde ich noch herausfinden“, erklärte sie und winkte einer blonden Kellnerin zu. Aiden wusste immer noch nicht, was er von Eldric halten sollte, der zwar scheinbar freundlich war, Jane jedoch in die Obhut eines Mannes gab, den er nach einmaligem Gespräch für ´geeignet` hielt. Womit hatte Aiden sich diese Einschätzung verdient? Es beunruhigte ihn, wie leicht der alte Vampir ihn akzeptierte, und noch mehr beunruhigte dieser ihn. Als er seinen Artgenossen gewittert hatte, wäre er am liebsten umgedreht, und als er merkte, wie alt dieser war – Weit über tausend Jahre, schätze Aiden - hatte er sich restlos unwohl gefühlt. Ihm war schleierhaft, wie einer der ihren eine Organisation leiten konnte, die sich der Jagd auf Vampire verschrieben hatte. Allerdings gedachte er ja selbst, sich dieser Organisation – Ob kurzfristig oder länger – Anzuschließen, also brauchte er sich wohl nicht zu wundern. Kurz darauf kam die Serviererin zu ihnen und legte die Rechnung auf den Tisch, nach der Aiden selbstverständlich griff – Er hatte ja versprochen, die junge Frau einzuladen – Doch da hatte Jane bereits den Zettel in der Hand. Nach ein paar Sekunden schmunzelte sie jedoch und schob dem Vampir den Zettel zu. „Ich glaube, diese Rechnung ist ganz speziell für dich“, erklärte sie leicht grinsend und deutete auf das Ende der Notiz, wo die Kellnerin ihren Namen (Lucy) und ein kurzes ´Ruf mich an ;)` unter ihre Nummer gekritzelt hatte. Neugierig drehte Aiden sich nach der hübschen Kellnerin um, die kicherte und kurz winkte. Du meine Güte. Er hatte ja gemerkt, dass ihn ein paar Frauen beobachteten, aber das war er gewohnt; so reagierten Menschen nun mal auf Vampire. Aber dass es schon so weit gekommen war, war ihm völlig entgangen, weil er sich völlig auf Jane fixiert hatte. „Du scheinst ihr ziemlich den Kopf verdreht zu haben“, meinte diese amüsiert. „Jaaaa, das passiert manchmal unabsichtlich“, seufzte er gedehnt, als hielte er das Interesse von jungen hübschen Frauen für eine Bürde. Tat er in den meisten Fällen auch tatsächlich. „Leider ist diese anziehende Wirkung ziemlich unpräzise“, fügte er mit einem sehr eindeutigen Blick zu seiner Begleitung hinzu. Gegen Interesse von ihr, das sich nicht auf seine kämpferischen Fähigkeiten bezog, hätte er nichts einzuwenden gehabt. „Und? Rufst du sie an?“, ignorierte Jane diese Andeutung. „Wieso, bist du eifersüchtig?“, interpretierte der Vampir Janes Frage einfach mal frei. Natürlich antwortete sie nicht und natürlich würde Aiden die Kellnerin nicht anrufen. Das wäre ja wie eine Essensbestellung (Bei dem Gedanken grinste er in sich rein) und anderweitiges Interesse hatte er auch nicht an dieser Lucy. Sie war nur ein kleines Mädchen, und es war für Frauen generell schwierig, Aidens Aufmerksamkeit zu gewinnen. Da mussten sie schon aussehen wie die Reinkarnation seiner großen Liebe. Statt auf die Telefonnummer achtete der Vampir jetzt auf den Rechnungsbetrag und tastete in seinen Hosentaschen nach seinem Geldbeutel, der dort jedoch nicht war. Etwas irritiert versuchte er es mit den Manteltaschen, bis er eingestehen musste, dass er kein Portemonnaie bei sich hatte. Wieso hätte er es auch mitnehmen sollen, er brauchte so gut wie nie Geld. „Das ist mir jetzt wirklich sehr unangenehm, aber ich muss meine Einladung zurücknehmen… Ich habe meinen Geldbeutel vergessen“, gestand er verlegen und verfluchte sich dafür, in der letzten Nacht gejagt zu haben, denn nur, weil noch so viel frisches Blut durch seine Adern floss, konnte er erröten und das tat er gerade auch. „Wie peinlich… Entschuldige bitte.“ Jane zog erst nur die Brauen hoch, doch als sie merkte, wie verlegen ihr Gegenüber wurde, konnte sie nicht anders, als leise hinter vorgehaltener Hand zu lachen. Sie tat ihm den Gefallen, seinen Fauxpas nicht mehr als mit einem Grinsen zu kommentieren, als sie die Rechnung bei Lucy selbst beglich, dann verließen die beiden das Restaurant. Natürlich entschuldigte Aiden sich hundert Mal und versprach hoch und heilig, die Einladung nachzuholen. Erst vor dem Auto hörte er damit auf und fragte stattdessen: „Sagst du mir Bescheid, wenn du die Informationen von Eldric erhalten hast?“ Anstalten, selbst einzusteigen, machte er nicht. Sie hatten schon fast den ganzen Tag zusammen verbracht und vorerst nichts mehr zu klären, da wollte Jane sicher ihre Ruhe. Sie öffnete gerade die Tür, hielt jedoch mit schiefgelegtem Kopf inne und sah ihn überrascht an. „Du kommst nicht mit? Das ist ja schon fast eine Premiere, dass sich mein Stalker mal freiwillig zurückzieht und ich ihn nicht regelrecht wegscheuchen muss“, meinte sie ein wenig scherzend. Er wäre zwar gerne bei ihr geblieben, hatte aber das Gefühl, es würde nur schlecht enden, wenn er Jane zwang, ihn tatsächlich davon zu scheuchen. „Du musst nur sagen, wann ich gehen soll“, erklärte er ihr deshalb sanft. Wenn sie es verlangte, würde Aiden sie schon alleine lassen, nur wegbleiben würde er eben nicht, das war der Unterschied. Ein wenig überrascht zog sie die Braue hoch, doch dann nickte sie langsam. „Wie du meinst… Jedenfalls werde ich Eldric gleich benachrichtigen, wenn ich zu Hause ankomme. Ich denke, es wird nicht lange dauern, bis du den Test ablegen kannst“, wechselte sie das Thema und wollte schon einsteigen, als sie doch nochmal kurz innehielt. „Da wir jetzt – Vorerst – Partner sind, bitte ich dich noch einmal darum, keinen Mist anzustellen.“ Ohne auf seine Antwort zu warten, stieg Jane dann auch in den Wagen und fuhr los. Aiden ließ sie mit seinem Lachen alleine; Es war einfach lustig, dass dieses junge, unbesonnene Ding ihn zur Vorsicht oder eher Rücksicht mahnte, ihn, der Ärger länger aus dem Weg ging, als sie lebte. Ihn, den praktisch niemand kannte und für den sich auch niemand interessierte. Er lachte noch, als er den Parkplatz vor dem Restaurant verließ. In dem kleinen Zimmer eines Hostels, das er im Moment bewohnte, las er so ziemlich jede Zeitung, in der etwas über die Taten des Serienkillers stand. Inzwischen war nicht nur das schmale Bett, auf dem er lag, sondern auch die Kommode auf der ein selten genutzter Fernseher stand, der kleine Schreibtisch sowie der dazugehörige Stuhl und Teile des Fußbodens mit Berichten voll. Vor dem Fenster mit den altmodischen Vorhängen ging gerade die Sonne unter und Aiden spielte gedankenverloren an der Halskette herum, die es ihm erlaubte, auch im Licht zu wandeln, als sein Handy vibrierte. Ein wenig überrascht – Er bekam nicht viele Nachrichten – nahm er das Telefon und las die SMS von Jane. » Aiden, Die Akten werden uns übergeben, sobald du den Test abgelegt (Und natürlich bestanden) hast. Wie sieht es mit morgen vor den Vorlesungen aus? So gegen neun? « Als er den sehr kurzfristigen Termin bestätigte, spielte er wieder dem Anhänger, seine Gedanken aber waren anderswo. Dieses Blutbad, das der andere Vampir jedes Mal anrichtete, wenn er trank, beunruhigte Aiden. In den Zeitungen stand etwas von vollgeschmierten Wänden, abgetrennten Körperteilen. Der Fremde verschwendete das Blut durch rohe, gierige Gewalt… Bevor sie versuchten, ihn zu stellen, musste Aiden auf jeden Fall jagen gehen, sonst wäre Jane in viel zu großer Gefahr. Das Jägerteam auf Zeit hatte sich direkt vor dem Zirkel verabredet, und so stand Aiden um kurz vor neun am Rand der verlassenen Gasse. Er wusste nicht, wie lange das ganze Prozedere dauern würde, aber bis ihre Vorlesungen anfangen würden, hatten sie noch fast vier Stunden, das sollte für eine temporäre Einstellung ja wohl genügen. Der Vampir stieß sich von der Wand ab, an der er gelehnt hatte, als Jane auf ihn zukam. „Morgen.“ Sie ignorierte den Gruß und ging ohne zu zögern zu der Tür, um diese zu entriegeln und mit ihrem momentanen Partner in die Tiefe zu fahren. „Hast du noch ein paar Tipps für mich?“, fragte Aiden munter. Er hatte sich nicht allzu große Gedanken um diesen Test gemacht. Was sollten sie ihn auch fragen? ´Haben Sie vor, Ihren Partner zu fressen?` Und darauf konnte er ehrlich ´Nein` antworten. „Ich habe gestern noch ein wenig mit Eldric gesprochen und mich über den Test erkundigt“, gab die junge Frau zu und schielte zu ihrem Begleiter, während sie die Arme vor der Brust verschränkte und darauf wartete, endlich im untersten Stockwerk anzugelangen. „Sie werden – neben den üblichen Fragen – versuchen, dich zu reizen, also versuch einfach, die Nerven zu bewahren und nicht aggressiv zu reagieren.“ Aiden nickte nur gelassen und verließ mit seiner neuen Partnerin den Lift, von dem aus sie ein größeres Gebäude ansteuerten. Solange sie Jane nicht in ihrem eigenen Blut badeten, und für so makaber hielt er die Leute im Zirkel nicht, würde er sich schon im Griff haben. Gemeinsam traten sie an einen Tressen und Jane nannte der Empfangsdame Aidens Namen. „Ah… McCollins und Hunt. Ja, hier stehen Sie. Bitte begeben Sie sich in den Warteraum zwei. Sie werden abgeholt“, wies die junge Blondine die beiden lächelnd an, woraufhin die Vampirjägerin nickte und zum besagten Warteraum ging. Es dauerte einige Minuten, bis ein junger Mann im weißen Kittel und mit roter Hornbrille auftauchte. „Wir sehen uns in ein paar Minuten“, verabschiedete die Brünette sich knapp. Aiden schenkte ihr noch ein Lächeln, dann folgte er unbefangen dem Rotbebrillten in ein Nebenzimmer, in dem auf einem kleinen Tisch ein Fragebogen und ein Aufnahmegerät lagen. „Nehmen Sie Platz, Mr Hunt.“ „Aiden, bitte“, erwiderte der Vampir, als er sich auf einen recht unbequemen Plastikstuhl sinken ließ. Der Prüfer lächelte unter seinen unbezwingbaren schwarzen Kringellocken hervor. „Gut. Ich werde Ihnen nur einige Fragen stellen, kein Grund zur Besorgnis. Fangen wir am besten sofort an. Zunächst etwas einfaches; wieso möchten Sie Mitglied in unserem Zirkel werden?“ „Ich möchte Jane McCollins beschützen.“ Scheinbar wartete der junge Mann auf weitere Ausführungen, aber es kamen keine, also räusperte er sich und fuhr fort. „Schön. Wie haben Sie Ihre potentielle Partnerin kennengelernt?“ Aidens zuvor stoisches Lächeln wurde breiter. „Sie hat versucht, mich zu töten… Nicht sehr erfolgreich, wie ich anmerken möchte.“ „Und da haben Sie sich entschlossen, es ihr beim nächsten Mal leichter zu machen?“, fragte der Junge mit hochgezogenen Brauen. „So könnte man es ausdrücken, ja.“ „Na gut… Als was betrachten Sie Menschen im Allgemeinen?“ Das war schon kniffliger und Aiden überlegte eine Weile, ob der Prüfer die Wahrheit hören wollte oder das, was gut klang. Die folgenden Fragen wurden komplexer, dennoch dauerte es höchstens zwanzig Minuten, ehe Jona, der junge Psychologe, sein Testobjekt bat, ihm in den Nebenraum zu folgen, wo bereits Jane stand. Das Zimmer war groß und leer, Spiegel an den Wänden. Wahrscheinlich ein Trainingsraum. Lächelnd machte Aiden einen Schritt auf Jane zu. „Sind wir schon…?“, fing er an, unterbrach sich jedoch, als der andere Jäger an ihm vorbei auf Jane zuging, die zwar einen Schritt zurückwich, sich halbherzig gegen ihren Kollegen wehrte und schließlich in dessen Armen hing, ein Messer an ihrer Kehle. Natürlich waren sie noch nicht fertig. Hätte Aiden nicht gewusst, dass dies ein Test war, er hätte dem Mann bereits den Kopf abgerissen – Beziehungsweise ihn windelweich geprügelt, töten durfte er ihn ja nicht. So aber duckte er sich leicht, zwinkerte den Beiden zu – „Darf ich dir weh tun, oder bin ich dann durchgefallen?“ – Und war im nächsten Moment neben Jona, den er mit einem Faustschlug in die Rippen überraschte, ehe er sich rühren konnte. Keuchend riss der junge Mann das Messer von Janes Kehle, um sich gegen den Angriff zu verteidigen, und schnitt ihr dabei den Hals auf. Im ersten Moment war Aiden zu sehr auf seinen Gegner fixiert, doch dann wehte der Geruch von Janes Blut von der Messerklinge zu ihm herüber und er geriet ins Stocken. Sein Blick war auf seine Partnerin gerichtet, aber nicht auf ihre Augen, die ihn und Jona beobachteten, sondern auf ihren von ihren Fingern bedeckten Hals. Sein Kopf füllte sich augenblicklich mit Watte, seine Lungen weiteten sich, als er bewusst tief einatmete, und in diesem quälenden Moment spürte er, wie er sich erneut duckte. Seine brennende Kehle löschte alle Gedanken aus, außer den einen: Er brauchte Blut. Ihr Blut. Wie in Trance merkte er, dass der Junge ihn angriff, aber Aiden schickte ihn mit einem Fauststoß in den Magen zu Boden, ohne auch nur richtig hinzusehen. Sein Blick war auf Jane geheftet, die zwar nicht zurückwich, aber merklich beunruhigt schluckte. Was sollte ihn davon abhalten, dieses Mädchen zu nehmen? Es stand ihm zu, sie zu haben, ihr Tod war Teil der natürlichen Ordnung… Er machte einen Schritt auf sie zu, hielt aber wieder inne. Ihr… Tod? Aber sie durfte nicht sterben, nicht sie, nicht wieder… Nie wieder… Aiden blinzelte. Seine Augen, die gerade noch geglänzt hatten wie die einer Katze bei Nacht, nahmen wieder ihre normale Farbe an und er wandte sich schwer atmend ab, zog sich zurück, bis ans Ende des Raumes, wo er sich an die Wand lehnte, die Hände über den Kopf, die Augen geschlossen. „Er… Er braucht einen Arzt, denke ich“, sagte er mit rauer Stimme. Eigentlich war ihm egal, was mit dem Prüfer war, er wollte nur, dass Jane ging und ihren Blutgeruch mitnahm, der immer noch an seinem Verstand zerrte und die Bestie aus ihm herauslocken wollte. Wenn sie nur nicht gerochen hätte wie die Sünde selbst… Er bekam nicht wirklich mit, wie zwei Sanitäter in den Raum liefen, den am Boden liegenden Psychologen und Jane mitnahmen und durch einen anderen Jäger ersetzt wurden. Erst, als ein Wurfmesser sich in seinen Oberarm bohrte, sah er das Metall (Zum Glück Eisen, kein Silber) wie in Trance an und dann zu dem Mann vor sich. „Was würdest du tun, wenn euer Ziel auf der Flucht ist, während dein Partner ohnmächtig und stark blutend auf dem Boden liegt?“, brüllte der Fremde mit der Glatze, als er die nächste Waffe auf Aiden schleuderte. „Wie würdest du dich entscheiden: Deinen Partner in Gefahr bringen und so ein weiteres Opfer retten oder deinen Partner retten und ein weiteres Opfer in Kauf nehmen?“ Aiden hatte Durst und er fühlte sich krank, sodass es schwer war, die Fragen überhaupt zu hören, aber er antwortete und duckte sich vor den Messern genauso wie vor seinem eigenen Instinkt, der ihm riet, diesen Menschen zu töten, damit er ihn nur endlich in Ruhe ließ. Bei seinen Antworten ergab sich das klare Bild, dass er Janes Leben in jedem Moment dem eines anderen Opfers vorziehen würde. Weil er weder darauf aus war, Vampire zu töten noch darauf, Menschenleben zu schützen, gingen diese Fangfragen in seinem Fall nach hinten los, das einzig schwierige war, die Bestie genug zu bezähmen, um überhaupt etwas zu sagen und nicht einfach zu töten. Stunden später, so kam es Aiden vor, hörte der Jäger endlich auf, ihn zu bedrängen, und führte ihn in ein Wartezimmer, in dem schon Jane saß. Der Vampir hatte inzwischen Schatten unter den Augen und er spürte seine Zähne gegen die Lippen pressen, als er das getrocknete Blut am Hals seiner potentiellen Partnerin roch. Seine Hände zitterten, als ihm jemand die Blutkonserven in die Hand drückte. „Dürfe ich… Alleine?“, fragte er erschöpft. So ausgelaugt hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt, und er dachte gar nicht daran, dass er gerade einen Test abgelegt hatte, als man ihn zurück in den zweiten Prüfungsraum führte, wo er trinken konnte. Erst, als Aiden die Konserve geleert hatte, kam ihm der Gedanke, dass er sich ziemlich mies angestellt hatte. Verdammt, er hätte Jane beinahe angefallen… Der Gedanke entsetzte ihn so sehr, dass er am liebsten abgehauen wäre, aber dafür hätte an den Jägern vorbei gemusst, an ihr. Er rieb sich das Gesicht, schüttelte den Kopf und kehrte zurück in das Wartezimmer, in dem er mit einem leisen „Danke.“, an eine Assistentin seine Konserve zurückgab. Einen Moment schloss er die Augen, dann drehte er sich zu Jane um, die er bereits beim Hereinkommen gewittert hatte, er aber nicht ansah. „Es tut mir leid“, sagte er schuldbewusst zu ihren Schuhen. Er hatte nicht nur ihr Leben in Gefahr gebracht, sondern auch noch ihren Wunsch, diesen Vampir zu jagen, weiter verzögert – Dass sie ihn als ihren Partner akzeptieren würde, glaubte Aiden nämlich einfach nicht. Er sah jetzt zwar nicht mehr so mitgenommen aus, fühlte sich aber immer noch furchtbar, als würde die Schuld an seinen Eingeweiden fressen. „Was denn?“ Überrascht hob er den Kopf, denn Jane schien tatsächlich nicht zu wissen, für was er sich entschuldigte. Er kam allerdings nicht dazu, ihr zu erklären, dass er sie in Lebensgefahr gebracht hatte und ihr Kollege nur noch lebte, weil Aiden ihn im Blutrausch völlig vergessen hatte, denn da wurden sie bereits von dem zweiten Prüfer in einen Raum mit einer verspiegelten Seite geleitet. Der Vampir hatte sich schon gedacht, dass so eine Vorrichtung oder Kameras in den Prüfungsräumen installiert waren… Zumindest, bevor er alles um sich herum vergessen hatte. An einem Tisch saßen neben Eldric zwei Männer im Alter zwischen 30 und 40, die in der Gegenwart des uralten Vampirs so unbefangen wirkten wie neben jedem Menschen. Wie schon am letzten Tag reagierte Aiden selbst wesentlich vorsichtiger auf seinen Artgenossen, denn er konnte wittern, wie alt und entsprechend stark der Anführer der Vampirjäger war. Im Gegensatz zu Menschen verfiel ihresgleichen nämlich nicht mit der Zeit, sondern ihre Fähigkeiten verfeinerten sich, ihre Kraft stieg und ihre Sinne wurden schärfer. ´Wir sind wie Wein`, hatte sein Erschaffer zu Aiden gesagt, vor Jahrhunderten, als der neugeborene Vampir es nicht hatte verstehen können. Doch jetzt, wo er die drei ausgebildeten Jäger alleine außer Gefecht setzen konnte, wusste er, was Vincent damals so hochmütig gemacht hatte; Der größte Feind ihrer Beute, die Zeit, war der beste Freund der Vampire. „Setzt euch doch“, sprach der alte Vampir lächelnd und deutete mit einer kurzen Geste auf die zwei bereitgestellten Stühle, die vor den Männern standen wie vor einem Richterpult. Jane kam der Aufforderung ohne zu zögern nach, während Aiden, der sich sonst nahe bei ihr hielt, jetzt auf möglichst viel Abstand achtete. Er setzte sich nicht, sondern stellte sich mit verschränkten Armen auf, um sein Urteil zu erfahren. Sie war sicher sauer, wenn man ihr eröffnete, dass er nicht als Partner geeignet war, und es tat ihm leid, sie zu enttäuschen. „Nun, ich muss sagen, dass mich das Ergebnis überhaupt nicht überrascht hat“, erklärte Eldric schmunzelnd, fast schon grinsend. „Wie erwartet hast du bestanden, Aiden.“ „Was?“, keuchte dieser, als hätte er ein negatives Ergebnis erhalten. Das musste ein schlechter Scherz sein. Erst stützte er sich auf den Stuhl an seiner Seite, dann ließ er sich doch darauf sinken, als der Anführer weitersprach und deutlich wurde, dass er keine Witze machte. „Du hast sehr akzeptable und nachvollziehbare Antworten gegeben. Außerdem hast du dich – Im Gegensatz zu anderen Anwärtern, welche die Fassung verloren haben – Sehr gut im Schach gehalten, als das Blut ins Spiel kam.“ Aiden konnte nicht fassen, dass man ihm Jane überantworten wollte, die er doch vor fünf Minuten erst beinahe umgebracht hätte. Dabei war ihm völlig egal, ob andere Anwärter sich noch schlechter angestellt hatten. Es ging um ihn und die einzige Person auf dieser Welt, die ihm wirklich noch etwas bedeutete. Er wollte nicht, dass dieses ´beinahe` ihre einzige Sicherheit war, wenn sie mit ihm arbeitete. Aiden warf seiner frischgebackenen Partnerin einen hilflosen Blick zu, doch diese musterte nur reglos ihren Mentor, als wäre sie kein bisschen überrascht. Normalerweise hätte ihn ihr Vertrauen geschmeichelt, doch jetzt wünschte er sich den Zorn auf ihr Gesicht zurück, Zorn auf diese verantwortungslosen Narren. „Was den letzten Teil der Prüfung angeht…“, fuhr Eldric fort. „Nun, ich würde nicht gerade sagen, dass wir nicht zufrieden sind. Es ist einfach so, dass deine Fixierung auf Jane bemerkenswert ist.“ Jetzt sah Jane doch zu Aiden und runzelte die Stirn. „Wir schätzen es sehr, dass dir ihr Wohl so am Herzen liegt und du das anscheinend über alles andere stellst. Nur wären wir froh, wenn du versuchst, weiterhin einen kühlen Kopf zu bewahren, falls sie sich irgendwie verletzt oder so. Ansonsten kann das sehr schnell ins Auge gehen.“ „Aber ich…“ „Heißt das also…?“, begann die Brünette, die Aiden wohl nicht mal gehört hatte. Ihr Mentor lachte leise und legte eine Akte auf den Tisch. Die Vampirjägerin stand auf und schnappte sich die Dokumente so schnell, als würde Eldric es sich sonst doch noch anders überlegen und verstaute sie in ihrer Tasche. „Gut, dann werden wir uns wieder auf den Weg und so bald wie möglich an die Arbeit machen!“, beschloss die junge Frau merklich gut gelaunt und deutete ihrem Jagdpartner mit einer kleinen Kopfbewegung an, mit ihr nach draußen zu gehen. Wie in Trance folgte er dem glänzenden Pendel ihrer Haare. Sie verließen den Raum, weiter kamen sie nicht, denn Aiden nahm ihr noch im Vorzimmer das Blatt ab, als könne es Jane sonst im nächsten Moment beißen. „Das willst du doch nicht wirklich machen?“, fragte er unruhig. Sie hob nur eine Augenbraue an und musterte ihn irritiert. „Wieso denn nicht? So war es doch ausgemacht.“ „Das ist… Da drinnen, das war… Jane…“, sagte er ihren Namen verzweifelt, wie als letzten Rettungsanker, doch sie verdrehte nur die Augen. „Ich weiß nicht, was dein Problem ist, aber wenn du es nicht schaffst, volle Sätze zu sprechen, werden wir wohl noch eine Ewigkeit hier stehen. Darum schlage ich vor, du überlegst, was du sagen willst, und wir reden oben weiter.“ Ihre Worte brachten Aiden tatsächlich zum Schweigen, wenn auch nur, weil ihr Unverständnis ihn überrumpelte. Sie war sonst in keinerlei Gefahr in seiner Gegenwart, er würde nicht mal im Traum daran denken, sie zu verletzen, aber jetzt, da er erlebt hatte, wie er auf ihr Blut reagierte, war ´Sorge` noch eine Untertreibung, wenn man seine Gefühle beschreiben wollte. Er war nicht durstig gewesen vor dieser kleinen Auseinandersetzung und jetzt würde er jagen müssen… Ohne zu töten, denn er war jetzt, Ironie des Schicksals, temporäres Zirkelmitglied. Er war in Gedanken versunken während sie durch die unterirdische Stadt wanderten, und wachte erst wieder auf, als sie vor dem Lift standen. Nur zögerlich stieg er ein. Die Wunde an ihrem Hals war noch so frisch… Mit verschränkten Armen lehnte er sich an die Jane gegenüberliegende Seite des Aufzugs. „Was ich sagen wollte…“, griff er das Gespräch diesmal artikulierter und ernster wieder auf. „War, dass ich nicht verstehe, wie ich mit dieser… ´Leistung` auch nur im Entferntesten als dein Partner geeignet sein soll. Ich will mich nicht davor drücken, versteh mich nicht falsch. Ich habe dir versprochen, dir zu helfen, und das möchte ich auch tun. Nur ist meine Reaktion auf dich meiner Meinung nach viel zu gefährlich, um mit dir zu jagen.“ „Ganz einfach. Weil du eben trotz des Blutes und der Möglichkeit nichts getan hast. Ich meine… Du wusstest doch bestimmt, dass noch mehr Leute anwesend waren und eingegriffen hätten, wenn du dich wirklich auf mich gestürzt hättest. Alleine die Tatsache, dass du trotz dieses Wissens keine ´lockere` Haltung eingenommen und dich zur Besinnung gerufen hast, zeigt doch schon, wie viel dir daran liegt, mich nicht zu verletzen und dass du die Regeln befolgen willst.“ Das Problem in ihrer Kommunikation war wohl, dass Aiden schon der Gedanke beunruhigte, was hätte sein können, während Jane daran festhielt, dass es eben nicht geschehen war. Für sie war das einfach, sie musste ja nicht mit den Schuldgefühlen leben. Und ihren Vorgesetzten war es scheinbar egal, was mit ihr passierte. Weniger fixiert auf sie sollte er sein, dass er nicht lachte. Außer ihm passte ja scheinbar niemand auf sie auf, wenn sie Monsterjäger spielte. Noch dazu hätte ihn außer Eldric vermutlich niemand so leicht aufgehalten. Wenn er sich in den Kopf gesetzt hätte, sie zu töten, hätte er sie auch als seine Beute verteidigt. Jona, der Psychologe, war gut gepanzert gewesen, würde aber wohl eine Weile flach liegen, und damit hatte er noch Glück gehabt. Hätte er nicht aufgegeben, hätte Aiden ihn ohne zu Zögern umgebracht. „Ich wusste in dem Moment gar nichts mehr“, versuchte er erneut zu erklären. Vielleicht war es besser, wenn sie es nicht wusste, aber er hatte das Gefühl, sie müsse verstehen, wie er tickte, wenn er Blut, vor allem ihres, roch. Er war dann einfach nicht der, den sie, wenn auch nur flüchtig, kannte, sondern genau das, für was sie seine Rasse hielt: ein Monster. Jane zuckte nur die Schultern, scheinbar genervt und auch ein wenig verwirrt von diesem Gespräch, also versuchte Aiden es nochmal anders. „Hör zu, du hast eine stärkere Wirkung auf mich als andere Menschen“, erklärte er ihr behutsam, nicht sicher, wie sie das aufnehmen würde. „Wenn sich jemand anderes verletzt hätte – Dieser Prüfer zum Beispiel – Wäre es nicht so schlimm gewesen. Aber dein Blut… es so direkt zu riechen ist… Überwältigend. Ich weiß nicht, ob du dir vorstellen kannst, aber ich kann an nichts anderes denken. Ich wollte dich töten und glaub mir, dieses Gefühl kannte ich bis eben nicht.“ Zumindest nicht so heftig, im Wald war es wesentlich leichter gewesen, nicht auf sie loszugehen, denn das Blut in der Konserve war nicht Janes gewesen. Und jetzt wäre es so einfach, den Kragen ihrer Lederjacke beiseite zu schieben, ganz behutsam ihren wunderschönen Hals freizulegen… Die Aufzugtüren glitten auf und Aiden riss sich von dem Anblick los, suchte augenblicklich Abstand zu seiner neuen Partnerin. „Wie meinst du das?“, fragte diese mit hochgezogener Augenbraue. „Inwiefern habe ich auf dich eine stärkere Wirkung? Ist mein Blut irgendwie anders als das anderer Menschen?“, wollte Jane neugierig wissen. „Zum einen bist du eine junge Frau und somit von Natur aus… Anziehender als deine männlichen Artgenossen“, drückte er es mal vorsichtig aus. „Zum anderen bist du meine… Du bist mit meiner Lady direkt blutsverwandt. Du riechst wie sie, und ich denke, deswegen reagiere ich stärker auf dich. Du bist nicht anders als andere Menschen, du bist nur… Wie sie“, endete er, wobei er sie sehnsüchtig ansah. Diese Sehnsucht war sogar noch stärker als der Wunsch nach ihrem Blut. Er wollte sie in den Arm nehmen, nur einmal ihr Haar durch seine Finger gleiten lassen… Es tat weh. In diesem Moment tat es ihm tatsächlich körperlich weh, sie vor sich zu sehen und zu wissen, dass er sie nicht berühren durfte, dass sie sich vor ihm ekelte. „Verstehe…“, murmelte die Vampirjägerin leise und öffnete bereits den Mund zu einer neuen Frage, als sie ihm in die Augen blickte und darin den schmerzvollen, sehnsüchtigen Ausdruck erkannte, bei dem ihr die Worte praktisch im Halse stecken blieben. Instinktiv wandte sie den Blick von ihm ab. Aiden verstand ja, dass ihr diese Gefühle von einem Fremden, noch dazu von einem Vampir, unangenehm waren, aber er konnte nichts dagegen tun, bei ihrem Anblick nichts als bedingungslose Liebe und Hingabe zu empfinden. Er rieb sich die schmerzende Brust, ohne den Blick von ihr zu lösen. Sie nicht mehr zu sehen, wäre noch schlimmer, das wusste er aus Erfahrung. „Ich gehe heute nicht in die Universität. Mir geht es noch nicht so gut“, entschied er in diesem Moment. Mehrere Stunden neben ihr in einem warmen Lehrsaal, wenn die Wunde an ihrem Hals noch so frisch war, wäre zu viel, da war er ziemlich sicher. „Mhm… Wie du willst. Es ist nachvollziehbar, dass dieser Test an deinen Nerven gezerrt hat“, erwiderte die Brünette schlicht und öffnete ihre Autotür, ehe sie auf die Akte deutete, die Aiden noch immer bei sich trug. „Bring mir die aber spätestens morgen wieder. Ich will mir das immerhin noch genau ansehen.“ Man sah ihrem Blick an, dass sie die Dokumente am liebsten sofort an sich genommen hätte, doch dann stieg sie nur in ihren Wagen und sagte, bevor sie die Autotür schloss: „Wenn noch etwas ist, weißt du ja, wie du mich erreichen kannst.“ Aiden seufzte, als er ihr nachblickte. Er war noch aufgewühlt von der Prüfung und dieser spontane, heftige Anfall von Gefühlen hatte es nicht besser gemacht. So sehr er sich auch immer wieder sagte, dass er diese Frau erst seit zwei Wochen kannte, wollte er doch eine Nähe von ihr, die sie ihm nie geben könnte. Das könnte sie nicht, weil sie nicht die Frau war, nach der er sich sehnte. Und doch würde er mit ihr diesen Vampir jagen, weil er alles tun würde, damit sie ihm erlaubte, bei ihr zu sein. Alles, und wenn es ihn den Kopf kostete. Kapitel 9: Wie man Schlachten schlägt ------------------------------------- Jane war ziemlich überrascht, als Aiden statt ein paar Stunden, wie sie erwartet hatte, ganze zwei Tage von ihr fern blieb. Dennoch meldete sie sich nicht bei ihm. Sie selbst war eine Person, die Freiheiten sehr schätzte und Restriktionen verabscheute. Außerdem hatte sie so genug Zeit gehabt, die Akte zu studieren, die noch am selben Abend in ihren Briefkasten aufgetaucht war – Ihr Stalker hatte sie wohl bei ihr vorbei gebracht, ohne mit ihr zu sprechen. Dabei hatte sie vor allem das Phantombild zu dem Vampir angesehen und die physischen Züge studiert, da sie sich zu erinnern versuchte, ob es irgendwelche Parallelen zu jener Nacht gab, in der sie ihren Vater verloren hatte. Jedoch konnte sie sich leider nur vage erinnern und musste wohl oder übel den Serienkiller direkt ansprechen um herauszufinden, ob er wirklich der Mörder war, den sie suchte. Gerade, als sich die junge Frau leise seufzend in ihrem Sessel in ihrem Zimmer zurücklehnte, konnte sie ein lautes Surren vernehmen. Ihr Blick fiel auf ihr Smartphone, ehe sie es in die Hand nahm und Aidens Namen auf ihrem Display erkannte. „Ja?“, meldete sie sich knapp. Was hätte sie auch sagen sollen? Seinen Namen auszusprechen hätte sich komisch angefühlt. „Guten Abend, Jane.“ Wie förmlich er manchmal sprach… Sie fand es seltsam, denn es erinnerte sie daran, dass er aus einer anderen Zeit stammte, obwohl er nicht älter als ihre Freunde aussah. „Hättest du Zeit? Vielleicht sollten wir uns nochmal wegen unseres Auftrags unterhalten. Ich bin gerade bei dir.“ Sie stand auf und stellte sich ans Fenster, wo sie hinaussehen und eine schwarze Silhouette auf der anderen Straßenseite erblicken konnte. Sie musste nicht zweimal hinsehen um zu ahnen, dass es sich dabei um ihren vampirischen Partner handelte. Immerhin war dieses unangekündigte Auftauchen ein sehr typisches Verhaltensmuster seinerseits. „Ich könnte es nochmal mit einer Essenseinladung versuchen, wenn du noch kein Abendbrot hattest. Diesmal habe ich sogar einen Geldbeutel“, versprach er und sie hörte etwas klimpern, das wohl sein Portemonnaie sein musste. „Oh? Hast du das, wirklich?“, kam es leicht schmunzelnd über Janes Lippen, da sie beinahe lachen musste, weil sie an die letzte Einladung denken musste, bei der sie dann doch selbst die Rechnung beglichen hatte. „Nun, ich muss dich leider enttäuschen. Gegessen habe ich schon.“ Sie schwieg kurz und schielte zur Uhr, die kurz vor Acht zeigte. Da sie am nächsten Tag erst gegen Vormittag Vorlesungen hatte, hatte sie genug Zeit, noch auszugehen und zu diskutieren. „Aber um deine erste Frage zu beantworten: Ja, ich habe Zeit. Ich bin gleich bei dir“, fügte die junge Frau hinzu, ehe sie auflegte, ihre Jacke anzog und das Haus verließ. Ihrer Mutter erzählte sie, dass sie sich mit einem Freund treffen wollte, um ein paar Dinge zu besprechen. Nachdem sie der Ärztin einen kleinen Kuss auf die Wange gehaucht hatte, begab sich Jane nach draußen zu Aiden, der wie üblich strahlte, sobald sie näher kam. Jane deutete mit ihrem Kopf an, ihr in eine Richtung zu folgen. Sie steuerte einen kleinen Park an, der um diese Uhrzeit nicht unbedingt gut besucht war und den sie nach fünf Minuten erreichten. Schließlich war es besser, wenn sie ungestört miteinander reden konnten. Als sie eine ruhige Ecke gefunden hatten, blieb die junge Frau stehen und wandte sich mit verschränkten Armen an ihren vorübergehenden Partner. „Hast du noch irgendwas herausgefunden, das uns weiterhelfen könnte? Gibt es in den Vampirkreisen vielleicht Gerüchte, die über den Killer kursieren?“ In den Akten hatte sein Name - Richard Goodwin - gestanden und dass er bereits zu Lebzeiten als Mensch ein Serienkiller und in psychiatrischer Behandlung gewesen war. Jedoch konnte es ja sein, dass sonst noch wichtige Informationen existierten oder in den letzten Stunden ans Licht gekommen waren. „Vampirkreise?“, wiederholte Aiden belustigt. „Ja. Vampirkreise oder wie ihr euch auch nennen mögt. Eure… Bevölkerung, dein vampirisch-soziales Umfeld halt“, führte sie weiter aus und zuckte mit den Schultern. Natürlich ging die junge Frau nicht davon aus, dass Aiden wie Wölfe oder sonstige Rudeltiere ein Pack besaß; Vampire waren nicht gerade für ihre Gruppendynamik bekannt. Aber sie ging davon aus, dass er öfter mal mit gewissen Blutsaugern verkehrte. „Ist ´Vampirisch` überhaupt ein Wort?“, stichelte er ein wenig weiter. „Ich weiß es nicht. Spielt das denn eine Rolle? Vampir ist doch neutral, oder? Da kann vampirisch kaum abwertend sein?“, erwiderte sie augenverdrehend, ehe sie den Kopf schüttelte und sich durch die Haare fuhr. Da versuchte sie, ihm mal ein wenig entgegenzukommen und dann machte er sich auch noch über sie lustig. Uff. Am liebsten hätte sie einfach weiter ihre alten Kraftausdrückte verwendet, doch da sie ihr Gegenüber noch benötigte, musste sie sich wohl oder übel am Riemen reißen. Er versuchte merklich, sein Schmunzeln zu unterdrücken, schaffte es aber mehr schlecht als recht. „Tut mir leid, ich weiß es zu schätzen, dass du dir Mühe gibst“, sagte er, und wirkte trotz seines Amüsements ehrlich. Sie schüttelte nur den Kopf, um ihren Unmut zu zeigen, erwiderte jedoch nichts mehr. Er hätte sich ja sowieso nur lustig gemacht. „Beantworte lieber meine Frage.“ „Ich habe nicht sonderlich viele Bekannte, die mir etwas hätten sagen können“, gab er freimütig zu und schob die Hände in die Jackentaschen. Am liebsten hätte Jane sich die Hand vors Gesicht geschlagen, aber sie seufzte nur. Ein starker und alter Vampir zu sein war das eine. Ein starker und alter Vampir zu sein, der jedoch keine allzu guten sozialen Beziehungen besaß, war das andere. Dementsprechend war Jane froh, dass er momentan nur für diesen Auftrag ihr Partner war. Nun gut, wenn er trotz den mangelnden Kontakten irgendwie an Informationen kam, dann wäre es halb so schlimm. Jedoch tat dies im Moment nichts zur Sache, da der Vampirjäger-Zirkel gute Arbeit geleistet und alles Wichtige aufgelistet hatte, was jetzt auch Aiden auffiel. „Die Organisation weiß sowieso erstaunlich viel. Sie hatten sogar Informationen darüber, wer unseren Mr Goodwin verwandelt hat. Die Frage ist jetzt eher, wann wir loslegen wollen. Ich würde sagen, wir bringen die Sache so schnell wie möglich hinter uns, ehe noch mehr Menschen zu Schaden kommen, oder?“ „Je eher, desto besser. Und das mit den Informationen stimmt. In der Hinsicht haben wir wohl Glück.“ „Haben sie sonst nicht so viele Infos?“, fragte Aiden, den alle Details des Zirkels zu interessieren schienen. Bei dieser Erkenntnis runzelte Jane leicht die Stirn; er dachte ja wohl nicht darüber nach, der Organisation ohne ihre Zustimmung beizutreten, hoffte sie! „Nun, ich würde nicht sagen, dass sie nicht viele Informationen besitzen“, schob sie diese Überlegung vorerst beiseite, um sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Es reicht meist eigentlich aus. Es ist nur so, dass es mehr sein könnte“, erläuterte Jane, da schließlich nach wie vor eine längere Zusammenarbeit im Raum stand und er somit wohl ein paar Details über ihren Arbeitgeber verdient hatte. „Das liegt daran, dass der Job, den die Jäger verrichten um an weitere Daten zu kommen, etwas riskanter und nicht so einfach ist. Schließlich mischen sie sich direkt in die Vergangenheit der Mörder ein, die diese meist geheim halten möchten. Außerdem kommt es nicht selten vor, dass sie versuchen, andere Vampire zu konsultieren, welche ziemlich gewalttätig sein können.“ Was sie ihm wohl nicht erzählen musste, wenn sie daran dachte, wie er letztens nach seinem Gespräch mit der Vampirdame ausgesehen hatte. „Zudem sind es zu wenige Jäger, die diesen Job verrichten können oder wollen. Ich für meinen Teil habe so etwas in all den Jahren nur zweimal getan.“ „Wieso möchten das so wenige machen? Wird es schlechter bezahlt? Oder einfach, weil es mühseliger ist?“, wollte der Vampir interessiert wissen. „Und wieso machst du es nicht?“ „Die Bezahlung ist relativ gut. Aber es ist anstrengend und nicht sehr ergiebig“, erwiderte die junge Frau, ehe sie leise seufzte und die Arme vor der Brust verschränkte. Mit der letzten Frage hatte sie bereits gerechnet. „Als mein persönlicher Stalker hast du ja gesehen, dass ich aufgrund der Universität viel zu tun habe. Außerdem sind die meisten Aufträge in dem Bereich Parnteraufträge, weil sie eben so gefährlich sind und wie du ja weißt bin ich nicht unbedingt die geselligste Vampirjägerin im Zirkel. Zudem ist mit diesen Aufträgen viel Bürokratie verbunden, was das Ganze noch lästiger macht.“ Ihrer Meinung nach hatte sie an der Universität ohnehin schon genug mit Papieren und Arbeiten zu tun, da brauchte sie das alles nicht auch noch in ihrem Nebenjob. Dementsprechend hatte Jane bisher nur so wenige derartige Aufträge angenommen. Den einen, weil sie es tun musste (Natürlich auf Befehl von Eldric) und den anderen, weil sie gedacht hatte, dass er sie näher zu ihrem Ziel bringen würde. „Na, dann bleiben wir beim Jagen von Personen statt Informationen“, stimmte Aiden ihr munter zu. „Wann denkst du, sollen wir loslegen?“ Sie ließ den Blick durch den praktisch leeren Park schweifen, während sie über seine Frage nachdachte. Man konnte von weitem lediglich ein Pärchen auf einer Bank und einen Jogger mit seinem Hund erblicken. „Was hältst du von Samstag? Hast du da etwas vor?“, schlug die Vampirjägerin vor, wobei sie es absichtlich vermied, den Freitag vorzuschlagen. Man hätte natürlich meinen können, dass es für sie nicht schnell genug gehen konnte, doch da sie am morgigen Donnerstag noch Vorlesungen hatte und den Freitag mit Logan verplant hatte, weil der Abgabetermin für diese dämliche Arbeit bereits nächste Woche war, stand eigentlich nur noch der Samstag zur Debatte. Außerdem hatte sie es auch so eingeplant, dass sie, falls sie sich Verletzungen zuzog, einen Tag zum Ausruhen hatte anstatt sich den unweigerlichen Fragen ihres Projektpartners auszusetzen. Da Aiden diese Überlegungen natürlich nicht kannte, wohl aber ihre Ungeduld, zog er überrascht die Brauen hoch. „Nicht gleich übermorgen?“ Eigentlich hatte sie sich nicht rechtfertigen wollen, aber sie hatte ihm ja selbst angeboten, ihn in ihr Leben zu integrieren, also sollte sie sich wohl Mühe geben, etwas offener zu sein. „Ich habe praktisch jede freie Minute am Freitag mit Logan verplant. Der Abgabetermin für die Arbeit steht kurz bevor und wir müssen bis übermorgen die erste Fassung überarbeiten, damit wir genug Zeit für die Korrekturlesung haben“, erklärte die junge Frau, die mühsam ihren Wiederwillen herunterschluckte. Eine herbstliche Brise wehte vorbei, die Jane ein wenig erschaudern ließ. Instinktiv verschränkte sie die Arme fester vor dem Körper, wobei sie sich dafür verfluchte, keine dickere Jacke mitgenommen zu haben. „Sollen wir irgendwo rein gehen?“, fragte der Vampir sofort besorgt. „In der Nähe gibt es glaube ich eine Laube, die wäre zumindest windgeschützt.“ Jane runzelte leicht die Stirn. „Wieso weißt du das? Bist du öfter hier? Oder wohnst du in der Nähe?“, wollte die Vampirjägerin mit einer hochgezogenen Braue wissen, wobei sie aber direkt den Weg zur besagten Laube einschlug. Sie hatte nicht vor, krank zu werden, und außerdem war das Gerüst nur einige Minuten Fußweg entfernt. Aiden lehnte sich gegen die Wand der verlassenen Laube, sobald sie dort ankamen. „Ich wohne in der Nähe des Hyde Park in einem Hostel“, beantwortete er nur einen Teil ihrer Frage. „Wieso in einem Hostel? Hast du nicht genug Geld, um dir eine feste Bleibe zu suchen?“, wollte Jane wissen, obwohl sie sich gut vorstellen konnte, dass er ein kleines Vermögen besaß. Immerhin kam er ihr nicht verschwenderisch vor. Wenn man jedoch an den Vorfall zurückdachte, an dem er sie hatte einladen wollen, wäre ein Geldmangel vielleicht doch gar nicht so abwegig. „Doch, das hätte ich. Aber ich reise viel und es würde sich nicht lohnen, mir irgendwo etwas Festes zu suchen“, klärte er sie auf, wobei sein Lächeln eine leicht angespannte Note annahm, die Jane jedoch nicht hinterfragte. „Welche Adresse hast du dann bitteschön am College angegeben, als du dich immatrikuliert hast?“, wollte sie stattdessen neugierig und ein wenig irritiert wissen. Immerhin konnte sie sich gut vorstellen, dass das Dekanat ziemlich eigenartig reagiert hatte, wenn er die Adresse eines Hostels angegeben hatte. Für sie überraschend lachte der Vampir, ehe er antwortete: „Ich habe dasselbe gesagt wie dir: Dass ich viel reise und ´noch` keinen festen Wohnsitz habe. Allerdings hat die Dame wohl… Vergessen, dass ich noch einen angeben muss“, schloss er amüsiert. Die junge Frau runzelte die Stirn und legte dann schwer seufzend die Hand ins Gesicht, als sie diese sogenannte ´Erklärung` hörte. Aiden hatte also seinen hypnotischen Blick benutzt, um die arme Sekretärin gefügig zu machen. Unmöglich, so etwas! „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Wenn du dich schon für eine Universität einschreibst, dann solltest du zusehen, dass du wenigstens eine Wohnung oder ein Studio besitzt. Immerhin wirkt das auf die zuständigen Leute überaus seltsam“, beschwerte sie sich schwer seufzend und schüttelte leicht den Kopf. Es war ja auch möglich, dass er aufgrund der nicht festen Adresse gewisse wichtige Informationen nicht erhielt. Jedoch würde das in seinem Fall wahrscheinlich keine allzu große Rolle spielen, da er sich ja nicht wirklich für das Studium interessierte und er ziemlich schnell verschwinden konnte, wenn die Dinge brenzlig würden. „Ich denke nicht, dass das irgendjemanden großartig interessiert, und selbst wenn…“ Er zuckte die Schultern. „Mich interessiert es sehr wohl“, entgegnete sie schlicht. „Wenn man Verdacht schöpft und nachforscht, könnte man möglicherweise darauf kommen, dass du nicht menschlich bist. So würde man natürlich deine Kontakte prüfen und deine Verbindung zu mir finden.“ Es war offensichtlich, dass ihre Sorgen Aiden amüsierten, und sie musste zugeben, dass es vielleicht ein wenig weit hergeholt war, doch musste man Janes Meinung nach jede erdenkliche Möglichkeit beachten und alle Gefahren ausschließen. Nicht auszudenken, was für ein Chaos herrschen würde, wenn ans Tageslicht käme, dass sie sich mit Vampiren abgab und einen solch gefährlichen Nebenjob verrichtete. Dabei würde sie und insbesondere ihre Familie in Gefahr geraten, weil solche Neuigkeiten mehr blutrünstige Kreaturen erreichen würden, die dann möglicherweise den Versuch starten würden, sie auszuschalten. Dementsprechend hoffte sie sehr, dass ihr temporärer Jagdpartner es einsah und sich, wenn auch nur zum Schein, eine Wohnung besorgen würde. Andererseits hatte er auch etwas erwähnt, das Jane Hoffnung machte, sodass sie fragte: „Du hast gesagt, du reist viel. Heißt das, ich darf davon ausgehen, dass du mir nicht mein Leben lang auf den Wecker gehen willst?“ „Nun, ich hoffe, dir irgendwann nicht mehr auf den Wecker zu gehen“, drehte er ihr die Worte ein wenig im Munde herum. Ihr hoffnungsvolles Lächeln erblasste, und sie zuckte mit den Schultern, da sie darauf keine Antwort geben konnte. Sie konnte nicht in die Zukunft sehen und nicht sagen, wie ihre Beziehung sich weiterentwickeln würde. Es konnte immerhin auch gut sein, dass ihre Abneigung ihm gegenüber wieder größer würde. Solange er sich jedoch gesittet benahm und keine Anzeichen dafür gab, mörderische Absichten zu verfolgen, würde sie sich wohl irgendwann an ihn gewöhnen. Die Zeichen dafür standen momentan recht positiv – Was wohl auch daran lag, dass Jane sich Mühe gab, Vampire nicht weiter alle als blutrünstige Monster anzusehen und Aiden versuchte, sich möglichst an die Regeln des Zirkels zu halten. Froh, dass er sich als ihr Partner eignete, war Jane allemal gewesen. Sie hatte zwar im Gegensatz zu Aiden nie an dessen Qualifikation gezweifelt – Auf sie wirkte er fast schon wie ein Pazifist, wenn man davon absah, dass er für seine Nahrung tötete. Aber mit ihm an ihrer Seite konnte sie endlich den Vampir jagen, der sehr wahrscheinlich ihren Vater auf dem Gewissen hatte, immerhin sprachen alle Anzeichen dafür, dass dieser Serienkiller, dieser Richard Goodwin, der Gesuchte war. Sie konnte es noch immer kaum fassen, wie nah sie ihrem Ziel nun endlich war, und fast empfand sie Dankbarkeit für den nervigen Vampir, der ihr das ermöglichte. Dessen scharfer Blick war auf die dunkle Umgebung gerichtet, sodass sie sein Gesicht nicht sehen konnte, als er fragte: „Deine Arbeit mit dem Jungen…“ „Logan?“ „Ja. Du hast in letzter Zeit viel daran gearbeitet. Bist du bisher zufrieden?“ Jane zuckte nur die Schultern. Sie konnte nicht wirklich behaupten, zufrieden damit zu sein, weil sie nicht einschätzen konnte, wie gut die Arbeit war. Zudem war die Brünette eher perfektionistisch veranlagt, weshalb man ihrer Meinung nach fast nichts gut genug machen konnte. „Ich denke, sie ist ganz in Ordnung. Aber Logan ist ganz aus dem Häuschen, weil er meint, dass unsere Arbeit genial ist und wahrscheinlich seine Noten in der Vorlesung pusht. Von daher würde ich sagen, dass sie schon ganz gut ist“, antwortete sie lässig, woraufhin er schmunzelte. „Wahrscheinlich ist es eine umwerfende Arbeit und du bist nur zu stolz, das zuzugeben. Ich bin mir sicher, du bekommst eine gute Note“, bestärkte er sie sanft. Da Aiden das nicht beurteilen konnte – Er hatte das Schriftstück ja nicht gelesen – entgegnete sie nichts darauf und ließ das Thema fallen. Eigentlich war sie nicht hergekommen, um ihre Leistungen an der Universität zu sprechen, und wenn sie Bestätigung für diese bräuchte, würde sie sich an ihre Mutter oder ihren Arbeitspartner wenden, sicher nicht an den Blutsauger. Sie ließ sich auf einem Bänkchen nieder und ließ den Blick in der Umgebung herumschweifen, ehe sie wieder zu ihrem zeitweiligen Partner aufblickte. Dieser beobachtete sie nämlich mit seinem komischen Lächeln, das sie die Stirn runzeln ließ. Er war schon ein seltsamer Zeitgenosse. „Was amüsiert dich jetzt schon wieder?“ „Nichts.“ Kurz sah es aus, als wolle der Vampir noch etwas sagen, doch dann entschied er sich anders, und bei seinem Gesichtsausdruck war das vielleicht auch besser so. Stattdessen wechselte er das Thema. „Übrigens habe ich gejagt, ohne zu töten. Das Mädchen habe ich dann in der Nähe eines Krankenhauses abgeliefert, ihr geht es sicher gut. Ich denke, das wird auch weiterhin machbar sein“, erzählte er, nicht wenig Stolz in der Stimme. Sie lehnte sich ein wenig zurück, schlug die Beine übereinander und beobachtete den zurückkehrenden Jogger mit seinem Hund, der an ihnen vorbei lief, ein wenig überrascht von dem, was Aiden ihr da erzählte – Und vor allem davon, dass er dafür offensichtlich Bestätigung wollte. Ein bisschen wie ein kleiner Junge, der eine gute Note nach Hause brachte. Sie konnte gar nicht anders, als zu lächeln. „Gut gemacht“, lobte Jane ihn ausnahmsweise mal ehrlich und mit sanfter Stimme, woraufhin er strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Sie hasste Vampire zwar immer noch und konnte die blutige Ernährungsweise an Menschen nicht ausstehen, doch schätze sie es bei allen Lebewesen, wenn man offensichtlich sein Bestes gab und versuchte, sich zum Besseren zu ändern. Ja, sie war stolz und perfektionistisch veranlagt und verlangte von ihren Partnern und Mitmenschen genau das Gleiche (Auch wenn sie diese damit oftmals überforderte), doch wusste sie Bemühungen bei ihnen offen zu schätzen. Dafür fielen ihre Standpauken allerdings saftig aus, wenn etwas schief lief. Die Vampirjägerin stand auf, klopfte den Dreck von ihrer Kleidung und streckte sich einmal ausgiebig, sodass ihre Gelenke knacksten. Es tat gut, ein wenig an der frischen Luft zu sein, nachdem sie in der letzten Zeit so viel in geschlossenen Räumen zu tun gehabt hatte. Außerdem musste sie Aiden ein wenig besser ´kennenlernen` und Zeit mit ihm verbringen, um sich die Entscheidung zu erleichtern, ob er ihr permanenter Partner werden sollte. Es diente also mal wieder alles als Mittel zum Zweck. „Und? Sonst noch was, das du loswerden willst?“, fragte sie entsprechend unverblümt Mal wieder hatte Jane damit gerechnet, dass Aiden ihren Aufbruch hinauszögern wollte, doch wie schon bei ihrem Besuch im Zirkel beugte er sich völlig ihrem Willen und begleitete sie ohne Protest zurück in Richtung der Villa. Während er überlegte, herrschte Stille zwischen ihnen, die nur vom Wind in den Baumwipfeln unterbrochen wurde. Die Vampirjägerin freute sich auf ihr warmes Zimmer. „Hm… Vielleicht noch die Bitte, dass du dir möglichst nicht wehtun solltest, wenn wir am Samstag loslegen.“ Aiden lächelte, aber sie merkte, dass er die Bitte ernst meinte, und nachdem er sich bei seinem Test so angestellt hatte, konnte sie sich auch vorstellen, wieso. „Ich werde es versuchen. Versprechen kann ich es dir allerdings nicht“, gab die Brünette ehrlich zu, die sich weniger Sorgen machte als ihr Begleiter. Er hatte ihr Blut gerochen und nichts getan, seine Panik war also nur ein gutes Zeichen dafür, dass er sich weiterhin Mühe geben würde, sich selbst zu kontrollieren. Außerdem wusste sie, wie unberechenbar und hitzköpfig sie beim Kämpfen sein konnte. Dennoch würde sie – Schon weil sie Eldric und den anderen keine weitere ´lustige` Geschichte liefern wollte – versuchen, sich ein wenig zurückzuhalten. Ihr Blick schweifte über die mittlerweile leeren Straßen, die zu ihrem Haus führten, und dann wieder zu ihrem Begleiter, als dieser wieder sprach. „Das genügt mir. Für den Rest sorge ich“, zwinkerte er ihr zu, woraufhin sie sich den Nasenrücken massierte. Er war so eine Glucke, es war unfassbar! „Darf ich… Dich auch um etwas bitten?“, wollte Jane leise wissen und er summte auffordernd. „Wenn… es möglich ist, möchte ich, dass du den Vampir nicht tötest – Selbst wenn es so aussieht, dass er mich überwältigen könnte. Ich will, dass du ihn im schlimmsten Fall einfach nur zurückhältst und ich mich mit ihm… Unterhalten kann. Sollte ich nicht in der Lage sein, ihn umzubringen, solltest du dies erst tun, wenn ich es dir sage oder ein Zeichen gebe. Denkst du, du kriegst das hin?“ Er sah sie so abwägend an, dass sie schon mit einer Absage rechnete. Verwundert hätte es Jane nicht, immerhin war er laut Eldric geradezu ´besessen` davon, sie zu beschützen. Bei diesem Kommentar hätte sie wirklich zu gerne gewusst, wie genau Aiden auf die Fragen ihrer Kollegen in dem Test geantwortet hatte. „Wenn er dich angreift, werde ich ihn aufhalten. Egal, was dafür nötig ist“, stellte der Vampir klar, die Stimme ohne Kompromissbereitschaft, woraufhin sie nur seufzte. „Aber ich werde ihn für dich aufhalten, solange ich kann. Hast du vielleicht Beruhigungspfeile oder so? Ich denke, wenn wir mit ihm kämpfen, wird er danach zu sehr in Rage sein, um dir Informationen zu liefern.“ „Ich brauche einen Partner. Keinen Aufpasser“, meinte sie Augenverdrehend, wobei sie erneut einen kräftigen Luftzug verspürte und für einen kurzen Moment erschauderte. Sie beschleunigte ein wenig ihren Schritt, um nicht noch länger der kühlen Abendluft ausgesetzt zu sein. Schließlich stand in wenigen Tagen der große Auftrag bevor und eine Erkältung war generell nichts Erfreuliches. „Was die Bewaffnung angeht, mach dir keine Sorgen. Ich warte seit Monaten darauf, diesen Auftrag zu bekommen, und bin bestens vorbereitet“, fuhr die Vampirjägerin dann fort und blieb vor der Einfahrt ihres Anwesens stehen. Wäre ihr Verhältnis noch so schlecht wie am Anfang ihrer Bekanntschaft, hätte sie Aiden einfach stehen gelassen oder hätte sogar versucht, ihn zu verjagen. Da sie nun jedoch Partner waren und einigermaßen gesittet miteinander umgehen wollten, wartete sie darauf, bis das Gespräch richtig beendet wurde. Natürlich hatte er vorher noch etwas zu ihrer Beschwerde zu sagen. „Ich möchte keine Vampire töten. Was also soll meine Aufgabe bei dieser Partnerschaft sein, wenn nicht, dich zu beschützen? Ich fürchte, solange du mit mir arbeitest, wirst du mit einem Partner und Beschützer auskommen müssen.“ Da musste die Brünette ihrem Gegenüber wohl oder übel Recht geben. Schließlich hatte dieser oft genug betont, dass er gegen das Töten seiner Artgenossen war – Was ja verständlich war. Immerhin war es für einen Menschen auch nichts Normales, einen anderen Menschen umzubringen. Passen tat ihre seine Wachhund-Manier deshalb natürlich trotzdem nicht, weshalb sie nur herablassend schnaubte und die Arme verschränkte. Daraufhin lächelte der Vampir. „Gute Nacht, Jane. Wir sehen uns Morgen.“ Irgendwie klang das aus seinem Mund immer noch wie eine Drohung. Es gehörte irgendwie schon dazu, dass Aiden Jane zu den morgendlichen Vorlesungen Kaffee überreichte, den sie dann dankend (und gelegentlich sogar mit einem Lächeln) entgegennahm. Deshalb war sie am nächsten Tag nicht überrascht, als er sie mit einem Pappbecher begrüßte. Zwar unterhielt sie sich ab und zu mit dem Vampir über die bevorstehende Jagd, doch da die Vorlesungen überaus wichtig waren und sie sich bereits besprochen hatten, konzentrierte Jane sich lieber auf das Schulische. Demzufolge dachte sie nicht viel über den Auftrag nach, als sie sich am Freitag mit Logan bei sich zuhause zurückzog und mit ihm praktisch den ganzen Tag verbrachte. Trotz der anstrengenden Arbeit hatten die beiden jungen Studenten viel Spaß, da sie immer mal wieder rumalberten, sie sich über außerschulische Dinge unterhielten und sich ein wenig näherkamen beziehungsweise besser kennenlernten. Die Zusammenarbeit mit ihm würde sich wohl auch in Zukunft immer als angenehm erweisen, sodass die Brünette sicher nie etwas gegen ein gemeinsames Projekt einzuwenden hätte. Für die Vampirjägerin verging die Zeit zum Samstag folglich schnell und nach einem liebevollen Abschied von ihrer Mutter fuhr Jane zum besagten Treffpunkt, wobei sie ihren Audi in einiger Distanz parkte. Der Vampir wartete schon auf sie und sah zum dunklen Himmel auf, über den Wolkenfetzen peitschten. Er hatte sich nicht anders gekleidet als sonst – Dunkle Jeans, Turnschuhe, grauer Pullover – Und sah insgesamt entspannt aus, als hätte er das alles schon tausend Mal gemacht. Sicher hatte er sie schon wesentlich früher bemerkt, doch er sah erst auf, sobald Jane nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war. „Bereit?“, begrüßte er seine Partnerin, die nur knapp nickte. „Bist du diesmal warm genug angezogen?“ Die Brünette verdrehte die Augen und zog es vor, würdevoll zu schweigen. Natürlich musste er auf ihr ständiges Frösteln während der letzten Besprechung anspielen. Zum Glück war es trotz des starken Windes deutlich wärmer als am Mittwochabend, sodass sie keine weiteren Vorkehrungen für ihre Garderobe hatte treffen müssen. Außerdem hatte das neue Oberteil, welches sie vor wenigen Tagen mit Aiden im Zirkel gekauft hatte, sowie die speziell angefertigten, hautengen Hosen eine eingebaute Temperaturkontrolle. Demzufolge würde die junge Frau am heutigen Abend bestimmt nicht frieren. Stattdessen kontrollierte Jane auf seine Frage hin noch ein Mal ihre Ausrüstung, die aus der neuen Pistole, ein paar Beruhigungspfeilen und einem Messer bestand. All das hatte sie an ihrem Körper befestigt; Die Desert Eagle sowie fünf Beruhigungspfeile hatte sie an ihrem Ledergürtel festgemacht (Welcher natürlich eine Sonderanfertigung des Zirkels war), während sie das Messer etwas oberhalb ihres Knöchels an der Stiefelette befestigt hatte. „Gehen wir das Ganze nochmal durch“, beschloss die junge Frau, als sie sich auf dem Weg zu dem Feld machten, wo sie auf die beiden Vampire warten sollte. „Du begibst dich in sein Revier, tust so, als würdest du jagen und lockst ihn zu mir, wo wir ihn mit den Betäubungspfeilen lahmlegen und festnageln, damit ich ihn befragen und anschließend umlegen kann.“ Als er besorgt die Stirn runzelte, fürchtete Jane schon, ihr Partner würde wieder so ausflippen und Panik schieben wie im Zirkel, aber dann nickte er. „Bleib hier, auch, wenn es länger dauert als geplant. Ich möchte dich nicht suchen müssen“, wies er sie an, dann, er hatte sich schon halb abgewandt, sah er sie doch nochmal an und fügte sanfter hinzu: „Bitte.“ Mit diesen Worten machte er sich auf in das Gebiet des Vampirs. Man musste wohl nicht erwähnen, dass es der jungen Frau gegen den Strich ging, nicht mit ihrem Jagdpartner mitgehen zu können und während des Wartens die Füße stillhalten zu müssen. Am liebsten hätte sie den Vampir zur Seite geschoben und wäre alleine ins Revier einmarschiert, doch da es gegen die Abmachung war und sie versuchte, sich zurückzuhalten, tat sie es nicht. Stattdessen lehnte sie sich an die Mauer hinter ihr und wartete darauf, dass Aiden endlich wieder zurückkehrte. Die Zeit verging schleichend und hätte er ihr nicht gesagt, dass sie warten sollte, selbst wenn es sich in die Länge zog, wäre sie schon längst selbst losgezogen und hätte sich nach dem Serienkiller umgesehen. Stattdessen ging Jane immer wieder auf und ab, tapste ungeduldig mit dem Fuß auf den Asphaltboden rum oder knirschte mit den Zähnen, um sich zurückzuhalten. „Wo bleibt er nur…?“, murmelte die Brünette leise und sichtlich genervt, ehe sie in der Bewegung innehielt, als sie so etwas wie Schreie vernehmen konnte. Instinktiv wollte sie aus dem Versteck raus und nachsehen, warum ein paar Passanten solche Laute von sich gaben, doch hielt sie sich im letzten Moment mit großer Mühe zurück. Schließlich konnte es gut sein, dass es Aidens Plan war. Wenn sie sich jetzt einmischte, war es möglich, dass sie seine Vorbereitungen ruinierte und das wollte sie nicht – Zumindest nicht, wenn es denn den Weg zum Ziel erschwerte. Folglich atmete Jane tief durch, versuchte, ruhig und geduldig zu bleiben, während die Zeit nicht schnell genug vergehen konnte und sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Auftauchen eines Vampires herbeiwünschte, nicht nur, um diesen umzulegen – zumindest einen von ihnen nicht. ~ Aiden ~ Wie in einer Gegend, in der ein Serienkiller umging, zu erwarten war, war nicht viel los auf den nächtlichen Straßen und es dauerte eine Weile, bis der starke Wind Aiden eine Fährte zutrug. Er blieb stehen, zögerte aber, weil es sich um mehrere Männer handelte, und sein Artgenosse wahrscheinlich interessierter an Frauen war. Aber es konnte sein, dass Frauen sich gar nicht auf die Straßen wagten und er wollte keine Zeit verschwenden. Immerhin hatte er Jane alleine zurückgelassen und seine Gedanken wanderten immer wieder besorgt zu seiner Partnerin, während er unterwegs war, um den Serienkiller aufzuscheuchen. Schließlich setzte Aiden sich in Bewegung; er musste die Kerle ja nicht jagen, sondern sie nur ein bisschen in Aufregung versetzen. An einer Straßenecke fand er die Gruppe, die aus fünf Heranwachsenden bestand, die sich offenbar als eine Art Mutprobe auf die Straße gewagt hatten. Keiner von ihnen war älter als zwanzig. Sie lachten und schupsten sich gegenseitig in dunkle Seitengassen. Aiden beobachtete das eine Weile, dann beschloss er, ihnen einen Denkzettel zu verpassen, denn durch ihre Spielchen verspotteten sie die Opfer des Killers. Er verbarg sich in einer der Sackgassen, an denen die Jungs vorbeiliefen, und stieß genau in dem Moment eine Mülltonne um, als sie herannahten. „Alter, was war das?“, fragte einer von ihnen besorgt, woraufhin die anderen johlten und meinten, das wäre bestimmt nur eine Katze und er sollte sich nicht so anstellen. „Ich weiß nicht… Ne Katze kann doch nicht so was Großes umstoßen…“ „Dann geh doch nachsehen, wenn du meinst, es sei der Killer“, lachte einer seiner Freunde und nach kurzem hin und her näherte sich der Junge Aiden, der aus seinem Versteck trat, sobald das Licht der Straßenlaterne sie nicht mehr erreichte. Der Jugendliche wich mit einem Entsetzenslaut zurück, dann fuhr er den Vampir mit zittriger Stimme an: „W-Was machst du hier hinten? Verpiss dich gefälligst, du Freak!“ Aiden legte den Kopf schief und lächelte mit gebleckten Zähnen, die genauso wie seine Augen im schwachen Licht aufblitzten. „Wieso? Ihr habt mich doch gesucht, oder?“, fragte er mit tiefer, leicht knurrender Stimme. Der Junge weitete die Augen, wich rückwärts von ihm ab, dann nahm er die Beine in die Hand und rannte davon. „Da-Da-Das ist der Psycho!“, schrie er, und obwohl seine Freunde zuerst lachten, rannten sie ihm nach und nach hinterher, als Aiden gemächlich aus der Gasse schlenderte. Vollkommen abgestumpft waren die Sinne der Menschen also doch noch nicht; sie spürten das Raubtier an ihm. Der Vampir sah ihnen amüsiert nach, dann hob er den Kopf in den Wind auf der Suche nach einer neuen Fährte. Immerhin sollte er ein ganzes Viertel in Aufregung versetzen. Er erschreckte jeden Menschen, den er auftreiben konnte, ähnlich wie die Teenager, aber da es so wenige waren, dauerte es eine ganze Weile, bis seine eigentliche Beute auf ihn aufmerksam wurde. Zuerst merkte Aiden nicht, dass er nicht alleine war, weil der Wind ungünstig stand, doch dann hielt er mitten in der Bewegung inne. Noch bevor er den Geruch zuordnen konnte, den er nur flüchtig hatte wahrnehmen können, stürzte sich ein Schatten auf ihn und er wurde zu Boden gerissen. Er schürfte sich die Wange auf, als sein Kontrahent ihm den Kopf gegen den Asphalt knallte. „Was glaubst du eigentlich, was du hier suchst, du kleiner Wichser?“, fragte eine schnarrende Stimme über ihm. Aiden spürte bereits Hände an seinem Hals, riss sich aber mitsamt dem anderen Vampir herum, ehe der versuchen konnte, ihm wortwörtlich den Kopf abzureißen, und schleuderte den anderen mit Wucht von sich. Beide rappelten sich auf, und Aiden konnte den Killer das erste Mal sehen. Der Mann war groß und breitschultrig wie er selbst und hatte auch eine ähnliche Haarfarbe, sah aber alles in allem wesentlich ungepflegter und einfach wilder aus als Aiden. In seinen hellen Augen blitzte der Wahnsinn und er spuckte auf den dreckigen Boden. Aiden lächelte nach einem kurzen Scan seines Gegners und verlagerte das Gewicht ein wenig. „Was ich suche? Hm… Abendessen wäre nicht schlecht?“, beantwortete er die Frage, dann ging er auf den Killer los. Er gab sich in dem Kampf keine Mühe, wollte den anderen erstens über seine Fähigkeiten im Unklaren lassen und ihn zweitens dazu bringen, ihm zu folgen, wenn er gleich das Weite suchte. Dafür musste er zwar ein paar Kratzer einstecken, unter anderem auch einen unschönen, tiefen Schnitt, der ihm das halbe Ohr abtrennte, aber schließlich war er auf dem Weg zurück zu Jane. Die Vampire erreichten den Park auf der Seite, die Janes Aufenthaltsort gegenüberlag, und ihr Partner auf Zeit musste über einen hohen Maschendrahtzaun klettern, um auf die Grasfläche zu gelangen. Er ließ sich auf den matschigen Rasen fallen und lief einige Schritte über das verwilderte Footballfeld. Der Wind war noch stärker geworden und riss an den Bäumen, die den Kampfplatz umstellten wie ein natürlicher Sichtschutz. Irgendwo unter ihnen war hoffentlich Jane, aber Aidens flüchtiger Blick konnte sie nicht entdecken, und da brüllte ihn auch schon der andere Vampir an. „Verschissener kleiner Feigling, kämpf gefälligst wie ein Mann, wenn du schon in fremden Revieren wilderst!“, keifte sein Verfolger, der ihm über den Zaun nachsetzte. Als Aiden tatsächlich stehenblieb und sich nach ihm umwandte, schien er jedoch überrascht und sein Blick glitt unruhig über die Bäume in der Nähe. „Was spielst du, Pisser?“ „Fangen“, antwortete Aiden gutmütig, dann duckte er sich und sprang seinen Gegner an, wobei er zum ersten Mal seine volle Kraft einsetzte und ihn zu Boden riss. Während sie sich schlugen, hatte Aiden keine Zeit, nach Jane Ausschau zu halten, aber er konnte sie in der Nähe wittern. Blieb nur zu hoffen, dass sie sich raushielt. Natürlich tat sie das nicht. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie mit gezogener Waffe aus ihrer Deckung hervorpreschte und auf sie zu rannte. Verdammt, konnte sie nicht warten, bis er den Gegner fixiert hatte? Dieser nutzte seine kurze Ablenkung, um mit den Klauen die Schläfe aufzuschlitzen, was ihn zurücktaumeln ließ. In seinen Ohren war ein helles Sirren zu hören, aber er war im nächsten Moment wieder auf den Beinen und griff Richard an, der wohl überrascht von der neuen Aggressivität des anderen Vampires war. Doch dann sah der Serienkiller Jane und erkannte, dass Aiden seine ´Beute` verteidigte. Höhnisch lachte Richard auf und tänzelte ein paar Schritte zurück. „Eine Menschenhure?“, fragte er noch, doch dann zuckte er leicht zusammen, als ihn einer der Beruhigungspfeile am Nacken traf. Wie eine Fliege schlug er nach dem Geschoss und starrte es an, ehe er wütend aufbrüllte. „Ihr… Elenden Drecksschweine!“, knurrte der ziemlich verwilderte Vampir und stürzte sich wieder auf Aiden. Dieser duckte sich unter einem Schlag weg, packte Richards Arm und schickte ihn mit einem Hüftwurf zu Boden. Der Serienkiller war langsamer durch den Beruhigungspfeil und noch bevor er sich aufrappeln konnte, saß Aiden auf seinem Schoß, um ihm mit voller Wucht ins Gesicht zu schlagen, weil er Jane angesehen hatte, und noch einmal, weil er sie Hure genannt hatte. Nach einigen Sekunden wurden die Bewegungen des Killers deutlich träger und sein Blick verklärt. Dennoch versuchte er mit der Faust auszuholen um Aiden zu schlagen, doch konnte man sehen, dass es ihn viel Energie kostete und er keine bedrohliche Kraft in die Schläge mehr legen konnte. Während das Betäubungsmittel seine Wirkung entfaltete, näherte Jane sich mit langsamen Schritten. „Steh mit ihm auf und halt ihn still“, befahl sie Aiden fast tonlos. Ihre Beute fluchte, als sie auf die Beine gezerrt wurde und wand sich, aber der Griff um seine Arme war zu fest, als dass er sich hätte losmachen können. Während Aiden ein wenig mit Richard rang, nahm seine Partnerin ihre Desert Eagle in die Hand, entriegelte diese und wandte sich mit hartem Gesichtsausdruck an ihre Beute. „Du Miststück!“, schimpfte er ungehalten, woraufhin die Angesprochene nur müde schmunzelte. Ihr Partner reagierte nicht so gelassen wie sie. Er rammte Richard das Knie in den Rücken, was diesen in sich zusammensacken ließ, und knurrte ihm warnend ins Ohr. Noch so eine Frechheit würde er nicht dulden. „Und genau dieses Miststück wird dir deinen wohlverdienten Tod bringen“, erklärte Jane leise, die nicht zu interessieren schien, wie brutal ihr Helfer zu ihrer Beute war, solange dieser sie nicht umbrachte. Wie eiskalt ihre Stimme klingen konnte… Mit dem Kolben ihrer Waffe hob sie Richards Kinn. Wegen seines völlig verwilderten Äußeren und seiner langen Haare hatte sie sein Gesicht bis dato nicht genau betrachten können. Richard machte keine Anstalten, noch etwas zu sagen, als die Jägerin ihn jetzt eingehend begutachtete. Aiden dagegen sah ein wenig beunruhigt zu. Was hatte sie vor? Warum tötete sie ihn nicht einfach? „Schließlich warst du es doch, nicht wahr? Du warst es, der damals eingebrochen ist und ihn einfach…!“, fuhr die junge Frau fort, bevor sie abrupt abbrach und völlig erstarrte, als sie das Gesicht des Serienkillers direkt ansehen konnte. Ihre Augen weiteten sich mit jeder weiteren Sekunde Stück für Stück während ihr Gesichtsausdruck von einem Gefühl zum anderen wechselte. Aus der anfänglichen Kälte entstand Schock, der wiederum der Wut wich. Diese hielt jedoch nicht lange an, bevor Trauer und pure Verzweiflung folgten. Wie in Zeitlupe löste sich der Griff um ihre Waffe, bis diese zu Boden plumpste. „Jane…?“, sprach Aiden sie alarmiert an, aber sie reagierte nicht. Stattdessen nutzte Richard die Ablenkung, um sich von ihm loszureißen und mit einem Satz auf die junge Frau zu stürzen. „Jane, Jane“, äffte er Aidens besorgte Stimme nach, während er die Jägerin mit sich zog, ihre Hände in seiner Gewalt, sodass sie sich nicht wehren konnte. Ihre Waffe lag noch zu den Füßen ihres Partners. „Ich bring die kleine Schlampe um, du unwürdiges Schoßhündchen! Komm mir nicht zu nahe, sonst reiß ich ihr sofort die hübsche Kehle auf!“ Sobald sie wieder einigermaßen bei sich war, versuchte die junge Frau, sich aus den Fängen des blutrünstigen Vampirs zu befreien, doch dieser verfestigte seinen Griff um ihren Körper nur noch mehr, sodass sie vor Schmerz aufkeuchte. „Na? Wer bringt hier wem den Tod?“, säuselte Richard amüsiert und grinste über Jane hinweg Aiden an, sodass seine Fangzähne sichtbar wurden. Als der Serienkiller sah, wie der andere Vampir sich ihm nähern wollte, wich er ein wenig zurück. „Ah, ah, ah! Noch ein Schritt und es fließt Blut… Ihr süßes Blut…“ Aiden indes war wie gelähmt, verharrte in der halb geduckten Haltung, in der er den beiden hatte nachsetzten wollen. Richard fasste sie an… Dieser Psychopath fasste Jane an. Und er konnte absolut nichts dagegen tun, denn sobald er sich bewegte, würde der andere Vampir das Mädchen töten, und wenn es das letzte war, das er tat bevor Aiden ihm die Wirbelsäule rausriss. Hilflosigkeit und rasende Wut pumpten Aiden durch den Körper und entfesselten sich in einem Brüllen. Bilder aus einer anderen Zeit, aus einem anderen Leben, lösten sich aus seinem Gedächtnis. Blut, das in langem, dunklem Haar verkrustete, ein schlaffer Laib und diese Augen… Nie würde er diese leeren, grünen Augen vergessen, die einst so voller Leben gewesen waren und auf denen sich eine Fliege niedergelassen hatte, als Aiden sie zuletzt sah… Aber er wagte es nicht, sich zu bewegen, also staute alle Aggression sich in ihm ohne Ventil. Der verrückte Vampir beugte sich zum Hals der jungen Frau und wagte es sogar, darüber zu lecken, woraufhin Jane leicht erschauderte und Aiden tief knurrte. „Hm… vielleicht sollte ich ein wenig davon kosten…“, fuhr der langhaarige Vampir fort und beugte sich tiefer über sie. In dem Moment stampfte Jane mit dem Fuß auf, holte aus und rammte das versteckt eingebaute Messer am hinteren Stiefelabsatz, das sie durch die Bewegung aktiviert hatte, tief in das Schienbein des Wahnsinnigen. Dieser stieß sie von sich und noch in derselben Sekunde stürzte Aiden sich mit einem Fauchen auf ihn und riss ihn zu Boden. In dem Moment nahm er nichts wahr außer dem Wunsch, dem Lebewesen unter ihm Schmerzen zu bereiten und ab und zu das befriedigende Brechen eines Knochens. Er grub die langen Klauen in jedes Stück Fleisch, das er zu fassen bekam, prügelte auf das Gesicht ein, bis es nicht mehr als solches zu erkennen war, riss ihm den Arm aus, als sein Feind sich zur Wehr setzen wollte, aber es war nicht genug. Nicht genug Schmerz für den Frevel, Janes Blut beschmutzen zu wollen. Aiden – So hieß er doch? Er wusste es nicht mehr – wollte ihn wimmern sehen, wollte ihn leiden sehen…. Schwer atmend sah er zu der Stelle, an der Janes Waffe lag, aber soweit er wusste, war darin im Moment nur Betäubungsmunition, und das reichte ihm nicht. Er wollte das kranke Hirn dieses Bastards in Fetzen sprengen. Er wollte, dass er unfassbare Schmerzen litt, bevor er ihm den Gefallen tat, ihn zu töten. Sein Blick wanderte weiter auf der Suche nach etwas, mit dem er seinem Feind Schmerzen zufügen konnte, und blieb an Jane hängen, bei deren Anblick seine Nasenflügel sich weiteten. Gott, sie roch so gut, und sie war am Leben… Sie lebte…Er hatte sie schon tot am Boden gesehen, aber sie lebte… Trotz seines Versagens hatte er das unverschämte Glück, dass sie unverletzt war und er dankte allen Göttern, an die er nicht glaubte, für dieses Geschenk. Er blinzelte den roten Glanz aus seinen Augen, was man von der Mordlust in seinem Herzen nicht gerade sagen konnte. „Brauchst du ihn noch oder kann ich ihn töten?“, fragte er abgeklärt, als solle er den Müll rausbringen. Mehr war der andere Vampir, der sich kaum mehr regte, für ihn nicht; Abfall. Trotzdem hatte Jane ihn gebeten, Richard am Leben zu lassen, und daran wollte er sich halten, und wenn es ihn in den Fingern juckte, den Kopf abzureißen, dessen unwürdige Zähne sich ihrem Hals genähert hatten. Als er sich Richard wieder etwas bewusster wurde, grub Aiden ihm die Nägel in das kaum mehr als solches zu erkennende Gesicht. Die Zähne hatte er ihm ausgeschlagen. Sie hätten fast Janes Hals beschmutzt, ein Gedanke, bei dem sein Hass wieder aufloderte. Wie hatte er es wagen können…? Als Aiden zu Jane aufblickte, sah er, dass sie mit der Waffe auf ihn und das Stück Fleisch unter ihm zielte. „Du kannst ihn beseitigen“, erteilte sie die Erlaubnis und keine Sekunde später hatte Aiden auch schon den Kopf des anderen Vampirs in der Hand. Unglaublich befriedigt atmete er auf und konnte sich im Moment nicht mal dafür schämen, so etwas wegen des Todes eines Artgenossen zu empfinden. Er war voller Adrenalin, aufgeputscht von der eigenen Hilflosigkeit. So hatte er sich nie wieder fühlen wollen, es war so frustrierend und erniedrigend. Er hatte auf sie aufpassen wollen, und dann hatte dieser Dreck es geschafft, seine Hände an Jane zu legen… Sie war einen Moment lang verwirrt gewesen und statt sie zu unterstützen, hatte er sie in Gefahr gebracht. Voll kühler Professionalität schüttete Jane ein Mittel, das an ihrem Gürtel gehangen hatte, auf die Leiche, dann zündete sie diese an. Es war erstaunlich, wie leicht seinesgleichen brannte, dachte Aiden fasziniert und angewidert zugleich. Neben ihm starrte Jane ausdruckslos in die Flammen und sagte kein Wort, auch dann nicht, als sie den Ort des Geschehens verließ, um zu ihrem Auto zurückzukehren. Nachdem er dermaßen versagt hatte, wunderte es ihn nicht, dass sie ihn nicht sehen wollte, alleine lassen würde er sie jetzt aber sicher nicht. Außerdem wollte er endlich Antworten. Er ließ ihr ein wenig Vorsprung, damit sie sich fassen konnte, und so saß sie schon im Audi, als Aiden dazu kam. Sie hatte das Gesicht in den Händen geborgen. Der Anblick brach ihm das Herz. Was machte diese starke Frau gerade nur so verletzlich…? Nach kurzem Zögern ging er zu ihrem Wagen, klopfte an die Scheibe und öffnete ungebeten die Fahrertür. „Es tut mir leid, dass du in Gefahr warst“, sagte er direkt, wobei er einen prüfenden Blick auf das Zündschloss warf. So, wie sie gerade aussah, sollte sie lieber nicht fahren: Sie sah zwar auch nicht aus, als würde sie sofort abhauen, aber es wäre ihm lieber gewesen, sie würde sich von ihm heimbringen lassen. „Es war nicht deine Schuld“, entgegnete sie wie mechanisch. Sie reagierte kaum auf ihn, und das war Aiden nicht gewöhnt. Mit ihrer Abneigung konnte er inzwischen umgehen, aber einfach Luft für sie zu sein, machte ihn unruhig. Er kannte sie noch nicht gut genug um zu wissen, wie er sie aus diesem Loch holen konnte, außerdem wusste er noch nicht mal, wo das Problem lag. Irgendetwas hatte sie gewollt und nicht bekommen, so viel konnte er sich zusammenreimen, aber die Details kannte er nicht. „Er hat dich angegriffen, du konntest nichts dagegen tun. Ich hätte ihn festhalten müssen…“ Er wusste, dass das nicht ihr Problem war, aber er wollte nicht, dass sie sich für seine Fehler schuldig fühlte. Er hatte eine Aufgabe gehabt, diesen Irren festzuhalten, und nicht mal das hatte er geschafft. Erbärmlich. Kein Wunder, dass sie ihn nicht mal mehr ansah. „Als ob. Du hast keinen Fehler gemacht. Nicht einen einzigen. Du weißt ganz genau, dass ich es war, die uns beinahe auf dem silbernen Tablett serviert hätte.“ Er presste die Lippen aufeinander und schwieg einen Moment. Es hatte wohl keinen Sinn, weiter darüber zu diskutieren, vor allem nicht jetzt. Das hieß nicht, dass er ihr die Schuld gab, aber ihre glasigen Augen hielten ihn davon ab, weiter in sie einzudringen. Er wollte Jane wirklich nicht weinen sehen. Als er sie wieder ansah, war sein Gesichtsausdruck ernst. „Was ist da gerade passiert, Jane?“, wollte er wissen, immerhin hatte sie diese Starre in Lebensgefahr gebracht. Wenn er wüsste, was los war, könnte er beim nächsten Mal gegebenenfalls reagieren – Falls es ein ´nächstes Mal` geben würde, denn sie hatten ihre erste Jagd zwar erfolgreich abgeschlossen, aber wirklich gut war es nicht gelaufen. Sein Blick fiel auf ihren Hals, den dieses Subjekt – Er zitterte vor Wut, als er nur daran dachte – abgeleckt hatte. Der Speichel stank ekelhaft aus ihrem sonst so süßen Duft heraus und unwillkürlich strich er die Stelle mit den Fingern nach. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen, ihr Halt gegeben, aber das hätte sie wohl kaum zugelassen. Sie regte sich nicht, selbst als er sie ohne ihre Einverständnis berührte, behielt einfach das Gesicht in den Händen verborgen. „Ich habe mich geirrt… Er… Er war es nicht“, kam es leise und brüchig über ihre Lippen. „Ich habe mich… Einfach geirrt… Hah!“ Aiden verschränkte die Arme vor der Brust, um der Verführung zu wiederstehen, sie noch einmal zu berühren. Warum musste ihm auch jetzt auffallen, wie weich ihre Haut war? Unpassend. „Wer war er nicht?“, fragte er mit Nachdruck, da er nicht verstand, was sie meinte, und ihr seltsames Lachen beunruhigte ihn am meisten. „Wen suchst du, Jane?“ „Ich weiß nicht… Ich… Weiß es einfach nicht mehr…“, fügte sie mit leerem Blick hinzu. Ungläubig sah er sie an. Sie wusste es nicht mehr? Sie wusste nicht, wieso sie sie beide in Lebensgefahr gebracht hatte? Und damit meinte er nicht ihren Aussetzer, sondern die Jagd insgesamt. Nur ihr abwesender Blick hielt ihn davon ab, sehr ungeduldig auf diese Worte zu reagieren. Sie war gerade nicht bei sich, es war nicht ihre Schuld. Er rieb sich unschlüssig den Nacken, schüttelte den Kopf und gab für den Moment auf. Gerade war wohl nichts aus ihr rauszukriegen. „Wenn du es mir irgendwann sagen möchtest, kann ich dir vielleicht bei der Suche helfen“, beendete er deshalb in sanfter Tonlage das Thema. Er hatte ja bereits gesagt, dass er sie bei ihrer Jagd unterstützen würde. Wenn er den Grund dafür kannte, wäre es nur ein umso größerer Anreiz. Die junge Frau atmete auf, ehe sie sich mit zittrigen Händen durch die Haare fuhr und sich daran machte, sich anzuschnallen und den Motor zu starten. Aiden nahm ihr blitzschnell den Schlüssel ab und trat einen Schritt zur Seite, damit sie aussteigen konnte. „Rutsch rüber, ich fahr dich“, befahl er und machte eine auffordernde Handbewegung, als sie sich nicht rührte. „Schau nicht so, ich kann fahren. Im Gegensatz zu dir, du stehst unter Schock.“ Er wartete geduldig, ob sie tun würde, was er sagte. Groß andere Möglichkeiten hatte sie aber nicht, denn er würde ihr den Schlüssel nicht wiedergeben und wenn sie Anstalten machte zu laufen, würde er sie eben tragen. Ihre Sache. Scheinbar hatte sie gerade aber nicht die Kraft, sich zu streiten, und so rutschte sie wortlos auf den Beifahrersitz, wo sie sich anschnallte. Ohne ihn weiter zu beachten, lehnte sie den Kopf an die Fensterscheibe und schloss erschöpft die Augen. Aiden orientierte sich ein wenig, ehe er den Motor startete. Er war wirklich lange nicht mehr gefahren, schaffte es aber, sie aus der Parklücke zu manövrieren und schlug dank seines guten Orientierungssinnes die richtige Richtung ein. Sein Blick war hauptsächlich auf die Straße gerichtet, obwohl er immer wieder zu seiner Beifahrerin linste. Einmal meinte er, ein verräterisches Glitzern an ihrer Wange gesehen zu haben, aber das konnte nicht sein. Jane weinte nicht. Aber das Schweigen im Wagen überforderte ihn und wurde immer drückender, je länger die Fahrt dauerte. Schließlich erreichten sie Janes Haus und zum ersten Mal seit ihrer Begegnung war Aiden froh auf die Aussicht, gehen zu können. Natürlich wollte er eigentlich bei ihr bleiben und sie trösten, aber da er nicht wusste, wie, sie nicht mal in den Arm nehmen konnte, fühlte er sich nur noch nutzloser als sowieso schon. Er hielt auf dem Parkplatz vor dem Haus und stieg mit verschränkten Armen aus, den beunruhigten Blick auf Jane gerichtet. „Immerhin haben wir den Serienkiller unschädlich gemacht“, seufzte er nach dem langen Schweigen und lächelte schwach, als er ihr den Schlüssel gab. Er trat vorsichtig näher zu seiner Partnerin – Oder war sie das jetzt nicht mehr? – Und berührte sie sacht am Arm. „Versuch, zu schlafen, ok? Das klingt abgedroschen, aber wenn man ausgeruht ist, sieht vieles gar nicht mehr so schlimm aus.“ „Hm“, kam es lediglich über ihre Lippen, ehe sie kurz nickte und sich dann abwandte, um sich ins Haus zurückzuziehen. Aiden wartete, bis sie drinnen war, dann bezog er einen Wachtposten in der Nähe. So hatte er wenigstens das Gefühl, bei ihr sein zu können, wo es ihr so schlecht ging. Von seinem Platz aus konnte er sehen, wie das Licht in Janes Zimmer an, aber nicht wieder aus ging. Er hatte sich unter einen Baum zurückgezogen, als es anfing zu regnen, und lehnte jetzt an dessen Stamm, die Arme verschränkt, den Blick auf ihr Fenster geheftet, als könne er so schlechte Träume von ihr fernhalten. Erst viel später, als sie das Licht gelöscht hatte, verließ Aiden äußerst wiederwillig das Anwesen. Auf dem Weg zu seiner Unterkunft ließ er das Geschehene revuepassieren und versuchte, sich einen Reim aus Janes Verhalten zu machen. Sie hatte Richard nichts gefragt, also konnte ihr Schock nicht von einer Information kommen, die sie erhalten hatte. Es ging folglich um den anderen Vampir. Aber was hatte Jane mit diesem Abschaum zu schaffen? Die Überlegungen wiederstrebte ihm zutiefst, aber vielleicht war sie mit ihm bekannt gewesen. Vielleicht hatte sie gehofft, er wäre nicht der Serienkiller, für den alle ihn hielten und war entsetzt davon, dass er es doch war? Dergleichen unangenehme Überlegungen rollten ihm durch den Kopf, während er sich die Nacht um die Ohren schlug, indem er seine Zimmerdecke anstarrte. Unter diese Gedanken mischten sich die Bilder ihres schiefgegangenen Auftrags, immer wieder musste er zusehen, wie der Killer Jane an sich riss, wie er sie mit sich zog, wie er sie beinahe gebissen hätte… Aidens Hand krampfte sich um die Bettdecke unter ihm und er kniff die Augen zusammen, aber es half nichts; auch die letzten Bilder aus Janes altem Leben mischten sich unter die neuen Eindrücke. Er sah sie tot am Boden liegen und als er in einen unruhigen Schlaf sank, wusste er nicht mehr, welche der beiden Frauen jetzt tot war und ob es überhaupt einen Unterschied gab. Sie gaben ihm beide die Schuld und er zitterte am ganzen Körper, als er mit einem ´Nein!`, aufschreckte. Ein paar Minuten blieb er sitzen, dann rieb er sich erschöpft die Augen. Dieses Mädchen hatte einen viel zu großen Einfluss auf ihn. Er schaffte es einfach nicht, sie von seinen Gefühlen für Lady Jane Grey zu trennen, egal, wie sehr er es versuchte. Für ihn war sie ein Teil seines ganzen Lebens, nicht erst seit drei Wochen, und er konnte den Gedanken, sie nochmal zu verlieren, einfach nicht ertragen. Er konnte es nicht ertragen zu wissen, dass es ihr gerade schlecht ging und er absolut nichts für sie tun konnte, weil sie ihn eben noch nicht mal einen Monat lang kannte und ihn entsprechend nicht an sich ranlassen würde. Frustriert stieg er unter die Dusche, wodurch er hoffte, etwas zu sich zu kommen, aber der Wunsch, bei Jane zu sein, wurde einfach nicht schwächer, sodass er kurz darauf bereits auf dem Weg zu ihrem Haus war. Aiden spielte eine Weile mit seinem Handy, bevor er sich dazu durchringen konnte, tatsächlich ihre Nummer zu wählen. Kapitel 10: Alte Narben bluten leicht ------------------------------------- Jane schloss wie in Trance die Haustür hinter sich und blieb einen Moment im Flur stehen. Wie hatte sie sich nur so irren können? Dieser Richard Goodwin war nicht der Vampir, den sie seit über zehn Jahren unermüdlich suchte. Er war nicht die blutrünstige Kreatur, die ihren Vater kaltblütig ermordet hatte und mittlerweile fragte sie sich, ob sie ihn jemals finden würde. Schließlich hatte sich nach dieser Misere erneut gezeigt, dass es beinahe ein Ding der Unmöglichkeit war- Und diese Erkenntnis brachte sie nervlich ans Ende und ließ eine so große Frustration in ihr aufkeimen, dass sie Mühe hatte, ihre Tränen zurückzuhalten. Irgendwie schaffte sie es, die Kraft zum Weitergehen aufzubringen, aber als ihre besorgte Mutter in der Tür zum Wohnzimmer auftauchte und fragte, was passiert sei, hauchte die Brünette nur einen Kuss auf die Stirn und schlurfte weiter in Richtung ihres Zimmers. Sie wollte jetzt nicht reden, sondern nur noch schlafen und wenn möglich alles vergessen. Sie schlurfte zu ihrem Kleiderschrank um sich umzuziehen, jedoch zitterten ihre Finger beim Öffnen der Knöpfe an ihrem Pyjama und ihre Sicht verklärte sich aufgrund der aufkommenden Tränen, sodass die Frustration – die ohnehin kaum auszuhalten war – erneut aufkeimte und sie dazu verleitete, ihre Faust fest gegen die Tür ihres begehbaren Kleiderschrankes zu schlagen. Ein pochender Schmerz machte sich in ihrer Hand breit, doch er war es nicht, der sie kaum hörbar aufschluchzen ließ, als sie kraftlos auf den Boden sackte. Schniefend und mit tränenüberströmtem Gesicht schlang die junge Frau ihre Arme um die Knie, um ihrer Frustration, Wut und Trauer freien Lauf zu lassen, da sie bis zu diesem Zeitpunkt versucht hatte, diese zu unterdrücken. Was hatten all diese Jahre mit dem harten Training gebracht? Wieso war sie so nutzlos und konnte nicht einmal einen einzigen Vampir aufspüren? Wie sollte sie überhaupt jemals in der Lage sein, den Mörder ihres Vaters zu finden und zur Strecke zu bringen? Wie sollte sie auf die richtige Fährte kommen, wenn sie doch auch diesmal so danebengelegen hatte? Wie konnte sie das Erbe ihres Vaters, des erfolgreichen Architekten und Vampirjägers Nathaniel McCollins, ehren, wenn sein Mörder weiterhin auf freiem Fuße war? Während eine Frage nach der anderen durch ihren Kopf wälzte, bemerkte sie nicht einmal, wie sie von Müdigkeit übermannt noch an Ort und Stelle auf dem Fußboden einschlief. Erst weit nach Mitternacht wachte die junge Frau aufgrund des Unwetters vor ihrem Fenster wieder auf. Schwer seufzend erhob sich Jane, um sich endlich mit schweren Gliedern ins Bett zu retten. Da am nächsten Morgen Sonntag war und keine Vorlesungen anstand, machte die sonst so fleißige Wirtschaftsstudentin keine Anstalten, früh aufzustehen oder etwas für die Universität zu tun. Stattdessen verließ sie das Bett erst am späten Vormittag, tapste lustlos runter in die Küche, wo sie einen Zettel ihrer Mutter fand, die notfallmäßig im Krankenhaus gebraucht wurde – Was ihr ehrlichgesagt gut passte. Immerhin hatte Jane keine Lust, ihrer Mutter Rede und Antwort zu stehen. Schließlich hatte diese schon am Vorabend gemerkt, dass etwas nicht stimmte, doch hatte sie es wahrscheinlich auf die Müdigkeit und die Anstrengung geschoben. Hätte Elizabeth ihre Tochter heute gesehen, dann wäre für die Mutter klar gewesen, dass etwas sehr im Argen lag. Leise seufzend fuhr die junge Frau sich durch die Haare, ehe sie zur Kaffeemaschine ging um sich eine Tasse zu gönnen, damit sie einigermaßen wach würde. Sie fühlte sich gerädert und sah vermutlich furchtbar aus, aber sie wollte einen möglichst klaren Kopf haben, denn wäre sie unkonzentriert, würden ihre Gedanken nur wieder zum letzten Abend zurückkehren. Während sie das Heißgetränk leerte, blickte sie auf ihr Handy, kontrollierte Nachrichten und Mails, die sie erhalten hatte und überlegte nebenbei, was sie heute tun konnte. Natürlich konnte sie in den Zirkel fahren und die Belohnung für die erfolgreiche Arbeit abholen, doch ob das eine so gute Idee war… Wohl eher nicht. Auch Arbeiten und Revisionen für die Vorlesungen würden nichts bringen, da sie ohnehin nicht in der Lage wäre, sich zu konzentrieren. Ob vielleicht einer ihrer Freunde spontan Lust hatte, etwas zu unternehmen? Ein wenig Ablenkung wäre bestimmt nicht schlecht und so würde sie ihrer Mutter für die meiste Zeit des Tages aus dem Weg gehen können. Entschlossen begann Jane, in der WhatsApp-Gruppe ihrer Clique eine Nachricht zu tippen, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Dies wurde jedoch verhindert, als ein anderer Name plötzlich den Hilferuf auf ihrem Handydisplay überdeckte. Aiden. Es überraschte sie nicht, dass er sich über ihr seltsames Verhalten während des Auftrags wunderte und deshalb nachfragen wollte. „Hallo“, nahm sie den Anruf knapp entgegen. „Hi“, sagte er, scheinbar überrascht, dass sie überhaupt abgenommen hatte und noch nicht darauf vorbereitet, jetzt reden zu müssen. Aiden hüstelte, bevor er die ziemlich dumme Frage: „Wie geht es dir?“, stellte. Leise seufzend fuhr sie sich durch die Haare. Was bitteschön sollte sie darauf antworten? Immerhin hatte er sie am Vorabend genau gesehen und konnte sich wohl denken, dass es ihr alles andere als gut ging. „Ich überhöre diese Frage einfach mal“, erwiderte sie nur, da sie gerade keine Geduld für Höflichkeitsfloskeln hatte. Außerdem hatte Jane keine Lust, ihm ihre momentane Gefühlswelt zu erklären, geschweige denn komplett zu offenbaren. Das lag nicht nur daran, dass sie Aiden nicht vertraute oder ihn nicht ausstehen konnte, sondern viel mehr daran, dass es viel zu lange dauern und sie nicht die passenden Beschreibungen finden würde. „Jaa… Tut mir leid. Ich wollte eigentlich nur fragen, ob ich irgendwas für dich tun kann. Ich weiß, du hast deine Geheimnisse und all das… Aber du musst mir nicht davon sagen, nur, was ich tun kann, um dir zu helfen.“ Jane hatte begonnen, die Spülmaschine einzuräumen während er redete, hielt jetzt jedoch inne und runzelte die Stirn. Für einen kurzen Moment rührte sich die Vampirjägerin nicht, ehe sie damit langsamen Schritten auf ihr Zimmer ging. Vielleicht war dieser nervige Vampir ja doch zu etwas, das nichts mit der Jagd zu tun hatte, nützlich. Sie musste ihm nicht ihr Herz ausschütten und da sie ohnehin einen ähnlichen Plan verfolgte, konnte sie die Gelegenheit doch gleich am Schopfe packen. Außerdem musste Jane so nicht auf eine Antwort ihrer Freunde warten, sondern konnte direkt das Haus verlassen und ihrer Mutter so für die nächsten Stunden aus dem Weg gehen. „Warte vor der Haustür“, antwortete die Brünette schlicht, denn für sie stand außer Frage, dass er in der Nähe sein musste. Er faselte ständig etwas davon, sie beschützen zu wollen, da würde er wohl kaum freiwillig von ihrer Seite weichen, nachdem er ihren Nervenzusammenbruch erlebt hatte. Sie machte sich im Bad ein wenig frisch und zog sich um. Anschließend schnappte sie sich eine Tasche, packte das Wichtigste wie Handy, Geldbeutel und kleinere Vampirjäger-Gegenstände rein, ehe sie sich nach draußen begab, wo wie erwartet ihr vampirischer Begleiter auf sie wartete. Anstatt ihn zu begrüßen, drückte sie ihm ihren Autoschlüssel in die Hand. „Fahr mich irgendwohin. Du kannst entscheiden. Von mir aus können wir auch einige Stunden einfach nur im Auto sitzen und fahren – Nur bring mich weg von hier“, gab Jane schlicht von sich, während sie sich zu ihrem Wagen begab und sich auf dem Beifahrersitz niederließ. Im Normalfall wäre Aiden einer der Letzten gewesen, an den sie sich gewandt hätte, wenn sie jemanden brauchte. Da es sich jedoch so angeboten hatte und er ohnehin wusste, dass sie momentan alles andere als stabil war, musste sie auch keine anstrengende Fassade aufrechterhalten, wie sie es bei den ´Normalsterblichen` ihres Bekanntenkreises hätte tun müssen. Dementsprechend war die junge Frau insgeheim froh, dass er ihrem Befehl Folge leistete, schweigend ins Auto stieg und losfuhr. Dass er ihr dabei nicht auf den Zeiger ging und Ruhe gab bis auf kleinere Kommentare über den Verkehr und darüber, dass er Autofahren nie sonderlich gemocht hatte, war ihr nur Recht. Schließlich hätte er auch versuchen können, sie zu löchern – Und um ehrlich zu sein, hätte es Jane ihm nicht wirklich übelnehmen können, wenn er seine Verwunderung bezüglich des Vorabends geäußert hätte. Aiden klopfte gedankenverloren im Takt zu einem Lied im Radio auf dem Lenkrad herum, hielt aber plötzlich inne. „Wir werden noch eine Weile unterwegs sein“, bemerkte er, als er sich scheinbar für eine Destination entschieden hatte. „Ich hoffe, ich fahre nicht zu unangenehm.“ „Glaub mir, ich habe manchmal einen deutlich raueren Fahrstil als du“, erwiderte die Vampirjägerin und ließ ihren Blick über die Gegend schweifen. Sie hatten die Stadt schon eine ganze Weile hinter sich gelassen und folgten der Themse. Zum ersten Mal trat der Vampir ein wenig aufs Gas und überholte einen LKW, hinter dem sie schon ewig hergetuckert waren. Jane fragte nicht, wohin es gehen sollte und sagte auch sonst nichts. Stattdessen lauschte sie weiterhin schweigend der Musik oder versuchte, den Kopf frei zu bekommen, indem sie sich zurücklehnte und erschöpft die Augen schloss. Dennoch konnte die Brünette nicht verhindern, dass ihre Gedanken immer und immer wieder zu dem Ort zurückkehrten, an dem sie die niederschmetternde Erkenntnis erlangt hatte, dass ihre lange Vorbereitung umsonst gewesen war und ihre Hoffnung, endlich den Mörder ihres Vaters gestellt zu haben, unbegründet gewesen waren. Dabei keimte sogar Scham in ihr auf, da ihr erst jetzt wirklich bewusst wurde, dass Aiden sie so gesehen hatte. Sie hasste es, vor Menschen Schwäche zu zeigen – vor einem Vampir war es eigentlich tödlich, schwach zu sein. Schwer seufzend fuhr sich Jane durch die Haare, wobei sie sich wieder angestrengter auf die Musik konzentrierte. Sie wollte sowohl den erniedrigenden Gedanken fortschieben, versagt zu haben, als auch den, dass sie trotz ihrer Schwäche noch lebte. Jetzt wollte sie nicht darüber nachdenken, was das über Aiden aussagte. Etwa eine Dreiviertelstunde später bogen sie von der sowieso schon maroden Straße auf einen Feldweg, der zu einem kleinen Baumbestand führte. Vor dem Wäldchen parkte Aiden und stieg aus, wobei er sich ausgiebig streckte. Jane selbst stieg langsam aus und hob die Augenbrauen, als sie sich umsah. Sie befanden sich auf einer Rasenfläche mitten im Nirgendwo, wie es aussah. Der Feldweg, auf dem sie hergekommen waren, wurde nach ein paar Metern von Buschwerk verschluckt, welches sich vor ihnen zu Bäumen auswuchs, die in einer Brise leise rauschten. Sie war bisher noch nie hier gewesen, doch die angenehme Ruhe und die frische Luft mit dem leicht salzigen Geruch ließen sie tief durchatmen. Auch die junge Frau streckte sich, sodass ihre müden Glieder knacksten, dann folgte sie ihrem Begleiter über einen Feldweg in das Wäldchen. Während die junge Frau lief betrachtete sie die Umgebung, um sich zu orientieren und herauszufinden, wohin der fünfhundert Jahre alte Vampir sie wohl bringen würde. Durch den Salzgeruch hatte sie erraten, dass sie in der Nähe der Küste sein mussten, obwohl die Fauna verhinderte, das Wasser schon zu sehen. Je näher sie dem Strand kamen, desto deutlicher wurde das Rauschen der Wellen, sodass die Vampirjägerin nach einer Weile ahnte, wohin das ganze führen sollte. Dementsprechend war sie nicht überrascht, als sich nach einem kurzen Fußmarsch die Bäume lichteten und den Blick auf eine von Klippen umgebene, lange Sandbank weit unter ihnen freigab. Ein kühler Wind blies Jane entgegen als sie in die Tiefe zum Meer hinab blickte. Auf der gegenüberliegenden Kuppe sah man zwischen den Bäumen die Reste eines verfallenen Hauses und Aiden blieb stehen um die Ruine versonnen zu betrachten. „Gefällt´s dir?“, fragte er nach einer Weile Jane. „Es ist… Angenehm“, kam es leise über ihre Lippen, während sie sich die Haare hinters Ohr strich und ihren Blick über den Strand schweifen ließ. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie an so einen ruhigen, abgelegenen Ort bringen würde, doch war es irgendwie das Richtige. Es beruhigte ihr Inneres, besänftigte ihr Gemüt. Er nickte, dann ging er ein wenig weiter. „Hier muss irgendwo ein Weg runter zum Wasser sein“, meinte er und machte sich auf die Suche nach dem schmalen Durchgang. Es dauerte eine ganze Weile, bis er den beinahe zugewucherten Stieg fand. Während er das Gestrüpp entfernte, fragte Jane: „Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du mich genau hierher gebracht hast?“ „Ich war öfter hier, als ich noch ein Mensch war“, antwortete er, ohne von seiner Arbeit aufzusehen. Stattdessen deutete er flüchtig auf das Haus. „Das war früher die Sommerresidenz einer Adelsfamilie. Ist, glaube ich, in irgendeinem Krieg zerstört worden.“ Dann war der Weg frei und Aiden begann mit dem Abstieg. Natürlich folgte Jane ihm, als er den steilen Pfad entlang ging. Sie vermutete, dass der Vampir sich ihrem Tempo anpasste und alleine viel schneller beim Strand angekommen wäre, doch der Spaziergang gab Jane die Zeit, über seine Worte nachzudenken. Als er noch ein Mensch war, hatte er gesagt. Sie hatte zwar gewusst, dass er ihre Vorfahrin Lady Jane Grey gekannt hatte und entsprechend schon sehr alt war, aber nicht, dass er ein verwandelter Vampir war. Wie lange seine Verwandlung wohl schon zurücklag? „Auf der anderen Seite der Klippe gibt es ein Dorf, da können wir essen gehen, wenn du Hunger hast“, riss ihr Begleiter sie aus den Gedanken. Sie legte instinktiv die Hand auf ihren Bauch, da ihr erst jetzt auffiel, dass sie seit dem gestrigen Abend nichts Essbares mehr zu sich genommen hatte außer einer Tasse Kaffee. Dennoch verspürte sie keinerlei Hunger. Dass dies an ihrem momentan instabilen Zustand lag, wusste sie selbst, doch hatte sie trotzdem nicht vor, gleich hier und jetzt etwas zu sich zu nehmen. Schließlich hatte die Brünette das Gefühl, dass sie ohnehin nichts runterbringen würde. Dementsprechend sagte sie nichts zu Aidens Kommentar, sondern folgte weiterhin schweigend dem Weg, bis sie endlich am Strand und Wasser ankamen. Erneut blies ein kalter Wind ihr entgegen und sie war froh, sich dick genug angezogen zu haben. „Eigentlich schade, dass es schon so kalt ist. Im Sommer kann man hier wundervoll schwimmen… Oder konnte man“, korrigierte Aiden sich lächelnd, als habe er Janes kurzes Schaudern bemerkt, die es immer ein wenig gruselte, wenn er von seinem unnatürlich langen Leben sprach. Sie gingen weiter am Strand entlang, der sich fast einen Kilometer lang zog und auf dem ab und zu ein verirrtes Bäumchen den Gezeiten trotzte. Bevor die Flut einsetzte, sollten sie weg sein, aber bis dahin waren es noch ein paar Stunden. „Willst du darüber reden, was gestern passiert ist?“, machte der Vampir einen weiteren Konversationsversuch nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten. Jane hielt mitten in der Bewegung inne. Natürlich. Sie hatte damit gerechnet und es wäre komisch gewesen, wenn ihr Verhalten ihm nicht befremdlich erschienen wäre, doch wusste sie nicht, ob sie diese Frage beantworten konnte und wollte. Zwar hatte sie sich vorgenommen, nichts dazu zu sagen und sich nicht aktiv mit diesem Thema zu befassen, doch jetzt… Jetzt standen sie mutterseelenallein an diesem ruhigen Ort, der ihr mehr als gut tat. Außerdem war Aiden gestern dabei gewesen, war wegen ihrem eigenartigen und dummen Verhalten in Gefahr geraten und hatte ihr heute ohne zu Murren die Bitte erfüllt, sie von zu Hause wegzubringen. Man konnte von daher davon ausgehen, dass er etwas bei ihr gut hatte und sie in seiner Schuld stand. In der Zeit, die Jane brauchte, um sich zu einer Antwort durchzuringen, ging Aiden in die Knie und sammelte ein paar von den Wellen abgeschliffene Steine auf. Mit diesen näherte er sich dem Wasser, das er prüfend musterte, dann hob er den Arm, ließ das Handgelenk schnippen… Und versenkte das Steinchen mit einem lauten Platschen im Meer. Er lachte. „Bin wohl aus der Übung“, gestand er, doch als er es nochmal versuchte, schaffte er es, den Kiesl ein paar Mal über die Wellen hüpfen zu lassen. Jane achtete nicht wirklich auf seine Spielchen sondern blickte nachdenklich Richtung Horizont, da sie ihre Gedanken ordnen wollte. Inzwischen kannte sie Aiden gut genug um zu wissen, dass er ihr durch seine lässige Haltung Zeit zum Überlegen geben und sie zu nichts drängen wollte und wie schon im Zirkel, als er ihr die Entscheidung über einen möglichen Pakt überlassen hatte, schätzte sie diese Geste. „Ich war… frustriert“, begann die Brünette schließlich so leise, dass ihre Stimme im Rauschen der Wellen beinahe unterging. „Frustriert“, wiederholte Aiden mit hochgezogener Augenbraue. Sie musste ihn nicht ansehen um zu wissen, dass er ihr das nicht abkaufte. Ihre Reaktion war weitaus heftiger gewesen. Außerdem wäre sie, wäre sie wirklich nur frustriert gewesen, eher aggressiv und laut geworden als zu weinen oder neben sich zu stehen. Auch wenn es so offensichtlich war, machte die junge Frau keinerlei Anstalten, ihre Umschreibung zu korrigieren, als sie fortfuhr: „Seit ich… Mich dem Zirkel angeschlossen habe, verfolge ich nur das Ziel, einen bestimmten Vampir zu finden und zur Strecke zu bringen.“ Ihre Gefühle des vergangenen Abends keimten wieder auf, sodass sie nicht verhindern konnte, dass ihre Augen glasig wurden. Schnell wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen, damit Aiden die Tränen nicht zu Gesicht bekam. Sie atmete kurz tief durch um sich ein wenig zu beruhigen und sich nicht erneut eine solche Blöße wie am letzten Abend zu geben. „Es hat sich gestern, trotz einiger Parallelen, herausgestellt, dass Richard nicht der Vampir war“, fuhr die junge Frau dann wieder gefasster fort, wobei sie natürlich absichtlich etwas vage blieb und nicht erklärte, weshalb sie den Vampir suchte. Hätte sie dies in dem Moment getan, wären die Tränen bestimmt unaufhaltsam geflossen, und sie wollte nicht darüber reden – vor allem nicht mit einem Vampir. „Das war alles. Ich war… Einfach frustriert und wütend“, fügte die Brünette schlussendlich hinzu, obwohl sie ganz genau wusste, dass Aiden ihr das nicht glauben würde. Er hatte sie am letzten Abend gesehen. Dennoch fragte er nicht weiter, sondern ließ das letzte Steinchen übers Wasser flippern. Der Stein hopste bestimmt fünfzig Meter, bevor er unterging. „Bist du dir sicher, dass dieser Vampir in London lebt?“, erkundigte er sich, dann ging er weiter. „Er könnte auf der ganzen Welt untergetaucht sein… Agiert der Zirkel international?“ „Das tut er“, erwiderte sie schlicht und verschränkte die Arme vor der Brust, während ihre Haare im Wind tanzten, als erneut die Meeresbrise aufkam. „Und nein, ich bin mir nicht mehr sicher, ob er noch in London lebt. Bis gestern war ich es, doch nach der Begegnung mit Richard… Bin ich es nicht mehr.“ Sie hatte gedacht, ein gewisses Muster hinter den Morden gesehen zu haben, weshalb sie gedacht hatte, dieser verrückte Vampir müsse mit großer Wahrscheinlichkeit der sein, den sie seit Jahren suchte. Natürlich, sie hatte nur ihre vage Erinnerung als Anhaltspunkt, doch mit der Tatsache, dass der gesuchte Vampir damals bei ihr zu Hause eingebrochen war, grenzten sich die Möglichkeiten ziemlich ein. Schließlich kam es nicht allzu oft vor, dass diese Kreaturen öffentlich gewalttätig vorgingen, um sich zu ernähren. Die meisten waren diskreter, vor allem aber nicht so dreist, in das Haus eines Vampirjägers einzudringen. „Hilft Eldric dir bei der Suche?“ „Ja. Er ist auch derjenige, der mich auf auffällige Aufträge hinweist und sie gegebenenfalls zur Seite legt. Er ist der Einzige im Zirkel, der von all dem und der Wichtigkeit weiß“, erklärte die Brünette. „Dann wundert es mich fast, dass er dich nicht alleine nach Richard suchen ließ“, murmelte der Vampir und verschränkte die Arme. „Er ging davon aus, dass ich sofort auf ihn losgehen würde, wenn ich ihn sehe und dass ich unbedacht reagieren könnte.“ Dem hätte sie nicht mal Kontra entgegensetzen können. Wäre sie alleine losgezogen, hätte das möglicherweise sogar ihren Tod bedeutet. „Von wegen könnte…“ Aiden gluckste leise, doch als er Jane in die Augen blickte, wirkte er wieder ernst. „Mein Angebot steht; wenn du möchtest, helfe ich dir suchen, dann müsste Eldric sich nicht so große Sorgen um dich machen. Ich kenne zwar nicht so viele Leute, aber ein paar Informationen könnte ich dir vielleicht besorgen… Aber es wäre nett, wenn du sowas nächstes Mal vorher sagst, damit ich reagieren kann… Falls es ein nächstes Mal geben soll“, fügte er mit hochgezogenen Brauen hinzu. Wäre ihr Mentor in der Nähe gewesen, hätte er bestimmt gelacht und versucht, Jane zu dem bescheuerten Eid mit Aiden zu überreden. Da er jedoch einige Kilometer weit von ihnen entfernt war, konnte er dies nicht tun. „Du hast es selbst gesagt: Falls es ein nächstes Mal geben soll“, wiederholte die junge Frau seine Worte leise und ließ ihren Blick erneut zum Horizont schweifen. Sie wusste im Moment nicht, wie sie weitermachen sollte und ob es eine gute Idee war, sich weiterhin mit Aiden zusammenzutun und sich auf ihn zu verlassen – geschweige denn in naher Zukunft einen Pakt mit ihm einzugehen. „Meine Hilfe ist von deinen Verpflichtungen dem Zirkel gegenüber unabhängig, das ist dir bewusst, oder? Du musst keinen Vertrag mit mir eingehen, wenn du möchtest, dass ich mich für dich umhöre oder dich auf eine Jagd begleite. Ich helfe dir, weil ich es möchte, und daran sind keine Bedingungen geknüpft.“ Sie schlenderte weiter über den Strand, steckte die Hände in die Jackentasche und zog bei Aidens Worten die Augenbrauen hoch. Natürlich, er hatte schon bei dem Besuch im Zirkel erwähnt, dass er das nicht aufgrund des Zirkels tat und – Wenn sie sich richtig erinnerte - ´Sie so lange beschützen wollte, wie es in seiner Macht stand`, doch ohne jegliche Gegenleistung? Diese Aussage machte sie stutzig, doch erinnerte sie sich daran, wie sie ihn vor wenigen Tagen gefragt und er ihr eine für sie unverständliche Antwort gegeben hatte. Dementsprechend unterließ sie es, ihn wieder nach seinen Beweggründen zu fragen sondern nickte nur und ließ das Thema fallen. Sie hatten inzwischen fast die Hälfte des Strandes passiert und über ihnen erhob sich eine Steilwand. Während sie sich mit dem Vampir unterhalten hatte, hatte sich ihr Gemüt langsam aber sicher ein wenig gelockert, sodass kein Druck mehr auf ihrer Bauchgegend lastete und sie aufgrund des aufkeimenden Hungers leichte Übelkeit verspürte. Da ihre Gedanken jedoch immernoch durcheinander waren, kam sie nicht darauf, dass dieses flaue Gefühl von der Nahrungsverweigerung kam. Sie nahm es nicht mal wirklich als Übelkeit, sondern vielmehr als Unwohlsein wahr, weshalb sie nur ein paar Mal tief durchatmete. „Eine Frage“, fing sie stattdessen ein Gespräch an um sich abzulenken. „Was wirst du jetzt tun? Ich meine, der Auftrag ist erledigt und ich denke nicht, dass ich mich in nächster Zeit mit dem Gedanken anfreunden werde, dich als langfristigen Jagdpartner zu haben.“ Klar, er hatte gemeint, dass er sie beschützen wollte, egal, was sie davon hielt. Doch konnte sie sich nicht vorstellen, dass er dies ohne irgendwelche Begründungen oder den Pakt längerfristig tun wollte. Schließlich gab es momentan keinen wirklichen Grund, weshalb Jane so etwas wie einen Beschützer benötigte. Außerdem konnte es sein, dass er noch andere Ziele verfolgte. Kurz spannten sich seine breiten Schultern an und er sah so abwesend auf den Sand zu seinen Füßen, dass Jane die Augen verengte, doch dann grinste er nur wie immer. „Nun, im Moment bin ich in der Uni eingeschrieben, also werde ich weiterhin dorthin gehen. Und ansonsten… werde ich wohl einfach mein Leben weiterführen. Für mich hat sich nicht viel geändert.“ Er zuckte die Schultern lässig und Jane verdrehte die Augen. Er hatte seine Stalker-Manier noch immer nicht abgelegt und hatte weiterhin vor, sich in ihrer Nähe aufzuhalten, egal, was sie davon hielt. Wieso konnte er nicht einfach wieder dorthin gehen, wo er hergekommen war? Schließlich hatte er sich erst vor wenigen Wochen an der Universität eingeschrieben, was hieß, dass er etwas anderes getan haben musste, bevor sie sich begegnet waren. Bevor Jane eine Frage diesbezüglich stellen konnte, knurrte ihr Magen, weshalb sie die Hand auf den Bauch legte und die Stirn runzelte. Es sah so aus, als ob ihr Körper nun die Nahrungsverweigerung nicht weiter so einfach hinnehmen wollte. „Hm. Ich glaube, ich sollte etwas essen“, kommentierte die Vampirjägerin leise seufzend das Knurren. Es war ja nicht ihre Absicht, vor Aiden zusammenzubrechen und von ihm nach Hause getragen zu werden. Von daher machte sie sich mit ihm auf den Weg zum Dorf. Zuerst sah der Vampir sie ziemlich verwirrt an, gerade so, als wäre ihm das Geräusch eines knurrenden Magens völlig fremd. Vielleicht war es das auch, schließlich hatte er gesagt, er hätte keinen besonders großen sozialen Kreis, das galt bestimmt auch für Menschen. Dann hoben seine Mundwinkel sich zu einem Schmunzeln. „Du klingst, als wäre es eine Bürde, essen zu müssen.“ Sie überging diese Bemerkung, da sie jetzt keine Lust hatte, mit ihm darüber zu diskutieren. Der Weg ins Dorf nahm noch über eine halbe Stunde in Anspruch und da der Aufstieg genauso steil war wie der Abstieg gewesen war, war ihr Hunger nur noch größer als sie oben auf der Klippe ankamen. Natürlich war der Vampir trotz der Strapazen frisch wie der junge Morgen und hatte scheinbar nur aus Rücksicht auf Janes Kondition während des Weges nichts gesagt, denn sobald sie wieder zu Atem gekommen war, fragte er: „Seit wann bist du eigentlich im Zirkel?“ Sie hatte eine hervorragende Ausdauer für einen Menschen, ärgerte sich aber, dass sie jetzt doch etwas erschöpft war während ihr Begleiter genauso gut durch einen Park geschlendert sein könnte. Dennoch rechnete sie auf seine Frage hin kurz nach. Ihr kam es vor, als ob es eine Ewigkeit wäre, seit der sie schon der Organisation angehörte – Was nicht unbedingt verkehrt war. Immerhin war sie seit ihrem zehnten Lebensjahr und somit mehr als ihr halbes Leben lang ein Teil des Zirkels. „Im Februar nächstes Jahr werden es zwölf Jahre, wenn ich mich richtig erinnere“, antwortete sie ein wenig nachdenklich. Sie erreichten den kleinen Ort, der nicht unbedingt eine große Auswahl an Restaurants aufwies, fanden aber doch ein einigermaßen gut gefülltes italienisches Bistro, das sie gemeinsam betraten. Sie ließen sich in einer rückwärtigen Ecke an einem Tisch nieder und Jane studierte die Karte. „Wie bist du in dem Alter auf den Zirkel gekommen? Ich meine, es ist ja nicht, als würden die da Praktikantenstellen anbieten, oder?“, setzte Aiden mit einem leicht angespannten Lächeln das Gespräch fort. „Ich habe den Zirkel gefunden, nachdem ich das Tagebuch meines… Meines Vaters studiert habe.“ Bei der Antwort dachte sie unwillkürlich an ihren Vater, sah sein lachendes Gesicht unter den dunklen Haaren, die sie geerbt hatte, und bemerkte, wie sie sich innerlich ein wenig verkrampfte. Auch, wenn sein Tod bereits mehr als zehn Jahre zurücklag, so schmerzte es die junge Frau noch immer unglaublich, wenn sie an Nathaniel dachte oder über ihn sprach. Dementsprechend tat sie das nicht gerne. Es machte sie so extrem verwundbar. „Verstehe… Ist er auch Jäger?“, fragte der Vampir, vorsichtig ihre Grenzen austestend. Eigentlich hatte die junge Frau nicht über ihren Vater sprechen wollen, doch war sie irgendwie nicht darum herum gekommen. Schließlich spielte er eine bedeutende Rolle in ihrem Werdegang als Vampirjägerin. Alleine durch seinen Tod war sie überhaupt auf die Idee gekommen, mit zehn Jahren den Zirkel aufzusuchen und den Vampir niederstrecken zu wollen, der Nathaniels Ableben verschuldete. Wer wusste schon, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn ihr Vater noch leben würde? Ein leises Seufzen entwich ihren Lippen und sie schüttelte als Antwort nur leicht den Kopf, weil sie nicht darüber reden wollte. Es reichte, wenn er wusste, dass sie den Zirkel indirekt mit der Hilfe ihres Vaters gefunden hatte. Außerdem war es keine Lüge, wenn sie die Frage verneinte. Schließlich war er kein Jäger – Zumindest nicht mehr, da er ja nicht mehr lebte. „Ich muss dir auch wiedersprechen“, griff sie einen anderen Faden von Aidens Aussage auf. „Es gibt tatsächlich so etwas wie Praktikantenstellen, die man antreten kann. Jedoch werden diese meist an die Leute vergeben, die bereits irgendwie etwas mit dem Zirkel zu tun haben oder an normale Leute vermittelt, die vom Staat und dem hohen Rat als passend eingestuft wurden.“ „Und was macht ein solcher Praktikant? Kaffee kochen?“, wollte der Vampir spöttisch wissen. „Unter anderem sicher, ja“, entgegnete sie gelassen, schließlich war das überall so. Jedoch war das natürlich nicht die einzige Beschäftigung, die man an dieser Stelle verrichtete. „Man erledigt aber auch Bürokratisches, indem man bei der Organisation hilf. Außerdem darf man während des Praktikums versuchen, als Vampirjäger aufgenommen zu werden. Das ist der Grund, weshalb potentielle Anwärter genauestens untersucht werden.“ Natürlich, man konnte sich auch einfach so als Jäger bewerben, doch musste man im Normalfall zuerst ein Mindestalter von sechzehn Jahren erreicht haben, den Zirkel aufspüren und ebenfalls einige Tests und Fragen über sich ergehen lassen. Wenn man das Praktikum also auf irgendeine Weise angeboten bekam, dann wurde einem ein Teil der Arbeit abgenommen. Seine Neugierde bezüglich ihres Werdegangs konnte Jane ihrem Gegenüber jedenfalls nicht verübeln. Welche Zehnjährige spielte schon mit dem Gedanken, ein Teil eines solch ungewöhnlichen und gefährlichen Zirkels zu werden? Normale Kinder spielten in dem Alter mit Barbies, Autos und gingen brav zur Schule. „Und wenn der besagte Praktikant gar kein Jäger werden möchte? Wird er dann trotzdem von ein paar Leuten mit Wurfmessern beschossen?“, erkundigte Aiden sich zynisch. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihm dieses ganze System überhaupt nicht passte. „Nein. Dann erledigt er halt einfach weiterhin die normalen, bürokratischen Jobs und hat teilweise sogar eine Aussicht, eine längerfristige Stelle zu bekommen. Der Zirkel zwingt niemanden, ein Teil davon zu werden. Man begibt sich auf freiwilliger Basis und auf eigene Verantwortung zu den Aufnahmeprüfungen“, erwiderte die Brünette, wobei sie nur leicht die Augen über den schnippischen Unterton des Vampirs verdrehte. Was dachte er bitte schön? Klar, die Regierung wusste darüber Bescheid, unterstützte die Vampirjäger, doch bestand der Beitritt auf vollkommen freiwilliger Grundlage. Zumindest hatte es Jane bisher nur so gehört. Sie hatte noch nie miterlebt oder mitbekommen, dass man jemanden dazu gezwungen hätte. Vielleicht wäre das mal etwas, was sie so ganz nebenbei und aus purer Neugierde herausfinden könnte. Er seufzte leise. „Ich dachte nicht, dass jemand gezwungen wird, nur bin ich nicht sicher, ob man einem Kind eine solche Entscheidung ´freiwillig` zumuten sollte. In dem Alter sieht man das, denke ich, eher noch als Spiel. Meinst du nicht auch, dass sechzehn sehr früh ist?“ „Ab sechzehn ist man kein Kind mehr. Außerdem darf man ab dem Alter entscheiden, ob man gewissen Alkohol trinkt oder rauchen will“, entgegnete die junge Frau schlicht. Immerhin könnten diese Drogen genauso leicht zum Tode oder zu irgendwelchen Beschädigungen führen wie wenn man einem Vampir begegnete oder mit Waffen hantierte. Dementsprechend war es in ihren Augen gerechtfertigt, dass man ab dem Alter entscheiden durfte, ob man dem Zirkel beitreten wollte oder nicht: Jedoch war das reine Geschmackssache und darüber ließ sich bekanntlich streiten. Einen überaus süßen Moment lang war der geschwätzige Vampir sprachlos. „Ist das dein Ernst? Man kann doch nicht vergleichen, ob man Bier trinkt oder einen potentiell tödlichen Beruf ausübt. Natürlich kann jemand betrunken etwas passieren, aber dafür zu sorgen, dass das nicht passiert, ist Aufgabe der Eltern.“ „Es ist mein Ernst. In deinen Augen kann man das vielleicht nicht vergleichen und es mag rücksichtslos, beinahe skrupellos erscheinen, doch ich finde, dass man nach der Vollendung des sechzehnten Lebensjahres zum größten Teil entscheiden kann, ob man ein Jäger werden möchte oder nicht. Außerdem ist es ja nicht so, dass wir jede sechzehnjährige Person nehmen. Wie schon erwähnt, werden Tests gemacht“, erwiderte die Brünette mit den Schultern zuckend. Wahrscheinlich würden sie noch stundenlang darüber diskutieren können, da sie beide völlig unterschiedliche Meinungen vertraten. Da sie dies jedoch nicht wollte, machte sie eine kurze, abwinkende Handbewegung. „Lassen wir das. Ich schätze, diesbezüglich werden wir kaum auf einen grünen Zweig kommen. Wenn es dich so sehr stört, beschwer dich bei Eldric. Wenn du gute Argumente bringst und er Zeit hat, wird er das sicher an die Regierung weiterleiten“, fügte sie schließlich hinzu. Aiden sah zwar aus, als hätte er nur zu gerne noch etwas gesagt, nickte aber schließlich schicksalsergeben, denn da näherte sich der Kellner. Jane bestellte eine Spinatlasagne, einen kleinen Salat und Wasser, ehe sich der Servierer dem Vampir zuwandte und wieder verschwand um die Bestellung in der Küche abzugeben. „Was machst du eigentlich so, wenn du nicht gerade Vampire jagst oder in der Universität sitzt?“, fragte Aiden sie dann wahrscheinlich zum ersten Mal etwas, das nichts mit dem Zirkel oder ihrer Zusammenarbeit zu tun hatte. „Ich muss gestehen, dass ich überaus langweilig bin“, erwiderte die junge Frau mit den Schultern zuckend, die davon ausging, dass ihr Gegenüber lediglich Smalltalk betreiben wollte und sich nicht wirklich dafür interessierte. „Im Gegenteil. Du bist überaus faszinierend“, wiedersprach er sanft lächelnd und sah sie auffordernd an, sodass sie auf die Ausgangsfrage antwortete. „Ich lese viel, gehe gerne ins Kino, unternehme etwas mit Freunden und spiele Klavier. Außerdem reise ich gerne, wenn es Zeitlich passt und ich die Möglichkeit dazu habe.“ Wäre ihr Nebenjob als Vampirjägerin nicht gewesen, wäre sie, zumindest in ihren Augen, eine 0815-Person gewesen, doch Aiden fand trotzdem einen ganzen Haufen Fragen: „Was liest du für Bücher? Hast du ein Lieblingsstück am Klavier? Welches Land hat dir bisher am besten gefallen?“ Während ihr Gegenüber seine Inquisition betrieb, tauchte der Kellner mit der Bestellung auf und Jane nahm einen Bissen, bevor sie antwortete. „Ich lese eigentlich so gut wie alles. Von Romanen bis hin zu Krimis, Sachbüchern und philosophischen Abhandlungen.“ Aiden nutzte die kurze Pause, in der sie einen Schluck Wasser trank, um weiter nachzubohren: „Dann ist es wahrscheinlich schwer zu sagen, welches dein Lieblingsbuch ist?“ „Nicht wirklich. Es ist Jean-Paul Sartres Huis Clos, besser bekannt als ´geschlossene Gesellschaft`. Wie es in ein paar Jahren aussieht, weiß ich nicht.“ Es würde sie nicht überraschen, wenn er sich darüber wundern würde. Schließlich war das alles andere als eine typische Lektüre, die man als Lieblingsbuch bezeichnen würde, da es, trotz der eigentlich kleinen Handlung, eine schwere Kost sein konnte, wenn man die philosophischen Hintergründe dazu kannte. „So? Fühlst du dich von zwischenmenschlichen Beziehungen bedroht?“, fragte er in einem belustigten Tonfall, der anklingen ließ, dass er die Geschichte über die drei Sünder kannte, die sich gegenseitig quälten und trotz der Schwächen der anderen nacheinander verzehrten, sich aber niemals haben konnten. „Was willst du damit sagen? Dass ich sozial inkompetent bin und darum das Buch mag?“, verlangte die junge Frau in schneidendem Tonfall zu wissen. Er lächelte so schelmisch als hätte er erwartet, dass sie derart aus der Haut fahren würde. „Nein, das glaube ich nicht. Aber ich denke, das ist der springende Punkt dieses Buches… Oder zumindest der Offensichtlichste“, erklärte er beschwichtigend. „Außerdem bist du kein einfacher Mensch, also ist die Frage berechtigt, würde ich meinen.“ „Wenn es lediglich einen Punkt gäbe, wäre das Buch nicht so interessant sondern flach“, erläuterte Jane ihren Standpunkt. „Ich weiß nicht, ob es dann flach wäre. Immerhin ginge es dann immer noch um das menschliche Scheitern, unerfüllbare Sehnsüchte, um die Angst davor, Chancen zu ergreifen und einiges andere. Beziehungen sind immerhin das, was uns als denkende Lebewesen prägt und zu dem macht, was wir sind.“ Er schien seinen Spaß damit zu haben, sie aus der Reserve zu locken, und blitzte sie über den Tisch hinweg aus seinen hellen Augen an, die ständig zu lachen schienen. „Ich meine auch nicht, dass das Thema an sich flach wäre, sondern dass es uninteressanter ist, ein Buch nur wegen des Offensichtlichen zu mögen. Es muss mich weiterdenken lassen, sodass mich auch die verborgenen Themen interessieren.“ Er hörte ihr neugierig zu und nickte, als sie geendet hatte. „Das macht natürlich Sinn. Aber es ist wohl immer so, dass man das Verborgene sehen muss, wenn man etwas wirklich verstehen möchte. Allerdings liegt es wohl auch am Leser, sich die Mühe zu machen, die Hintergründe zu begreifen.“ Er lächelte sie an und es war offensichtlich, dass er nicht mehr nur von dem Buch sprach. „Das stimmt wohl in gewisser Weise. Jedoch ist es oftmals so, dass das Interesse an den Hintergründen nicht wirklich vorhanden ist, weil es nicht dem Geschmack entspricht – Auch dann, wenn man bereits einige ´Seiten des Buches` gelesen hat“, kommentierte die Brünette, wobei sie bemerkte, wie ihre Mundwinkel leicht, aber verräterisch zuckten. Sie konnte jedoch verhindern, dass sich ihre Lippen zu einem Schmunzeln verformten. Natürlich musste er sogar ihr Lieblingsbuch auf sich beziehen und andeuten, dass sie ihn besser kennenlernen sollte, was auch sonst? Diese Mühe machte der Vampir sich nicht, sondern er grinste sie schief an. Wie sie da so ihr Amüsement unterdrückte fiel Jane zum ersten Mal auf, dass sie heute gesprächiger war als in den anderen Unterhaltungen mit dem Vampir. Ob das an ihrem instabilen Zustand lag? Oder lag es daran, dass sie Aiden gegenüber ein subtiles Vertrauen hegte, weil sie trotz der kurzen Phase so viel Zeit miteinander verbracht hatten und er sich bei dem Auftrag als überaus nützlich und geeignet herausgestellt hatte? Bei dem Gedanken schüttelte sie leicht den Kopf. Nein. Sie vertraute ihm nicht. Nicht einmal ein bisschen. Wie sollte das bitteschön möglich sein, dass sie einem Vampir Vertrauen entgegenbracht? Es musste an ihrer Kondition liegen, mehr nicht. Dennoch sollte sie sich wohl hüten, nicht allzu viel von sich Preis zu geben und es nicht zulassen, dass er es schaffte, an den richtigen Orten zu bohren. Im Moment war er aber wohl wirklich nur an ihren Freizeitaktivitäten interessiert. „Du wolltest mir dein Lieblingsstück am Klavier verraten“, erinnerte er sie an seine nächste Frage. Inzwischen hatte Jane ihre Mahlzeit beendet und legte das Besteck beiseite, um einen Schluck zu trinken. „Hm… wenn ich ein Bestimmtes und vielen nennen müsste, wäre es Theme of Tears von Shinji Kakijima.“ Es war ein eher modernes Stück, doch es war für sie stets beruhigend, es zu hören. Außerdem konnte sie es immer wieder spielen, ohne dass es ihr verleidete. „Das sagt mir leider nichts. Ich werde es mir bei Gelegenheit anhören.“ Sie zuckte nur leicht die Schultern. Wäre er ein normaler Freund ihrerseits gewesen hätte sie ihm sicher angeboten, es ihm einmal vorzuspielen, schließlich nahm Jane seit ihrer frühesten Kindheit Klavierstunden. Da er dies jedoch nicht war, kam es der Vampirjägerin gar nicht in den Sinn. Allerdings erinnerte sie sich an seine nächste Frage und beantwortete diese, bevor er weiter nachbohren konnte: „Am interessantesten fand ich Süd Korea als Reiseziel. Am schönsten hingegen Italien und Spanien.“ „Was war an Süd Korea so interessant?“, überging er die südeuropäischen Destinationen, da sie näherliegend waren als ein asiatisches Ziel. „Nun, es ist einfach die Art der Menschen, ihre Lebensweise und Kultur. Es war ziemlich faszinierend, das alles zu sehen.“ „Erzähl mir von deiner Reise dorthin… Bitte“, fügte er hinzu und stützte die Wange in die Hand, den Blick unverwandt auf sie gerichtet. Der Kellner kam zurück und fragte, ob sie noch etwas brauchten, wobei sein Blick auf Aidens unberührtes Glas fiel und er die Brauen hochzog. Der Vampir lächelte ihn an, prostete ihm zu und tat, als würde er einen Schluck nehmen. Als der Angestellte weg war, nahm Jane ihm das Wasserglas aus der Hand und vertauschte es mit ihrem Leeren. So würde es wenigstens aussehen als habe er etwas getrunken. „Dein Urlaub“, erinnerte Aiden sie sanft und sie berichtetet von ihrer Reise mit einer Freundin vor drei Jahren, die dort ihre Familie besucht hatte. Sie hatten verschiedene Städte angesehen, zu scharfes Essen gegessen, unter der Hitze gelitten und noch vieles mehr. All das hörte der Untote sich nicht nur geduldig, sondern ehrlich fasziniert an. „Mit einem Dolmetscher würde ich wieder mal dorthin reisen“, endete sie schließlich, was ihn gleich zu seiner nächsten Frage brachte. Sie schienen ihm nie auszugehen. „Sprichst du noch andere Sprachen?“ „Leider nur Englisch, Konversations-Französisch und ein bisschen Russisch“, erklärte Jane, wobei sie sich denken konnte, dass Letzteres ihn ein wenig verwundern würde. Jedoch fügte sie gleich hinzu, dass sie ein paar Brocken aufgeschnappt hatte, als sie aufgrund eines Auftrages mit ein paar Vampirjägern einige Wochen in Russland verbracht hatte. „Das ist mehr, als die meisten von sich sagen können“, antwortete Aiden lächelnd in fließendem Französisch und sie kam nicht umhin, ebenfalls schmunzelnd ´Man tut, was man kann` in der Sprache der Liebe zu antworten. Dann allerdings runzelte er leicht die Stirn und rieb sich seufzend über die Augen. „Für deinen Job würdest du auch wirklich alles tun, oder? Hat es dir in Russland gefallen? Oder hattet ihr keine Zeit, euch groß umzusehen?“ „Ich würde nicht behaupten, dass ich ´alles` dafür tun würde. Einiges ja, aber nicht alles.“ Es sei denn, es würde sie ihrem eigentlichen Ziel näher bringen, fügte die junge Frau in Gedanken hinzu, wobei sie auf seine Frage bezüglich des eigentlichen Aufenthaltes nur leicht die Schultern zuckte. Wie er schon vermutet hatte, hatte sie damals nicht wirklich Zeit gehabt, sich umzusehen, doch das was sie gesehen hatte, schien in Ordnung zu sein – gewöhnungsbedürftig und interessant, aber in Ordnung. Da sie mit dem Essen fertig war, lehnte sie sich ein wenig zurück, schlug die Beine übereinander und musterte ihr Gegenüber kurz, ehe sie zum ersten Mal ebenfalls eine Frage stellte. Das stand ihr nach seinem Interview wirklich zu, und sie wollte es schon seit einiger Zeit wissen. „Wie alt bist du genau?“ Diesmal war es an ihm, kurz zu überlegen. „Etwa 480, plus-minus fünf. Damals wurde das noch nicht so genau aufgeschrieben.“ Seine sonst so fröhlichen Augen wurden kurz dunkel, doch Jane bemerkte das nicht wirklich. Viel zu schockiert war sie von seinen Worten. Klar, er hatte ein paar eigenartige Macken, äußerte sich manchmal nicht unbedingt zeitgemäß, doch dass er fast ein halbes Jahrtausend alt war, war schwer zu begreifen. Er hatte von seiner (angeblichen) Liaison mit der Neuntage-Königin gesprochen, also hatte sie mit etwas um den Dreh gerechnet, aber es ausgesprochen zu hören als wäre es das Normalste auf der Welt, war nochmal eine andere Hausnummer. Es war wirklich kein Wunder, dass sie auf kämpferischer Ebene gegen ihn nicht ankam, aber auch das würde sie noch schaffen, falls es denn nötig würde. „Am Anfang hab ich dich auf maximal 200 geschätzt“, gab die Brünette zu, worüber Aiden belustigt eine Braue hochzog. „Also… Ich schätze, ich sollte mich geschmeichelt fühlen“, sagte er grinsend, obwohl das bei seiner Rasse wohl nicht ganz stimmte, immerhin wurden sie ´besser`, je älter sie wurden. Jane zuckte jedoch nur mit den Schultern. Sollte er es auffassen, wie er wollte, sie interessierten im Moment andere Themen. „Ich schätze, du warst am königlichen Hofe tätig, als du noch… Ein Mensch warst?“ Aiden nickte. „Ja. Oder besser war das mein Vater. Ich war noch etwas zu jung, um wirklich etwas zu sagen zu haben, außerdem habe ich mich meistens lieber herumgetrieben.“ „Was hast du denn dann getan?“, fragte sie weiter nach. „Hattest du einen Beruf oder eine Aufgabe oder dergleichen?“ Er runzelte die Stirn und dachte über die Frage nach. „Mein Vater war am Hof als Berater tätig, vorrangig für Handelsangelegenheiten. Ich war… So etwas wie sein Assistent, denke ich. Ich bin für ihn und mit ihm gereist und habe Informationen eingeholt, verhandelt, Unwilligen eine übergezogen… So etwas.“ „Das überrascht mich ehrlich gesagt ein wenig. Ich dachte, du hättest zur Wache gehört oder zu den Rittern, weil du dauernd von Schutz redest und so viele Facetten eines typischen Beschützers aufweist“, merkte Jane unverfroren an. „Hm, nicht jeder Ritter war besonders beschützerisch, aber ich verstehe, was du meinst“, stimmte er amüsiert zu. „Allerdings hat meine Familie zum geringeren Adel gehört. Und, glaub mir, ich bin nicht am Schutz von jedem interessiert. Das ist dir vorbehalten.“ Der Kellner kehrte zurück und legte die Rechnung auf den Tisch, doch Jane sah ihr Gegenüber nur irritiert an statt nach dem Papier zu greifen. Warum sagte er so etwas nur immer wieder so unverblümt? „Und wieso? Wieso ich?“ Er griff unter Janes Hand nach der Rechnung, sah aber von dem Zettel zu ihr, bevor er den Geldbeutel aus der Manteltasche zog. Langsam öffnete er ihn und legte das Geld in die kleine Karte, die er sorgfältig wieder schloss. „Ich habe es dir doch gesagt“, fing er schließlich an. „Als ich noch ein Mensch war… Gab es ein Mädchen, das ich geliebt habe. Sie war in Lebensgefahr und um sie zu retten, bin ich zu dem geworden, was ich jetzt bin. Aber ich war zu spät, sie war schon tot, als ich zu ihr kam.“ Er schwieg eine Weile, in Gedanken ein halbes Jahrtausend weit weg, aber die leeren Augen auf die Rechnung in seinen Händen gerichtet. „Wie ich bereits sagte, du bist mit ihr verwandt. Du riechst genau wie sie, siehst aus wie sie... Und ich möchte dich… Sie einfach nicht nochmal verlieren“, endete er schließlich. In dem Moment kam der Kellner zurück und Aiden reichte ihm die Bezahlung mit einem kleinen Lächeln, dann stand er auf. „Gehen wir?“ Während sie das Lokal verließen, schwieg Jane. Diese kleine Geschichte zeigte ihr mal wieder, dass sie so gut wie nichts über Aiden wusste, während er einiges über sie in Erfahrung gebracht hatte, wenn auch nicht auf freiwilliger Basis. „Ich verstehe dich also richtig, dass du lediglich so sehr auf meinen Schutz achtest, weil dich das schlechte Gewissen plagt?“, brachte sie es auf den Punkt und schloss ihre Jacke, als die kalte Seebrise ihr wieder darunter fuhr. „Falls das der Grund ist, aus dem du dich so hartnäckig an meine Fersen heftest, würde ich dir raten, es zu lassen. Schließlich bin ich nicht sie und auch nicht auf Schutz durch andere Leute angewiesen.“ Sie schwiegen eine Weile, während sie über die Straße gingen, was für Jane keineswegs unangenehm war. „Ich weiß, dass du nicht sie bist – Das zeigst du mit jedem deiner Worte“, sagte Aiden schließlich für seine Verhältnisse kühl. „Aber ich kann nicht einfach… Aufhören mir Sorgen um dich zu machen. Solange du Jägerin bist, wirst du immer in Gefahr sein und ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass du stirbst.“ Natürlich merkte sie, dass sie ihn gekränkt hatte, aber es störte sie nicht wirklich, schließlich waren sie keine Freunde. „Wieso solltest du dafür verantwortlich sein?“, verlangte sie zu wissen. „Wenn ich auf der Jagd draufgehe – Was ich nicht glaube – Dann ist das ganz allein meine Schuld. Schließlich habe ich mich für diesen Weg entschieden und mich somit bewusst dieser Gefahr ausgesetzt.“ „Vielleicht ist es nicht meine Schuld, dass du in diese Situation gekommen bist“, stimmte er ihr leise schnaubend zu. „Aber wenn ich es zuließe, dass du dich weiterhin alleine rumtreibst, wäre es sehr wohl meine Verantwortung, stieße dir etwas zu. So etwas nennt man unterlassene Hilfeleistung.“ Jane blieb stehen und blickte ihm in die herausfordernd glühenden Augen. Dabei trat sie direkt vor ihn und unterdrückte den Drang, ihn an den Oberarmen zu packen und zu schütteln. „Jetzt hör mir mal zu! Das ist weder deine Verantwortung, noch ist es ´unterlassene Hilfeleistung`. Wir beide stehen nicht durch zwischenmenschliche Beziehungen miteinander in Verbindung und ich bin nicht in akuter Gefahr, sodass du mich irgendwie retten müsstest. Das findet alles in deinem Kopf statt!“, versuchte sie, ihm klar zu machen. Aiden hatte die Arme verschränkt und erwiderte ihre bedrohlichen Blicke gelassen, mit leicht erhobenem Kinn. „So empfindest du es vielleicht, aber es gibt auch andere Personen mit anderen Ansichten. Ich bin dir nichts schuldig, und trotzdem hast du mich gefragt, ob ich mit dir diesen Auftrag annehme. Das habe ich getan, und nicht aus… Ich weiß nicht, für was du es hältst. Mitleid vielleicht? Das ist es nicht. Und es ist auch nicht so, dass ich dich für schwach halte. Ich will einfach Zeit mit dir verbringen, und dass es dir gut geht, was normal ist, wenn dir jemand etwas bedeutet. Und auch, wenn ich dir egal bin, kannst du mir nicht vorschreiben, was ich für dich zu empfinden habe. Das kann ich nicht mal selbst, sonst wäre ich sicher nicht mehr hier. So undankbar, wie du bist, hast du das sicherlich nicht verdient.“ Dass Aiden ihr jetzt so kam, hatte die junge Frau ehrlich gesagt nicht erwartet. Woher hätte sie denn bitte wissen können, dass sie nun praktisch auf eine Landmiene trat und den sonst 'schlafenden' Vampir zum Explodieren brachte? Er wirkte sonst so in sich ruhend, dass sie nicht erwartet hätte, es irgendwie zu schaffen, ihn zu reizen. Dennoch würde sie sich nicht für ihre Worte rechtfertigen, geschweige denn Entschuldigen. Dazu war die Brünette viel zu stolz - mal wieder. Außerdem war ihre momentane Kondition alles andere als beständig, als dass sie die Worte - welche ihrer Meinung nach unter der Gürtellinie waren - die er von sich gegeben hatte, einfach so hätte überhören können. "Du hast es gerade eben selbst gesagt: Ich habe dich gefragt! Du hättest es sehr wohl ablehnen können! Wenn du es bereust, dass du das getan hast, dann tut es mir Leid! Ich persönlich habe dich nicht dazu gezwungen! Und nein, komm mir nicht mit dem verdammten Gerede, dass ich dich an deine vergangene Liebe erinnere! Ich habe damit Nichts zu tun!", entgegnete die Brünette mehr als nur gereizt. "Hast du denn versucht, mich einfach in Ruhe zu lassen, hm?! Wenn ich es nicht verdient habe und es dir so gegen den Strich geht, dann versuch doch einfach von hier zu verschwinden und diese... diese Gefühle zu vergessen! Ich brauche diesen Mist nicht!" Wenn es nicht so kindisch gewesen wäre und sie sich nicht selbst mehr verletzt hätte, dann hätte sie ihm vermutlich auch noch mit voller Kraft einen Tritt ins Schienbein verpasst. Dementsprechend versuchte die Vampirjägerin diesen Drang zu unterdrücken - wenn auch nur mit Mühe. Es dauerte einen Moment, bis sie runterkam und bemerkte, dass ihre Worte ziemlich unsensibel gewesen waren. Schließlich steckte sie in einer ähnlichen Lage und sollte wenigstens etwas Verständnis für ihren Begleiter zeigen, zumal sie ohne ihn wohl kaum noch am Leben wäre. „Und außerdem… Ich glaube kaum, dass du Lady Grey etwas schuldest oder dass sie glücklich darüber wäre, wenn sie wüsste, welche Folter du dir hier selbst antust. Wenn es denn wirklich zu spät war, dann war es unausweichlich, und das hat sie während ihres letzten Atemzugs bestimmt gewusst“, meinte Jane, wobei sie nur bemüht die Ruhe bewahrte. Wenn sie wollte, konnte sie auch behutsam mit ihrem Umfeld umgehen und sich einfühlsam zeigen, jedoch galt diese Seite eigentlich nur ihren Mitmenschen. Und der Vampir ihr gegenüber wusste offensichtlich nicht zu schätzen, was für eine Sonderbehandlung er gerade von ihr erfuhr, denn er schnauzte sie an: „Du weißt nichts von ihr, also sprich nicht von ihr.“ Das reichte jetzt, sie verdrehte die Augen und warf die Arme kurz verärgert in die Luft. "Ich muss auch nichts über sie wissen! Sie ist sowieso schon tot!", entfuhr es ihr ungehalten und ziemlich laut, da bei ihr nun langsam aber sicher die Sicherungen durchbrannten. Dabei ballte sie ihre Hände zu Fäusten und wenn man genauer hinsah, bemerkte man, dass ihr ganzer Körper unter Spannung stand und sie sich nur mit Müh' und Not zurückhalten konnte, Aiden nicht gleich an die Gurgel zu springen. Wäre er ein wild dahergelaufener Vampir gewesen, dann hätte sie ihn wohl mit ihren Waffen bis zur Unkenntlichkeit zerhackt. Da es jedoch Aiden war, mit dem sie einige Zeit verbracht hatte und der - auch wenn sie es bisher noch nicht zugeben konnte - schon irgendwie unterbewusst zu ihrem Alltag gehörte, konnte und wollte sie dies nicht tun. "Weißt du was? Scher dich dorthin zurück, woher du gekommen bist und bleib dort!", zischte die Vampirjägerin kalt, bevor sie sich - ohne noch einmal zurückzublicken - von ihm abwandte und sich alleine auf den langen Weg zu ihrem Wagen machte, um nach Hause zu fahren. Sie hatte genug gehört und gesagt. Kapitel 11: Unerwünscht ----------------------- In den folgenden Tagen tat Aiden genau das, was Jane ihm geraden hatte; dort bleiben, wo er hergekommen war, nämlich in der Nacht und vorrangig in dunklen Seitengassen. Er jagte, einfach, um etwas zu tun zu haben und um nicht aus Gewohnheit vor dem Haus der McCollins herumzulungern. Dieses, sowie die Universität mied er beharrlich und er tat alles, um nicht an ein gewisses nervtötendes kleines Mädchen zu denken, aber sie schaffte es immer wieder, sich in seine Gedanken zu schleichen. Glaubte sie wirklich, sie habe das Recht, derart auf seinen Gefühlen herum zu trampeln? Was wusste sie bitte davon, was seine Jane durchgemacht hatte? Was er durchgemacht hatte? Sie verstand ihn nicht, machte sich nicht mal die Mühe es zu versuchen. Wie das Kind, das sie war, beharrte sie auf ihrer sogenannten ´Meinung`, die ausschließlich aus Hass und Vorurteilen beruhte, und dennoch hielt sie sich für das Zentrum der Welt. Die Tage verbrachte Aiden eingesperrt in seinem Zimmer, das inzwischen eher wie ein Bücherflohmarkt aussah. Das erregte schon die Sorge der Besitzerin, die ihn eines Abends, als er gerade im Gehen begriffen war, ansprach und fragte, ob alles in Ordnung sei. Er lächelte nur und verließ das Hostel, aus dem er vielleicht bald ausziehen würde. In den letzten Tagen hatte er überlegt, wohin er als nächstes gehen sollte. Irgendetwas Warmes… Südkorea vielleicht, aus purer Neugierde. Auch in dieser Nacht kehrte er sehr spät zurück, und auch heute hatte er wieder nicht getötet. Es ärgerte ihn selbst, aber er hielt sich daran, was er Jane versprochen hatte. In der ersten Nacht hatte er aus reiner Wut jagen wollen, aber als die dunkelhaarige junge Frau dann vor ihm gelegen hatte, hatte er daran gedacht, dass sie eine Familie hatte, die sie vermissen würde, und es nicht über sich gebracht. Obwohl es seine Natur war. Obwohl er nie Gewissensbisse deswegen gehabt hatte. Obwohl er keinem der Mädchen irgendetwas schuldig war. Und er hatte Jane verflucht, aber seine Beute am Leben gelassen. So war es jede Nacht gewesen seither, entsprechend frustriert war er, als er leise durch das Hostel ging und sein Zimmer aufsperrte - Wobei er feststellte, dass der Türrahmen zerbrochen war. Irritiert blinzelnd blieb er stehen, dann witterte er, aber die Fährte war alt, niemand war in dem Raum. Trotzdem war er vorsichtig, als er eintrat, und er blieb schlagartig wieder stehen, als er die Verwüstung sah. Das Bett war zerfetzt, die Kleider aus dem Schrank gerissen, ja, sogar im Bad herrschte absolutes Chaos. Misstrauisch sah er sich um, bevor er sich auf die Suche nach seinem Handy machte, um die Polizei zu informieren; etwas anderes würde ihm ja nicht übrig bleiben. Menschen fänden es seltsam, die Gesetzeshüter nicht einzuschalten. Der Vampir dagegen empfand es als seltsam, dass so etwas überhaupt passiert war. Was sollten Einbrecher in so einem günstigen Hotel suchen? Es dauerte eine Weile, bis Aiden eingestehen musste, dass sein Telefon nirgends zu finden war, was ihn irritierte, denn sein Geldbeutel war noch da. Schließlich ging er, um das Telefon an der Rezeption zu benutzen, und eine halbe Stunde später waren ein paar übermüdete Polizisten vor Ort, die vermutlich dachten, dass er das in einem Wutanfall selbst angerichtet hatte. In den anderen Zimmern des Hauses war nämlich scheinbar alles in Ordnung und der Tresor hinter der Rezeption war nicht angerührt worden. Als die Polizisten schließlich wieder gingen, war die Sonne bereits aufgegangen und Aiden hatte keine Minute geschlafen. Zwar hatte er keine Angst, aber es zog ihn auch nicht in das Zimmer, er wollte sich bewegen, darüber nachdenken, wieso das passiert war. Also ging er in den frühen Morgen, wich möglichst jedem Menschen aus, den er wahrnahm, und ließ sich von seinen Füßen einfach tragen. Nicht mal der Rezeptionist hatte den Eindringling bemerkt, aber es war spät gewesen, überlegte der Vampir unterwegs, vielleicht war er eingeschlafen. Jedenfalls konnte er sich keinen Reim auf diesen Einbruch machen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt er an, hob den Blick und musste fast lachen, als er sah, wo er gelandet war. Na, wundervoll, das hatte ihm gerade noch gefehlt… Das Haus der McCollins sah friedlich aus im Regen des Morgens und es brannten schon Lichter, also waren die Damen wohl bereits wach. Er hielt sich bedeckt, als erst Mrs McCollin, später Jane das Haus verließ, denn er wusste nicht, was genau ihn hierher getrieben hatte. Seine ehemalige Partnerin wollte ihn sicher nicht sehen, nach dem, was er ihr an den Kopf geworfen hatte. Inzwischen bereute Aiden seine Worte; Gott, er war so ein Arschloch gewesen, und das, obwohl sie kurz davor einen Zusammenbruch gehabt hatte. Trotzdem wusste er nicht, wo er hin sollte, also blieb er und wartete am Rand des Anwesens. Hier konnte er genauso gut nachdenken wie sonst wo. Er war in Gedanken versunken, sah aber einmal kurz auf, als er sich beobachtet fühlte. Stirnrunzelnd blickte er die Straße runter, aber da war nichts zu sehen. Wahrscheinlich hatten ihm seine Nerven einen Streich gespielt, also schüttelte er den Kopf und überließ sich wieder seinen Überlegungen, bis die Tochter des Hauses ein paar Stunden später zurückkehrte. Er stieß sich von der Wand ab und ging vorsichtig auf sie zu. "Hallo", sagte er und biss sich auf die Unterlippe. Den ganzen Vormittag lang hatte er überlegt, was er sagen sollte, wenn sie vor ihm stand, aber ihm war nichts eingefallen, das sein Verhalten wieder gutmachen würde. Immerhin hatte er ganz genau gewusst, wie schlecht es Jane zu diesem Zeitpunkt gegangen war, und er hätte sich nicht so von ihrem Kommentar über Jane Grey reizen lassen sollen. Normalerweise war das überhaupt nicht seine Art, aber das Abbild seiner Geliebten sagen zu hören, ihr Tod sei ´irrelevant`, weil er schon so lange her und sowieso nicht mehr zu ändern sei, war hart für ihn gewesen. Mit dieser Aussage hatte sie seine gesamte Existenz als Vampir in Frage gestellt, denn er hatte sein unendliches Leben der Reue gegenüber der Neuntage Königin verschrieben. Jetzt von ´ihr selbst` gesagt zu bekommen, das sei falsch gewesen, war schwer zu verdauen. Und es hatte Aiden vor Augen geführt, wie sehr er die beiden Frauen geistig nach wie vor vermischte, obwohl er der modernen Jane etwas anderes gesagt hatte. Ihr Ausraster hatte insofern etwas Gutes, dass er dem Vampir tatsächlich geholfen hatte, sie emotional weiter voneinander zu trennen. Diese Erkenntnis war ihm natürlich nicht sofort zugeflogen, er hatte lange darüber nachgedacht. Er brauchte nicht so viel Schlaf wie ein Mensch, aber sich die ganze Nacht um die Ohren zu hauen hinterließ dann doch seine Spuren, außerdem hatte ihn die ganze Geschichte mitgenommen und noch dazu war er nass, weil er den halben Tag im Regen gestanden hatte. Janes eigentlich entspannter Gesichtsausdruck verdüsterte sich sofort, wurde hart. Dabei interessierte es die Vampirjägerin offensichtlich nicht im Geringsten, weshalb er so fertig und grässlich aussah. Anstatt auf seine Begrüßung einzugehen, verengte die junge Frau die Augen und gab lediglich ein genervtes: „Was willst du hier?“, von sich. "Es tut mir leid. Was ich gesagt hab und auch, dass ich jetzt hier bin, aber… Ich wusste nicht, wo ich hin sollte und ich bin irgendwie einfach hier gelandet." "Du kannst dir deine Entschuldigung sonst wohin stecken oder jemandem sagen, den es interessiert. Ich muss das nicht hören. Ich will lediglich, dass du dich verziehst und nicht mehr bei mir blicken lässt. Also tu mir den Gefallen und hau ab", entgegnete sie eiskalt und wandte sich wieder der Haustür zu. Ihre Reaktion auf ihn war haargenau, wie Aiden sie sich ausgemalt hatte, vielleicht eher noch etwas sanfter. Wahrscheinlich hätte er gar nicht erst kommen sollen, aber es hatte ihn ganz natürlich zu ihr gezogen, und nachdem er sie gesehen hatte, hatte er nicht mehr gehen können. Jetzt wünschte er, er hätte es getan, denn ihre Wut war scheinbar kein Stück geringer geworden. "Ich weiß nicht, wohin", sagte er, als sie sich schon abgewandt hatte. Das war nicht ihr Problem, das würde sie ihm sicher gleich an den Kopf knallen, aber irgendwie wollte er es ihr doch sagen. "Es tut mir leid, aber bei mir wurde eingebrochen und ich kann nicht zurück, bis sie ein anderes Zimmer frei haben." Er fuhr sich durch das nasse Haar und seufzte leise. Nach allem hier aufzutauchen und dann auch noch auszusehen wie ein Penner war eine ziemliche Frechheit, und er hatte ihr nicht mal etwas als Entschuldigung mitgebracht. Wahrscheinlich hätte sie ihm alles, was er ihr gegeben hätte, postwendend an den Kopf geschmissen, aber der Versuch wäre wenigstens höflich gewesen. "Du hast Recht, ich hätte dich nicht belästigen dürfen. Bitte entschuldige", wiederholte er mit einer angedeuteten Verbeugung, dann drehte er sich um und ging. Jane achtete nicht weiter auf den durchnässten Vampir hinter sich, schloss das Anwesen auf und trat hinein ohne sich nochmal umzusehen. Auf dem Gehweg vor dem Haus hatte er schon wieder dieses merkwürdige Gefühl, nicht alleine zu sein, aber als er sich umsah, war die Straße verlassen. Misstrauisch blieb er noch eine Weile, doch dann zog er sich mit einem letzten Blick auf das Haus der McCollins zurück. Er schickte Jane direkt am nächsten Morgen einen Strauß Rosen, auf deren Etikett schlicht: "Es tut mir leid", stand. Nachdem seine eigene Wut verraucht war, kam sie ihm albern und übertrieben vor. Zumal Jane irgendwo Recht hatte; Jane Grey war tot… Nur bedeutete das für Aiden nicht, dass er sie vergessen konnte oder nicht mehr in ihrer Schuld stand. Allerdings trieb er sich wieder öfter in der Nähe ihres Anwesens herum, und während er darauf achtete, den Bewohnerinnen nicht über den Weg zu laufen, bemerkte er immer wieder, dass er nicht der einzige Vampir war, der sich in der Nähe aufhielt. Vier Tage später ging er über eine Straße, als ihn dieses Gefühl, beobachtet zu werden, wieder überkam - und diesmal sah er sogar den Schatten einer Person davon huschen. Blitzschnell lief er ihr nach, wobei er gar nicht auf die Richtung achtete. Die Gestalt war immer einen Block voraus, wodurch Aiden stets nur einen Fuß oder Fingerspitzen hinter einer Häuserecke verschwinden sah. Er bog soeben um eine solche, da musste er abrupt abbremsen, als er - wie sollte es anders sein? - fast mit Jane zusammengestoßen wäre, die wohl gerade spazieren gegangen oder einkaufen gewesen war. "Ich... Also...", stammelte er, indem er einen Schritt zurück wich. "E-es ist nicht so, wie es aussieht..." Er kniff die Augen zu. Was war das denn für ein Schwachsinn? Außerdem hatte er gerade besseres zu tun, als sich vor Jane zu rechtfertigen. Er blickte an ihr vorbei, aber die mysteriöse Gestalt war bereits verschwunden. Etwas irritiert blinzelte die junge Frau, ehe sie auf seine aufgelöste Art hin nur leicht die Stirn runzeln konnte. Dabei fiel ihr natürlich sein Blick auf, der an ihr vorbeiging und instinktiv drehte sich Jane um, um hinter sich etwas ausmachen zu können - jedoch entdeckte sie nichts Ungewöhnliches. Von daher wandte sie sich wieder Aiden zu. „Was ist los?", wollte die Vampirjägerin wissen. "Ich… Bin mir nicht sicher", antwortete er ausweichend und fuhr sich durch die Haare, dann gab er langsam die Abwehrhaltung auf. Er hätte erwartet, sie würde ihn wieder anschnauzen, dass er hier nichts zu suchen hatte - Was ja stimmte. Doch Jane sah nicht mehr aus, als würde sie gleich auf ihn losgehen, also wagte er es, sich ein wenig zu entspannen. Was sie allerdings zu dieser Besänftigung gebracht hatte, war ihm nicht ganz klar. War sie krank? Er suchte nach Anzeichen dafür, aber sie wirkte in Ordnung, jedenfalls wesentlich gesünder als vor knapp drei Wochen, als sie zuletzt richtig gesprochen hatten. Von seiner Vermutung bezüglich eines anderen Beobachters wollte er noch nicht wirklich erzählen, denn er war sich einfach zu unsicher. Es war normal, dass hier mal ein Vampir oder sonstiges Wesen vorbei spazierte. Und Jane hatte klar gemacht, dass ihr Schutz ihn nichts anging. Wenn er jetzt mit derartigen Hirngespinsten anfing, würde ihre Ruhe wahrscheinlich nicht mehr vorhalten. Und trotzdem kam es ihm spanisch vor, ständig einen anderen Blutsauger in der Umgebung zu wittern, vor allem, weil bisher noch keinem der Anwohner etwas passiert war. "Was meinst du mit 'ich bin mir nicht sicher'? Das heißt, es gibt wohl einen Grund, weshalb du so aufgelöst hier rumlungerst", verlangte die Brünette zu wissen. "Also? Was geht hier vor sich?" "´So etwas wie ein Grund` trifft es ganz gut", stimmte er ihrer etwas seltsamen Formulierung zu. "Als ich letzte Woche gegangen bin, hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich dachte erst, ich hätte es mir nur eingebildet, aber als ich wiederkam, um das zu überprüfen…" - Sie konnte das jetzt glauben oder meinen, er habe sie wieder gestalkt, das war ihm egal - "Hatte ich dasselbe Gefühl noch mal. Es war derselbe Geruch wie zuvor. Ich war die letzten Tage über immer mal wieder hier, aber ich habe nie etwas gesehen, deswegen…" Unschlüssig zuckte er die Schultern. Das war kein Beweis für irgendwas und er würde verstehen, wenn sie das für eine Ausrede seinerseits hielt, um in ihrer Nähe zu sein, aber das war es nicht. "Ich hatte schon erwartet, dass hier ein Überfall passieren würde, aber bisher habe ich noch nichts davon gehört, und eigentlich wäre das auch recht ungewöhnlich. Die Gegend ist zu gut überwacht." "Verstehe", kam es leise und etwas angespannt über Janes Lippen, nachdem sie sich seine Worte durch den Kopf hatte gehen lassen. "Ich bin nicht hergekommen, um dich zu sehen", erwiderte Aiden, weil ihr der Gedanke einfach an der Nasenspitze abzulesen war. Er war fast versucht, ihr zu sagen, dass er seine Abreise plante. Aber nachdem er überfallen worden war und diese merkwürdige Präsenz ständig hier wahrgenommen hatte, hatte er diese Pläne vorerst aufgeschoben. Außerdem wollte er nicht sehen, dass sie sich darüber freute, ihn loszuwerden. Das zu wissen, schmerzte schon genug, egal, was sie zuletzt zu ihm gesagt hatte. Doch Jane ging nicht auf seine Versicherung ein, ihre Gedanken waren inzwischen weit weg. Verständlich, wenn man bedachte, wie versessen sie auf den Schutz ihrer Mutter war; sie hatte diese ja praktisch vor Aiden versteckt, selbst als sie zusammengearbeitet hatten. Er nickte zu ihren Tüten. "Darf ich dich nach Hause begleiten, oder soll ich dir den Gefallen tun und gehen, woher ich gekommen bin?", fragte er. Es waren zwar nur noch zwei Straßen, aber es wäre ihm lieber, wenn sie nicht alleine herum streifte. Das auszusprechen würde er sich jedoch hüten, sonst würde sie ihm die schwer aussehende Tüte noch ins Gesicht knallen, statt sie ihn tragen zu lassen. "Ich schaffe das alleine, danke. Du brauchst Nichts zu tun", fügte die Vampirjägerin ziemlich monoton hinzu. "Ich... sollte jetzt gehen. Wir sehen uns." Eigentlich hatte er nicht damit gerechnet, dass Jane ihm glauben würde, deshalb war er ziemlich überrascht, als sie jetzt postwendend an ihm vorbei rauschte und in Richtung ihres Hauses abzog. Aus reiner Gewohnheit folgte er ihr, zuerst jedoch ohne das Anwesen zu betreten. Inzwischen kannte er das Grundstück ziemlich gut und er wusste, wo die Überwachungskameras angebracht waren. Bei einem so großen Haus war das nichts Ungewöhnliches, aber dank dem Beruf der Tochter hatten diese Kontrolle wohl beide Damen nötig. Nicht, dass ein Eindringling mit vampirischen Kräften sich um so eine Lappalie geschert hätte, den meisten wäre es wohl einfach den Aufwand nicht wert, nach dem Trinken die Filme zu vernichten. Nein, man bräuchte schon einen guten Grund, um in dieses Haus einzudringen. Und trotzdem war da vorhin ein anderer Vampir gewesen, so schnell hätte sich kein Mensch vor ihm verbergen können und die Fährte ließ keinen Zweifel daran. Er sah zu dem Zimmer, in dem Jane lebte, biss sich kurz auf die Lippe und schlich sich doch auf das Anwesen, nur, um sicher zu gehen. Sie selbst war inzwischen in der Villa verschwunden. Und er wurde nicht enttäuscht; ganz deutlich nahm er den Geruch eines anderen Vampirs wahr, aber es gab auch ältere Spuren. Also war er nicht übervorsichtig gewesen, ein Artgenosse war hier gewesen. Sein Hochgefühl verflog so schnell, wie es gekommen war, immerhin bedeutete das, dass Jane vielleicht in Gefahr war. Normalerweise hätte er sie angerufen, aber er hatte sich noch nicht dazu durchringen können, sich ein neues Handy zuzulegen. Jedenfalls blieb ihm jetzt nichts anderes übrig, als zum ersten Mal an der Haustür der McCollins zu klingeln und zu warten, bis Jane aufmachte. Hätte er nicht gewusst, dass sie alleine war, hätte er das nicht getan, immerhin wollte sie nicht, dass ihre Mutter ihn zu Gesicht bekam. "Es war wirklich jemand auf eurem Grundstück - erst vor kurzem", erklärte er ohne Begrüßung, als die junge Frau wieder vor ihm stand. Gott, sie roch so gut... Er schüttelte leicht den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden. "Hast du irgendwas aus dem Zirkel gehört, was das angeht? Könnte es sein, dass dich jemand sucht?", bot Aiden Erklärungen an, die er sich selbst zurechtgelegt hatte. So, wie Jane scheinbar kurzen Prozess mit ihrer Beute machte, war das zwar unwahrscheinlich, aber es müsste doch einen Grund geben, aus dem sich ein Vampir dem Risiko aussetzte, hier zu jagen. „Und du bist dir sicher?", wollte Jane wissen, bevor sie einen Schritt zurücktrat und ihm non-verbal die unglaubliche Erlaubnis gab, ins Haus einzutreten. Unglaublich war diese Entwicklung wirklich, so sehr sogar, dass Aiden einen Moment brauchte, bis er überhaupt verstand, dass Jane ihn ins Haus lassen wollte. Er zögerte noch kurz und mit skeptischem Blick, dann trat er vorsichtig an ihr vorbei in die stilvolle Diele, die sie zum Wohnzimmer hin durchquerten. Die Damen hatten offensichtlich nicht nur Geld, sondern auch Geschmack, eine angenehme, aber seltene Mischung. Er hätte sich gewünscht, unter anderen Umständen hierher eingeladen zu werden, aber im Moment gab es Wichtigeres, als Träumereien nachzuhängen. Da sie Jane keinen Platz angeboten hatte, blieb der Vampir mit verschränkten Armen stehen während seine Gastgeberin sich auf einem Sessel niederließ. "Ja, ich bin mir sicher“, setzte er das Gespräch von der Tür fort. „Ich war gerade in eurem Garten... Nur, weil ich vorhin, als wir uns begegnet sind, jemanden verfolgt habe, und sichergehen wollte", fügte er mit einem schlechten Gewissen hinzu. Er sollte hier genauso wenig herumlungern wie andere Vampire. "Jedenfalls ist die Fährte noch frisch, höchstens ein paar Stunden alt." Nach seinen Worten stand Jane sofort wieder auf und blickte ihn mit gerunzelter Stirn an. "Ich habe nichts Ungewöhnliches vom Zirkel gehört... Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mich jemand sucht. In letzter Zeit habe ich mich mit Aufträgen zurückgehalten und so sauber, wie ich normalerweise arbeite, wäre es ziemlich ungewöhnlich... Außerdem hätte Eldric mich sofort informiert, wenn etwas im Gange wäre", murmelte die junge Frau leise und knirschte anschließend frustriert mit den Zähnen. Während sie antwortete sah Aiden sich ein wenig. Das Wohnzimmer war groß mit bodentiefen Fenstern. Im rückwärtigen Teil schloss eine offene, ausladende Küche an, die nur durch eine weiße Arbeitsfläche vom Wohnraum getrennt wurde. Das Mobiliar war weiß und grau gehalten, die Dekoration schlicht und immer wieder von Familienfotos aufgelockert. Der überraschende Hausgast studierte gerade ein Bild, das eine lachende Jane im Kindsalter zeigte, die von einem Mann, dessen dunkles Haar sie offensichtlich geerbt hatte, auf einer Schaukel angeschupst wurde, als er hörte, wie sich die Haustür öffnete. Leise Schritte, die seine Gastgeberin nicht hörte, näherten sich und die schöne Frau mittleren Alters, die Aiden schon öfter gesehen hatte, betrat den Raum. Ihr hellbraun gefärbtes Haar reichte bis zu den Ohren, sie trug dezentes Make-Up an den strahlend grünen Augen und ihre ganze Erscheinung wirkte gepflegt. Sie roch nicht wie Jane, also kam deren Blut wohl vonseiten ihres Vaters. "Oh, ich wusste nicht, dass wir Besuch haben, Liebes", sprach die Dame etwas überrascht, bevor sie zum Gast trat und ihn freundlich anlächelte. Sie wollte gerade ihre Hand zur Begrüßung hinstrecken, als ihr auffiel, dass Aiden alles andere als 'menschlich' war. Er wollte ihr eben die Hand reichen, als sie zurück zuckte. Natürlich, sie konnte seine Spezies wohl genauso wenig leiden wie ihre Tochter... Ein wenig betroffen setzte er zum Rückzug an, denn er wollte sich ihr nicht aufdrängen. Schwer seufzend gesellte Jane sich zu den Beiden, als sie die irritierte Reaktion ihrer Mutter bemerkte. "Aiden, das ist meine Mutter, Elizabeth McCollins. Mom, das ist Aiden Hunt", stellte die Vampirjägerin die beiden einander vor. "Er ist... ein Vampir, den ich auf einem meiner Aufträge getroffen habe. Er hat mir vor einigen Wochen bei einem Auftrag geholfen und aufgrund gewisser Umstände müssen wir ein paar Dinge besprechen.“ Zu Aidens Überraschung kehrte das zarte Lächeln auf Mrs McCollins Lippen zurück. Sie ergriff sogar von sich aus seine Hand, und er schüttelte sie, was den Vampir mehr als alles andere verblüffte. War das wirklich Janes Mutter? "Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, Aiden", begrüßte sie den ungewöhnlichen Besuch freundlich. "Die Freude ist auf meiner Seite, Mrs McCollins. Ich verkehre nicht oft in so schönen Häusern wie Ihrem", erwiderte er, als er sein Lächeln zurückgefunden hatte. Ähnlich wie ihre Haarfarbe musste Miss McCollins ihren Hass gegen Vampire wohl von ihrem Vater haben... „Das ist aber nett von dir… Dann werde ich euch mal nicht weiter stören.“ Elizabeth war schon im Gehen begriffen und Aiden hatte sich halb ihrer Tochter zugewandt, um weiter zu diskutieren, als die Hausherrin nochmal innehielt. "Oh, bevor ich es vergesse. Eine Frau kam heute bei mir vorbei und hat dieses Handy abgegeben. Ich habe ihr gesagt, dass es nicht meins ist, aber sie beharrte, dass wir es verloren hätten... Weißt du etwas darüber, Liebling?" Neugierig sah Aiden zu Elizabeth und erstarrte in der Bewegung. Das Handy in ihrer Hand war seines, aber wie kam irgendeine Frau daran, nachdem es aus seinem verwüsteten Zimmer gestohlen worden war? "Es gehört mir, Madam", sagte er tonlos und ließ es sich von Mrs McCollins, die sehr verwirrt aussah, aushändigen. "Das kann nicht sein... Das Telefon war das einzige, das bei dem Überfall aus meinem Zimmer gestohlen wurde", meinte er an Jane gewandt. Aber es handelte sich eindeutig um sein Telefon, wie er herausfand, als er es anschaltete. Das Teil war so alt, dass es sogar nach mehreren Tagen noch Akku hatte. Es sah nicht zerkratzter aus als vorher schon. "Aber darin ist nichts Interessantes. Wahrscheinlich sind die meisten Kontakte schon veraltet. Das einzig Aktuelle darauf bist... Du", fiel es ihm nach einem Stocken wie Schuppen von den Augen. Bevor Elizabeth überhaupt eine Frage stellen konnte, trat die jüngere McCollins-Dame an sie heran und packte sie direkt an den Armen. Ihr Gesichtsausdruck sprach dabei Bände und zeigte nur zu deutlich, welche Panik und Sorge sie verspürte. "Mom! Kannst du dich noch erinnern, wie sie aussah? War irgendetwas komisch an ihr?", verlangte die Brünette bestürzt zu wissen, worauf die Ärztin kurz zusammenzuckte. Sie blinzelte ein paar Mal, dachte dann jedoch nach und nickte sofort. "Komisch würde ich nicht sagen. Sie war sehr hübsch, hatte blondes, fast schulterlanges Haar und grünbraune Augen. Sie war ein bisschen kleiner als ich", erklärte die Mutter schließlich möglichst ausführlich. "Hast du eine Ahnung, wer das sein könnte?", wollte die Brünette daraufhin von ihrem ehemaligen Jagdpartner wissen. Sie wirkte seltsam erleichtert dafür, dass scheinbar ein Vampir Jagd auf sie machte, aber das lag wohl daran, dass sich herausgestellt hatte, das nicht Elizabeth das Ziel war. Aiden überlegte, um wen es sich handeln könnte, aber die Beschreibung stimmte mit niemandem überein, den er kannte. Scheinbar kannte diese Vampirin aber ihn, denn wie sonst hätte sie auf diesen hauchdünnen Zusammenhang zwischen ihm und der Jägerin kommen sollen? Noch dazu in einer Zeit, in der sie sich gar nicht gesehen hatten? Nein, diese Frau wusste genau, was sie tat und sie drohte ihnen ganz bewusst auf diese indirekte Art. "Nein. Ich hatte darauf gehofft, dass du etwas darüber weißt, immerhin hat sie es scheinbar auf dich abgesehen", erwiderte er mit besorgt gerunzelter Stirn. Er trommelte auf seinem Oberarm, den Blick nach draußen gerichtet. Obwohl er viel Zeit in der Nähe verbracht hatte, hatte die Unbekannte es geschafft, ins Anwesen der McCollins einzudringen, das beunruhigte ihn über alle Maßen. Was, wenn er nicht da gewesen wäre? Wäre sie dann bereits im Haus selbst gewesen? Hätte sie Jane dann angegriffen? Unruhig spannte er die Schultern an, ließ den Blick kurz zu den Frauen schweifen. Sie alleine zu lassen, kam ihm fahrlässig vor, aber es war wie ein Wunder, dass seine Ex-Partnerin mit ihm sprach, geschweige denn, dass sie ihn in ihr Haus gebeten hatte. Das zeigte wohl, wie nervös sie selbst war, wenn auch wahrscheinlich eher wegen ihrer Mutter als wegen sich selbst. Die Brünette fluchte leise und fuhr sich genervt durch die Haare. "Wenn man es auf mich direkt abgesehen hätte, dann hätte man wahrscheinlich nicht den Umweg über dich genommen", meinte die jüngere Dame des Hauses, die aussah, als wolle sie direkt mit den Recherchen loslegen, doch hielt sie inne, als sie plötzlich die Hand ihrer Mutter an ihrem Handgelenk spürte. "Jane, Liebes... Ich bitte dich. Tu nichts Unüberlegtes. Du weißt, dass deine Sicherheit höchste Priorität hat", bat Elizabeth ihre geliebte Tochter inständig und blickte sie eindringlich an. "Ich bitte dich." "Ich weiß, Mom. Mach dir bitte keine zu großen Sorgen. Ich werde das schon irgendwie klären. Mir wird Nichts passieren", versuchte die Angesprochene ihre Mutter schwach lächelnd zu beruhigen. Jedoch klappte dies nicht wirklich, da die ältere der Beiden die Jüngere weiterhin besorgt ansah. Aidens Blick blieb an der beunruhigten Mutter hängen, und unwillkürlich hatte er Mitleid mit ihr. Obwohl Jane sie offensichtlich sehr liebte, machte ihre Tochter es Elizabeth nicht leicht. Nun, immerhin war er nicht der einzige, dachte Aiden mit einem Anflug von Galgenhumor. "Jane wird nichts passieren, Mrs McCollins. Ich werde auf sie aufpassen", versprach er mit einem ermutigenden Lächeln, das kurz flackerte, als sein Blick zu Jane wanderte. Aber sie konnte sich aufregen, wie sie wollte, er würde sie nicht alleine lassen, wenn ein Vampir es auf sie abgesehen hatte. "Du kannst nicht immer hier sein, und sie ist schon ein Mal in eure Nähe gekommen. Lass mich dir helfen. Bitte." An die jüngere McCollins wandte er sich bedeutend weniger zuversichtlich, sondern vielmehr unterwürfig. Er wollte sie nicht zwingen, ihn hier zu akzeptieren, aber er würde es tun, wenn sie stur blieb. "Ich weiß, dass ich nicht immer hier bin", entgegnete die Wirtschaftsstudentin schwer seufzend und knirschte mit den Zähnen, nachdem sie sich wieder an Aiden gewandt hatte und ihn angespannt ansah. Nach einem kurzen Zögern zischte die Brünette leise. "Fein!", kam es widerwillig über ihre Lippen. "Und wie gedenkst du, mir zu helfen?" Unwillkürlich trat ein überraschtes Lächeln auf seine Lippen, die er gerade zu einer Antwort öffnen wollte, als Elizabeth einen Vorschlag machte. "Wie wäre es, wenn du für eine Weile bei uns einziehst? Wir haben ohnehin ein paar Gästezimmer frei und wenn diese Unbekannte sich schon seit längerem hier rumtreibt, dann wäre das doch die sicherste Lösung." Ungläubig blickte die Wirtschaftsstudentin die ältere Dame des Hauses an. Schockiert über diesen Vorschlag, konnte Jane nur ein entsetztes 'Mom!' von sich geben. Aiden sah die Ärztin nicht minder verblüfft an als ihre Tochter. Hier einziehen…? Sie kannte ihn gerade mal fünf Minuten und hatte drei Sätze mit ihm gewechselt und bot ihm allen Ernstes an, hier in ihrem Haus zu wohnen? Wäre er nicht so überrascht, er hätte über Janes wiederwilligen Ausruf gelacht. Sie klang wie ein störrischer Teenager, dessen Eltern nicht taten, was er wollte. In diesem Fall schloss er sich aber der Tochter an, er war nicht sicher, ob das so eine gute Idee war. "Das ist… Ein sehr großzügiges Angebot und eine Idee, aber… Sind Sie sich sicher? Ich möchte nicht derart in Ihr häusliches Umfeld eingreifen", erklärte er behutsam, immerhin wollte er sie nicht beleidigen. Andererseits könnte er so auch nachts hier sein und müsste dafür nicht mal ein Lager unter einem Baum oder dergleichen beziehen. Ja, der Vorschlag erschien verlockend, und trotzdem sah er fragend zu Jane. Das musste ihr wahnsinnig gegen den Strich gehen. Es schien unglaublich, dass sie einfach so zustimmen würde, doch dann sah er zu ihrer Mutter und verstand, warum sie nicht wütender wurde; sie würde alles tun, um die Ärztin zu schützen. In gewisser Weise war die junge Jägerin wohl genauso protektiv wie er. Während Jane noch immer über den Vorschlag entsetzt war, legte sich ein kleines Lächeln auf die Lippen der älteren Dame, ehe sie nickte. "Ich bin mir sicher", sprach Elizabeth entschieden, worauf ihre Tochter genervt aufstöhnte und sich die Hand ins Gesicht legte. Wenn Jane lächelte - In den seltenen Fällen, in denen er sie das hatte tun sehen - Sah sie ihrer Mutter doch ziemlich ähnlich. Deshalb war sein eigenes Lächeln sehr weich, als er Elizabeth zunickte. "Danke. Ich weiß das Angebot zu schätzen." Unter anderen Umständen hätte er zwar nie angenommen, denn derart in das Familienleben der Frauen einzugreifen erschien ihm äußerst indiskret, aber solange die beiden in so direkter Gefahr waren, war das wohl tatsächlich die einfachste Lösung. "Was meinst du?", fragte er Jane jetzt direkt und mit hochgezogenen Augenbrauen. "Kommst du damit zurecht?" Immerhin wäre sie ihm fast an die Gurgel gegangen, als sie mal mehr als ein paar Stunden am Stück miteinander verbracht hatten, und das wäre jetzt doch deutlich intimer. Er wusste, dass er an ihrer Wut von diesem Tag mit Schuld hatte, außerdem war sie labil gewesen, aber was jetzt auf sie zukommen würde, würde genauso großen Stress für die junge Frau bedeuten. "Habe ich eine andere Wahl? Ich muss damit zurechtkommen", entgegnete die Brünette auf Aidens Frage und fuhr sich schwer seufzend durch die Haare. Er legte leicht den Kopf schief. "Natürlich hast du eine Wahl. Du könntest mich auch weg schicken", erklärte er Jane sanft. Sie dürfte ja wissen, dass er dann in der Nähe des Hauses Stellung beziehen würde. Jane musterte ihn wiederwillig, und der Vampir erwiderte den Blick abwartend, bis sich so etwas wie Erleichterung auf ihrem Gesicht zeigte und sie es abwandte. "Meine Mutter hat Recht. Es erspart ein gewisses Maß an Arbeit und trägt zur Sicherheit bei", fügte die junge Frau leise murmelnd hinzu, bevor sie auch schon zur Treppe ging und ihrem neuen Mitbewohner mit einer kleinen Handbewegung andeutete, ihr zu folgen. Jedoch hielt sie kurz inne, um Elizabeth zu fragen: „Welches Zimmer schwebt dir vor?“ „Das große Gästezimmer wäre angebracht“, erwiderte die Ärztin ohne lange Nachzudenken, woraufhin ihre Tochter mürrisch aufstöhnte, sich jedoch dem sanft tadelnden Blick der Mutter fügte. Als dies geklärt war, stapfte Jane widerwillig nach oben und öffnete die hinterste Tür zu ihrer rechten. Aiden konnte riechen, dass ihr eigenes Zimmer genau gegenüber lag und sehen, dass ihr das nicht passte. "Du kannst das Zimmer und alles, was drin steht, frei benutzen. Das Gästebadezimmer ist gleich die zweite Tür links von der Treppe, wenn du hoch kommst. Mein Zimmer ist gleich gegenüber und das meiner Mutter ist zwei Türen weiter vorne auf der gleichen Seite wie meines", erklärte die junge Frau und verschränkte die Arme vor der Brust, bevor sie sich direkt an Aiden wandte. "Nur damit das klar ist: kein lautloses Herumschleichen und kein Betreten meines Zimmers ohne Klopfen und ohne meine Erlaubnis." Wegen ihrer Ermahnung zog er die Augenbrauen hoch. "Ich würde es nicht wagen, dein Zimmer zu betreten. Das gehört sich nicht", sagte er ernst. Als würde er sich hier in irgendeinem Zimmer herumdrücken, in das er nicht ausdrücklich gebeten worden war… Geschweige denn in den Räumen der Hausdamen! Was dachte sie bitte von ihm? "Was das Rumschleichen betrifft, werde ich mein Bestes tun, um laut genug zu sein", fügte er dann, diesmal grinsend, hinzu. Er konnte ja nichts dafür, dass er leiser war als der Durchschnitts-Mensch. Jane verengte mürrisch die Augen, nickte dann aber nur. "Gut. Ich habe nämlich keine Lust, meine Munition an dich zu verschwenden, wenn ich mich erschrecke und denke, dass ein fremder Vampir im Haus herumschleicht“, entgegnete die Wirtschaftsstudentin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Deine Sachen kannst du ja morgen holen, wenn du möchtest… Konntest du eigentlich wieder in dein Zimmer ziehen?“ Die Frage überraschte sie ihn, denn in der letzten Woche war sie so wütend gewesen, dass er nicht mal sicher war, ob sie ihn überhaupt gehört hatte, geschweige denn, dass sie es sich merken würde. "Mir wurde ein anderes zur Verfügung gestellt. Die Einrichtung des ersten war… Ziemlich demoliert. Sie müssen wohl das gesamte Mobiliar ersetzen." Und er seine Garderobe und persönlichen Gegenstände, was die Frage, wann er seine Besitztümer holen würde erübrigte. Aber darüber würde er vor ihr sicher nicht jammern. Sie nickte, zögerte kurz und murmelte für menschliche Ohren kaum hörbar: „Übrigens… Danke für die Rosen…“ Er lächelte, vermutlich zum ersten Mal seit dem Überfall, wirklich glücklich. "Ich hoffe, sie haben dir gefallen." Er war sich nicht sicher gewesen, ob ihr das nicht zu kitschig war, aber die meisten Frauen mochten ja Blumen. "Sie waren wunderschön", erwiderte die junge Frag, wobei sie wirkte, als würde sie ihre Freude diesbezüglich nicht ganz so offen zeigen wollen. "Brauchst du noch etwas?", wollte Jane dann wissen, wie um das Thema zu wechseln. Sie wollte offensichtlich gehen, was Aiden schade fand, außerdem fühlte er sich hier ziemlich fehl am Platze. "Nein… Das heißt, doch", korrigierte er sich, als ihm tatsächlich etwas einfiel, über das er noch mit ihr sprechen wollte. "Ich wollte mich nochmals für unseren Streit entschuldigen. Was ich gesagt habe, stand mir keinster Weise zu und es tut mir leid, dass ich derartig die Fassung verloren habe. Ich hätte mehr Rücksicht auf deinen Zustand nehmen müssen, aber ich stand wohl selbst noch neben mir… Das ist keine Rechtfertigung, natürlich, aber es würde mir viel bedeuten, wenn du mir verzeihen könntest." Sie hatte wohl nicht erwartet, dass er sich noch einmal – nach den Rosen - entschuldigen würde, denn sie sah ihn mit großen Augen an, aber nachdem sie ihn das letzte Mal so brüsk weggeschickt hatte, war das Thema für Aiden einfach noch nicht beendet. Bis vor einer Minute hatte er ja nicht gewusst, ob sie seine Blumen angenommen hatte, und selbst wenn er das gesehen hätte, hätte er die Sache wieder aufgegriffen. Sie konnte ihn sowieso schon nicht leiden, da sollte dieser Streit nicht noch auf der Liste stehen, außerdem hatte er wirklich ein schlechtes Gewissen deswegen "Hör zu...", begann die Vampirjägerin leise, als sie ihren Blick ein kleines bisschen senkte und zu Boden blickte. "Du hast dich schon entschuldigt und mir dazu auch noch Rosen geschickt. Du musst es nicht erneut tun. Es reicht und ist angekommen." Sie hielt kurz inne, strich sich die Haare hinters Ohr und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das Andere. Man merkte, dass sie ein wenig mit sich haderte. "Ich kann nicht für mein Unterbewusstsein reden, aber ich denke, dass es mittlerweile... irgendwie in Ordnung ist. Außerdem hätte ich meine Worte vielleicht etwas bedachter wählen sollen - trotz der Umstände", kam es zögerlich und sehr leise über ihre Lippen. Mit ´Irgendwie in Ordnung` konnte er leben, das war wohl der Zustand, den sie vor ihrer Auseinandersetzung gehabt hatten, deshalb lächelte Aiden. Mit so etwas wie einem Einlenken hätte er gar nicht gerechnet, sie war sonst so stur, außerdem hatte sie ja Recht. Er hing in der Vergangenheit fest - aber im Moment wollte er sich davon auch nicht lösen, vielleicht aus Gewohnheit, vielleicht, weil er so einen Lebensinhalt hatte. „Dann freut es mich, dass das geklärt ist“, erwiderte er schlicht und erwartete, dass sie sich jetzt zurückziehen würde, doch das tat Jane nicht, sondern betrat sein Gästezimmer. Dieses betrachtete Aiden jetzt zum ersten Mal genauer. Es handelte sich um einen langgezogenen Raum, dessen breite, mit Vorhängen verzierte Fensterfront auf die Straße blickte. Das Zentrum bildete ein opulentes Bett aus weißem Holz mit zwei ebenfalls weißen Nachtkästchen an jeder Seite. Am Fußende der Schlafgelegenheit stand ein Diwan aus Metall, dessen helle Kissen zur Einrichtung genauso gut passten wie der weiße, riesige Schrank mit einer Spiegeltür. Aiden blinzelte ein wenig überwältigt. Dieses Zimmer war sehr eindeutig von Frauen eingerichtet worden. „Ich würde dir gern ein paar Fragen stellen", meinte die Brünette und ließ sich auf dem Diwan nieder, der am Fußende des Bettes stand. "Als du mir vorhin so plötzlich über den Weg gelaufen bist, warst du dabei, jemandem zu folgen, oder? Hast du irgendetwas bezüglich des Aussehens ausmachen können?“ Er schlenderte zum Fenster und blickte mit verschränkten Armen auf den Garten, während sie sprach. "Ich habe vermutlich die Person gesehen, die bei deiner Mutter war, aber sicher kann ich es dir nicht sagen", antwortete er und folgte mit den Augen ungefähr den Fährten, die er vorhin entdeckt hatte. Die Vampirin hatte sich hier umgesehen, die Frage war nur, was sie wollte. "Ich habe sie nur kurz aus dem Augenwinkel gesehen und konnte keine Details erkennen." „Und dir fällt wirklich kein persönlicher Zusammenhang mit dem beschriebenen Vampir ein?", wollte Jane wissen. Er drehte sich um, lehnte sich an den Fenstersims und schüttelte langsam den Kopf. "Ich glaube nicht, dass der Vampir mich jagt, Jane", erwiderte er ernst, weil sie anscheinend glauben wollte, dass es seine Schuld war, dass ihre Mutter in Gefahr war. "Ich habe keinen Kontakt mit deiner Mutter und der Eindringling wollte doch wohl Angst damit machen, sich ausgerechnet an sie zu wenden. Versteh mich nicht falsch, ich möchte natürlich nicht, dass deiner Mutter etwas passiert, aber wenn jemand Druck auf mich ausüben wollen würde, hätte er dich dazu benutzen müssen. Nein, diese Drohung war an dich gerichtet." Interessant war und blieb allerdings, wieso man ausgerechnet sein Handy dafür verwendet hatte. Es war ein Recht eindeutiges Indiz dafür, dass Jane mit Vampiren zu tun hatte, aber dafür hätte man auch einfach ihr Waffenarsenal aufbrechen können - Elizabeth hätte den Einbrecher sicher nicht aufhalten können. Irgendetwas musste das ganze also wohl auch mit ihm zu tun haben, aber was? "Im Moment wissen drei Vampire, dass ich Kontakt mit dir Pflege; Eldric, ein Freund und ein Bekannter, aber einer davon ist selbst im Zirkel und der andere ist praktisch noch ein Kind, der würde nie auf so eine Idee kommen", überlegte er weiter, wobei er die Finger auf den Fenstersims trommeln ließ. "Und du wüsstest wirklich niemanden, den du gejagt hättest und der entkommen ist? Oder auch nur jemandem, den du die Jagd versaut hast oder so?" „Nein. Es gibt keinen Vampir, der mir entkommen ist. Bisher habe ich alle umgebracht, die ich umbringen wollte... mit Ausnahme von dir", sprach Jane und blickte nach dem kurzen Zögern auf, um Aidens Blick zu erwidern. Für einen Moment hatte er auf den Boden geblickt, doch als sie meinte, er sei der einzige, der sie überlebt habe, hob er den Kopf und lächelte schmal. "Nun, dabei wollen wir es belassen, nicht wahr?", meinte er leicht amüsiert. Er wusste ja, dass sie ihn hatte töten wollen, aber es so ausgesprochen zu hören, war irgendwie noch mal etwas anderes. "Nicht, dass du jetzt gleich deine Waffen zückst oder so", fügte er mit einer undeutlichen Geste in ihre Richtung hinzu und lachte das unangenehme Gefühl einfach weg. "Solange du dich benimmst, hast du Nichts zu befürchten", erwiderte die Brünette sofort ernst auf seinen Kompensationshumor. "Da bin ich aber froh", antwortete er mit sarkastischen Unterton. Er hielt sich mit derartigen Kommentaren zwar zurück, zum einen wegen ihrer momentanen Situation, zum anderen, weil sie sich gerade erst gestritten hatten, aber so ganz konnte er es eben doch nicht unterdrücken. Immerhin sollte sie ihn eigentlich inzwischen lang genug kenne, um zu wissen, dass derartige Ermahnungen unnötig waren, noch dazu in ihrem Haus. Natürlich hatte er vor, sich ganz den Frauen anzupassen, solange er sich in ihrem Haus aufhielt, immerhin wollte er nicht stören. Erneut seufzte die Brünette, ehe sie ihre Ellbogen auf den Oberschenkeln abstützte und ihr Gesicht in die Hände legte. Sofort bereute Aiden seine blöden Sprüche. Sie war schon erschöpft genug, was kein Wunder war angesichts der neuen Entwicklungen. Am liebsten hätte er ihr beruhigend über das Haar gestrichen, doch dafür hätte sie ihm nur die Hand abgerissen. "Und dieser Vampir hat in deinem verwüsteten Zimmer keine einzige Spur hinterlassen?", wollte die junge Frau wissen, als sie wieder aufsah. Er schüttelte den Kopf. "Zumindest hat die Polizei keine Spuren gefunden… Allerdings waren sie wohl nicht besonders gründlich. Ich schätze, sie dachten, ich war das selbst." Er seufzte und sah über die Schulter aus dem Fenster. Fast wünschte er, die Vampirin würde gerade über den Rasen aufs Haus zu spazieren… "Wenn du möchtest, können wir uns dort noch mal umsehen, aber inzwischen sind sicher einige Leute durchgelaufen." "Nein. Wenn man den Zeitpunkt betrachtet, der seit dem Einbruch bis jetzt verstrichen ist, sind alle relevanten Spuren wohl schon weg. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Personal bereits aufgeräumt und somit alle Hinweise beseitigt hat", meinte Jane nachdenklich und bettete ihr Kinn auf ihre zusammengefalteten Hände. Natürlich hatte sie Recht. Nachdem die Polizei dort fertig war, hatte er die paar Habseligkeiten, die noch zu gebrauchen gewesen waren, rausgeholt und in seine neue Bleibe gebracht. Anschließend war das Zimmer gesperrt worden. Er selbst würde ja sowieso dorthin müssen um seine Sachen zu holen… Und dann würde er wohl oder übel mal einkaufen müssen. Bei dem Gedanken seufzte er. Er hatte jetzt eigentlich wirklich anderes im Kopf als Klamotten, aber mit den zwei Shirts, die nicht zerfetzt worden waren, kam man eben auf Dauer nicht weit. Er hatte gerade an etwas anderes gedacht und sah überrascht auf, als Jane plötzlich aufstand. "Komm mit", verlangte sie von ihrem neuen Mitbewohner und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung Richtung Tür, ehe sie das Gästezimmer verließ und direkt in das gegenüberliegende, also ihr Zimmer, begab, wo Aiden jedoch an der Schwelle stehen blieb. Der Raum, in den Jane so natürlich ging, roch überwältigend nach ihr und irgendwie kam es ihm unschicklich vor, in ihr Zimmer einzudringen. Als sie ihn aber ungeduldig anschaute und die Tür hinter ihm schließen wollte, machte er den kurzen Schritt vorwärts und sah sich um. Die Einrichtung hier wirkte schlichter als in seiner Unterbringung, sah aber gepflegt und stilvoll aus. An einer Wand stand ein großes Bett, dem gegenüber eine graue Regalwand mitsamt Fernseher und Computer aufgebaut worden war. Um in den Raum zu gelangen, musste man durch eine Art kleinen Flur, der von einer in den Raum gezogenen Wand begrenzt wurde. Aiden dachte schon, hinter der Tür befände sich ein begehbarer Kleiderschrank, doch dann sah er das Sicherheitsschloss und erkannte Janes Waffenkammer. Nicht ganz sicher, was er jetzt mit sich anfangen sollte, sah er zu, wie Jane ein paar Ordner aus ihrem Schrank zog und ihm diesen gleich in die Hand drückte. "Da ich es nicht alleine schaffe, mir alle Fälle anzusehen - und das momentan der einzige Weg ist, weiterzukommen - wirst du mir helfen müssen." Er seufzte und setzte sich mit den Dokumenten neben ihr Bett, an das er sich lehnte, bevor er den Ordner aufschlug. "Nach was genau suchen wir?", erkundigte er sich, während er die Blätter nacheinander durchging. Vielleicht war die Nähe des Bettes doch nicht der beste Sitzplatz gewesen, denn die Bezüge rochen besonders intensiv nach seiner unfreiwilligen Gastgeberin, aber irgendwie kam es ihm doof vor, sich wo anders hin zu begeben. Außerdem war es ja nicht unangenehm, eher ablenkend. "Bei einigen stehen familiäre und sonstige, soziale Kontakte drin. Möglicherweise hat das Umfeld eines getöteten Vampirs etwas damit zu tun", erwiderte die junge Frau auf seine Frage hin. "Außerdem sollten wir Richards Akte erneut durchgehen, um jede Möglichkeit abzudecken. Er ist immerhin der Einzige, den wir gemeinsam umgelegt haben... und wenn wir schon dabei sind, könntest du dir gleich einmal die Aufnahmen der Vampire ansehen. Möglicherweise erkennst du ja trotzdem die eine oder andere ... Person." Als er nickte, schnappte Jane sich ihr iPad und ihren Laptop, ehe sie letzteren in weiser Voraussicht Aiden überreichte. Sie hatte seine mangelnden Technik-Kenntnisse ja bereits gesehen, und alleine sein Handy sprach Bände. Ein paar Mal bat er Jane trotzdem um Hilfe, aber nach einer Weile fand er sich notdürftig zurecht. Irgendwann musste er mal so einen Computer-Kurs für Senioren besuchen... In den Daten des Zirkels fand er durchaus einige bekannte Gesichter, allerdings keines, das mit dem Zwischenfall zu tun haben könnte. Die meisten befanden sich im Ausland und wie er bereits gesagt hatte, wussten die wenigsten, dass Jane überhaupt existierte. Es wäre einfach dumm gewesen, einen solchen Schwachpunkt an die große Glocke zu hängen, eine Vorsichtsmaßnahme, die sich jetzt als begründet herausstellte. Natürlich kam Aiden auf den Gedanken, dass sein Erschaffer für all das verantwortlich war, aber diese Überlegung verwarf er recht schnell. Elizabeth hatte von einer Frau geredet, und wenn er wüsste, wo Aiden war, würde Vincent ihn direkt aufsuchen, da war er sicher. Eine Ewigkeit später räumte Jane ihre Unterlagen wieder zusammen und tat ihren Unmut kund, denn sie hatte genauso wenig Erfolg gehabt wie Aiden. "Nichts! Einfach Nichts! Wie kann das sein?!", zischte die junge Frau ziemlich genervt, ehe sie sich erhob, um die Papiere wieder im richtigen Regal zu verstauen. „Was, wenn der Vampir gar nicht wirklich mit uns in Verbindung steht und das aus Langeweile oder sogar aus Spaß oder sonstigen unerklärlichen Gründen macht?", meinte die Vampirjägerin, als sie die Arme vor der Brust verschränkte. Es gab keinen offensichtlichen Zusammenhang, aber sie mussten irgendetwas übersehen, alles andere würde keinen Sinn machen. Es sei denn, die Tat war wirklich reiner Spaß für die betreffende Vampirin. Irgendwie glaubte Aiden das aber nicht, sodass es die Stirn runzelte. "Das könnte sein, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Sie hat gesehen, dass ich öfter hier bin und hätte sich für sowas doch wohl eher ein anderes Ziel ausgesucht. Ich meine, sich nur zum Spaß mit jemanden anlegen können sich die wenigsten leisten." Und die, die es könnten, sahen den Spaß darin dann meist nicht. Möglich war es natürlich trotzdem und sie sollten es im Auge behalten. "Vielleicht sollten wir versuchen, eine Falle aufzustellen?", schlug Jane vor. Nach dem langen Sitzen knackten seine Gelenke, als der Vampir aufstand und sich streckte. "Wenn dir eine Falle einfällt, die nicht deinen Märtyrertod beinhaltet, können wir das gerne tun", stimmte er trocken zu. Sie würde sich nicht als Lockvogel anbieten, solange er hier war, das hatte er ihrer Mutter versprochen. "Dann können wir das mit der Falle wohl vergessen. Jedoch verstehe ich nicht, weshalb ich nicht den Lockvogel spielen sollte, wenn du ohnehin in der Nähe sein würdest. Schlimmstenfalls könnten wir noch einige Jäger engagieren", antwortete die junge Frau gereizt. Jane hatte wohl vergessen, dass sie bei der Jagd auf Richard trotz seiner Anwesenheit bereits in Gefahr geraten war, aber daran erinnerte er sie lieber nicht. Zudem würde die besagte Vampirin vermuten, dass sie sie irgendwie aus ihrer Deckung locken wollten und entsprechend vorsichtig sein. Im Moment hatte sie alle Karten in der Hand, aber sobald die beiden herausfanden, um wen es ging - Und wieso - Würde sich das Blatt wenden, denn dann waren es zwei gegen einen. Vermutlich zumindest, denn er hatte bisher keine zweite Person wahrgenommen. Schwer seufzend stieß sich die junge Frau von der Wand ab, begab sich ans Fenster und blickte auf die Straßenseite, ehe sich ihre Augen schlagartig weiteten. Wie auf Knopfdruck hatte sie das Fenster aufgerissen und wollte offensichtlich hinaus springen. Ohne einen bewussten Gedanken zu fassen, sprang Aiden vom Bett auf, hechtete zu ihr, streckte den Arm aus und schlang ihr diesen um den Bauch, sodass sie für einen Moment nur durch seine Kraft gehalten in der Luft baumelte. "Bist du verrückt geworden?", fragte er ungehalten, während er sie nach drinnen zog. "Was sollte das?" Erst jetzt kam ihm die Idee, dass sie nicht nur so zum Spaß gesprungen war, und er sah ebenfalls hinaus auf die dunkler werdende Straße, aber da war niemand mehr. "Ich bin nicht verrückt! Ich bin mir sicher, dass diese Vampirin gerade auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu sehen war!", entgegnete Jane prompt und wollte offensichtlich erneut einen Sprung nach draußen wagen, weshalb der Vampir seinen Griff um ihre Körpermitte verstärkte, bis sie den Wiederstand aufgab. "Kann ich dich loslassen oder springst du wieder?", fragte er streng und zog langsam den Arm zurück, bereit, sie sofort wieder zu fangen. Missmutig sah er zu ihr runter. "Du kannst nicht wegen jedes Passanten aus dem Fenster springen, Jane. Ich weiß, du bist angespannt, aber versuch, dich zu beruhigen, ok? Wir finden sie. Versprochen", wiederholte er eindringlich. "Es war nicht wegen ´jedes Passanten`. Die Schnelligkeit, mit der diese Gestalt verschwunden ist, war nicht menschlich!", kam es direkt über ihre Lippen, bevor sie erneut zu der Stelle blickte. Noch immer sichtlich angespannt und gestresst, begab sich die Vampirjägerin zu ihrem Bett, wo sie sich schwer seufzend niederließ und mit den Fingern ihre Schläfen massierte. So, wie sie sich aufführte und wieder aus dem Fenster starrte, hätte Aiden am liebsten den Arm um sie gelegt gelassen. Er konnte nicht fassen, dass sie diese sinnlose Aktion wirklich völlig gedankenlos gestartet hatte. Sie konnte doch nicht jede Logik abschalten! Etwas mehr Professionalität hätte er schon von ihr erwartet, aber er beschränkte sich mit seiner Kritik auf einen missbilligenden Blick. Sie neigte unter Stress wohl zu kopflosem Aktionismus. "Kann schon sein, dass sie da war, aber nicht mal ich konnte sie einholen", entgegnete er resigniert. Die Fremde war schnell und wusste sich gut zu tarnen, außerdem kannte sie sich in der Gegend aus, nachdem sie hier wohl schon lange herum lungerte. Nein, es wäre vollkommen sinnlos gewesen, sie zu verfolgen, wenn sie so weit entfernt waren. Mit verschränkten Armen trat er ans Fenster und ließ den Blick den gegenüberliegenden Gehsteig entlang wandern. "Außerdem können auch Vampire einfach nur Passanten sein", fügte er gelassen hinzu. Natürlich wusste er, was sie meinte, aber es brachte nichts, sie in ihrer Unruhe noch weiter anzustacheln, fand er. „Ich weiß!“, entfuhr es Jane, die die Hände zu Fäusten geballt hatte und mit den Zähnen knirschte. Dieser kleine Wutausbruch ließ den Vampir die Brauen hochziehen, woraufhin sie nur eine wegwerfende Geste machte und das Gesicht abwandte. Aiden verstand, wie sehr sie das alles mitnahm, deshalb sah er von weiteren Belehrungen ab. Ihm war bewusst, dass ihr nicht gefallen würde, was er als nächstes sagte, aber er sah im Moment keine andere Möglichkeit, also seufzte er und wandte sich der jungen Frau zu, die erschöpft auf dem Bett saß. "Ich weiß, dass dir das nicht passen wird - mir auch nicht. Aber gerade bleibt uns wohl nichts anders übrig, als abzuwarten und auf der Hut zu sein. Wir werden uns weiter umhören und überlegen, wie wir an sie rankommen können. Vielleicht können die Leute aus dem Zirkel uns ja helfen? Aber bis dahin darfst du nichts Unbedachtes tun. Du hast es deiner Mutter versprochen", erinnerte er sie sanft, weil das doch großen Einfluss auf sie zu haben schien. Jane fuhr ruckartig auf und öffnete leicht den Mund, um etwas zu erwidern, hielt jedoch sofort inne und schloss geradewegs nach dem Öffnen den Mund. Sie blickte Aiden mit geweiteten Augen an, nur um direkt danach etwas missmutig zu stöhnen und sich von ihm abzuwenden. Ohne jegliche Vorwarnung trat die junge Frau mit der Fußsohle gegen die Wand, um wenigsten einen Teil ihrer Frustration rauszulassen. "Einholen hätten wir sie vielleicht nicht können, aber wir hätten vielleicht eine Spur finden können. Du zumindest hättest womöglich den Geruch wahrnehmen und so ihre Fährte aufnehmen können", beharrte die Brünette zähneknirschend. "Das habe ich während der letzten vier Tage versucht und nicht geschafft und ich glaube nicht, dass es mir jetzt gelungen wäre. Vielleicht läuft sie in der Kleidung von Menschen herum, um ihren Geruch zu überdecken, jedenfalls ist ihre Fährte ziemlich schwer auszumachen“, erklärte er, leicht amüsiert von dem Gewaltakt gegen die unschuldige Wand, aber doch konzentriert auf ihr eigentliches Thema. Er hatte sich schon einige Gedanke um die ganze Angelegenheit gemacht, womit er das typisch-territoriale Verhalten seiner Rasse zeigte; das hier war sein Revier (auch, wenn Jane das anders sehen mochte und auch, wenn er hier nie jagen würde) und er duldete keinen anderen Vampir in der Gegend. Hätte er die Frau erwischt, hätte er sie längst beseitigt. Schnaubend, aber doch ein Stück ruhiger, zückte Jane ihr Smartphone, um eine Nummer zu wählen. Aiden konnte sich denken, wen sie kontaktierte, wenn es um Vampir-Probleme ging, und er schwieg während des kurzen Telefonats. Währenddessen schloss er umsichtig das Fenster, nicht, dass sie doch noch auf dumme Ideen kam. "Ich bin´s. Wir müssen reden", sprach sie schlicht während sie sich die Haare hinters Ohr strich und auf die Antwort ihres Gesprächspartners wartete. "Gut. Wir kommen morgen vorbei. Ja, mit 'wir' meine ich Aiden und mich. Nein, ich habe mich nicht für eine längerfristige Partnerschaft entschieden, Eldric. Wir sehen uns morgen." Sie legte auf und wandte sich ihrem Gast zu, dem sie erklärte, dass er mit ihr kommen würde. Man hätte ja meinen können, dass es an seinem Stolz kratzte, so bei Fuß zitiert zu werden, aber so war er nicht. Er war einfach froh, dass Jane ihm erlaubte, auf sie und ihre Mutter aufzupassen und dass sie überhaupt wieder mit ihm redete. Dafür würde er sich sogar wieder in diese grässliche windlose Stadt begeben, wenn es sein musste. Auch an einem Wiedersehen mit Eldric war Aiden tendenziell eher weniger interessiert, doch schicksalsergeben wie immer fügte er sich in den Willen der Jägerin, versprach, sie zu begleiten und verließ das Zimmer, als sie ihn dazu aufforderte. Kapitel 12: WG mit meinem Stalker --------------------------------- Schwer seufzend legte die Wirtschaftsstudentin nach dem Gespräch mit Eldric auf, ehe sie mit einer Kopfbewegung Aiden anwies, das Zimmer zu verlassen, um runter in die Küche zu gehen. Diese war geräumig, gut und modern ausgestattet und besaß sogar eine hohe Theke mit Barhockern, auf denen man es sich gemütlich machen und von wo aus man gleichzeitig beim Kochen zusehen konnte. Ohne darauf zu achten, ob ihr neuer Hausgast gefolgt war, nahm Jane ein paar Küchenutensilien hervor, zog die Kochschürze an und band sich die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz. Hätte man nichts von ihrem ungewöhnlichen Nebenjob und ihrem schwierigen Charakter gewusst, dann hätte man sie in dem Outfit schlichtweg für eine typische Hausfrau oder Mutter halten können. Aiden persönlich war die Ausstattung ein bisschen zu modern, aber er konnte das wohl schlecht beurteilen, da er einfach überhaupt nichts mit Kochen am Hut hatte. Entsprechend neugierig besah er sich die Küchengerätschaften, die Jane auf den Arbeitsflächen verteilte. Er hob den Blick, um eine Frage zu stellen, stockte aber, als er seine Gastgeberin in dieser ungewöhnlichen Aufmachung sah, die ihr, seiner Meinung nach, besser stand als alles, was er bisher an ihr gesehen hatte. Trotzdem passte dieses doch sehr feminine Bild nicht zu dem Eindruck ihres Charakters, den sie ihm vermittelt hatte, weshalb er leicht schmunzelte. "Du siehst sehr hübsch aus so", sagte er ehrlich, wobei er nicht erwartete, dass sie das Kompliment diesmal annahm. Sie blinzelte ein paar Mal und sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an, ehe sie an sich runterblickte und wieder zu ihm sah. "Was ist daran bitte schön hübsch? Ich habe lediglich eine Küchenschürze angezogen und die Haare zusammengebunden", entgegnete sie sichtlich irritiert, ehe sie nach einigen Zutaten griff und diese auf die Kücheninsel stellte. Na ja, das war wohl zumindest mal eine Reaktion, dachte er lächelnd. "Dir stehen hochgebundene Haare. Und mit der Schürze siehst du…" Er zögerte, ´weiblich` zu sagen, denn das könnte sie in den falschen Hals bekommen. Sie sah auch sonst wie eine Frau aus, aber eben auf eine völlig andere Art. Nach einer Weile gab er auf und zuckte die Schultern. "Ich kann es nicht genau sagen, aber es steht dir einfach. Hat wohl etwas mit deiner Ausstrahlung zu tun." "Du meinst also, ich habe eine andere Ausstrahlung, wenn ich so rumlaufe? Hm.. verstehe. Du bist also einer dieser traditionellen Männer, die es mögen, wenn die Frauen hinter dem Herd stehen", meinte die junge Frau, nachdem sie kurz nachgedacht hatte. Anscheinend hatte sie ihre schnelle Auffassungsgabe zurück erlangt, so, wie sie sofort verstand, was er meinte. Sie schien aber nicht sauer zu sein, was ihn erleichterte. "Nun, ich denke, dass jedes Geschlecht Stärken und Schwächen hat und deswegen für manches eben besser oder schlechter geeignet ist. Das heißt nicht, dass ich Frauen und Männer als nicht gleichberechtigt sehe", antwortete er, denn das konnte man sicher leicht falsch verstehen. Mit Frauen "Hinter dem Herd", wie sie es so schön ausgedrückt hatte, hatte er persönlich natürlich nichts zu tun, aber prinzipiell hatte sie mit ihrer Einschätzung wohl recht. Es hätte ihm besser gefallen, wenn sie sich Kochen als Hobby ausgesucht hätte, nicht Vampire-Jagen. "Hattest du diese Denkweise schon, als du noch... uhm... menschlich warst oder hat sich das mit der Zeit entwickelt und du dich sozusagen anpassen musstest?", fragte sie, sichtlich überrascht von seinen liberalen Ansichten. Er musste tatsächlich ein wenig über ihre Frage nachdenken. Wahrscheinlich hatte er in seinem Menschenleben mit so vielen mächtigen Frauen zu tun gehabt, dass er einen respektvollen Umgang schon immer gelernt hatte. Außerdem hatte er eine gute Erziehung genossen. Aber Höflichkeit und Gleichberechtigung waren nicht dasselbe. "Ich denke, das ist etwas, das ich neu erlernen musste. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass weiblichen Vampiren nicht die Schwächen von Menschenfrauen anhaften. Wenn man oft mit sehr, nun, willensstarken Angehörigen des anderen Geschlechts zu tun hat, sieht man schnell ein, dass man auch nicht mehr zu sagen hat als die Dame", überlegte er leise schmunzelnd weiter. Etwas Gutes hatte sein langes Leben dann wohl doch gehabt: er hatte viel Zeit gehabt, zu lernen. Als sie das Thema mit einem Nicken fallen ließ, deutete er auf ihre Kochvorbereitungen. "Was möchtest du zubereiten?" Er hätte ihr ja seine Hilfe angeboten, wäre am Herd aber wohl kaum eine große Unterstützung Die junge Frau kippte dann auch das Mehl in eine Schüssel. Im Gegensatz zu seinem Kompliment brachte sie die Frage nicht zum Stocken. "Spinatlasagne und einen Fruchtsalat", antwortete die Brünette, als sie ein paar Eier aufschlug, nach weiteren Zutaten griff damit begann, den Teig zu kneten. Dabei erledigte sie den Vorgang so mühelos, dass es beinahe so wirkte, als sei es das Natürlichste auf der ganzen Welt. Während Jane arbeitete, schlenderte ihr Hausgast zuerst ein wenig durch die Küche, dann setzte er sich an die Theke und sah ihr von dort aus zu. "Hm… Ist das dein Lieblingsgericht?", erkundigte er sich, denn soweit er wusste, hatte sie so eine Lasagne auch schon bei ihrem gemeinsamen Ausflug gegessen. Sie strahlte eine Leichtigkeit aus, die darauf schließen ließ, dass sie öfter in der Küche stand, was er irgendwie nicht erwartet hätte. So, wie sie sich meist gab, hätte er fast ein paar Pizzakartons und Bierdosen in ihrem Zimmer erwartet. „Ich muss zugeben, dass ich die italienische Küche am liebsten mag und Pasta eigentlich so gut wie immer essen kann. Darum... ja. Irgendwie schon", antwortete Jane und stellte den Teig zum Ruhen auf die Seite, dann begann sie dann auch mit den restlichen Vorbereitungen. Dabei warf sie immer mal wieder einen Blick auf den ruhenden Teig. "Kochst du gerne?", fragte er weiter, ohne den Blick von ihren Händen zu nehmen. Die junge Frau nickte und griff dann auch gleich nach den Früchten, die sie unter den Wasserstrahl hielt und wusch. Ihre zuerst so ruhigen Bewegungen wurden nach und nach ein wenig fahrig und er merkte, wie sie den Nacken anspannte, was wohl daran lag, dass er sie so beobachtete. "Wie sieht es mit dir aus? Kannst ... oder vielmehr: Konntest du kochen oder hattest du damals Diener, die das für dich und deine Familie übernommen haben?", fragte sie, um das Schweigen zu brechen. Er stand wieder auf und gesellte sich zu Jane. "Nein. Wir hatten Bedienstete, außerdem war das damals Frauenarbeit", erklärte er wertungsfrei. Dass sie ihm bei dieser Arbeit gefiel, sprach ja schon Bände über seine Meinung. "Kann ich dir eigentlich helfen?" Die Frage stellte er zum einen aus Höflichkeit um sie nicht weiter anzustarren, zum anderen aus Neugierde. "Bist du sicher?", wollte Jane sichergehen, und er nickte und nahm bereitwillig das Obst und das Messer entgegen, welche sie ihm gab. „Du kannst die gerne mal schälen und in mundgerechte Würfel schneiden", wies sie ihn an, bevor sie sich daran machte, den Salat und das Dressing vorzubereiten. Beides stellte sie nach wenigen Minuten in den Kühlschrank. Als sie danach damit begann, die Sauce für die Lasagne zu machen, blickte sie zu Aiden, um zu sehen, wie er sich bei der Küchenarbeit schlug. Wegen ihres besorgten Blicks zwinkerte der Vampir seiner Gastgeberin zu, dann machte er sich wieder an die Arbeit. Er konnte zwar nicht kochen, aber Obst-schneiden gehörte jetzt auch nicht wirklich zu den Königsdisziplinen und er bekam das ganz gut hin. Er war zwar noch nicht ganz fertig, aber als sie einen Kontrollbesuch machte, zeigte er Jane aber seine Arbeitsergebnisse brav. "Zufrieden?", erkundigte er sich, während er noch weiter schnippelte. Sie musste sogar leicht schmunzeln. "Ja. Sieht nicht schlecht aus", meinte sie und gab ihm dann auch gleich die Aufgabe, ein kleines Dressing für den Fruchtsalat zu machen, indem sie ihm die Zutaten dafür übergab. Natürlich gab die Brünette ihm auch gleich die Mengen an. Er lächelte stolz, als sie zufrieden war mit seiner Arbeit, dann widmete er sich der neuen Aufgabe. Diese war schon kniffliger, weil es um den Geschmack ging. Aiden versuchte einfach, sich so genau wie möglich an die Mengenangaben zu halten und reichte Jane dann einen Löffel zum Probieren. Mal wieder überkam ihn die Neugierde, die man ihm auch ziemlich deutlich am Gesicht ablesen konnte als er gespannt: "Und?", fragte. Wieder sah sie belustigt aus, beugte sich aber vor und nahm Löffel in den Mund. Kurz leckte sich die Brünette danach über die Lippen, um das Dressing zu schmecken, ehe zufrieden nickte. "Passt so", meinte die Hobbyköchin und deutete ihm an, die Sauce und die Früchte in den Kühlschrank zu stellen. "Schmeckt dir, uhm... menschliche Nahrung eigentlich? Also... hat das irgendwie einen Geschmack für dich?" „Ich weiß es nicht", gab er zu, während er die Gegenstände, die er benutzt hatte, in die Spülmaschine räumte. "Menschliches Essen verliert seinen Reiz, sobald man... Verwandelt ist. Ich hatte nie das Bedürfnis, zu essen." Er sprach bewusst in der Vergangenheit, denn seit er mit ihr zu tun hatte, hatte er ein paar Mal darüber nachgedacht, wie es wohl sein würde, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Da sie ihn danach gefragt hatte, hatte Jane seine Neugierde wohl bemerkt. "Es riecht jedenfalls gut." Nicht auf die Art verführerisch wie ihr Blut, aber angenehm. "Verstehe...", meinte sie nachdenklich und sah ihn mit einer hochgezogener Augenbraue an, wobei sie ihre Neugierde nicht wirklich verbergen konnte. "Und du hast nie mit dem Gedanken gespielt, das auszuprobieren? Ich meine... Das war für dich als Mensch doch etwas völlig Natürliches und wenn es gut riecht...?" "Doch, ehrlich gesagt habe ich darüber nachgedacht", gestand er, wobei er davon absah, ihr zu sagen, dass er das vor ihrer Begegnung nie getan hatte. Wie gesagt, das Bedürfnis war einfach nicht da. Sie war zwar nicht der erste Mensch, mit dem er Kontakt hatte, seit er verwandelt worden war, aber davor war ihm irgendwie nie die Idee gekommen. Das lag wohl daran, dass er nicht vorhatte, den Umgang mit Jane in nächster Zeit zu beenden, und ihm deshalb die Unterschiede in ihrem Lebenswandel so deutlich vor Augen standen. Davon, wie es sich anfühlte, Hunger zu haben, wusste er nichts mehr, was ihn jetzt, wo er so darüber nachdachte, ein wenig deprimierte. Geschehnisse zu vergessen war das eine, aber ganze Empfindungsarten waren doch ein anderes Kaliber. "Aber ich weiß nicht, was passiert, wenn ich es tue… Sollen wir es ausprobieren? Es interessiert mich jetzt ehrlich gesagt auch", gab er zu, lächelnd, weil er sich sein Unbehagen nicht anmerken lassen wollte. "Oh nein. Das lässt du heute schön bleiben. Das kannst du gerne ein anderes Mal machen. Ich habe keine Lust eine mögliche Sauerei aufzuputzen und wer weiß schon, welche Folgen es nach sich zieht, wenn du etwas isst?", sprach Jane sofort dagegen, die Stirn gerunzelt und den Kopf schüttelnd. In dem Fall war sie rationaler als er, was wohl daran lag, dass er seinen Körper ziemlich alles zutraute und das im Normalfall auch konnte. Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich glaube nicht, dass irgendwas passieren wird", antwortete er, aber natürlich hatte sie Recht. Selbst, wenn er sich nur unwohl fühlte, wäre das ein Risiko. Tja, dann würde er dieses Experiment wohl verschieben müssen, bis sie die Verfolgerin gefunden hatten. Was ja hoffentlich nicht allzu lange dauern würde. Trotzdem, irgendwie war es lustig, Jane mal bedachter zu erleben als sich selbst, sodass er in sich rein grinste. Sie konnte ja nachdenken, wenn sie wollte. "Nun, es steht dir frei, das sofort auszuprobieren, sobald du hier wieder ausgezogen bist und wir diese Unbekannte gefasst haben“, fügte die Brünette hinzu, wobei sie mit dieser Antwort wohl auch wieder klar machte, dass dieses 'Zusammenwohnen' zeitlich begrenzt war und dass sie keineswegs vor hatte, ihn länger als nötig in ihrem Haus zu dulden. Im Gegensatz zu dem, was sie offenbar glaubte, hatte Aiden nicht vor, dauerhaft bei McCollins zu wohnen. Er hatte eine Unterkunft, hier musste er nicht leben, außerdem wollte er wie gesagt den Frauen nicht zur Last fallen. Weil er versucht hatte, ihr das klarzumachen, traf ihn ihr kleiner Seitenhieb schon, aber er lächelte nur gleichmütig. "Wenn du möchtest, ziehe ich gar nicht erst ein, Jane", wiederholte er noch mal, was er schon in ihrem Gespräch mit Elizabeth gesagt hatte. Er würde sie nicht alleine lassen, sicher, aber er würde sich ihr genauso wenig nicht derart aufdrängen. Sie ließ sich zwar von ihrer Mutter dazu ´zwingen`, aber er machte diese Entscheidung von ihr abhängig. Jane sah ihn misstrauisch an wie um zu prüfen, ob er nicht doch irgendeine Falle ausheckte. Spätestens in diesem Moment wurde Aiden klar, dass die folgende Zeit für ihn mindestens genauso anstrengend würde wie für die Jägerin. Sie sagte nichts mehr dazu, sondern begann, die Lagen der Lasagne zu stapeln, wobei sie steif die Schultern zuckte, um ihre Gleichgültigkeit über sein Bleiben auszudrücken. Mehr würde er wohl nicht bekommen, deshalb ließ Aiden es auf sich beruhen. "Übrigens ist euer Haus wirklich schön", bemerkte er, als sein Blick in der kurzen Gesprächspause durch die Küche und über das Anwesen vor dem Fenster schweifte. "Darf ich wissen, was deine Eltern von Beruf sind?" Die Frage war genau so gemeint, wie sie gestellt war. Er würde es ohne weitere Erklärungen dulden, wenn sie ´nein` antwortete. Er war nicht ganz sicher war, wo die Grenzen dessen lagen, was sie von sich preisgeben wollte. Ihre Mutter schien da noch mal eine Sonderstellung zu haben und er wollte nicht noch mehr einmischen, als er es durch seinen Aufenthalt hier sowieso schon tat. Wenn sie bereit war, ihm etwas zu erzählen, würde sie das mit der Zeit schon tun, das hatten die letzten Wochen ja gezeigt. Jane war gerade dabei, die letzte Schicht der Lasagne zu beenden, als sie instinktiv innehielt. Aiden wollte die Frage schon zurück nehmen, als Jane doch noch antwortete. "Meine Mutter ist Ärztin und besitzt eine eigene Praxis. Sie ist jedoch auch teilweise im Krankenhaus tätig. Darum war es damals so einfach, an die Blutkonserven für dich ranzukommen", erklärte sie und streute den Käse über die Lasagne. Daraufhin schwieg die Wirtschaftsstudentin für eine Weile und nutzte diesen Moment, um die Form in den Ofen zu schieben und anschließend damit zu beginnen, ein wenig aufzuräumen. Währenddessen haderte sie offensichtlich, doch ihr Hausgast bedrängte sie nicht, sodass sie schließlich von sich aus fortfuhr. "Mein Vater ist ... war Architekt und Vampirjäger", fügte Jane schließlich leiser hinzu, wobei sie es vermied, Aiden anzusehen. Vielmehr schien es so, als ob sie sich darauf fixieren würde, das benutzte Geschirr in die Spülmaschine zu legen. War... Er hatte gedacht, ihr Vater wäre wegen der Arbeit im Ausland oder habe die Familie verlassen. Daran, dass sie ihn verloren haben könnte, hatte er nicht gedacht. Und sie war noch so jung… Starkes Mitleid wallte in ihm auf, aber das wollte sie sicher nicht, deshalb sagte er nur schlicht, aber ehrlich: "Das tut mir sehr leid." Ohne weiter auf sie einzudringen half er ihr bei den Aufräumarbeiten. Ein seltsames, würgendes Geräusch entstand, als Jane ein Lachen unterdrückte. Der Vampir sah sie fragend an, doch sie schüttelte nur den Kopf. "Danke", erwiderte die Vampirjägerin leise und schloss dabei die Spülmaschine, um diese anschließend laufen zu lassen und kurz beim Ofen vorbeizuschauen. "Es ist schon ziemlich lange her. Wir haben uns… ziemlich gut damit arrangieren können." Neugierig beobachtete er die junge Frau, die dieser Verlust mehr mitnehmen musste, als sie zugab. Immerhin hatte sie ihm bei seiner ersten Frage bewusst eine Halbwahrheit aufgetischt. Aiden nahm es ihr nicht übel, es gab eben Dinge, über die man nicht sprechen wollte. Damit die Beiden nicht weiter auf dem Thema blieben, wechselte die Wirtschaftsstudentin den Gesprächsgegenstand: "Wenn wir schon beim Kochen sind... musst du demnächst jagen?", wollte sie wissen, während sie sich der Kochschürze und des Haargummis entledigte. Diese Frage besorgte ihn mehr, als man hätte annehmen können, immerhin bedeutete sie, dass er die Frauen alleine lassen musste - Und das ausgerechnet nachts. "Nicht heute und auch nicht unbedingt morgen", antwortete er, wobei er die Arme verschränkte und auf dem Oberarm herum trommelte. "Aber ich muss im Hostel Bescheid sagen, dass ich für eine Weile nicht komme und ein paar Sachen holen." Die ältere Dame, der die Herberge gehörte, kannte ihn inzwischen und würde sich Sorgen um ihn machen, vor allem nach dem Überfall. Und er wollte nicht die Polizei hier haben, das würde die McCollins nur stören. Fragend legte sie den Kopf schief, als sie merkte, dass ihm irgendetwas nicht behagte. "Soll dir meine Mutter ein paar Blutkonserven besorgen?" An die Möglichkeit, aus Konserven zu leben, hatte er ehrlich gesagt noch gar nicht gedacht, und unter normalen Umständen hätte ihm das doch widerstrebt. So aber hellte sich seine leicht besorgte Miene wieder auf und er stand auf. "Das wäre sehr nett - Wenn es ihr keine Umstände macht", fügte er hinzu, immerhin war Elizabeth kein Lieferservice und sie beherbergte ihn schon großzügiger Weise in ihrem Haus. "Ich werde meiner Mutter nachher Bescheid sagen. Du kriegst morgen sicher nach der Arbeit ein oder zwei Konserven. Das sollte reichen, oder?", meinte die Vampirjägerin daraufhin sofort. "Das wird mehr als genügen, danke. Gute Idee", fügte er lobend hinzu. Immerhin hatte sie vor ein paar Minuten aus dem Fenster springen wollen und man müsste es unterstützen, wenn sie im Gegensatz dazu einen produktiven Einfall hatte. Er war doch erleichtert von Ihrem Angebot. Er wusste nicht wieso, aber irgendwie wäre es ihm, selbst ohne die akute Gefahr für die beiden Frauen, unangenehm zu gehen, wenn die beiden wüssten, dass er jagte, wobei das wohl eher an Elizabeth lag. Zwar wusste sie, was er war, aber im Gegensatz zu ihrer Tochter schien sie nicht viel mit seiner Art zu tun zu haben. Und sie war so freundlich, dass er sich ihr gegenüber nicht unbedingt mit Mord assoziieren wollte. "Gut. Ansonsten brauchst du Nichts, oder?", wollte die Brünette sicher gehen. "Nein. Wenn ich bleiben soll, ist das alles. Danke." Er meinte es wirklich ernst mit dem Dank. Obwohl er hier war, um Jane zu helfen, sah er es nicht als selbstverständlich an, in ihrem Haus aufgenommen zu werden. Sie dachte anscheinend, er hätte es irgendwie darauf angelegt, aber sie war ja dabei gewesen - Das war die Idee ihrer Mutter gewesen, er hatte es sogar in Frage gestellt. Trotzdem wäre es vermutlich für alle Parteien das Beste, diese Lösung so kurzfristig wie möglich zu halten, dachte er, während er Jane ins Wohnzimmer folgte, wo sie es sich gemütlich machte, während die Lasagne im Ofen war. ~ Jane ~ „Deine Sachen kannst du ja morgen holen“, schlug Jane vor und machte es sich auf der Couch bequem. Wie erwartet folgte der Vampir ihr, der es scheinbar keine Minute alleine aushielt. "Das werde ich wohl tun müssen… Vielleicht, wenn du in der Uni bist", überlegte er. Die Brünette lehnte sich zurück, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein, um die Nachrichten zu schauen, da sie sich auf dem Laufenden halten wollte. Außerdem konnte man nie wissen, ob sich irgendwelche mysteriösen Fälle ereignet hatten, bei denen vielleicht ein Vampir am Werk gewesen war. "Am besten du gehst gegen Vormittag. Meine Mutter wird morgen früh gegen neun zur Arbeit gehen und meine Vorlesungen beginnen morgen um elf", schlug die Wirtschaftsstudentin vor, ohne vom Fernseher aufzusehen. Ihr Gast zog es scheinbar vor, sich nicht zu ihr zu setzen, sondern bezog am Fenster Stellung und beobachtete den Garten. Bei dem Anblick fiel Jane wieder ein, wie er sie in ihrem Zimmer gefangen hatte, und ihre Hand zuckte unwillkürlich zu ihrem bereits etwas schmerzenden Bauch. Das würde mit Sicherheit einen blauen Fleck geben – Und es war so unnötig gewesen! Zugegeben, es war nicht unbedingt von Vorteil, sich so unüberlegt aus dem Fenster stürzen zu wollen, weil sich auf der anderen Straßenseite wahrscheinlich die Verdächtige gezeigt hatte. Diese hitzköpfige Aktion hätte sie vielleicht sogar den Kopf kosten können, wenn ihr Mitbewohner sie nicht zurückgehalten hätte. Schließlich hätte es eine Falle sein können oder sie hätte in ihrer Hektik falsch am Boden landen können - wobei Letzteres eher weniger hätte passieren können. Immerhin war sie bereits schon aus deutlich größeren Höhen gesprungen, da dies zum natürlichen Training im Zirkel gehörte. Aber nein, dieser dumme Blutsauger musste sie wie ein rohes Ei behandeln… Obwohl natürlich jedes Ei zerbrochen wäre, wenn er es so in den Schwitzkasten genommen hätte. Während sie darüber nachdachte und die Nachrichten verfolgte, fiel Aiden scheinbar etwas ein, über das sie vor zwei Wochen geredet hatten, und er wollte wissen: "Wie ist eigentlich das Projekt, das du mit Logan hattest, gelaufen? Habt ihr schon eine Bewertung?" Weil jetzt das Wetter gezeigt wurde, blickte Jane doch zu ihm und nickte leicht. "Wir haben sie letzten Mittwoch gekriegt und beinahe die volle Punktzahl erreicht. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass Logan ziemlich aus dem Häuschen war", antwortete die Brünette, wobei sich automatisch ein kleines Lächeln auf ihren Lippen bildete, weil sie an die Reaktion von ihm und an das High Five denken musste, welches sie sich gegenseitig gegeben hatten, als sie das Büro der Professorin nach der Bewertung verlassen hatten. "Gut gemacht", lobte er freundlich, doch Jane zuckte nur die Schultern, sah auf die Uhr und erhob sich wieder, um in der Küche zu verschwinden, wo sie nachsah ob das Essen soweit war. Da es so gut wie bereit war, schnappte sie sich den gemischten Salat, träufelte das Dressing darüber und deckte anschließend den Tisch, ehe sie innehielt, als sie die Gläser auf den Tisch stellte. "Über menschliche Getränke haben wir ja schon geredet, aber… Du hast doch Durst, oder? Könntest du nicht einfach einen Schluck Wasser nehmen statt… Einen Menschen?", wollte Jane wissen, bevor sie anschließend das Essen auf den Tisch stellte und ihre Mutter rief. "Nein. Die Art Durst, die wir empfinden, fühlt sich anders an als die eure", erklärte er kurz angebunden. Da er scheinbar nicht vorhatte, das weiter auszuführen, ließ sie das Thema fallen, zog die Backhandschuhe an und nahm die Lasagne raus, um diese auf den Esstisch zu stellen. Im gleichen Moment erschien schon die Ärztin, die ihrer Tochter einen kleinen Kuss auf den Kopf hauchte. "Danke. Das sieht mal wieder lecker aus, Liebes", meinte die ältere der Beiden, worauf die Jüngere sie nur sanft anlächelte. Sie setzten sich an den Tisch und begannen mit dem Essen, wobei Elizabeth Aiden fragend ansah, der sich zu ihnen gesetzt hatte. "Und.. dich stört es nicht, wenn wir essen und du Nichts zu dir nehmen kannst?", wollte sie wissen. "Überhaupt nicht, machen Sie sich keine Gedanken. Aber es sieht wirklich gut aus", fügte er anerkennend an Jane gewandt hinzu. Bei der Gelegenheit fiel Jane die Sache mit den Blutkonserven ein und sie bat ihre Mutter, am nächsten Tag zwei davon mit nach Hause zu bringen. Ihr Hausgast bedankte sich bei der Ärztin und entschuldigte sich für den Aufwand, obwohl ihr die Bitte überhaupt nichts auszumachen schien. Die Angesprochene nickte kurz, aß einen kleinen Happen von der Lasagne und dem Salat, ehe sie sich an den Vampir wandte. "Nun, Aiden... darf ich wissen, was du sonst so machst, wenn du nicht gerade ... ein Auge auf Jane hast?", wollte die Kurzhaarige wissen, worauf Jane nur die Augen verdrehen konnte. "Mom, er hat nicht ein Auge auf mich, der stalkt mich regelrecht", murrte die Vampirjägerin, bevor sie sich ebenfalls einen Bissen Lasagne in den Mund schob und zu ihrem Pseudo-Kommilitonen schielte. "Stalken?", wiederholte die ältere Dame und runzelte dabei kurz die Stirn, bevor sie nach dem Salzstreuer griff und diesen von Aiden zugeschoben bekam. Der Vampir schmunzelte. "Das tue ich natürlich nicht. Ich habe mich nur für denselben Studiengang wie Ihre Tochter interessiert", lächelte er, wobei er den Seitenblick der jüngere Frau gekonnt ignorierte. "Ach ja? Interesse am gleichen Studiengang nennst du das also? Als ob. Ständig tauchst du irgendwo auf, wo ich es nicht erwarte oder stellst irgendwelche Recherchen über mich an und was weiß ich was", murrte die junge Frau, bevor sie erneut eine Portion Salat auf den Teller tat und diesen aufaß. "Und trotzdem duldest du ihn", sprach Elizabeth leicht schmunzelnd, worauf die Vampirjägerin in ihrer Bewegung innehielt. "So wie ich dich kenne, hättest du bisher alles daran gesetzt, um ihn loszuwerden oder ihn vielleicht sogar umzubringen. Ich schätze also… dass du ihn gar nicht so schlimm findest, wie du behauptest. Ihr scheint euch zu verstehen und ihr könnt euch gut unterhalten, wie ich bisher mitbekommen habe. Dementsprechend würde ich behaupten, dass du Aiden sogar irgendwie m...-! Jane! Was soll das?" Bevor Elizabeth überhaupt ihren Gedankengang und ihre Vermutung richtig hatte beenden können, war die Vampirjägerin ihrer Mutter unter dem Tisch leicht, aber doch bestimmend auf den Fuß getreten. "Entschuldige, bin ausgerutscht", entgegnete die Vampirjägerin trocken, als sie aufstand, um den Nachtisch zu holen und diesen dann auf den Tisch zu stellen. "Und um das klar zu stellen. Ich erdulde ihn, weil ich ihn noch brauche. Mehr nicht!" Während Jane den zweiten Teil gesprochen hatte, hatte sie den Vampir mit leicht verengten Augen angesehen. Er sollte bloß nicht auf falsche Ideen kommen! Als sie ihn so anfunkelte, grinste Aiden ihr nur entgegen. "Benutz mich, wie du möchtest", gab er zwinkernd zurück, dann lehnte er sich in den Stuhl zurück und verschränkte entspannt die Arme. Die Vampirjägerin verschluckte sich bei diesem zweideutigen Kommentar und klopfte sich kurz hustend auf den Brustkorb, ehe sie nach ihrem Wasserglas griff und einen Schluck trank. Dabei kam sie nicht umhin, ihn böse anzufunkeln. "Dann halt mal still, damit ich dir das Messer in die Brust rammen kann!", zischte sie deutlich angesäuert und widmete sich wieder dem Fruchtsalat, weil sie den tadelnden Blick ihrer Mutter bemerkt hatte. Schließlich duldete Elizabeth so ein Verhalten nicht wirklich. Jedoch ging es der Ärztin diesmal nicht darum, dass sie es nicht guthieß, sondern vielmehr darum, dass sie nicht wollte, dass ihre Tochter eine möglicherweise einzigartige Freundschaft (oder was es eben war ) vorzeitig zerstörte, weil diese so von der Wut geblendet war. Wer wusste schon, wie viel so eine Beziehung Wert war und ob es Jane irgendwann in der Zukunft bereuen würde, dass sie es nicht aufrechterhalten konnte. „Um auf Ihre Frage zurückzukommen; meine Freizeit verbringe ich am liebsten im Freien, viel bei sportlichen Betätigungen verschiedener Art. Außerdem reise ich viel." „Das klingt sehr interessant - vor allem das Reisen. Wo warst du denn bisher? Sprichst du viele andere Sprachen?" "Die Frage ist wohl eher, wo ich noch nicht war", korrigierte er freundlich lächelnd. "Das wären ein paar der kleineren Inseln und Teile des Balkans. Was Sprachen angeht, spreche ich… Lassen Sie mich überlegen. Spanisch, Französisch und Deutsch recht fließend, außerdem leidlich japanisch und russisch. Aber man schnappt eigentlich überall ein paar Brocken auf, wenn man länger dort lebt. Sprechen Sie auch andere Sprachen?", erkundigte er sich. „Oh... Na ja, um ehrlich zu sein spreche ich neben Englisch nur Französisch, da ich aufgrund der Ausbildung ein Jahr in Frankreich war", gab die Kurzhaarige leicht lächelnd zu. "Ansonsten verstehe ich nur ein paar Brocken Italienisch, aber das war´s auch schon." Während ihre Mutter den Hausgast so mit Fragen löcherte, konzentrierte sich Jane vielmehr auf ihren Teller und versuchte, möglichst unsichtbar zu bleiben. Es gefiel ihr natürlich nicht wirklich, dass sich die beiden so gut verstanden, jedoch gefiel es ihr umso weniger, wenn sie in den Mittelpunkt rückte und Elizabeth etwas sagte, was Aiden in den falschen Hals bekommen konnte. Gerade, als die Kurzhaarige erneut ein paar Fragen stellen wollte, konnte sie ihr Handy klingeln hören, welches sie vor dem Abendessen auf die Küchentresen gelegt hatte. Sie stand auf, um nachzusehen und ging ran. Dabei verfolgte die Vampirjägerin sie mit dem Blick und fragte sie mit einigen Gesten, ob sie noch weiteressen wollte, worauf Elizabeth den Kopf schüttelte und entschuldigend nach oben deutete - was wohl hieß, dass sie in ihr Zimmer musste, um sich um ein paar Dinge zu kümmern. Wie es aussah, ging es um die Arbeit. Nachdem die Ärztin dann nach oben verschwunden war, stand Jane auf, um den Tisch abzuräumen und sich um den Abwasch zu kümmern. Dabei vermied sie es, den Vampir anzusehen oder mit ihm zu reden. Sie konnte sich denken, was ungefähr in seinem Kopf vor sich ging und dass er sie wohl nur zu gerne darauf ansprechen wollte. Dennoch hoffte ein kleiner Teil von ihr, dass sie ungeschoren davon kam, da es bestimmt anstrengend werden würde. Dementsprechend konzentrierte sie sich angestrengt darauf, die Reste wegzupacken, den Tisch zu putzen und das Geschirr in die Spülmaschine zu verräumen. Natürlich kam ihr Stalker auch hier mit und half ihr beim Putzen. Währenddessen schloss er sich zwar zuerst ihrem Schweigen an, jedoch arbeitete sein Hirn dabei anscheinend auf Hochtouren, denn schon kurz darauf platzte er heraus: "Hab ich was Falsches gesagt? Ist es wegen dem blöden Spruch? Tut mir leid, ich wollte dich nicht beleidigen." Sie seufzte schwer auf. Selbstverständlich hatte er nichts falsches gemacht oder gesagt - außer sie mit seiner Aussage ein wenig zu necken. Jedoch war das logischerweise nicht der Grund, weshalb sie seit dem Essen so eisern schwieg und ihn keines Blickes mehr würdigte. "Vergiss es einfach", entgegnete die Brünette dementsprechend, bevor sie damit begann, das dreckige Geschirr in die Spülmaschine zu legen. Sie hoffte sehr, dass das Thema damit abgetan war und er nicht auf die Idee kam, weiter zu bohren. Von ihr aus konnte er ruhig denken, dass sie sauer auf ihn war und dass sie einfach nur Zeit benötigte, um runterzukommen. Schließlich wäre es für Jane alles andere als angenehm (vielmehr wäre es peinlich), wenn er herausfinden würde, dass Elizabeth mit ihrer Vermutung in gewisser Weise richtig lag. Der Gewöhnungsprozess an den eigentlich so verhassten Vampir war unterbewusst bereits so fortgeschritten, dass sie nicht mehr von sich behaupten konnte, dass sie ihn hasste oder sogar verabscheute. Dazu hatte er sich in ihren Augen schon viel zu oft als überaus fähig und vertrauenswürdig erwiesen - auch wenn sie es bewusst noch nicht wirklich wahrhaben wollte und es ihr ziemlich gegen den Strich ging. Plötzlich verloren seine Züge ihre Anspannung, wurden weich, und er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Anrichte, um Jane ansehen zu können. "Deine Mutter hat Recht, oder? Du hasst mich nicht", sagte er behutsam, trotzdem hörte man seine Freude darüber aus seiner Stimme. Ihr wäre fast der letzte Teller aus ihrer Hand gefallen, da Aiden direkt das 'unangenehme' Thema aufgriff, welches sie gerne vermieden hätte. Ihr Körper reagierte sofort und spannte sich an. Jedoch wurde sie auch nervös, so dass sich ihr Gesicht aufgrund des Schamgefühls ein wenig erhitzte und ihr Herz etwas schneller schlug. "Ich kann dich nicht leiden", kam es zähneknirschend, mit von ihm abgewandtem Blick, über Janes Lippen. Dabei war es natürlich offensichtlich, dass sie ihn nicht mehr wirklich verabscheute. Ansonsten hätte sie ihm bestimmt direkt ein 'ich hasse dich' an den Kopf geworfen. Die Tatsache, dass sie eine Verneinung und folglich nur ein 'nicht leiden' von sich gegeben hatte, zeigte, welches Ausmaß der 'Gewöhnungsprozess' bereits angenommen hatte. Natürlich erkannte auch der Vampir die überaus deutlichen Zeichen dafür, dass sie log, und sein Gesichtsausdruck wurde weicher. Liebevoll wuschelte er ihr durch die Haare, als sie sich neben ihn stellte. "Das freut mich sehr", sagte er, woraufhin Jane innerlich mit ihrer Mutter schimpfte und sich selbst verfluchte, weil sie so leicht zu durschauen war. "Ich hab gesagt, dass ich dich nicht leiden kann", entgegnete sie sofort, fast schon ein wenig anklagend als sie sich die Haare richtete und ihm für das kleine, hinterlassene Chaos auf dem Kopf einen schneidenden Blick zuwarf. Normalerweise hätte sie ihn angeschnauzt und ihm befohlen, sie nicht wieder anzufassen, doch hatte sie diesmal davon abgesehen - wusste der Kuckuck, warum. Sie schob es einfach darauf, dass der Zeitpunkt für eine tiefere Auseinandersetzung ungünstig war und sie die Kräfte für Wichtigeres aufwenden sollten. "Ich weiß ja, ich weiß", stimmte er gutmütig zu wie zu einem störrischen Kind. Dass er ihr nicht glaubte und vielmehr zwischen den Zeilen las, konnte die junge Frau aus seiner Antwort heraushören. Sein Grinsen machte die ganze Sache natürlich nicht besser. Vielmehr brachte es sie dazu, mit ihren Zähnen zu knirschen und genervt zu seufzen. Jedoch hielt sie sich mit weiteren Kommentaren zurück, da es wohl ohnehin Nichts bringen würde. Es würde ihn wahrscheinlich einfach weiter amüsieren. "Ist das... Wirklich so schlimm für dich?", wollte er dann wissen, als sie ihn nur säuerlich anschwieg. "Aber es ist wirklich ok. Wenn du mich 'benutzt', meine ich, und auch, wenn du dir selbst sagst, dass du mich nur deswegen hier duldest. Sag mir, was du brauchst, und ich tue es." Die Vampirjägerin schloss - mit etwas mehr Wucht als beabsichtigt - die Spülmaschine und fuhr sich leise, aber schwer seufzend durch die Haare. Sie konnte einfach nicht fassen, was sie hörte und was Aiden da von sich gab. Es klang beinahe so, als ob er ihr persönliches Schoßhündchen war, der beim Befehl: 'Spring!' lediglich: 'Wie hoch?' wissen wollte. Jedoch bezweifelte die Brünette natürlich, dass er dies allein wegen ihr tat, sondern dass alles vielmehr mit der Vergangenheit und ihre Verbindung mit Lady Jane Grey zusammenhing. Da sie jedoch nicht wollte, dass er erneut die Fassung verlor und sie wieder in eine unangenehme Auseinandersetzung gerieten, wählte sie ihre Worte so, dass sie ihm das nicht an den Kopf warf. Das konnte sie später noch tun, wenn die akute Gefahr vorbei war und sie weiterhin so etwas wie 'Kontakt halten' würden. "Wenn ich dir also sage, dass ich möchte, dass du einen Teil der britischen Regierung ohne ersichtlichen Grund umlegen sollst, dann würdest du wirklich losziehen und diejenigen umbringen, die ich tot sehen will?", wollte sie mit einer hochgezogener Augenbraue wissen, ehe sie die Arme vor der Brust verschränkte und sich ebenfalls ein wenig an die Theke lehnte. "Und wie sieht es damit aus: Wenn ich dir sage, dass deine Existenz bedenklich ist und es in meinen Augen keine andere Wahl gibt, als dich auszulöschen... Würdest du dich ohne Gegenwehr umlegen lassen?" Die Fragen, die Jane stellte, waren alles andere als freundlich. Sie waren boshaft, das wusste sie, weshalb sie kurz darauf den Kopf schüttelte, sich von den Tresen abstieß und sich von ihm abwandte, um die Küche zu verlassen. "Du brauchst nicht auf die Fragen zu antworten. Sie sind ... unfair", gab die Vampirjägerin zu. "Ich möchte darauf aber antworten, danke", widersprach er sanft, woraufhin er eine Weile schwieg um nachzudenken. "Im ersten Fall würde der Zusatz ´ohne ersichtlichen Grund` mich davon abhalten." „Wenn ich also einen ersichtlichen Grund habe, würdest du es tun?", wollte sie genauer wissen, wobei sie nicht umhin kam die Augen ein wenig zu verengen und seine Gesichtszüge und Gesten zu mustern. Sie wollte sicher gehen, dass das Gesagte wirklich der Wahrheit entsprach. Zwar ging die junge Frau nicht davon aus, dass er log, da er ihr in der gemeinsamen Zeit bereits oft und deutlich gezeigt hatte, wozu er in der Lage war, wenn es um sie ging, doch irgendwie gab es einen Teil in ihr, der das noch immer nicht glauben konnte. "Ich habe bereits für dich getötet und ja, ich würde es wieder tun", sagte er gelassen, ihren Blick unentwegt erwidernd. „Du siehst es wohl als besonders schlimm an, Regierungsmitglieder zu töten, aber die sind mir egal. England ist meine Heimat, aber Staatsoberhäupter interessieren mich schon lange nicht mehr. Die meisten sind sowieso nur Dummschwätzer, und das im besten Fall. Außerdem... Verzeih mir, aber sogar eure alten Männer sind für uns kaum mehr als Jugendliche, und noch dazu schwach. Wieso sollte ich so jemanden als Autorität akzeptieren?“ Seine standhaften und überzeugten Worte ließen die Brünette ein wenig stutzen. Zwar hatte er wirklich schon für sie getötet und immer wieder klar gemacht, dass ihr Schutz ihm überaus wichtig war, doch das erneut so direkt zu hören, war ein wenig irritierend und verblüffend. "Verstehe...", erwiderte Jane dementsprechend nur und fuhr sich leise seufzend durch die Haare, während das Gesagte erst einmal richtig verdaut wurde. "Im zweiten Fall…“, fuhr er fort, da dazu keine Nachfragen mehr kamen. „Es hängt davon ab, in welcher Situation wir wären. Im Normalfall würde ich, sobald ich eine Bedrohung für dich wäre, mich von dir zurückziehen. Wenn es, wie du sagst, keine andere Möglichkeit gäbe, würde ich dich gewähren lassen. Ja", endete er mit einem sanften Lächeln, das nicht zum Thema seines eigenen Todes passte. Während ihr Gegenüber sprach, schweifte ihr Blick instinktiv zu seinem Ohr, welches er sich beim letzten Auftrag verletzt hatte und welches jetzt immer noch in einem unappetitlichen Winkel abstand. War das schon ein kleiner Vorgeschmack darauf, dass er sich, wie er jetzt sagte, für sie sogar umbringen lassen würde? Hatte sich die Brünette verhört? Erlaubte er sich einen üblen Scherz? Ungläubig blickte Jane den Vampir vor sich an, ehe sie das Gesicht abwandte. "Du bist wirklich ein Idiot", stellte die Vampirjägerin leise murmelnd fest, was nicht wirklich beabsichtigt war und es ihr eher rausrutschte. Immerhin hatte sie sich vorgenommen, nicht über seine Vergangenheit und die Misere während seines menschlichen Lebens zu reden, doch dieser Kommentar war über ihre Lippen gekommen, als sie das Gesagte seinerseits gedanklich mit Lady Jane Grey in Verbindung gebracht hatte. Aiden lächelte über den kleinen Kommentar nur milde und Jane versuchte abrupt, das Thema zu wechseln, damit er nicht weiter darauf eingehen konnte, indem sie auf ihr eigenes Ohr deutete und seins ansah. "Was ist eigentlich damit?", wollte sie wissen. Würde das irgendwie wieder nachwachsen? Bei ihrer Frage strich er sich automatisch das Haar so gut es ging über das Ohr. "Das ist nichts weiter, mach dir keine Gedanken", stritt er lässig ab, womit er ihre Frage gekonnt überging. Leise seufzend schüttelte sie den Kopf und ging auf ihn zu, wobei sie sich etwas wunderte, weil er einen raschen Blick über die Schulter hinter sich warf. Was hatte der komische Kautz denn jetzt schon wieder? Glaubte er, jemand wäre ins Haus eingedrungen und hätte sich unbemerkt an ihn angeschlichen? Vor ihm stehend hob die junge Frau die Hand an, um seine Hand und das Haar zur Seite zu schieben, sodass sie einen direkten Blick auf das verletzte Ohr erhaschen konnte. Sie verzog leicht das Gesicht, da allein die Vorstellung an den Schmerz wehtat. "Ich wollte eigentlich wissen, ob sich das wieder richtet, wenn du Blut trinkst? Oder wird es so bleiben?", korrigierte die Vampirjägerin ihre Frage, wobei sie instinktiv mit ihrem Daumen über sein Ohr strich und es weiter betrachtete. Hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte gemeint, dass er ein wenig rot wurde. Auf jeden Fall klang Aidens Stimme seltsam belegt, als er antwortete: „E-Es wird nach ein paar Mal trinken weggehen." Dann drehte er das Gesicht so, dass sie die Verletzung nicht mehr sah, und lächelte sie entschuldigend an. "Das ist kein Anblick für eine Dame, tut mir leid." Sie verdrehte die Augen. "Aber zusehen, wie ein Vampir zerfleischt wird oder einen Vampir selbst zu töten ist okay?", entgegnete die Vampirjägerin mit einer hochgezogener Augenbraue, ehe sie den Kopf schüttelte und von ihm abließ. Wie kam er nur dazu, sie als eine Dame zu bezeichnen? "Wie dem auch sei... falls es dich stört, könnte man es bestimmt im Zirkel irgendwie behandeln. Ansonsten würde es meine Mutter bestimmt auch tun", bot die junge Frau ihrem Gegenüber dann an. Natürlich würde Jane niemals offen zugeben, dass sie sich Sorgen um ihn machte. Vielmehr redete sie sich ein, dass sie sich ein klein wenig schuldig fühlte, da er sich diese Verletzung wegen ihrer Unachtsamkeit eingeholt hatte - und so etwas konnte sie nicht einfach so dulden. "Das zu sehen, hast du dir selbst ausgesucht. Ob du meine Verletzungen zu sehen bekommst, liegt bei mir." Na, wenn er denn meinte. Sie hatte immerhin kein Problem, solche Dinge zu sehen. Jedoch lag das wohl auch daran, dass sie seit ihrer frühesten Kindheit viel ekelhaftere Dinge gesehen und getan hatte. Wieder strich er das Haar nach vorne, sodass der Schnitt verdeckt war, dann schüttelte er den Kopf. "Schon in Ordnung, es ist wirklich nicht so schlimm, wie es aussieht", versicherte er ihr, wobei ein irgendwie sehnsüchtiger, wehmütiger Ausdruck in seinen Augen lag, den Jane nicht verstand. "Nun, ich gebe zu, es sieht ein wenig schlimm aus. Allerdings ist das normal, wenn man die Umstände betrachtet", meinte Jane auf seine Beschwichtigung hin. "Nächstes Mal werde ich vorsichtiger sein", versprach er, um das Thema zu beenden. Für sie war klar, dass nicht er, sondern sie die Unvorsichtige gewesen war und beide in Gefahr gebracht hatte. Da sie jedoch wusste, dass sie lange darauf herumreiten würden und sich gegenseitig die Schuldzuweisung wegschnappen würden, hielt sie sich in der Hinsicht zurück. Sie sah aus dem Fenster und versuchte, Ordnung in das Gehörte zu bringen. Dabei wurde sie das Bild des Schoßhündchens mit einem Frauchen in Gedanken einfach nicht los, so dass sie sich ein wenig zurückhalten musste, ihm nicht den Befehl 'Spring!' zu geben und zu sehen, wie er wohl darauf reagieren würde. Der Gedanke war so amüsant für die Brünette, dass sogar ihre Mundwinkel verräterisch zuckten und in die Höhe wollten. Jedoch konnte sie sich noch so gut beherrschen, dass es nicht zu einem Schmunzeln oder Grinsen kam. "Angenommen... ich würde dir jetzt befehlen zu springen, was würdest du tun?", wollte sie aus reiner Neugierde wissen. Sie hatte es in dem Moment einfach nicht lassen können. Sie musste es einfach wissen. Der Vampir legte fragend den Kopf schief und zog die Brauen hoch, als er ihren austestenden Vorschlag hörte. „Ich würde fragen, wohin und wie hoch", antwortete er, wobei er sich nicht die Mühe machte, sein Grinsen zu verbergen. "Soll ich?", fügte er nonchalant hinzu und ging bereits leicht in die Hocke. Wäre ihre Mutter in dem Moment zurückgekommen, sie hätte die beiden wohl für verrückt gehalten. Eigentlich hatte Jane gedacht, dass man diesen Grad an Absurdität gar nicht mehr übertreffen konnte, sodass sie überhaupt nicht mit dieser Antwort gerechnet hatte. Dementsprechend konnte sie ihr persönliches Schoßhündchen für einen kurzen Moment nur völlig perplex und schweigend ansehen. Sie blinzelte ein paar Mal, bevor es anschließend ungehalten aus ihr herausbrach. Ohne auf ihre Umgebung oder auf Aiden zu achten, lachte sie herzhaft drauf los. Dabei erzitterte ihr Körper so sehr, dass sie sich leicht nach vorne krümmte, sich die eine Hand an den Bauch legte und sich mit der anderen an der Wand festhielt, um nicht irgendwie umzufallen. Es dauerte kurz, bis sich die Brünette ein wenig gefangen hatte und ein paar Mal tief durchatmen konnte, um sich zu beruhigen und die Lachtränen aus den Augen zu wischen. "Ist okay. Du brauchst nicht zu springen. Immerhin weiß ich selbst nicht wie hoch und wohin... hah...!", kam es über ihre Lippen, wobei sie danach sofort ihre Lippen fest aufeinander presste, um sich von einem erneuten Lachanfall oder Kichern abzuhalten. Herrje. So heftig hatte sie schon seit längerer Zeit nicht mehr gelacht! Wie gut, dass ihre Mutter auf dem Zimmer war und das Ganze nicht mitbekommen hatte. Ansonsten hätte sie bestimmt wieder etwas Unnötiges rausgelassen, was Jane in Verlegenheit gebracht hätte... Belustigt und erfreut sah der Vampir zu, wie Jane versuchte, ihre Fassung zurück zu erlangen. "Wenn dir einfällt, wohin es gehen soll, sag Bescheid", zwinkerte er ihr, selbst mit einem Lachen in der Stimme, zu, dann wurde sein Gesichtsausdruck sanfter. "Du hast ein hübsches Lachen." Sie musste noch ein wenig mit Nachwehen des Lachanfalls kämpfen, doch die erstarben bei seinem neuerlichen Kompliment recht schnell. "Hm.. Danke", erwiderte die junge Frau daraufhin schulterzuckend, ehe sie sich die Haare hinters Ohr strich und nicht weiterhin darauf einging. Stattdessen schweifte ihr Blick zur Uhr, weshalb sie sich dann auch zur Treppe begab, da sie noch einige Dinge für die Universität erledigen und vielleicht auch den Stoff revidieren wollte. Dementsprechend steuerte sie mit ihrem neuen Mitbewohner ihr Zimmer an, bevor sie davor stehen blieb und sich an ihn wandte. "Ich habe noch einige Dinge für die Universität zu erledigen. Von daher werde ich mich zurückziehen, wenn du Nichts mehr brauchst und zurechtkommst", meinte die Wirtschaftsstudentin und blickte den Vampir vor sich abwartend an, doch er lächelte nur und wünschte ihr eine gute Nacht. Es war ein seltsames Gefühl, Aiden im Haus zu wissen, vor allem aber zu wissen, dass er vorerst bleiben würde. Hätte ihr vor zwei Monaten jemand erzählt, dass sie mal einen Blutsauger als Bodyguard Schrägstrich Hausgast halten würde, sie hätte demjenigen alle Knochen gebrochen. Ihr Blick fiel auf die Rosen, die Aiden ihr als Entschuldigung geschickt hatte. Wie sie schon gesagt hatte, sie waren wunderschön, auch noch nach einer Woche. Aber dass er mit diesen Blumen ausgerechnet ihre Lieblinge ausgewählt hatte, hatte die Vampirjägerin ihm natürlich nicht gesagt. Er wusste sowieso schon zu viel über sie, und was sie nicht sagte, schien er mit beunruhigender Leichtigkeit zu erraten. Nur, dass sein Geschenk tatsächlich enorm zu Janes Besänftigung beigetragen hatte, hatte er wohl nicht so leicht glauben können, so, wie er sich nochmal persönlich bei ihr entschuldigt hatte. Er war wirklich seltsam, angefangen bei seiner Art zu reden, über seinen Tick, sie beschützen zu wollen, bis hin zu der Tatsache, dass er Blut trank, um sich zu ernähren. Jane konnte nicht fassen, dass sie sich daran explizit erinnern musste. Dieser dauer-gutgelaunte Möchtegern Schoßhund war ein Blutsauger. Ihr geschworener Feind. Aber seltsamerweise war sie nicht beunruhigt, als sie sich an ihren Schreibtisch setzte, ihren Computer startete und die Vorlesungsnotizen überflog bevor sie diese säuberlich und geordnet in die Zusammenfassung übertrug. Sie konnte sich entspannt und konzentriert der vorgegebenen Literatur widmen, ohne ständig mit einem Angriff zu rechnen oder sich Sorgen um ihre Mutter zu machen. Und das wollte schon etwas heißen, denn unabhängig von ihrem ´Schoßvampir` war da ja noch diese Fremde, die es scheinbar auf sie und ihre Familie abgesehen hatte. Aber – Und sie hätte sich lieber den rechten Arm abgehakt als das zuzugeben – Aiden hatte sich bereits mehr als einmal bewehrt und irgendwie, ja, irgendwie glaubte sie, dass sie sich auch diesmal auf ihn verlassen konnte. Kapitel 13: Informationsaustausch --------------------------------- Aiden stand wieder in dem Zimmer, in das Jane ihn vor ein paar Stunden geführt hatte, und lehnte an der hinter ihm geschlossenen Tür. Der Raum war ihm etwas zu pompös eingerichtet; ein zweimal zwei Meter großes Bett nahm den Hauptteil des Platzes ein, davor stand ein kleiner Schemel, auf dem Jane gesessen hatte. Gegenüber der monströsen Schlafstätte befand sich eine Kommode auf der ein Fernseher stand, außerdem gab es genug Schränke, um eine ganze Boutique zu versorgen. Vor den bodentiefen Fenstern, die auf die Straße wiesen, hingen dicke Vorhänge und hier und dort war Dekoration in passenden Farben verstreut worden. Aber daran lag es nicht, dass er sich hier so fremd fühlte. Die Geschehnisse hatten sich heute überschlagen, deshalb wusste Aiden nicht so richtig, wie er überhaupt hier gelandet war. Dass Jane es wirklich zulassen sollte, ihn so nah bei sich zu haben, sogar, wenn sie schlief… Er setzte sich auf das Bett, um nachzudenken, kam aber nicht wirklich zur Ruhe und stand kurz darauf wieder auf. Die beiden Frauen waren sehr freundlich gewesen, trotzdem fühlte er sich, als wäre er unrechtmäßig hier. Es würde wohl etwas dauern, bis er sich an das Haus gewöhnte - wobei er hoffte, die Situation würde sich klären, ehe das der Fall war. Um sich abzulenken, verließ er das Haus und spazierte über das Gelände. Dabei dachte er darüber nach, wie sie die blonde Vampirdame zu fassen bekommen sollten und er hatte sogar eine Idee. Etwas umständlich, aber besser als nichts tun, dachte er, als er wieder ins Haus ging und zu Janes Zimmer lief. Davor zögerte er kurz, dann spannte er die Schultern an und klopfte. "Bitte verzeih die Störung, aber dürfte ich wohl noch mal die Unterlagen zu den in London vermuteten Vampiren sehen?", fragte er etwas steif. "Ich werde mich mit denen, die ich finden kann, unterhalten. Das sollte für mich leichter sein als für die Leute aus dem Zirkel, immerhin weiß fast niemand, dass ich etwas mit euch zu tun habe." Jane runzelte kurz die Stirn, dann trat sie zur Seite und ließ ihn ein. "Die Akten sind in den Regalen jeweils links und rechts neben dem Fernseher. Bedien dich einfach. Falls du etwas Bestimmtes nicht findest: Sag Bescheid", bot sie an. Der Duft haute ihn beim zweiten Mal noch fast genauso um wie vorhin. In diesem Fall waren übermäßig scharfe Sinne doch etwas unvorteilhaft. Natürlich ließ er sich nichts davon anmerken, als er zu den besagten Regalen ging - Wobei ihm wieder die Rosen auffielen, die unter ihrem Fernseher standen. Natürlich hatte er sie bei seinem ersten Besuch bereits gesehen, doch da seine Gastgeberin ihn praktisch sofort mit Arbeit überhäuft hatte, war er nicht darauf eingegangen. Er strich über einen der samtenen Blütenköpfe, erneut irgendwie überrascht, dass sie die Blumen hier platziert hatte. "Du hast sie hierher gestellt", kommentierte er und lächelte sie über die Schulter hinweg an. Dabei erwartete er keine Antwort, er hatte nur bemerken wollen, dass er es gesehen hatte und es ihn freute. Jap, sie würde eindeutig wieder Rosen bekommen, denn das sie sie in ihr direktes Sichtfeld gestellt hatte, musste ja heißen, dass sie ihr wirklich sehr gefielen. Jane sah ihn ertappt an und strich die Haare ein wenig verlegen hinters Ohr ehe sie den Blick abwandte. "Wie gesagt. Sie waren halt schön", entgegnete die junge Frau knapp. Wegen ihres verlegenen Tonfalls wäre er fast versucht gewesen, noch etwas zu der Blumen-Affäre zu sagen, aber er beließ es lieber bei einem "Verstehe", und nahm im Stehen den ersten Ordner zur Hand. "Du kannst dich gerne hinsetzen. Nur würde ich es bevorzugen, wenn du dies nicht auf meinem Bett tust", fügte Jane anschließend hinzu und streckte erneut ein wenig ihre Glieder, so dass kurzzeitig sogar das eine oder andere Knacksen zu vernehmen war. Wie kam sie nur darauf, dass so ein Hinweis nötig sein könnte? "Das würde ich nie tun", versicherte er, dann begann noch im Stehen, den Ordner durchzublättern. Er bat seine Gastgeberin noch um ein Blatt, auf dem er sich ein paar Notizen zu Gegebenheiten machte, die ihm interessant schienen, dann schwieg er. Natürlich bemerkte er, dass sie ihn zuerst kaum aus den Augen ließ - als würde er ihre Unterwäsche durchsuchen oder so was, wenn sie nicht hinsah… - sich dann aber entspannte und auf ihre Arbeit konzentrierte. Na also. "Ach ja. In Bezug auf morgen: Da ich morgen von elf bis um zwei Vorlesungen habe, würde ich sagen, dass wir uns am besten danach vor dem Zirkel treffen, um anschließend mit Eldric zu sprechen", schlug die Vampirjägerin vor, als sie sich wieder an ihrem Schreibtisch niedergelassen hatte. Wahrscheinlich war er mal wieder über-besorgt, aber es gefiel ihm nicht, dass sie alleine zum Zirkel aufbrechen wollte. Ihre Verfolgerin wusste ja wohl, wer die Jägerin war und könnte sie abfangen. Andererseits wollte er ihr auch nicht auf die Nerven gehen, also formulierte er eine Frage: "Dürfte ich dich von der Universität abholen?" Es würde ihm zwar nicht gefallen, aber er würde es auch akzeptieren, wenn sie nein sagte. "Wie bitte?", verlangte Jane zu wissen und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Scheinbar unbefangen zuckte er die Schultern. „Das wäre praktischer, oder?“ Kurz runzelte sie die Stirn und dachte darüber nach. Natürlich wusste Jane, dass Aiden sie einfach nicht alleine lassen wollte, sie war ja nicht dumm, und es gefiel ihr sichtlich nicht, dass er sie bewachen wollte. "Wir treffen uns gegen zwei bei den Parkplätzen. Du weißt ja, welcher Wagen meiner ist", fügte die Vampirjägerin hinzu und wollte sich wieder von ihm wegdrehen, als sie merkte, wie er näher trat. Allerdings hatte diese Bewegung nichts mit ihr zu tun. Ihm war das große Bild aufgefallen, das hinter ihr an der Wand hing und irgendwie nicht zu der sonst so modernen Einrichtung passen wollte. Neugierig zog er die Brauen hoch und betrachtete das Gemälde eingehender. "Ist das ein Familienerbstück?", erkundigte er sich mit leicht amüsiertem Tonfall. Von wegen ´Von der Vergangenheit verfolgt`... Es war ein verhältnismäßig unspektakuläres Ölbild aus der Hoch-, beziehungsweise Spätrenaissance, auf dem einige Adelige auf dem englischen Königshof festgehalten wurden. Weder die Personen auf dem Bild, noch die Tiere oder die Umgebung gaben etwas Spezielles her, da es eine Art 'Momentaufnahme' war. "Äh.. ja. Es ist ein Familienerbstück väterlicherseits", antwortete Jane und legte leicht den Kopf schief, um zu zeigen, dass sie das Interesse ihres Gastes nicht verstand. "Wieso? Was ist damit?" Aidens Blick hing immer noch auf der Malerei und er grinste in sich rein. "Hast du es dir schon mal genauer angeschaut?", wollte er wissen, was wohl nicht der Fall war, oder zumindest nicht, seit sie ihn kannte. "Ja, aber das ist schon länger her. Wieso fragst du?", bestätigte die junge Frau seine Vermutung, ehe sie aufstand und sich dann neben ihm vor das Bild stellte. "Das da…" - er deutete auf eine der dargestellten Personen am hinteren Ende des Tisches - "Bin ich." Völlig verblüfft wanderte ihr Blick zu der Stelle, auf die er deutete, worauf sie die Augen ein wenig verengte, um die Person im Gemälde genauer zu betrachten. Aiden war sich für einen Moment nicht sicher gewesen, doch jetzt, da er direkt vor dem Bild stand, gab es für ihn keinen Zweifel mehr. Es gab wirklich noch Relikte aus seinem anderen Leben… Kurz erstarrte er, dann wanderte sein Blick weiter und verharrte auf der Person, die neben seinem Bildnis gezeigt wurde. Sein Lächeln wurde blasser, als er die Zeichnung des ebenfalls dunkelblonden Mannes betrachtete. Wenn es damals schon Fotos gegeben hätte… "Das ist mein Vater", erklärte er Jane, wobei er wieder fröhlicher klang, obwohl das vielleicht das einzige Bildnis eines seiner Verwandten war, das es noch gab. Sicher, er besuchte ab und zu die Nachkommen seiner Geschwister, aber das war nicht dasselbe, sie waren nicht seine Familie, weil er nie lange genug bleiben konnte, um ein solches Verhältnis zu ihnen aufzubauen. Dieses Verhalten war schwerer geworden, seit es das Internet gab, immerhin erwartete man eine Facebook-Seite oder dergleichen, um in Kontakt zu bleiben, aber mehr als ein paar Briefe konnte er sich einfach nicht erlauben. Aiden sah kurz zu ihr rüber, jedoch wandte er sich recht schnell wieder dem Gemälde zu. Sie konnte er jetzt wohl immer sehen, aber ein, wenn auch nicht sehr detailliertes, Bild seines Vaters war etwas anderes. Schon lange hatte er nicht mehr so einen starken Verlustschmerz wegen seiner Familie empfunden. Sicher, er vermisste das Gefühl, irgendwo hin zu gehören, aber nach so langer Zeit dachte er nicht mehr ständig darüber nach. Er hatte sich daran gewöhnt, alleine zu sein. Jetzt so daran erinnert zu werden, warf ihn aber doch ziemlich aus der Bahn. Seine Gastgeberin schien zumindest verwirrt, wenn schon nicht interessiert an dem Bild, sodass sie es gemeinsam eine Weile betrachteten. „Mh... die Haarfarbe hast du definitiv von ihm", kommentierte die Brünette leise das Äußere seines Vaters. Über die recht offensichtliche Gemeinsamkeit mit seinem Vater schmunzelte er, wobei er sich durch die Haare fuhr. "Ja, sonst sehe ich ihm aber nicht sehr ähnlich. Er war kleiner als ich und bulliger", erzählte er ungefragt. Auf dem Bild kam das nicht so heraus, die Figuren waren recht klein. Jane verengte die Augen, beugte sich näher zu dem Gemälde und nickte schließlich langsam. „Nun, es ist kein Foto und eher verschwommen, aber ich glaube, ich kann nachvollziehen, was du meinst.“ Sie fuhr sich durch die Haare und seufzte, dann nahm sie das Ölgemälde von der Wand und hielt es ihm hin. Etwas verwirrt sah Aiden zu, wie die junge Frau das Bild von der Wand nahm. Er wollte ihr schon helfen - das Ding war doch schwer! - zog aber sofort die Hände zurück, als er ihren unsinnigen Vorschlag hörte, wie sie sagte: "Ich kann sowieso nicht viel damit anfangen, also nimm du es." "Nein", sagte er aus einem ersten Impuls heraus, ohne groß nachzudenken. Als er das Gemälde dann doch in Händen hielt, weil sie es ihm aufdrängte, stellte er es behutsam auf den Boden vor sich. "Ich kann das nicht annehmen. Das ist sehr nett von dir und ich verstehe, wenn du es nicht hier haben möchtest, aber ich... Ich hab nicht mal einen Ort, an dem ich es verwahren könnte. Es braucht doch Pflege... Bitte. Ich möchte nicht, dass es zerstört wird." Er sah sie intensiv an, ein Blick, bei dem jede andere Frau getan hätte, was immer er wollte. Das machte er nicht mit Absicht, aber so nett sie es meinte, er könnte das Gemälde nicht mit sich nehmen, wenn er London verließ. Weil er es nicht mit Absicht getan hatte, merkte er gar nicht, dass sie nicht so stark wie andere Frauen auf diesen hypnotischen Blick reagierte. Es hätte ihn jedoch nicht sonderlich überrascht, schließlich wusste sie, was er war, und konnte ihn aus diesem Grund nach eigenen Angaben ´nicht leiden`… Zumindest hoffte er, dass es hauptsächlich daran lag, dass er ein Vampir war und nicht an seinem Charakter. Sonst hatte er ihr ja seines Wissens nach nichts getan. Seine Reaktion und Antwort auf das Bild, welches sie ihm überreichen wollte, rief lediglich ein verständnisloses Stirnrunzeln aus Jane hervor, sodass Aiden fortfuhr: "Bitte. Lass es hier." „Wie du willst", entgegnete sie schulterzuckend und hängte das Ölgemälde wieder an die Wand. "Danke… Ich kann es wo anders hin räumen, wenn es dir hier unangenehm ist", fügte er hinzu, als er ihren leicht wiederwilligen Blick bemerkte, während sie das Bildnis an seinen Platz zurück stellte. Ihn selbst amüsierte der Gedanke, jetzt, da er sich wieder ein wenig gefangen hatte, eher. Sie hatten sich bis vor zwei Monaten noch nicht mal gekannt, aber sie hatte schon immer ein Gemälde von ihm besessen, auch, als sie versucht hatte, ihn zu töten. Ja, das Schicksal nahm schon manchmal amüsante Wendungen. "Ich muss zugeben, es behagt mir nicht wirklich, so etwas in meinem Zimmer zu haben. Da es aber nicht gleich ein Portrait von dir ist, wird es mich nicht allzu sehr stören.", beschwichtigte die Brünette. Um anschließend vom Thema abzulenken, blickte sie zu ihren Akten, die er sich vor wenigen Minuten noch angesehen hatte. "Hast du jemand Bestimmtes im Visier?", wollte Jane wissen. Blinzelnd blickte Aiden zu den Akten auf dem Schreibtisch. Ah... Deswegen war er hier. Sein Gesichtsausdruck war wieder normal, als er antwortete: "Ich werde wohl einfach mal rum fragen, vielleicht weiß ja jemand etwas. Das könnte etwas dauern, also sei bitte nicht enttäuscht, wenn morgen nichts dabei raus kommt. Ich werde mein Bestes tun, um dir zu helfen." "Na ja, wenigstens unternimmst du etwas", erwiderte die Vampirjägerin, wobei dieser Ausdruck ihrerseits so etwas wie ein unterschwelliges Kompliment war. Immerhin war es seit dem gemeinsamen Abend in der Laube praktisch ein offenes Geheimnis, dass sie es sehr schätzte, wenn man sein Bestes gab. Er ging davon aus, dass es ihr nicht passte, im Moment selbst nichts tun zu können als Hilfe anzunehmen, sowohl von ihm, als auch vom Zirkel, den sie ja am nächsten Tag gemeinsam aufsuchen würden. Wenn es nach ihm ginge, würde dieser Zustand jedoch nicht lange vorhalten. Dass diese Fremde schon fast eine Woche hier herumstromerte, war inakzeptabel. Wenn sie nur den Grund gekannt hätten… „Falls du bei der Fragerei Hilfe benötigst, sag Bescheid. Ich bin mir sicher, dass Eldric ein paar Vampire aus dem Zirkel zur Verfügung stellen könnte", bot die Brünette ihm an, wobei das letzte Wort fast in einem Gähnen unterging. Da räumte er die Ordner zurück an ihren Platz und trat den Rückzug zur Tür an. Jane würde ihm zwar sicher sagen, wenn sie genug von ihm hatte, aber das wollte er nicht provozieren, da ging er lieber freiwillig. Außerdem war es bereits spät. "Danke, aber ich denke wie gesagt, dass es besser wäre, außerhalb des Zirkels zu agieren. Die meisten hängen das zwar wohl nicht an die große Glocke, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht", erklärte er ein wenig floskelhaft. Immerhin hatte er selbst herausfinden können, dass ein Artgenosse dem Zirkel angehörte, da würde es anderen möglich sein, dasselbe mit ihm zu tun. "Es ist schon recht spät, ich werde dich jetzt auch in Ruhe lassen. Gute Nacht." Ihr Blick schweifte zur Uhr, als er die Zeit ansprach und sie blinzelte leicht überrascht. "Dir auch eine gute Nacht", entgegnete die Vampirjägerin, die wohl nicht mal gemerkt hatte, wie lange sie bereits gearbeitet hatte. Aiden lächelte ihr noch mal zu, dann verließ er das Zimmer, wobei er die Tür hinter sich zuzog. Danach verbrachte der frisch gebackene Hausgast der McCollins tatsächlich ein paar Stunden in seinem neuen Bett. Lange hielt es ihn aber nicht dort, sodass er ungefähr um vier Uhr aus seinem Zimmer schlich (obwohl er Jane ja versprochen hatte, das mit dem Schleichen sein zu lassen…) und das Haus verließ. Zuerst atmete er die kühle Nachtluft mit geschlossenen Augen tief ein, dann öffnete er sie wieder und machte sich auf den Weg auf einen Streifzug oder eher Kontrollgang über das Gelände. Ein paar Stunden später merkte er, wie Leben in das Haus kam, als Elizabeth aufstand. Er selbst stand mit verschränkten Armen am Rand des Gartens und beobachtete einen Teil der Straße, auf der er den stärksten Duft der Fremden wahrgenommen hatte. Sie war wohl nicht mehr so nah gekommen, seit er sie verfolgt hatte, aber irgendwo in der Gegen war sie bestimmt gewesen. Er gab ein leises, unzufriedenes Knurren von sich und wandte sich ab, als er registrierte, dass Jane aufgestanden war. Zwar hatte er daran gedacht, einen Schlüssel mitzunehmen, aber es war ihm unhöflich erschienen, sich einfach einen der Damen auszuleihen. Auch eine Tür aufzulassen hatte er nicht gewagt, immerhin hätte die Vampirin sich an ihm vorbei schleichen und einfach eindringen können. So kam es, dass er an der Tür klingelte und Jane anlächelte, als sie ihm die Tür öffnete. Er wünschte ihr einen guten Morgen, als sie ihn einließ. Dabei fiel sein Blick auf ihre ungewohnte Garderobe, bestehend aus Pyjama-Hosen und einem Tank Top, in der sie süß und ein wenig verschlafen aussah. Er lächelte, ersparte sich aber einen Kommentar, als er zusammen mit ihr in die Küche ging, wo ihre Mutter beim Frühstück saß. Auch die begrüßte er freundlich und unterhielt sich ein wenig mit ihr während Jane mit ihren zu einem lockeren und hohen Dutt zusammengebundenen Haaren und ihrem müden Gesichtsausdruck an den Esstisch setzte und - natürlich - gleich mal eine Tasse Kaffee trank. Er unterhielt sich noch ein wenig mit Jane, ehe auch diese aufbrechen musste. Die Versuchung, sie zur Uni zu begleiten, war ziemlich groß, aber da sie in einem Wagen war und direkt auf einem belebten Parkplatz aussteigen würde, wäre das wohl unnötig. So sah er ihr nur nach und machte sich selbst auf den Weg. Wie erwartet war es mühselig, die Vampire zu suchen, von deren Aufenthalt in London der Zirkel wusste, aber als er gegen halb zwei seine Bemühungen einstellte, hatte er ein paar Leute auftreiben können. Pünktlich um zwei lehnte er, die Sonnenbrille auf der Nase, vor Janes Wagen und hielt in der Menge nach ihr Ausschau. Als er sie sah, natürlich in Begleitung ihrer Freunde, kam er ihr ein paar Schritte entgegen und lächelte strahlend, wobei er die Brille in die Haare schob. "Oh! Aiden ist ja wieder da. Haben sich seine familiären Probleme aufgelöst?", wollte Kate lächelnd wissen, worauf Jane kurz stutzte. Auch der Vampir sah zuerst ein wenig verwirrt aus, doch so erfuhr er wenigstens, wie sie seine dreiwöchige Abwesenheit erklärt hatte. 'Er ist ausgerastet, als ich von seiner Toten Freundin geredet hab, also hab ich ihn zum Teufel gejagt', hätte wohl auch mehr Fragen aufgeworfen, als es geklärt hätte. Da ihre Freundin nicht wissen musste, dass er sie auf die Entfernung gehört hatte, verzichtete er auf einen spöttelnden Kommentar dazu, dass seine 'Familienprobleme' ja Jane betrafen und sie somit irgendwie behauptet hatte, sie wäre seine Familie. "Mehr oder weniger, ja. Bis sich die Wogen jedoch geglättet haben, wohnt er bei mir und meiner Mutter", erklärte Jane während sie sich ihm näherten. Er wurde höflich begrüßt, doch Aidens eigentliche Aufmerksamkeit galt natürlich seiner momentanen Mitbewohnerin. Fragend sah er sie an, ob alles ruhig gewesen wäre, woraufhin sie nickte, was ihn sehr erleichterte. Gerade, als sie sich von ihren Freunden verabschieden und in den Audi einsteigen wollte, zog Logan seine Dossiers des heutigen Tages hervor und tappte mit diesen auf ihren Kopf, so dass es sie dazu bewegte, sich zu ihm umzudrehen und ihn verwirrt anzusehen. Was sollte das denn jetzt? "Ich gehe davon aus, dass du momentan einiges um die Ohren hast und du deshalb heute kaum mitgeschrieben hast. Fühl dich frei, die zu kopieren", sprach der blonde Wirtschaftsstudent leicht schmunzelnd, worauf die Angesprochene ihn sanft, aber auch dankbar anlächelte. Der Blick des Vampirs blieb an seiner Mitbewohnerin hängen, die sich von ihrer Clique verabschiedete, bevor sie in den Audi einstieg. Sie war so abgelenkt gewesen, dass es sogar ihren Freunden aufgefallen war... Andererseits sollte ihn das wohl nicht überraschen, sie hatte sogar aus einem Fenster springen wollen. "Hast du etwas herausgefunden?", wollte die Vampirjägerin wissen sobald sie losgefahren waren, und blickte bei einer roten Ampel kurz zu ihm rüber, ehe sie bei grün wieder auf das Gaspedal drückte, um weiterzufahren. "Nun, 'blond und hübsch' ist nicht die aufschlussreichste Beschreibung. Es gibt sicher ein paar Damen, auf die das zutrifft und die möglicherweise was mit der Sache zu tun haben könnten, aber die einzige, die in London lebt, ist seit ein paar Wochen verschwunden. Ihre Familie meint, sie sei vielleicht in ein anderes Land gegangen.", antwortete er auf Ihre zu erwartende Frage. Mit anderen Worten; er hatte nichts, beziehungsweise wusste es nicht. „Hast du mehr über diesen 'verschwundenen' Vampir herausgefunden?", wollte die Brünette weiter wissen. Jane schien das ganze Interessanter zu finden als Aiden, deshalb überlegte er, was die Familie über die Verschwundene gesagt hatte. "Ihr Name ist Eileen Coventry und ist reinblütig. Ich hab mit ihrem Freund und einer Cousine oder so was gesprochen, also ist das wohl eine größere Familie. Natürlich haben sie schon nach ihr gesucht, aber sie war nicht aufzutreiben - Und warum sollte sie sich vor ihren Leuten verstecken?", überlegte er. Viel hatte der Partner der Vampirin natürlich nicht über sie sagen wollen, immerhin war es verdächtig, dass ein Fremder sich plötzlich nach ihr erkundigte. Aber da Aiden nicht genau gesagt hatte, was er wollte, hatten sie sich mit ihm unterhalten. Natürlich war auch möglich, dass sie ihn angelogen hatten, das konnte er nicht ausschließen. "Vielleicht hat oder hatte sie Dreck am Stecken oder verfolgt einen Plan und hat keinem Bescheid gegeben, weil sie ihre Angehörigen nicht damit belasten wollte?", sprach sie ihre Gedanken zu der Sache aus. Noch immer fand Aiden den Verdacht gegenüber dieser Eileen nicht einschlägig genug, sodass auch er nicht vor Eldric von ihr anfing. Immerhin hatte er mit der Suche begonnen und es war unwahrscheinlich, dass er bereits am ersten Tag etwas gefunden hatte. Die Verbindung war seiner Meinung nach zu schmal, um tatsächlich etwas zu unternehmen, aber wenn es Jane beruhigte, würde er wohl mal nach ihr Ausschau halten. Die ganze Fahrt dauerte nur gut fünfzehn Minuten und wie immer parkte Jane ihr Auto zwei Straßen weiter, um den restlichen Weg zum versteckten Fahrstuhl zu Fuß zurückzulegen „Dieser Logan...", fing er langsam an. Ihm fiel auf, dass er nicht wusste, was genau er sagen wollte, sodass eine kurze Pause entstand, in der er überlegte. "Er achtet sehr auf deine Stimmung.", stellte der Vampir schließlich fest als sie hielten und sich auf den Weg zu dem Aufzug machten. Sie sah das wohl als Freundschaft, aber zu beobachten, ob sie schrieb oder nicht, das ging ja wohl weiter als das. Aiden wusste selbst nicht so recht, was er jetzt als Antwort erwartete, vielleicht einfach, dass sie realisierte, dass dieser Mann für sie schwärmte. Andererseits; wollte er das wirklich, so wie sie Logan eben angelächelt hatte? Sie betraten den Lift, der sie wenig später in der unterirdischen Stadt ausspuckte. Auch beim zweiten Mal fühlte Auden sich nicht wohler, als er mit seiner Begleitung zu demselben Gebäude ging, dass sie beim letzten Mal betreten hatten. "Was willst du damit sagen?", verlangte die Brünette zu wissen, ehe sie ausstieg und sich mit ihm - nach all den Entriegelungssystemen - in den Aufzug begab und wenige Augenblicke später auch schon unter der Erde landete. Ohne große Umschweifen, begab sich die junge Frau direkt zum Justizgebäude, wo auch Eldrics Büro war, in dem sie bereits schon beim ersten gemeinsamen Besuch empfangen wurden. Er zuckte unschlüssig die Schultern. "Nur, dass er sehr aufmerksam ist, was dich angeht… Und, dass du die Situation nicht dein Studium beeinflussen lassen solltest. Natürlich kannst du es nicht einfach abschalten, dir Sorgen zu machen, das ist klar…", wechselte er das Thema, weil er es ihr nicht einfach sagen beziehungsweise es Logan nicht so einfach machen wollte. Wenn der ihr seine Gefühle gestehen wollte, musste er schon selbst den Mumm dazu aufbringen. Sie verdrehte nur die Augen und ging nicht weiter darauf ein denn da wurden sie bereits wie beim letzten Mal, wurden sie von Evelyn begrüßt, bevor sie gleich ins erste Stockwerk hochgingen und sich nach einigen Momenten im pompös eingerichteten Raum befanden, wo das Oberhaupt des Zirkels an seinem massiven Mahagoni-Schreibtisch saß. Nach einer knappten Begrüßung, ließ sich die Jägerin auf einem der gut gepolsterten Sessel nieder. "Meine Mutter und ich werden anscheinend seit längerer Zeit von einem blonden Vampir beobachtet und verfolgt. Wie es aussieht, weiß sie sogar, wo wir wohnen und hat es regelmäßig fast vor die Haustür geschafft", erklärte Jane direkt und ohne große Umschweifen das ganze Problem, worauf der ältere Vampir die Augen verengte und sein Kinn auf die zusammengefalteten Hände legte. Wie es aussah, gefiel auch ihm diese Tatsache bzw. Situation keineswegs. Sein Blick schweifte dann auch zu Aiden, bevor er nach seinem Kugelschreiber griff und ein paar Dinge in seiner Agenda notierte. "Ich werde ein paar Vampirjägern anordnen, regelmäßige Patrouillen um euer Anwesen durchzuführen und in einer Stunde den Auftrag mit dem entsprechenden Kopfgeld aufhängen", sprach Eldric. "Oder wäre dir eine 24-Stunden-Überwachung lieber?" Auf seine Frage hin verneinte die Brünette sofort und schilderte ihm - wenn auch alles andere als begeistert -, dass ihr Begleiter bereits schon so etwas wie ein Rund-um-die-Uhr-Beschützer und bei ihr eingezogen war. Weitere Vampire, die um ihr Haus herumschlichen, konnte sie wohl nicht ertragen. Die Tatsache, dass ein Vampir bei ihr lebte erheiterte den älteren Herrn ein wenig, weshalb er sich, für einen winzigen Augenblick, ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Das verständliche Schmunzeln des älteren Vampirs entging Aiden nicht, die Situation wäre ja wirklich komisch, wenn es nicht um die Sicherheit des einzig anwesenden Menschen gegangen wäre. Er hatte eigentlich gehofft, sich aus der Sache raushalten zu können und nur pro forma Anwesend sein zu müssen, immerhin war er jetzt wohl so etwas wie Janes ´Bodyguard`, aber da sprach Eldric ihn direkt an. "Ich schätze mal, dass du nicht ganz untätig warst. Hast du mehr über sie herausgefunden? Aussehen, Geruch, familiärer Hintergrund oder sonstige Details? Wir haben auch einige, fähige Vampire unter dem Zirkel, die sich dir bei der Suche bestimmt anschließen würden, wenn dir das Recht ist." Der jüngere Vampir setzte sich ein wenig auf und löste die Arme. „Ich habe noch keine stichhaltigen Hinweise. Das Problem ist, dass ihre Fährte sich sehr schnell verliert, sodass ich ihr nicht folgen konnte. Im Moment versuche ich herauszufinden, ob jemand einen Groll gegen Jane hegt, von der sie nichts weiß, aber bisher habe ich noch nichts", erklärte er bereitwillig wobei er bei dem Vorschlag des älteren Vampirs ein wenig länger nachdachte als bei Janes Angebot. "Ich würde meine Recherchen ungern mit dem Zirkel in Verbindung bringen. Wenn auf einmal eine ganze Abordnung Vampire Fragen stellt, würde das nur Aufmerksamkeit erregen, meinen Sie nicht?" "Hmmm, verstehe", murmelte der ältere Herr, als er die Worte des gegenübersitzenden Vampirs vernahm und sich ein wenig zurücklehnte. Er dachte nach, strich sich kurz über das Kinn und nickte leicht. "Gut, dann werde ich es unterlassen. Dennoch werde ich versuchen, im Hintergrund weitere Informationen zu sammeln. Allerdings wird sich das wohl als schwierig erweisen, wenn man Janes Aufzeichnungen betrachtet. Ich will damit jedoch nicht sagen, dass du keine gute oder eine unsaubere Arbeit geleistet hast", fuhr das Oberhaupt fort. "Ich denke auch nicht, dass es an mangelhaften Aufzeichnungen liegt, sondern diese Frau irgendetwas anderes mit dir zu schaffen hat", meinte Aiden an seine Begleiterin gewandt, als ihr Vorgesetzter sie in der Hinsicht beruhigte. "Außerdem könnte es sein, dass sie irgendeine spezielle Fähigkeit hat, die ihr hilft, sich vor uns zu verbergen. Andernfalls wäre dir ihre Anwesenheit in der Nähe deines Hauses wohl nicht so lange entgangen." Sie war immerhin dazu ausgebildet, seinesgleichen aufzuspüren, und egal, wie abwesend sie war, im Normalfall hätte ihr das auffallen müssen. Immerhin hatte sie einen wahnsinnigen Hass auf seine Rasse. "Wie gesagt. Meine nächste Vermutung wäre, dass die es aus reiner Langeweile tut. Es gibt immerhin mehr als genug verrückte Blutsau...- ich meine Vampire, die sich dadurch Unterhaltung erhoffen", warf Jane ein. "Eine überaus interessante Überlegung. Wenn man das Ganze mit den Statistiken vergleicht oder aus einem weiteren Schema betrachtet, dann ist das denkbar möglich. Es gibt viele unserer Art, die sich absichtlich mit Jägern anlegen - einfach nur, weil sie einen gewissen Nervenkitzel möchten", meinte Eldric nachdenklich und notierte sich erneut etwas in sein Notizbuch. „Denkt ihr nicht, dass es ungewöhnlich wäre, Mrs McCollins anzusprechen, wenn sie das als Spiel sieht? Ihr muss doch klar sein, dass Jane sich Hilfe sucht, wenn ihre Familie in Gefahr ist", gab Aiden trotzdem zu bedenken, der auf so eine Idee überhaupt nicht gekommen wäre, weil er absolut nicht seinem Naturell entsprochen hätte, derartigen Aufwand für eine Jagd zu betreiben. Möglich war es allerdings, da hatte seine Mitbewohnerin Recht. "Vielleicht ist das genau der Nervenkitzel, den sie braucht", antwortete die Brünette, worauf Eldric kurz nachdachte und nickte. "Über die Möglichkeit könnte man jetzt stundenlang philosophieren, ohne über Vermutungen hinauszukommen. Ich schlage vor, wir bleiben bei den Tatsachen. Kann ich dir sonst auf eine andere Art und Weise unsere Hilfe anbieten? Waffen, Mittel oder Akten?", wollte Eldric an Aiden gewandt wissen. Aiden schüttelte nur den Kopf. Es wäre kontraproduktiv, bis auf die Zähne bewaffnet irgendwo aufzutauchen, wenn er wollte, dass die Leute mit ihm sprachen. Außerdem, und das sollte der alte Vampir ja am besten wissen, hatte er die effektivste Waffe sowieso immer bei sich: Seinen eigenen Körper. Ganz davon abgesehen, dass er es schlicht und ergreifend nicht gewohnt war, im Team zu arbeiten oder Hilfe angeboten zu bekommen beziehungsweise anzunehmen. Er hatte zwar kein Problem damit, sie anzunehmen, wenn es sich ergab, aber von sich aus arbeitete er am liebsten alleine, was man ja auch schon bei seiner ´Zusammenarbeit` mit Jane gemerkt hatte. Diese war ja nach dem Motto: ´Warte hier, ich hol dir, was du willst`, abgelaufen, und das hatte nicht ausschließlich daran gelegen, dass er sie beschützen wollte. "Solange Sie auf Jane aufpassen, habe ich alles, was ich brauche", antwortete er, wobei ihm völlig egal war, dass man ihm gesagt hatte, er solle sich nicht so sehr auf sie fixieren. Im Moment war er schließlich nicht mehr ihr offizieller Partner, und auch andernfalls hätte es ihn nicht gekümmert. "Es sei denn, Sie haben noch eine Idee, was wir unternehmen könnten", fügte er hinzu, da es für die Jägerin sicher frustrierend war, sich so auf andere zu verlassen, wenn ihr zu Hause derart bedroht war. Sicher, sie wartete, weil es gerade wegen ihrer Mutter nötig war, aber irgendwann würde sie die Dinge doch selbst in die Hand nehmen wollen, vermutete er. "Gut. Für euren Schutz wird natürlich so schnell wie möglich gesorgt Allerdings wird es wohl bis heute Abend dauern, bis ich den passenden Jägern den Auftrag zugestellt habe und sie sich an die Arbeit machen. Von daher würde ich es begrüßen, wenn du dich bis dann weiterhin zurückhältst." Während er sprach, hatte er vor allem die junge Frau angesehen, die mit verschränkten Armen vor ihm auf dem pompösen Sessel saß. Natürlich verdrehte sie daraufhin nur genervt die Augen. "Was die Fähigkeit betrifft...", fuhr er fort, wobei sein Blick diesmal auf Janes Begleiter lag. "... werden wir versuchen, all die herauszufiltern, die in Betracht gezogen werden können. Dabei werden wir natürlich zurückhalten und uns nicht allzu sehr einmischen, um deine Arbeit zu gefährden." "Danke", erwiderte er gelassen. Sie mussten wohl jeden Strohhalm ergreifen, den sie bekommen konnten, denn nach einer nicht genauer definierten Fähigkeit zu suchen, würde fast unmöglich sein. Unversucht sollten sie aber auch diese Möglichkeit nicht lassen. Nachdem Eldric zu Ende gesprochen hatte, wollte sich die Vampirjägerin bereits erheben, als dieser sie zurückhielt und auf ihren rechten Zeigefinger deutete. "Gib deinen Ring und diese Anweisungen bei Laura ab", wies er seinen Schützling an, ehe er aufstand und ihr einen Zettel in die Hand drückte. "Wir werden den Ring so modifizieren, dass wir in der Lage sein werden, deine Spur stets drei Tage zurückzuverfolgen und deinen aktuellen Aufenthaltsort während jeder Zeit bestimmen zu können. Außerdem wird sie dir auf die Anweisungen hin eine Kette für deine Mutter anfertigen, welche die gleiche Funktion haben wird." "Muss das sein?", wollte die Angesprochene missmutig wissen, ehe sie sich mit einem schweren Seufzer geschlagen gab, als sie Eldrics tadelnden Blick sah. Mit einem 'Fein' wandte sich die junge Frau dann auch ab, um sich dann auch mit Aiden zur besagten Laura zu begeben, die sich ein Gebäude weiter befand. Sie war die Chefin der Grundausrüstung und dementsprechend für alles zuständig, was mit Technik beziehungsweise Technologie zu tun hatte, erklärte Jane Aiden. Dort angekommen gab die Jägerin eher etwas widerwillig ihren Ring und den Zettel ab, wobei man sie darauf hinwies, dass sie sich ein wenig gedulden musste. Wie erwartet würden die Modifizierung und die Verarbeitung der Kette zwischen dreißig und sechzig Minuten dauern - was verhältnismäßig kurz war, wenn man bedachte, dass noch andere Aufträge anstanden. Im Normalfall dauerten derartige Reparaturen, zumindest wenn es um ein Haushaltsgerät ging, doch mehre Wochen. Sicher, sie hatten jetzt nicht so viel Zeit, aber er fragte sich trotzdem, ob das an Janes guten Beziehungen zu Eldric lag oder ob die Leute hier einfach überbesetzt und sehr effizient zugleich waren. Vermutlich war es aber ersteres. So begab sich die junge Frau dann auch in die Lobby, wo sie sich direkt auf einer Couch niederließ und sich ein wenig zurücklehnte. Aiden selbst blieb mit in den Manteltaschen vergrabenen Händen in der Nähe von Janes Sitzgelegenheit stehen. Ihm behagte der Ort nicht genug, um es sich bequem zu machen. "Als du vorhin von der Fähigkeit geredet hast... Hattest du eine bestimmte im Kopf?", wollte die Vampirjägerin wissen. Natürlich hatte sie bereits schon mit dem einen oder anderen Vampir zu tun gehabt, der gewisse Fähigkeiten besessen hatte. Ein Blutsauger, der seine Spur so schnell und gut verwischen konnte, war allerdings selbst für sie Neuland. "Ehrlich gesagt nicht. Vielleicht etwas, das es ihr ermöglicht, sich gut zu verstecken, das ihre Fährte überdeckt… Vielleicht ist sie auch einfach nur überaus schnell." Er zuckte die Schultern. Die Möglichkeiten in dieser Hinsicht waren sehr breit gefächert, da es eine große Vielfalt an Fähigkeiten gab und davon wiederum stärker oder schwächer ausgeprägte Unterarten. Wie gesagt, das herauszufinden, würde äußerst schwer werden. "Verstehe...", murmelte die junge Frau leise seufzend, die sich gerade eine auf dem Tisch bereitliegende Zeitung genommen hatte. Kurz überflog sie eine Anzeige, ehe sie weiterblätterte. "Ist dieser Ring eigentlich eine Art… Kleiner Computer oder so etwas?", erkundigte er sich, da er eigentlich gedacht hatte, das Schmuckstück würde zur Erkennung dienen und dazu, Zutritt zu der Unterirdischen Stadt zu gewähren. "Hm? Ein Computer ist es nicht gerade. Er beinhaltet so etwas wie einen Chip, der entsprechend aktiviert wird, wenn man ihn braucht. Wie zum Beispiel bei der Entriegelung des Aufzugs. Außerdem sind dort auch wichtige Informationen und individuelle Daten gespeichert, die man herausfiltern könnte, wenn einer von uns bei der Jagd draufgehen würde", erklärte ihm die Brünette bereitwillig, wobei sie den letzteren Teil - mal wieder - ungewöhnlich bzw. fast schon beängstigend ruhig von sich gab. ´Wenn jemand bei der Jagd draufgehen würde`, na, wenn es sonst nichts war… Er seufzte nur leise über ihre Abgebrühte Art, von ihrem eigenen möglichen Ableben oder dem ihrer Kollegen zu sprechen. Das würden sie wohl so schnell nicht mehr aus ihr heraus bekommen. Ihr Verhalten brachte Aiden auf die Frage, ob es hier auch psychologische Betreuung gab - Und ob diese in gewissen Situationen sogar verpflichtend sein konnte. Wenn dem so war, hätte das System bei Jane eindeutig etwas übersehen. Inzwischen hatte Aiden es sich auf der Lehne eines Stuhls neben dem von Jane bequem gemacht. Sein Blick fiel auf das Magazin, das sie zur Hand genommen hatte, und er las ein paar Zeilen der abgefassten Informationen. Dabei konnte man bei genauerem Hinsehen feststellen, dass es sich dabei um keine offizielle britische Zeitung handelte. "Es gibt hier sogar einen eigenen Verlag?", fragte er leicht amüsiert. Natürlich machte das Sinn, es gab ja sicher auch eine für die Öffentlichkeit gesperrte Website, auf die die Jäger zugreifen konnten, und die wurde wohl auch von einer Medienabteilung geleitet, aber irgendwo erstaunte es ihn jedes Mal aufs neue, die ausgebaute Infrastruktur dieser "Unterwelt" mitzubekommen. Ihr fiel natürlich auf, dass sich ihr Begleiter unmittelbar neben ihr und auf die Armlehne der Couch niedergelassen hatte, doch störte es sie augenscheinlich nicht mehr daran. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er sich ein wenig über sie beugte und die Zeitung begutachtete. Stattdessen kam Jane nicht umhin, ein klein wenig zu Schmunzeln, als sie seine Frage bezüglich des Verlags vernahm. "Hier unten ist nur die Druckerei. Der Verlag arbeitet oben", erwiderte die Vampirjägerin. "Im Übrigen kann man die Zeitung unter gewissen Umständen und Vorschriften auch an der Oberfläche erhalten." "Wirklich? Und das lohnt sich?", wollte er wissen, als sie meinte, es gäbe tatsächlich einen Verlag und eine eigene Druckerei. "Oder produzieren die dann auch anderes? Handbücher oder dergleichen?" Er wusste ja nicht, wie die Ausbildung der neuen Jäger so anlief, außer, dass sie körperlich gedrillt wurden. Anschauungsmaterial gab es aber doch bestimmt in irgendeiner Form. "Unser Zirkel bildet das Hauptquartier für die ganze Welt", erklärte die junge Frau, wobei mit dieser Antwort auch klar wurde, weshalb diese unterirdische Stadt so enorm groß war. "Dementsprechend ist auch der Verlag so etwas wie der Ankerpunkt für die anderen Zirkeln auf der Welt. In anderen, kleineren Ländern, wie Dänemark zum Beispiel, existieren keine eigenständige Verlage, sondern lediglich kleinere Redaktionen mit einer Druckerei. Dort übernehmen sie unsere Zeitung und fügen einfach noch die aktuellen Geschehnisse vor Ort hinzu." „Faszinierend“, stellte Aiden fest, der die Frau am Tresen beobachtete wie ein personifiziertes Rädchen in diesem ausgeklügelten Mikrokosmos. Sie bemerkte sein Starren und rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum. schweifte ihr Blick zur Uhr. Diese zeigte an, dass noch nicht einmal zwanzig Minuten seit der Abgabe des Ringes vergangen waren, so dass sie gar nicht anders konnte, als etwas genervt wieder in die Zeitung zu blicken. "Warst du bereits schon im Hostel?", wollte Jane dann wissen. Sie blätterte erneut und las etwas interessierter die Aufträge durch, die neu aufgeschaltet wurden und die man annehmen konnte. "Ja", bestätigte er Janes Frage, der er sich auch wieder zuwandte. "Ich habe der Besitzerin gesagt, ich würde für eine Weile bei Bekannten unterkommen, die sich nach dem Überfall Sorgen machen. Meine Sachen stehen hinter eurem Haus, ich hoffe, das ist in Ordnung", fügte er erklärend hinzu, nicht, dass sie sich über die zugegebenermaßen doch sehr übersichtliche Tasche wunderte. Blieb nur zu hoffen, dass die Verfolgerin nicht wieder aufgetaucht war und auch diesen Rest seiner Besitztümer zerstörte. Seine Vermieterin schien ein wenig erstaunt gewesen zu sein, dass er so etwas wie soziale Kontakte besaß, zumindest so gute, dass er bei denjenigen einzog. Sie hatte ihm gesagt, dass er wieder willkommen sein würde, wenn er zurückkam und er hatte sich ehrlich lächelnd bedankt. Zwar hatte sie seine Entschuldigung wegen des zerstörten Zimmers abgetan, aber er hatte ein schlechtes Gewissen, immerhin war er wirklich schuld daran und sagte das nicht nur floskelhaft. Bei dem Gedanken runzelte er leicht die Stirn. Nun, immerhin hatte die Fremde nicht mehr zerstört oder gar das Haus in Brand gesetzt. "Du hättest sie auch einfach in dein Zimmer stellen können. Groß genug ist es doch, oder etwa nicht?", meinte die Vampirjägerin leicht spitz, worüber er nur lächelte und ankündigte, das bei ihrer Rückkehr nachzuholen. "Hast du an deinem Handy eigentlich noch irgendetwas Ungewöhnliches festgestellt, nachdem du es von meiner Mutter zurückbekommen hast? Irgendwelche betätigten Anrufe, Nachrichten oder so?", fragte die junge Frau weiter nachdem sie ihn leicht genervt gemustert hatte. "Mein Handy?", fragte er ein wenig verdutzt. Er blinzelte und überlegte, musste aber den Kopf schütteln. "Ich hab nicht in den Ordnern nachgesehen, aber es war ja noch an und hat keine Mitteilungen angezeigt." Normalerweise hatte er das Telefon nicht immer dabei, aber da es ja hätte sein können, dass Jane etwas von ihm brauchte, hatte er es mitgenommen, während er herumgefragt hatte. Jetzt holte er das Handy aus der Manteltasche und blätterte durch die verschiedenen Ordner, aber da war nichts für ihn Interessantes. Fragend hielt er es der jungen Frau neben sich hin. "Willst du Es dir mal ansehen? Ich hab von sowas keine Ahnung", bot er an, wobei es ihm ziemlich egal war, dass das normalerweise als Privatsphäre galt. Schwer seufzend legte sie die Zeitung wieder auf den Tisch. "Gib her", meinte sie schlicht und nahm das Mobiltelefon an sich. Aiden tat dasselbe mit dem von ihr beiseitegelegten Magazin. "Gibt es eigentlich auch oberirdische Institutionen des Zirkels?", wollte er wissen während er die Artikel überflog die Jane zuvor studiert hatte. Die unterirdische Organisation war zwar schon riesig, aber es war ja nicht immer möglich, für jede kleine Besorgung hierher zu kommen, außerdem musste man ja auch anderweitig Hilfe oder Informationen anfordern können. "Ja, die gibt es. Eine dieser oberirdischen Institutionen befindet sich mitten im britischen Parlament. Da gibt es eine verhältnismäßig kleinere Abteilung, die einige Verwaltungsarbeiten übernimmt und auch als Schaltstelle zwischen der Oberfläche und dem Zirkel hier dienen. Außerdem gibt es auch so etwas wie eine Post, wo man Dinge abholen oder liefern lassen kann, die man zum Beispiel über das Internet bestellt hat. Weiter gibt es auch noch kleinere, versteckte Läden, die ein begrenztes Sortiment anbieten oder kleinere Reparaturen übernehmen", erläuterte die junge Frau leise und reichte ihm mit einem unzufriedenen Kopfschüttelnd das Telefon zurück. „Und was passiert, wen Zivilisten doch mal etwas davon mitbekommen?", fragte er weiter nach. Zufälle gab es ja bekanntlich jeder Art, und selbst wenn die Spezialgeschäfte als normale Waffenläden getarnt waren, würden außenstehende Kunden sich doch sicher über das Silberlastige Angebot wundern. "Es ist nicht gerade so, dass diese Läden ihr Vampirjägersortiment öffentlich präsentieren. Das Ganze läuft sehr viel bedeckter ab, als du denkst. Von daher kommt das so gut wie nie vor", erwiderte die Brünette und strich sich die Haare hinters Ohr. "Sollte es aber doch einmal zu so einem Fall kommen, haben wir unsere Mittel und Wege, diese Leute entweder zum Schweigen zu bringen oder sogar bei uns aufzunehmen, wenn keine andere Wahl besteht. Ich habe zwar noch nie persönlich von so einem Fall gehört, doch soweit ich weiß, gibt es einen Vampir im Zirkel, der Erinnerungen manipulieren kann. Ich weiß aber nicht, ob das einfach nur ein Gerücht ist, um von anderen Methoden abzulenken oder ob es der Wahrheit entspricht." Es war zu erwarten gewesen, dass die Mitglieder und die von ihnen geleiteten Geschäfte sich bedeckt hielten, immerhin wäre die Zivilbevölkerung wohl nicht sonderlich begeistert, plötzlich davon zu erfahren, dass es Vampire tatsächlich gab. Wie weit die Geheimhaltung aber tatsächlich ging überraschte Aiden doch. Ein Vampir der Erinnerungen verändern konnte war ziemlich interessant und wenn er öfter mit dem Zirkel zu tun haben würde, würde er sich in der Hinsicht sicher genauer informieren. Das war eine sehr spezielle, machtvolle Fähigkeit, vor der man auf der Hut sein sollte, und Aiden fragte sich, was den betreffenden Vampir dazu gebracht hatte, sich der Organisation anzuschließen, falls es so jemanden hier wirklich gab. Bei dieser Überlegung kam ihm ein anderer Gedanke und er sah Jane neugierig an. "Sag mal… Weißt du eigentlich, wieso Eldric diesen Zirkel gegründet hat? … Wenn er das überhaupt getan hat", fiel ihm ein. Er war wohl einfach davon ausgegangen, aber es könnte ja auch sein, dass der alte Vampir nur der temporäre Vorsitzende war. Es war doch eine ungewöhnliche Entscheidung, seine - Immerhin unendliche - Existenz der Bekämpfung seiner eigenen Rasse zu widmen. "Die genauen Gründe, weshalb er den Zirkel gegründet hat, kenne ich nicht. Er spricht nie darüber. Es ist jedoch bekannt, dass es wohl etwas Persönliches war und dass auch seine Charaktereigenschaften, sowie auch Denkweisen dazu beigetragen haben", begann die Vampirjägerin zu erklären. Wahrscheinlich langweilte, denn sie war gesprächiger, als ihr neuer Mitbewohner es von ihr gewohnt war. Das war Aiden jedoch nur recht, denn ihm brannte noch so manche Frage auf der Seele. „Tötet ihr prinzipiell alle Vampire, die ihr in die Finger bekommt, oder müssen sie dafür ein Verbrechen begangen haben?" Wenn die Organisation eher so eine Art "Spezial Polizei" für Verbrecher seiner Rasse war, konnte Aiden sich eher vorstellen, wieso andere Vampire dem Zirkel beitraten. Er hatte ja seine ganz eigenen Gründe, mit ihnen zu operieren, und es gab sicherlich auch weitere Motive, ihre Rasse zu verabscheuen, aber der Normalfall dürfte das wohl nicht sein. „Wir töten nicht einfach wahllos. Solange sich diese Blutsau...- Vampire ruhig verhalten, jagen wir sie nicht. Sobald sie jedoch auffällig werden und auch eine Gefahr für die normale Bevölkerung darstellen, werden sie verfolgt und zur Strecke gebracht." Ihm fiel auf, dass ihre Art zu reden - "diese Blutsauger" und "sie" - ihn irgendwie aus diesem Elustren Kreis ausnahm und er schmunzelte darüber. Sie hatte sicher nicht vergessen, was er war, aber durch ihre zusammen verbrachte Zeit war er wohl nicht mehr 'einer von denen', sondern 'ihr' Vampir. So dachten die Menschen erschreckend oft, zum Beispiel auch in Bezug auf Homosexuelle. Solange die betreffenden fremd waren, waren sie 'eklig' oder 'unnatürlich', aber wenn es jemand aus dem Bekannten- oder Familienkreis war, konnte man sich irgendwie damit arrangieren... Nun, in diesem Fall sollte ihn das nicht stören. "Hmm, ich verstehe... Hat man schon mal versucht, eine Art Abkommen mit den Vampiren zu schließen, was das Töten anbelangt? Das würde sicher einiges vereinfachen und die Verfolgung von Verbrechen erleichtern", überlegte er laut, doch dann schüttelte er, über seine eigene Idee lächelnd, den Kopf. "Tut mir leid, das war eine dumme Frage. Auf so etwas würde sich meine Art nie einlassen." Und wieso sollten sie auch? Sie waren von der Natur privilegiert geschaffen worden und hätten keinen anderen Grund als ihr Gewissen, sich zurückzuhalten, was ihre Ernährung anging. Da die Menschen das auch nicht Taten - man sehe sich nur Massentierhaltung und dergleichen an - wieso sollten es dann Vampire tun? Zudem hatten sie keine Regierung, die für sie sprechen, geschweige denn Entscheidungen treffen könnte. Die reinblütigen Familien hatten ein streng Hierarchisches System, in dem Verwandelte als Minderwertig galten und manchmal sogar als Diener gehalten wurden. Die aufbrausende, kämpferische Natur der meisten seiner Artgenossen war es zu verdanken, dass es außerhalb dieser Verbände nur selten Kontakte gab, die nicht in Anfeindungen endeten. Nein, solche Personen in einen Raum mit 'Futter' zu setzen, wäre eindeutig keine gute Idee. „Nein. Nüchtern betrachtet, wäre das eigentlich eine interessante Idee", überraschte Jane ihn leise mit ihrer Zustimmung. "Ich denke aber, dass Eldric dies schon längst getan hätte, wenn das möglich gewesen wäre. Da es bisher kein solches Abkommen in Kraft getreten ist, kann man davon ausgehen, dass dies nicht durchführbar war", fügte die Brünette dann schulterzuckend hinzu. Dass sie seine Idee gut fand freute Aiden, sodass er lächelte. Sein Wunsch, ihre Rassen näher zusammen zu bringen, war verständlich, wenn man bedachte, dass er einfach Jane nahe sein wollte, aber das ihr diese Möglichkeit in Betracht zog, obwohl sie Vampire hasste, fand er doch einen großen Schritt in die richtige Richtung. Sie würde es schon noch schaffen, ihre Vorurteile abzulegen und aufzuhören, sie alle über einen Kamm zu scheren. "Na ja, man kann ja hoffen… Und nur, weil etwas im Moment auf eine bestimmte Art ist, muss es ja nicht immer so bleiben", antwortete er sanft. Wie gesagt, nicht zu töten, war eine persönliche Entscheidung jedes Vampirs, solange es niemanden gab, der sie dazu zwang, sich anders zu ernähren. Und das durchzusetzen, wäre eine langwierige und vermutlich sogar gefährliche Aufgabe. Janes Gemüt erhellte sich merklich als Laura nach ihr rief und mit der Arbeit fertig war. Als sie aufstand stieg Aiden der Duft ihres Haares in die Nase und erst jetzt bemerkte der Vampir, wie nah er ihr eigentlich gekommen war während sie da gesessen hatten. Mit einem neugierigen Blick setzte er sich wieder etwas auf. Dass sie ihn wegen seiner Zutraulichkeit gar nicht angeschnauzt hatte, überraschte ihn ein wenig, doch dann lächelte er. Sie hatte sich wohl doch schon mehr an ihn gewöhnt, als ihr selbst - aber auch ihm - bisher bewusst war. Während er darüber nachdachte, begab sich die Jägerin zu der Technikerin, steckte ihren Ring an und schnappte sich die speziell angefertigte Halskette für ihre Mutter. "Lass uns gehen", sprach sie zu ihrem Begleiter und verließ mit ihm auf direktestem Wege das Zeughaus. Neugierig nahm der Vampir seiner Begleiterin die Kette ab, um sie zu betrachten. "Wird es deiner Mutter gefallen, einen Peilsender am Hals zu tragen?", wollte er auf dem Weg zu den Aufzügen wissen. Natürlich war es zu ihrem Schutz, aber das hatte ja schon etwas von Schwerverbrecher und Überwachung. Im Lift angekommen, betätigte sie die entsprechenden Knöpfe und fuhr dann mit ihrem Begleiter hoch. "Ich schätze, dass sie es lediglich als ein wenig eigenartig empfinden wird. Sobald sie jedoch weiß, dass es der Sicherheit dient, wird sie sich sehr wahrscheinlich nicht mehr daran stören", vermutete die Vampirjägerin schulterzuckend, bevor sie nach einer Weile aus dem Lift trat und sich zum Wagen begab, um mit ihrem unfreiwilligen Begleiter „nach Hause“ zu fahren. Dort angekommen holte der Vampir erstmal sein übersichtliches Gepäck, das er gerade hochbringen wollte, als seine Mitbewohnerin ihm eine Frage stellte und er stehen blieb. "Darf ich wissen, was du so alles in deiner Tasche hast?", wollte die Brünette wissen. "Ein paar Kleidungsstücke und Waschartikel", antwortete er schulterzuckend, wobei er absichtlich davon absah, dass der Rest zerstört worden war. Das ließ sich alles ersetzen. Trotzdem sah es etwas lächerlich aus, als er sein übersichtliches Gepäck auf das große Bett stellte und den Inhalt aufräumte, was nicht wirklich lange dauerte. "Hm.. Ist beim Einbruch noch mehr mitgenommen worden, außer dem Handy?", wollte die Brünette wissen, als sie den minimalistischen Inhalt seines Koffers betrachtete. Seufzend hängte er sein wortwörtlich letztes Hemd in den Schrank, während er antwortete: "Gestohlen hat sie sonst nichts, nein... ich schätze, sie ist wegen des Geruchs durchgedreht, als sie mein Handy gesucht hat, oder weshalb auch immer sie in meinem Zimmer war. Jedenfalls war das meiste zerstört.“ „Was hältst du davon, wenn wir in die Stadt fahren und dir ein paar Dinge besorgen?", kam es dann auch ungehalten über Janes Lippen, woraufhin Aiden sie verdutzt ansah. „Wirklich?", fragte er nach, weil er einfach nicht glauben konnte, dass sie das einfach so für beziehungsweise eher mit ihm tun würde. "Danach könnten wir meine Mutter bei der Arbeit abholen", fügte die junge Frau dann schnell hinzu und er nickte. Ihre Mutter machte schon mehr Sinn. Aber so lange, wie sie gezögert hatte, war er nicht sicher, ob sie sich das nicht einfach aus den Fingern gesaugt hatte, weil ihr ihre eigene Idee nicht gefallen hatte. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Dabei machte er sich nicht die Mühe, zu verbergen, wie sehr ihn ihr Angebot eigentlich freute. Kleidung war ihm natürlich ziemlich egal, aber die Möglichkeit, Zeit mit ihr auf einer derart privaten Ebene zu verbringen, und das noch von ihr ausgehend, war etwas, mit dem er nicht wirklich gerechnet hatte. "Sehr gerne. Ich hätte das schon früher alleine gemacht, aber ich wollte nicht so lange weg bleiben", erklärte er, um ihr einen weiteren Grund zu geben, mit ihm zu gehen. Immerhin hatte sie ihn sozusagen als Aufpasser eingestellt und einfach zu verschwinden wäre dem nicht gerecht geworden. Jane sah ihn an, als würde sie ihr Angebot bereits jetzt bereuen, nickte aber und kündigte an, ihre Universitätssachen in ihr Zimmer zu bringen und ihn dann im Flur zu treffen. Ein trotz der Aussicht, einkaufen gehen zu müssen, äußerst gut gelaunter Mann schnappte sich sein Portemonnaie und stieg in übermenschlicher Geschwindigkeit die Treppe hinunter. Kapitel 14: Nennt das bloß nicht ´Date`! ---------------------------------------- Innerlich verfluchte Jane sich für die Reaktion, die Aidens spärliche Habe bei ihr ausgelöst hatte. Die Tatsache, dass sie so etwas wie Mitgefühl für ihn empfand und aufgrund dessen vorschlug, seine Besitztümer gemeinsam zu ersetzen, konnte sie nicht so einfach akzeptieren, weshalb sie schnell nach einer logischen Erklärung gesucht hatte um ihr Gewissen zu beruhigen. Natürlich hatte sie eine passende Erklärung gefunden. Sie redete sich schlichtweg ein, dass es ein Dankeschön für den gemeinsamen Auftrag und die Ablenkung war, die er ihr vor einiger Zeit geboten hatte. Dem Lächeln des Vampirs war allerdings zu entnehmen gewesen, dass er sie mal wieder viel besser verstand als ihr lieb war. Er wartete bereits unten. Ohne groß zu zögern, begab sie sich nach draußen zu ihrem Wagen, stieg ein und fuhr gemeinsam mit ihrem Begleiter in die Stadt, wo sie den Wagen in einem Parkhaus in der Nähe der Regent Street - einer angesagten und nicht unbedingt billigen Einkaufsmeile - parkte. "Falls du etwas Bestimmtes suchst, sag Bescheid. Ansonsten sehen wir uns einfach nach allem um, was passt und du gebrauchen kannst", sagte die junge Frau an den Vampir gewandt und betrat nach kurzem Fußweg einen riesigen Burberry Laden. Wie auf Knopfdruck erschien eine Verkäuferin, die Jane höflich beim Nachnamen nannte und sie begrüßte. Es war offensichtlich, dass man sie hier kannte und sie anscheinend des Öfteren hier war. Kein Wunder, immerhin war das ihre Lieblingsmarke war. "Was kann ich heute für Sie tun, Miss McCollins?", wollte die etwa dreißigjährige, blonde Dame lächelnd wissen. "Danke. Heute geht es nicht um mich", stellte die Grey-Nachfahrin sofort klar und deutete auf ihre Begleitung. "Darf ich vorstellen: Mister Hunt. Stellen Sie bitte alle möglichen Outfits zusammen. Von legere bis formell." Die Modeberaterin nickte sofort, deutete den beiden an ihr zu folgen und bot den Kunden einen Platz in einem abgeschirmten Bereich an, wo zwei Sessel und eine gemütliche Couch, sowie einen Spiegel, einen Tisch, eine Umkleidekabine und einige Accessoires und Kleidungsstücke zu finden waren. Elegant ließ sich die Vampirjägerin auf einem der cremefarbenen Sessel nieder, lehnte sich zurück und antwortete auf die Frage, ob sie etwas zu trinken wollte, mit 'Nur ein Wasser, bitte', worauf die Blondine nickte und davon schwirrte. Kurz darauf tauchte sie mit dem Wasser, sowie einigen Kleidungsstücken auf, die sie teilweise auf dem Tisch ablegte. Den Rest übergab sie Aiden, damit dieser sie anprobieren konnte. Hilfesuchend warf der Vampir, der bis dahin auffällig schweigsam gewesen war, ihr einen Blick zu, aber Jane ignorierte das und er wurde in die Umkleide gescheucht. Schließlich musste er da nun mal durch, wenn er seinen Kleiderschrank ein wenig füllen wollte. Wenn er diesen voll kriegen wollte, dann würde er eine noch viel schlimmere Tortur über sich ergehen lassen, da er ja eigentlich kaum noch etwas zum Anziehen besaß. Dementsprechend lehnte sie sich einfach zurück und ließ die Verkäuferin machen. Es dauerte nicht lange, bis ihre Begleitung - nach einem kurzen Gespräch mit der Beraterin - nach draußen trat. Er trug einen grausamen roten Pullover mit den weißen Herzen darauf und eine gut sitzende, graue Jeans und sah aus, als traue er sich in diesem Ensemble kaum aus der Umkleide. "Gefällt es Ihnen?", erkundigte sich die Verkäuferin, woraufhin Aiden etwas gequält lächelte. "Wenn Sie etwas weniger… Buntes hätten, wäre ich Ihnen sehr verbunden", erklärte er höflich, woraufhin sie nickte und erneut davon schrawänzelte. Sobald sie weg war, wandte der Vampir sich mit hochgezogenen Brauen an seine Begleiterin. Diese presste ihre Lippen fest aufeinander, um nicht zu lachen. Der Anblick, der sich ihr da gerade bot, war einfach nur zum Schreien, als hätte er einen von Mrs Weasleys selbstgestrickten Weihnachtsgeschenken an. Wo er doch sonst sehr schlicht gekleidet war, fiel der Unterschied besonders auf. "Der... steht dir. Irgendwie", presste Jane leise hervor, wobei sie schlussendlich trotzdem hinter vorgehaltener Hand lachen musste. Sie schüttelte jedoch anschließend den Kopf und wollte ihm sagen, dass er den Pullover bitte ausziehen sollte, als er es bereits von selbst tat. Dabei hatte sie freie Sicht auf seinen nackten Oberkörper, worauf sie kurz die Augenbrauen anhob und den Kopf schief legte. Na, den Körperbau seines Vaters, der auf dem Portrait in ihrem Zimmer eher klein und untersetzt wirkte, hatte er definitiv nicht. Ob er zu seiner Zeit als Mensch wohl ein Training oder so absolviert hatte? "Ähm… Ehrlich gesagt ist das alles ein wenig teuer für meine Verhältnisse", gestand Aiden widerwillig, der sein schlichtes, graues Shirt wieder überstreifte, in dem er sich merklich wohler fühlte als in dem wahrscheinlich unglücklich gewählten ersten Stück. "Tut mir Leid, das hätte ich wohl vorher sagen sollen." "Wer sprach davon, dass du zahlst?", entgegnete die wohlhabende Studentin schlicht und drückte ihm gleich einmal einen schwarzen und einen grauen Anzug, ein Hemd mit dem typischen Burberry Muster, einen Mantel und ein paar dezente Pullover, sowie Hosen in die Hände. Sie wusste zwar nicht, ob ihm der Stil gefallen würde, doch würden diese Kleidungsstücke generell immer irgendwie passen - ohne groß aufzufallen (wenn man denn von der Marke absah). Vermutlich aus der reinen Gewohnheit, ihr zu gehorchen, nahm er die Kleidung entgegen, wobei er jedoch die Stirn runzelte. "Wer soll denn sonst zahlen?", fragte er verständnislos. Was war das denn bitte schön für eine Frage? "Wer außer mir sollte denn bezahlen? Es war immerhin meine Idee und ich habe dich hierhin geschleppt", erwiderte die junge Frau ziemlich nüchtern. Für sie war das selbstverständlich. Sie dachte nicht daran, dass es für den 500 Jahre alten Vampir überhaupt nicht natürlich war. Außerdem hatte sie auch Nichts von einem 'Dankeschön' erwähnt, sodass er nicht wissen konnte, dass sie diese ganze Shoppingtour eigentlich deswegen veranstaltete. Überrumpelt sah Aiden seine Begleitung einen Moment sprachlos an. "Du?", wiederholte er, nur um sicher zu gehen, dann schüttelte er den Kopf. "Kommt nicht in Frage. Immerhin sind das meine Besorgungen", erklärte er dann sofort. Es war nicht verwunderlich, dass ihr Begleiter von ihrem Vorhaben alles andere als begeistert war. Schließlich war das Ausgeben von Geld für andere Leute auch zu der heutigen Zeit ein sehr heikles Thema - vor allem, wenn es um einen so hohen Betrag ging. Allerdings wollte die Brünette keine Widerworte dulden, weshalb sie auf sein Sträuben nicht wirklich einging. Außerdem hatte Geld in ihren Augen auch keinen allzu großen Stellenwert. Das lag wohl daran, dass sie Unmengen davon besaß und so ein Betrag für sie nicht einmal erwähnenswert war. Vielmehr waren die Einzelheiten, die man benötigte von Wichtigkeit - wie zum Beispiel Kleider zum Anziehen, Essen um zu leben, Erlebnisse für die Erinnerungen und ähnliches. "Wieso sollte ich das nicht können? Ich hab dir doch gesagt, dass ich es kann", meinte die junge Frau auf seine Worte hin nur, da sie kein Problem darin sah. "Zieh das mal alles an. Falls es irgendwie juckt oder nicht richtig sitzt, sag Bescheid", befahl die Brünette ihm, und weil in der Zwischenzeit die Verkäuferin zurückgekehrt war und er nicht unhöflich sein wollte, kehrte Aiden zurück in die Umkleide. „Einen Anzug brauche ich wirklich nicht", erklärte er Jane aus der Kabine, doch auch das ignorierte die Alleinerbin. Als ihr Begleiter nach einer Weile endlich nach draußen trat und den schwarzen, perfekt anliegenden Anzug trug, stutzte die Vampirjägerin für einen Moment, wobei sie nicht umhin kam, ihn kurz angetan zu mustern. Die schicke Kleidung stand ihm außerordentlich gut, betonte die breiten Schultern, schmalen Hüften und langen Beine des Vampirs, und für einen kleinen Augenblick musste Jane insgeheim zugeben, dass er in der ganzen Aufmachung... Ja, doch irgendwie attraktiv wirkte. Um diesen Gedanken nicht weiterzuspinnen, räusperte sich die schwerreiche Wirtschaftsstudentin und strich sich die Haare hinters Ohr, ehe sie sich von ihm abwandte und nach ihrem Wasser griff. "Nehmen wir", sagte sie schlicht, aber schnell und nippte an ihrem Glas, um ein wenig zu trinken, während die Beraterin sofort nickte und anschließend den Anzug an sich nahm, nachdem sich der augenscheinlich junge Mann umgezogen hatte. Jane hoffte wirklich sehr, dass Aiden nicht bemerkte, dass sie vor wenigen Sekunden gedacht hatte, dass er gut aussah und dass es sie ein wenig aus der Fassung gebracht hatte. Sie hatte einfach selbst nicht damit gerechnet, jemals so über einen Untoten zu denken, geschweige denn von ihrem Stalker. Die Verkäuferin wuselte erneut davon solange ihr Kunde in der Umkleide war um ein neues Outfit anzulegen. Es überraschte Jane ein wenig, wie bereitwillig er das Modepüppchen spielte – Andere Männer hätten sich mehr gesträubt – Aber ihr war das nur Recht. "Die Kette, die du trägst... ist das ein sogenannter Sonnenschutz?", fragte sie während der Wartezeit. Sie war sich nicht sicher, da sie von solchen Schmuckstücken nur in Büchern gelesen hatte. Natürlich hätte der Anhänger, den sie hatte aufblitzen sehen, als Aiden den Herzchen-Pullover ausgezogen hatte, ein normales Accessoire sein können, doch da ihr Begleiter sonst nirgendwo so etwas mit sich trug, ging sie davon aus, dass es aus rein funktionellen Absichten getragen wurde. „Ja“, antwortete er für seine Verhältnisse ungewöhnlich knapp. Natürlich fiel ihr das auf, sodass sie nicht umhin kam, kurz mit der Stirn zu runzeln. Gerne hätte sie ihn weiter ausgefragt, doch da sie keine größere Auseinandersetzung riskieren wollte weil das zu dem Zeitpunkt wirklich ungünstig gewesen wäre, vermied sie es, weiter darauf einzugehen. In dem Moment fiel ihr ein lilafarbener Frauenmantel im typischen Burberrymuster auf, der an der Kleiderstange hinter den Sitzgelegenheiten hing. Sie schnappte sich diesen, zog ihn an und begutachtete ihn im Spiegel, ehe die blonde Verkäuferin zurückkehrte und meinte, dass ihr der Mantel ausgezeichnet stand. "Ich würde den gerne nehmen. Bitte legen Sie ihn schon einmal zur Seite", wies Jane die Blondine an und übergab ihr den Trenchcoat, bevor sie die Arme verschränkte und darauf wartete, dass Aiden fertig wurde. Dieser kehrte in seiner eigenen Kleidung nach draußen zurück und verschränkte die Arme. "Willst du noch etwas oder gehen wir?" Anscheinend war seine Geduld für diese Einkaufstour jetzt doch aufgebraucht. „Nein, wir haben alles was wir brauchen. Jedoch könntest du wahrscheinlich noch ein paar Schuhe gebrauchen. Aber die kriegen wir woanders", meinte Jane schlicht, bevor sie mit ihm zur Kasse schritt. Die Kleider waren sorgfältig zusammengefaltet und in entsprechende Tüten gelegt worden, ehe man die Preisschilder scannte und ein fünfstelliger Betrag auf dem Display zu sehen war. Ohne mit der Wimper zu zucken, zückte die Brünette die Kreditkarte und wollte sie über den Kartenscanner ziehen, doch plötzlich schlossen sich Aidens Finger um ihr Handgelenk. "Das kannst du nicht für mich ausgeben", sagte er prompt und hielt ihre Hand fest, als sie der Verkäuferin ihre Kreditkarte reichen wollte. "Tut mir leid, aber ich kann mir das nicht leisten", erklärte er der Angestellten, die ein wenig verwirrt wirkte und Jane einen fragenden Blick zuwarf. So viel hatte der Mann an ihrer Seite also zu sagen. Auf sein Verhalten hin konnte die Brünette nur die Stirn runzeln und ihn verständnislos ansehen. Wie hätte es denn bitte schön anders sein können? Es war klar gewesen, dass er nicht so schnell aufgeben würde. Dennoch setzte sie schlichtweg ihren Kopf durch, indem sie sich aus seinem Griff wandte und ungeduldig knurrte: "Stell dich nicht so an." So kam es, dass Aiden schließlich mit einem ganzen Haufen Tüten in den Händen hinter seinem ´Frauchen` her dackelte. Dabei hatte er einen äußerst unzufriedenen Gesichtsausdruck, zu dem sich noch ein Stirnrunzeln gesellte, als die junge Frau schon den nächsten Laden ansteuerte. "Jane", sprach er sie ernster als sonst an und blieb stehen. Als sie ihn fragend ansah, schüttelte er den Kopf. "Ich möchte das nicht. Du bist zu großzügig, das kann ich dir nie wieder zurückzahlen. Bring mich nicht derart in Verlegenheit", erklärte er in seiner üblichen, völlig übertriebenen Ernsthaftigkeit. Oh man... Musste er es ihr denn so schwer machen? Leise seufzend fuhr sich die junge Frau durch die Haare und biss sich kurz auf die Unterlippe, ehe sie die Arme vor der Brust verschränkte. "Du musst es nicht zurückzahlen. Ich will dafür Nichts von dir", antwortete Jane schlicht, aber ehrlich und ließ ihren Blick ein wenig zur Seite schweifen, da der folgende Part sie eine gewisse Überwindung kostete. Schließlich würde sie damit eingestehen, dass er ihr tatsächlich eine Hilfe und dass sie ihm wirklich dankbar war. Natürlich existierte zudem das Mitgefühl, welches sie für ihn empfand, doch das würde sie nicht aussprechen. In der Hinsicht war sie einfach noch nicht soweit. "Das ist doch Wahnsinn. Ich halte grade wahrscheinlich mehr in Händen, als ich den Rest des Jahres insgesamt ausgegeben habe", protestierte er weiterhin. Auf seinen Protest hin machte die junge Frau lediglich eine abwinkende Handbewegung. Wahnsinn hin oder her. Für sie stand fest, dass sie das Ganze übernehmen würde und dass er in der Hinsicht nicht wirklich ein Mitspracherecht hatte. Da half ihm auch die Mitleidstour nicht. Vielmehr frustrierte es die Brünette, dass ihr Begleiter sich so quer stellte, weil sie eigentlich nicht diskutieren, sondern einkaufen wollte. Dementsprechend hoffte sie, dass er endlich nachgab und die Klappe hielt. "Wenn du das so nicht annehmen kannst, dann sieh es so: Für den gemeinsam erledigten Auftrag steht dir die Hälfte Belohnung zu und das benutzt du gerade, um dich neu einzukleiden und die Dinge zu kaufen, die du brauchst", versuchte es die schwerreiche Wirtschaftsstudentin weiter und hoffte dabei, dass er dadurch endlich überzeugt war und Ruhe gab. Als sie von ihrem gemeinsamen Auftrag anfing, runzelte er leicht die Stirn, hatte offenbar ganz vergessen, dass er dafür bezahlt werden sollte. Er schnaubte leise und wollte schon zu weiterem Protest ansetzen, ehe er dann doch anmerkte: "Aber das kann doch nicht durch diesen einen Auftrag gedeckt worden sein.“ "Hm? Doch. Es ist sogar noch mehr als genug übrig", entgegnete die junge Frau. Dabei fiel ihr auf, dass sie ihm gar nicht verraten hatte, wie viel sie mit dem Tod Richards verdient hatten. "Für den ganzen Auftrag haben wir genau 150'000 Pfund gekriegt. Fairerweise teile ich das durch zwei, also steht dir rechtmäßig 75'000 Pfund zu. Eigentlich würde ich dir ja 100'000 abgeben, weil du den größten Teil der Arbeit erledigt hast, aber ich denke nicht, dass du damit einverstanden bist, oder?", erklärte Jane. "Das ist Einiges", merkte er an. "Ist das ein normaler Lohn für einen Auftrag?"
 "Nun, es ist ein bisschen mehr, als die regulären Aufträge, die ich annehme und erledige. Es kommt halt immer auf die Ränge an. Je höher die Stufe, desto komplexer und schwieriger sind die Aufträge und dementsprechend fallen auch die Entlohnung aus", antwortete die junge Frau. Wenn man es nüchtern betrachtete, waren 150'000 beziehungsweise 75'000 Pfund nicht gerade viel, immerhin hatten sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt. "Verstehe… Das erklärt einiges", meinte er mit einem schmalen Lächeln, das darauf schließen ließ, dass er noch so manches zu der Sache zu sagen gehabt hätte. "Das ist... ein Dankeschön dafür, dass du mir hilfst und geholfen hast", überwand Jane sich schließlich doch zur Wahrheit und strich sich erneut mit einer fahrigen Bewegung durchs Haar, bevor sie ihn ansah und leise seufzte. Dabei hoffte sie, dass er dadurch endlich überzeugt war und Ruhe gab. Ansonsten hätte sie nicht gewusst, was sie sonst noch hätte sagen oder tun können. „Dafür musst du dich nicht bedanken", erklärte er ihr mal wieder. "Und wenn du dich wirklich bedanken willst, dann würde ein ´Danke` schon reichen und nicht das." Bei dem letzten Wort hob er die vollen Tüten. "Mag sein, dass ein Danke dir gereicht hätte. Mir aber nicht", gab Jane offen zu und schimpfte innerlich mit sich selber, weil ihr das ungeplant so rausgerutscht war. Schließlich hatte sie damit ja gezeigt, dass er und sein Tun ihr nicht gleichgültig war oder dass sie ihn weiterhin hasste. Immerhin hätte es der Vampirjägerin vollends egal sein können, wenn sie ihn weiterhin verabscheut hätte. Demnach hätte sie seine Taten einfach ausnutzen und es dabei belassen können. Da sie das aber nicht tat, zeigte, dass ihr etwas an ihm lag. Aiden seufzte leise und trommelte auf seinem Arm herum, dann nickte er schicksalsergeben. "Na gut. Wenn du es so sehen willst, nehme ich deinen Dank gerne an", gab er schließlich nach. Wie immer, eigentlich, also hätte es diese nutzlose Diskussion gar nicht gebraucht. Jane war erleichtert und schlüpfte in das nächste Schuhgeschäft, bevor der sture Untote es sich doch nochmal anders überlegte. Er hätte ja bedeutend mehr Zeit zu diskutieren, und der Vampirjägerin war es sowieso schon unangenehm, dass sie ihm die wirklichen Gründe für diesen gemeinsamen Ausflug hatte offenlegen müssen. Er und sein bescheuertes Ehrgefühl! Es hatte ihn schon zu der Albernheit veranlasst, sein mickriges Gepäck im Garten zu deponieren statt es auf sein Zimmer zu bringen, und jetzt stellte er sich aus demselben Grund so an. Eine neue Verkäuferin deckte Aiden jetzt mit diversen Schuhkartons ein, in deren Inhalt er dann jeweils ein wenig herumlaufen sollte. Sie lehnte sich währenddessen ein wenig zurück und betrachtete die Schuhe, die Aiden anzog und mit denen er ein paar Schritte ging. Dabei hielt sie sich mit den Kommentaren eher zurück, da es hierbei hauptsächlich darum ging, dass die Treter bequem und angenehm zu tragen waren - beides subjektive Wahrnehmungen. Allerdings bestand sie darauf, dass er mindestens zwei Alltagstaugliche und ein paar elegantere Schuhe aussuchte. "Brauchst du neben Kleidung und Schuhen eigentlich noch etwas?", wollte Jane an ihren Begleiter gewandt wissen als sie die Schuhe bezahlt hatte. Seinen nach wie vor wiederwilligen Blick ignorierte die Studentin dabei geflissentlich. "Um den Rest kann ich mich selbst kümmern, danke", betonte er und verließ rasch den Laden, als ob er glaubte, sie würde ihm sonst noch mehr Schuhe aufdrängen. "Wobei...", fiel ihm ein, als sein Blick zufällig über Janes frisch modifizierten Ring glitt. "Glaubst du, die Vampirin könnte mein Telefon orten? Dann wüsste sie, wann ich bei euch bin und wann nicht." Seine Frage ließ Jane stutzen. Sie war sich nicht sicher, ob es bei solch alten Modellen möglich war, doch im Grunde genommen konnte man mittlerweile so Einiges anstellen. "Wir sollten dir zur Sicherheit ein Neues kaufen. Außerdem wird es ohnehin Zeit, dass du das schäbige, alte Ding loswirst", meinte die Vampirjägerin. Sicher war immerhin sicher. "Es funktioniert noch", war alles, was er mit einem Schulterzucken dazu zu sagen hatte, wobei er mal wieder ganz wie der alte Mann klang, der er in Wirklichkeit war. Ohne darauf einzugehen betrat sie einen Laden für technischen Schnickschnack und schritt direkt zu den Mobiltelefonen. "Gibt es gewisse Features, die du bei einem Handy bevorzugst?", fragte die Brünette ihn und sah sich die beachtliche Auswahl an. "Man sollte damit telefonieren können", war die wenig aufschlussreiche Antwort. Darüber verdrehte die Brünette lediglich die Augen. Herrje. Das konnte ja noch heiter werden. Sie hoffte einfach, dass das Handy für eine gewisse Zeitspanne überleben und nicht gleich nach wenigen Stunden komplett den Geist aufgeben würde, weil er nicht damit umzugehen wusste. Es wäre doch so viel einfacher, wenn er einen festen Wohnsitz mit Festnetzanschluss besaß, so dass man ihn einfacher kontak...-! Halt. Moment! Instinktiv zog die Vampirjägerin gedanklich die Notbremse, so dass sie in ihren Bewegungen innehielt. Dachte sie da gerade wirklich darüber nach, wie sie ihn am besten kontaktieren konnte? Sofort schüttelte Jane den Kopf, um diese Gedanken zu verscheuchen, bevor sich schon ein Berater zu ihnen gesellte. Ausnahmsweise wurde Aiden zuerst begrüßt und gefragt, ob man ihm helfen könnte. Der Vampir lächelte fast genauso hilfesuchend wie im Burbery-Laden und sah seine Begleitung an. Das brachte ihm einen ziemlich schrägen Blick vonseiten des Verkäufers, der sich nach ein paar gescheiterten Versuchen, Aiden in ein Beratungsgespräch zu verwickeln (bei dem sich seltsamerweise ein Senioren Handy als am geeignetsten herauskristallisierte), ebenfalls lieber Jane zuwandte. "Am besten ein Smartphone, welches relativ einfach zu bedienen ist", meinte diese, worauf der Verkäufer nickte und zwei aktuelle Modelle präsentierte. Da ihr Begleiter in der Hinsicht wirklich keine Ahnung hatte und lediglich damit telefonieren wollte, entschied sich die Brünette für das schwarze Mobiltelefon mit weniger Schnickschnack und zahlte mit der Karte, bevor man die Simkarte reinsetzte und Aiden das uralte Handy abnahm, um es für ihn zu entsorgen. "Gut. Dann denke ich, dass wir alles haben. Oder gibt es noch ein paar Dinge, die du gleich besorgen möchtest, da wir ohnehin schon in der Stadt sind?", wollte Jane wisse, nachdem sie wieder draußen waren. Ihr Blick fiel dann auf die Uhr, sodass sie sah, dass sie noch ein wenig Zeit hatten, bis sie ihre Mutter abholen konnten. Die Zeit konnten sie natürlich in einem Café überbrücken, doch da der Vampir keine menschliche Nahrung zu sich nehmen konnte, wäre das nicht unbedingt von großem Nutzen. "Können wir erst mal die Taschen irgendwo abladen?", bat er, , immerhin lief er inzwischen herum wie ein Packesel. Die junge Frau hob eine Augenbraue an, ehe sie den Kopf schief legte. Kurz war sie davon ausgegangen, dass es ihm zu schwer war, doch dann fiel ihr ein, dass er ein Vampir und diese Menge für ihn entsprechend leicht war. Oh Gott. Wieder schüttelte sie den Kopf. Hatte sie sich gerade tatsächlich daran erinnern müssen, dass er ein verdammter Blutsauger war? Schwer seufzend fuhr sich Jane durch die Haare, während sie einmal tief durchatmete und versuchte, diese unliebsamen Gedanken zu ordnen und gegebenenfalls zur Seite zu schieben. Dementsprechend nickte sie nur und begab sich mit ihm zum Parkhaus, wo sie zu ihrem Wagen schlenderten und die Taschen im Kofferraum verstauten. Anschließend verließen sie das unterirdische Betongebäude und befanden sich wenige Augenblicke später erneut auf der belebten Einkaufsstraße. „Ansonsten brauche ich eigentlich nichts mehr. Wir können uns ja einfach ein bisschen umsehen, wenn wir deine Mutter noch nicht abholen können?", schlug Aiden vor und blinzelte gegen die Sonne. "Vielleicht fällt uns etwas auf, was wir brauchen können", stimmte die Brünette zu und begann dann auch mit ihm, durch die Fußgängerpassage zu bummeln und immer mal wieder in die Schaufenster zu blicken. Nach einer Weile erblickte sie eine junge Blondine, die an einem Straßenstand Flyers verteilte. Sofort ging diese auf Jane und Aiden zu und lächelte die Beiden an. "Ihr seid ja ein süßes Paar!", sprach sie sofort, worauf die Vampirjägerin die Augen weitete und sofort widersprechen wollte. Allerdings kam sie gar nicht dazu, da die Fremde bereits weitersprach. "In zwei Tagen werden die neuen Attraktionen im Thrope Park eröffnet und sind ein echter Hingucker - auch für Paare! Es wäre perfekt für ein Date!" Bevor die Brünette noch etwas hinzufügen, geschweige denn klarstellen konnte, hatte die Blondine ihr und dem Vampir schon einen Flyer in die Hand gedrückt, um sich dann wieder aus dem Staub zu machen und andere Leute anzuquatschen. Der Vampir aber schlug er nur den Flyer auf und besah sich mit einem viel zu amüsierten Gesichtsausdruck die bunten Anzeigen. „Was ist so lustig?", verlangte die junge Frau zu wissen, obwohl es offensichtlich war. Allerdings spielte sie - mal wieder - mit dem Gedanken, ihm heftig gegen das Schienbein zu treten, falls er das Falsche von sich geben würde. Immerhin war es für sie nicht einmal annähernd halb so amüsant, wie er es empfand. Ihr gereizter Ton nahm Aiden aber nicht das Grinsen von den Lippen, als er die Schultern zuckte und antwortete: "Dein Gesicht, ehrlich gesagt. Wie dir gerade das Kinn runtergefallen ist… Köstlich." Jetzt, wo er es ausgesprochen hatte, konnte er ein kleines, belustigtes Schnauben nicht mehr unterdrücken, das jedoch schnell zu einem kleinen Lachen wurde. "Entschuldige, aber komm schon… Du sagst selbst, du kannst mich nicht ausstehen und sie… Pf…!" Seine Reaktion auf seine Frage liess sie zunächst die Stirn runzeln und die Arme schwer seufzend vor die Brust verschränken, ehe sie die Augen verdrehte und die Lippen aufeinander presste. Der Drang, ihm gegen eines seiner (möglicherweise sogar weicheren) Körperteile zu treten keimte in ihr auf, doch da zu viele Zuschauer beziehungsweise Zeugen um sie herum waren, unterließ sie es mit Mühe. "Sei froh, dass wir nicht allein sind. Ansonsten würde ich jetzt versuchen, dir ein paar Knochen zu brechen und zusätzlich dafür sorgen, dass du keine Nachkommen mehr zeugen kannst", presste Jane zwischen zusammengebissene Zähnen hervor und wandte sich sogleich ab, um weiterzugehen. Es würden sie keine zehn Pferde dazu bringen, mit Aiden auf ein romantisches Date zu gehen. Er war in ihren Augen immerhin kein wirklicher Mann. Er war ... ein Vampir - nicht mehr, nicht weniger. Aiden grinste nur unbekümmert weiter. "Zusätzlich gleich? Du meine Güte", amüsierte er sich über ihre ziemlich nutzlose Drohung - als verwandelter Vampir konnte er sowieso keine Kinder zeugen - dann deutete er auf den Flyer, den er noch immer in der Hand hielt. "Im Oktober gibt es eine Art Halloween Special mit Zirkuszombies… Was die Menschen nur mit lebenden Toten haben?", schmunzelte er, da das in seiner Situation schon eine gewisse Komik hatte. Dann sah er Jane neugierig an. "Magst du solche Parks?" Ihr Blick schweifte dann auch zum Fyler, worauf sie kurz mit den Schultern zuckte. "Nun ja, ich würde nicht unbedingt sagen, dass ich solche Parks wirklich mögen würde. Jedoch sind sie eine nette und willkommene Abwechslung, wenn man Zeit dafür hat und mal abschalten möchte", erklärte die Vampirjägerin ihre Meinung zu Vergnügungsparks. Sie war kein Achterbahnjunkie, mochte aber die Atmosphäre und einige, andere Attraktionen in solcher Themenparks, weshalb sie immer mal wieder gerne dahin ging. "Warst du eigentlich schon einmal in einem solchen Park? Verträgst du Achterbahnen?", fragte die Brünette ihren Begleiter mit einer hochgezogener Augenbraue, während sie im Weitergehen den Flyer einsteckte. Immerhin hatte es zu seinen Lebzeiten keine Vergnügungsparks in solcher Form gegeben und sie wunderte sich, ob er als Vampir bereits Erfahrungen damit gesammelt hatte - und falls ja, welche. "Ja, ich war schon ein paar Mal in Freizeitparks. Und mir wird nicht mehr schlecht, also macht mir die Achterbahn nichts aus. Allerdings gab es damals noch nicht solche monströsen Fahrgeschäfte wie heute", überlegte er, woraufhin ein kleines Lächeln auf seine Lippen trat, das Jane nicht wirklich nachvollziehen konnte. "Hm.. Verstehe. Dann bist du einfach mal aus reiner Neugierde allein in einen Themen- beziehungsweise Vergnügungspark und hast dich in die Bahnen gesetzt?", wollte die junge Frau wissen, wobei sich bei der Vorstellung ein kleines Schmunzeln auf den Lippen bildete. Immerhin gab es solche räumliche Gruppierungen erst seit Ende des 19. Jahrhunderts und zu der Zeit - so ging sie aus - lebten wahrscheinlich keiner seiner Bekannten mehr. Sie ging weiter, und Aiden folgte ihr brav auf dem Fuß. Inzwischen hatten sie wohl kein klares Ziel mehr, sondern spazierten einfach durch die Einkaufsstraße. "Nein, alleine war ich nicht. Meine damalige Freundin wollte sich das gerne ansehen. Wir waren kurz nach der Eröffnung im Tivoli Park in Kopenhagen." Gerad war Jane vor einem Schmuckladen zum Stehen gekommen und betrachtete ein paar Silber- und Goldschmuckstücke, als Aidens Worte sie innehalten und sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihm wenden ließen. "Eine Freundin?", wiederholte die Vampirjägerin, wobei sie sich nicht wirklich die Mühe machte, ihre Überraschung und Verblüffung zu verbergen. Dabei kam sie nicht umhin, sich den Vampir gedanklich mit einer Geliebten vorzustellen. Allerdings verwarf sie diese Vorstellung schnell wieder, da es ihr so unglaublich absurd vorkam - so besessen, wie er doch von Lady Jane Grey war. "Also... eine feste Freundin, ja?", wollte die schwerreiche Wirtschaftsstudentin anschließend genauer wissen. "FreundIN, genau", bestätigte er, bevor er ein wenig zögerte. Jane blinzelte sprachlos, als sie erfuhr, dass es sich bei der Freundin um eine feste Freundin gehandelt hatte. Schließlich hieß das, dass er während seinen 'untoten Jahren' liiert gewesen war und dass er tatsächlich eine andere Frau hatte ansehen können als Lady Jane Grey. Vielleicht war seine Fixierung und Besessenheit bezüglich ihrer Vorfahrin gar nicht so extrem wie angenommen. Möglicherweise redete er sich das einfach zu sehr ein, weil er momentan keine andere Möglichkeit sah und in einem ungünstigen Moment sie getroffen hatte... "Fest... Könnte man so sagen. Aber das war vor über 100 Jahren", führte der Vampir schließlich ziemlich unbehaglich weiter aus, weil sie so lange schwieg. Als Aiden sich rechtfertigte, runzelte Jane die Stirn und benötigte einen Augenblick, um die unerwarteten Informationen zu verarbeiten, ehe sie dann den Kopf schüttelte und abwinkte. Sie verstand nicht, weshalb er sich rechtfertigte. Schließlich hatte er - ihrer Meinung nach - keinen Grund dazu. "Ich bin .... nur ein wenig überrascht, dass du in den vergangenen Jahren eine feste Freundin hattest", gab die Vampirjägerin ehrlich zu und musterte ihren Gegenüber zum ersten Mal ein wenig genauer, aus einer differenzierteren Perspektive. Er war wirklich gut gebaut, hatte attraktive Gesichtszüge und schöne Augen. Ob seine Attraktivität deshalb so auffallend beziehungsweise präsent war, weil er ein Vampir war oder nicht - das würde sie wohl nie herausfinden. Allerdings war sein Charakter - wenn man vom Faktor 'Vampir' absah und die paar Macken ignorierte - ebenfalls irgendwie ganz in Ordnung. Sie konnte sich gut vorstellen, dass einige Frauen existierten, die für so einen Mann morden würden. Man konnte fast schon behaupten, dass er so etwas wie gutes 'boyfriend Material' war. Aiden wusste nicht mehr, wo er seine Hände hin packen sollte, also verschränkte er in einer instinktiven Abwehrhaltung die Arme vor der Brust. "Es ist wie gesagt sehr lange her", beharrte er nervös. "Hm... okay. Nach längerer Überlegung ist das vielleicht doch nicht ganz so abwegig.“ „Das fand sie wohl auch nicht. Aber danke, schätze ich", gab er trocken zurück. Jetzt war es an Jane, die Arme vor der Brust zu verschränken und leise schnaubend zur Seite zu blicken. "Bilde dir bloß Nichts darauf ein!", entgegnete die Vampirjägerin schneller als gewohnt, wobei sie sich innerlich dafür verfluchte, die Attribute 'attraktiv' und 'gutaussehend' gedanklich mit ihm in Verbindung gebracht zu haben. Wie gut, dass er keine Gedanken lesen konnte. Ansonsten wäre das hier wahrscheinlich zum reinsten Desaster geworden, so dass sie diesen Vampir hätte aufsuchen müssen, der offenbar Erinnerungen modifizieren konnte. „Es überrascht mich nur, wenn ich bedenke, wie ... fixiert du auf eine gewisse Person bist", sprach die Brünette schließlich, wobei sie versuchte, das eher etwas vorsichtiger und mit Bedacht zu sagen. Schließlich wollte sie keinen weiteren Streit anzetteln und sie wusste nicht, inwiefern sie ihn auf die Neuntagekönigin ansprechen konnte und durfte. Diesmal wusste Aiden nicht mehr, wo er hinsehen sollte. Kurz blickte er auf den Boden, dann wieder in ihre Augen. "Bevor ich dich getroffen habe, war es nicht so… Heftig.“ Als der Vampir weitersprach, hob die junge Frau die Augenbrauen an und ließ ihren Blick langsam wieder zu ihm schweifen. Nun, eigentlich war es logisch, dass die Fixierung extremer wurde, seit er ihr begegnet war. Schließlich war sie eine direkte Nachfahrin der Lady Jane Grey und so wurde er - ob er denn nun wollte oder nicht - mit der Vergangenheit und seiner Liebsten konfrontiert. Da sie davon ausging, dass die Beziehungen aus 'normaleren' Gründen gescheitert waren und nicht wusste, dass es vielmehr daran lag, dass er glaubte ein Heuchler oder unaufrichtig zu sein, stellte sich die Frage, weshalb er denn so sehr daran festhielt. Wieso versuchte er nicht mit allen Mitteln von hier zu verschwinden und sie aus seinem Blickfeld zu verbannen. Es hieß doch nicht umsonst 'Aus den Augen, aus dem Sinn'! Nun, möglicherweise würde er das ja irgendwann tun, wenn sich die Chance ergab und er es endlich eingesehen oder wenn er genug hatte. Die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt... Scheinbar bemerkte der Vampir, dass er seine Begleiterin in Verlegenheit gebracht hatte, denn er räusperte sich und meinte: "Na ja, es war nicht gerade angenehm, so lange alleine zu sein... Deswegen... Trotz Jane..." "Hm. Das kann ich, glaube ich, sogar irgendwie nachvollziehen. Es ist bestimmt komisch und nicht angenehm, so lange völlig abgeschottet zu leben und nicht wirklich sozial irgendwie in Kontakt treten zu können", sprach Jane, da sie davon ausging, dass er wortwörtlich 'allein' gemeint hatte und nicht im Sinne der (männlichen) Bedürfnisse. "Nun, völlig abgeschottet würde ich es nicht nennen, nur ist es nett, ab und an mal mit einer Dame zu sprechen", antwortete er daher, deutlich gelassener als noch vor ein paar Minuten, da sich das Gespräch über sein Liebesleben scheinbar dem Ende zuneigte. Sie nickte knapp und wandte sich dem Schaufenster eines Schmuckladens zu, da sich ihre Überraschung damit gelegt hatte und sie nun eine - in ihren Augen - angemessene Antwort gefunden hatte: Er hatte Frauen an seiner Seite gehabt, weil er während längerer Zeit einsam gewesen war. "Gefällt dir etwas davon?", erkundigte der Vampir sich, da sie nun schon eine ganze Weile vor der Auslage des Schmuckgeschäfts standen. "Hm?", kam es leise und mit einer hochgezogenen Augenbraue über Janes Lippen, als sie Aidens Frage vernahm. "Oh. Na ja, sie haben ein paar schöne Schmuckstücke." Dabei hatte sie allerdings bereits schon ein Auge auf ein paar Weißgold Ohrringe geworfen. Allerdings fiel ihr Blick auf die Uhr, welche ebenfalls in der Vitrine stand, so dass sie sich vom Schaufenster abwandte und ihrem Begleiter andeutete, wieder Richtung Parkhaus zu gehen. "Wir sollten los. Meine Mutter hat in knapp einer halben Stunde Feierabend", meinte sie schließlich und begab sich mit dem Vampir zurück zum Wagen, um sich auf den Weg ins Krankenhaus zu fahren und Elizabeth abzuholen. "Ich schätze, du würdest es begrüßen, wenn wir im Wagen warten und nicht drin?", wollte Jane wissen, als sie ihr Auto parkte und noch immer keinen Anruf von ihrer Mutter erhalten hatte, woraus sie schloss, dass die Ärztin noch immer im Dienst war. Als er nickte, lehnte sich auch die Vampirjägerin ein wenig zurück - jedoch nicht, ohne den Eingang des Krankenhauses im Augen zu behalten. Schließlich wäre es nicht ungewöhnlich, wenn man versuchen würde, ihre Mutter direkt nach dem Feierabend abzufangen. „Deine Mutter ist Ärztin und dein Vater war Architekt, wenn ich richtig verstanden habe?", fing Aiden nach kurzem Schweigen ein neues Gespräch an. "Hat dich Medizin oder Architektur nie interessiert?", fragte er nach einem kurzen Schweigen. "Doch, hat es", erwiderte die junge Frau und blickte kurz auf ihr Handydisplay, um nach der Uhrzeit zu sehen. Sie hatten gut zehn Minuten, bis ihre Mutter offiziell den Feierabend antreten konnte. Es war jedoch fraglich, ob Elizabeth pünktlich rauskommen konnte. Immerhin wusste man ja nie, ob irgendein Notfall eintreffen würde. "Allerdings hätte ich mit Medizin meinen Nebenjob nicht ausüben können und für Architektur... nun. Dafür habe ich wohl zu wenig Geduld und nicht das nötige kreative Köpfchen", fügte Jane hinzu. "Da ich allerdings bis heute nicht wirklich sicher bin, was ich machen möchte, habe ich mich für Wirtschaft entschieden, da dies eine gute Grundlage bietet und man so gut wie alles damit machen kann und Psychologie... nun, dieses Gebiet verfolge ich aus purem Interesse." Wie es aussah, war Jane in ziemlicher Plauderlaune, da sie offen darüber redete und einiges über sich preisgab. Hätte der Vampir ihr diese Frage vor wenigen Wochen gestellt, hätte sie ihn wahrscheinlich ignoriert oder ihn mit einer Waffe zum Teufel gejagt. "Klingt verständlich. Du kommst mir mehr wie eine Macherin vor, wenn du weißt, was ich meine", lächelte er. Mit seinen Vermutungen lag der Vampir gar nicht einmal so falsch - vor allem bezüglich des Architekten-Berufes. Schließlich glich das Bild, Jane zeichnend an einem Schreibtisch, praktisch einer kleinen Komödie. Als ob sie sich stundenlang hinsetzen und irgendwelche 'gebäudetechnische Kunstwerke' kritzeln könnte. Da würde sie vielleicht noch eher irgendein verrücktes Mitglied eines Zirkus werden und wie ein Vagabund durch die Gegend ziehen. Dementsprechend nahm sie ihm seine Worte keineswegs übel, sondern nickte nur leicht. "Wie sieht es bei dir aus? Hast du in deinem langen.... 'Dasein' einige Berufsfelder ausprobiert?", wollte sie wissen. "Kann man so sagen." Er musste eine Weile überlegen, bis ihm wieder einfiel, was er zuerst getan hatte, als er ein Vampir war. "In den ersten Jahren habe ich ehrlich gesagt nicht gearbeitet, aber irgendwann wollte ich doch etwas… Zu tun haben. Zuerst habe ich bei einem Schmied gearbeitet, glaube ich. Eine Zeit lang habe ich auf Schiffen angeheuert, aber das ist nicht so gut gegangen." Das ließ er absichtlich mit einem vagen Lächeln auf sich beruhen, aber Jane verstand es auch so; zu lange auf engem Raum mit Menschen eingesperrt zu sein, war für jemanden von seiner Art einfach nicht die beste Idee. "Danach hab ich verschiedenes ausprobiert. Zuletzt war ich auf Hawaii und habe Surfen gelernt und danach anderen beigebracht." "Hmm... verstehe. Du bist also ziemlich rumgekommen. Beruflich, aber auch geografisch", meinte die junge Frau als er von seinen Jobs erzählte. In der Hinsicht war ein ewiges Leben wirklich von Vorteil. Man konnte sich in aller Ruhe jedes noch so kleine Fleckchen der Welt ansehen und miterleben, wie sich die Menschheit veränderte. Bevor Jane noch etwas sagen konnte, erschien schon Elizabeth, worauf sie erleichtert aufatmete und lächelte. Zwar hatte sie gewusst, dass ihre Mutter im Krankenhaus gut aufgehoben war, doch sie so gesund und normal zu sehen, beruhigte sie ungemein. "Irgendwelche komischen Ereignisse?", wollte die Vampirjägerin wissen, als sie den Wagen vom Parkplatz beförderte und nach Hause fuhr. Aus ihrem Blickwinkel konnte sie sehen, dass die ältere Dame den Kopf schüttelte, weshalb sie nur kurz nickte und sich weiter auf die Straße konzentrierte. Aiden Nach gut fünfzehn Minuten betraten sie zu dritt das McCollins Anwesen. Aiden sah sich auf dem kurzen Weg zur Haustür um und fragte sich, ob Eldric den Damen bereits Geleitschutz zur Verfügung gestellt hatte. In der Nähe war wohl zumindest niemand, sodass der Hausgast den Ladies nach drinnen folgte. Im Wohnzimmer händigte die junge Frau ihrer Mutter die Kette aus und erklärte, wozu es nötig war, diese für den Moment ständig zu tragen. Wie erwartet empfand es Elizabeth als ein wenig eigenartig, doch um die Gefahr zu minimieren, zog sie den Schmuck ohne zu murren an. Während Jane ihrer Mutter die Bedeutung des neuen Schmucks erklärte, verstaute Aiden seine Einkäufe in seinem Zimmer, das so wenigstens nicht mehr ganz so kläglich wirkte. Trotzdem runzelte er missbilligend die Stirn, als er sich an die, seiner Meinung nach, überhöhte Rechnung erinnerte. Nur, weil Jane so verlegen und gleichzeitig aufrichtig geredet hatte, hatte er sich einlullen lassen. Das war ziemlich frustrierend. Nachdem dies erledigt war, kehrte der Vampir zu seinen Gastgeberinnen zurück und sah, wie die Vampirjägerin in die Küche verschwand, um das Abendessen vorzubereiten, während die Ärztin zu Aiden trat und ihm die zwei Blutkonserven in einem kleinen Paket übergab. Dabei kam sie nicht umhin, ihn neugierig zu mustern. "Darf ich fragen... wie du die trinkst? In einem Glas, mit Strohhalm oder reißt du sie einfach auf? Ist der Geschmack und die Wirkung irgendwie anders, als wenn du... uhm.. wie soll ich sagen ... 'direkt' trinkst?", fragte die Dame des Hauses vorsichtig, da sie nicht wusste, dass dies ein heikles und intimes Thema für Vampire war. Außerdem war er der erste seiner Art, mit dem sie sich seit Langem unterhielt. Aiden vermutete, dass sie genauso wenig mit seinesgleichen geredet hatte wie ihre Tochter, immerhin war ihr Mann ein Jäger gewesen. „Ähm...", machte der Vampir, der plötzlich die Kiste mit seinem Abendessen in der Hand hielt, ein wenig überfordert. Es war ihm unangenehm, über seine "Essgewohnheiten" zu sprechen - immerhin stand Elizabeth mehr oder weniger auf dem Speiseplan. Andererseits verstand er natürlich ihre Neugierde, und da sie ihn hier aufnahm und versorgte, standen ihr wohl ein paar Antworten zu. Also räusperte er sich und erklärte geflissentlich: "Ich habe das erst ein Mal gemacht, als Jane mir Konserven gegeben hat. Da hatte ich kein anderes Gefäß, also hab ich es einfach so... Getrunken." Ein Grund, aus dem es ihm schwer fiel, darüber zu reden, war, dass er sich vorstellen könnte, dass Elizabeth es als ekelhaft empfinden konnte und er sie nicht anwidern wollte. Natürlich war die als Ärztin einiges gewohnt, aber zwischen Blutverlust und Blut Trinken war wohl nochmal ein gewaltiger Unterschied. "Der Geschmack ist durch das Plastik anders und die Wirkung ist etwas abgeschwächt. Ich denke, das liegt daran, dass das Blut bereits 'tot' ist, wenn man das so sagen kann... Dürfte ich wohl Ihre Waschküche benutzen?", warf er dann rasch ein, ehe der Hausherrin noch mehr unangenehme Fragen einfielen. Neugierde gehörte ja zu ihrem Beruf, da wäre das wohl kaum verwunderlich. Aiden schämte sich für diesen doch sehr plumpen Fluchtversuch, aber der Blutgeruch setzte ihm zu, nachdem er ein paar Tage nichts getrunken hatte. Er spürte bereits, wie seine Reißzähne gegen die Oberlippe drückten und er wollte nicht, dass Elizabeth oder ihre Tochter das sahen und womöglich als Drohung empfanden. Die Ärztin lächelte nur schwach. "Tut mir Leid. Ich wollte nicht unhöflich oder aufdringlich sein. Es interessiert mich als Medizinerin einfach sehr", entschuldigte sich die kurzhaarige Brünette. "Nein, bitte, fragen Sie ruhig", lenkte Aiden sofort ein, der sich ziemlich unhöflich vorkam. Sie hatte sich ja nur für ihn interessiert, das war eigentlich sehr nett. "Ich bin es nur nicht gewohnt, mit jemandem zusammen zu wohnen - Vor allem nicht mit Menschen", erklärte er mit einem etwas verlegenen Lächeln. Es gefiel ihm, so viel Zeit mit Jane zu verbringen, und auch ihre Mutter mochte er bereits, aber dauerhaft um andere Leute zu sein kannte er einfach nicht. Und die meisten Personen, mit denen er längerfristig zu tun hatte, mussten solche Fragen nun mal nicht stellen. „Das ist verständlich… Aber wir verschieben es vielleicht auf ein andermal“, lächelte die Hausherrin und deutete auf eine Tür, die direkt runter in den großen Keller führte. "Wenn du runtergehst, kommst du zuerst in einen Aufenthaltsraum. Die Tür links führt in den Wäscheraum." Bevor Aiden jedoch gehen konnte, nahm Elizabeth ihm einfach die Kleider ab, die vor dem ersten Tragen gewaschen werden mussten und er deshalb mit aus seinem Zimmer runtergebracht hatte. "Da wir ohnehin Wäsche zu waschen haben, mache ich das gleich für dich. Es wäre doch Verschwendung, wenn wir separat waschen, wenn man doch gleich alles gemeinsam in eine Ladung tun kann. Außerdem kannst du so in Ruhe etwas ... essen." Ohne auf seine Antwort zu warten, verschwand die Ärztin nach unten, um sich um darum zu kümmern. Seufzend fuhr er sich durch die Haare; dieses Nicht-Dulden von Wiederspruch hatten die Damen des Hauses eindeutig gemeinsam… Immerhin hätte er auch die Wäsche der Frauen machen können. Andererseits wäre er wahrscheinlich ziemlich verlegen geworden, wenn er plötzlich Janes Unterwäsche in der Hand gehabt hätte, aber darüber dachte er natürlich gar nicht nach. Trotzdem befolgte er den Rat der Ärztin und trank erstmal etwas. Dafür zog er sich allerdings nach draußen zurück, denn er wollte keinesfalls nochmal so einen Beinahe-Zwischenfall wie bei seinem Gespräch mit Jane im Wald. Noch dazu sollten die zwei ihm nicht zusehen, egal, wie neugierig Elizabeth war. In Ermangelung eines Glases (Und irgendwie wäre es ihm komisch erschienen, den Inhalt einer Blutkonserve in einen Becher zu kippen) hielt er es wie beim ersten Mal und trank einfach aus der Konserve. Dabei verzog er leicht das Gesicht; mögen würde er diese Art der Ernährung wohl nie, aber solange es der Sicherheit seiner Gastgeberinnen und deren Wohlbefinden diente, würde er sich damit arrangieren können. Nachdem er ausgetrunken hatte, sah er sich noch etwas auf dem Anwesen um, wobei ihm auffiel, dass die Fremde schon wieder hier gewesen war. Leise knurrend verfolgte er die Fährte - Aber sie verlor sich erneut nach einer kurzen Strecke. Unterwegs traf er einen Mann und eine Frau, die er für Mitglieder des Zirkels hielt. Da er sich aber nicht sicher sein konnte, sprach er sie nicht an, sondern kehrte nach Hause zurück, wo die beiden Bewohnerinnen bereits beim Essen waren. "Guten Appetit", wünschte er und setzte sich höflicherweise zu den Frauen, dann sah er Jane an. "Sie war schon wieder hier. Ich glaube, deine Kollegen verfolgen die Spur bereits", erklärte er ihr, weil es ja mehr als gut sein konnte, dass sie gleich aufspringen und mitmischen wollte. Immerhin war ihre Mutter jetzt durch andere Mitglieder der Organisation geschützt, sodass sie das Haus auch mal unbewacht lassen konnte. "Wir brechen in einer Dreiviertelstunde auf", bestätigte sie seine Vermutung direkt und entschlossen, worauf Elizabeth leise aufseufzte. Die Tatsache, dass ihre Tochter nun wieder losziehen und eine blutrünstige Kreatur jagen wollte, missfiel ihr sichtlich. „Keine Sorge, Mom. Ich passe auf", versuchte sie ihre Mutter dementsprechend mit einem schwachen Lächeln zu beruhigen, worauf die Angesprochene leicht, aber kaum merklich nickte. Als Jane sich umziehen ging, blieb Aiden deshalb in der Küche und half seiner Gastgeberin beim Abwasch. "Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, aber machen Sie sich bitte keine Sorgen. Ihrer Tochter wird nichts passieren", versprach er sanft, sobald die jüngere McCollins außer Hörweite war. Elizabeth musterte ihn kurz ein wenig überrascht, dann nickte sie sanft lächelnd. "Danke, Aiden." Kurz darauf kehrte seine Jagdpartnerin aber auch schon in der bereits gewohnten Kluft zurück und das Jägerteam verließ gemeinsam das Haus, um in Janes Wagen zu steigen. Sie fragte ihn nach der Fährte und er deutete bei der Ausfahrt nach links. "Ein paar Straßen runter Richtung Süden hab ich ihre Spur verloren", erklärte der Vampir und deutete ihr während des Fahren die Richtung an. Ein paar Minuten später erreichten sie die Stelle, an der die Fährte im Sande verlief. Die luxuriöse Wohngegend wich langsam mittelständischen Häusern, aber noch immer war hier zu viel los, als das ein Vampir sein Jagdgebiet hier gewählt hätte. Zusammen mit Jane stieg Aiden aus und zeigte ihr die Kreuzung, auf der sich der Geruch verlor. "Wie weit konntest du die Spur zurückverfolgen?", wollte die junge Frau von Aiden wissen, als sie ausstiegen. "Ich weiß nicht, wo sie von hier aus hin ist. Aber in der Nähe ist eine Bushaltestelle, vielleicht hat sie die öffentlichen genommen. Oder sie hat ein Auto", überlegte er weiter, während seine Begleiterin sich umsah. In dem Moment fiel ihm auf, dass sie nicht alleine waren und er richtete den Blick auf das Paar, das ihm schon zuvor aufgefallen war. Sie standen auf der anderen Seite der Kreuzung, halb verborgen hinter einem Transporter. Von den Bruchstücken aus zu schließen, die er über den Straßenlärm hinweg hören konnte, diskutierten sie gerade, ob er der 'Ungefährliche' Vampir war, von dem sie in ihrem Auftrag gelesen hatten, oder ob sie die 'Jungfrau in Nöten' (aka Jane) retten sollten. Ohne den Blick von ihnen abzuwenden, sagte er zu seiner Partnerin: "Glaubst du, deine Kollegen kommen von selbst drauf, dass du mich schon längst angegriffen hättest, wenn du mich nicht kennen würdest? Oder sollen wir ihnen das lieber sagen?" Die zwei waren wohl Menschen, sonst hätten sie das gehört. Er war sich nicht sicher, ob Jane ihre beiden Kollegen schon bemerkt hatte, immerhin waren sie ein Stück entfernt und er hatte mit ihrer Anwesenheit gerechnet, weil er sie vorhin schon gesehen hatte. Jane dagegen brauchte einen Moment, bis sie seinem Blick folgte und verstand, wovon ihr Begleiter redete. Als sie die anderen Jäger sah, knurrte sie ungeduldig, da sie Inkompetenz nicht leiden konnte, wie Aiden wusste. „Hingehen und es ihnen sagen wäre zu auffällig. Wer weiß, ob diese Verfolgerin uns von irgendwo beobachtet", meinte sie auf seinen Vorschlag hin nur und seufzte genervt, bevor sie ohne jegliche Vorwarnung seine Hand nahm, ihre Finger mit seinen verschränkte und ihn mit sich zog. "Komm mit." Völlig verdutzt sah er auf ihre schmalen Finger, die sich warm und weich an seine schmiegten, und sämtliches Blut, dass er vorhin getrunken hatte, stieg ihm in den Kopf. "Ähm…", versuchte er es auch bei seiner Partnerin noch mal mit demselben unartikulierten Laut wie schon vorhin bei Elizabeth. Die zwei waren aber auch wahnsinnig gut darin, ihn zu überfordern. Allerdings waren die momentanen Anforderungen sehr klar gesetzt, indem er der jungen Frau folgen musste, als diese betont gelassen über die Straße spazierte. Zuerst war er so verwirrt davon, WAS sie getan hatte, dass er sich gar nicht fragen könnte, WARUM sie es tat. Als sie aber so direkt durch das Sichtfeld der Zirkelmitglieder spazierten, um zur Bushaltestelle zu gelangen, ging ihm jedoch ein Licht auf. Ihre Kollegen durften ja wohl kaum davon ausgehen, dass sie Händchenhalten würde mit einem fremden, geschweige denn feindlichen Vampir. Er zog die Brauen hoch und sah skeptisch lächelnd zu ihr rüber. Ihr war wohl wirklich jedes Mittel zum Zweck recht... Und jetzt, wo er sich langsam daran gewöhnte, musste Aiden zugeben, dass ihre Hand sich alles andere als schlecht in seiner anfühlte. Wie klein ihre Finger waren... 'Ihr seid ja ein süßes Paar' - ob das die anderen Passanten auch dachten? Er schob diese Überlegung beiseite und besah sich wie auch seine Begleitung den Stadtplan an der Haltestelle an, obwohl er nicht ganz sicher war, was Jane sich davon erhoffte. "Hatte Richard laut der Akten irgendwelche näheren Verwandten? Immerhin ist das das einzige, das wir gemeinsam haben, außer der Uni. Und dort habe ich persönlich außer mir keinen Vampir gesehen", überlegte er, wobei er die Hand seiner Begleitung nicht los ließ. Sie hatte das angefangen, sollte sie es doch beenden... Auch wenn es ihn, ehrlich gesagt, ein wenig nervös machte, sie zu berühren. Aber er war ja ein Vampir, also gab es keinen verräterischen Puls, den sie durch seine kühle Hand hätte spüren können und keinen peinlichen Schweißfilm, der ihre Haut an seine klebte. "Nun... zwei seiner näheren Verwandten hat er umgebracht und der Rest seiner Familie wollte laut Informationsquellen nichts mehr mit ihm zu tun haben, da er bereits als Mensch überaus gefährlich war. Darum können wir ihn eigentlich ausschließen", erklärte die Vampirjägerin leise und blickte weiterhin auf die Karte. Mit einem Nicken verwarf er den Gedanken, den man aber wohl hatte in Betracht ziehen müssen. Immerhin musste es auf die eine oder andere Art sie beide etwas angehen. Er versuchte, sich einen Reim auf das Ganze zu machen, mit dem Blick zu den anderen Zirkelmitgliedern, die seiner Meinung nach langsam mal hätten Leine ziehen können. Er war hier, somit war Jane nicht in Gefahr. Sie brauchten nicht in unmittelbarer Nähe herumlungern. Sollten sie lieber etwas Nützliches machen und versuchen, die Spuren der Verfolgerin ausfindig zu machen. Nachdenklich studierte Jane das Papier vor sich, da allein zwei Buslinien hier vorbeifuhren und somit die Richtung eingrenzten, in die ihre Verfolgerin hätte verschwinden können - wenn sie denn öffentliche Verkehrsmittel benutzt hätte. Allerdings fand sie dort zu dem Zeitpunkt wohl keinen roten Faden, weshalb sie schwer aufseufzte und sich durch die Haare fahren wollte. Sie hielt dann aber inne, als sie merkte, dass sie noch immer Aidens Hand hielt. Ohne etwas zu sagen, ließ sie von ihm ab und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich glaube, ich werde nachher noch einmal über die Akten gehen. Soweit ich weiß, war ich in diesen beiden Bezirken nicht tätig, aber vielleicht kann Eldric herausfinden, ob irgendein Verwandter der getöteten Vampire da lebt", meinte die Brünette und sah sich leise seufzend um. Da sie jetzt wohl nichts mehr tun konnten, deutete sie ihrem Begleiter an, ihr wieder zum Wagen zu folgen, damit sie nach Hause fahren konnten. "Langsam verstehe ich, warum du keine Ermittlungsarbeit machen möchtest. Das ist ziemlich frustrierend", bemerkte Aiden, als sie unverrichteter Dinge zurückkehrten. Er überlegte, ob er sich noch mal auf den Weg machen und mit ein paar Leuten sprechen sollte, immerhin wurden die beiden Frauen jetzt bewacht. Aber wie auch Jane war es ihm lieber, selbst vor Ort zu sein und auf die beiden achten zu können. Natürlich hätte er seine Partnerin mitnehmen können, aber das hätte sie direkt auf den Radar der Szene gebracht. Irgendjemand wusste sowieso schon von seiner Verbindung zu ihr, und das wollte er nicht noch weiter herausfordern. "Du hast ihre Fährte bisher dreimal vernommen, oder? Verliefen sie alle in die gleiche Richtung?", wollte sie während der Fahrt von ihm wissen. Wenn dies der Fall war, würden sie das Gebiet vielleicht sogar ein wenig einschränken können - was wirklich von Vorteil wäre. "Während wir nicht gesprochen haben, war sie mehrmals hier, aber ich bin ihr nie weiter gefolgt", antwortete Aiden, der den anderen Jägern noch einen nachdenklichen Blick zuwarf, ehe sie aus seinem Sichtfeld verschwanden. Wenn er Janes fester Partner gewesen wäre, hätten sie ihn sicherlich nicht so misstrauisch beäugt… Aus dem Augenwinkel sah er zu Jane, die auf so etwas im Moment sicherlich keinen Gedanken verschwendete. Nur, um an ihrer Seite akzeptiert zu werden, wäre es auch unsinnig, so einen Vertrag einzugehen. "Als wir uns wieder gesehen haben, konnte ich ihr auch nicht folgen, aber sie war in die andere Richtung der Straße unterwegs. Und sonst konnte ich ihr ehrlich gesagt nur ein paar Straßen weit folgen. Es könnte also gut sein, dass sie jetzt will, dass wir ihr folgen. Immerhin kann sie dich im Moment nicht in eurem Haus herausfordern, ohne ein halbes Dutzend Jäger auf den Plan zu rufen. Sie könnte versuchen, dich ganz bewusst von dort weg zu locken", überlegte er weiter, wobei er davon ausging, dass das funktionieren könnte. Wenn Jane die Möglichkeit hatte, sich der Fremden zu stellen und sie unschädlich zu machen, würde sie das tun, zumindest schätzte Aiden sie so ein. "Hmm... Vielleicht sollten wir versuchen, den Spieß umzudrehen", meinte die junge Frau leise, während sich ihr Griff am Lenkrad ein wenig verfestigte, so dass es kaum merklich knarzte. "Ich weiß, es passt dir nicht, aber in dem Fall wäre es vielleicht das Günstigste, wenn ich den Lockvogel spiele", sprach sie weiter, ehe sie den Wagen in der Garage parkte und anschließend ausstieg. Anstatt sofort reinzugehen, blieb sie an ihrem Auto stehen und blickte ihren Begleiter mit verschränkten Armen an. "Es ist ja nicht so, dass ich völlig allein wäre. Du und meine dutzende Bodyguards seid doch in der Nähe und könnt sofort eingreifen, sobald sie sich zeigt. Außerdem könnte man das bis ins Detail planen und versuchen, die Gefahr zu minimieren", fuhr die Brünette nach einem kurzen Schweigen fort. Sie suchten die Verfolgerin ja bereits, eine größere Drohung als ein ganzer Haufen Jäger, die ihr Ziel umstellten, konnte es kaum geben. Sie befanden sich im Moment in einer Patt-Situation, und das nur, weil sie die Fremde nicht stellen konnten. Wenn sie etwas von den McCollins wollte, würde sie aus ihrer Deckung kommen und sich somit in Gefahr begeben müssen. Von dem her war es äußerst unlogisch, sich selbst als Zielscheibe anzubieten. Natürlich sah Jane das mal wieder anders. Aiden gab ein ungeduldiges Knurren von sich; ihr musste doch klar sein, dass er absolut nichts davon halten würde, sie in unmittelbare Gefahr zu bringen, und das hatte nichts damit zu tun, dass er sie für wehrlos oder unfähig hielt. Er stieg ebenfalls aus und verschränkte unwillig die Arme vor der Brust, versuchte aber sogar, besonnen über ihren Vorschlag nachzudenken. Natürlich gäbe es Vorteile, zum Beispiel würden sie nicht mehr derartig in der Schwebe hängen. Und vor allem hätte Jane etwas zu tun, bei dem sie trotzdem noch unter Sicherheitsvorkehrungen agierte. Er wartete nämlich immer noch darauf, dass sie sich alleine auf den Weg machte, wenn ihr das Ganze zu lange dauerte - Dass ihre Mutter jetzt in Sicherheit war, begünstigte dieses Verhalten seiner Meinung nach nur noch Und trotzdem wollte ihm diese Idee einfach nicht gefallen. Er wusste genau, warum sie das hier besprachen; damit Elizabeth das nicht mitbekam. Denn ihre Mutter wäre mit Sicherheit auf Aidens Seite, was die wahnwitzigen Pläne ihrer Tochter anging. "So etwas kann man nie ´Bis ins kleinste Detail` planen. Irgendwas geht immer schief. Ich war auch bei dir, als Richard dich fast gebissen hätte", gab Aiden zu bedenken, dem es selbst nicht gefiel, sich an dieses Ereignis zu erinnern. Aber wie gesagt, er wollte es zumindest in Erwägung ziehen, also zuckte er schicksalsergeben die Schulter. "Aber man kann wohl darüber nachdenken. Hast du eine Idee, wie genau du das anstellen möchtest - Ohne dich in Lebensgefahr zu bringen?" "Das mit Richard war ein Fehler meinerseits, der diesmal ganz bestimmt nicht passieren wird", stellte die Brünette sofort klar. "Das war nicht dein Fehler, aber darum geht es jetzt nicht. Im Moment ist es das logischste, einfach abzuwarten. Wenn sie wirklich etwas von euch will, muss sie auf uns zukommen, und wenn die Jäger sie abschrecken, umso besser. Das einzige, das du brauchst, ist Geduld." Ihm war natürlich überaus bewusst, dass es Jane genau daran mangelte. Einen klitzekleinen Moment blickte sie ihn nur an, ehe sie schwer aufseufzte und mit langsamen Schritten auf ihn zuging. Als sie unmittelbar vor ihm stand, ergriff sie - bereits zum zweiten Male an diesem Tag - seine Hände und drückte diese mit einem zarten, aber doch bewussten Druck. Erneut wurde ihm bewusst, wie warm sich ihre Finger in seinen anfühlten. "Es kann gefährlich sein, aber wenn wir Eldric hinzuziehen wird es bestimmt deutlich sicherer sein. Er wird schon dafür sorgen, dass Nichts schief geht", sprach Jane in einem leisen, beinahe schon flehenden Ton, in dem aeine süßliche Note zu hören war. Dabei blickte die junge Frau mit dem Ansatz eines Schmollmundes und großen Augen zu ihm hoch, um den Effekt ihrer Überredung zu verstärken. "Bitte, Aiden", fügte sie anschließend leise hauchend hinzu. "Ich werde sonst noch wahnsinnig, wenn wir nicht bald weiterkommen. Immerhin bedroht sie auch meine Mutter..." Er sah von ihren Händen in ihr Gesicht und wusste genau, was sie damit vorhatte. Es wurde noch offensichtlicher, als sie ihn dann auch noch ansprach, und trotzdem… Die Art, wie sie ihn ansah, wie ihr Duft ihm in die Nase stieg, wie anders sie plötzlich sprach, sogar seinen Namen sagte… Er schluckte, sah zur Seite und verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere, während er dagegen ankämpfte, einfach sofort exakt das zu tun, was sie wollte. Es war unlogisch, was sie von ihm wollte, und er wusste, dass sie ihn durch ihr Verhalten nur manipulierte wollte. Ihrem Willen zu folgen wäre eine reine Gefälligkeit… Das Problem war nur, dass Aiden genau das wollte: Ihr gefallen. Wenn sie jetzt noch gesagt hätte, dass er selbst, Aiden, dafür sorgen könnte, dass ihr sicher nichts passierte, wäre er hundertprozentig dabei gewesen. "Du bist echt anstrengend…", seufzte er und fuhr sich über das Gesicht, wofür er eine Hand aus ihrer löste. "Na schön. Lass uns mit Eldric darüber sprechen", sagte er schließlich hilflos ergeben, wobei er sie jedoch unzufrieden ansah. "Allerdings stelle ich es mir schwer vor, ihr eine Falle zu stellen. Sie weiß spätestens, seit die ganzen Leute hier aufgetaucht sind, dass wir sie auf dem Radar haben. Bevor sie sich dir irgendwie nähert, wird sie versuchen, hundertprozentig sicher zu gehen, dass ihr alleine seid." Es ärgerte ihn so sehr, dass er derartig anfällig war für Janes Annäherungsversuche, dass er die andere Hand von ihr wegzog. Er fuhr sich durch die Haare, schüttelte den Kopf und machte Anstalten, ins Haus zu gehen. „Ich bin mir sicher, dass wir eine geeignete Lösung dazu finden werden. In unserem Fall könnten wir ja so etwas wie ein Streitgespräch vortäuschen", erwiderte Jane höchst zufrieden. "Da muss man nichts vortäuschen...", murrte Aiden mehr zu sich selbst. Sie bräuchte nur noch so eine Idee bringen, dann wäre es tatsächlich so weit... Natürlich stimmte das nicht, immerhin hatte der Vampir sich fest vorgenommen, nicht mehr so wütend auf Jane zu reagieren, obwohl sie es eindeutig beherrschte, die richtigen Knöpfe bei ihm zu drücken. Gerade war er weniger wütend als viel mehr gestresst. Was musste sie ihn heute den ganzen Tag antatschen...? „Du hattest deiner Mutter versprochen, dich nicht in Gefahr zu begeben. Ich glaube nicht, dass diese Idee dieses Kriterium erfüllt", sagte er noch dazu, während sie die Tür aufsperrte. Das ließ sie innehalten. Aiden warf ihr einen kühlen Blick zu und wollte weiter gehen, als sie plötzlich beide Arme um seinen schlang und ihn flehentlich ansah. "Das mit dem Versprechen...", begann Jane dann erneut leise und mit einem liebreizenden Ton. "... Denkst du, du könntest das vielleicht für dich behalten? Ich möchte nicht, dass sie sich unnötig den Kopf zerbricht und es könnte für den Plan hinderlich sein." Etwas überaus Warmes und Weiches und lebendiges war an seinem Arm. Ihr Herzschlag, fast auf seiner Haut… Aiden blinzelte ein paar Mal und löste sich aus ihrem Griff. Dabei wich er ein paar Schritte zurück und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. "Genug jetzt", wies er sie streng zurecht, was wohl an Wirkung verlor, da er ziemlich nervös war. Aber wie hätte er das nicht sein können? Seine Kleidung roch jetzt nach Jane. "Ich habe nicht sagen wollen, dass ich es deiner Mutter erzähle, also ist es nicht nötig zu... W-was auch immer das werden soll", endete er mit einer undefinierbaren Handbewegung die Janes ganze Gestalt einschloss. "Ich weiß gar nicht, was du meinst", gab sie unschuldig von sich, wobei ihre Mundwinkel verräterisch zuckten. Natürlich wusste sie ganz genau, was er meinte. Aiden warf ihr noch einen tadelnden (und verlegenen) Blick zu und flüchtete er vor ihren 'Avancen' ins Haus, wobei er vom Flur aus ihr leises Kichern hörte, das ihn nur noch unbehaglicher machte. Seine Pläne, mal zu schlafen, hatte er inzwischen aufgegeben. Wahrscheinlich zog er wieder los, sobald es völlig dunkel war. Er fühlte sich jetzt schon unruhig, was er mit Janes Verhalten in Verbindung brachte, weil das gerade alles war, an das er denken konnte. Sicher hatte es aber auch damit zu tun, dass er lange nicht wirklich jagen gewesen war und er, obwohl er nicht durstig war, eine Art 'Bewegungsdrang' verspürte. Sie wusste ganz genau, dass er ihr völlig verfallen war und nutzte das schamlos aus. Das war unfair und eigentlich sinnlos. Immerhin hatte er mehr als ein Mal klar gemacht, dass er auf ihrer Seite stand und sie unterstützte, egal, was sie vorhatte. Da brauchte sie ihn nicht auch noch zu manipulieren. Und trotzdem, dachte er und bewegte die Hand, die sie zuvor gehalten hatte, War ihre Hand so warm... Kapitel 15: Wie du mir, so ich dir ---------------------------------- Als Jane am nächsten Tag ihr Zimmer verließ, fiel ihr Blick unwillkürlich auf Aidens offenstehende Zimmertür. Ihr frisch gebackener Bodyguard war also schon auf den Beinen, wie sie wenig überrascht feststellte. Die Vampirjägerin wusste durch ihre Ausbildung, dass Untote bedeutend weniger Schlaf benötigten als Lebende, aber Aiden schien so oft wie möglich zu vermeiden, sich in seinen Räumlichkeiten aufzuhalten, woraus seine Gastgeberin schloss, dass er kaum schlief. Ob das nun an seinem übersteigerten Pflichtbewusstsein lag oder ihm seine Unterbringung nicht zusagte, konnte sie dabei nicht sagen. Vielleicht lag es an ihrem Verhalten vom letzten Abend, überlegte die junge Frau auf dem Weg ins Badezimmer, und ein Schmunzeln schlich sich auf ihre Lippen. Ein wenig übertrieben hatte sie es ja schon; der Vampir hatte vollkommen überfordert auf das bisschen Körperlichkeit reagiert. Sie selbst war zufrieden mit sich, zeigte das doch, dass sie durchaus in der Lage war, ihre weiblichen Reize zu ihrem Vorteil einzusetzen. Obwohl er fast ein halbes Jahrtausend alt war und laut seiner eigenen Aussage bereits mit Frauen zusammen gewesen war, hatte Aiden wie ein kleiner, unerfahrener Junge gewirkt, und hätte sie nicht gewusst, dass das an ihrem Blut lag, hätte sie es fast süß gefunden. Wie schon am letzten Abend ließ sie sich zu einem leisen Lachen hinreißen ehe sie sich um ihre Morgenroutine kümmerte. Der Hausgast der McCollins saß bereits am Tisch und unterhielt sich mit Elizabeth, als Jane in die Küche trat. Ohne dass er sich eingemischt hätte klärten die Frauen wichtige Details bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen und Abholzeiten, dann machte die Ärztin sich schon auf den Weg zur Arbeit. Wie zu erwarten gewesen war, gab es eine kleine Diskussion, was Aidens Anwesenheit in den Vorlesungen anbelangte. Allerdings brauchte Jane ein wenig Freiraum für sich, wollte Luft zum Atmen, weshalb sie ihm verklickerte, sie lediglich zur Universität zu bringen und abzuholen. Immerhin war die Wahrscheinlichkeit relativ klein, dass die blutrünstige Verfolgerin ihr auf dem Campus beziehungsweise im Universitätsgebäude etwas antun würde. Ihre Vermutung bestätigte sich, da sie nach ihren Kursen wie erwartet unversehrt mit Logan nach draußen schritt und den Wagen ansteuerte, an dem ihr persönlicher Bodyguard lehnte. Als er glaubte, noch außerhalb von Aidens Hörweite zu sein, fasste Logan Jane an der Schulter und hielt sie zurück, sodass sie ein wenig erstaunt in sein besorgtes Gesicht blickte. „Jane… Können wir kurz reden?“ „Hm? Ja, klar. Lass uns da rüber gehen“, schlug sie vor und ging mit ihrem Freund zu einer weiter entfernten Baumreihe, von der aus der Vampir an ihrem Wagen sie sicher nicht belauschen konnte. Dort angekommen sah sie ihren Kommilitonen fragend an. „Und? Was gibt´s?“ „Ich wollte dir nur sagen, dass ich für dich da bin, wenn du Hilfe brauchst.“ Als er Janes verblüfften Gesichtsausdruck bemerkte, lächelte er und nahm ihre Hand. „Irgendwas bedrückt dich doch in letzter Zeit, und du sollst wissen, dass du mit mir reden kannst, wenn du möchtest. Wir können auch einfach was machen, um dich abzulenken. Wie du möchtest. Aber du bist nicht alleine, ja?“ Die Vampirjägerin hätte nicht damit gerechnet, dass man ihr ihre Sorge wegen der momentanen Situation so anmerkte. Andererseits war Logan eben sehr emphatisch und stets hilfsbereit, was sie sehr an ihm schätzte. Allerdings konnte er im Moment nichts für sie tun, weshalb sie ihn nur umarmte, vielleicht eine Spur fester, als sie es sonst getan hätte. „Du bist echt ein Schatz.“ „Mhm… Aber wohl nicht der Richtige, um dir zu helfen…“, murmelte er, als er sich löste, mit einem Blick in Richtung von Janes Wagen – und somit zu Aiden. „So ist das nicht“, protestierte Jane sofort, indem sie die Hand auf Logans Brust legte. Eigentlich wollte sie nicht mit ihren Freunden über ihren Job reden, nicht mal andeutungsweise, doch genauso wenig wollte sie, dass Logan etwas falsch verstand, also erklärte sie vage: „Es ist nur… Etwas, bei dem nur Aiden mir helfen kann. Aber ich weiß dein Angebot wirklich sehr zu schätzen. Mehr als alles andere. Danke, Logan.“ Als sie ihn warm anlächelte, entspannte der junge Mann sich merklich und lächelte zurück. „Für dich immer… Tut mir leid, dass ich so neugierig war.“ „Nein, ist doch klar! Mir tut´s leid, dass du dir meinetwegen Sorgen gemacht hast.“ Als sie merkten, dass sie sich nur beieinander entschuldigten, lachten die Studenten und Logan wuschelte ihr sanft durchs Haar. Sie plauderten noch ein wenig, dann begleitete er sie zu ihrem Wagen und verabschiedete sich von Jane und Aiden. Letzterer hatte sich wirklich gemacht, was seinen Umgang mit Logan anging. War er am Anfang noch herablassend gegenüber dem ´Jungen`, wie er ihn ständig genannt hatte, gewesen, so nickte er ihm jetzt höflich zu, bevor er in den Wagen stieg. Jane war in Gedanken noch bei ihrem Gespräch mit Logan, als sie losfuhr. Er war immer so aufmerksam, freundlich und verständnisvoll. Ob er ihren Nebenjob auch verstehen würde? Doch sie konnte weder ihm noch ihren anderen Freunden davon erzählen, das würde sie nur genauso in Gefahr bringen wie ihre Mutter es im Moment schon war. „Ich habe darüber nachgedacht, wie wir deinen Plan umsetzen können, aber mir fällt einfach nichts ein, wie wir sie aus der Reserve locken könnten“, fing Aiden an, nachdem sie eine Weile schweigend gefahren waren. „Wir haben kein Druckmittel gegen sie und wir wissen nicht mal, wo wir dich platzieren könnten, um sie aus ihrem Versteck zu locken. Es sei denn, dir ist in der Zwischenzeit etwas eingefallen?" "Wir würden sie ja bereits aus der Reserve locken, wenn ich eine gewisse Distanz augenscheinlich alleine zurücklege. Was den Ort angeht... da bin ich mir sicher, dass Eldric etwas Geeignetes findet, sobald wir ihn von dem Plan in Kenntnis gesetzt haben", erwiderte die Brünette schlicht. Jane wollte ihre Meinung nicht ändern, sondern das Ganze endlich in die Tat umsetzen. Länger würde sie es nicht aushalten. Sie musste einfach etwas tun. Zwar war ihr noch nichts Konkretes in den Sinn gekommen, doch blickte sie dem Ganzen optimistisch entgegen. "Aber damit sie uns abkauft, dass du ´augenscheinlich` alleine bist, müssten wir ganz schön weit weg sein. Sie kann mich immerhin wittern", gab er zu bedenken. Dann fiel ihm wohl etwas ein, das ihm ganz und gar nicht passte, denn er rümpfte die Nase, als er sagte: „Und ich lasse dich garantiert nicht alleine.“ Zuhause angekommen, wollte die Wirtschaftsstudentin sich eigentlich auf ihrem Zimmer zurückziehen, um einige Dinge zu erledigen, doch Aidens typisches Gemosere hielt sie von ihrer Ruhe ab. Allerdings kam sie gar nicht dazu, etwas zu erwidern, da sie der Klingelton ihres Handys unterbrach. Ohne zu antworten, kramte die Brünette das Mobiltelefon aus der Tasche und konnte den Namen ihrer Mutter auf dem Display erblicken, sodass sich ein ungutes Gefühl in ihr breit machte. Wieso rief sie jetzt an? Kaum hatte die junge Frau den Anruf entgegen genommen, konnte sie schon die leise, zittrige und etwas atemlose Stimme ihrer Mutter vernehmen. "Jane... Liebes...", sprach Elizabeth kaum hörbar, worauf sich die Angesprochene sofort verkrampfte und die Tasche aus der Hand fallen ließ, um mit beiden Händen das Handy festzuhalten. "Mom, geht es dir gut? Was ist los?" "Jane... Ich wurde entführt. Sie möchte, dass du und Aiden... heute Abend, um 20 Uhr zu der Adresse kommt, die sie dir gleich per SMS schickt. Falls du irgendwelche Tricks versuchst oder zu spät kommst, wird sie mir für jede fünfte Minute... einen Knochen brechen", fuhr die Ärztin mit leiser Stimme fort, wobei die Vampirjägerin bereits den Mund öffnete, um etwas zu sagen. Allerdings war kurz darauf schon das Freizeichen zu hören. Elizabeth hatte aufgelegt. "Mom? Mom?! MOM!", brüllte die Vampirjägerin trotzdem laut, ehe sie verstummte und nur langsam, mit zitternden Händen das Handy vom Ohr nahm. Dabei weiteten sich ihre Augen, alle Farbe wich aus ihrem. Wie konnte das passieren? Sie hatten doch extra Leibwächter für sie arrangiert! Noch während ihre Gedanken ratterten, piepste ihr Smartphone aufgrund einer Nachricht, in der die Adresse eines verlassenen Landhauses stand, welches sich in der Nähe eines Waldes befand. "Was ist passiert?", fragte Aiden neben ihr, aber Jane hörte ihn kaum. Mit geweiteten Augen starrte die Brünette auf das Display ihres Smartphones. Zwar spürte sie, wie er ihr die Hand an ihrer Schulter legte, doch reagierte sie zunächst nicht, da es einen Moment dauerte, bis der Schock nachließ. Allerdings dauerte es halb so lange, bis sich ihr Gesichtsausdruck sich änderte. Ihre Stirn legte sich in Falten, die Augenbrauen vertieften sich und ihre Augen blitzten praktisch vor blutrünstigen Mordlust. Von der anfänglichen Überraschung war innerhalb von wenigen Sekunden nichts mehr zu sehen. Vielmehr war sie immenser Wut gewichen, die auf ihren ganzen Körper überging, der unter dieser intensiven Gefühlsregung erzitterte. „Sie hat sie“, brachte sie, tonlos vor Wut, zwischen Zähnen hervor, die sich kaum auseinander bewegen zu wollen schienen. „Diese Verrückte hat meine Mutter.“ In ihrem Zorn spürte Jane kaum, wie Aidens Griff um ihre Schulter sich verstärkte, bevor er losließ. Als wäre dies ein Kommando, stürmte Jane los in ihr Zimmer, wo sie sich für die Jagd vorbereitete. Auf den Vampir hinter sich achtete sie nicht mehr. Ihre Hände zitterten vor Hass, als sie die gewohnte Montur aus Korsage, Funktionshosen und Stiefeln anlegte und ein halbes Dutzend Messer an ihrem Körper befestigte. Sie verbat sich die Frage nach dem ´Wie?` und ´Was wenn?`, denn das würde Elizabeth nicht retten. Jede Sekunde zählte, und sie würde die Zeit nutzen, die ihr blieb, das schwor sie sich. Tief einatmend, zwang Jane ihre angespannten Muskeln zur Ruhe und tippte einen Code in eine verborgene Stahltür am Ende ihres begehbaren Kleiderschrankes. Dahinter befand sich ihr persönliches Waffen- und Ausrüstungsarsenal. Mit gezielten Griffen schnappte sich die Vampirjägerin Munitionen, sowie eine große Schusswaffe, die sie allerdings im Wagen versteckt halten oder irgendwo in der Nähe des vereinbarten Ortes unbemerkt positionieren würde. Nachdem Jane alles hatte, begab sie sich wieder nach unten. Aiden hatte bereits Schuhe an und lehnte, scheinbar entspannt, neben der Haustür, welche er kommentarlos öffnete, als seine Partnerin sich ihm näherte. Sein Gesicht war ruhig, nur seine sonst so freundlichen, sanften Augen glommen ebenso grimmig wie an dem Tag, als er Richard vor ihren Augen in Stücke gerissen hatte wie ein Kind eine Ameise. Gut. Heute konnte Jane es wirklich nicht gebrauchen, wenn er wieder den Moralapostel spielte. Kaum waren sie aus der Garage heraus, da drückte Jane das Gaspedal durch, sodass ihr Audi aufheulte und die Insassen durch die Wucht in die Sitze zurückgedrängt wurden. Allerdings ließ sich die Brünette davon nicht beeindrucken, sondern hielt ihr Tempo. Dass sie dabei einen Strafzettel oder sogar eine Verfolgung der Polizei riskierte, interessierte sie nicht. Schließlich würde es den einen oder anderen Weg geben, um sich diesbezüglich aus der Schlinge zu ziehen - zumal die Regierung selbst mit den Vampirjägern zu tun hatte und so ziemlich alle Bestrafungen aufheben konnte. Außerdem konnte sie mit einem Strafzettel leben, nicht aber damit, noch ein Elternteil zu verlieren. Die ganze Fahrt würde knapp eine Stunde dauern, sodass sie noch vor der vereinbarten Zeit am Treffpunkt ankommen würden, doch wäre es von Vorteil, wenn sie eine gewisse Zeitspanne für sich hatten. So konnten sie sich mit der Umgebung ein wenig vertraut machen und möglicherweise Dinge unbemerkt platzieren. Außerdem war es gut möglich, dass man die Verfolgerin durch die bloße Anwesenheit vorzeitig aus dem Versteck herauslocken und dementsprechend umlegen konnte - was in Janes Augen nur zu begrüßen wäre. Je eher sie das hinter sich hatten, desto eher würden sie ihre Mutter wieder sicher nach Hause bringen können. "Wie alt schätzt du diesen Vampir ein?", wollte sie junge Frau von ihrem Begleiter wissen, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. "Schwer zu sagen, ohne sie zu sehen oder ihre Fähigkeiten zu kennen. Vielleicht hundert?", überlegte Aiden laut, wobei sie seinen besorgten Blick bemerkte, jedoch ignorierte. "Okay. Du schätzt sie also sicher mal jünger ein", murmelte die Brünette leise, während sich ihr Griff am Lenkrad fester wurde, sodass es für einen kurzen Moment leise knarzte. Man sah ihr an, dass sie mit ihrer Beherrschung kämpfte und am liebsten ihre Pumpgun genommen hätte, um dieser verrückten Bestie unzählige Kugeln durch den Körper zu jagen. Immerhin fasste niemand - schon gar nicht ein mordlustiger Vampir - ungestraft ihre geliebte Mutter an. "Denkst du, du bist in der Lage, sie in einem günstigen Moment festzuhalten oder zumindest eine Weile unschädlich zu machen?" „Ja“, erwiderte er schlicht. "Ich verstehe nur immer noch nicht, wieso sie deine Mutter und die ganze Sache mit reingezogen hat. Sie hätte dich doch einfach so herausfordern können… Zumindest, bevor du Eldric benachrichtigt hast." "Der Grund wird sie uns bestimmt nennen, sobald wir ihr gegenüber stehen. Ansonsten hätte sie meine Mutter bereits umgebracht und nicht damit gedroht, ihr alle Knochen zu brechen. Dementsprechend gehe ich davon aus, dass sie mir wohl explizit etwas vorführen will", meinte die Brünette leise, aber deutlich angespannt. Zwar hatte sie bis zum Anruf noch im Dunkeln getappt, doch seit jeher hatte so einiges begonnen, Sinn zu ergeben. Allerdings war die Frage nach dem 'wie' bezüglich der Entführung noch unbeantwortet und wenn sie ehrlich war, war es ihr egal. Es war unverzeihlich und mit den zuständigen Leuten würde sie bestimmt noch ein Hühnchen rupfen... "Deine Mutter ist dein Grund, dich aus der Sicherheit des Zirkels auf ihr ´Spielfeld` zu begeben. Ich glaube eher, dass sie damit die Chancengleichheit wiederherstellen will. Wir sind zu zweit, kämpfen aber sozusagen mit Handicap", erklärte Aiden seine Einschätzung der Lage. Das machte Sinn, weshalb Jane knapp nickte, aber eigentlich war ihr der Grund egal, aus dem die Vampirin ihre Mutter verschleppt hatte. Für sie zählte nur, dass man Elizabeth so schnell wie möglich aus ihren Fängen befreite und in Sicherheit brachte. "Kennst du die Gegend, in die wir fahren?“, wollte Aiden wissen, als sie bereits eine Weile unterwegs waren. "Ich kenne mich nicht wirklich gut in der Gegend aus. Allerdings weiß ich, dass sich in der Nähe ein großer Wald befindet. Außerdem habe ich, als ich kurz gegooglet habe, gesehen, dass sich auch ein Friedhof unmittelbar neben dem Landhaus befindet. Sie hat den Ort also mit Bedacht gewählt", berichtete die junge Frau, als sie ein wenig mehr Gas gab und die zwei Autos vor ihr mit mühelosen, kleinen Lenkbewegungen überholte. "Ein Friedhof? Wie… Klassisch", konnte Aiden sich nicht zu sagen verkneifen und Janes Mundwinkel zuckten leicht - trotz der immensen Wut, die sie in dem Moment verspürte. Immerhin steckte wirklich eine gewisse Prise von Komik darin. „Hast du schon eine Idee, was wir tun? ... Abgesehen davon, sie unschädlich zu machen?", fügte ihr Partner mit einem Blick auf den Rücksitz hinzu, auf dem sie ihre Waffe gelagert hatte. "Als erstes werden wir zusehen, dass ich meine Pumpgun in der Nähe positionieren kann. Danach werden wir wohl ein paar Worte mit ihr wechseln und möglichst zusehen, dass wir meine Mutter von ihr losreißen können, um ihr anschließend ein paar Löcher im Körper zu verpassen und den Kopf abzureißen", fügte sie erschreckend nüchtern hinzu. "Darum ist es wichtig, dass du meine Mutter sofort in eine sichere Distanz bringst, sobald wir sie von ihr wegreißen können. Ich werde sie bis dahin ablenken und versuchen, sie unschädlich zu machen. Es wäre natürlich von Vorteil, wenn du es dann schaffst, sie festzuhalten und ich nach meiner Waffe greifen kann." Sein Blick fiel auf die Uhr auf dem Armaturenbrett. "Wir werden noch etwas Zeit haben, uns umzusehen, sobald wir da sind. Vielleicht finden wir eine Stelle, an der wir sie von Elizabeth trennen und sie direkt in Sicherheit bringen können." "Gut. Sobald wir die Pumpgun sicher und unbemerkt positioniert haben, schauen wir uns um", erwiderte die junge Frau und bog bei der nächsten Kreuzung links ab, wobei sie kurz zum Navigationsgerät schielte und sah, dass sie aufgrund der Geschwindigkeit innerhalb der nächsten zehn oder fünfzehn Minuten am Zielort ankommen würden. So würden sie gut eine halbe Stunde besitzen, bis diese Verrückte am vereinbarten Treffpunkt auftauchen würde. "Was hältst du von der Idee, sie zu reizen? In dem Moment vergisst sie meine Mutter vielleicht und wir könnten sie dazu bringen, mir zu folgen oder sich auf mich zu fixieren? Allerdings... müssten wir dann auch den Grund wissen, weshalb sie uns seit Tagen nachstellt", schlug die Vampirjägerin vor. Da sie die Beweggründe jedoch nicht kannten, konnten sie nur hoffen, dass man ihnen diesen offenbaren würde. So könnten sie vielleicht die benötigten Schalter umlegen, um die Entführerin aus der Fassung zu bringen. "Vielleicht sagt sie uns ja, was ihr Plan ist. Immerhin wird sie wollen, dass wir in dem Wissen um unsere Schandtat sterben", sagte Aiden mit ziemlich trockenem Galgenhumor. Bis dahin hatte er auf die Straße gesehen, aber jetzt wandte er ihr das Gesicht zu. "Du musst mir versprechen, nicht kopflos zu handeln, während ich deine Mutter wegbringe, Jane", verlangte er eindringlich. "Sobald ich wieder da bin, werde ich dir helfen, so gut ich kann." Sie gab ein leises, verächtliches 'Tze!' von sich. Allerdings dachte sie an das Ereignis mit Richard zurück, weshalb sie sich noch rechtzeitig zurückhielt, tief durchatmete und nickte, um ihr Einverständnis zu geben. Sie sah ein, dass seine Sorge berechtigt war - so ungern sie das auch zugab. Schließlich hatte die Brünette nicht vor, so dumm zu handeln und irgendein Leben zu gefährden - weder Elizabeths, noch ihr eigenes, oder ... seines. Ihre Augen weiteten sich ein wenig, als sie bemerkte, wie sich ihre Gedanken formten und wie sie mal wieder über den Vampir dachte. Sie presste ihre Lippen zu einer harten Linie zusammen, ehe sie tief durchatmete und sich dazu zwang, die Vorgänge in ihrem Kopf zu ändern und zur Seite zu schieben, so dass sie sich auf die Jagdpläne konzentrieren konnte. Er war ein Blutsauger, noch dazu ein Stalker, und jetzt war nicht die Zeit, diese Meinung zu ändern. "Ich denke, der beste Ort, um sie von meiner Mutter zu trennen oder sie zur Verfolgung zu zwingen, wäre der Wald. Meine Schusswaffe würde ich allerdings in der Nähe des Landhauses verstauen, damit ich sie relativ einfach treffen kann. Von daher würde ich vorschlagen, dass wir uns wieder vor dem Haus oder in der Nähe des Friedhofes treffen, sobald du meine Mutter in Sicherheit gebracht hast." "Sie wird es aber wohl bemerken, wenn wir uns schon früher auf dem Anwesen herumtreiben… Oder meinst du, sie sind noch nicht dort?", fragte er, als sie bereits durch den Wald fuhren, von dem sie gerade sprachen. "Dieses Risiko werden wir wohl eingehen müssen. Jedoch hoffe ich einfach, dass ihre Emotionen ihr im Weg stehen und sie davon geblendet wird. Ansonsten werden wir ohne Pumpgun und mit Improvisation arbeiten müssen", entgegnete die Vampirjägerin, wobei sie natürlich wirklich sehr hoffte, dass sie den Plan so durchziehen konnten, wie sie es sich vorgenommen hatten. "Wir müssen wahrscheinlich abwarten, wo sie uns überhaupt entgegen tritt und wie sich die Situation entwickelt… Wenn du den Wagen etwa hier parkst, kann ich diene Mutter innerhalb von… Vielleicht drei, vier Minuten herbringen, damit sie aus der Gefahrenzone fahren kann", merkte er an, als sie noch etwa zehn Autominuten von ihrem Ziel entfernt waren. "So können wir uns auch gleich umsehen." Das hielt auch seine Partnerin für eine gute Idee, sodass sie den Wagen hielt und beide ausstiegen. Jane schnappte sich ihre Schusswaffe, die sie ohne Mühe mit sich trug. Sie bemerkte Aidens amüsierten Blick, als sie das große Gerät zur Hand nahm, warnte ihn jedoch mit verengten Augen vor einem sarkastischen Kommentar. Dass der Vampir es für witzig hielt, wie sie, eine zierliche Frau von nicht mal einem Meter siebzig, eine Pumpgun trug, konnte sie sich gut vorstellen. Allerdings war das wohl eines der Dinge, die sie am wenigsten interessierte. Zu seinem Glück verkniff Aiden sich tatsächlich jede Bemerkung. Schließlich befasste sie sich mit einigen Dingen, die mit ihrem Äußeren nicht unbedingt vereinbar waren, und jetzt hatte sie weder Zeit noch Geduld für eine seiner ewigen Belehrungen. Kurz blickte die junge Frau auf die Uhr, wobei sie feststellte, dass ihr wirklich gut eine halbe Stunde blieb, bis sich ihre Stalkerin offiziell zeigen würde. Dementsprechend stapfte sie mit ihrem Begleiter durch den Wald, versuchte sich einige vorteilhafte Stellen zu merken, bevor sie nach einigen Minuten am Rand ankamen und kurz darauf das große, aber offensichtlich verlassene Landhaus erblicken konnten. Die gelbe Fassade des kastenförmigen Gebäudes bröckelte, die Fensterläden, die noch an Ort und Stelle waren, verrotteten in ihren Halterungen und der einstmals aufwändige Putz unter dem Dach war von der Witterung angefressen worden. Die üppigen Gärten, die das Anwesen bis zum Wald und dahinter umgaben, waren verwildert und in der Nähe führten rostige Laubenstangen zu dem Friedhof, von dem Jane vorhin gesprochen hatte. Dass es bereits stockdunkel war, trug nur zur Aura dieses tristen Ortes bei, und ein Mal mehr beneidete Jane ihren Begleiter um seine hervorragenden Augen, die im kalten Licht des Mondes schimmerten wie die einer Katze. Schon im Wald hatte er sie das eine oder andere Mal gestützt, als sie über eine Wurzel gestrauchelt war. Am Rand des Waldes blieb Jane stehen und wandte sich an Aiden. "Damit das klar ist: Sie ist meine Beute. Ich werde sie töten." Ihre Blicke trafen sich, etwas in seinen Zügen verhärtete sich und er drehte den Kopf wieder weg. "Ich weiß", sagte er kühl, aber ergeben. Stets darauf achtend, ob sich irgendetwas Eigenartiges in der Umgebung tat, schritt die Vampirjägerin auf das Gebäude zu und suchte nach einem geeigneten Versteck, wobei sie relativ schnell eines fand: Ein massiver, hoher Blumentopf im Garten. Noch einmal sah sich die Brünette um, ehe sie ihre Schusswaffe darin versteckte und ihrem Partner mit einem kurzen Kopfnicken andeutete, Richtung Friedhof zu gehen. Dort angekommen, sah sich die Brünette um, konnte allerdings auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches feststellen. "Ich denke nicht, dass wir diesen Ort zu unserem Nutzen brauchen können. Er ist zu offen. Außerdem glaube ich, dass sie diese Adresse mit dem Friedhof gewählt hat, um uns indirekt auf unseren - in ihren Augen - baldigen Tod hinzuweisen", meinte sie leise. Ihr Begleiter war ein wenig weiter geschlendert, stand jetzt jedoch mitten auf dem Weg und sagte mit einem seltsamen Lachen, das sie aufblicken ließ: „Sieht so aus.“ Jane folgte ihm und was sie sah, ließ sie kurz stocken. Drei frische Gräber und ein Scheiterhaufen waren bereits vorbereitet und warteten auf die Toten, die es laut der Stalkerin wohl bald zu begraben galt. Nun, nicht, wenn es nach der Vampirjägerin ging, die sich jetzt resolut abwandte, um zum Anwesen zu gehen, auf dem sich sicherlich bald ihre Gegnerin zeigen würde. Wie gewohnt folgte Aiden ihr auf dem Fuß. Plötzlich gab er ein leises Knurren von sich, trat einen schnellen Schritt nach vorne, sodass er halb vor Jane stand, und sagte leise: „Sie ist da.“ Die beiden Jäger traten um die Ecke des Hauses und tatsächlich: Auf dem Vorplatz des Hauses stand, halb verborgen hinter Elizabeth, eine fremde Vampirin. Sie war eine kleine, zierliche Blondine – Und ein Monster. "Da seid ihr ja - Und so pünktlich! Ich bin beeindruckt. Immerhin hast du deinem Welpen Manieren beigebracht, nicht wahr?", fragte die Untote Elizabeth in einem angeregten Plauderton. Dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck innerhalb von Sekunden, ihre Hand fuhr in das Haar der Ärztin und zog dieses heftig zurück, sodass ihre Kehle entblößt dalag. Sie lehnte sich näher zum Ohr der Mutter und flüsterte mit einem Fauchen in der Stimme: "Nun, das habe ich bei meinem Jungen auch getan. Er war ein guter Junge - und jetzt ist er tot." Aiden, hatte sich erneut halb vor Jane gestellt, sobald ihr Feind aufgetaucht war. "Dein Sohn?", fragte er. "Mein Sohn, den ihr umgebracht habt, weil er sich zu ernähren versucht hat!", brüllte die Vampirin, und jetzt zwang sie die vor Schmerz wimmernde Elizabeth vor sich auf die Knie. Erneut veränderte sich der Gesichtsausdruck der Blondine, diesmal zu einem sanften Lächeln. "Ich werde euch zeigen, wie es sich anfühlt, eine geliebte Person zu verlieren… Direkt…" Sie zog ein Messer aus dem Gürtel. "Hier…" Das Messer wanderte zu Elizabeths Hals. "Vor euren Augen.“ Innerhalb von Sekunden schnellte Jane vor und stürzte sich auf die Verrückte. Dabei griff die Jägerin nach ihrem gezackten Messer und versuchte es ihrer Gegnerin in die Brust zu rammen, wobei sie kurz Notiz davon nahm, wie Aiden verschwand und nach ihrer Mutter sah, um sie anschließend in Sicherheit zu bringen. Es fiel ihr schwer, nicht selbst hinterhergehen zu können, da sie am liebsten sichergestellt hätte, dass es Elizabeth gut ging. Aber sie war bei Aiden. Sie würde sicher sein. "Dafür, dass du sie angefasst hast, bringe ich dich um, du elende Bestie!", zischte die Brünette wutentbrannt, als sie es schaffte, der mordlustigen Bestie mit dem Messer eine tiefere Schnittwunde am Oberkörper zuzufügen. Jane duckte sich hinter ihre Waffe mit der sie der Vampirin auffordernd zuwinkte. Sollte sie nur kommen… ~ Aiden ~ Das Messer drückte gegen die Haut und wenige Tropfen Blut traten aus. Aiden fühlte den Anflug des Blutrausches und seine Zähne, die gegen die Lippen drückten, aber er ignorierte beides, als er die Wahnsinnige angriff. Diese schmiss Elizabeth durch die Luft wie eine Puppe und wehrte sich gegen ihre beiden Gegner, denn natürlich war auch Jane sofort auf sie losgegangen. Es fiel Aiden wirklich schwer, sich von den beiden Frauen abzuwenden, aber er änderte mitten im Lauf die Richtung und sprang hinter Liz her über den kleinen Balkon, nicht sicher, was er dort vorfinden würde. Die Ärztin lag reglos auf dem Boden, aber er konnte riechen, dass sie noch lebte. Äußerst vorsichtig hob er ihren Oberkörper ein wenig an. "Mrs McCollins? Elizabeth?" Von der Terrasse waren die Geräusche des Kampfes zu hören und auch der Blutgeruch der Frau lenkte ihn ab, als er ihr vorsichtig auf die Beine half. "Geht es Ihnen gut? Ich werde Sie zu Janes Auto bringen, in Ordnung? Sie müssen sich nur festhalten." Mit diesen Worten hob er Elizabeth auf den Arm und lief erneut los, ohne noch einen Blick zurück zu werfen. Die Kampfgeräusche der ungleichen Gegnerinnen wurden immer leiser, als Aiden und sein Gepäckstück die Bäume erreichten, aber er erlaubte sich nicht, langsamer zu werden. Eine Minute mehr oder weniger konnte darüber entscheiden, ob Jane lebte oder nicht. Elizabeth, die sichtlich unter Schock stand, klammerte sich an seinen Hals, wobei sie und der Geruch ihres Blutes überaus nah waren. Der Vampir beschleunigte seine Schritte noch mal, nicht sicher, wie lange er das noch bei klarem Verstand aushalten konnte. ~ Jane ~ Leise stöhnend taumelte Jane zurück, die rechte, verletzte Schulter schützend ein wenig zurückgenommen. Die Vampirin war schnell, und die Jägerin hatte Glück, nur so leicht verletzt worden zu sein, aber eine Prellung würde sie dennoch davontragen, und auf jeden Fall behinderte der Schmerz sie im Kampf. Rechts war ihre starke Seite, doch sie konnte auch mit links kämpfen, und darauf musste sie sich jetzt wohl verlassen. Das Monster lachte auf, zeigte die langen Zähne und gab ein bedrohliches Zischen von sich, ehe es sich wieder auf Jane stürzte. Während die Jägerin weiterhin das Messer schwang und gleichzeitig versuchte, den Kampfplatz Richtung Pumpgun zu locken, hielt die Gegnerin kurz inne, da sie witterte, wie der Geruch von Elizabeths Blut dünner wurde und sich immer mehr entfernte. Das lag nicht nur daran, dass die Ärztin sofort ihre Hand auf die Wunde gepresst hatte, als sie wieder zu sich gekommen war, sondern auch daran, dass Aiden sie mittlerweile schon durch den Wald trug. Diesen kurzen Moment nutzte die Vampirjägerin aus, um zu der Vase zu hechten und nach ihrer Schusswaffe zu greifen, doch bevor sie diese verwenden konnte, rannte der blonde Vampir bereits in den Wald. "Glaub ja nicht, dass ihr so einfach davon kommt!! Ich werde euch töten! Ich werde euch alle auseinandernehmen, wie ihr es bei meinem Sohn, bei Oliver getan habt!", schrie die Verfolgerin, wobei ihre Stimme gegen Ende einen schrillen Ton annahm. „Verdammt!!", fluchte Jane laut, ehe sie direkt die Verfolgung aufnahm. Doch da war die Vampirin schon hinter Aiden im Wald verschwunden. Jane zögerte eine Millisekunde, ehe sie eine andere Richtung einschlug. Sie wusste ja, wohin ihr Partner ihre Mutter bringen würde, und wenn alles nach Plan lief, könnte sie die Untoten abpassen, bevor sie den Audi erreichten. Wenn…, dachte sie und beschleunigte ihre Schritte. ~ Aiden ~ Endlich erreichten sie den Wagen und Aiden setzte die Ärztin behutsam ab. "Fahren Sie nach Hause. Hier wären Sie nur in unnötiger Gefahr", erklärte er ihr sanft, woraufhin Elizabeth kurz protestierte - Natürlich wollte sie bei ihrer Tochter sein und sicher gehen, dass sie in Ordnung war - Doch dann setzte sie sich ins Auto. Bevor er sich abwenden konnte, ergriff die Ärztin seine Hand. In ihren Augen lagen blanke Angst, Schmerz und Sorge. „Pass bitte auf sie auf… Und auf dich auch.“ Es überraschte den Vampir, dass Elizabeth ihn in ihre Sorge einbezog, doch jetzt war nicht die Zeit für Gefühlsduselei, also nickte er nur knapp und schloss die Tür. Aiden wartete nicht auf das Motorengeräusch, sondern wandte sich auf der Stelle um und rannte los. Jane… Er konnte nicht sagen, wer die Oberhand gehabt hatte, als er die Kämpfenden hinter sich gelassen hatte, und inzwischen hätte sich alles wandeln können. Ihr Feind könnte tot sein – Aber auch seine Partnerin. Das Quietschen von Reifen ließ Aiden herumwirbeln, doch da sah er nur noch einen Schemen durch die Luft fliegen und gegen den nächsten Baum krachen. Der Wagen war zum Stehen gekommen und Elizabeth wollte mit zitternden Fingern die Tür öffnen um zu sehen, wen sie da angefahren hatte. Aiden brauchte nicht näher zu kommen um das zu wissen, er konnte es riechen. „Fahren Sie!“, brüllte er, schon auf dem Weg zu ihr zurück, doch da rappelte sich die Vampirmutter bereits wieder auf die Beine. Ein hässliches Lächeln teilte ihre Lippen, als sie auf das Auto zuwankte, in dem die panische Ärztin mit dem Zündschlüssel kämpfte. Und Aiden war zu weit weg, sie wäre vor ihm da, er war einfach schon zu weit weg, obwohl er es Jane versprochen hatte. Er war zu spät. Zu spät… Bevor der Schock ihn übermannen konnte, war ein Brüllen zu hören und etwas – oder jemand – brach vor ihm aus dem Wald wie eine Naturgewalt. Der Vampir hörte ein ungesundes Knacken, als Jane abbremste, doch sie beachtete den Protest ihres Körpers gar nicht, sondern stürzte sich direkt auf ihre Widersacherin. ~ Jane ~ Jane hörte das Krachen, als sie sich der Lichtung näherte, und fragte sich, was sie dort vorfinden würde. Wenn es ihre Mutter war… Die Vampirjägerin erlaubte sich nicht, jetzt Angst zu haben, sondern beschleunigte ihre Schritte, bis sie endlich ein silbernes Glänzen zwischen den Bäumen sah. Sie tauchte genau zwischen dem Audi und der Vampirin auf der Straße auf, stolperte noch ein paar Schritte weiter und bremste abrupt ab. Durch die plötzliche Wucht beim Bremsen verlor sie kurz den Halt, spürte sofort ein heftiges Ziehen in ihrem linken Fuß, das sie allerdings gekonnt ignorierte. Stattdessen feuerte sie direkt mit ihrer Schusswaffe in den Oberschenkel ihrer Gegnerin, die aufschrie und nur wenige Sekunden später zwei weitere Kugeln in der Schulter und auf der Seite abbekam, sodass sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und zu Boden fiel. Keuchend blickte die Brünette über die Schulter, wo sie ihre Mutter sicher, praktisch unverletzt, im Wagen sah und erleichtert aufatmete. Mit einem kurzen Nicken signalisierte sie der Älteren, dass alles in Ordnung war - abgesehen vom Schmerz in der Schulter und im Fuß - und deutete ihr so an, loszufahren. Nach einem kleinen Moment des Zögerns, startete Elizabeth den Motor und fuhr aus dem Wald, um in eine sichere Distanz zu gelangen. Als ihre Mutter aus dem Blickfeld war, wandte sich die junge Frau wieder an den leise, wimmernden Vampir, der auf dem Boden lag. Ohne jegliches Mitgefühl schritt sie zu ihr und trat ihr mit voller Wucht auf die Schulter, in der die Kugel steckte, sodass die Blondine unter ihr vor Schmerz gepeinigt und schrill aufschrie. "Niemand, wirklich niemand fasst meine Mutter an und kommt ungeschoren davon. Schon gar nicht ein Miststück von einem Vampir!", zischte die Jägerin laut und schob unterdessen eine andere Munition in die Schusswaffe, ehe sie diese gegen die Stirn der Kreatur unter sich richtete. Ohne mit den Wimpern zu zucken schoss sie ihr in den Kopf. Allerdings löste sich die Brünette gleich von ihr, drehte sich um und ging einige Schritte, bevor hinter ihr etwas piepste und kurz darauf der Kopf des gejagten Vampirs explodierte. "Es ist zwar nicht mein Lieblingsstil, einen Vampir so zu töten, weil die Aufräumarbeiten so mühsam sind, doch diese Bitch hat es nicht anders verdient", meinte sie leise seufzend, als sie sich an den nächsten Baum anlehnte und sich sichtlich erschöpft durch die Haare fuhr. Im Kampfgewühl hatte sie Aiden zwar nicht gesehen, doch sie wusste, dass er in der Nähe sein musste. Das war er doch immer. "Hast du dich verletzt?", ignorierte der Vampir mal wieder ihre Kaltschnäuzigkeit, als er sich ihr näherte. Sie atmete noch ein wenig schwer, verspürte erst jetzt, wie ihr Körper ächzte, ihre Schulter und ihr Fuß aufgrund der Verletzungen schmerzten, doch das war nichts. Ihre Mutter hätte tot sein können… Bei dem Gedanken kochte erneut Janes Zorn auf und am liebsten hätte sie die Stalkerin nochmal in die Luft gejagt. Stattdessen schüttelte sie nur zu Antwort den Kopf. Es ging ihr gut. Ihr Partner sah nicht überzeugt aus und weitete etwas die Nasenflügel, konnte aber anscheinend kein Blut wittern und war damit zufrieden. Dann klemmte er sich den Rest des anderen Vampirs unter den Arm und nickte in Richtung des Hauses. "Ich kümmere mich darum, ruh du dich kurz aus… Du hast bestimmt ein Feuerzeug?" Mit einem Nicken übergab sie das Feuerzeug, ehe sie ihre schwere Pumpgun gesichert und ungeladen auf den Boden legte. Sie sah Aiden kurz hinterher, der mit der zerfledderten Leiche zwischen den Bäumen verschwand, und lehnte sich erschöpft mit dem Rücken an den dicken Stamm einer Eiche. Im Normalfall hätte die junge Frau nun damit begonnen, das Chaos zu beseitigen, doch die ganze Anspannung der letzten paar Tage löste sich in ihr und machte Erschöpfung und Müdigkeit Platz, sodass sie nur ein kurzes Telefonat mit Eldric führen konnte, um ihm von der ganzen Situation zu berichten. Nachdem sie sich wieder ein wenig gefangen und ein paar Mal durchgeatmet hatte, machte sie sich endlich daran, den Ort von den restlichen Spuren zu befreien. Immerhin konnte es kein Vampirjäger riskieren, irgendwelche Evidenzen zurückzulassen, die auf den getöteten Vampir oder sogar den Zirkel hinweisen konnten. Gerade, als sich Jane runterbeugte, um die Schusswaffe wieder an sich zu nehmen, konnte sie Aidens Schritte und Stimme hinter sich hören. "Alles erledigt… Aber weißt du, welchen Oliver sie gemeint hat? Davon stand nichts in den Akten, oder?" "In der Tat. Er war nicht in den Akten - noch nicht", erklärte die Brünette, als sie sich mit vergleichsweise schweren Gliedern erhob und sich an ihn wandte. "Bis vorhin habe ich selbst nicht gewusst, wovon sie sprach, doch als ich gerade eben mit Eldric telefoniert habe, wurde mir einiges klar." Mit einem kurzen Ruck schulterte die junge Frau die Pumpgun auf ihrer gesunden Seite, bevor sie ihrem Begleiter mit einer kleinen Geste zu verstehen gab, dass sie sich auf den Weg nach Hause machen sollten. Sie ging voraus, musste sich allerdings ein wenig auf die Zähne beißen, da sich bei jedem Schritt mit dem linken Fuß ein stechender Schmerz bemerkbar machte. "Erinnerst du dich an den Vampir, den wir hinter dem Vegas Club getötet haben? Er war ihr Sohn. Ich habe seinen Tod einen Tag später im Zirkel gemeldet, doch bis heute Morgen hatten wir noch keinen offiziellen Namen zu den Akten", fuhr sie mit ihrer Erklärung fort, wobei sie stur den Schmerz und die Müdigkeit in ihrem Körper ignorierte. Während er ihren Erklärungen zuhörte, sah Aiden natürlich, wie sie zusammenzuckte, als die schwere Waffe ihre Schulter berührte. Kommentarlos nahm er ihr die Pumpgun ab und schulterte sie selbst. Jane setzte zu protestieren an, schluckte ihre Worte jedoch runter. Es brachte ja doch nichts, mit ihm zu diskutieren, wenn er eine Chance sah, den Kavalier zu spielen. "Der kleine Junge? Das erklärt vieles", sagte er nachdenklich, dann musste er seufzen. „Hab ich doch gewusst, dass uns das noch mal einholen würde… Und da wir ohne offiziellen Auftrag gehandelt haben, ist es kein Wunder, dass es keine genauen Aufzeichnungen dazu gegeben hat.“ In Janes Augen war es überaus dumm von ihr gewesen, dass sie nicht an den Fall hinter dem Vegas Club gedacht hatte. Schließlich hätte es ihnen einigen Ärger und viele Probleme erspart, wenn sie diesen Oliver in Betracht gezogen hätten. "Hat Eldric etwas dazu gesagt, dass seine Leute deine Mutter nicht beschützt haben?", fiel Aiden ein, als sie schon ein Stück weit gelaufen waren. Sie knirschte mit den Zähnen und erinnerte sich daran, ihnen die Leviten zu lesen. Ohne deren Fahrlässigkeit wäre dieses Chaos niemals entstanden und Elizabeth wäre niemals in Gefahr geraten. "Eine Patientin fühlte sich bei der Untersuchung unwohl, weshalb meine Mutter ihre Bodyguards gebeten hat, fünf Minuten nach draußen zu gehen. Diese kurze Zeitspanne hat die Verrückte genutzt, um sich meine Mutter zu schnappen", erklärte die Brünette schwer seufzend und fuhr sich dabei durch die Haare. Natürlich, es war irgendwie der Fehler der Ärztin gewesen, doch ihre Beschützer hätten es besser wissen und an ihrer Seite verweilen müssen. Immerhin verließ kein guter Leibwächter die Seite des Schutzbefohlenen - egal, in welcher Situation. "Verstehe… Es wundert mich, dass hier noch keine ganze Brigade von euren Leuten aufgetaucht ist. Immerhin können sie dich tracken", meinte er mit einem Nicken zu ihrem Ring. "Bevor wir losgefahren sind, habe ich Eldric verständigt und ihm gesagt, dass sie uns nicht folgen sollten. Allerdings gefiel ihm das nicht, sodass wir den Kompromiss gemacht haben, dass man uns per GPS verfolgen darf, sobald eine Stunde vorüber ist und ich mich bis dahin nicht gemeldet habe", erklärte sie auf seine Verwunderung hin. Immerhin war diese berechtigt gewesen - wenn man bedachte, dass sie in den letzten beiden Tagen rund um die Uhr beobachtet und verfolgt wurden. Dies würde nun jedoch ein Ende haben, da die ganze Sache erledigt und die Gefahr endlich vorüber war. Zum Glück. Einen Tag länger und sie wäre wahrscheinlich durchgedreht oder hätte den nächstbesten, unbrauchbaren Gegenstand zerschmettert. Schließlich war Geduld nie wirklich ihre Stärke gewesen - vor allem dann nicht, wenn es um das Leben ihrer geliebten Familie ging. Diese Gedanken brachten sie so in Rage, dass sie nicht auf ihre Schritte achtete und ihren Knöchel ungünstig belastete, sodass sie schmerzlich zischte, was Aiden natürlich nicht entging. "Du hast dich doch verletzt", stellte er mit leisem Vorwurf in der Stimme fest. Es war in ihren Augen schon schlimm genug, dass sie ihm ihre Schusswaffe übergeben hatte und sie diese nicht selbst tragen konnte. Dass er nun noch auf ihren Fuß ansprach, der offensichtlich verletzt war, missfiel ihr folglich sehr. Dennoch machte die junge Frau keinerlei Anstalten, stehen zu bleiben, sondern ging stur weiter, sodass sie schließlich den Waldrand erreichten. "Ich könnte dich tragen", schlug Aiden unvermittelt vor, scheinbar ohne groß darüber nachzudenken, denn direkt im nächsten Moment wurde er verlegen. "Ich meine, so brauchen wir ewig, und Elizabeth macht sich sicher Sorgen. Außerdem verschlimmerst du die Stauchung vielleicht noch", versuchte er es mal mit logischen Argumenten. Sein Angebot ließ sie abrupt stehenbleiben und ihren Begleiter mit einer leicht gerunzelter Stirn ansehen. Wie bitte? Hatte sie sich gerade verhört? Er sollte sie tatsächlich tragen? Der Gedanke, in seinen Armen zu liegen, erschien ihr so absurd, dass Jane fast losgelacht hätte. Allerdings war seine Argumentation so schlüssig, dass es ihre Intention nicht verfehlte und die Vampirjägerin zum Nachdenken anregte. "...Okay", gab die Brünette dann leise, wenn auch etwas zögerlich von sich und vermied es dabei, ihm ins Gesicht zu sehen. Schließlich gefiel es ihr nicht - es war ihr vielmehr peinlich. Trotzdem wollte sie diesmal über ihren Schatten springen, auf sein Angebot eingehen und nicht weiter mit ihm diskutieren. Zum einen, weil ihr Körper aufgrund der Erschöpfung und des Schmerzes ächzte und zum anderen, weil sie ihm überaus dankbar war. Verwirrt konnte Aiden erstmal nichts tun als zu blinzeln, dann trat er zögerlich einen Schritt auf sie zu. "Wirklich?", fragte er ungläubig. Auf sein Nachfragen hin seufzte Jane schwer und hätte am liebsten ihre Zustimmung zurückgenommen, doch da sie nun wirklich nicht eine Ewigkeit durch die Gegend humpeln und so schnell wie möglich bei ihrer Mutter ankommen wollte, hielt sie sich zurück und nickte. Allerdings lag es daraufhin wieder an ihr, die Augenbrauen etwas verdutzt anzuheben, als Aiden an sie herantrat und für einen kurzen Moment zögerte. Was war denn nun verkehrt? Er war es doch gewesen, der ihr das Tragen vorgeschlagen hatte. Weshalb also, zögerte er nun? Nicht im Traum dachte sie daran, dass er sich möglicherweise genierte oder es teilweise sogar als unsittlich betrachtete, sie auf die Arme zu heben und so durch die Gegend zu tragen. Natürlich, es konnte für Außenstehende komisch aussehen, doch so wie der Vampir sich bewegen würde, würde es nicht wirklich irgendwelche Leute geben, die sie sehen konnten. Bevor die junge Frau jedoch fragen konnte, spürte sie schon seine Hände unter ihren Kniekehlen und an ihrem Rücken, sodass sie sich kurz darauf auf seinen Armen wiederfand, wobei er darauf achtete, ihre verletzte Schulter möglichst nicht zu berühren. "Wir werden nicht lange brauchen", fühlte er sich zu sagen befleißigt, dann lief er in einem Tempo los, bei dem Jane möglichst wenig durchgeschüttelt wurde. Die behutsame Art, wie er sie trug und die kühle Abendluft wirkten entspannend auf sie, ließen sie sogar kurz wohlig aufseufzen. Der ganze Umstand versetzte ihre Gedanken in einen friedlichen Zustand, nahm ihr die Anspannung und die Unsicherheit, die sie in den letzten paar Tagen permanent in ihrem Innern verspürt hatte. "Danke, Aiden…", hauchte Jane leise, als ihr Kopf automatisch ein wenig zur Seite schwankte und sich ihr Gewicht gegen ihn verlagerte. Dabei lag sie so, dass ihr Kopf, sowie ihr Oberkörper gegen seine Brust gelehnt waren. Der Umstand, dass sie ihm so nah war, störte sie nicht einmal und von Abneigung ihm gegenüber war im Moment rein gar nichts zu spüren. Stattdessen wurden ihre Augen immer schwerer, fielen langsam zu und so kam es, dass die Erschöpfung an Oberhand gewann und sie praktisch den ganzen Rückweg wohlig und entspannt verschlief. Selbst der typische Großstadtlärm vermochte sie nicht zu wecken. Kapitel 16: Bleib ----------------- Für Aiden wog Jane verschwindend wenig, trotzdem war er sich ihres Gewichtes auf seinen Armen überdeutlich bewusst auf dem gesamten Heimweg von der Waldvilla. Wie schon ihre Hand fühlte sie sich warm und schlank an und jetzt konnte er ihren Herzschlag hören. Dieses Geräusch hatte etwas unglaublich erleichterndes, nachdem sie noch vor einer halben Stunde in Lebensgefahr geschwebt hatte. Draußen im Wald war wenig los und den paar Fahrzeugen, die ihnen begegneten, konnte er recht einfach ausweichen. Erst, als sie wieder in die Stadt kamen, musste er langsamer machen. Es war zwar schon spät, aber in der Großstadt war natürlich immer etwas los, und schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit seiner Begleitung in einen Bus zu setzen, der sie zum Anwesen brachte. Es war einfach zu auffällig, mit einer Schlafenden durch halb London zu laufen. Aiden hatte sie gerade auf dem Sitz neben seinem drapiert, als sie leise ihren Dank murmelte und sich von selbst an ihn schmiegte. Als ihr dann nach und nach wieder die Augen zufielen, schlich sich ein warmes Lächeln auf seine Lippen. "Jederzeit", sagte er leise, obwohl sie das nicht mehr hören konnte. Bei ihrer Haltestellte drängte Aiden seine Begleitung, selbst zu laufen, da das Ganze sonst doch sehr nach einer Entführung ausgesehen hätte. Sobald der Bus jedoch außer Sichtweite war, hob der Vampir Jane vorsichtig wieder auf die Arme, wogegen sie im Halbschlaf nicht mal protestierte obwohl sie dem Anwesen schon nahe waren. Als sie schließlich (größtenteils) unversehrt am Grundstück der McCollins ankamen, öffnete Elizabeth sofort die Tür und trat hinaus, um den beiden entgegen zu kommen. "Jane! Aiden! Bin ich froh, euch zu sehen!", sprach die Ärztin überaus erleichtert, wobei man sehen konnte, dass sie ihre Wunde am Hals bereits behandelt und einem kleinen Verband abgedeckt hatte. Ihr besorgter Blick ruhte auf ihre Tochter, die sich nur zögerlich regte und aus dem Schlaf erwachte, da Elizabeth wohl dachte, Jane wäre ohnmächtig war. Als die Kurzhaarige allerdings realisiert hatte, dass die Jüngere lediglich wieder eingeschlafen war, lächelte sie Aiden ein wenig an. "Mom…?", flüsterte die Vampirjägerin leise, ehe sie sich von ihrem Begleiter löste und sofort ihre Mutter betrachtete. Als sie realisierte, dass sie - bis auf die kleine Verletzung am Hals - unversehrt war, konnte sie nicht anders, als ihr erleichtert stürmisch in die Arme zu fallen und sich an sie zu schmiegen. Jedoch kam Jane nicht umhin, kurz und schmerzhaft 'Aua' zu rufen, als Elizabeth ihre Arme um sie schlang. "Oh! Du bist verletzt! Wir sollten das auf später verschieben und uns gleich mal um deine Verletzungen kümmern", meinte die Ärztin und begab sich sofort ins Haus, um Janes Blessuren zu begutachten und zu behandeln. Zum ersten Mal kam Aiden der Gedanke, dass er jetzt wohl gehen musste, was ihm einen leichten Stich versetzte. Und da hatte er Jane belächelt, weil sie sich so leicht an ihn gewöhnt hatte - Er war ja noch viel schlimmer. Da die beiden jedoch nicht gleich die Tür zuknallten, als sie Janes Blessuren verarzten gingen, ging er davon aus, dass er im Moment noch erwünscht war und folgte ihnen. Der Knöchel der Vampirjägerin sah ziemlich unangenehm geschwollen aus und Aiden runzelte leicht die Stirn bei dem Gedanken daran, welche Schmerzen sie beim Kämpfen gehabt haben musste. "Hast du dich auch verletzt?", wollte die Dame des Hauses wissen als sie mit ihrer Tochter fertig war. "Nein, bei mir ist alles in Ordnung. Die Hauptarbeit hat Ihre Tochter gemacht", erwiderte der Vampir, wobei er ein schlechtes Gewissen bekam. Er hatte der Ärztin doch versprochen, dass Jane nichts passieren würde und jetzt saß sie hier mit einer geprellten Schulter und einem gestauchten Knöchel. Zwar hätte er sie besser beschützt, wenn Jane ihm nicht explizit gesagt hätte, dass sie es alleine mit der Angreiferin aufnehmen wollte und er sich um ihre Mutter kümmern sollte, aber das war für ihn keine Ausrede. "Tut mir leid, dass ich nicht wirklich helfen konnte." "Autsch...!", kam es leise über Janes Lippen, als ihre Mutter ihre Schulter untersuchte und anschließend behandelte. Zu seinem Einwand sagte sie nichts, und die Ärztin lächelte ihn nur schwach angelächelt, was für den Vampir eine Bestätigung seiner Nutzlosigkeit war. „Da jetzt wieder alles in Ordnung ist, werde ich wohl gehen", sagte er etwas unschlüssig, bevor er sich abwandte, um seine Sachen zu holen. Er war schon auf halbem Weg zur Treppe, als Jane ihn mit frisch geschientem Knöchel einholte. "Was willst du damit sagen?", verlangte die Brünette zu wissen, als sie sich vor ihn stellte und ihn mit einer hochgezogener Augenbraue ansah. Da standen sie nun, beide mit hochgezogenen Augenbrauen, beide offensichtlich verwirrt von den Handlungen des anderen. Aiden hatte damit gerechnet, dass Jane einen Luftsprung machen würde, sobald er wieder auszog. Das war zwar mit ihrem gestauchten Knöchel nicht möglich, aber zumindest eine gewisse Erleichterung, ihren ungebetenen Hausgast los zu sein, wäre wohl normal gewesen. "Na ja, ich wollte meine Sachen holen", erklärte er und deutete nach oben. "Ich hätte mich schon noch richtig verabschiedet“, fügte er hinzu, als ihm der Gedanke kam, dass sie ihn für unhöflich halten konnte. Das traf es aber wohl nicht, denn Jane fuhr sich auf diese unnachahmliche Art durch die Haare und sah hilfesuchend den Flur runter, als würde gleich ihre Mutter auftauchen und für sie vermitteln. Das tat Elizabeth aber nicht, sodass sie ihre Wünsche selbst formulieren musste. "Uhm... Nun... Es ist bestimmt nicht angenehm, in einem Hostel zu leben und die strengen Regeln zu befolgen, oder? Ich meine... es ist doch besser für dich, wenn du in einem Haus wie ... unserem leben könntest, nicht wahr? Da du uns sehr geholfen hast und meine Mutter sicher nichts dagegen hat, wäre es bestimmt in Ordnung, wenn du... hm... länger bleiben willst. Du hast... wirklich einiges gut bei mir", sprach Jane etwas zögerlich und um den heißen Brei herum. Der Vampir weitete verdutzt die Augen. „Du… Bietest mir an zu bleiben?“ Die junge Frau verdrehte genervt die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ja, aber nur auf begrenzte Zeit! Nur, bis du etwas Besseres gefunden hast", stellte sie leise schnaubend klar, da es ihr nicht ganz angenehm war, das direkt zu sagen. Sie wurde sogar ein wenig rot, und Aiden lächelte dankbar. Er hätte es abgelehnt, weil er sich aufdringlich vorkam, aber ihm war bewusst, dass Jane dieses Angebot nicht gemacht hätte, wenn sie sich nicht wirklich, wirklich sicher gewesen wäre. Außerdem wollte er nicht gehen. Es gefiel ihm, morgens mit den Frauen am Tisch zu sitzen, Jane gute Nacht zu sagen und überhaupt irgendwo hin zu gehören. "Ich weiß, ich weiß, keine Sorgen. Und... Danke", fügte er hinzu, wobei bei diesem letzten Wort sein Schmunzeln zu einem sanften Lächeln wurde. "Ich weiß das zu schätzen." Dann sah er an Jane vorbei zu ihrer Mutter, die das Ganze amüsiert aus der Nähe beobachtet hatte. Elizabeth schmunzelte über das Verhalten ihrer Tochter, trotzdem fragte Aiden: "Ist das wirklich ok für Sie?" "Natürlich ist es das. Du hast mir das Leben gerettet und auf meine geliebte Tochter aufgepasst. Ich könnte dir nicht dankbarer sein", erwiderte die Ärztin lächelnd und verstaute ihr Verbandszeug in einem kleinen Wandschrank in der Nähe. "Meiner Meinung nach ist das Angebot nicht Dank genug. Falls du also sonst irgendetwas brauchst, sag Bescheid, okay?" Natürlich würde er das nie tun, aber da sie mit gegenseitigen Dankesbekundungen auch nicht weiterkommen würden, beließ Aiden es bei einem Lächeln. Er konnte noch nicht wirklich fassen, wie die Situation sich gerade entwickelte. Vor wenigen Stunden noch hatte er sich um die beiden Frauen gesorgt, und jetzt war er so glücklich wie seit Jahren nicht. Jane erlaubte ihm, hier zu bleiben… Unfassbar. „Ich… Ich sterbe vor Hunger. Wir bestellen uns was beim Chinesen, in Ordnung, Mom?“, fragte die jüngere Frau mit leicht geröteten Wangen und flüchtete geradezu aus dem Wohnzimmer, um das Thema hinter sich zu lassen. "Eigentlich… machst du ihr damit auch irgendwie eine Freude - auch wenn sie es nicht so... direkt ausdrücken kann“, erklärte Elizabeth leise, nachdem ihre Tochter außer Hörweite war. Sie schmunzelte über Aidens überraschten Gesichtsausdruck, dann verschwand sie für eine Weile im oberen Stock des Hauses, um sich nach den Strapazen frisch zu machen. Als es schließlich klingelte und der Lieferdienst angekommen war, dauerte es nicht lange, bis alle am Tisch saßen und die Menschen sich den Bauch vollschlugen. Die Hausherrin hatte ihren Verband gewechselt und roch nur noch schwach nach Blut, trotzdem war Aiden sich der Verletzung an ihrem Hals sehr deutlich bewusst. Gedankenverloren beobachtete er die Ärztin, sah zu, wie ihre Muskeln sich beim Kauen bewegten… "Tauchst du jetzt eigentlich wieder regelmäßig an der Universität auf?", wollte Jane von Aiden wissen, der schuldbewusst zusammenzuckte. Die Jägerin bemerkte den Grund dafür wohl nicht, so entspannt, wie sie von einer Frühlingsrolle abbiss und ihn ansah. "Ja, ich denke schon. Für dieses Semester bin ich schon eingeschrieben, also kann ich es genauso gut zu Ende bringen. Danach..." Er geriet erneut ins Stocken, diesmal, weil er in drei, vier Monaten ganz sicher gehen sollte. Wieder huschte sein Blick zwischen den beiden Damen hin und her und ein beklemmendes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Er sollte London verlassen, aber wollte er das diesmal auch...? Bevor sein Zögern zu groß wurde, setzte er ein unbekümmertes Lächeln auf und zuckte die Schultern. "Mal sehen, was danach ist. Wahrscheinlich muss ich mal wieder irgendwas arbeiten, aber ich weiß noch nicht, was." "Gut, dann werde ich dich wohl nur noch wenige Wochen ständig aushalten müssen", entgegnete die Vampirjägerin in gewohnt bissiger Manier, bevor sie aufaß und sich anschließend um das Aufräumen kümmern wollte. Allerdings kam sie gar nicht erst dazu, da Elizabeth ihr zuvor kam. Ihrer Meinung nach hatte ihre Tochter genug getan und man sah Jane an, dass sie überaus erschöpft war und wahrscheinlich jeden Augenblick einschlafen würde, wenn sie sich ins Bett legen würde. "Geh auf dein Zimmer. Ruh dich aus und schlaf", wies die Ärztin die Jüngere an und hauchte ihr einen sanften Kuss auf den Kopf, worauf die Angesprochene murrte. Schließlich gab sie aber ohne größere Diskussion nach und begab sich auf ihr Zimmer. Aiden wünschte Jane, die wohl wirklich fertig sein musste, so widerstandslos wie sie abzog, eine gute Nacht, dann half er ihrer Mutter dabei, klar Schiff zu machen. Eine Weile waren die Geräusche des Geschirrs und seine Fragen, wo was hingehörte, alles, was zu hören war. Aiden mochte diese Atmosphäre, Elizabeth hatte etwas sehr Beruhigendes an sich. Dabei vergaß er nicht, was sie heute erlebt hatte. Er hätte sie gerne gefragt, wie es ihr ging und ob er ihr irgendwie helfen konnte, aber dafür kannten sie sich nicht gut genug. Bisher hatten sie es, mal abgesehen von den Fragen letztens, bei Smalltalk belassen, und sie jetzt plötzlich nach ihrem Gefühlsleben zu fragen, wäre ihm wie eine Holzhammer-Methode erschienen. Ihr dagegen schien das nichts auszumachen. "Jane scheint dir viel zu bedeuten", sprach Elizabeth das auffällige Verhalten Aidens betreffend ihrer Tochter an. "Darf ich fragen, woher das kommt?" Aiden war ein wenig verlegen ob der Frage, zumal es ja darum ging, dass er Interesse an ihrer Tochter hatte. Es war aber normal, dass sie neugierig war, immerhin war es verwunderlich, wenn plötzlich ein fremder Mann auftauchte und ihr Leben auf den Kopf stellte. Noch dazu, wenn derjenige 500 Jahre alt war. Vermutlich war es Aidens Glück, dass er so jung verwandelt worden war. Wäre er in der Gestalt eines 50 Jährigem aufgetaucht, wären sie wohl misstrauischer, was seinen Umgang mit Jane anbelangte. Bedacht stellte er das Glas weg, das er gerade in der Hand hielt, und wandte sich seiner Gastgeberin zu. "Ihre Tochter sieht einer Frau sehr ähnlich, die mir viel bedeutet hat, als ich noch ein Mensch war. Wenn ich sie ansehe, weiß ich wieder wie es damals war obwohl es... Sehr lange her ist" Er lächelte, den Blick gesenkt, doch dann sah er wieder zu seiner Gesprächspartnerin. "Ich verstehe, dass Ihnen das seltsam vorkommen muss, aber ich möchte wirklich nur Janes Bestes. Sie ist alles, was ich von meinem Leben noch habe." Sie schien davon aber nicht abgeschreckt, sondern schüttelte nur leicht lächelnd den Kopf. "Es ist nicht seltsam. Es ist ... menschlich", sprach die Kurzhaarige leise. Menschlich… Er wusste natürlich, dass sie das Wort unabhängig von seiner Rasse meinte, trotzdem war es seltsam, so genannt zu werden. Nicht, weil er sich missverstanden oder gar beleidigt fühlte, sondern weil seine Art zu Denken sich in vielen Bereichen doch sehr von der eines Menschen unterschied. Er war ein Raubtier, noch dazu so alt, dass er in den Geschichtsbüchern auftauchen könnte, wenn er in seiner Existenz etwas Bedeutendes erreicht hätte. Er bemühte sich zwar, diese Andersartigkeit möglichst nicht zu zeigen, um Jane und Elizabeth nicht vor den Kopf zu stoßen, aber sie war eben doch da, und das könnte er nicht ändern, egal, wie sehr er es wollte. Er beschloss, dass es positiv war, wenn Elizabeth ihn für ´menschlich` hielt, weil das wohl bedeutete, dass sie keine Angst vor ihm hatte, also nickte er nur. „Vielleicht haben Sie Recht.“ "Es ist wirklich beeindruckend, wie sehr Jane dich bereits akzeptiert. Es war bestimmt nicht einfach, so weit zu kommen. Immerhin hält sie sich mit ihrem Hass und ihrer Abneigung gegenüber Vampiren nicht zurück", fuhr die Dame des Hauses fort, als sie sich dann wieder dem Geschirr zuwandte. "Das mag nun seltsam von mir klingen, doch ich bin froh und dankbar dafür, dass du anscheinend nicht aufgegeben hast und du sie beschützt. Ohne dich wäre ich wahrscheinlich nicht mehr hier, und Jane auch nicht. Ich weiß ja, wie überstürzt und stur sie sein kann. Ich hoffe, du kannst ihr verzeihen, wenn sie sich mal wieder ein wenig... irrational oder dickköpfig verhält." "Da gibt es nichts zu verzeihen. So ist sie eben, und sie hat bestimmt ihre Gründe dafür", erwiderte er sanft. Tatsächlich schaffte sie es meist eher unbeabsichtigt, ihm etwas vor den Latz zu knallen, das ihm nicht passte. Als sie noch wirklich versucht hatte, ihn zu beleidigen, war das einfach von ihm abgeprallt. Er war zu alt, um sich von so etwas reizen zu lassen. Und dass sie manchmal ein wenig unbeholfen in ihrer Wortwahl war, nahm er ihr genauso wenig übel, immerhin war er der erste Vampir, mit dem sie längerfristig so privat zu tun hatte. Ein schwaches, trauriges Lächeln legte sich auf Elizabeths Lippen. "Nun, es gibt irgendwie schon etwas zu verzeihen", meinte sie leise als ihr Blick zur Seite, aus dem Fenster schweifte. "Wäre sie nicht so verbissen und vernarrt, dann wäre sie möglicherweise in der Lage, den Tod ihres Vaters loszulassen. Dann würde sie auch nicht ständig mit diesen ungesunden Rache- und Wutgefühlen leben und diese nicht an unbeteiligten Vampire auslassen müssen." Aiden verstummte nach einem gemurmelten "Das tut mir leid…", für eine Weile. Jane hatte ja gesagt, dass ihr Vater gestorben war, und auch, dass sie Vampire hasste, da war dieser Zusammenhang eigentlich recht schlüssig. Wie sie jedoch mit dieser Situation umging, war bezeichnend. Jedes andere kleine Mädchen wäre wahrscheinlich einfach zusammengebrochen, aber Jane hatte sich bereits im Alter von zehn dazu entschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Einerseits hatte ihr das wohl ihr Durchsetzungsvermögen gebracht, andererseits - Wie ihre Mutter bereits gesagt hatte - Auch ein Unvermögen, mit der ganzen Sache abzuschließen. Wie sehr es sie niederschmetterte, hatte er ja gesehen, als sie Richard gestellt hatten. In dem anderen Vampir nicht das zu finden, was sie sich erhofft hatte, hatte sie völlig aus der Bahn geworfen. Wenn sie ihn noch mal darum bat, ihr bei einer Jagd zu helfen, würde er wesentlich vorsichtiger sein müssen. "Wahrscheinlich ist es… Angenehmer für sie, wütend zu sein als traurig", mutmaßte er, nachdem sie eine Weile nachdenklich geschwiegen hatten. "Ich verstehe sehr gut, wieso sie derart reagiert - auch, wenn sie es sich damit sicher nicht einfach macht." Wenn beispielsweise ein Löwe ihren Vater getötet hätte, hätte die junge Frau wohl auch eine Abneigung gegen diese Tiere. Dass sie genau denselben allgemeinen Hass auf Vampire entwickelt hatte, zeigte, für wie wenig ´fühlend` sie seine Art hielt. Andererseits musste ihr klar sein, dass sie ein Bewusstsein hatten, weshalb sie den besonderen Vampir natürlich noch verantwortlicher machte als eine Raubkatze. Ja, es war keine einfache Situation, in der sie sich befanden, und dass sie traumarisiert war von einem solchen Erlebnis in ihrer Kindheit, war mehr als nachvollziehbar. "Ich denke, dass du schon mehr hilfst, als dir eigentlich bewusst ist. Dabei meine ich nicht nur die Tatsache, dass du sie beschützt oder von Dummheiten abhältst", erwiderte die Brünette leicht lächelnd, als sie sich ein wenig zurücklehnte und ihn dabei direkt ansah. Ihm war nicht bewusst, dass er Jane auf irgendeine Art unterstützte. Dieser Gewöhnungsprozess bezog sich immerhin nur auf ihn, anderen Vampiren gegenüber war sie, soweit er das bisher mitbekommen hatte, kein bisschen mehr aufgeschlossen. Im Normalfall wäre ihm das egal, solange sie ihn selbst akzeptierte. Aus der Perspektive, dass es zu ihrem Selbstheilungsprozess beitragen konnte, den blinden Hass auf Vampire abzulegen, wünschte er sich aber natürlich, dass sie es schaffte, sich selbst zu überwinden. "Ich bin eigentlich nur froh, dass sie nicht mehr versucht, mich zu filetieren, sobald sie mich sieht. Alles andere wird die Zeit schon ergeben", erwiderte er scherzend. Er hatte Jane ja versprochen, ihr Zeit zu geben - Und damit hatte er jede Hinsicht gemeint. Sie gewöhnte sich sowieso schon schneller an ihn, als er gedacht hätte. Wobei das auf Gegenseitigkeit beruhte, wie er vorhin hatte feststellen müssen. Sie für ein paar Wochen nicht mehr zu sehen, hatte ein richtiges Loch in sein Leben gerissen und ihm jede Motivation genommen. Wenn sie sich nicht wieder gesehen hätten, hätte er London wahrscheinlich schon verlassen, aber ob das groß etwas verbessert hätte, stand auf einem anderen Blatt. Inzwischen war das Geschirr eingeräumt und Elizabeth bot ihrem Gast an, sich mit ihr ins Wohnzimmer zu setzen, was dieser natürlich gerne annahm. "Darf ich fragen, ob diese Person, die Jane ähnelt... deine Geliebte war? Oder war eure Beziehung anders?", wollte die Ärztin vorsichtig wissen, wobei sie ihm bewusst die Option zu geben schien keine Antwort zu geben. Trotzdem fuhr der Vampir sich verlegen durchs Haar. "Nun… Ja, ich habe sie geliebt. Sie war Jane Grey, die Neuntagekönigin. Jane sagte, Sie würde von ihr abstammen“, wechselte er das Thema ein wenig, da er nicht vorhatte, sein Gefühlsleben mit der Mutter der Frau zu erörtern, die besagtes Gefühlsleben betraf. "Ja, sie ist ihre Nachfahrin väterlicherseits", erklärte die Ärztin leise und seufzte schwer, als sie an die Neuntagekönigin dachte, die in England praktisch jeder kannte. Es war eine wirklich unschöne und tragische Geschichte, die mit Hinterlist, Politik und Verrat gepaart war. "Entschuldige meine Frage diesbezüglich bitte. Es ist dir bestimmt unangenehm, darüber zu reden. Ich wollte damit keine unangenehmen Erinnerungen hervorrufen", fügte sie leise und schwach lächelnd hinzu. Aiden verwarf ihre Entschuldigung, war aber trotzdem froh, das Thema hinter sich zu lassen. Besonders nach seinem Streit mit Jane deswegen war er noch nicht bereit, erneut über seine tote Geliebte zu sprechen. "Hm… wenn ich mich nicht verkalkuliert habe, dann bist du um die 500 Jahre alt, nicht wahr?", fragte Elizabeth weiter, um das Thema zu wechseln. "So ungefähr, ja.“ "Die Welt hat sich in der langen Zeit sehr verändert... Fiel es dir eigentlich leicht, dich immer wieder anzupassen?“ „Nein, es war recht schwer. Gerade in den letzten Jahren haben die Menschen sehr viele Erfindungen gemacht, Gedankengut vorangetrieben, Prozesse verändert… Aber es ist auch sehr interessant, das alles zu beobachten. Und es macht einen wohl auch offener, weil man bemerkt, dass nichts, von dem man heute überzeugt ist, für immer so bleiben muss", erzählte er lächelnd. „So, wie ich es mitbekommen habe, hast du es ja nicht so mit der Technik", kam es dann mit einem kleinen Schmunzeln über die Lippen. „Dein Handy ist… Nun, recht rustikal.“ Er lachte leise und fuhr sich durch die Haare. "Technik ist wirklich nicht so meins. Die Geräte verändern sich so schnell und gerade, wenn man etwas gelernt hat, ist das eigentlich schon wieder veraltet. Außerdem interessiert es mich eigentlich nicht so wirklich." "Na ja, ich hoffe für dich, dass du das mit der Technologie irgendwie in den Griff bekommst. Ich denke nämlich nicht, dass sich die Menschheit in der Hinsicht zurückentwickeln wird", meinte sie leise. "Bisher komme ich ganz gut zurecht. Ich versuche ja, mich anzupassen - Gestern habe ich sogar ein neues Telefon gekauft", fügte er hinzu, als ihm das kleine Päckchen einfiel, das seit dem Kauf unberührt auf seinem Nachtkästchen lag. Er würde wohl Jane bitten müssen, ihm beim Einrichten zu helfen. Elizabeth lachte leise und saß dabei so entspannt in ihrem Sessel, dass Aiden sich kaum vorstellen konnte, dass sie Janes Mutter sein sollte. Nicht nur ihre Aura von Gelassenheit und Selbstbewusstsein, sondern auch ihre bedingungslose Akzeptanz seiner Person verwunderte ihn doch sehr. Hatte er bei ihrer Tochter um jedes auch nur höfliche Wort kämpfen müssen, so spürte er hier ehrliches Interesse und Freundlichkeit, und das nicht erst, seit er sie gerettet hatte. Elizabeth hatte ihm ohne einen schiefen Blick Blut zu trinken gegeben und ihn in ihrem Haus aufgenommen, obwohl doch auch sie eine geliebte Person an einen Vampir verloren hatte. Durch diese Offenheit hatte er Elizabeth bereits ins Herz geschlossen, aber es verwunderte ihn doch. "Aber Sie scheinen kein Problem mit meiner Art zu haben", bemerkte er mit einem interessierten Blick auf sein Gegenüber, wobei er die Aussage bewusst so wählen konnte, dass sie einfach nichts dazu sagen konnte. Sicher war es ihr nicht egal, aber Elizabeth hatte wohl eher mit dem Tod ihres Mannes abgeschlossen als ihre Tochter. Das lag sicherlich daran, dass sie erwachsen gewesen war, als sie ihren Mann verloren hatte und wohl daran, dass sie für Jane hatte da sein müssen. Sie seufzte kurz und zuckte mit den Schultern. "Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass das ich nicht immer 'kein Problem' mit Vampiren hatte. Sicher, ich habe die Vampire nicht so sehr gehasst, wie es Jane tut, doch wenn ich meine Handlungsweisen im Nachhinein ein wenig analysiere, dann würde ich schon behaupten, dass ich irgendwie einen Groll gegenüber gewissen Vampiren gehegt habe. Wäre dies nicht der Fall, dann hätte ich früher alle Mittel und Wege genutzt, um meine Tochter davon abzubringen, eine Vampirjägerin zu werden", gab die Ärztin offen zu und strich sich die Haare hinters Ohr. "Allerdings ist das heute anders. Das liegt wohl daran, dass ich für mich abgeschlossen und realisiert habe, dass es mir nicht wirklich etwas bringt, wenn man den Mörder schnappen würde. Nate würde trotzdem nicht wieder zum Leben erwachen." Während sie gesprochen hatte, war ihr Blick wieder zum Fenster gewandert, wobei ihr Fokus in der Ferne lag. Man sah ihr an, dass sie an die Zeit zurückdachte, in der ihr Mann noch gelebt hatte. „Die Erinnerungen schmerzen natürlich noch immer ein wenig, aber nicht mehr so wie vor einigen Jahren…“ Vermutlich wusste sie gar nicht, wie sehr Aiden ihren Verlustschmerz nachempfinden konnte. Da er somit aber auch wusste, dass er nichts sagen konnte, um ihr zu helfen, blieb er auf einer unemotionalen Ebene. "Vielleicht kann man Ihrem Mann nicht mehr helfen. Trotzdem finde ich, dass es eine gerechte Strafe geben sollte. Jane und ich haben kürzlich darüber gesprochen, dass eine Instanz geben sollte, die dafür sorgt, unter Vampiren für gewisse Gesetzte zu etablieren", erzählte er nachdenklich. Im Moment konnte man nämlich wohl tatsächlich keinen Vampir zwingen, sich einem System unterzuordnen, und der Gedanke wäre, wie sie ja schon festgestellt hatten, schwer umzusetzen, aber er würde das Verhältnis zwischen ihren Arten sicher bessern. "Nun... es wäre natürlich wünschenswert. Allerdings wird es wohl an der Umsetzung hapern“, stimmte auch die Ärztin ihren Bedenken zu. "Aber die Zeiten ändern sich – Wie du selbst mitbekommen hast. Welche Zeit, Epoche - oder wie auch immer du das nennen magst - fandest du bisher denn am interessantesten?“ Das waren angenehmere Gefilde, trotzdem musste Aiden wieder etwas überlegen. "Das ist schwer zu sagen, weil ich es auch nur aus der Sicht der Länder beurteilen kann, in denen ich zu der jeweiligen Zeit eben war. Insgesamt hat es mir aber in Europa immer am besten gefallen, wohl, weil die Wertvorstellungen dort am vertrautesten sind." Die großen Entdeckerfahrten hatte er nicht mitmachen können; es wäre einfach unmöglich für einen Vampir, unbemerkt längere Zeit auf einem Schiff voller Menschen zu leben. Aber sobald es in überschaubaren Zeitspannen möglich gewesen war, zu reisen, hatte er das getan. Davor hatte er eben die längeren Landwege auf sich genommen, was seine Reize gehabt hatte. Sie sah ihn die ganze Zeit interessiert an und scheinbar hatte sie ein unendliches Kontingent an Fragen, obwohl die Folgende schwer zu beantworten war: „Was hast du eigentlich während der Weltkriege gemacht?" „Ich habe während beider eine Weile gedient", sagte er relativ knapp, da diese Zeit für ihn keine angenehme Erinnerung war. Außerdem war er desertiert, was ihn nicht stolz machte, aber wie er bereits Jane gegenüber gesagt hatte; die Politik der Menschen interessierte ihn lange nicht mehr. Und umgeben von Unmengen von Blut zu sein, war nicht gerade erstrebenswert für ihn. Natürlich bemerkte Elizabeth, dass ihm das Thema unangenehm war, und sie errötete. „Entschuldige, das war auch für dich ein traumatisches Erlebnis. Ich wollte nicht…“ „Bitte, fragen Sie ruhig, was Sie interessiert. Ich finde es schön, mit Ihnen zu reden“, unterbrach Aiden sie lächelnd, woraufhin sie erleichtert nickte. Die Ärztin wollte noch etwas dazu sagen, wurde aber von ihrem eigenen Gähnen unterbrochen. „Du meine Güte. Entschuldige.“ Sie warf einen Blick auf die Uhr, dem ihr Gast folgte, und beide waren überrascht zu sehen, dass es bereits fast ein Uhr war. "Es war wirklich interessant, mit dir zu reden und es wäre schön, wenn wir das wiederholen könnten. Jedoch glaube ich, dass es nun an der Zeit für mich ist, ins Bett zu gehen. Nach den heutigen Strapazen kann ich die Erholung gut gebrauchen - vor allem, wenn ich morgen fit zur Arbeit möchte", meinte Elizabeth leicht lächelnd und schritt dann auch mit ihm zur Treppe. Sie ging dann auch die ersten zwei Stufen hoch, ehe sie innehielt und sich noch einmal an Aiden wandte. "Und, Aiden?", kam es leise über ihre Lippen. "Bitte nenn mich Liz. Du brauchst mich auch nicht zu siezen, zumal es ja eigentlich umgekehrt sein müsste, wenn man es genauer betrachtet." Das stimmte wohl, immerhin war er fast zehn Mal so alt wie seine Gastgeberin. Dennoch war es ihm respektvoller erschienen, sie zu siezen. „Gute Nacht, Liz“, verabschiedete er sie jetzt jedoch warm. Die Ärztin lächelte den temporären Mitbewohner noch einmal kurz an, wünschte ihm eine angenehme Nacht und verschwand nach oben in ihr Zimmer. Auch Aiden zog sich auf sein Zimmer zurück. Dabei verstieß er wohl gegen die Regel, dass er nicht 'herumschleichen' sollte, aber immerhin weckte er Jane nicht auf. Erst, als er im Bett war, merkte Aiden, dass die letzten Tage nicht spurlos an ihm vorbeigegangen waren. Natürlich arbeitete alles, was an diesem Tag passiert war, noch in ihm, aber er schlief doch bald ein und blieb für seine Verhältnisse mit mehr als sechs Stunden extrem lang im Bett. Nachdem er während seines Aufenthaltes hier jedoch bisher fast gar nicht geschlafen hatte, war das wohl verständlich. Entspannter als seit einer Woche stand er am nächsten Morgen auf und machte sich frisch, dann gesellte er sich zu Jane an den Frühstückstisch. Sein Blick blieb an ihrer ungewohnten Aufmachung hängen. Hatte er sie bisher nur in Jeans, Shirt und Lederjacke gesehen, so trug sie jetzt ein hübsches, dunkelgraues Kleid und sogar ein wenig Schmuck. Er nahm es mit einem beiläufigen Kompliment zur Kenntnis, dann setzte er sich zu ihr. Nachdem sie während der letzten Wochen stets in Alarmbereitschaft und somit in Kampfmontur gewesen war, erlaubte sie es sich jetzt wohl, wieder Alltagskleidung zu tragen. "Du willst das also wirklich durchziehen und dieses Semester jede Vorlesung besuchen?", wollte Jane wissen, die gerade ihre letzten Cornflakes löffelte und Aidens Kompliment wie immer ignorierte. Er nickte unbefangen, denn ausnahmsweise schien Jane sich tatsächlich nur über seine Pläne informieren zu wollen und nicht zu versuchen, ihn aus ihrem Studiengang zu schmeißen. "Ja. Vielleicht finde ich ja noch heraus, was dir daran gefällt... Obwohl die Psychologie-Seminare durchaus interessant sind", gab er zu. Sie begann, das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen und schlug vor: "Wieso tauschst du es dann nicht um, wenn dir Psychologie mehr zusagt? Es besteht ja keine Gefahr und dementsprechend keine Notwendigkeit mehr, dass du mir nun auf Schritt und Tritt folgst", fügte Jane als Begründung hinzu. So schnell konnte sie eben doch nicht ganz aus ihrer Haut. Er antwortete nur mit einem Lächeln und einem Schulterzucken. Die ´Notwendigkeit`, von der sie sprach, hatte es vor dem Zwischenfall mit der Entführerin auch nicht gegeben und es hatte ihn nicht gestört. Eigentlich hatte er gedacht, dass sie verstanden hatte, dass er nur wegen ihr überhaupt auf der Universität war, da würde er wohl kaum den Studiengang wechseln. Da sie das aber sicher immer noch nicht hören wollte, hielt er lieber die Klappe. Für die fehlende Antwort bekam Aiden einen missbilligenden Blick zugeworfen, da Jane ganz genau wusste, was er damit sagen wollte. Allerdings ersparte sie ihnen beiden die Diskussion, zog den violetten Burberry-Mantel an, den sie letztens zusammen erstanden hatten und begab sich zur Tür. Am Schuhschrank griff sie scheinbar instinktiv nach einem Paar Stiefeletten mit Absatz, legte sie aber mit einem leisen Fluch zurück und entschied sich stattdessen für flache Stiefel; ihrem verletzten Knöchel würden hohe Schuhe nicht gut tun. Aiden machte einen dummen Kommentar dazu und sie motzte ihn an, wartete aber trotzdem, bis er zu ihr ins Auto gestiegen war, ehe sie sich auf den Weg zur Universität macht. Etwas, was vor wenigen Tagen schier unmöglich schien. Er lächelte nur schweigend darüber und versuchte während der Fahrt lieber, sich per Ferndiagnose erklären zu lassen, was er mit seinem Handy machen sollte. Sie tat ihr Bestes, schmunzelte aber ein paar Mal über sein völliges Unverständnis, weil Aiden sich wirklich anstellte wie ein alter Mann. Am Schluss bat er sie einfach, es ihm am Nachmittag zu zeigen, was sie auch tun würde. Am Campus angekommen, konnte man einige Studenten sehen, die orange-schwarze Flyer verteilten und natürlich bekam die Vampirjägerin ebenfalls einen in die Hände gedrückt, sodass sie kurz darauf lesen konnte, dass ein Maskenball zu Halloween stattfinden würde. Neugierig musterte der Vampir den Prospekt. Was diese Studenten so alles trieben, außer studieren... Mit Aiden und dem Flyer im Schlepptau begab Jane sich in den entsprechenden Hörsaal, wo bereits Benjamin und Kate auf sie warteten. Dabei stellte sich kurz darauf heraus, dass Logan wohl die Grippe erwischt hatte und für die nächste Zeit Zuhause das Bett hüten müsste. "Hm... vielleicht schaue ich in den nächsten Tagen mal bei ihm vorbei", meinte Jane an ihre Freunde gewandt, da er es sicher begrüßen würde, wenn man ihm ein paar Notizen vorbeibrachte und sie ihm seine Unterlagen zurückgeben konnte, die sie von ihm geliehen hatte. "Das ist eine gute Idee", meinte Kate. Sie sah ein bisschen aus wie die ´Böse` aus einem Teenager-Film; viel Make-Up, gemachtes, hellblondes Haar und stets gut gekleidet. Aber wie die anderen aus Janes Freundeskreis war die Halb-Irin sehr nett und nahm Aiden trotz seines plötzlichen Auftauchens freundlich hin. Jetzt lächelte sie ihn an und erkundigte sich: „Jane hat erzählt, du hättest Probleme mit der Familie… Ich hoffe, das hat sich wieder geregelt?“ Aiden konnte nicht anders, als seiner Mitbewohnerin einen kurzen, liebevollen Seitenblick zuzuwerfen. Er wusste ja, dass sie es nicht so gemeint hatte, aber dass sie es ausgerechnet 'Familienprobleme' genannt hatte, sich mit ihm zu streiten, hatte schon etwas Amüsantes. "Es hat sich alles wieder geklärt. Danke der Nachfrage." Natürlich ignorierte die Brünette Aidens Blick, indem sie sich stur darauf konzentrierte, ihre Sachen zurecht zu legen. Es ohnehin nicht lange, bis die Professorin eintrat und mit der Vorlesung begann. Nach allen Seminaren zeigte die Uhr kurz nach drei und wie mit Eldric abgemacht, begab sich das potentielle Jäger-Gespann zum Zirkel. Einerseits, um einen mündlichen Bericht abzugeben, wie Jane ihrem Begleiter erklärte, und zum anderen, um endlich ihren Ring zu modifizieren. Sie konnte es kaum erwarten, nicht mehr ständig unter Beobachtung zu sein. Kaum hatte sie mit Aiden die unterirdische Stadt betreten, konnte man einige Leute sehen, die sie mit den Blicken regelrecht verfolgten und hinter vorgehaltener Hand tuschelten. Hätte die junge Frau diese Leute nicht geflissentlich ignoriert, hätte sie wohl gehört, dass man über den Vorfall mit dem Händchenhalten sprach und somit das Gerücht die Runde machte, dass Jane angeblich etwas mit einem Vampir hatte. Da sie jedoch so fixiert darauf war, die Sache bei ihrem Mentor abzuwickeln und das GPS-System rauszubekommen, hörte sie nichts dergleichen. Im Gegensatz zu seiner Begleitung fiel Aiden durchaus auf, was die anderen Jäger so über sie erzählten. Zuerst war er überrascht und ein wenig verlegen, doch dann grinste er die Betreffenden nur an, worauf die meisten verstummten. Das laut zu Jane zu sagen, hätten sie sich wahrscheinlich nicht getraut, die feigen Hunde. Beim Zirkeloberhaupt nahmen sie Platz, Jane erzählte, was geschehen war und sah dann zu, wie Eldric alles notierte. Bevor sie aber den Raum wieder verlassen konnte, hatte der alte Vampir noch etwas zu sagen. "Seit dem unglücklichen Vorfall hört man so einiges im Zirkel...", fing Eldric mit einem kleinen, undurchsichtigen Lächeln an. "... dürfte ich von euch wissen, ob ihr einen längerfristigen Vertrag in Betracht zieht?" Im Gegensatz zu den unzähligen Malen zuvor, protestierte die Jägerin nicht. Sie unterbrach das Oberhaupt nicht einmal und schwieg, weshalb eben dieser am Ende der Frage sogar leicht eine Augenbraue anhob. Auch Aiden bemerkte das fehlende Protestgeheul seiner momentanen Mitbewohnerin. Er sah fragend zu ihr rüber, aber sie schwieg sich aus. Von jedem anderen hätte man dieses Schweigen wohl als ´Nein` interpretieren können, aber Jane hätte diese Ablehnung sicherlich direkt sehr laut vorgetragen. Deshalb fragte Aiden sich, was sie jetzt genau aussagen wollte. Es fiel ihr schwer, irgendetwas offen zu akzeptieren, das mit ihm zu tun hatte, das hatte sie schon so oft gezeigt. Vielleicht traf das jetzt auf diese Situation zu; sie wollte ihn nicht als Partner in Betracht ziehen, tat es aber wohl doch. Als ihm das bewusst wurde, schlich sich ein schiefes Grinsen auf seine Züge. "Ich schätze, wir denken darüber nach", sagte er zu Eldric, ohne dabei jedoch das überaus zufriedene Gesicht von der jungen Frau zu seiner Linken abzuwenden. Zwar fragte er sich, was ihren plötzlichen Sinneswandel hervorgerufen hatte, immerhin waren die letzten Tage seiner Meinung nach nicht gerade gut gelaufen. Außerdem war es ihm egal, ob sie tatsächlich für den Vertrag entschied, er fand es einfach süß, wie sie sich gerade verhielt. "Wie oft denn noch? Ich ziehe es nicht in Betracht!", schnauzte Jane ihn jetzt doch an, bevor sie aufstand, sich abwandte und würdevoll zur Tür stolzierte. Allerdings presste sie ein kaum hörbares 'noch nicht' zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor als sie das Büro des Oberhaupts verließ. Aus Höflichkeit stand Aiden ebenfalls auf, als seine potentielle Partnerin ihren höchst dramatischen Abgang aus dem Büro zelebrierte. Dabei sah er ihr schmunzelnd und mit verschränkten Armen nach, wollte ihr aber etwas Vorsprung lassen, damit sie sich an ihre eigenen Gedanken gewöhnen und sich etwas abregen konnte. In ihrer momentanen Stimmung war nicht mit ihr zu scherzen. Immerhin hatte sie mehr als die Hälfte ihres kurzen Lebens damit zugebracht, Vampire zu hassen, und dann kam er daher und brachte sie einfach dazu, ihn zu 'mögen' - Wenn er sich so weit aus dem Fenster lehnen dürfte, eine gewisse Sympathie anzunehmen. Ihm kam wieder sein Gespräch mit ihrer Mutter in den Sinn, die von einem 'ungesunden Hass' gesprochen hatte. Tja, wenn man das hier als eine Art ´Heilung` betrachten wollte, war es nur logisch, dass es nicht einfach war. Ein leises Glucksen hinter Aiden riss diesen aus seinen Überlegungen. Ach ja, er war ja nicht alleine, das hatte über seine Gedanken ganz vergessen. Er drehte sich nach dem sichtlich amüsierten Zirkeloberhaupt um, mit dem er zum ersten Mal alleine an. Zwar war Aiden nicht mehr so beunruhigt wie bei seiner ersten Begegnung mit Eldric, aber trauen tat er ihm noch immer nicht wirklich. "War sie Ihnen gegenüber am Anfang auch so?", erkundigte Aiden sich neugierig. Jane würde er schon finden, ihr Geruch war ihm inzwischen so vertraut, dass er ihr leicht folgen konnte, außerdem wollte sie ja ihren Ring wieder in die Ausgangsform bringen lassen und musste daher zum Zeughaus der Untergrundorganisation. "Nun... ich würde behaupten, dass sie nicht ganz so war. Sie war mir gegenüber eher distanziert als feindselig gesinnt. Man merkte allerdings, dass sie eine lange Zeit in meiner Nähe sehr angespannt war", erklärte der uralte Vampir, nachdem er sich ein wenig nach vorne gebeugt und seine Ellbogen auf dem massiven Schreibtisch abgestützt hatte. Zum Beginn ihrer Ausbildung hatte Jane sich vielleicht einfach noch nicht so in ihren Hass hineingesteigert, außerdem hatte sie ja etwas von Eldric gewollt. Folglich war es nur logisch, dass sie nicht gleich versucht hatte, ihn bei ihrer ersten Begegnung zu ermorden, aber irgendwie war es schon ein wenig… Unfair. Immerhin hatte Aiden ihr auch nicht mehr getan als der ältere Vampir - Nämlich gar nichts. Wo sie jetzt so über Jane sprachen, überkam Aiden die Neugierde, sodass er weiter fragte: "Würden Sie mir sagen, wieso Sie Jane als Ihren Protegé ausgesucht haben? Ich meine, sicher, sie ist sehr talentiert und stark, aber auch... Wahnsinnig anstrengend", sagte er mit einem kleinen, entschuldigenden Lächeln, als wäre dieser Mangel an Janes Charakter seine Schuld. Eldrics Grinsen wurde breiter und das Oberhaupt lachte erneut leise. "Du wirst es mir vielleicht nicht glauben, doch sie hat eigentlich mich ausgesucht", stellte Eldric gleich einmal klar. "Als sie unsere Basis aufgesucht hat, hat sie natürlich gleich gesagt, dass sie Vampire jagen möchte. Jedoch hat sie auch die Forderung gestellt, vom Besten beziehungsweise Ranghöchsten unterrichtet zu werden, weshalb man sie zu mir brachte. Daraufhin hat sie, unverfroren, wie unsere Jane eben ist, von mir verlangt, sie zu trainieren und zur besten Jägerin auszubilden." Er hielt kurz inne, weil er die Erinnerungen von jenem Tag nur zu deutlich vor seinem inneren Auge sah und gar nicht anders konnte, als erneut kurz zu glucksen. "Das mag jetzt in deinen Ohren möglicherweise unangebracht klingen, weil sie damals noch ein kleines Kind war, doch ich bin damals ihrer Forderung nachgekommen, weil sie mich fasziniert hat. Ihr Blick, ihre Haltung, ihre Worte... ihre ganze Ausstrahlung, die sie an den Tag gelegt hatte, zeigten etwas Besonderes und ein enormes Potential, welches ausgeschöpft werden wollte - nein, musste", fuhr das Oberhaupt des Zirkels mit seiner Erklärung fort. "Allerdings ging es mir natürlich auch darum, sie zu schützen. Sie war so jung, hatte Dinge gesehen und gewusst, die für normale Menschen nicht bestimmt waren und dementsprechend war sie mit ihren zehn Jahren eine leichte Zielscheibe für andere Vampire. Das ist der Grund, weshalb sie noch immer mein persönlicher Schützling ist." Aiden schmunzelte bei der Vorstellung einen Moment, bis ihm klar wurde, dass man tatsächlich getan hatte, was dieses rotzfreche, eigensinnige Kind gewollt hatte. Mal wieder fragte er sich, warum man sie nicht weggeschickt, warum man ihr nicht gesagt hatte, sie solle noch mindestens vier, fünf Jahre warten. Sie war so klein gewesen, hatte ein Trauma erlebt, von dem die Verantwortlichen wussten. Da war es seiner Meinung nach völlig egal, dass sie das Mädchen erstmal nur Ausgebildet hatten, der Sinn und Zweck des ganzen blieb derselbe. Das war jetzt zwölf Jahre her, und sie war immer noch so verbohrt wie das kleine Mädchen von damals. Vor zwölf Jahren… Ihr Vater war vor zwölf Jahren gestorben… Eine Erkenntnis kratzte an seinem Bewusstsein, aber bevor Aiden sie greifen konnte, war sie bereits weg. Stirnrunzelnd blinzelte er ein paar Mal, doch es war zu spät. Also konzentrierte er sich auf ein anderes Thema, das er spannend fand. "Was mich auch interessiert, ist, ob Sie diesen Zirkel gegründet haben." Jane hatte zwar gesagt, es sei eine staatliche Organisation, aber das hatte ja nichts zu bedeuten. Erst, als er das schon alles gefragt hatte, fiel ihm auf, wie indiskret er eigentlich war, und dass er die wohl knappe Zeit des Zirkelführers verschwendete. "Entschuldigen Sie, ich war zu neugierig... Ich werde jetzt wohl besser meine Partnerin suchen. Nicht, dass sie noch etwas kaputtmacht", fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu. In dem Moment klingelte das Telefon, und das Zirkeloberhaupt hob entschuldigend die Hand, ehe er ranging. Scheinbar wurde er gebraucht, denn Eldric stand nach einem kurzen Gespräch auf. "Entschuldige dich nicht. Deine Neugierde und Fragen sind begründet", erwiderte er mit einem kleinen Lächeln, als er sich zu einem Regal begab, um gewisse Akten herauszusuchen. "Und um deine Frage bezüglich der Gründung zu beantworten: Ja, das habe ich. Über die Beweggründe werden wir aber wohl das nächste Mal sprechen müssen." Das Oberhaupt schnappte sich seine Dokumente, verabschiedete sich mit einem Nicken von seinem Gegenüber und verließ dann sein Büro, welches er - nachdem sein Gast ausgetreten war - abschloss. „Aber lass mich dir raten, Jane lieber nicht ´deine Partnerin` zu nennen, bevor sie das entscheidet“, merkte Eldric noch an, bevor die Wege der Vampire sich trennten. Während er Janes Fährte folgte, dachte Aiden über das nach, was er soeben über sie erfahren hatte. Sie war also schon als Kind so stur gewesen, was wohl daran lag, dass sie aus gutem Hause kam und immer alles bekommen hatte, was sie wollte. Eine richtige Prinzessin, dachte er mit einem Anflug von Zärtlichkeit, der ihn selbst ein wenig überraschte. Sicher, sie war ihm von Anfang an wichtig gewesen, doch bisher hatte er sie nur als ´Kopie` seiner Geliebten gesehen, und langsam lernte er sie als eigenständige Person zu schätzen. Die Intensität, mit der er das tat, verwirrte den Vampir ein wenig, sodass er das Gefühl lieber unterdrückte und sich weiter auf seine Suche nach der Jägerin konzentrierte. Wie erwartet war Jane im Zeughaus und wartete auf ihre Ausrüstung. "Da bist du ja", begrüßte Aiden sie und berührte sie kurz an der Schulter, als er an der Couch vorbei ging, um sich neben sie zu setzen. Natürlich wäre er nie so dumm gewesen, sie seine Partnerin zu nennen, bevor sie das selbst zugab, aber eigentlich war sie es inoffiziell ja bereits. Sie hatte sich in der Sache mit der Vampirin auf seine Hilfe verlassen, sich mit ihm beratschlagt und nicht mal versucht, auf eigene Faust zu agieren. Das war doch ziemlich eindeutig. Lebensmüde war er allerdings nicht, sodass er diese Überlegungen für sich behielt und stattdessen ein anderes Thema aufgriff: "Wäre es nicht eigentlich besser, wenn diese Ringe immer gechipt wären? Wenn euch etwas passiert, könnte man euch viel leichter finden." Natürlich wäre es ein wenig unangenehm, aber eigentlich sollte bei dieser Organisation die Sicherheit doch vorgehen. "Im Grunde genommen sind sie alle gechipt", erklärte Jane, als sie wieder in die Zeitung blickte und ihren Blick über die einzelnen Zeilen schweifen ließ. "Allerdings so, dass der Besitzer des Ringes mit einer Software am eigenen Computer oder Handy selbst entscheiden kann, wo und wann er seinen Standort offenlegen möchte. Der Zustand, in dem mein Ring momentan ist, habe ich keinerlei Kontrolle darüber - und das gefällt mir kein bisschen. Es ist nicht so, dass ich etwas zu verheimlichen habe, aber das Gefühl, ständig überwacht zu werden, empfinde ich alles andere als angenehm." Es war nur verständlich, dass sie ihr Leben nicht völlig gläsern machen wollte, aber während eines Auftrags hätte Aiden es doch als sicherer empfunden, das GPS System dauerhaft anzulassen. Es gab schließlich Situationen, in denen man nicht fähig war, eine andere Funktion zu benutzen oder den Ring zu zerstören. "Na ja, es geht eher um deine Sicherheit als um Überwachung, aber ich verstehe, was du meinst", sagte er nur dazu, weil sie sich in der Sache sowieso nicht reinreden lassen würde. "Worüber hast du dich mit Eldric unterhalten?", wollte die Vampirjägerin wissen und verlagerte ihre Aufmerksamkeit von der Zeitung zu ihm. Aidens zuckte Mundwinkel etwas. Ihr die ganze Wahrheit zu sagen, kam natürlich absolut nicht in Frage, aber sie anlügen wollte er nicht wirklich. "Ich habe ihn gefragt, ob er es war, der den Zirkel gegründet hat. Aber er hatte nicht wirklich Zeit, um sich zu unterhalten", benutzte er also eine abgespeckte Variante des tatsächlichen Gesprächsinhaltes. Jane hatte ihm ja schon mal gesagt, dass er sie persönlich fragen sollte, wenn er etwas über sie wissen wollte, aber das hätte sie ihm wohl kaum erzählt - vor allem nicht so amüsant wie Eldric. In dem Moment rief die Kollegin vom Ausrüstungslager, Laura, nach Jane, sodass diese nicht weiter nachbohren konnte. Sie faltete das Blatt, schmiss es auf den Tisch vor ihr und stand auf, um ihren Ring zu holen, den sie direkt an ihren rechten Zeigefinger steckte. Allerdings kam sie nicht dazu, sich gleich wieder abzuwenden, da die Chefin des Technik-Schnickschnacks sich zu ihr vorbeugte und dezent auf Aiden deutete. "Sag mal, stimmt es, was man sich so erzählt?", wollte Laura wissen, worauf die Angesprochene die Stirn runzelte und zum Vampir blickte. Aiden wartete an der Tür, hörte aber, was die Technikerin seine Begleiterin fragte und zog die Brauen hoch. Nun, hier hatten sie jemand mutigen... Als der Technikfreak jedoch bemerkte, dass die Jägerin keine Ahnung hatte, wovon sie sprach, räusperte sie sich kurz und winkte sofort ab. Sichtlich irritiert kehrte die Brünette zu ihm zurück. Aiden warf Laura einen amüsierten Blick zu, als er Jane die Tür aufhielt und ihr nach draußen folgte. Seine 'Partnerin' hatte sich wirklich schon einen Ruf gemacht, der dafür sorgte, dass man sie lieber nicht auf Dinge ansprach, die sie reizen könnten. "Wie geht es eigentlich deiner Schulter und dem Knöchel?", fragte er, als sie über den Vorplatz liefen. Am Morgen hatte es nicht ausgesehen, als hätte sie noch große Schmerzen, aber jetzt hatte sie die Verletzungen den ganzen Tag belastet, das tat sicher nicht gut. "Dank der Schiene, die meine Mutter an meinem Fuß angebracht hat, tut er nicht wirklich weh", erklärte sie. "Aber meine Schulter pulsiert teilweise ziemlich unangenehm. Es ist aber nicht weiter schlimm und solange ich sie nicht allzu sehr belaste, ist es okay." Die beiden schickten sich an, den Zirkel zu verlassen, bis jemand hinter ihnen Janes Namen rief. Der Jäger, den sie bereits bei ihrem vorletzten Besuch gesehen hatten, kam grinsend auf sie zu, den Blick neugierig zwischen Jane und Aiden hin und her wandernd. "Na, Kleine? Da hast du uns ja alle überrascht! Aber ich hab mir doch gleich gedacht, dass du viel zu nett bist zu unserem Blutsauger hier - nichts für ungut, Mann", fügte Lucas an Aiden gewandt hinzu, der nur wiederwillig die Arme verschränkte und nichts sagte. "Wie bitte?", kam es dann mit einem Stirnrunzeln über Janes Lippen, als sie stehenblieb und kurz zu ihrem Begleiter schielte, als der Jäger ihn ansprach. Natürlich hätte Aiden den anderen Jäger warnen können, dass er gerade auf eine Landmine trat... Aber er konnte es auch lassen, und genau das tat der Vampir. "Wird aber auch mal Zeit, dass du dir einen Mann suchst. Du bist zu hübsch, um ständig alleine rumzugeistern. Seit wann läuft das mit euch zweien schon?" Lucas sah auffordernd zwischen den beiden hin und her, aber Aiden sah nur interessiert zu seiner Begleiterin. Sie mal sauer zu sehen, wenn es nicht um einen Untoten ging, wäre doch interessant. Blieb nur zu hoffen, dass sie nicht ihm irgendwie die Schuld für diese Gerüchte in die Schuhe schob. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Lucas", entgegnete Jane hörbar angespannt und mit leicht verengten Augen. Allerdings schien der Angesprochene das geflissentlich zu ignorieren, da er sie weiterhin mit einem breiten Grinsen ansah. "Ach komm. Die meisten wissen Bescheid! Man hat euch Hand in Hand gesehen!", fuhr er mit seiner Neckerei fort, beugte sich sogar ein wenig zu ihr vor und wuschelte ihr ungefragt durch die Haare. "Du kannst es ruhig zugeben! Weshalb sonst solltest du so freundlich mit einem Vampir umgehen, geschweige denn einen anfassen?" "Das Eine hat nichts mit dem Anderen zu tun. Das sind verdrehte Geschichten", wiedersprach die Vampirjägerin gefährlich ruhig. "Falsche Mutmaßungen? Das ist do...-!" Weiter kam Lucas allerdings nicht, da Jane bereits einen großen Satz auf ihn zugemacht hatte. Ohne jegliche Vorwarnungen packte sie den Kollegen am Arm und warf ihn mit Wucht über die Schulter. Sicherlich schmerzten durch die ruckartige Bewegung ihre Verletzungen wieder, doch ließ sie sich nichts anmerken, sondern blickte stattdessen mit einem abfälligen Blick auf den am Boden liegenden Vampirjäger hinab. Die Leute um sie herum hatten natürlich mitbekommen, dass zwischen der Dreiergruppe etwas abging und hatten zugesehen, doch nun war die Aufmerksamkeit der Passanten sichtlich auf ihnen. "Es sind falsche Mutmaßungen", stellte die junge Frau mit einem schneidenden Ton erneut klar. "Das Ganze hat lediglich dazu gedient, um einen Auftrag zu erfüllen. Nicht mehr und nicht weniger." Mit gerunzelter Stirn sah der Vampir zu seiner Begleiterin und ihrer Schulter, von der sie ja gerade selbst zugegeben hatte, dass sie ihr noch Schmerzen bereitete. Sie ließ ihr Temperament wirklich gerne Überhand nehmen… Und das wegen ein paar dämlicher Gerüchte und blöder Sprüche eines Kollegen mit fragwürdigem Humor. Er selbst fand diese Kommentare eher witzig, zumal den Leuten doch bewusst sein musste, dass Jane sich nie auf einen Vampir einlassen würde, immerhin kannte man sie hier offensichtlich. Außerdem, was dachte man bitte von ihm? Sie war ja wohl eindeutig zu jung für ihn. Als seine Lady ihm bedeutete, dass es Zeit war, zu gehen, stieg Aiden unbeeindruckt über den am Boden Liegenden, zwinkerte ihm: "Nichts für ungut, Mann", zu und folgte Jane. Dabei hielt er respektvoll einen Sicherheitsabstand, obwohl sie ihn scheinbar nicht für diese Geschichte verantwortlich machte. Da hatte er Glück gehabt, sonst wäre er wohl der Nächste, der am Boden lag. "Nächstes Mal könntest du deinen Standpunkt auch klar machen, ohne dir weh zu tun", schlug er vor, als sie bereits im Aufzug waren. Mit verschränkten Armen lehnte er sich an die Wand des Lifts und musterte Jane, wobei sich wieder das vorige Grinsen auf seinen Zügen breitmachte. Es war einfach ein witziger Anblick, wie dieses zierliche Persönchen den doch recht bulligen Lucas einfach mal per Schulterwurf zu Boden beförderte. "Aber das war ziemlich beeindruckend." Man durfte sich ja nichts gefallen lassen~ Über seinen Kommentar bezüglich ihrer Schmerzen verdrehte sie nur leicht die Augen und drückte den entsprechenden Knopf, um an die Oberfläche zu gelangen. "Ich war in letztere Zeit zu nachsichtig mit ihm. Er konnte mal wieder eine Abreibung gebrauchen", entgegnete die Vampirjägerin leise seufzend und fasste sich an die verletzte Schulter, um zu testen, ob sich das Gefühl bei gewissen Bewegungen verschlimmert hatte, wobei sie tatsächlich leise zischte. 'Schuldbewusstsein' schien ein Fremdwort für Jane zu sein, wenn sie es als normal empfand, andere zu verprügeln, nur, weil die einen Witz machten, der ihr nicht gefiel. Und selbst, wenn Lucas es ernst gemeint hatte; er hatte sich ja, abgesehen von seinem Amüsement, tatsächlich für seine junge Kollegin gefreut. Wobei Aiden auffiel, dass es geklungen hatte, als hätte Jane noch nie einen Mann gehabt. Da sie ihre Arbeit und ihr Privatleben scheinbar sehr strikt trennte, wäre es kein Wunder, wenn die Leute aus dem Zirkel nichts davon wüssten, dass sie außerhalb einen Freund hatte, aber so, wie Jane Logans Geschmachte ignorierte, stand eher zur Debatte, ob sie überhaupt je eine Beziehung gehabt hatte. Nun, dafür war sie sowieso noch zu jung. Sollte sie sich ruhig erst mal auf ihr Studium konzentrieren. Und dann auf ihre Karriere. Nein, eigentlich war der Gedanke, dass sie einen Partner haben könnte, in seiner Gesamtheit befremdlich. Sie war zwar nicht Aidens Geliebte, und das wollte er auch nicht, aber er sah in ihr wohl doch zu sehr Lady Jane, als das es ihm egal gewesen wäre, wenn sie einen Freund gehabt hätte. Bei diesen Überlegungen hatte er unbewusst eine etwas mürrische Miene aufgesetzt, und mit dieser antwortete er: "Stimmt. Er hat eindeutig übertrieben." Das stand zwar im krassen Kontrast zu dem, was er ursprünglich gedacht hatte, aber wenn er so über Jane und potentielle Beziehungen nachdachte, verdiente so ziemlich jeder Typ in ihrer Nähe, aufs Kreuz gelegt zu werden. "Wie kommen diese Idioten bloß auf diese Hirngespinste? Haben die nichts Besseres zu tun? Als ob ich etwas mit einem Ur-Großvater von Vampir anfangen würde...", murmelte Jane leise, aber deutlich genervt, ehe sie beim leisen 'Pling!' den Aufzug verließ und ihren Wagen ansteuerte, um nach Hause zu fahren. Sie lehnte sich bei der Fahrt ein wenig zurück, blickte allerdings kurz zu Aiden, als sie bei einer roten Ampel länger warten mussten. Seine Stimmung besserte sich (komischer Weise) wieder, als sie ihn 'Urgroßvater-Vampir' nannte. Nun, das klärte zumindest mal die Fronten, was ihr gegenseitiges Interesse aneinander anbelangte. "Als ob ich was mit einem Schulmädchen anfangen würde", gab er lachend zurück und schüttelte den Kopf. Tatsächlich war die Menschenfrau, mit der er zusammen gewesen war, etwa zehn Jahre älter gewesen als Jane, was für ihn natürlich immer noch unendlich jung gewesen war, aber auf der Schule war sie wirklich nicht mehr gewesen… "Was heißt hier bitteschön Schulmädchen?", verlangte Jane von ihm zu wissen. Er hatte die Bezeichnung absichtlich gewählt, um Jane zu ärgern, also grinste er nur, als sie sich tatsächlich aufregte. "Das soll heißen, dass du ein Mädchen bist, das in ein Institut geht, um etwas zu lernen", antwortete Aiden gelassen. Ihm war klar, dass sie sich nicht als Mädchen sah, aber da würden ihre Meinungen wohl immer auseinandergehen. Und das sie sich an der Bezeichnung störte, nicht aber an seiner Ablehnung, war ihm relativ gleich, immerhin ging es ihm da ähnlich. "Na ja... Wie dem auch sei. Es ist angenehm zu hören, dass du diesbezüglich keinerlei eigensinnige und komische Gedanken zu haben scheinst. Ich meine... bevor ich überhaupt etwas mit dir anfange, würde ich viel eher Logan oder Lucas in Betracht ziehen", meinte die Vampirjägerin direkt. "Ich schätze, für Lucas bist du auch nur ein Mädchen. Hübsch, aber uninteressant, wenn es nicht darum geht, dich zu ärgern. Und Logan ist doch ein viel zu großer Waschlappen für dich." Sie konnte diese Einschätzung seinerseits wahrscheinlich nicht nachvollziehen, aber Aiden fand, dass man es einer Frau schon sagen musste, wenn man Gefühle für sie hatte. Wäre ja noch schöner, das der Dame zu überlassen. "Aber glaube mir, ich habe dir bezüglich sicherlich keine 'komischen Gedanken', als was du das auch genau bezeichnen würdest", erwiderte er, wiederum ein wenig kühler als noch vor wenigen Momenten. Er hatte ihr doch schon hundert Mal gesagt, dass er nichts von ihr wollte, als das Privileg, bei ihr zu sein. „Logan ist kein Waschlappen“, verteidigte sie ihren Verehrer sofort. „Er ist - im Gegensatz zu anderen Männern - einfühlsam, nett und erwachsen." So erwachsen war Logan, dass er den Mund nicht aufbekam, dachte der Vampir schnippisch, verkniff sich aber einen diesbezüglichen Kommentar. "Tja, dann findet er sicher mal eine Frau, die das an ihm zu schätzen weiß", schob er verbal die Möglichkeit, dass Jane diese Frau sein könnte, ganz weit von sich. "Lassen wir das. Aber etwas anderes: Ich weiß nicht, ob es gestern bei dir angekommen ist, doch du hast etwas gut bei mir. Falls es etwas gibt, was ich für dich tun kann, sag Bescheid", wechselte sie das Thema, da sie in der Hinsicht wohl kaum auf einen grünen Zweig kommen würden. Sie, ihm etwas schuldig? Er hatte doch gar nichts gemacht, sie hatte die Entführerin gestellt. Und dabei war sie auch noch verletzt worden. "Du musst nichts wieder gut machen. Eine besonders große Hilfe war ich nicht... Außerdem wohne ich bei euch, bis ich etwas anderes habe, das ist schon großzügig genug." "Das mit dem Wohnen geht eher auf die Kappe meiner Mutter", stellte Jane sofort klar. "Jane, DU hast mir gesagt, ich solle bleiben. Das war nicht die Idee deiner Mutter", erinnerte er sie an die Szene vom letzten Abend, die sie wohl bereits verdrängt hatte. Elizabeth hatte zwar zugestimmt, aber Jane war ihm nachgehumpelt und hatte ihm auf diese entzückende Art angeboten, doch zu bleiben. Mehr wollte er wirklich nicht von ihr annehmen. "Meine Mutter hat das gleiche gedacht und wir tun ihr damit einen Gefallen - das wissen wir beide", entgegnete Jane und da er wusste, dass er genauso schnell wieder rausfliegen konnte, wie er aufgenommen worden war, hielt er lieber den Mund, was Janes Wunsch, ihn hierzubehalten, anging. Endlich waren sie beim Anwesen der McCollins angekommen und liefen nebeneinander zum Haus. Jane schielte kurz zu Aiden, ehe sie wieder nach vorne blickte. "Ich für meinen Teil stehe in deiner Schuld, weil du meine Mutter für mich in Sicherheit gebracht hast und weil..." Sie zögerte einen Augenblick und biss sich auf die Unterlippe, da es ihr schwer fiel, das Folgende auszusprechen. "... weil du mich sicher nach Hause gebracht hast", beendete die junge Frau ihre Erklärung dementsprechend etwas widerwillig. „Mhm…“, machte Aiden nur abgelenkt, denn ihm war bei der Erwähnung von Elizabeth wieder sein Gespräch mit dieser in den Sinn gekommen. Die Ärztin hatte erzählt, wie Janes Vater ums Leben gekommen war. Er sah die junge Frau neben sich traurig an, als er an das kleine, zu Tode geängstigte Mädchen dachte, das sie gewesen war, und wie sie schon damals diese Angst durch Trotz hatte überspielen wollen, indem sie einfach in den Zirkel gelaufen war. Ihr Vater war ein Jäger gewesen - Ob er bei einem Auftrag gestorben war? Andererseits hatte Elizabeth geklungen, als wäre Jane direkt dabei gewesen, und ihr Vater hätte sie wohl kaum mitgenommen. Also hatte der betreffende Vampir das Haus der Familie betreten, was für sich genommen schon ungewöhnlich war. Er selbst hatte das erst einmal getan, weil er nicht anders gekonnt hatte, weil er geradezu süchtig gewesen war nach dem Geruch, der von diesem Mann ausgegangen war… Er hatte es schon fast vergessen, aber jetzt, wo der sanfte Wind ihm Janes Duft in die Nase wehte, traf ihn die Erinnerung wie ein Schlag ins Gesicht. Er hatte diesen Mann getötet. Diesem Mann, der nach Jane gerochen hatte. Während er sich diese Gedanken gemacht hatte, hatte Jane an seinem neuen Handy herumgewerkelt und vermutlich versucht, ihm zu erklären, was er tun sollte. Jetzt saß er nur wie versteinert neben ihr und wagte es nicht, den Kopf zu heben, um sie anzusehen. Als könnte sie ihm von der Nasenspitze ablesen, was er getan hatte. Seine Gedanken überschlugen sich, versuchten krampfhaft, eine andere Möglichkeit zu finden, aber die gab es nicht; als er zuletzt in London war, hatte er den Vater der Frau getötet, neben der er gerade ganz unverfänglich auf der Couch saß. Deren Leben er als fast schon heilig deklariert hatte und für die er alles getan hätte, auch um ihre Mutter zu schützen. Die Erkenntnis traf ihn völlig unvorbereitet wie ein Hammerschlag. Reflexartig stand er auf und schluckte, als Jane ihn verwirrt ansah. "Ich… Hab vergessen, dass ich… Noch etwas holen muss", sagte er ziemlich lahm und bereits dabei, rückwärts zu laufen. Dabei stieß er gegen den Couchtisch und wäre fast gefallen, fing sich aber gerade noch und drehte sich um. "Tut mir leid. Bis… Es wird länger dauern, also… Schönen Tag", korrigierte er sich, da er sich im Moment nicht vorstellen konnte, wie er es sich herausnehmen könnte, wieder hierher zu kommen. Dann verließ er erst das Wohnzimmer, dann das Haus, bevor er einfach loslief, ohne wirklich zu wissen, wohin. Draußen vor der Tür fiel es ihm schwer, nicht einfach loszurennen, aber er musste die Ruhe bewahren, bis er einen Ort gefunden hatte, an dem er in Ruhe über alles nachdenken konnte. Er zwang sich, den Gedanken zu verdrängen und seine Schritte zu kontrollieren, sodass es eine halbe Ewigkeit dauerte, bis er in einem Park am anderen Ende der Stadt ankam. Möglichst weit weg von Jane. Sodass sie sicher war. Auf einer Bank ließ er sich nieder, stützte die Arme auf die Knie und starrte ausdruckslos auf den Boden. Er hatte gewusst, dass er gefährlich war für Menschen im Allgemeinen, ganz besonders aber für Jane. Er hatte gewusst, dass er einen ihrer Verwandten getötet hatte, und das mit seinem Gewissen vereinbart, indem… Ja, wie eigentlich? Wahrscheinlich hatte er es die meiste Zeit einfach verdrängt. Aber die Tatsache, dass er ihren Vater getötet hatte, dass er der Grund dafür war, was für einen Weg sie eingeschlagen hatte, konnte er nicht mehr vergessen. Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, versuchte, tief durchzuatmen und sich zu beruhigen, um darüber nachzudenken, was er jetzt tun musste. Das stellte sich jedoch als unmöglich heraus, als ihm bewusst wurde, dass Jane ihn töten wollte, und zwar nicht einfach, weil er ein Vampir war, sondern ganz speziell ihn. Richard und dieser Junge und die Entführerin und all die anderen Vampire, die Jane während ihrer Karriere bereits getötet hatten, gingen eigentlich auf seine Rechnung. Er hatte Elizabeth, der gutmütigen, sanften, liebevollen Liz, die ihn so freundlich in ihrem Heim aufgenommen hatte, den Ehemann genommen. Ihm wurde schlecht von dieser Erkenntnis und er hielt sich die Hand vor den Mund, aber das machte es nicht wirklich besser. Er war und blieb Schuld… Schon wieder. Wenn er doch nur nie mit Elizabeth und Eldric gesprochen hätte, dann hätte er diesen Zusammenhang nie verstanden und er hätte guten Gewissens bei Jane bleiben können. So aber durfte er sich das nicht mehr herausnehmen - Ganz davon abgesehen, dass er wahnsinnige Panik vor dem Moment hatte, in dem Jane begriff, was er getan hatte. Sie würde ihn töten wollen, und obwohl es nicht in ihrer Macht stand, das zu tun, würde er sich nicht gegen sie wehren dürfen. Es stand ihr zu, ihn zu töten, weil er keine Möglichkeit hatte, ihr zurückzugeben, was er ihr genommen hatte. Er hatte Jane versprochen, genau das zu tun, wenn er eine explizite Gefahr für sie darstellen sollte. Er konnte nicht riskieren, noch mal so die Beherrschung verlieren wie vor zwölf Jahren… Zumindest war das eine noblere Erklärung dafür, dass er einfach nicht bereit war, für sein Verhalten gerade zu stehen und den Preis zu zahlen. Das einzige, was ihm zu tun blieb, war zu gehen und Jane ihr Leben weiterleben zu lassen. Kapitel 17: Zwischen den Stühlen -------------------------------- Nach den aufregenden letzten Wochen kehrte langsam wieder Normalität ins Hause McCollins ein; viel zu früh wurde Jane von ihrem Wecker aus dem Schlaf gerissen, sie duschte sich, dann frühstückte sie mit ihrer Mutter. Vielleicht gingen die beiden Frauen ein bisschen liebevoller miteinander um als sonst, nachdem sie einander beinahe verloren hätten, doch ansonsten war alles wie gehabt. Nun, abgesehen von ihrem jetzt temporären Mitbewohner. Den hatte Jane allerdings an diesem Morgen noch nicht gesehen, wie ihr auffiel, als sie die Schlagzeilen der Zeitung überflog. Normalerweise stand Aiden kurz nach ihr auf (Sie vermutete, dass er ihre Zimmertür hörte und ihr folgte) und trottete dann zu ihr an den Küchentisch. Heute hatte sie noch kein Lebenszeichen von ihrem Untoten gehört, worüber sie sich aber keine allzu großen Gedanken machte. Er war schon groß, konnte auf sich aufpassen und hatte zur Not einen Haustürschlüssel. Dass er plötzlich anfing, Amok zu laufen und auf ihrer Jagdliste auftauchte, erwartete Jane eigentlich nicht. Wenig später wurde ihre Vermutung, alles sei in Ordnung, schon bestätigt, denn die Haustür öffnete und schloss sich leise. Na also, der Vampir war einfach nur jagen gewesen. Kein Wunder, dass er Durst gehabt hatte, denn soweit sie wusste, hatte er direkt nach ihrem Kampf gegen die Stalkerin noch nichts getrunken. Ohne weiter darauf zu achten, dass Aiden sich zu ihr gesellte, griff Jane nach ihrer Kaffeetasse und trank einen Schluck. Erst, als sie seine Stimme: „Morgen“, krächzen hörte, blickte sie auf. Konnten Vampire Erkältungen oder sonstige Krankheiten bekommen? Zumindest der Anblick, den Aiden gerade bot, hätte darauf schließen lassen; seine sowieso blasse Haut wirkte leicht grünlich, er hatte dunkle Ringe unter den Augen und sein sonst so widerspenstig gelocktes Haar hing glatt und verschwitzt an seinem Gesicht. Ohne groß zu überlegen, legte Jane die Zeitung nieder, streckte ihre Hand nach ihm aus und strich ihm kurz, aber relativ zärtlich die Haare aus dem Gesicht, um sich zu vergewissern, ob sich unter seinen Augen diese berüchtigten dunkle Säcke gebildet hatten. "Du siehst schrecklich aus", sprach die junge Frau trocken und mit einem Hauch von Sorge als sie den Kopf ein schieflegte und sie sich ein wenig zu ihm neigte. Ihre Augen verrieten sie; in ihnen lag für einen flüchtigen Moment eine Spur von Besorgnis. "Charmant wie immer", lachte Aiden, ohne auf die implizierte Frage, was denn los sei, zu antworten. "Hast du getrunken?", ignorierte die Vampirjägerin seine Rüge über ihre schlechten Manieren. Sie ging einfach davon aus, dass Durst der Grund für sein miserables Aussehen war. Es hätte sie allerdings verwundert, wenn er nicht gejagt hätte, da sie davon ausging, dass er deswegen so lange unterwegs gewesen war. Entgegen ihrer Erwartungen verneinte Aiden jedoch und behauptete, nicht durstig zu sein, wogegen sein Aussehen aber ganz eindeutig sprach. Sie hatte ihn noch nicht oft trinken gesehen, doch es war bei beiden Gelegenheiten überdeutlich gewesen, wie gut ihm die (flüssige) Nahrung tat; seine Haut war direkt nach dem Trinken weniger blass, seine Haltung entspannter und er alles in allem konzentrierter. Hätte sie nicht gewusst, dass der Blutkonsum seine übermenschlichen Kräfte noch stärkte, hätte sie gesagt, er sei ´menschlicher` nachdem er getrunken hatte, so aber würde sie es als ´kontrollierter` bezeichnen. "Wir haben noch genug Zeit, falls du noch etwas zu dir nehmen willst. Oder hast du schon beide Konserven geleert?", erkundigte Jane sich, während sie das dreckige Geschirr in die Spülmaschine legte. Dabei hielt sie kurz inne, als ihr auffiel, wie normal es sich inzwischen anfühlte, über die Ernährung ihres Hausgastes zu sprechen. Als sprächen sie über den Lebensmitteleinkauf, nicht über Blut von Menschen. Kurz sah Aiden sie an wie ein Ufo, dann rieb er sich den Nasenrücken und stand auf. "Nein, es ist noch eine da. Danke." Er verschwand und Jane beendete ihre Aufräumarbeiten, wobei sie sich ihre Gedanken über sein Verhalten machte. Klar, Aiden war ein seltsamer Kautz, aber heute Morgen war er irgendwie besonders merkwürdig. Sie erinnerte sich daran, wie er ihr am Vorabend gesagt hatte, dass er etwas hatte holen müssen und darum so plötzlich verschwunden war. Vielleicht war dabei etwas passiert? Allerdings ging es sie nichts an, wenn er private Probleme hatte, über die er nicht sprechen wollte, sodass Jane ihren Gast nur einen kurzen Blick zuwarf, als dieser zurückkehrte. Dabei fiel ihr auf, dass der gehetzte Zug um seine Augen nicht wie erwartet verschwunden war, weshalb sie sich doch nachzufragen gezwungen fühlte. "Hast du alles erledigt?“, formulierte sie eine recht offene Frage, um nicht zu zudringlich zu erscheinen. Erneut sah der 500 Jahre alte Vampir sie verwirrt an, bevor er den Sinn ihrer Worte erfasste und leise antwortete: "Ja… ich schätze schon." 'Ja, ich schätze schon'? Was sollte das denn nun heißen? Wieso schätzte er es? Er musste doch eigentlich wissen, ob er die Aufgabe erledigt hatte oder nicht. Sie schüttelte dann aber nur leise seufzend den Kopf, da sie davon ausging, dass er nicht darüber reden wollte. Wahrscheinlich war das so ein Vampir-Ding, über das er nicht sprechen oder das er nicht preisgeben wollte. Wer wusste das schon? Eigentlich war sie sogar recht erleichtert, das Thema hinter sich lassen zu können, als Aiden den Gesprächsgegenstand wechselte. "Müssen wir heute gar nicht zur Uni?" „Doch. Die Vorlesungen beginnen am Freitag immer erst um zwei", erklärte Jane ihre 'Noch-Anwesenheit' Zuhause. "Wenn du dich wirklich weiterhin als Student und mein Kommilitone ausgeben willst, dann solltest du vielleicht mal damit beginnen, deinen Stundenplan auswendig zu lernen." „Ich bin dein Kommilitone, dafür muss ich mich nicht ausgeben...", murmelte er gedankenverloren, den Blick auf den Tisch gerichtet. Dann zuckte sein Mundwinkel wieder leicht und er lächelte sie schwach an. "Außerdem hab ich doch dich, die meinen Stundenplan kennt, oder?" "Ja, ja... du bist mein Kommilitone - wenn auch, ein wahrlich schlechter", entgegnete die Brünette daraufhin nur und strich sich die Haare hinters Ohr. „Ich sollte dir doch dein Handy zeigen. Gib mal her, dann speichere ich dir gleich unseren Stundenplan ein.“ Dann verbrachte sie die nächste halbe Stunde damit, einem merklich verwirrten Vampir sein Smartphone zu erklären. Sie war sich nicht sicher, ob er am Schluss alles verstanden hatte, beschloss aber um kurz vor zwölf, vorerst aufzugeben. "Ich werde jetzt noch Logan besuchen. Du schaffst es heute alleine in die Universität, nehme ich an?", klärte sie ihn über ihre Pläne auf, wobei sie natürlich davon ausging, dass er ihr wohl kaum zu ihrem guten Freund folgen wollte; die beiden Männer schienen nicht das beste Verhältnis zu haben, erinnerte man sich an die Bezeichnung ´Waschlappen`, die Janes Mitbewohner zuletzt für Logan gefunden hatte. Wobei der Vampirjägerin wirklich schleierhaft war, was Aiden gegen ihren Kommilitonen hatte. Logan war liebevoll, hilfsbereit, lustig… "Ach, er ist krank, oder? Sag ihm gute Besserung von mir… Und entschuldige mich bitte, ich werde mich noch ein wenig hinlegen. Wir sehen uns dann später.“ Damit ließ Aiden eine ziemlich baffe Jane zurück. Sie sollte Logan gute Besserung von ihm wünschen? Hatte sie sich gerade verhört? Er war doch bis vorgestern nicht unbedingt allzu gut auf ihn zu sprechen gewesen und nun so etwas? Irgendetwas stank hier gewaltig und wenn das so weiterging, würde die Vampirjägerin wohl oder übel gewisse Nachforschungen anstellen oder ihren Mitbewohner löchern müssen. Da Jane aber nicht wusste, wohin diese 'Verstimmung' seinerseits führen und wie weit sie gehen würde, würde sie vorerst noch die Füße stillhalten. Womöglich machte sie sich einfach zu viele Gedanken und es war nur die ungünstige Kombination von Schlafmangel und aufkommendem Durst. Leise seufzend und kopfschüttelnd sah sie Aiden hinterher. Solle einer schlau werden aus den Blutsaugern. Nachdem Jane ihre Sachen gepackt hatte, fuhr sie zu Logan, der die Grippe hatte. Wie geplant gab sie ihm die Kopien und seine eigenen Notizen zurück, die der Patient nach einem kurzen Dank jedoch recht schnell beiseitelegte, um mit seinem Gast zu reden. Irgendwie war sie heute nur von kränkelnden Männern umgeben, fiel der Brünetten auf, die beim Anblick von Logans erschöpftem Gesicht unwillkürlich an ihren temporären Mitbewohner denken musste. „Was hast du eigentlich an deinem Knöchel gemacht?“, erkundigte Janes Kommilitone sich, dem natürlich die Schiene und ihr etwas steifer Gang aufgefallen war. Er war wirklich viel zu aufmerksam, gerade in solchen Situationen. „Ich… war mit Aiden im Wald und bin ungünstig aufgetreten. Nichts Wildes“, erklärte sie nach nur einem kleinen Zögern. Die erste Regel beim Lügen war, so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben, und das war praktisch die wahre Geschichte, ließ man den verrückten Blutsauger außen vor. Auch hatte Logan keinen Grund, ihr zu misstrauen, sodass er nur mitfühlend das Gesicht verzog. „Ah, das ist dumm gelaufen… Du hättest auch nicht extra kommen brauchen.“ „Ach was, das ist doch nichts. Ich bin ja mit dem Auto hier“, wehrte sie rasch ab. „Trotzdem, ich weiß das zu schätzen. Danke.“ Ihr Freund lächelte sie warm an, was die Brünette natürlich erwiderte. Kurz sahen die jungen Leute sich nur an, dann wurde der Moment unterbrochen, indem Logan hustete und Jane aufstand, um ihm eine neue Kanne Tee zu kochen. Als es schließlich Zeit für die Vampirjägerin wurde, ihren Krankenbesuch zu unterbrechen, begleitete ihr Kommilitone sie noch zur Tür. „Bis Ende des Monats musst du aber wieder auf den Beinen sein“, bemerkte Jane vor dem Abschied. „Kate wäre enttäuscht, wenn wir nicht alle zusammen zum Halloween-Ball gehen würden:“ „Ach ja, der Ball… Den hatte ich schon fast vergessen.“ Logan wandte sich ab, um zu husten, dann lächelte er entschuldigend. „Das sind noch zwei Wochen. Bis dahin bin ich sicher wieder auf dem Damm. Also… Gehst du auf jeden Fall hin?“ „Ja, natürlich. Das hat doch schon Tradition. Obwohl wir dieses Jahr zu spät dran sind für ein Gruppenkostüm“ „An unseren Auftritt als Ninja Turtles von letztem Jahr kämen wir sowieso nicht mehr ran“, grinste der junge Mann, worüber sie nur lachte. „Stimmt wohl… Gute Besserung, Logan“, wünschte sie noch, dann machte Jane sich auf den Weg zur Uni. Nach seiner schlechten Verfassung vom Morgen hatte die Vampirjägerin schon erwartet, ihren Mitbewohner nicht an der Universität anzutreffen, doch Aiden wartete wie immer vor dem Lehrsaal auf sie. Inzwischen hatte er wohl zumindest herausgefunden, wohin er musste, wenn schon nicht, wann welcher Kurs stattfand. Nach wie vor war Aiden nicht besonders gesprächig, was Jane nutzte, um vor dem Vorlesungsbeginn noch ein wenig ihre Unterlagen durchzugehen. So zog sich der Tag recht schweigsam und unspektakulär hin. Wie immer hörte sie, mehr oder weniger interessiert, den Professoren zu und notierte sich die wichtigsten Dinge. Nach den Lektionen schnappte sich Jane ihre Sachen und begab sich zu ihrem Wagen, um nach Hause zu fahren. Auf der Fahrt dachte sie über einiges nach und ihr Blick fiel dabei kurzzeitig auf den Ring des Zirkels, sodass sie unwillkürlich an Eldrics wiederholte Frage bezüglich eines Paktes mit Aiden dachte. Bevor allerdings irgendwelche komischen Gedanken in ihr aufkeimen konnten, schüttelte sie den Kopf, um diesen wieder frei zu kriegen. "Gehst du eigentlich auf den Halloween-Ball?", wollte sie von Aiden wissen, weil sie sich ablenken wollte. Außerdem konnte sich die Brünette so dafür wappnen, wenn er sich für das Halloween-Fest an der Universität entscheiden würde. Mit einem zerstreuten: "Hm?", wandte er sich vom Fenster, aus dem er geblickt hatte, zu Jane. "Halloween? Ich weiß nicht... Möchtest du hingehen?" "Ich habe es geplant. Unsere Clique geht eigentlich jedes Jahr hin, wenn man nicht gerade verhindert ist oder so." Während sie sprach, musste sie an die vergangenen zwei Halloween-Bälle denken, sodass sich ein kleines Schmunzeln auf ihre Lippen schlich. Es war immer wieder lustig gewesen, vor allem, als sie sich dazu entschieden hatten, sich als Power Rangers auszugeben. Es war zwar verdammt heiß unter den Helmen gewesen, doch den Spaß beim Posieren war unvergesslich gewesen. Da sie dieses Jahr aber kein Motto untereinander ausgemacht hatten, würden die einzelnen Kostüme ein Überraschung werden. Eine weitere Überraschung würde Aidens Teilnahme an dem Fest sein, denn er murmelte nur: „Mal sehen…“, und schwieg während der restlichen Fahrt. Langsam nervte Jane sein Brüten ziemlich, vielleicht, weil sie es gewohnt war, dass er jeden noch so unwichtigen Gedanken laut herausplapperte. Auch hielt sie nicht viel von Wehleidigkeit. Was immer sein Problem war, es würde nicht verschwinden, nur, weil Aiden darauf herumkaute wie auf einem zähen Stück Fleisch. Jedenfalls sprach sie sein merkwürdiges Verhalten nicht an, und da sie den Rest des Tages mit Revision und Hausarbeiten verbrachte, bekam sie ihren Haus-Vampir nicht mehr zu sehen. Präsenter wurde Aiden in den nächsten Tagen nicht mehr. Sie hatte den Vampir als Querkopf kennengelernt, der ihr am liebsten auf Schritt und Tritt folgte, doch in seiner Zeit im McCollins-Haus bekam keine der Damen ihren Gast sonderlich oft zu Gesicht. Elizabeth machte sich natürlich Sorgen, ihre Tochter dagegen winkte nur ab. Er war schon groß und konnte den Mund aufmachen, wenn ihn etwas störte. Außerdem ging sie davon aus, dass er sich einfach noch nicht eingelebt hatte und sich deshalb so seltsam verhielt. Wenn sie sich daran erinnerte, dass er sich anfangs nicht mal ungebeten gesetzt oder seine Koffer hereingebracht hatte, machte das durchaus Sinn. „Trotzdem“, beharrte die Ärztin. „Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Du solltest mit ihm reden.“ „Ich? Wieso ich, wenn du dir Sorgen um ihn machst?“ Elizabeth runzelte die Stirn. „Du kennst ihn doch viel besser als ich. Außerdem bedeutet es ihm sicher viel, wenn du deine Anteilnahme zeigst.“ Gerade das befürchtete Jane ja; dass ihr Stalker sich irgendetwas darauf einbildete. Ihrer Mutter etwas abschlagen konnte sie allerdings auch nicht, sodass sie auf den richtigen Moment wartete, um das Thema anzusprechen. Insgeheim hatte sie gehofft, er würde nie kommen, aber schon zwei Tage später bot sich Jane die Gelegenheit, ungestört mit ihrem Hausgast zu sprechen – und das ausgerechnet in der Waschküche. Sie traf den Vampir, der wohl gerade gebügelt hatte, als sie einen Wäschekorb in den Keller brachte. Er schien sich unwohl zu fühlen, und auch Jane hätte auf diese Begegnung verzichten können. Jetzt waren sie aber schon da, also konnten sie es genauso gut hinter sich bringen. Sie kniete sich vor die Waschmaschine und stopfte ihre Kleidung hinein. „Wir müssen mal miteinander reden“, fing Jane direkt an, da sie nichts von Herumgedruchse hielt. „Meine Mutter macht sich Sorgen und hat gesagt, ich solle dich fragen, ob irgendetwas dir nicht gefällt. Sie will, dass du dich wohlfühlst.“ Betont umsichtig füllte sie das Waschmittel in die Maschine, um Aiden nicht ansehen zu müssen. Er las ihr Unterbewusstsein oftmals besser, als Jane lieb sein konnte. „Ihr braucht euch keine Gedanken machen. Es ist sowieso so großzügig, dass…“ „Darum geht es nicht.“ Jane wandte sich jetzt doch zu dem Vampir um, der mit seinem Wäschehaufen bereits auf halbem Weg zur Tür zu sein schien. Wollte er… Etwa vor ihr flüchten? „Du wohnst jetzt hier, und sollst sagen, wenn dich etwas stört. Egal, für wie großzügig du deinen Aufenthalt hier hältst. Wenn du mich… Uns stören würdest, hätten wir dich gar nicht eingeladen, mach dir das endlich bewusst.“ „Ihr schuldet mir nichts.“ „Meine Mutter will trotzdem, dass du bleibst. Vielleicht fühlt sie sich so sicherer, ich weiß es nicht. Wir können sowieso nichts daran ändern. Jedenfalls solltest du es einfach hinnehmen und nicht ständig hinterfragen.“ „Ja… Wir können nichts daran ändern…“, murmelte er, die Gedanken scheinbar weit weg. Jane runzelte verständnislos die Stirn. „Was?“ Aiden blinzelte, sah sie wieder an und zeigte das stoische Lächeln, das fast immer auf seinen Lippen lag und sie inzwischen als Lüge erkannte. „Nichts. Ich… Danke. Wirklich. Ich weiß, dass es nicht leicht für dich ist, also… Danke.“ Die junge Frau schnaubte nur und wandte sich wieder ihrer Wäsche zu. Mit einem leisen Lachen verließ ihr Mitbewohner den Keller, sodass sie alleine mit der dreckigen Kleidung zurückblieb. Erleichtert wandte Jane sich der frischen Wäsche zu, die gebügelt werden musste, bloß war diese praktisch nicht mehr vorhanden. Auf dem Bügelbrett lagen fein säuberlich zwei Kleiderhaufen, je einer für sie und ihre Mutter. Aiden hatte offensichtlich trotz der Wäsche gerochen, welches Kleidungsstück welcher Frau gehörte, was Jane ein wenig beunruhigte. Als sie sich dem Stapel näherte, sah sie jedoch, dass der Wäscheständer keineswegs leer war; ihre Unterwäsche hing noch daran. Der altmodische Vampir hatte es wohl nicht gewagt, sie zu berühren. Jane fuhr sich leicht unbehaglich durch die Haare. Sie würde sich noch daran gewöhnen müssen, einen männlichen Mitbewohner zu haben. Später kehrte sie mit der Wäsche in ihr Zimmer zurück. Im Vorbeigehen warf sie einen Blick auf ihr Handy und grinste, als sie eine lustige Mail vom (noch immer kranken) Logan sah. Die Kleidung wurde auf einem Stuhl zwischenquartiert und Jane griff nach ihrem Mobiltelefon, um zu antworten, da fiel ihr Blick auf das Bild über ihrem Computertisch. Als Aiden ihr erzählt hatte, darauf sei sein Vater zu sehen, war Mitleid in ihr aufgewallt. Immerhin war auch ihr Vater schon lange nicht mehr unter den Lebenden, eine traurige Gemeinsamkeit der beiden. Im Gegensatz zu ihr besaß der Vampir jedoch nicht mal ein Bild von seiner verstorbenen Familie, weshalb sie ihm die Zeichnung nur zu gerne überlassen hätte. Zuerst hatte sie nicht verstanden, wieso Aiden ihr Angebot ablehnte, doch Anbetracht seiner Lebensweise machte es durchaus Sinn. Sie hatte sogar kurz überlegt, den Teil mit ihm und seinem Vater auszuschneiden. Natürlich, es behagte Jane nicht, ein Bild von ihm in ihrem Zimmer zu haben, doch der Impuls, dies zu tun, entsprang größtenteils aus Mitgefühl. Allerdings hatte sie entschieden, das einzige Vermächtnis seines Vaters nicht zu zerstören und es ihm auf andere Weise zukommen zu lassen. Diese Gelegenheit schien jetzt gekommen – immerhin wohnte Aiden im Moment fest bei ihr, und wie es aussah, würde er nicht so bald ausziehen. Und selbst wenn, könnte das Bild einfach in seinem jetzigen Zimmer hängenbleiben. Gesagt, getan, nahm Jane den schweren Rahmen von der Wand und ging damit über den Flur. Sie trat sacht mit dem Fuß gegen die Tür, weil sie gerade nicht klopfen konnte, erhielt aber keine Antwort. Als sie eintrat, sah sie, dass ihr Hausgast gar nicht da war. Kurz blieb sie unentschlossen stehen, dann ließ sie das Bild zurück, während sie Hammer und Nägel holte. Elizabeth, die das Klopfen hörte, kam irritiert heran, lächelte aber nur, als sie ihre Tochter heimwerken sah. Als die Nägel angebracht waren, hoben die Frauen gemeinsam die schwere Zeichnung an ihren neuen Platz und betrachteten sie eine Weile. „Er wird sich bestimmt freuen“, stellte die Mutter fest und legte den Arm um Jane. „Und vielleicht fühlt er sich so ja ein wenig wohler.“ Jane hätte es nie zugegeben, aber das hoffte sie auch. Die folgende Woche ging relativ unspektakulär vorbei. Jane konzentrierte sich auf ihr Studium und sehnte ungeduldig die Genesung ihres Knöchels und ihrer Schulter herbei, um endlich wieder arbeiten zu können. Ihren Mitbewohner bekam sie noch immer in der Universität öfter zu Gesicht als zu Hause, aber sie hatte nicht mehr das Gefühl, Aiden würde ihr explizit aus dem Weg gehen. Außerdem hatte ihre Mutter sie nicht gebeten, ihn nochmal anzusprechen, also würde sie das auch nicht tun. Die Erinnerung an die Aussprache im Wäscheraum war ihr unangenehm genug, wiederholen wollte sie das sicher nicht. Es war Freitag, und der gesunde Teil ihres Freundeskreises sowie Aiden verließ gerade das Fakultätsgebäude als Janes Handy klingelte. Ein wenig überrascht nahm sie ab. „Logan? Alles ok?“, fragte sie sofort besorgt, worüber er leise lachte. „Ja, alles gut. Ich bin bald wieder auf den Beinen“, beschwichtigte ihr Kommilitone, dessen Stimme allerdings immer noch angeschlagen klang. „Ich rufe nur an, weil ich fragen wollte, ob du mir die Unterlagen der letzten Woche vorbeibringen könntest. Ich muss vermutlich einiges nachholen.“ „Es geht eigentlich. Aber klar bring ich dir alles. Wann wäre es dir recht?“ „Wenn du Zeit hast, von mir aus gleich, dann brauchst du nicht nochmal extra los“, schlug Logan vor und sie stimmte zu. „Was braucht er denn?“, erkundigte Cynthia sich hinter Jane. Diese machte eine abwehrende Geste, um sich auf Logans Worte zu konzentrieren, als er sagte: „Ach, du bist noch bei den anderen? Frag sie doch, ob sie auch kommen wollen.“ „Bist du schon fit genug für so einen Auflauf?“ Ihrem Freund war das Schmunzeln deutlich anzuhören, als er erklärte: „Es ist süß, dass du dir Gedanken machst, aber sterbenskrank bin ich nicht.“ „Dafür schwänzt du aber schon ziemlich lange“, neckte Jane, worüber er lachte. Dann wandte sie sich an den Rest ihrer gemeinsamen Freunde: „Wollt ihr Logan besuchen? Er braucht Gesellschaft.“ „Damit wir uns anstecken? Eher nicht“, scherzte Kate, aber am Schluss kamen die beiden Frauen mit. Benjamin musste zur Arbeit und bot Aiden an, ihn mitzunehmen. Dass der Vampir nicht unbedingt scharf darauf war, Logan zu besuchen, überraschte seine Mitbewohnerin nicht. Zwar gab er sich ihrem Kommilitonen gegenüber nicht mehr so kühl wie am Anfang, doch Freunde würde Jane die beiden nicht nennen. Woran das lag, war ihr allerdings schleierhaft; mit ihren anderen Freunden verstand Aiden sich gut, und eigentlich waren er und Logan sich gar nicht so unähnlich. Beide waren freundliche Zeitgenossen, die nicht gerne im Mittelpunkt standen, anderen (Vor allem Jane) aber stets halfen. Natürlich war der Vampir zusätzlich eine Nervensäge, eine Plaudertasche und ein Kindskopf, was man von Logan überhaupt nicht behaupten konnte. Der Blutsauger war mindestens zwanzig Mal so alt wie der junge Mann, aber auch mindestens zwanzig Mal alberner. Eigentlich hätten sie also auf einer Wellenlänge sein müssen, aber aus irgendeinem Grund waren sie das nicht, sodass Aiden die Mitfahrgelegenheit bei Benjamin nutzte, um nach Hause zu kommen. Sobald die beiden Männer gefahren waren, verteilten die Frauen sich auf Janes und Kates Autos und fuhren in Richtung Logan. Dieser hatte in der Zwischenzeit auf den Wunsch seiner Freundinnen chinesisches Essen bestellt, zu dem die vier jungen Leute sich im Wintergarten der Familie Gallaghar niederließen. „Wie geht die Planung des Halloween-Balls eigentlich voran?“, erkundigte Logan sich bei Kate, nachdem er über alle anderen wichtigen Neuerungen an der Universität ins Bilde gesetzt worden war. „Furchtbar – wie bei allem, was man so plant“, jammerte die Brünette, sofort professionell-erschöpft mit den Stäbchen gestikulierend. „Die Band hat vorgestern abgesagt, sodass wir die Gruppe der Schwester von einem Orga-Mitglied engagieren mussten. Irgend so eine unbekannte Truppe, die scheinbar hauptsächlich Rocksongs covern, aber auf die Schnelle haben wir nichts anderes gefunden.“ „Wie heißen die?“, fragte Cynthia, die ihr Handy hervorgezogen hatte und ein Youtube-Video der Band abspielte, sobald sie deren Namen erfahren hatte. „Klingt doch nicht schlecht. Die Party wird bestimmt ein Erfolg“, besänftigte Logan, obwohl die Musiker nicht sehr professionell klangen. „Du bist ein Schatz, Logan… Findest du nicht, Jane?“, fügte Cynthia hinzu, was die Angesprochene etwas überrumpelte. „Äh? Ja… Klar?“ Logan, der neben ihr saß, wuschelte Jane durch die Haare. „Nur nicht lügen!“, scherzte er, und die beiden grinsten sich an. Aus dem Augenwinkel sah Jane, wie ihre Freundinnen sich Blicke zuwarfen, und die Jägerin fragte sich, was für einen Witz sie verpasst hatte. Da wollte aber Cynthia wissen, als was sich alle verkleideten, und das Gespräch drehte sich weiter. Die Studenten räumten später zusammen auf und wiederholten in Logans Zimmer den Stoff der letzten Woche, sodass sie ihm bei Unklarheiten gleich helfen konnten. Ihre Lerngruppe machte immer mal wieder Späße miteinander, trotzdem war Jane zufrieden mit ihrer Revision, als sie am Abend Cynthia nach Hause brachte, die schon zuvor bei ihr mitgefahren war. Kate hatte ihr eigenes Auto. „Danke für’s Mitnehmen“, sagte Janes Freundin, als sie vor deren Haus parkten. Sie schnallte sich ab, blieb aber noch einen Moment sitzen und lächelte die Vampirjägerin an. „Was ich noch sagen wollte… Es ist schön, dass wir im Moment so viel Zeit miteinander verbringen. Sonst haben alle immer so viel zu tun, dass das oft auf der Strecke bleibt.“ Diese Zuneigungsbekundung überraschte Jane ein wenig, freute sie aber sehr, sodass sie Cynthia umarmte, ehe diese ausstieg. Es stimmte schon, ihre Clique sah sich am häufigsten in der Universität. Kein Wunder, immerhin arbeiteten die Studenten und hatten andere Hobbies, Freunde und Familie. Es stimmte allerdings auch, dass sie vor allem in den letzten beiden Wochen viel miteinander unternommen hatten. Sie waren essengegangen, hatten miteinander gelernt und waren feiern gewesen. Jane wusste, dass das an ihrer durch die Verletzung eingeschränkten Arbeit für den Zirkel lag. Obwohl sie es natürlich mochte, mehr Zeit für ihre Freunde zu haben, beschloss sie, sich genug ausgeruht zu haben. Ihre Schulter schmerzte schon ein paar Tage nicht mehr, und die Schiene am Knöchel würde sie zu Hause endlich abnehmen. Ihre Mutter hätte es zwar sicher bevorzugt, hätte Jane sich noch ein wenig geschont, aber diese hasste es, nicht voll einsatzfähig zu sein. Zum Glück war Elizabeth noch nicht da, als Jane heimkam. So konnte sie im Arbeitszimmer der Ärztin in Ruhe die Schiene entfernen und austestend ein wenig herumlaufen. Na also, tat gar nicht mehr weh. Jane ging in ihr Zimmer, um ihre Alltagskleidung gegen schwarze Leggins und ein Sport-Shirt zu tauschen. Das Haar band sie sich zu einem Zopf, dann begab sie sich in den Keller des Hauses. Dort befand sich bei McCollins neben den üblichen Lager- und Waschräumen ein Sport- sowie ein Sicherheitszimmer. Letzteres lag am Ende des weiß gefliesten Flurs hinter einer wuchtigen Stahltür. Darin gab es zwei Feldbetten, Nahrung und Wasser für einige Tage und, in einem extra gesicherten Tresor, ein Teil von Janes persönlichem Waffenarsenal. Diesen Raum hatte es schon gegeben an dem Abend, an dem ihr Vater getötet worden war, aber alles war so schnell gegangen, dass Nathaniel nicht hatte flüchten oder zu seinen Waffen hatte greifen können. Er war doch auch ein Jäger gewesen, ein sehr guter, wie seine früheren Kollegen nicht müde wurden, Jane zu erzählen. Er hätte sich doch verteidigen können müssen… Jane war mitten im Flur stehen geblieben und hatte die Sicherheitstür angestarrt, schüttelte jetzt aber den Kopf und bog in den Sportraum ab. Damit ihr – Und vor allem ihrer Mutter – so etwas nie passierte, musste sie stets auf der Hut und in bester Form sein. Sich so gehen zu lassen wie sie in den letzten Wochen, war gefährlich. Außerdem hatte sie nach dem Schock bezüglich Richard nichts mehr unternommen, um den Mörder ihres Vaters zu finden. Sie nahm sich vor, das am nächsten Tag noch zu ändern, und ging zum Laufband, um sich vor dem Training aufzuwärmen. Neben diesem Gerät standen im Fitnessraum der McCollins unter anderem diverse Hanteln (kleine für Elizabeth, schwerere für Jane), ein Trampolin, ein Box-Sack, ein Gerät, an dem sie Zielen übte, und eine Stange für Klimmzüge. Nach einer halben Stunde gemütlichen Joggens – Jane wollte ihren Knöchel nicht sofort wieder überlasten – stieg die Vampirjägerin vom Laufband und wischte eine dünne Schweißschicht von ihrer Stirn. Unzufrieden runzelte sie die Stirn. Sie war mehr aus der Form, als sie erwartet hatte. Als nächstes widmete sie sich Kraftübungen, dann war Zielsicherheitstraining mit ihren Messern an der Reihe. Konzentriert stand sie vor den Scheiben, die auf einem Band in Dauerschleife etwa zehn Meter von ihr entfernt rotierten. Mit einer flüssigen Bewegung schleuderte sie das erste Messer, zückte das nächste und warf erneut. Das wiederholte sie, bis ihr Griff in das Etui an ihrem Oberschenkel ins Leere ging, sie also alle Klingen aufgebraucht hatte. Erst jetzt gönnte Jane sich einen Blick auf ihr Ergebnis und stellte zufrieden fest, dass fast jeder Wurf ins Schwarze oder zumindest dicht daneben getroffen hatte. Sie ging, um die Messer für eine zweite Runde einsammeln, fuhr aber herum, als sie hinter sich plötzlich ein langsames, spöttisches Klatschen hörte. Beinahe hätte sie instinktiv das Messer geworfen, das sie soeben aus der Zielscheibe gezogen hatte, doch sie hielt sich gerade noch zurück, als sie sah, dass es Aiden war, der ihr applaudierte. Schnaubend über seinen eher amüsierten Beifall wandte die Jägerin sich ab, um weiter aufzuräumen. „Was machst du hier?“ „Ich habe Geräusche aus dem Keller gehört und wollte nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Tut mir leid, wenn ich dich gestört habe“, erklärte der Vampir, der in den Trainingsraum schlenderte und sich neugierig umsah. Beinahe beiläufig hob er eine der 30 Kilo Hanteln auf, die Jane säuberlich auf das dafür vorgesehene Regal gestapelt hatte. „Ich war eh gerade fertig“, beschloss Jane, als sie ihre Messer bei sich hatte und die Anlage ausschaltete. Normalerweise trainierte sie länger, doch sie wollte ihre Schulter nicht überlasten und dadurch womöglich noch länger außer Gefecht gesetzt sein. Aiden sah zu, wie seine Mitbewohnerin ihre Waffen auf deren Schärfe prüfte, bevor sie diese in gepolsterten Futteralen verstaute. „Deine Freunde wären sicher überrascht zu sehen, was man im hauseigenen Fitnessstudio so alles machen kann“, kommentierte er, dann trat er an den Box-Sack und schlug spielerisch danach. „Hast du schon mal überlegt, ihnen alles von deinem… Nebenjob zu erzählen?“ „Wieso sollte ich?“, fragte Jane, woraufhin er die Schultern zuckte. „Sie könnten als dein soziales Umfeld immerhin in Gefahr geraten.“ Es war offensichtlich, dass der Vampir damit auf Elizabeths Entführung anspielte, und Jane strafte ihn dafür mit einem bitterbösen Blick. Antworten tat sie trotzdem: „Es besser für sie, wenn sie nichts von meiner Arbeit für den Zirkel oder Vampire generell wissen. Außerdem hält die Regierung es für besser, eure Existenz vor der breiten Masse geheim zu halten, um eine Panik zu vermeiden. Da wäre es kontraproduktiv, wenn die Leute aus dem Zirkel herumlaufen und allen von ihrem Jobs erzählen würden.“ „Deine Mutter weiß es doch auch“, merkte Aiden an. Elizabeth wusste von der Arbeit des Jäger-Zirkels nicht erst durch ihre Tochter, sondern wegen ihres verstorbenen Mannes, der neben seiner Tätigkeit als Architekt wie gesagt Vampirjäger gewesen war. Da Jane jedoch noch immer nicht über ihren Vater sprechen wollte, wandte sie sich ab, um ihre Messer zurück in den Tresor zu sperren, während sie antwortete. „Bei engen Angehörigen wird eine Ausnahme gemacht. Zumal ich noch sehr jung war, als ich mit meiner Ausbildung angefangen habe, sodass die Erlaubnis meiner Mutter erforderlich war.“ „Hm“, machte Aiden missbilligend, worauf Jane nicht einging. Sie hatten darüber schon mal diskutiert und würden heute wohl kaum weiter kommen. Inzwischen hing der Vampir an der Stange für Klimmzüge und zog sich ein paar Mal in die Höhe. So, wie die Muskeln in seinen Armen sich dabei anspannten, fielen Jane ihre Überlegungen von ihrem gemeinsamen Shopping-Ausflug wieder ein; da Aiden immer wieder andeutete, mal ein Mensch gewesen zu sein, war er in einen Vampir verwandelt worden. Dies wiederum bedeutete, dass sein Körper sich nicht mehr verändern konnte. Wunden heilten nach Blutkonsum, ohne Narben zurückzulassen, sein Haar kehrte stets in denselben Zustand zurück, wenn er es nicht jeden Tag schnitt (Das war ihr erst aufgefallen, seit sie zusammen wohnten), und so weiter. Dadurch war davon auszugehen, dass Aiden schon vor seiner Verwandlung so trainiert gewesen war, was Jane überraschte, da er angedeutet hatte, in eine Aristokraten-Familie zu gehören. Und dass glaubte sie, sonst wäre wohl kaum ein Portrait seines Vaters aufgetaucht und er hätte Lady Jane Grey gar nicht erst kennengelernt. Wäre er, wie sie zuerst geglaubt hatte, als Mensch ein Soldat gewesen, wären seine Muskeln verständlich, aber so? „Hast du…“ Sie zögerte, weil sie keine passende Formulierung wusste und nicht schon wieder über ihre ´unpassende Wortwahl` belehrt werden wollte. Allerdings fiel Jane nichts Besseres ein, also sagte sie es geraderaus: „Hast du in deinem Menschenleben eine Art spezielles Training absolviert?“ „Wie kommst du darauf?“, fragte der sichtlich überraschte Vampir, der die Stange losließ und leichtfüßig auf der Matte darunter landete. Jane zuckte die Schultern. „Du siehst so aus.“ Wie erwartet, kräuselten Aidens Lippen sich wegen dieser Aussage amüsiert, doch er verkniff sich einen Kommentar, als er antwortete: „Nun, ich habe eine umfassende Ausbildung mit Waffen erhalten. Außerdem bin ich immer gerne geritten und geschwommen, wenn es die Umstände erlaubten. Außerdem war es für junge Männer üblich, zu turnieren. Ich denke, daher kommt dieses… Aussehen.“ Jane nickte nur. Sie hatte schon herausgehört, dass ihr Untermieter alle Arten von Sport mochte. Demnach zu schließen, was er gerade sagte, hatte er sich das aus seinem richtigen Leben beibehalten. Unwillkürlich fragte sie sich, der Rest seines Charakters sich in den letzten 500 Jahren genauso wenig verändert hatte – Und wie ihre Vorfahrin sich in diesen Kindskopf hatte verlieben können, wenn er denn damals schon so gewesen war. „Ein Taler für deine Gedanken.“ Verblüfft von dieser veralteten Ausdrucksweise sah Jane den Vampir an, dann konnte sie nicht anders, als leise lachend den Kopf zu schütteln. Bereits auf dem Weg zur Tür sagte sie: „Die sind mehr wert… Komm, gehen wir.“ Folgsam wie immer lief er ihr nach. „Ich bin mir sicher, dass sie mehr wert sind, aber umso lieber würde ich sie hören.“ „Keine Chance“, schmunzelte die Vampirjägerin auf der Treppe. Dann sah sie ihren Begleiter an, runzelte kurz die Stirn, ehe sie erklärte: „Übrigens… Kannst du den Trainingsraum auch nutzen, wenn du möchtest.“ Aiden hatte ausgesehen, als würde ihn das Equipment interessieren, und so, wie er jetzt lächelte, hatte dieser Eindruck nicht getäuscht. „Das würde ich gerne, vielen Dank.“ Jane steuerte die Küche an, um nach ihrer Trainingseinheit etwas zu trinken. Mit der Flasche in der Hand warf sie einen Blick in den Kühlschrank, auf der Suche nach Inspirationen, was sie nach einer Dusche kochen sollte. Vielleicht Lachs… Aiden riss sie aus ihren Überlegungen, indem er sagte: „Nächstes Mal könnten wir ja zusammen trainieren.“ Die Flasche noch am Mund, wandte Jane sich zu ihrem Hausgast. Damit hatte sie nicht gerechnet, nachdem er sie während der letzten beiden Wochen so konsequent ignoriert hatte. Eigentlich hatte sie, als sie Aiden anbot, hier einzuziehen, damit gerechnet, dass er sich noch penetranter in ihr Privatleben einmischen, noch mehr Zeit mit ihr verbringen wollen würde. Das war nicht passiert. Sie war nicht traurig darüber – nur verwundert. Deshalb überraschte es sie jetzt so, wieder ein Angebot von ihm zu bekommen, etwas miteinander zu unternehmen. Vor allem eine Aktivität für den Zirkel, wo er doch eigentlich gegen Janes Arbeit für selbigen war. Obwohl… Eigentlich war es logisch, immerhin war er potentiell ihr langfristiger Partner. Würden sie weiter zusammenarbeiten, müssten sie gemeinsam üben, um sich aufeinander einzuspielen. Bisher war das zwar kein Problem gewesen; sowohl bei Richard, als auch bei der Vampir-Mutter hatten sie hervorragend miteinander harmoniert. Aber sicher war sicher, und es ging immerhin um ihr Leben. Mal wieder ertappte Jane sich dabei, darüber nachzudenken, zukünftig mit Aiden zusammenzuarbeiten, und sie runzelte die Stirn. In der Hinsicht war noch nichts entschieden. Sicher, es hätte seine Vorteile, einen Partner zu haben, aber Aiden war und blieb ein Vampir, und Jane wollte sich nicht so eng auf einen solchen einlassen. Andererseits war eben wirklich noch nichts entschieden – Was hieß, sie hatte sich auch noch nicht dagegen entschieden. Deshalb…. Wieso sollte sie es nicht ausprobieren und gemeinsam mit ihm trainieren? Schaden konnte es wohl kaum. „Von mir aus“, stimmte sie zu und ging in Richtung Tür. „Wenn ich das nächste Mal im Zirkel trainiere, nehme ich dich mit.“ Sie konnte sich gut vorstellen, wie Aiden lächelte, aber sehen wollte sie es nicht, weshalb sie unter die Dusche flüchtete. Verdammt. Sie wurde doch tatsächlich ein wenig weich, was den Blutsauger anging. Kapitel 18: Tanz der Vampire ---------------------------- „Ich hätte nicht gedacht, dass du mal mit einem Vampir auf eine Party gehen würdest.“ Jane blickte von ihrer Zeitung zu Elizabeth, die das gesagt hatte. Ihre Mutter musterte sie, ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Offensichtlich freute sie sich über die Umstände des heutigen Abends, die ihre Tochter auf eine Halloween-Party bringen würden – Und zwar in Begleitung ihres unsterblichen Mitbewohners. Die jüngere Frau hatte darüber noch nicht wirklich nachgedacht, aber es stimmte wohl. Diese Entwicklung war überraschend, und es war nicht mal die erste Gelegenheit, bei der sie mit Aiden ausging. Der erste gemeinsame Party-Abend war zwar nicht unbedingt gut ausgegangen, aber heute würde sicher nichts schiefgehen… Nicht, dass die Vampirjägerin nicht trotzdem ihre Osmium-Messer mitnehmen würde, nur für alle Fälle. Früher hätte sie der Umstand, so vertraut mit einem Vampir zu sein, wohl beunruhigt, aber jetzt zuckte sie nur die Schultern und wandte sich ihrem Tagesblatt zu. „Er ist immerhin wirklich mein Kommilitone. Wieso sollte er nicht mitkommen?“ Elizabeth sah Jane fragend an wegen der ungewöhnlichen Betonung, aber zwischen der Jägerin und ihrem (temporären!) Partner war sein Studium inzwischen eine Art Running Gag. Schließlich beharrte Aiden immer wieder darauf, ein echter Student zu sein, obwohl er das ganze keinesfalls mit dem nötigen Ernst anging. Hätte die Ärztin gewusst, dass ihre Tochter und Aiden inzwischen schon Insider-Witze hatten, hätte sie das nur in ihrer Meinung bestärkt, dass die Beziehung der beiden besser war, als Jane zugeben wollte. Da Elizabeth das jedoch nicht ahnte, konnte die Vampirjägerin in Ruhe weiterlesen, bis es wenig später Zeit wurde, sich für den Halloween-Ball bereit zu machen. Sie ging als Evil Alice und trug ein weißes, kunstvoll aufgeschlitztes Kleid und ein enges, schwarzes Mieder. Das Haar hatte sie zu zwei zerzausten Zöpfen gebunden, ihr Make-Up ließ sie bleich wirken, mit Augenringen bis zu den Kniekehlen. Ein letztes Mal richtete die Brünette den schwarzen Haarreifen, besah sich die künstlich aufgemalten Blutflecken an Kleidern und Spielzeugmesser. Als sie zufrieden war, schlüpfte sie in ihre schwarzen Stiefeletten, schnappte sich ihre Tasche und ging nach unten, wo Aiden bereits auf sie wartete. Ohne das mit ihr abzusprechen, hatte er sich ihrem Kostüm angepasst und als Verrückter Hutmacher verkleidet. Das, was an seiner Kleidung eine Kostümierung war, war eigentlich nur der Hut im Steampunk-Stil aus einem Shop, der Rest war ein Anzug, zu dem er Stiefel, Handschuhe und eine Kette an der Hüfte trug. Damit das Ganze noch etwas ´gruseliger` aussah, hatte er ein bisschen Kunstblut auf dem Hemd verteilt. Er hatte sie zwar vor einer Weile gefragt, als was sie sich verkleiden würde, Jane aber nicht gefragt, ob er sich darauf abstimmen durfte. Vermutlich hatte er schon gewusst, dass die Antwort ´Nein` geheißen hätte. Da zeigte sich mal wieder, dass er eben doch ein Stalker war... Aiden lehnte an der Tür und richtete sich etwas auf, als er Jane sah. "Du siehst schaurig aus", lächelte er, als sie nach der Verabschiedung von Elizabeth das Haus verließen. "Danke. Wenn es nicht so ironisch wäre, dich ebenfalls als schaurig zu bezeichnen, würde ich es tun", entgegnete die Brünette leicht schmunzelnd wegen des ungewöhnlichen Kompliments. Schließlich wusste sie - im Gegensatz zu den anderen, normalen Menschen - was er in Wahrheit war. "Ach was, ich hab mir heute extra Mühe gegeben, mich meiner wahren, boshaften Natur entsprechend zu kleiden. Das kannst du ruhig sagen", erwiderte er mit einem Zwinkern, worüber sie nur leise lachte. Es war noch nicht so spät, sodass noch ein paar Kinder auf der Straße unterwegs waren, die Süßes oder Saures spielten. Während Jane wie immer fuhr, beobachtete Aiden die kleinen Monster vom Fenster aus schmunzelnd, bis sie an der Universität ankamen. Dort trieben sich ebenfalls schon einige Ungeheuer herum, die das einzige echte Monster amüsiert musterte; offensichtlich gefiel Aiden das Halloween-Tamtam um seinesgleichen ausgesprochen gut. Jane war erleichtert, ihn in dieser guten Laune zu sehen, nachdem er sich in den letzten Wochen so komisch aufgeführt hatte. Diese Schweigsamkeit war einfach nicht er, und hätte das noch länger angedauert, hätte sie wohl oder übel nochmal ein Gespräch mit ihm suchen müssen, was sie nur zu gerne unterließ. Am College angekommen, fanden sie schnell Janes Freunde. Alle lobten und kommentierten die einzelnen Kostüme der anderen. Dabei fiel natürlich auf, dass Aiden und Jane irgendwie abgestimmt waren. Das sorgte für ein wenig Gesprächsstoff unter Kate und Cynthia, die jeweils als Hexe und Zombiebraut verkleidet waren. Allerdings zuckte die Vampirjägerin auf ihre Nachfragen hin nur die Schultern und betrat mit den anderen die Party-Location. Dafür war einer der Veranstaltungssäle des College schaurig hergerichtet worden. Die Gäste musste eine große Treppenflucht hochsteigen, wobei künstliche Spinnweben, Kürbisse und Papier-Geister ihnen den Weg wiesen. Geleitet davon gelangten sie in einen großen Saal, dessen Wände schwarz verhängt und mit allerlei Gruseligem dekoriert worden waren. Der erste Weg der Gruppe führte zum Buffet, wo Klassiker wie Finger-Würstchen und Kürbis-Bowle gereicht wurden. Alle bedienten sich von letzterem, ziemlich starkem Getränk und stießen auf einen schönen Abend an. "Organisieren eure Studentenverbindungen das alles selbst?", fragte Aiden, einigermaßen beeindruckt. "Ja! Das machen die Eventmanagement-Studenten, aber sie kriegen Hilfe dabei, weil sie privat Verbindungen mit Leuten haben, die sich mit solchen Dingen auskennen!", erklärte die düstere Alice etwas lauter, da die Musik im Hintergrund dröhnte und teilweise ihre Stimme verschluckte. Erst, als Aiden ein wenig zusammenzuckte, bemerkte Jane, dass sie wohl neben der einzigen Person im Saal stand, die trotz des Lärms alle Gespräche hervorragend verstehen konnte. Nach und nach stieg der Alkoholpegel unter den Studenten und auch die Musik wurde im Verlauf des Abends gewechselt, sodass sich einige Zeit später eine kleine Masse auf der Tanzfläche gebildet hatte. Bevor die Vampirjägerin ihr zweites Glas komplett austrinken konnte, wurde sie von ihren Freundinnen an der Hand gepackt und in die Mitte des Saals gezerrt, wo sie zu dritt dann auch zu tanzen begannen. „Also… Was hat es jetzt mit deinem Partner-Kostüm mit Aiden auf sich?“, bohrte Cynthia nochmal nach, als die Damen alleine waren. Jane seufzte nur. „Ich hab doch schon gesagt; nichts. Ihm ist kein Kostüm eingefallen, und da hat er eben bei mir mitgemacht.“ „Ach komm, das kannst du mir nicht erzählen“, murrte Kate. „Er ist süß, und ihr seht euch praktisch ständig. Ich meine, er ist sogar bei dir eingezogen.“ „Nur vorübergehen!“, betonte die Brünette sofort. Als Übergangshandlung trank sie einen großen Schluck Kürbis-Punsch. „Also seid ihr doch verwandt? Ich hab das irgendwie nicht so ganz kapiert“, gestand die Halb-Irin und sah stirnrunzelnd zu den Männern ihrer Clique, die am Getränketisch zurückgeblieben waren. Auch Jane sah rüber, wobei ihr Blick Logans streifte. Er lächelte und prostete ihr zu, was sie erwiderte, ehe sie sich wieder ihren Freundinnen zuwandte. „Das ist… Kompliziert.“ „Das ist es doch immer“, stimmte Cynthia weise zu. „So meine ich das nicht!“, japste Jane, worüber die anderen lachten. Sie seufzte und fuhr sich durch die Haare. „Können wir uns einfach darauf einigen, dass da nichts ist und auch nicht sein wird?“ „Na dann… Auf das, was nicht ist und nicht sein wird“, stimmte Kate zu und stieß mit den beiden an, bevor sich das Thema glücklicherweise änderte. Während die anderen jungen Frauen tanzten und sich amüsierten, wanderte der Blick der Vampirjägerin erneut zum männlichen Teil ihres Freundeskreises und dort, angesichts des Gespräches gerade, wie von selbst zum einzigen nicht menschlichen Anwesenden. Wie sie schon bei ihrem gemeinsamen Shopping-Ausflug festgestellt hatte, sah Aiden wohl rein objektiv betrachtet ganz gut aus. Sein kantiges Gesicht war ebenmäßig und die dunkelblonden, kurzen Locken standen immer gewollt-lässig von seinem Kopf ab. Außerdem war er groß und – Wie sie mit eigenen Augen gesehen hatte – sehr muskulös. So gesehen konnte sie Mädchen, wie diese Bedienung damals am Anfang ihrer Bekanntschaft, ganz gut verstehen, die hingerissen von ihm waren. Aber auch nur, weil diese Mädchen nicht wussten, was Aiden wirklich war. Für Jane nämlich war der Vampir weniger ein Mann als nur genau das; ein Vampir. Er war tot, und das seit mehr als 400 Jahren. Davon abgesehen, dass sie ihm immer noch nicht vollständig vertraute, ekelte sie sich auch ein wenig davor. Manchmal, wenn sie nicht darüber nachdachte und für eine Weile vergaß, was er war, schaffte sie es, ihn zu berühren, aber das machte ihn noch lange nicht zum potentiellen Partner, wie Kate und Cynthia das scheinbar gerne gesehen hätten. Als Jane sich dabei ertappte, über Aiden nachzudenken, schüttelte sie den Kopf und ihr Blick wanderte weiter. Erneut begegneten ihre Augen dabei Logans. Er sah sie fragend an, woraufhin sie nur den Kopf schüttelte und sich den anderen Frauen zuwandte, um weiter zu tanzen. Lange blieben sie aber nicht mehr in der Mädchen Gruppe. Cynthia hatte gerade ein paar Freunde aus der Studentenschaft getroffen, als Logan mit einem Glas Bowle neben Jane auftauchte. „Ich dachte, du könntest noch etwas zu trinken vertragen“, erklärte er und tauschte ihr leeres Glas gegen das neue aus. „Ja, danke. Es ist ganz schön warm“, stimmte sie zu und bewegte sich ganz automatisch weiter im Takt der Musik. „Und das, wo du nur ein Kleid trägst.“ Logan, der selbst als Jack the Ripper deutlich mehr Kleidung am Laibe trug, lächelte und wippte selbst ein wenig zur Melodie. „Das liegt dann aber an der mangelhaften Planung.“ Jane lachte, nippte an ihrer Bowle und amüsierte sich so gut, dass sie gar nicht wirklich bemerkte, wie sie plötzlich nicht mehr nur neben Logan tanzte, sondern mit ihm. Es störte sie aber nicht – Im Gegenteil. Gerade die Tatsache, dass sie sich nicht wirklich berührten, steigerte die Spannung zwischen den beiden jungen Leuten immens. Jane war selbst überrascht, so zu empfinden, doch sie schob es auf den Alkohol und genoss einfach das Prickeln, jedes Mal, wenn sie Logan in die Augen sah. Nach ein paar Stunden, die ihr wie Minuten vorkamen, rempelte jemand Jane an und schupste sie somit in die Arme ihres Kommilitonen. „Alles ok?“, fragte er sofort, während die Brünette sich nach dem Übeltäter umsah. Dabei bemerkte sie zum ersten Mal, wie voll die Tanzfläche geworden war. Kein Wunder, dass die Leute sich gegenseitig schupsten. Und verdammt heiß war es auch. Lächelnd trat sie einen Schritt von Logan zurück und berührte kurz seinen Arm. „Ja, alles gut. Aber ich werde mich mal kurz entschuldigen. Wir sehen uns dann später.“ Er nickte und Jane schob sich durch die tanzende Menge in Richtung des Buffet-Tisches. Bei einem Blick zurück bemerkte sie, dass alle ihre Freunde sich auf der Tanzfläche tummelten, ihr Stalker jedoch nirgends zu sehen war. Seit Aiden damals in der Uni aufgetaucht war, war Jane kaum eine Sekunde ohne ihn gewesen, weshalb sie sich jetzt ein wenig irritiert umsah. In letzter Zeit war er sowieso seltsam gewesen, da war diese unerklärliche Abwesenheit nur ein weiterer Tropfen auf dem heißen Stein. Allerdings war Jane der Alkohol und die gute Stimmung zu Kopfe gestiegen, sodass sie sich keine weiteren Gedanken darum machte. Wahrscheinlich hatte er sich eines der Mädchen geschnappt, die ihn immer so anschmachteten. Sie nippte an ihrer Bowle, merkte jetzt, wo der elektrisierende Moment mit Logan vorbei war, jedoch bereits deutlich stärker den Alkohol. Als sie unwillkürlich kichern musste, beschloss Jane, dringend ein wenig frische Luft zu brauchen. Das kaum berührte Glas blieb auf dem Tisch zurück, als sie sich zum Ausgang des Saals kämpfte, um die Toiletten zu suchen. Auf dem Flur war sie beinahe alleine, abgesehen von dem einen oder anderen kichernden Paar, das sich unauffällig davon schlich. Jane beachtete sie wenig. Erst, als sie von den Toiletten zurückkehrte, sah sie einen Schatten, der sich auffällig schnell eine Treppe hinauf bewegte. Mit einem kurzen Stirnrunzeln folgte sie ihm auf einen großen Balkon ein Stockwerk über der eigentlichen Party. Leise Musik von der Feier drang herauf, aber da war kein huschender Schatten, sondern nur Aiden, der an der Brüstung lehnte. Der Vampir war beinahe perfekt mit den Schatten verschmolzen, doch jetzt löste er sich aus dem Halbdunkel und trat auf Jane zu. Der Gesichtsausdruck, mit dem er sie musterte, ließ sie erschaudern. Er sah… Alt aus. Alt, und unendlich traurig. Aber sie hatte jetzt keine Zeit, sich mit dem Gefühlsleben ihres ständigen Begleiters zu befassen. Hatten ihre Augen Jane einen Streich gespielt, was diesen Schatten anbelangte? Oder hatte Aiden sich schneller als gewöhnlich die Stufen hinaufbegeben? Nun, welche der beiden Theorien auch zutraf, es war unwichtig, denn hier war niemand außer ihrem Stalker. Wie es aussah, war alles in Ordnung. „Was machst du hier?“, fragte Aiden, der sein Lächeln zurückgefunden hatte. „Hattest du nicht mit Logan getanzt?“ „Doch“, antwortete sie, etwas überrascht davon, dass er gerade ihren Tanzpartner ansprach. „Aber es war mir zu stickig zwischen all den Leuten.“ „Mhm… Gib ruhig zu, dass du dich ausnüchtern wolltest. Ich kann den Alkohol an dir riechen, Miss McCollins“, neckte er, worüber sie natürlich nur die Augen verdrehte. „Das ist ein Fest. Da trinkt man eben. Und ich bin volljährig, also…“ „Das war ein Scherz“, unterbrach Aiden schmunzelnd ihre Rechtfertigungen, was Jane kurz stocken ließ, ehe sie leise lachte. Das Grinsen des Vampirs wurde ein weiches Lächeln, dann räusperte er sich, plötzlich nervös. „Jane…“ Die Angesprochene zog nur fragend die Brauen hoch. Was kam denn jetzt? Der Vampir hüstelte erneut und hielt ihr unvermittelt die Hand hin. "Würdest du mir die Ehre erweisen, mit mir zu tanzen?" Weil er so herumdruchste, wollte Jane schon einen neckenden Kommentar abgeben, doch Aidens Bitte ließ sie innehalten. Die ganze Situation wirkte irgendwie absurd romantisch - was zu keinem kleinen Teil daran lag, dass sie allein auf dem großen Balkon standen und er diese veralteten Worte gewählt hatte. Selbst die Musik im Hintergrund, die bis nach oben drang, schien sich der Atmosphäre anzupassen und wurde ruhiger, langsamer. Nun... was sprach denn schon gegen einen Tanz? Immerhin waren sie hier auf einem Fest, auf dem sie sich amüsieren wollten, und es war ja nicht so, als ob es sie umbringen würde, wenn sie ihm einen Tanz gewähren würde. Dementsprechend kam sie nicht umhin, mit einem belustigten Grinsen einen kleinen Knicks zu machen und ihre Hand in seine zu legen. "Es wäre mir eine Ehre, werter Gentleman", erwiderte die Brünette amüsiert und legte die andere Hand an seine Schulter. Langsam erhellte ein Lächeln Aidens Züge, er legte die Hand behutsam in ihre Taille und zog sie sacht ein wenig näher, bevor er anfing, sie ihm Takt zu drehen. "Du konntest nicht einfach ja sagen, oder?", fragte er, selbst schmunzelnd, um zu zeigen, dass ihr ironischer Tonfall ihm nicht entgangen war. Jane lachte nur leise; natürlich hätte sie ein einfaches 'Ja' von sich geben können, doch war es doch viel lustiger gewesen, ihm auf übertriebene Art und Weise zu antworten - wo er selbst doch so altertümliche Worte gewählt hatte. Ob es nun am Alkohol oder der ausgelassenen Stimmung lag, dass Jane ihren Spaß daran hatte, sich von ihrem Mitbewohner im Takt herumwirbeln zu lassen, konnte man nicht sagen. Dennoch genoss sie es sichtlich, drehte sich mit Aiden und blickte ihm dabei mit einem kleinen, sanften Lächeln ins Gesicht. Dabei machte es ihr mal wieder Nichts aus, dass er ihr so nah war und er sie sogar berührte. Hätte man ihr vor ein paar Wochen gesagt, dass sie demnächst mit einem Vampir den Halloween-Ball der Universität besuchen und mit ihm tanzen würde, dann hätte sie die Person lauthals ausgelacht oder womöglich geköpft, weil ihr diese Vorstellung früher völlig absurd vorgekommen wäre. Schließlich endete aber die Musik und er ließ die Bewegung langsam ausklingen, behielt jedoch ihre Hand noch in seiner. "Danke für den Tanz", sagte er leise und deutete einen Kuss auf ihre Finger an, ohne diese wirklich mit den Lippen zu berühren. Die junge Frau schob ihr leichtes Erschaudern auf die kühle Abendluft, die zu dieser Jahreszeit logischerweise herrschte. Bevor sie etwas erwidern konnte, löste sich ihr Gegenüber von ihr, wobei sie kurzzeitig zusammenzuckte, als sie einen leichten Ruck in seine Richtung verspürte. Mürrisch wollte sie sagen, dass er nicht so an ihr reißen sollte, als Aiden meinte: "Diese Dinger waren schon immer unpraktisch." Irritiert folgte sie mit dem Blick seinen Händen, die sich zu ihrer Körpermitte bewegten und an den Ösen von Janes Korsage nästelten, die sich in der Kette an seiner Hüfte verfangen hatte. „Das klingt, als hättest du so etwas schon öfter erlebt“, sagte die junge Frau, um die unangenehme Situation ein wenig herunter zu spielen. Ihr Stalker lachte leise und sah von seinen Bemühungen auf, wobei ihre Blicke sich trafen. In seine Augen trat dieser sehnsüchtige Ausdruck, bei dem Jane jedes Mal ganz komisch wurde. Er öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder und blähte stattdessen seine Nüstern. Sofort verschwand der liebevolle Blick aus seinen Augen und ein leises Knurren ließ seine Brust vibrieren. „Was…?“, fragte Jane, schrie aber im selben Moment auf, als sie herumgerissen und an Aidens Brust gedrückt wurde. Bei der ruckartigen Bewegung war die verhakte Öse gerissen, sodass Jane frei war. Irritiert sah sie zu dem Vampir auf, verstand wegen ihres Alkoholpegels viel zu lange nicht, was passierte. Sie hörte ein reißendes Geräusch, ein leises Stöhnen, und dann lastete plötzlich Aidens Gewicht auf ihr und war viel zu schwer für sie. Die Vampirjägerin keuchte auf, als ihm die Knie nachgaben und er fast völlig auf ihr lag. „Aiden…“, knurrte sie, genervt von seinen Spielchen, doch da sah sie ihn endlich. Hinter dem Vampir stand ein anderer Mann, der ein blutiges Katana in der Hand hielt und scheinbar zu überrascht war von Aidens Eingreifen, um sofort wieder zu attackieren. Er war nicht viel größer als Jane, trug eine Maske die aussah wie das brüllende Antlitz eines Dämons, womit er natürlich in der Halloween-Gesellschaft nicht aufgefallen war. Sein altmodischer Anzug war mit Aidens Blut getränkt. Also hatte Jane sich doch nicht geirrt, es hatte einen Schatten gegeben, und der war nicht Aiden gewesen. Janes Hand zuckte instinktiv zu ihrer Overknee-Socke, in der sie natürlich ihr Osmium-Messer versteckt hatte, doch da ließ ein tiefes Knurren dicht an ihrem Ohr sie innehalten. Kaum hatte Aiden dieses drohende Geräusch von sich gegeben, da sprang er bereits von Jane und auf den fremden Vampir, der ein wenig zurück wich. Während die beiden Männer aufeinander losgingen, sah Jane zum ersten Mal die klaffende Wunde am Rücken ihres Vampires, und ihr wurde ein wenig schlecht. Nicht, weil sie kein Blut sehen konnte oder Gewalt nicht vertrug; das war sie gewöhnt. Sondern weil es Aidens Blut war und sie Angst um ihn hatte, ein Gefühl, das sie mehr als alles andere überraschte. Ungeachtet dieser Wunde, die jeden Menschen außer Gefecht gesetzt hätte, kämpfte Aiden mit derselben Inbrunst, die er in Auseinandersetzungen immer an den Tag legte. Obwohl er alles andere als auf der Höhe seiner Kräfte war, duckte er sich geschickt unter der Klinge seines Gegners weg und rammte diesem die Schulter in den Magen. Der Fremde stöhnte, als er gegen die steinerne Balustrade gepresst wurde, schaltete aber sofort um, indem er die plötzlich langen Krallen über den sowieso schon blutigen Rücken Aidens zog. Dieser bleckte die Zähne in einem Fauchen, ließ aber nicht von der Hand des Maskierten ab, um diesem die Waffe zu entreißen. Diese Unerbittlichkeit hatte Aiden bisher bei jedem Kampf gezeigt, den Jane gesehen hatte. Immer, wenn er sie beschützte… Als Jane das realisierte, knurrte sie, griff endlich nach ihren Messern und stürzte sich auf den Angreifer. Von der Seite rannte sie auf die Männer zu und schlug nach dem Kopf des Fremden, der das jedoch bemerkte und ihr kleines Messer mit seinem Schwert abblockte. Er fletschte die Zähne, und im selben Moment sprangen sie zurück, nur, um sich sofort wieder aufeinander zu stürzen. „Jane!“, brüllte Aiden irgendwo neben ihr, aber die Vampirjägerin beachtete ihn nicht. Sie verfluchte sich, nicht ihre Ausrüstung bei sich zu haben als sie sich unter einem Schlag wegduckte, der sie einige Haare kostete, so knapp verfehlte er sie. Gerade wollte sie einen weiteren Schlag abwehren, als plötzlich der blutige Rücken ihres Partners vor ihr auftauchte. Ohne sie zu beachten, packte Aiden den Fremden am Revers und schleuderte ihn mit Schwung über die Brüstung des Balkons. Sowohl er als auch Jane setzten dazu an, ihm hinterher zu springen, als Aidens Verletzungen sich doch meldeten. Stöhnend sackte er an der Balustrade zusammen und hielt sich den fast abgeschnittenen Arm. „Aiden!", rief Jane bestürzt, als sie von der Verfolgung absah und sich neben ihrem (erneuten) Retter auf den Boden niederließ. Dieser schlug die flatternden Augenlieder auf, als er ihre Stimme hörte, und er lächelte, aber es war nicht das strahlende Lächeln, das er sonst zeigte, sondern mehr das verzerrte Grinsen einer Mumie. Aiden lehnte kraftlos am Geländer, tiefe Ringe unter den Augen. Seine Haut sah trocken, fast spröde aus, und seine Lippen waren innerhalb von Sekunden gerissen. Auch die Haut an seinen Händen spannte bereits über seinen Knochen, und sein Atem kam nur noch heiser röchelnd. Es klang, als würde er im Zeitraffer von innen heraus austrocknen, und das Entsetzen bohrte Jane spitze Krallen in den Magen und wischte ihr jede Farbe aus dem Gesicht, als sie verstand, dass genau das gerade passierte: Er vertrocknete anstatt an den Wunden zu verbluten. Verdammt, sie konnte unter keinen Umständen zulassen, dass er ihretwegen draufging! Außerdem... außerdem brauchte sie ihn doch! Bevor sich ihre Gedanken weiterspinnen konnten, begann die Vampirjägerin, fieberhaft nach einer Lösung zu suchen. Wie sollte sie ihn wegbringen, ohne dass die ganze Situation auffiel? Immerhin war Aiden zu schwer für sie und Hilfe holen... das war nicht möglich. Ihr Blick fiel auf ihr Messer, welches neben ihr auf dem Boden lag. Dabei schlich sich eine Idee in ihren Kopf, die gegen jede ihrer persönlichen Prinzipien sprach und auf die sie vor einiger Zeit bestimmt nicht einmal im Traum gekommen wäre. Nach einem kurzen, tiefen Atemzug griff Jane nach dem Messer. "Jane… Was machst du…?", rasselte der Vampir alarmiert, aber sie antwortete nicht. Sie hielt die Klinge an ihren Unterarm und machte einen sauberen Schnitt. Ein Brennen machte sich breit, als das tiefrote Blut an ihrer erhitzten Haut runterrannte, doch sie war vom Adrenalin zu aufgeputscht, um wirklich Schmerz zu empfinden. "Trink", befahl sie dem verletzt auf dem Boden liegenden Vampir, der nur schwerfällig die Augen öffnete, um sie ungläubig ansehen zu können. Aiden Aiden spürte, wie Jane sich neben ihn setzte, und zwang sich, noch mal die Augen zu öffnen. Erst, als er ihre Sorge sah, kam ihm der Gedanke, dass es wohl wirklich schlimm um ihn stehen musste. Auf die Idee war er bis dahin gar nicht gekommen, weil er es nicht gewohnt war, überhaupt verletzt zu sein, außerdem hatte er nur daran gedacht, Jane zu beschützen. Doch langsam sickerte der pulsierende Schmerz, der seinen ganzen Körper auszufüllen schien, in sein Bewusstsein, und er merkte, wie jeder Atemzug ihn mehr Kraft kostete, als würde ein Gewicht auf seinen Brustkorb gesenkt. Angst hatte er aber nicht wirklich. Das mochte jetzt an seinem benebelten Verstand liegen oder daran, dass er schon so lange gelebt hatte und einfach bereit war, aber er war ganz ruhig, als er die Hand nach Jane ausstreckte und ihre Wange berührte. Er zuckte jedoch zurück, als sie ihren Dolch zog und sich den Arm aufschnitt. Sofort schoben sich seine Zähne hervor und zerschnitten die inzwischen papierdünne Haut seiner Lippen. Zu dem Schmerz gesellte sich noch brennender Durst, dieses unsägliche Verlangen. Gott, warum tat sie ihm das jetzt auch noch an? Gequält schloss er die Augen und zischte: "Jane… Was machst du…?" „Trink“, befahl sie, doch er schüttelte er den Kopf. Es fiel ihm schon schwer, sich zu beherrschen, jetzt, wo er ihr Blut roch, und er war fast froh, so schwach zu sein. Sie einmal zu kosten, wäre wie ein Spiel mit dem Feuer und er wollte es einfach nicht riskieren. Lieber wollte er sterben als sie in Gefahr zu bringen. "Nein. Ich hab dich nicht gerettet, um dich jetzt… Nein", brach er ab, weil er nicht sagen wollte, dass er sie womöglich töten würde. Aber Gott, ihr Blut roch so verführerisch. Und sie wollte es ja… Sein Blick glitt immer wieder zu ihrem Arm, über den verführerisch die dunkle, rote Flüssigkeit tropfte und dann ihr Kleid benetzte. Seine Kehle brannte fast so sehr wie sein Rücken, und wenn er nicht so schwach gewesen wäre, hätte er sich wahrscheinlich schon längst auf sie gestürzt. Sie fluchte leise. "Verdammt, Aiden, du wirst gerade zu einer verdammten Mumie! Wenn du nicht draufgehen willst, dann trink gefälligst!", blaffte sie, ehe sie sich - nach einer weiteren Verweigerung - gezwungen sah, ihm den blutenden Unterarm gewaltsam gegen die Lippen zu pressen. Und plötzlich war der Geruch zu überwältigend, um ihm nicht nachzugeben. Aiden Kopf füllte sich mit Watte, es wurde schwerer, zusammenhängende Gedanken zu formen, bis er nicht mal mehr ´Nein` denken konnte. Noch eine Sekunde widerstand er der Versuchung, aber sein Gewissen schaltete einfach ab, er grub die Zähne in ihre weiche Haut und begann, ihr Blut zu trinken. Sofort spürte er, wie er wieder an Kraft gewann und wie die Wunde an seinem Rücken sich schloss, wie seine Haut sich über wachsenden Muskeln spannte und ihre Elastizität zurückerlangte, aber das war nicht das vorherrschende Gefühl. Der Geschmack von Janes Blut versetzte ihn regelrecht in Ekstase, und sobald er stark genug dazu war, setzte er sich auf, hielt ihren Arm umfasst wie ein Schraubstock, seine Krallen bohrten sich in ihre Haut und er trank sie gierig in großen Zügen. Und sie gehörte ihm, ihm, bis sie leer war… Erst, als sie ein leises Stöhnen von sich gab, sah er zu ihr. Dabei bemerkte er einen seltsamen Glanz in ihren Augen, aber der verlosch sofort, als Jane die Augen nach oben drehte und ohnmächtig zusammensackte. Aiden fing sie auf und barg sie an seiner Brust. Instinktiv beugte er sich über ihren Hals, um weiter zu trinken, doch er riss sich mit einem Ruck zurück in sein menschliches Bewusstsein, die Vernunft, das Gewissen. Nicht sie, nicht Jane… Egal, wie verzehrend der Durst in ihm war und wie verführerisch die Vorstellung, sich dem Nichts hinzugeben, nicht sie, niemals Jane. "Du dummes Mädchen…", knurrte er außer Atem, dann riss er einen Fetzen von seinem Hemd ab und verband provisorisch ihren Arm. Als ihre Wunde versorgt war, hob er sie vorsichtig auf den Arm und betrachtete ihr blasses Gesicht. Wie hatte sie ihn so verführen und sich dadurch in Gefahr bringen können? Was auch immer mit ihm war, dieses Opfer von ihr war es nicht wert. Er schluckte seine Wut für den Moment runter und sah zur Treppe, beschloss aber, dass er das ohnmächtige Mädchen nicht durch ihre Kommilitonen tragen konnte, zumal ihrer beider Kleidung blutgetränkt war, ganz von seinem Gesicht abgesehen. Zwar gefiel es ihm nicht, dem Angreifer zu folgen, aber er sah keine andere Möglichkeit, als ebenfalls in den Garten zu springen und von dort aus möglichst schnell auf belebtere Straßen zu gelangen. Im Garten sah er sich kurz um und witterte ihren Angreifer. Ein leises Fauchen rollte über seine Lippen; wer auch immer das gewesen war, er würde es bereuen, Jane in derartige Gefahr gebracht zu haben… Jetzt war es aber erstmal wichtiger, sie nach Hause zu bringen, sodass er sich abwandte und den Garten verließ. Immer wieder musste Aiden mit seiner Selbstbeherrschung ringen, und mehr als ein Mal berührten seine Fangzähne ihre süße, weiße Haut auf dem nach Hause Weg, doch er konnte sich beherrschen, nicht weiter von ihr zu trinken. Jeder weitere Schluck hätte Janes Tod bedeuten können. Glücklicherweise fiel seine zerfetzte Kleidung an diesem Halloween-Abend nicht so sehr auf wie unter normalen Umständen, immerhin war es noch ein Kostüm. Jane wurde wahrscheinlich einfach für betrunken gehalten. So gelangten sie mit einem Taxi zum Haus der McCollins, wo Aiden Jane vorsichtig auf die Couch legte und sie mit geschürzten Lippen und verschränkten Armen betrachtete. Er hatte tatsächlich ihr Blut gekostet… Sie war so unbedacht, verstand kein bisschen, was das für ihn bedeutete. Schnaubend wandte er sich ab, um das Fenster zu öffnen, damit der Raum nicht so sehr nach Blut roch, dann ging er ihr ein Glas Wasser holen für den Moment, in dem sie aufwachen würde. Das stellte er auf den Couchtisch, während er sich neben sie auf den Boden setzte, das Kinn auf dem Knie ablegte und sie beobachtete mit Gedanken, die er nicht haben sollte. Aber sie war ja scheinbar bereit gewesen, sein Leben über ihres zu stellen. Wieso sollte er es dann nicht nehmen? Ihr Blut war so süß, er hatte sich so wahnsinnig lebendig gefühlt… Erschöpft rieb er sich über die Augen. "Wie kannst du mir das antun?", fragte er wütend, bemerkte aber erst, als er wieder zu ihr sah, dass sie aufgewacht war. Beschämt von seinen eigenen Gedanken drehte er das Gesicht weg und hielt ihr das Wasser hin. "Trink was. Soll ich Liz aufwecken?" Sie antwortete weder, noch nahm sie das Glas aus seiner Hand, sondern beobachtete ihn nur, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Aiden stellte das Wasser langsam weg, ohne den Blick von ihren Augen zu nehmen, in denen immer noch dieser seltsame Glanz von vorhin lag. Sie sah ein wenig fiebrig aus, aber irgendwie war es doch anders. Bevor er aber aufstehen und tatsächlich die Hausärztin benachrichtigen konnte, gab es eine fließende Bewegung, und dann saß Jane bereits auf seinem Schoß und schmiegte sich an. Aiden spannte unwillkürlich jeden Muskel im Körper an und brachte nur ein gejapstes: "Was...?", heraus. Wenn das hier wieder eine Art war, ihn zu manipulieren, war es eindeutig übertrieben...! Gefesselt von ihrem Blick hielt er einfach still, als sie ihm die Hände in den Nacken legte. Erst, als sie sich zu ihm beugte, kam wieder Bewegung in ihn. Aiden verstand nicht, was sie vorhatte, und saß da wie angewurzelt, während ihre Finger zärtlich durch sein Haar glitten. Er war nicht sicher, ob sich jemals etwas so gut und so verboten zugleich angefühlt hatte, und unwillkürlich schloss er die Augen. „Was machst du…?“, fragte er leise. „Ich weiß nicht“, flüsterte sie mit einem kessen Unterton zurück. „Dich küssen, wahrscheinlich.“ „Wa…?“, fing er erneut an, doch da machte sie ihre Drohung wahr, indem sie die Lippen auf seine legte. Er zuckte kurz zurück, aber eine Sekunde später war dieser Fluchtversuch vergessen. Im ersten Moment war er zu überrumpelt, auch nur darüber nachzudenken, wie es dazu gekommen war. Er schloss einfach die Augen und erwiderte die sanften Berührungen ihrer Lippen. Konnte es wirklich sein, dass das hier noch besser war als ihr Blut...? Jedenfalls war es ähnlich berauschend, sodass er die Hand auf ihre Wange legte und von dort aus die Finger in ihr weiches Haar gleiten ließ, das zu berühren er sich schon so oft vorgestellt hatte. Es war nicht so, dass er das hier gut oder schlecht finden konnte, er gab einfach Jane nach, ohne nachzudenken. Wahrscheinlich mischte sich dieses plötzliche Begehren mit dem Adrenalin von vorhin und mit dem destruktiven Verlangen nach ihrem Blut, das der Vampir noch immer spürte. Er wusste es nicht und es war so wundervoll gleichgültig... Seine freie Hand lag inzwischen an ihrer Hüfte, zog sie enger zu sich, doch seine Lippen befreite er erstmal von ihren. "Jane...", sagte er rau, die Stirn an ihre gelehnt. "Was ist denn...?", hauchte sie leise, und etwas heiser, als sie ihren Namen aus seinem Mund vernahm und unwillkürlich erschauderte. Gerade so, als wäre sie unglaublich erregt schon von seiner Stimme… Und dann sah Aiden ihr in die fieberglänzenden Augen, verstand endlich, woher ihre plötzliche 'Zutraulichkeit' kam und hätte sich am liebsten dafür geohrfeigt. Das Gift. Vampire konnten zwar das Blut beider menschlicher Geschlechter trinken, fühlten sich aber vom anderen Geschlecht stärker angezogen. Darum hatte die Natur es so eingerichtet, dass ihre Zähne beim Trinken ein Gift ausstießen, welches eine stark aphrodisierende Wirkung hatte. Ihre Beute wollte in dem Moment tatsächlich ausgesaugt werden und würde somit nicht weglaufen. Manche seiner Artgenossen nutzten diese Fähigkeit ganz bewusst, um sich sexuell mit ihrer Beute zu amüsieren, bevor oder nachdem sie sie getötet hatten. Manche suchten sich dadurch Gespielen fürs Bett, die sie dann am Leben ließen. Aiden hatte das noch nie getan, deshalb hatte er überhaupt nicht daran gedacht, als Jane ihn zu trinken gezwungen hatte. Er hatte sie dazu gebracht, sich ihm so anzubiedern. Nicht bewusst, denn er hatte noch nie eine Frau derart verführt, aber es war doch seine Schuld. Und indem er nicht besser aufgepasst hatte, hatte er sich ihr aufgezwungen... Sein Gesicht glühte vor Scham und von ihrem Blut in seinen Adern, als er sie kurzerhand auf die Arme hob und mit ihr zu ihrem Zimmer ging. Sie schlang die Arme um ihn und schmiegte das Gesicht in seine Halsbeuge. "D-du solltest ins Bett... Bis morgen ist das vorbei. Tut mir leid, ich habe das nicht bedacht", erklärte er, nicht sicher, ob sie überhaupt zuhörte, denn die junge Frau war damit beschäftigt, spielerisch an seinem Ohr zu knabbern. Aiden platzierte Jane auf ihren Schreibtischstuhl, ließ sie kurz alleine, um Verbandszeug holen zu gehen und kniete vor ihr nieder, um ihre Wunde zu reinigen und zu verbinden. Er tat es selbst, weil er sie in diesem Zustand natürlich unmöglich ihrer Mutter präsentieren konnte. Ihre Mutter…! Oh Gott, vor Scham wäre er am liebsten im Erdboden versunken. Und bei dem Blutgeruch, der während des Verarztens aufstieg, hielt er für eine Sekunde inne, dann setzte er seine Arbeit fort, ohne Jane anzusehen. Was für ein Abend... "Du machst einem wirklich nur Ärger, Miss McCollins..." "Wenn ich dafür immer einen Kuss von dir bekomme, mache ich sehr gerne Ärger...", raunte die junge Frau ihm fast schon frech, aber deutlich lasziv entgegen. Dazu sagte er einfach nichts. Natürlich spürte er Janes Blick auf sich und er merkte, wie sie unruhig auf dem Stuhl herum rutschte, aber er zwang sich, dieses anbiedernde Verhalten zu ignorieren. Sie wollte das ja nicht wirklich. Es war das Beste, wenn sie ihren Rausch ausschlief. Sie sah das aber scheinbar deutlich anders, denn sie packte plötzlich seine Krawatte und zwang ihn so, zu sich aufzusehen. Aiden hatte den Kopf zurückgelegt und die Hände zu beiden Seiten auf die Lehnen des Stuhls gestützt, wodurch er sich von ihr weg drückte. Und das, wo alles an ihm sie wollte. Gott, hatte er jemals etwas so sehr gewollt wie diese Frau, die ihn so frech zu verführen versuchte? Wenn sie nur wieder auf seinem Schoß sitzen würde... Aber das war falsch. Sie war wie unter Drogen, und das durfte er auf keinen Fall ausnutzen. Schlimm genug, dass er den Kuss zugelassen hatte. Schon zwei Dinge, die er nie hätte schmecken dürfen. „Jane… Nein…“ Sie beugte sich zu ihm vor, strich mit ihren weichen Lippen über seine Schläfe und wanderte zu seinem Ohr. "Was spricht denn dagegen? Wir könnten einfach unseren Spaß haben...", flüsterte sie mit einem kleinen Grinsen, bevor sie sich vor ihm positionierte und ihm vielversprechend in die Augen sah. Ihre Hand löste sich von seiner Krawatte, strich von seiner Brust nach oben, über seine Schulter und fand seinen Nacken. Sein Atem stockte leicht und ihm fielen automatisch die Augen zu, als ihre Lippen so nah an seinem Ohr verharrten. Aiden ließ die Hände von den Lehnen rutschen, strich sanft ihre Beine hoch bis zu ihrer Hüfte und umfasste ihren Hintern. "Du willst das nicht wirklich. Und es gehört sich nicht", widersprach er ziemlich lahm und ihr offensichtlich bereits völlig verfallen. "Das ist mir egal. Ich will dich...", fuhr Jane gegen seine Lippe wispernd fort, während ihre andere Hand auf seiner Wange lag und ihr Daumen zärtlich darüber strich. Er stöhnte leise. Sie war gerade so weiblich, so willig und es fiel ihm immer schwerer, Gründe oder auch nur den Willen zu finden, nein zu sagen. Auch, wenn sie es sonst nicht getan hätte, gerade wollte sie ihn doch wirklich, oder? Wieso also ihr nicht ihren Willen geben, wie sonst immer...? Gerade hob er ihr das Gesicht entgegen, als ihre Worte ihn innehalten und die Augen öffnen ließ. „Ich will dich so sehr, Logan..." Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Logan also. Sie halluzinierte von Logan. Obwohl er es nicht wollte, machte Aiden diese Erkenntnis bitter vor Eifersucht. Er hatte ihr gerade das Leben gerettet, verdammt, warum konnte sie ihn nicht wollen? "Ok. Du bekommst alles von mir, das du willst." Er konnte nicht anders, stahl sich noch einen keuschen Kuss von ihren Lippen, dann stand er auf und nahm ihre Hand, um sie aus dem Zimmer zu führen. "Unter der Dusche, ok?", erklärte er auf ihren Protest hin mit leuchtenden, verheißungsvollen Augen. Normalerweise funktionierte dieser Blick bei Jane nicht, doch jetzt hörte er, wie ihr Herz einen erwartungsvollen Stolperer tat und sie ungeduldig seine Finger drückte. "Ich bin noch voller Blut." Ihr zuerst verwirrter, ungeduldiger Gesichtsausdruck veränderte sich, wurde zu einem verruchten Lächeln, und sie folgte ihm bereitwillig ins Badezimmer. Dort machte er aber keine Anstalten, sich auszuziehen, sondern schnappte sich die junge Frau mitsamt Kleid, hob sie in die Dusche und schaltete diese auf der kältesten Stufe ein. Das sollte sie wohl zur Besinnung bringen, mutmaßte der ergrimmte Vampir. Jane kreischte natürlich, immerhin spürte sogar er, wie erhitzt sie war, aber er hielt sie fest und sah sie ungnädig an. Nach einer Weile verstummte Jane und blickte den Vampir an, blinzelte dabei das Wasser aus den langen Wimpern. Mascara und Kayal liefen in dicken, schwarzen Tränen ihre Wangen hinab. "Huh? Aiden?", kam es perplex über ihre Lippen, als sie ihn endlich wieder klar vor sich sah. "Geht's wieder?", wollte er kühl wissen, als sie aufgehört hatte zu strampeln. „Was soll wieder gehen?“, fragte Jane, die sich offensichtlich nicht an die letzten paar Minuten erinnern konnte. Dafür wusste sie aber, was auf der Uni passiert war, und sie erkundigte sich sofort: "Was ist mit deinen Verletzungen? Hat es geklappt? Was ist mit dem Vampir?" Da er dieses Gift noch nie absichtlich eingesetzt hatte, wusste er nicht, was passierte, wenn die Wirkung nachließ. Dass sich die betroffene Dame an nichts erinnern konnte, sollte er wohl als Glück empfinden, obwohl es ihr Recht geschehen wäre, sich dafür zu schämen, sich an eine 'widerliche, blutsaugende Kreatur' herangeschmissen zu haben. Nun, sie hatte ja wohl an Logan gedacht, der eindeutig menschlich und eindeutig in ihrer Altersklasse war, also hätte sie es schon mit ihrem Gewissen ausmachen können. Trotzdem ließ Aiden sie erstmal kommentarlos runter und stieg aus der Dusche, um ihnen beiden Handtücher zu besorgen. Dabei musste sie ja sehen, dass sein Hemd blutgetränkt, die Wunde darunter aber verheilt war. Entsprechend erwiderte er nichts auf ihre Frage nach seinem Befinden, als er ihr das Handtuch in die Arme drückte und sich selbst notdürftig abtrocknete. "Ich habe ihn nicht gesucht, weil du ohnmächtig warst und ich dich Heim bringen wollte", antwortete er stattdessen auf ihre letzte Frage. In dem Moment hatte er nicht mal in Erwägung gezogen, etwas anderes zu tun als für ihr Wohlbefinden zu sorgen. Dann verschränkte er die Arme und sah sie mürrisch an. Natürlich sollte er ihr dankbar sein, immerhin hatte sie sein Leben gerettet, aber er konnte nicht. Zum einen, weil sie sich dafür selbst in Gefahr gebracht hatte, zum anderen, weil sie ihn nicht wollte. Und egal, wie sehr er sich sagte, dass er sie ebenfalls nur im Rausch des Augenblicks, aufgewühlt von Adrenalin und ihrem Blut, anziehend gefunden hatte; wenn eine Frau in seinen Armen den Namen eines anderen sagte, war das doch ein sehr kräftiger Tiefschlag. Trotzdem kam er nicht umhin, sie besorgt zu mustern. "Dir geht es gut? Ist dir schwindelig? Schlecht?" Hast du Lust auf Sex?, fuhr er gedanklich ziemlich erbittert fort, dann fuhr er sich durch die immer noch nassen Haare und wandte sich ab. Er hatte kein Recht, sauer auf sie zu sein. Eigentlich hatte er nicht mal das Recht, sich noch in ihrer Nähe aufzuhalten, nach allem, was er ihrer Familie angetan hatte. Dieser Gedanke kam ihm immer wieder, seit er herausgefunden hatte, dass er Nathaniel McCollins vor zehn Jahren getötet hatte. Bisher hatte er sich dennoch nicht dazu durchringen können, dessen Haus zu verlassen, denn jedes Mal, wenn er seine Tochter sah, überlagerte der Wunsch nach ihrer Nähe sein schlechtes Gewissen. Jane nahm das Handtuch an, trocknete sich ebenfalls ab, und wickelte es anschließend um ihren Körper, da die weiße Kleidung durch die Nässe zum größtenteils durchsichtig war und ihre Unterwäsche beinahe komplett zu sehen war. “ Ja, ich schätze, mir geht es gut", erwiderte Jane ein wenig verwirrt, immerhin war ihrer Meinung ja er es, der gerade einen riesigen Schnitt am Rücken erlitten hatte. "Hast du eine Ahnung, wer das gewesen ist? Hast du irgendetwas erkennen können?“, beharrte sie auf dem Überfalls-Thema, als sie nach einem weiteren Handtuch griff, um ihre Haare zu trocknen. Aiden schüttelte nur den Kopf. Während des Tanzes war er völlig auf Jane fixiert gewesen, und dann war da plötzlich dieser Fremde gewesen, dessen blitzende Waffe auf die Frau in seinen Armen zufuhr… Rein instinktiv hatte er sich zwischen sie und den Angreifer geworfen. Sicher könnte er den anderen Vampir an seinem Geruch erkennen, aber viel mehr konnte er nicht dazu sagen; seine Erinnerung war getrübt, zum einen vom Schmerz, zum anderen von der Erinnerung an Janes Blut. Dessen Geruch füllte das Badezimmer und füllte Aidens Bewusstsein langsam erneut mit Watte. Nur mühsam schüttelte er den Kopf und trat von ihr zurück. "Du darfst das nie wieder tun, Jane. Mir dein Blut geben. Versprich es mir. Ich... Ich weiß es zu schätzen, dass du mir helfen wolltest, aber ich könnte es nicht ertragen, wenn dir meinetwegen etwas zustoßen sollte. Es ist mir nicht möglich, dir zu beschreiben, wie unendlich schwer es für mich ist, dir nichts anzutun - das möchte ich dir auch gar nicht sagen müssen. Aber, bitte, versteh doch, dass ich nicht mehr derselbe bin, der jetzt mit dir redet, wenn ich Blut rieche - besonders deines. Du denkst, dass ich das schon schaffe, weil ich es ja bisher auch geschafft habe, und das... Es schmeichelt mir, dass du mir vertraust. Im Normalfall kannst du das auch zu hundert Prozent. Aber ich vertraue mir in der Hinsicht selbst nicht. Also bitte, egal, was passiert; zwing mich nie wieder, dein Blut zu trinken. Bitte", fügte er eindringlich hinzu und sah sie jetzt doch wieder an. "Es war ein Notfall. Es ist ja nicht so, dass ich extrem scharf darauf bin, mich ständig beißen zu lassen oder mein Blut immer zum Durststillen zur Verfügung zu stellen", ignorierte sie seinen dringlichen Tonfall völlig und ging langsam zur Tür, nachdem ihre Haare trocken waren. Allerdings wurde der Brünetten wohl schwummrig, weshalb sie sich an der Wand abstützte und sich mit der Hand an die Stirn fasste. Die Augen kniff sie ein wenig zusammen. „Jane!“, rief er sofort besorgt und ging zu ihr, um sie zu stützen, doch sie hob abwehrend die Hand. "Schon gut, es geht… Es geht schon wieder. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich mich jetzt gerne umziehen und hinlegen", gab die sichtlich erschöpfte Vampirjägerin von sich, ehe sie sich von der Wand abstieß und mit vorsichtigen Schritten Richtung ihres Zimmers taumelte. Ihr Haus-Vampir konnte nur zurückbleiben und ihr zusehen. Er wünschte sich, dieser ganze Abend hätte niemals stattgefunden, und er wünschte sich, wieder ihr Blut oder ihre Lippen oder beides schmecken zu können. Durst und Erregung und Enttäuschung und schlechtes Gewissen quälten ihn, als er sich die Reste des Blutes abwusch und seine besudelte Kleidung entsorgte. Wenn ihn dieser Abend nicht darin bestätigte, dass es besser für Jane wäre, würde er aus ihrem Leben verschwinden, wusste er nicht, was es getan hätte. Und hatte er ihr nicht versprochen, sich von ihr zurückzuziehen, sobald er für sie zur Gefahr wurde? Ein Teil von ihm wollte sofort seine Sachen packen und das Haus verlassen, ein anderer wollte aber nach wie vor bei Jane bleiben. Schließlich vertraute sie ihm – sonst hätte sie ihm nie angeboten, ihr Blut zu trinken. Konnte er sich da selbst nicht auch vertrauen? Aiden wusste, dass das ein mehr als schwaches Argument war, und doch genügte es, dass er sich nach einer unruhigen Nacht auf der Jagd zurück in die Villa schlich, statt ein für alle Mal zu verschwinden. Kapitel 19: Träume sind Schäume ------------------------------- Als Jane in ihr Zimmer wankte, sorgte sie zuerst dafür, die nassen Klamotten gegen einen gemütlichen Schlafanzug zu tauschen. Während sie sich umzog, dachte sie über die Geschehnisse und den Angreifer auf dem Balkon nach, dessen Identität sie nicht kannten. Mal wieder wurden sie aus dem Hinterhalt angegriffen und mal wieder wussten sie nicht, weshalb. Allerdings machte ihr nicht der Angriff selber Sorgen, sondern vielmehr die Tatsache, dass man sie auf einer Veranstaltung der Universität angegriffen hatte. War es womöglich nur Zufall und sie nur zusammenhangsloses Opfer gewesen? Vielleicht war der Fremde vom Geruch der vielen jungen Menschen angezogen worden, und hatte sich Jane und ihrem Partner nur genähert, weil er in Aiden einen Konkurrenten um seine Beute gesehen hatte? Während die Brünette so darüber nachdachte, merkte sie, dass sie nicht vorwärts kam, was wohl an der wachsenden Müdigkeit lag. Noch dazu war ihr unerklärlicher Weise wahnsinnig heiß; ihre Decke hatte sie gar nicht erst über sich gelegt, und jetzt streifte sie ihre Schlafanzughose von den Beinen. Wahrscheinlich würde es ihr Nichts bringen, weiter zu grübeln und sich darüber den Kopf zu zerbrechen. In ihrem Zustand war es das Beste, wenn sie sich hinlegte und ausruhte, um so bald wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Es war schon beunruhigend genug, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, wie sie mit ihrem Hausgast unter der Dusche gelandet war. Der Blutverlust musste ihr mehr zugesetzt haben als erwartet. Dementsprechend wollte die Vampirjägerin das Licht ausmachen, als ihr einfiel, dass sie ihren Freunden gar nicht Bescheid gesagt hatte, dass sie mittlerweile wieder Zuhause war. Sie griff nach ihrem Smartphone und konnte auf dem Display sehen, dass sie siebzehn ungelesene Nachrichten und elf verpasste Anrufe hatte. Oh je. Daran hätte sie definitiv früher denken müssen. Schnell tippte Jane eine Nachricht in den Gruppenchat, in dem sie erklärte, dass sie aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig von Aiden nach Hause gebracht worden war und dass ansonsten alles in Ordnung war. Nachdem sie das erledigt hatte, zögerte sie keine weitere Minute und schloss die Augen, um sich den wohlverdienten Schlaf zu holen... In ihrem Traum brandete an einem wunderschönen Sommertag das Meer gegen die Klippen tief unter dem Turm, in dem sie sich befand. Jane blickte aus dem kleinen Fenster des Flurs hinunter zum langgezogenen Strand, wo sie einige Kinder immer wieder in die Brandung tollen sah. Bei ihnen waren ein oder zwei Gouvernanten. Ab und zu trug der Wind ihr Lachen bis zu ihr hinauf. Rasch wandte die junge Frau sich ab und lief weiter die verwaiste Dienstbotentreppe hinunter. Mägde und Zofen waren in der Küche, um das große Festmahl vorzubereiten, und die meisten Männer waren mit den Jägern in den Wald geritten Bei dem Gedanken beschleunigte ihr Herzschlag sich merklich; er liebte die Jagd so – was, wenn er doch mit seinen Freunden aufgebrochen war? Doch nein, er hatte versprochen, sie zu treffen, und das würde er auch. Jane lief weiter, in traumwandlerischer Sicherheit vorbei an den Frauen in der Küche, über einen kleinen Innenhof und zum Stall. Die Luft darin war warm von den Pferden, nach der es roch, doch nur wenige Tiere waren zurückgeblieben. Janes Herzschlag beschleunigte sich, während sie an den Boxen vorbei ging und sie zuckte zusammen, als sie ein Geräusch hinter sich hörte, doch es war nur eine kleine, getigerte Katze, die im Stroh geschlafen hatte. „Na, habe ich dich geweckt?“, fragte die junge Frau und kniete sich hin, um den Stubentiger zu streicheln, der schnurrend auf sie zukam. „Als könnte ich schlafen, wenn ich auf Euch warte, Mylade“, sagte eine Stimme hinter ihr. Sie klang sanft, trotzdem fauchte die Katze und sprang mit gesträubtem Schweif davon. Auch Jane war herumgefahren, doch ihre Angst legte sich sofort, als sie das Gesicht des Mannes sah, der auf sie zukam. Er war wirklich hier – ihretwegen. Als er ihre Hand nahm und sie küsste, zog sich ein Kribbeln von ihren Fingern bis tief in ihre Brust, wo es ihren Atem beschleunigte und dafür sorgte, dass ihre Wangen sich röteten. Verlegen sah sie zu Boden, wobei sie ihm jedoch nicht ihre Hand entzog. „Ich dachte… Ihr wäret vielleicht mit den anderen Mannen losgezogen, wo ihr die Jagd so liebt“, gestand sie, worüber er leise lachte. „Aber das schönste Geschöpf auf Gottes Erde ist doch in diesen Mauern. Was soll ich jagen, wenn ein Engel mich zu sich ruft?“ Jane lächelte und das junge Paar ging Hand in Hand tiefer in den Halbschatten des verlassenen Stalles. Eine morsche Leiter führte auf den Heustober, die die junge Frau zuerst nicht hinaufklettern wollte, doch mithilfe ihres Liebsten schaffte sie es nach oben. Durch Löcher im Dach fiel goldenes Licht herein und ließ den Staub tanzen. Er ließ sich ins Stroh fallen, sodass noch mehr Bewegung in die Luft kam, der Jane fasziniert zusah, bis ihr Blick wieder auf ihnfiel. Wie er sie so musterte, die Augen im Halbdunkel leuchtend vor Bewunderung und Zärtlichkeit, wurde Jane die Brust eng und eine unerklärliche Hitze stieg in ihrer Magengegend auf. Sie wollte ihn berühren, und es ängstigte sie, war sie doch eine gottesfürchtige Frau. Beunruhigt wich sie ein wenig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was habt Ihr jetzt mit mir vor, Sir?“, fragte sie und linste aus dem Augenwinkel zu ihm, doch er war nicht mehr auf dem Heu. „Ich weiß nicht“, sagte seine Stimme von überall und nirgends, und plötzlich klang sie spielerisch, wie das Schnurren des Kätzchens von vorhin. „Vielleicht jage ich Euch…“ „Ihr… Das ist unerhört…“, haspelte sie, während sich die Hitze gleichzeitig in ihr ausbreitete und jeden klaren Gedanken zu verschlingen schien. Sie wollte nur, dass er zurückkam... „Ihr könnt nicht…“ Als hätte er ihre Wünsche gehört, tauchte er hinter ihr auf und schlang einen Arm um ihre Taille, um ihren Leib an seinen zu pressen. Dabei spürte sie seine harte Männlichkeit an ihrem Rücken und erschauderte leicht, wenn auch nicht aus Angst, wie sie gesollt hätte. Halbherzig wehrte sie sich gegen seine Berührung, gab jedoch rasch auf, als er ihren Hals küsste und damit ihren Herzschlag nur noch beschleunigte. Etwas Hartes kratzte über ihre Haut, als seine Lippen sie berührten, und sie spürte ein, zwei dicke Blutstropfen über ihr Schlüsselbein rinnen. „Nein… Nein…!“, hauchte sie, als seine Hände über ihren Körper wanderten, bis sie sich um ihre Brüste unter dem viel zu engen Mieder schlossen. Sie war froh, keines ihrer teuren, einengenden Kleider zu tragen, denn in einem Korsett wäre sie sicher erstickt, so sehr raste ihr Herz gerade. „Ihr dürft nicht… Ihr seid nicht mein Mann…“ „Dann werde meine Frau, Jane“, flüsterte er eindringlich zurück, während er sie in Richtung des Heus führte. „Lass mich dich zu meiner Frau machen.“ Vorwitzige Hände fanden ihren Weg unter Janes Kleid, und sie vergaß, wo sie war und vielleicht sogar, wer sie war, denn nach einem atemlosen: „Ja“, kam ihr nur noch sein Name über die Lippen. Immer wieder er, der sie zur Frau machte und sich zu ihrem Mann. Sein Name. Sein Name… „Lo… an…“, murmelte Jane, während sie blinzelnd aufwachte. Völlig kraftlos rollte ihr Kopf von einer Seite zur anderen, ehe sie es schaffte, ihn anzuheben und sich verwirrt umzusehen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, gerade sehr weit gereist zu sein, obwohl sie in ihrem Zimmer lag, wie es sein sollte. Stöhnend ließ sie den schweren Kopf zurück ins Kissen sinken und versuchte, sich an den Traum zu erinnern, doch dieser verblasste bereits, und sie konnte sich nur noch an goldenes Sonnenlicht, das Rauschen des Meeres und eine unerklärliche Hitze erinnern… Sie beschloss, dass Träume Schäume waren, mit denen sie sich nicht weiter befassen wollte. Deutlich ausgeruhter, doch wegen des Blutverlustes schwächer als normal, begab sich Jane gegen Vormittag nach unten und frühstückte. Zu ihrem Vorteil hatte sie nicht allzu viel Alkohol getrunken, so dass sie wenigstens nicht verkatert war. Nicht auszudenken, in welch kaputtem Zustand sie wohl gewesen wäre, wenn das noch hinzugekommen wäre. "Morgen", begrüßte die Brünette den 500-jährigen Vampir, als dieser sich ebenfalls zu ihr gesellte und sie durch die Zeitung blätterte, um nach ungewöhnlichen Vorfällen Ausschau halten zu können. Dabei fiel ihr ein, dass sie schon seit längerer Zeit nicht mehr aktiv im Zirkel trainiert hatte - was wohl daran lag, dass die Universität und gewisse andere Umstände dafür gesorgt hatten, dass sie körperlich viel hatte leisten müssen. Schon seit einer Weile wollte sie mal wieder in die unterirdische Stadt gehen und ihren Körper ein wenig auf Vordermann bringen. Apropos Körper... Ihr Blick schweifte zu ihrem Mitbewohner, den sie kurz musterte. Wie es aussah, hatte die Wunde keine bleibenden Schäden hinterlassen. "Morgen. Geht es dir besser? Kann ich was für dich tun? Rotebeetesaft Mixen oder so?" Die Fragen, mit denen ihr Mitbewohner sie löcherte, ließen die Brünette die Augen verdrehen. Herrje. Es war ja nicht so, dass sie irgendwie schwerverletzt oder völlig krank im Bett lag. "Ja, es geht mir besser und nein, du kannst nichts für mich tun", entgegnete sie schlicht und trank einen Schluck Orangensaft, da sie auf den morgendlichen Kaffee verzichtete. Möglicherweise war das der Grund, weshalb sie nur schleppend richtig wach wurde. Auf alle Fälle fühlte sie sich noch ziemlich müde und möglicherweise würde sie eine kalte Dusche benötigen. Moment. Eine kalte Dusche... Vor ihrem inneren Auge liefen noch einmal die Ereignisse vom Vorabend ab, und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie sie beide klitschnass im Badezimmer gelandet waren. Sie erinnerte sich noch an ihre Verzweiflung, weil der sture, alte Vampir einfach nicht trinken wollte, die Erleichterung und den kurz darauf folgenden Schreck, als er es doch getan hatte, und wie ihr schließlich die Sinne geschwunden waren. Danach war das nächste, an das sie sich erinnerte, Aidens von nassem Haar gerahmtes Gesicht, das irgendwie verbittert auf sie herabgeschaut hatte. Alles, was dazwischen geschehen war, fehlte ihr, und am letzten Abend war sie zu erschöpft gewesen, um nachzubohren. Wahrscheinlich hatte der Vampir sie einfach auf etwas unorthodoxe Weise aus ihrer Ohnmacht erwecken wollen, reimte Jane sich selbst zusammen. "Was meinst du, was der Typ von uns wollte?“, unterbrach Aiden ihre Überlegungen „Hast du vielleicht eine Idee?" "Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, wieso man uns angegriffen hat. Es wäre nicht überraschend, wenn es dem Fall von vor ungefähr drei Wochen ähnelt. Was ich aber erstaunt, ist die Tatsache, dass er uns mitten auf dem Campus und während einer gut besuchten Party angegriffen hat", erwiderte die Vampirjägerin nachdenklich, während sie die Zeitung zur Seite legte und von ihrem Toast abbiss. Es konnte natürlich purer Zufall gewesen sein. Immerhin wurden seit Wochen Flyer zu dieser Veranstaltung verteilt und zu diesem Zeitpunkt waren sie alleine auf dem Balkon gewesen, sodass der Unbekannte seine Chance gewittert hatte. Allerdings sprach Aidens Anwesenheit gegen diese Theorie. Der fremde Vampir hatte seinen Artgenossen doch sicher gewittert und sich denken können, dass Aiden seine vermeintliche Beute nicht kampflos aufgeben würde. Ob es nun Zufall oder geplant war spielte keine Rolle. Sie mussten wachsamer und auf der Hut sein. "Vielleicht wollte er einfach ein betrunkenes Mädchen abschleppen. Davon gab es ja sicher genug, die alleine in der Nähe des Campus herumgelaufen sind. Aber dass er dann dich angegriffen hat, obwohl du bei mir warst, ist komisch." "Das war auch meine Überlegung. Dass er dich mit einem normalen Mensch verwechselt hätte, erscheint mir unlogisch", erklärte Jane und ließ das Geschehene noch einmal durch den Kopf gehen, um vielleicht irgendwie etwas Auffälliges an der Sache zu finden. Allerdings blieb die Erkenntnis aus. „Ich glaube nicht, dass er mich für einen Menschen gehalten hat. Der Geruch ist zu anders. Außerdem hat er sich ja bewusst von hinten an dich angeschlichen und uns nicht offen angegriffen." "Und du konntest keine Eigenschaften vom Angreifer ausmachen? Aussehen, Geruch oder sonstige, prägende Merkmale?", wollte die Brünette wissen, als sie ihr Geschirr zusammenstellte und begann, den Tisch abzuräumen. „Nun, es war ein Mann. Und ich denke, wenn er vor mir stünde, könnte ich seinen Geruch erkennen. Aber durch die Maske war sonst nichts zu erkennen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das ein Kostüm war oder ob er geplant hat, jemanden unerkannt anzugreifen." Na toll, das konnte ja noch heiter werden. Sie konnte nur hoffen, dass es nicht wieder so ausarten würde, wie vor wenigen Wochen. Dennoch würde sie wohl oder übel vorsichtiger sein und demnächst auf alkoholische Getränke verzichten, um die Reaktion ihrer Sinne nicht einzuschränken. "Kam dir der Geruch irgendwie bekannt vor oder konntest du irgendetwas Spezielles herausriechen?", wollte sie weiter wissen. Es konnte immerhin es gut sein, dass gewisse Auffälligkeiten vorhanden waren, die zu einer möglichen Spur führen konnten. "Bekannt kam er mir nicht vor, aber ehrlich gesagt habe ich darauf nicht wirklich geachtet. Ich könnte noch mal zur Universität gehen und mich dort umsehen. Vielleicht findet sich ja ein Hinweis darauf, wohin er verschwunden ist", schlug Aiden vor. "Wir könnten am Montag nach den Vorlesungen dorthin gehen und uns umsehen. Wenn es dir aber möglich ist, wäre es bestimmt nicht schlecht, wenn du heute noch vorbeisehen könntest", meinte sie auf seinen Vorschlag hin. Schließlich konnte es gut sein, dass der Großteil der Spuren bis Montag verschwunden waren - auch wenn die Brünette bezweifelte, dass der Vampir irgendetwas Auffälliges hinterlassen hatte, sodass sie wohl oder übel weiter im Dunkeln tappen würden. Natürlich bestand die Möglichkeit, wieder Eldric zu informieren und um Recherchen zu bitten, doch wollte sie dies bis auf weiteres vermeiden. Immerhin war das mit größeren Nachteilen verbunden und brachte Restriktionen mit sich, auf die Jane liebend gerne verzichten wollte. Solange der Vampir keine Gefahr für ihre Mutter darstellte, würde sie sich zurückhalten und versuchen, das Ganze möglichst auf eigene Faust zu lösen. Die entsprechenden Mittel hatte die Vampirjägerin ja und ihr Mitbewohner machte sich nicht unbedingt schlecht als Spürhund. Während sie so darüber nachdachte, spülte sie das Geschirr. Als sie das Wasser laufen ließ und das kühle Nass an ihrer Haut spürte, musste sie ein Mal mehr an die eigenartige Dusche denken, zu der ihr Mitbewohner sie gestern gezwungen hatte. "Sag mal, was hatte ich gestern eigentlich bekleidet unter der Dusche zu suchen?", fragte Jane unverblümt, da sie die Sache doch nicht auf sich beruhen lassen konnte. Aiden fuhr sich verlegen durch die Haare und fand im Garten vor dem Fenster scheinbar plötzlich etwas sehr interessant, denn er vermied es, sie bei seiner Antwort anzusehen. "Du weißt doch sicher, dass Vampirgift eine... Betörende Wirkung auf Menschen hat, oder?" Er sah sie eine Sekunde an, nahm die Zeitung, die sie zuvor weggelegt hatte und strich sie übermäßig umsichtig glatt. "Du warst dem ein wenig verfallen und ich wollte dich mit der Dusche einfach aufwecken. Entschuldige, mir ist nichts Besseres eingefallen." Beinahe wäre ihr ein Teller aus der Hand gefallen. Jedoch schaffte sie es rechtzeitig, diesen festzuhalten. Stimmt. Daran hatte sie gar nicht gedacht, als sie ihn dazu gebracht hatte, sie zu beißen. "Was meinst du mit ich war dem ´ein wenig verfallen`?", verlangte die Brünette zu wissen und blickte von der Küche zu ihm rüber. Die Vampirjägerin hoffte sehr, dass sie unter dem Einfluss des Gifts keine Peinlichkeiten angestellt hatte. "Na ja, du hast versucht, mich zu küssen…", antwortete er ganz leise und Jane wäre am liebsten im Erdboden versunken. Hätte sie in dem Moment eine Schaufel zur Hand gehabt, dann hätte sie wahrscheinlich eigenhändig ein Loch gegraben, sich selbst verbuddelt und darauf gewartet, dass Gras über die Sache gewachsen war. Da dies allerdings nicht der Fall war, legte sich die junge Frau nur schwer seufzend die Hand ins Gesicht und ließ das Ganze erst einmal sacken. Dabei fixierte sich Jane ganz bewusst auf das Wort ´versucht`. Solange es nur beim Versuch geblieben war, wäre es akzeptabel, und da er eben gesagt hatte, dass sie es nur probiert hatte, glaubte sie ihm das. Natürlich hätte die junge Frau nachhaken können, doch irgendwie fürchtete sie sich vor weiteren Antworten... "Verstehe. Tschuldige dafür", murmelte sie dementsprechend leise und begab sich rasch zur Treppe. Mit den Worten, dass sie unter die Dusche springen und sich anziehen würde, verschwand die schwerreiche Wirtschaftsstudentin im oberen Stock des Anwesens und flüchtete vor der unangenehmen Erkenntnis, die Aiden ihr scheinbar hatte ersparen wollen. Warum hatte sie auch weiter nachhaken müssen? Hätte sie die Fähigkeit oder die Macht dazu gehabt, dann hätte sie am liebsten die Zeit zurückgedreht und das ungeschehen gemacht. Da dies jedoch nicht möglich war, versuchte sie, das einfach zu vergessen. Wie gut, dass die junge Frau keinerlei Erinnerungen an den gestrigen Abend besaß. So würde es ihr leichter fallen, die ganze Sache aus ihrem Gedächtnis zu streichen... Unter der Dusche kam ihr das Meeresrauschen aus ihrem Traum wieder in den Sinn, wobei sie das Wasser eiskalt stellen musste, um ihren Körper zu beruhigen. Beunruhigt stieg sie später aus der Dusche und holte ein Fieberthermometer aus dem Arbeitszimmer ihrer Mutter, doch dieses zeigte normale Werte, also war sie vermutlich nicht krank. Trotzdem fühlte sie sich danach, einfach ins Bett zu gehen und den Tag auch dort zu verbringen. Am Ende landete sie auf der Couch, wo sie fast durchgehend vor dem Fernseher schlief. Dabei verfolgten sie anfangs weiterhin Träume, an die sie sich beim Aufwachen nicht erinnern konnte. Nachmittags wurde sie wach, als jemand sich zu ihr auf die Couch setzte und ihr durchs Haar strich. Blinzelnd sah Jane zu ihrer Mutter auf, die sie besorgt musterte. „Aiden hat mir erzählt, was passiert ist“, berichtete die Ärztin. „Wie geht es dir?“ Jane wäre am liebsten im Erdboden versunken, weil ausgerechnet ihre Mutter sie an das Intermezzo mit dem Blutsauger erinnerte. Die Ältere schien allerdings so ruhig, dass die Vamirjägerin zu hoffen wagte, dass ihr Untermieter nichts von ihren, nun, Zudringlichkeiten erzählt hatte. „Mir geht´s gut, Mom, ehrlich. Ich bin nur schlapp…“ „Das kann ich mir vorstellen, du musst einiges an Blut verloren haben.“ Die braunen Augen der Ärztin waren dunkel vor Sorge, und Jane verfluchte innerlich Aiden, der ihr von der ganzen Sache überhaupt erzählt hatte. Natürlich machte sie sich wahnsinnige Sorgen, nachdem sie ihren Mann an einen Vampir verloren hatte. „Das wird schon wieder…“ „Ich brauche keine Beschwichtigungen. Ich bin nicht sauer, sondern besorgt, Jane“, erwiderte Elizabeth, die ihrer Tochter liebevoll durch die Haare strich. „Du bist mir das Wichtigste auf der Welt, und ich will dich auf keinen Fall verlieren. Nur… Habe ich das Gefühl, du bist in letzter Zeit ein wenig unvorsichtig mit deiner Gesundheit.“ „Ich kann doch nichts dafür, dass ich aus heiterem Himmel überfallen wurde“, seufzte Jane, die ihre Mutter ja verstand, nur hatten sie dieses Gespräch schon gefühlte 1000 Mal geführt. Jedes Mal, wenn die Vampirjägerin sich verletzte, um genau zu sein. „Nein… Vermutlich nicht“, lenkte Elizabeth ein, ehe sie aufstand. „Eine Sekunde, ich hole Verbandsmaterial.“ Während die Hausherrin davon wuselte, um alles zu holen, setzte ihre Tochter sich auf. Dabei zuckte sie zusammen, denn sie belastete ihren Arm falsch. Missmutig betrachtete sie den Schnitt, den wohl Aiden gestern vorsorglich behandelt hatte. Sie hatte sich geschnitten – wegen ihm. Wann war es so weit gekommen, dass sie für einen Vampir dazu bereit war, sich selbst zu verletzen? Vor allem, wo sie wusste, wie heftig dieser spezielle Vampir auf ihr Blut reagierte. Fakt war allerdings, dass sie in dem Moment gar nicht darüber nachgedacht hatte, ob sie selbst in Gefahr war. Es stand einfach außer Frage, dass jemand bei dem Versuch, sie zu beschützen, draufgehen sollte. Und das wäre er, da machte Jane sich keine Illusionen. Wie er da an die Brüstung gelehnt gelegen hatte und es kaum schaffte, die Augen offen zu halten, sich aber trotzdem weigerte, ihr Blut zu trinken… Ihre Mutter kehrte zurück und machte sich daran, die Wunde zu desinfizieren und neu zu verbinden. Da der Schnitt nicht sofort genäht worden war, würde eine Narbe zurückbleiben, doch das störte Jane wenig. Es war nicht die erste. Schwieriger wäre es, den Verband vor ihren Freunden zu verstecken, bevor alles verheilt war. Oder sollte sie einfach erzählen, sie habe sich geschnitten? Allerdings hatte sie vor kurzem erst eine Schiene und einen Verband an der Schulter getragen, das könnte auffallen. Es war nicht so, als verheimlichte Jane gerne etwas vor ihren Freunden, oder belog diese ohne schlechtes Gewissen. Nur hatte sie in ihrer Ausbildung gelernt, dass es besser für Außenstehende war, nichts über den Zirkel zu wissen. Zu groß war die Gefahr, dass jemand Eingeweihte als Druckmittel gegen Jäger einsetzte oder ihnen Informationen entlockte. Außerdem hätten Logan, Cynthia, Benjamin und Kate wohl kaum geglaubt, hätte Jane ihnen plötzlich eröffnet, dass sie nachts Untote jagte und tötete. Vermutlich hätten sie sie einliefern lassen. Die einzige aus Janes Bekanntenkreis außerhalb des Zirkels, die von ihrem Job wusste, war ihre Mutter. Elizabeth musste also alleine mit der Sorge um ihre Tochter leben und konnte sich damit nicht mal jemandem anvertrauen. Sie konnte nur hoffen, dass Jane immer wieder nach Hause zurückkehrte – selbst, wenn es so lädiert war, wie sie sich jetzt präsentierte. „So, fertig… Oh?“, machte die Ärztin überrascht, als ihre Tochter sie plötzlich in den Arm nahm. Sie strich ihr über den Rücken und fragte besorgt: „Alles in Ordnung, mein Schatz?“ „Ja, ich… Es tut mir leid, dass du dir immer so große Sorgen um mich machst. Aber ich verspreche, dass ich immer wieder zurückkommen werde. Egal, was passiert.“ Kurz drückte Elizabeth Jane fester, dann löste sie sich und strich ihr mit einem zärtlichem Lächeln über die Wangen. „Mein Liebes… Du bist deinem Vater manchmal so ähnlich, nicht nur äußerlich.“ Sie beugte sich vor und hauchte der jungen Frau einen Kuss auf die Stirn. „Deswegen weiß ich, dass du sicher sein wirst. Du wirst alles schaffen, was du dir vorgenommen hast. Aber… Übertreib es nicht, in Ordnung?“ Jane schluckte einen Kloß im Hals runter, ehe sie nickte. „Natürlich.“ „Und ab und zu könntest du Hilfe annehmen“, merkte sie an, wobei Jane natürlich genau wusste, dass sie auf Aiden anspielte. Es stimmte schon; er war ein zusätzlicher Sicherheitsgarant, während sie jagte. Und da es ihre Mutter scheinbar so sehr beruhigte, war es vermutlich wirklich an der Zeit, sich endlich ernsthaft Gedanken über einen Pakt mit ihrem Stalker zu machen, ob es ihr nun passte oder nicht. Jane ertappte sich im Folgenden dabei, wie sie Aiden im alltäglichen Leben beobachtete und kam nicht umhin, zu bemerken, wie gut er sich inzwischen mit ihrer Mutter verstand. Dabei stellte sie ebenfalls fest, dass sie dieses gute Verhältnis nicht sonderlich störte; sie machte sich nicht mal Sorgen um Elizabeth. Immerhin machte der Vampir keine Anstalten, der Ärztin gefährlich zu werden, und schon bald nahm sie es nicht mal mehr als etwas Besonderes oder Ungewöhnliches wahr. Auch in ihren Freundeskreis hatte Aiden sich nach ein paar Startschwierigkeiten integriert und lernte jetzt, trotz seines nach wie vor latenten Desinteresses, gemeinsam mit der Gruppe für das Studium. Seinen (Jane unverständlichen) Groll gegen Logan hatte er wohl begraben, denn obwohl sie die beiden Männer nicht als Freunde bezeichnet hätte, konnten sie inzwischen normal miteinander reden. Jane hatte es sich noch vor knapp drei Monaten nicht im Traum vorstellen können, doch Aiden hatte es tatsächlich geschafft, sich in ihr Leben zu integrieren. Zu Beginn hatte sie geschauspielert, um ihn für den Auftrag zu gewinnen, doch jetzt akzeptierte sie den Blutsauger ohne größere Wutausbrüche oder allzu viele böse Kommentare. So kam es auch, dass er anwesend war, als ihre Clique auf Janes nahenden Geburtstag zu sprechen kam. Natürlich war es Kate, die die Organisation in die Hand nehmen wollte – Sie liebte es, Feiern zu organisieren, obwohl sie wusste, dass Jane kein sonderliches ´Partygirl` war. „Ich würde sagen, wir gehen essen und danach noch feiern“, schlug die Hobby-Partyplanerin vor, als die Gruppe in einer gemeinsamen Freistunde in einer der Sitzecken an der Universität platzgenommen hatte. Logan saß neben Jane und machte sich Notizen zu einem Buch, in dem er las, sah aber auf, als er das Thema hörte. Er und die anderen stimmten dem Vorschlag der Freundin zu. Jane selbst gefiel die Idee, denn ihre Mutter könnte im Restaurant dabei sein und sich später zurückziehen. Schon diskutierten die Studenten, wohin es denn gehen sollte, als die Vampirjägerin Aidens Blick auf sich spürte. Er saß zwischen Cynthia und Kate, als wäre es nie anders gewesen. Stirnrunzelnd sah sie ihn an, woraufhin er lächelte. „Wann hast du eigentlich Geburtstag?“ Verblüfft blinzelte die Brünette. Bisher hatte er alles über ihr Leben selbst herausgefunden, deshalb war sie einfach davon ausgegangen, dass er auch dieses Datum herausgefunden hatte. Zudem – obwohl ihr diese Erkenntnis nicht gefiel – war Aiden inzwischen für sie so selbstverständlich, dass sie gar nicht mit einer derartigen Frage gerechnet hatte. „Am siebten November“, erklärte sie, als sie sich ein wenig gefangen hatte. Das war nur zwei Tage später, aber der Vampir ließ sich nicht anmerken, ob er beleidigt war, so spät informiert worden zu sein. „Verstehe… Ich habe leider etwas vor“, unterbrach er Kate, die bereits den Plan für den Abend erstellte. „Hm? Wirklich?“ Deutlich irritiert sah die kurzhaarige Studentin zwischen ihm und Jane hin und her (Wieso eigentlich?), doch dann nickte sie. „Na ja, da kann man nichts machen. Aber du verpasst was!“ „Da bin ich mir sicher“, erwiderte er gutmütig und lehnte sich zurück, damit die Gruppe weiter diskutieren konnte. Jane selbst war überrascht. Sonst ließ er sich doch keine Gelegenheit entgehen, privat etwas mit ihr zu unternehmen, ´Teil an ihrem Leben zu haben`, wie er das Anfangs so schön genannt hatte. Inzwischen hatte sie sogar das Gefühl, er habe keinerlei andere Hobbys, als sie und die Jagd. Er sprach zwar davon, gerne Sport zu machen, doch er war nicht in einem Verein und bisher hatte er sich auch noch nie verabschiedet, um alleine etwas zu unternehmen. Diese Abhängigkeit beunruhigte Jane, doch sie zog es vor, nicht zu genau darüber nachzudenken. Sicher bildete sie es sich sowieso nur ein. Am Ende verabredeten sich alle – außer dem Vampir – für Janes Geburtstag in ihrem Lieblingsrestaurant, natürlich einem Italiener. Zufällig fiel ihr Jahrestag auf einen Freitag, sodass nichts die Gruppe daran hinderte, später noch in einen Club zu gehen. Jane selbst hätte kein großes Aufheben darum gemacht, doch sie wusste, wie gerne Kate plante, und sie freute sich auf die Zeit mit ihren Freunden. Besagter siebter November rückte schnell heran, und er begann mit einem gemeinsamen Frühstück im Hause McCollins. Als Jane aufstand und in die Küche kam, stand in dieser bereits ein üppiges Frühstück mit Rührei, Speck, Bohnen und Toast, und ihre Mutter drückte sie strahlend an sich. „Alles Gute, Liebes“, sagte sie und drückte Jane einen Kuss auf die Wange und ein kleines Päckchen in die Hand. Aiden, der ebenfalls am Tisch saß und sie anlächelte, beobachtete neugierig, wie die junge Frau sich bedankte und das Geschenk auspackte. Darin fand sie einen Gutschein für einen Tag im Spa. „Du hattest in letzter Zeit so viel Stress, da dachte ich, das könnte dir gut tun“, erklärte Elizabeth. Kurz darauf fand sie sich in einer neuerlichen Umarmung wieder und lachte leise. „Schön, dass es dir gefällt, mein Schatz.“ „Danke, Mom. Wirklich.“ Jane drückte ihre Mutter nochmal und lächelte sie liebevoll an. Die beiden Frauen plauderten darüber, was alles in dem Wellness-Tempel angeboten wurde und dass Elizabeth diese Einrichtung sehr mochte, während sie sich an den Tisch setzten und sich von dem Frühstück nahmen. Erst in einer kurzen Redepause räusperte Aiden sich, sodass Jane ihn fragend ansah. Überrascht weitete sie die Augen, als er ihr etwas über den Tisch schob; zwei Karten für den Thrope Park, einem beliebten Londoner Freizeitpark. „Ich wusste nicht, ob du solche Parks magst, aber auf die Schnelle ist mir nichts besseres eingefallen“, erklärte er, sichtlich verlegen. Jane selbst war einfach nur verblüfft, dass er ihr überhaupt etwas schenkte. Zum einen wusste sie nicht, ob Vampire das taten – Geburtstage feiern oder eben Geschenke zu diesem Tag machen. Was schenkte man sich auch zum hundertsten oder zweihundertsten Geburtstag? Und zum anderen hatte er immerhin erst vor zwei Tagen erfahren, dass sie heute ein Jahr älter wurde. Dass Aiden ihr dann noch so etwas teures schenkte, setzte dem Ganzen die Krone auf. „Nein, ich… Danke. Das ist sehr… Nett von dir“, brachte sie verblüfft hervor. Kurz blinzelte sie, dann brachte sie sogar ein Lächeln zustande. „Warum geht ihr nicht gleich am Sonntag hin?“, schlug Elizabeth munter vor. Sie schien nicht überrascht, was darauf schließen ließ, dass der Vampir sie bezüglich seiner Geschenkidee konsultiert hatte. Die Ärztin biss von ihrem Toast ab und sah zwischen ihren beiden Mitbewohnern hin und her. „Da soll schönes Wetter sein, was vermutlich zum letzten Mal dieses Jahr der Fall ist.“ Bevor Jane überhaupt etwas dazu sagen konnte, hob Aiden abwehrend die Hände und wiedersprach: „Du musst dich nicht gezwungen fühlen, mit mir dort hinzugehen. Die zweite Karte ist nur…“ Er verstummte, wusste scheinbar selbst nicht, für was die zweite Karte war. Allerdings wäre Jane nie auf die Idee gekommen, jemand anderen einzuladen, wo er ihr doch die Karten geschenkt hatte. Dabei fiel ihr mal wieder auf, wie natürlich der private Umgang mit dem Vampir inzwischen für sie war, und sie runzelte kurz die Stirn. Jetzt wollte jedoch nicht darüber nachdenken, sodass sie nur die Schultern zuckte. „Sonntag klingt gut für mich. Wenn du Zeit hast?“, fügte sie hinzu, immerhin war er heute verplant, das konnte ja auch für den Rest des Wochenendes zutreffen. Aiden sah sie stumm an, während sich ein übermäßig sanftes Lächeln auf seine Lippen legte, dann nickte er. „Sonntag wäre perfekt.“ „Also abgemacht.“ Die Vampirjägerin warf einen Blick auf die Uhr, stand auf und räumte ihre Tasse weg, denn Geburtstag hin oder her, sie mussten zur Uni. Die Studenten verabschiedeten sich von der Hausherrin und machten sich auf den Weg. Unterwegs linste Jane immer wieder zu ihrem Beifahrer, bis sie nicht mehr anders konnte, als zu fragen: „Wie bist du auf diese Idee gekommen?“ „Hm? Oh, das.“ Aiden lächelte und fuhr sich durch die Haare. „Als wir einkaufen waren hat uns doch so ein Mädchen einen Flyer für den Thrope Park gegeben. Den hatte ich zufällig in der Wäsche gefunden und Liz gefragt, ob dir so etwas gefallen könnte.“ Hatte sie doch gewusst, dass ihre Mutter da die Finger im Spiel hatte. Allerdings hatte sie nichts dagegen, Zeit mit dem Vampir zu verbringen, wie es noch vor ein paar Wochen der Fall gewesen wäre. Nach allem, was er in ihrer kurzen Bekanntschaft für sie getan hatte, verließ Jane sich auf ihn, und ja – sie dachte über eine längerfristige Partnerschaft nach. Im Moment sträubte sich ihr Innerstes noch gegen die Entscheidung, doch inzwischen sah sie immer öfter die positiven Effekte, die ein Zusammenschluss auf ihre persönliche Arbeit haben könnte. "Warst du schon mal in diesem Park?", erkundigte Aiden sich, während Jane auf dem Campusgelände parkte. "Ja, aber das war vor über zehn Jahren. Seitdem war ich nicht mehr dort", erklärte die Vampirjägerin, die das letzte Mal im zarten Alter von sieben oder acht Jahren dort gewesen war, als ihr Vater noch gelebt hatte. Zwar konnte sie sich nicht mehr genau an den Familienausflug erinnern, doch verband sie damit nur glückliche Erinnerungen - was die Fotos bezeugten, die im Familienalbum zu finden waren. "Hm… Wahrscheinlich hattest du seitdem nicht mehr wirklich Zeit für so etwas?", fragte er auf dem Weg zum Lehrsaal weiter. Jane zuckte nur die Schultern. Es war nicht so, dass sie keine Zeit dafür gehabt hatte. Sie hatte einfach keine Notwendigkeit darin gesehen und ihre Prioritäten in den letzten Jahren auf ihre Ausbildung und die Jagd gelegt. Wenig später gelangten sie zu einer Lehrveranstaltung, die aus Janes Freundeskreis nur sie beide belegten, sodass niemand in überschwängliche Glückwünsche ausbrach. Die folgten dann im nächsten Seminar, in dem sie auf Cynthia und Logan trafen, und nochmal am Nachmittag bei Kate und Benjamin. Geduldig ließ die Brünette sich gratulieren, umarmen und – in Logans Fall – sogar in Küsschen auf die Wange hauchen. Sie war etwas überrascht (Gaben sie sich Küsschen? Seit wann das?), doch es störte sie nicht, und sie lächelte ihren Kommilitonen an. Die fünf jungen und der eine alte Student betraten den Seminarraum und suchten sich Plätze. Bevor der Professor hereinkam, erzählte Kate aufgeregt von der Party, die sie nach dem Abendessen besuchen würden. „Das ist ein Color-Splash“, erzählte sie, und führte auf Aidens fragenden Blick aus: „Ernsthaft, du kennst das nicht? Da wird mit Neonfarben herumgeschossen, man kann sich das Gesicht bemalen lassen und so. Ihr müsst euch alle was Weißes anziehen, ok?“ „Ich weiß nicht, ob ich etwas weißes habe, das dreckig werden soll“, warf Benjamin ein, der meist Hemden trug und niemand war, der sich mit Farbe beschmieren ließ. „Dann besorg dir eben was. So ein weißes Shirt ist doch nicht teuer“, beharrte Kate. „Wir können ja später zusammen in einen Laden gehen“, schlug Cynthia ihrem Schwarm vor, der kurz überlegte, auf Kates Protest dann aber zustimmte. Jane hätte sie eigentlich begleiten können; sie war sich ebenfalls nicht sicher, wie es mit weißer Garderobe aussah. Allerdings wollte sie die beiden in ihrer Zweisamkeit nicht stören, sodass sie sich alleine darum kümmern würde. Der Professor betrat den Raum, woraufhin das Gespräch verstummte. Nach der Lektion trennten die Studenten sich vorerst, um sich auf das spätere Abendprogramm vorzubereiten. Wie meistens fuhr Aiden bei Jane mit, die sich eine Frage doch nicht verkneifen konnte. „Und? Was hast du heute Abend so wichtiges vor?“ Es war nicht so, dass sie ihn unbedingt dabei haben wollte, viel mehr so, dass sie es nicht gewohnt war, dass ihr Vampir sie nicht begleitete. Dass er das freiwillig tat, kam ihr uncharakteristisch vor. Doch Aiden strafte ihr Misstrauen mit einem Lächeln lügen. „Ich kann schlecht zu einer Verabredung in ein Restaurant gehen und behaupten, ich hätte schon gegessen. Das wäre seltsam, oder?“, erinnerte er sie. „Und was den Besuch in der Disco anbelangt… Nun, ich habe bei unserem letzten Ausflug festgestellt, dass das nicht wirklich meine Art von Spaß ist.“ Das konnte Jane nachvollziehen, sodass sie nickte und sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Aber du solltest heute Abend gut auf dich aufpassen“, fuhr Aiden fort, woraufhin die Fahrerin die Augen verdrehte. Sie bog in ihre Straße ein und parkte vor dem Haus, ehe sie ausstieg. „Es wird schon nicht in jedem Club in London irgendein Vampir sein Unwesen treiben.“ „Wahrscheinlich nicht“, gab Aiden ihr Recht, der ihr ins Haus folgte und ihr die Jacke abnahm, bevor er seine eigene aufhängte. „Doch du scheinst eine sehr anziehende Wirkung auf meinesgleichen zu haben.“ „So?“ Jane wandte sich mit hochgezogenen Brauen und verschränkten Armen zu ihrem Hausgast. „Schließt du da nicht von dir auf andere?“ Aiden lachte und schüttelte den Kopf. „Kann sein… Jedenfalls wünsche ich dir viel Spaß.“ „Hm… Danke“, erwiderte Jane leicht mürrisch, dann zog sie sich in ihr Zimmer zurück, um sich vorzubereiten, denn viel Zeit blieb ihr nicht mehr, bevor sie los mussten. Die junge Frau checkte gerade ein letztes Mal ihr Make-Up im Spiegel, als auch schon ihre Mutter von unten nach ihr rief. Elizabeth ließ sich gerade von Aiden in einen perlgrauen Mantel helfen, als Jane nach unten kam. Unter der Jacke trug die Ärztin ein hübsches, lilanes Wickelkleid und, zusätzlich zu ihrem Ehering, dezenten Schmuck. Ihre leicht geschminkten Augen sahen den Hausvampir unschlüssig an, als sie fragte: „Und du möchtest wirklich nicht mitkommen?“ „Mach dir keine Gedanken.“ Der Vampir lächelte sie an, doch sein Blick huschte immer wieder zu Jane, die gerade in ihre Schuhe schlüpfte. Da es auf eine Party gehen sollte, auf der mit Neonfarbe geschossen würde, trug sie billige weiße Jeans und ein weißes Tanktop. Für das Restaurant schlüpfte sie in einen grauen Blazer und silberne Pumps, zudem hatte sie passenden Schmuck angelegt. All das würde sie später ihrer Mutter mit nach Hause geben und gegen einfache Sneaker tauschen. Ihr Haar hatte sie geglättet und zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. „Ich finde schon eine Beschäftigung.“ „Hm… Ich werde ja nicht zu lange weg sein. Aber du könntest später mit den Kindern in die Disco gehen – dabei würde ja niemand sehen, dass du nicht isst.“ Bevor Aiden, der gerade nach Janes Jacke griff, um ihr in diese zu helfen, noch etwas sagen konnte, unterbrach die Vampirjägerin: „Lass ihn doch, Mom. Er wusste sich auch zu beschäftigen, bevor er uns kannte.“ „Stimmt wohl… Entschuldige bitte, Aiden, ich wollte dich nicht bedrängen.“ „Nicht doch.“ Ihr Hausgast sah völlig zufrieden aus, als Jane ihm erlaubte, ihr in den Mantel zu helfen. „Es ist schmeichelhaft, wenn zwei so bezaubernde Damen sich um mich sorgen… Ihr seht hinreißend aus“, fügte er hinzu und deutete eine Verbeugung an. Elizabeth bedankte sich geschmeichelt, während ihre Tochter nur einen prüfenden Blick auf die Uhr in ihrem Handy warf und feststellte, dass sie langsam aufbrechen sollten. Sie überhörte Komplimente vonseiten des Vampirs nach wie vor geflissentlich. Nicht, weil sie Aiden noch immer ignorieren wollte oder dergleichen. Vielmehr hielt sie derartiges Lob für Teil seiner übertriebenen Höflichkeit. Hinzu kam ihr Blick auf die ‚Männlichkeit‘ des Vampirs. Anfangs hatte sie ihn überhaupt nicht als Mann, sondern ausschließlich als Blutsauger wahrgenommen. Inzwischen sah sie ihren Partner eher so, wie sie Lucas – den älteren Vampirjäger, den sie und Aiden ab und zu im Zirkel getroffen hatten – als Mann wahrnahm; sein Geschlecht war ihr bewusst, doch es beeinflusste sie bei Kommunikation und Interaktion nicht. Die Damen des Hauses verabschiedeten sich bei ihrem Mitbewohner und stiegen ins Auto. Da die jungen Leute noch in einen Club wollten, fuhr Elizabeth die Strecke zum Restaurant. „Und du meinst, Aiden wird sich nicht langweilen?“, fragte Elizabeth, kaum waren sie auf der Straße. Ihre Tochter seufzte. „Bestimmt nicht. Wahrscheinlich geht er jagen oder so“, überlegte sie vage, da Jane wirklich nicht wusste, was die Freizeitbeschäftigungen des Vampirs waren, wenn dieser ihr gerade nicht an den Fersen heftete. Es interessierte sie einfach nicht sonderlich – im Gegensatz zu ihrer Mutter, der sie einen neugierigen Blick zuwarf. „Du machst dir ziemlich viele Gedanken um ihn.“ „Natürlich“, erwiderte Elizabeth gelassen, während sie in eine Straße einbog. „Er hat dir immerhin mehrfach das Leben gerettet.“ Jane macht ein unwilliges Geräusch und sah wieder aus dem Fenster. Daran musste man sie wirklich nicht erinnern, obwohl sie es Aiden höher anrechnete, dass er ihre Mutter gerettet hatte. Jane selbst wäre schon irgendwie aus der Situation mit der Vampir-Mutter herausgekommen, aber gleichzeitig Elizabeth zu beschützen oder aus der Gefahrenzone zu bringen, wäre ihr ohne ihren Partner nicht so einfach möglich gewesen. Und das war nur eine der Gelegenheiten, zu der sich die Zusammenarbeit als nützlich erwiesen hatte. Sicher würde sie ihr auch in Zukunft helfen… Die Richtung, in die ihre Gedanken abdrifteten, gefiel der jungen Frau nicht, sodass sie ganz froh war, als ihre Mutter fortfuhr: „Außerdem ging es Aiden doch eine Weile nicht so gut und ich glaube nicht, dass es zuträglich ist, wenn er sich mit seinen Problemen verkriecht.“ „Es geht ihm gut, Mom“, antwortete Jane, die keine Lust hatte, auf Drängen ihrer Mutter ein weiteres Gespräch mit dem Vampir über dessen Gefühlswelt zu führen. Er würde ja doch nur Lächeln und behaupten, alles sei bestens. „Na, wenn du das sagst.“ Die Ärztin klang wenig überzeugt, konzentrierte sich aber gerade auf die Parkplatzsuche. Wenig später erreichten die Frauen das Restaurant, in dem kurz nach ihnen Janes Freunde eintrafen. Die Gruppe verbrachte ein paar schöne Stunden bei gutem Essen, es wurde viel gelacht und natürlich vor allem alte Geschichten über das Geburtstagskind ausgepackt. „Ich weiß noch, wie wir uns kennengelernt haben…“, berichtete Cynthia, und obwohl alle Anwesenden die Geschichte kannten, unterbrach sie niemand. Diese Erzählung war das Zuhören immer wieder wert. „Das war im ersten Semester, bei einem Referat von Jane. Meine Sitznachbarin hatte etwas zu mir gesagt, und ich sagte deswegen: ‚Schwachsinn‘, was Jane natürlich sofort auf ihren Vortrag bezog. Vor dem ganzen Kurs hat sie mich angeschnauzt, ob ich ein Problem hätte. Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen.“ „Ich glaube, der Professor dachte, ihr springt euch gleich an die Gurgel“, warf Logan amüsiert ein, der an besagtem Morgen ebenfalls anwesend gewesen war. „Das hätte leicht passieren können“, lachte Jane, ehe sie einen Schluck von ihrer Weinschorle nahm. Danach waren die beiden jungen Frauen sich eine Weile lang spinnefeind gewesen, bis sie auf einer Exkursion ein klärendes Gespräch geführt hatten. Seither waren sie Freundinnen, wahrscheinlich gerade, weil sie beide so hitzköpfig sein konnten. Cynthia hielt dem Geburtstagskind das Glas hin und grinste sie an. „Na dann: darauf, dass wir uns nicht an die Gurgel gegangen sind und jetzt deinen Geburtstag feiern können.“ Die Gruppe stieß an, dann trudelte der Nachtisch ein und eine halbe Stunde später fanden sich alle in Elizabeth’s Wagen wieder, die die jungen Leute zur nächsten Station ihres Abends brachte. In der Nähe des Clubs ließ die Ärztin Jane und ihre Freunde raus, wobei das Geburtstagskind ihr einen Kuss auf die Wange hauchte und alle anderen sich für den Taxiservice bedankten. „Soll ich euch nicht wieder abholen?“, fragte Elizabeth, die das zuvor schon angeboten hatte. „Danke, Mom, aber es gehen ja Subways und zur Not nehmen wir ein Taxi. Mach dir keine Sorgen.“ „Na gut. Dann viel Spaß euch, und bis morgen.“ „Bis morgen“, verabschiedete Jane sich und warf die Autotür zu, um sich zu ihren wartenden Freunden zu gesellen. Der Club, in den Kate sie brachte, war in zwei Haupt-Areas aufgeteilt und hatte eine Galerie mit einer Bar. Es war halb zwölf, als sie eintrafen, und die meisten Anwesenden hatten bereits bunte Farbe im Gesicht oder auf Masken, die an den Bars gekauft werden konnten. Ein Großteil der Gäste hatte sich tatsächlich an den Dresscode – weiß – gehalten und leuchte bläulich im Licht der Scheinwerfer. Eine Weile später waren alle mit Drinks und Gesichtsfarbe versorgt – Jane hatte einen Geburtstagskuchen auf die Backe gemalt bekommen – und fanden sich auf der Tanzfläche wieder. Auf einer Bühne standen ein Mann oben ohne und zwei leichtbekleidete Frauen, die ab und zu mit Wasserpistolen Neonfarbe in die Menge schossen, was dazu führte, das weiter vorne Stehende schon bald von Kopf bis Fuß leuchteten. Die Gruppe um die Vampirjägerin beschloss, sich dieses Spektakel eher von weiter hinten anzuschauen, doch gegen drei Uhr morgens war sogar der Boden klebrig vor verschütteter Farbe. Jane fühlte sich angenehm leicht durch den Alkohol und hatte so viel Spaß wie schon lange nicht mehr mit ihren Freunden. Sie war erleichtert, dass nach all dem Stress der letzten Monate endlich eine ruhigere Zeit angebrochen zu sein schien – trotz ihres ungewöhnlichen Mitbewohners. Eigentlich war er gar nicht so übel, gestand sie sich in ihrem leicht betrunkenen Zustand ein. Vielleicht sollte sie wirklich mit Eldric über einen dauerhaften Pakt reden… Ihre Überlegungen wurden unterbrochen, als Logan mit zwei neuen Gläsern auf sie zustapfte und ihre eines davon hinhielt. „Für dich.“ „Ich glaube, ich brauche nichts mehr“, lachte Jane, nahm aber trotzdem den Cocktail und bedankte sich bei ihrem Freund. Dieser trug eine Maske, auf die Kate Blümchen und Schmetterlinge gemalt hatte. Plötzlich störte es die Brünette, ihm nicht in die Augen sehen zu können, sodass sie sich auf die Zehenspitzen stellte und die Maske in seine Haare schob. Etwas verblüfft sah Logan sie an, dann lächelte er. „Besser?“ „Mhm… Aber ich glaube echt, ich bin betrunken“, gestand sie und lehnte sich für einen Moment an seine Brust. Er lachte nur und legte die Hand stützend in ihren Rücken. „Das ist doch ok, immerhin feiern wir deinen Geburtstag. Ich glaube sogar, Kate und Cyn wären enttäuscht, wenn du es nicht wärest.“ Auch Jane musste lachen, und wie schon an Halloween fingen sie ganz natürlich an, sich gemeinsam im Takt der Musik zu bewegen. „Und? Wie viele Typen haben dich wegen des Geburtstagskuchens auf deiner Wange angequatscht?“, wollte Logan wissen. „Vermutlich so viele, wie dich wegen der Blümchen.“ „So viele?“ Sie grinsten sich an, dann nahm Jane einen Schluck von ihrem neuen Cocktail und stellte fest: „Das ist jedenfalls eine der besseren Partys, auf die Kate uns geschleift hat.“ „Definitiv“, stimmte Logan zu, der die Hand wieder von ihrem Rücken genommen hatte, obwohl Jane nichts dagegen gehabt hätte, wäre sie dort geblieben. „Weißt du noch dieser Musikvideo-Dreh?“ „Bei dem du und Benjamin gar nicht in den Club gekommen seid? Aber glaub mir, ihr habt nichts verpasst; die Mädchen, die am wenigsten anhatten ‚durften‘ sich auf den Schößen der Musiker rekeln und die anderen saßen daneben und haben zugeschaut.“ „Klingt wirklich, als hätten Ben und ich da mehr Spaß gehabt.“ „Mein Favorit ist aber der Abend mit den Tabledancern gewesen“, berichtete Jane, die inzwischen nur noch locker zur Musik hin und her wippte. Um sich mit ihm zu unterhalten, beugte Logan sich weit zu ihr und sie streckte sich ihm entgegen, die freie Hand lag auf seiner Brust. „Stimmt, der war gut.“ „Nur die Tänzerinnen waren es leider nicht“, erwiderte Jane, worüber ihr Kommilitone lachte. „Sei doch nicht so“, verteidigte er in seiner üblichen, freundlichen Art, die die Brünette so schätzte. „Sie haben sich sehr bemüht.“ Die beiden unterhielten sich noch ein wenig über die ausgefallenen Abende, die ihre Gruppe schon in Clubs verbracht hatte, bis Cynthia zu ihnen trat. „Hey, ihr zwei, wir würden langsam gehen. Wie sieht es bei euch aus?“ Jane warf einen Blick auf ihre Handy-Uhr und war erstaunt, dass es bereits fast vier war. Wo war die letzte Stunde geblieben? Sie beschlossen einstimmig, aufzubrechen, und kurze Zeit später waren sie bereits auf dem Weg zur Garderobe. Dabei ließ Cynthia sich von Benjamin durch den braunen Batz ziehen, der von der Leuchtfarbe auf dem Boden zurückgeblieben war. Die beiden lachten ausgelassen, und Kate verlangte von Logan, sie nach draußen zu tragen, was dieser, gutmütig, wie er war, tat. In dieser Stimmung machte die Gruppe sich auf den Weg zur Underground, wo sich ihre Wege von Cynthia und Benjamin trennten. „Ich will gar nicht wissen, wo ich diese Farbe überall habe!“, seufzte die deutlich mehr als nur angetrunkene Kate, als sie sich auf einen Sitz im Zug fallen ließ. Jane war ebenfalls froh um die Sitzgelegenheit und lächelte Logan an, der, ganz der Gentleman, stehengeblieben war, damit die Damen sich niederlassen konnten. „Ich dusche zu Hause auch erstmal…“ „Ach was, so schlimm siehst du doch gar nicht aus“, erwiderte der Hahn im Korb. „Weißt du…“, meinte Kate mit einem nachdenklichen Blick auf ihren Kommilitonen, ehe sie sich leicht aufrichtete, um ihm in die Wange zu kneifen. „Manchmal bist du echt ein Goldstück, weißt du das?“ „Uhm… Danke, schätze ich?“, erwiderte Logan und warf Jane einen verwirrten, amüsierten Blick zu. Diese grinste in sich rein und lehnte sich zurück. Langsam machte sich die späte Stunde bemerkbar, sie war müde. Zum Glück war erst Samstag. Die drei alberten herum, bis sie an Kates Haltestellte ankamen. Sie verabschiedete sich wortreich und beschwerte sich, wie wackelig der Zug sei, während sie nach draußen torkelte. „Hoffentlich kommt sie zurecht“, meinte Logan, der sich neben Jane niederließ. Diese lehnte sich erschöpft an seine Schulter. „Sie wohnt nicht weit vom Bahnhof entfernt… Aber ich rufe sie nachher lieber mal an.“ „Mhm…“ Müde öffnete Jane die Augen, wobei ihr Blick auf ihre Nägel fiel, unter denen noch immer Farbreste klebten. Leicht angewidert versuchte sie, diese zu entfernen. „Oh man, die bekomme ich nie wieder los.“ „Du kannst bei mir duschen“, schlug er vor, scheinbar ohne nachzudenken, denn als seine Freundin ihn verdutzt ansah, lächelte er verlegen. „Ähm, das ist nicht so ein weiter Weg, und dann würde es nicht mehr so sehr eintrocknen…“ „Klingt nach einem guten Plan“, stimmte die betrunkene Vampirjägerin zu, die wenig später mit ihrem Kommilitonen ausstieg und mit ihm in Richtung seiner Wohnung wankte. Es brauchte etwas, bis er das Schlüsselloch traf, wobei nicht half, dass Jane ihn wegen seiner Versuche auslachte. Schließlich betraten sie jedoch die schön geschnittene Zweizimmerwohnung, welche Jane von ihrer Zusammenarbeit an der Seminararbeit gut kannte. „Ich geh zuerst duschen“, verkündete sie und ging in Richtung Bad, wobei sie schon unterwegs ihre Hose aufknöpfte. Erst unter dem warmen Wasser wurde ihr etwas bewusster, wie albern sie sich eigentlich verhielt – und, dass sie splitternackt in der Wohnung eines Mannes stand. Allerdings war Logan ihr Freund, das dürfte kein Problem sein… „Jane?“, rief er von draußen und sie zuckte zusammen. „Ja?“ „Ich hab dir einen Bademantel und frische Handtücher vor die Tür gelegt, dann musst du nicht in die dreckigen Klamotten.“ Sie lächelte unwillkürlich. „Danke, Logan.“ „Kein Ding… Lass dir Zeit.“ „Muss ich wohl – diese Farbe ist echt hartnäckig!“ Sie hörte ihn lachen und entspannte sich wie von selbst wieder. Später trocknete sie sich mit einem grauen, flauschigen Handtuch ab und wickelte sich in Logans viel zu großen Frotteebademantel, bevor sie durch den Flur in sein Wohnzimmer tapste. Ihr Kommilitone saß auf der braunen Couch und hatte den Fernseher angeschaltet, sah aber auf, als sein Gast hereinkam. „Das Bad ist frei.“ „Ok.“ Er stand auf und kam näher, wobei ein nicht zu definierender Ausdruck in seinen braunen Augen lag. Doch als er vor ihr stand, strich er nur kurz über Janes Wange und lächelte. „Auf dem Tisch stehen Wasser und Aspirin. Bedien dich einfach. Ich bin gleich wieder da.“ Und damit verschwand er im Badezimmer. Wenig später hörte Jane nicht nur die Dusche, sondern auch die Waschmaschine laufen, woraus sie schloss, dass er ihre Kleidung säuberte. Die Brünette trank das große Glas Wasser, verzichtete auf das Aspirin, bediente sich aber an den Süßigkeiten, die Logan als „Katerfrühstück“ hingestellt hatte. Als ihr Gastgeber später aus dem Bad kam, war die junge Frau bereits auf der Couch eingenickt. Sie wachte kurz auf, weil Logan sich neben sie setzte und eine Decke über sie beide ausbreitete, lehnte sich aber nur an seine Schulter, ehe sie weiterschlief. Kapitel 20: Spielstunde ----------------------- Der Geruch gebratenen Specks und Eiern weckte Jane am nächsten Morgen. Gegen die Sonne anblinzelnd, die vom verglasten Balkon hereinfiel, richtete die junge Frau sich auf und sah sich verwirrt um, bis ihr einfiel, was passiert war. Ah ja. Logan. Verlegen fuhr sie sich durch die Haare und sah sich nach ihrem Gastgeber um, der sie von der offenen Küchenzeile wenige Meter von der Couch entfernt abwartend anlächelte. „Na? Gut geschlafen?“, begrüßte er sie und wandte sich ab, um Kaffee in einen Becher zu gießen. „Mhm… Danke“, murmelte sie verschlafen, als sie die Tasse in die Hand gedrückt bekam. Ohne Milch mit zwei Löffeln Zucker, wie sie ihn immer trank. Logan ließ sie auf der Couch zurück, um sich weiter um das Frühstück zu kümmern. „Deine Klamotten sind im Badezimmer. Ich hab dir auch eine Zahnbürste hingelegt… Aber ich würde dir raten, nochmal zu duschen. Ich hatte immer noch überall Farbe.“ Als ihr bewusst wurde, dass sie nur im geliehenen Bademantel dasaß, zog Jane diesen enger um sich und stand auf, um sich vollständig zu bekleiden. „Ähm… Danke. Ich geh mal…“, murmelte sie und tapste ins Bad, wo sie feststellte, dass auch zwischen ihren Zehen noch immer Farbe vom letzten Abend klebte. Also stieg sie unter die Dusche, bevor sie sich anzog und ins Wohn- Schrägstrich Esszimmer zurückkehrte. Dort rief sie erstmal ihre Mutter an, damit diese sich keine Sorgen um den Verbleib ihrer Tochter machte. Anschließend frühstückten die Studenten und plauderten bis in den späten Nachmittag. Als Jane schließlich ging, umarmte Logan sie an der Tür. „Also… Hast du jetzt eine Gästezahnbürste hier:“ Die junge Frau grinste. „Sieht so aus.“ „Dann kannst du ja öfter hier schlafen.“ Ein wenig überrascht blinzelte sie, doch dann lächelte sie und verabschiedete sich von ihrem Freund. Auf dem Heimweg dachte sie über den ungewöhnlichen Verlauf des letzten Abends nach. Sie mochte Logan, doch beieinander übernachtet hatten sie noch nie. Allerdings war er nicht im Geringsten aufdringlich gewesen – das wäre überhaupt nicht seine Art gewesen – sondern im Gegenteil fürsorglich und nachsichtig mit seinem betrunkenen Hausgast. Kate hatte eindeutig Recht gehabt als sie sagte, er wäre ein Schatz. Obwohl sie erstaunlich gut geschlafen hatte, dafür, dass sie auf einer Couch genächtigt hatte, war Jane froh, nach Hause zu kommen und nichts mehr Großartiges vorzuhaben. Sie erzählte ihrer Mutter von ihrem Abend, wobei die Ärztin verständlicherweise am interessiertesten war an der Übernachtungsstätte ihrer Tochter. Dann zog sie sich bis zum Abendessen auf ihr Zimmer zurück. Erst beim Essen sah Jane zum ersten Mal an diesem Tag Aiden, der seltsam in sich gekehrt wirkte, während seine menschlichen Mitbewohnerinnen aßen. „Und?“, sprach Jane ihn schließlich an. „Hast du gestern alles erledigen können?“ „Erledigen?“, fragte er ein wenig verwirrt. Die Jägerin zuckte die Schultern. „Ich nehme an, du hattest etwas vor, weil du mir ausnahmsweise nicht gefolgt bist.“ Das obligatorische Lächeln schlich sich wieder auf seine Züge. „Hm… Ich kann doch nicht immer auf dich aufpassen, wenn du deine kleinen Abenteuer erlebst…“ „Was für Abenteuer?“, fragte sie, leicht alarmiert, denn irgendwie klang das, als wüsste er, wo sie übernachtet hatte, und hätte seltsame Schlüsse daraus gezogen. Aiden lachte nur leise und stand auf, als er sagte: „Du bist jetzt vielleicht ein Jahr älter… Aber du bist und bleibst ein Schulmädchen und erlebst die entsprechenden Abenteuer.“ Sie wollte protestieren, vor allem, da er ihr zu allem Überfluss noch durch die Haare wuschelte, doch etwas im Lächeln des Vampirs ließ sie schweigen. Fünfhundert Jahre, erinnerte sie sich, fast fünfhundert Jahre alt war Aiden – natürlich erschienen ihre 23 Jahre ihm da wie ein unendlich kurzer Zeitraum. Was nicht hieß, dass sie ein Schulmädchen oder überhaupt irgendeine Art von Mädchen war. Das würde sie ihm das nächste Mal sagen, wenn er nicht aus der Wäsche schaute wie ein getretener Hund. „Übrigens“, fing Elizabeth an, die wohl das Thema wechseln wollte. „Hast du gehört, dass sie den Supermarkt in der Gegend schließen wollen?“ Dankbar für diese Gesprächsmöglichkeit, die von ´Abenteuern` wegführte, die sie angeblich gehabt haben sollte, wandte Jane sich an ihre Mutter. So verlief der Rest des Abendessens friedlich. Obwohl sie bei Logan lange geschlafen hatte, hing Jane die letzte Nacht noch nach, weshalb sie früh zu Bett ging, nachdem sie noch ein wenig für die Uni gearbeitet hatte. Das war gut so, denn am nächsten Tag stand ihr Besuch im Freizeitpark an. Es war zwar November und der Himmel entsprechend bewölkt, doch ein trockener Morgen. Jane zog sich Jeans und einen bequemen Pullover an, dann ging sie in die Küche, um zu frühstücken. Zu ihrer Überraschung fand sie Aiden bereits dort vor, und zwar mit einer Kanne Kaffee, aus der er ihr eine Tasse einschenkte und sie ihr mit einem: „Guten Morgen!“, überreichte. Nach Aidens Stimmung am letzten Abend war sie ein wenig überrascht von so viel guter Laune. Beschweren würde sie sich jedoch nicht, schließlich wäre es äußerst unangenehm, mit einem Trauerkloß in einen Vergnügungspark zu gehen. Außerdem passte das viel besser zu seinem lebhaften Naturell als die Nachdenklichkeit. So nahm sie nur dankend den Kaffee und machte sich einen Toast, um während des Ausfluges nicht sofort Hunger zu bekommen. Da sie die einzige war, die essen und trinken musste, nahm Jane nur einen kleinen Rucksack mit einem Geldbeutel und einer Wasserflasche mit. Speisen konnte man sich auf der Anlage kaufen. „Hast du alles?“, fragte Jane, als sie später im Hausflur Schuhe und Jacken anzogen. „Ja… Und du brauchst wirklich keinen Geldbeutel mitnehmen“, wiederholte er missbilligend, was er zuvor schon mehrmals gesagt hatte. „Das ist dein Geburtstagsgeschenk, und ich werde alle Ausgaben übernehmen.“ „Man kann ja nie wissen, ob du nicht doch wieder deinen Geldbeutel vergessen hast“, stichelte Jane grinsend, worüber er wiederwillig schmunzelte, bevor er sich geschlagen gab und sie ins Auto steigen konnten. Es dauerte eine Weile, bis sie am Thrope-Park ankamen und sich in der nicht allzu langen Reihe anstellen konnten. Die Sonne schien zwar nicht, aber nach Regen sah es nicht aus, ein perfekter Tag für diesen Besuch. Als sie endlich auf dem Gelände des Parks waren, schlenderten sie ein wenig herum und besahen sich die Attraktionen. "Und, was willst du als erstes machen?", fragte Aiden, als sie auf einer Straße ankamen, die scheinbar nur für Achterbahnen gedacht war. Janes Blick schweifte über die Gegend und blieb an der 'Saw'-Achterbahn hängen. Na, das passte doch. "Lass uns mal die hier ausprobieren", meinte sie und deutete auf die entsprechende Bahn, ehe sie sich mit ihm anstellte und wartete, dass sie einsteigen konnten. Während sie der Schlange folgte, entdeckte sie in weiterer Entfernung einen Schießstand, den sie später sicher ausprobieren wollte. Aiden hob den Blick, um den Gästen zuzusehen, die bereits dran waren, sah aber wieder zu Jane, als diese ihn ansprach "Wenn du Schiss kriegst, darfst du gerne meine Hand nehmen ", sagte sie scherzend und mit einem kleinen Schmunzeln an ihren Begleiter gewandt. Dieser zog schmunzelnd die Augenbrauen hoch. "Pass auf, was du anbietest. Sonst komme ich noch darauf zurück", antwortete er zwinkernd, als sie an der Reihe waren und sich wie angewiesen in den Sitzen niederließen. "Gib doch zu, dass du froh darüber bist, dass ich es dir angeboten habe. Innerlich schreist du schon vor Angst", entgegnete die Brünette keck grinsend, als sie in der Achterbahn saßen. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und sah sie zögernd an, ehe er sich etwas zu ihr beugte und leise sagte: „Eigentlich fragte ich mich gerade, ob ich sterben würde, wenn die Gondel abstürzen würde.“ Janes Grinsen erstarrte auf ihren Zügen, doch sie kam nicht dazu, nachzufragen, denn kurz darauf schlossen sich schon die Sicherheitshebel, ein Angestellter prüfte, ob alle gesichert waren, dann setzte sich der Wagen in Bewegung. Es nahm nur langsam Fahrt nach oben auf, fuhr ein paar Meter geradeaus und blieb einen Moment stehen, damit die Fahrgäste den Ausblick bewundern konnten - bevor sie in den freien Fall stürzten. Die Menschen um sie herum kreischten und der Wind pfiff ihnen in den Ohren, aber sie lachten beide, als Aiden sich tatsächlich Janes Hand schnappte und diese nach oben riss. Ob es am Adrenalin lag oder daran, dass alles so schnell ging, die junge Frau störte es nicht mal, dass der Vampir sie berührte. So hielt er ihre Hand noch, als die Gondel mit einem Ruck zum Stehen kam, und die Jägerin ließ sich von ihrem Begleiter heraushelfen. "Du siehst bezaubernd aus", grinste er und deutete auf ihre ziemlich verwuschelten Haare, die der Fahrtwind ruiniert hatte. "Ich frage mich langsam wirklich, ob du an einer Geschmacksverstauchung leidest", meinte die Vampirjägerin schmunzelnd, wobei sie natürlich wusste, dass er es nicht wortwörtlich meinte. Aber irgendwie machte er ihr oft in den unpassendsten Momenten Komplimente, etwa, wenn sie eine Schürze trug, als blutige Alice verkleidet war, oder eben jetzt. Während sie zusammen mit den anderen Gästen einen Weg entlang geleitet wurden, richtete Jane ihr Haar. Dann kamen sie in ein kleines Gebäude, in dem Fotos von ihrer Fahrt gezeigt wurden. "Du findest, es sei eine 'Geschmacksverstauchung', dich hübsch zu finden? Etwas mehr Selbstbewusstsein bitte, du bist eine sehr attraktive junge Frau", gab der Vampir in gespielter Strenge den Tadel zurück, während sie nach ihrem Bild Ausschau hielten. "Ich meinte eigentlich deinen Geschmack für Haarstil", erwiderte sie nur und winkte dann mit der Hand ab, ohne auf den restlichen Teil seiner Worte einzugehen. "Ach, ein schönes Gesicht entstellt nichts", fuhr er munter fort, doch da entdeckte er das gesuchte Bild und fing an zu lachen. Jane und Aiden hielten sich bei den nach oben gestreckten Händen. Beide lachten auf dem Bild und die Gesichtsausdrücke wirkten ausgelassen – auch, wenn Janes Haare durch den Fahrtwind nach hinten durcheinander gewirbelt wurden. Nachdem ihr Begleiter sich einen Abzug davon besorgt und diesen in der Manteltasche verstaut hatte, deutete die junge Frau auf einen Schießstand, der einige Meter von ihnen entfernt stand. "Wetten, ich treffe in der angegebener Zeit mehr Ziele als du?", forderte sie den Vampir heraus, als sie dort ankamen und für eine Runde bezahlten. Sie schnappte sich ein Gewehr und positionierte sich vor den Zielen. "Wenn ich gewinne, musst du dich einmal 24 Stunden von mir fern halten - in jeglicher Hinsicht!" Aiden zögerte kurz, wog die Spielzeugwaffe in der Hand, dann zuckte er die Schultern und bezahlte den Mann für eine zweite Runde. "Du würdest mich doch nach zwei Stunden vermissen. Aber gut, abgemacht. Wenn ich gewinne... Machst du Fotos mit mir", schlug er vor, inspiriert von dem tollen Bild aus der Achterbahn. Er legte an, grinste Jane aber nochmal zu, bevor der Countdown losging. "Ich hoffe, du hast eine Bürste dabei." "Das denkst auch nur du. Ich würde eine riesige Party feiern, weil ich endlich meine Ruhe vor dir habe“, entgegnete die Brünette nur frech und prüfte kurz die Schusslinie, ehe sie seine Worte etwas verzögert begriff und ihn mit einer hochgezogener Augenbraue ansah. Er wollte, dass sie Fotos mit ihm machte? Die Forderung klang eigenartig und sie hätte vielmehr erwartet, dass er etwas 'Größeres' von ihr verlangen würde. Dennoch nahm sie an. Dann ging die Zeit los und sie schossen etwa gleichzeitig das erste Mal. Jane betätigte gelassen und konzentriert den Abzug, um ein Ziel nach dem anderen zu treffen. Dabei konnte sie Dank den Schussgeräuschen hören, dass sie wohl gleichauf waren. Das spornte die junge Frau an, sodass sie das Tempo anziehen wollte. Jedoch gab ihr Gewehr aufgrund einer kleinen Malfunktion am Verschluss ein undefinierbares Geräusch von sich, sodass es ihr nicht möglich war, den Abzug zu betätigen und die entscheidenden Schüsse für einen Gleichstand zu machen. Unmittelbar danach lief die Zeit ab und Jane kam nicht umhin, leise zu fluchen, worauf der Besitzer zu ihr kam und sich entschuldigte. Aiden runzelte die Stirn. "Das ist unfair. Sollen wir es nochmal versuchen?", schlug er vor. "Nein. Du kannst nichts dafür und hast gewonnen, also kriegst du den Preis", meinte die Brünette, trotzdem leicht genervt, und fuhr sich durch die Haare. Der Besitzer sagte Jane, dass sie eine Runde umsonst spielen konnte, dann wandte er sich ab, um Aiden seinen Preis zu geben - der sich als großer, brauner Stoffhund herausstellte. "Ähm... Danke", sagte der Vampir schmunzelnd und überlegte kurz, dann drückte er das Kuscheltier Jane in die Arme und erklärte lächelnd: "Als Ausgleich für die kaputte Waffe.“ Etwas verdutzt blickte Jane Aiden an, bevor sie das Plüschtier begutachtete und gar nicht anders konnte, als zu schmunzeln. Das Ding war ja irgendwie ganz süß. "Danke", sprach die Vampirjägerin und klemmte den Preis unter einen Arm, während sie sich mit ihrem Begleiter vom Schießstand entfernte. "Also? Wo wollen wir die Fotos machen?" Aiden sah sich um, um eine geeignete Fotostelle zu finden. Jane richtete unterdessen ein wenig ihre Haare, da sie wirklich nicht wie eine grässliche Vogelscheuche aussehen wollte. Perfekt wollte sie aber auch nicht aussehen. Immerhin waren sie in einem Vergnügungspark und dementsprechend war es klar, dass sie nach gewissen Fahrten zerzaust aussahen. Ihr Blick fiel auf einen Fotoautomaten, als der Vampir auf diesen deutete und sie verstand, von welcher Art Fotos er sprach. "Muss ich mich da drin zum Affen machen?", wollte Jane wissen, woraufhin Aiden natürlich nickte, als sie sich zur Box begaben und das entsprechende Kleingeld heraussuchten, um den Automaten zum Laufen zu bringen. Dabei musste sie daran denken, wie lange es wohl her war, seit sie so etwas mit Freunden getan hatte und wie sie sich als Teenager darüber amüsiert hatten. Bei Gelegenheit würde sie mal nach den Fotos suchen. "Also? Welche Posen und Gesichtsausdrücke wünscht sich der werte Herr?", fragte sie Aiden etwas albern und einem kleinen Schmunzeln. "Hm… Ein Lächeln wäre schön", sagte er mit einem Seitenblick auf sie, während er etwas mit der Bedienung des Fotoautomaten kämpfte, bis das Display ein Halloween-Motiv zeigte, das wohl noch vom letzten Tag übriggeblieben war. "Ansonsten… Machen wir einfach?", schlug er unkreativer Weise vor, dann drückte er schulterzuckend auf den Knopf. Als das erste Foto gemacht wurde, sah sie ihn noch irritiert wegen dieser ungenauen Angabe an und er grinste entschuldigend. "Lächeln", erinnerte er Jane noch, bevor er den Arm um sie legte und wieder der Auslöser losging. Als die Vampirjägerin seinen Arm spürte und seine Instruktion vernahm, blinzelte sie kurz, fasste sich allerdings schnell und lächelte sofort in die Linse, damit es beim zweiten Versuch klappte. Bei den nächsten Bildern stellte sie sich einmal süß, verängstigt und einmal albern, oder mit aufgeplusterten Wangen dar. Auf den letzten beiden Fotos machten sie einfach irgendeinen Quatsch, dann warteten sie, bis sie Bilder ausgedruckt wurden. "Siehst du? Hat doch gut geklappt", sagte Aiden zufrieden, als er sich etwas umständlich aus der Kabine kämpfte, die eindeutig nicht für Personen seiner Größe ausgelegt war. "So eng, wie es da drin war, würde es mich nicht wundern, wenn wir teilweise abgeschnitten wurden", meinte sie schmunzelnd, da sie auch den Stoffhund mit in die Kabine genommen hatte. Sie folgte Aiden nach draußen und wartete, dass der Automat zwei Exemplare der Fotostrecke ausspuckte. Wie immer dauerte das einige Sekunden und als es endlich soweit war, griff die Brünette danach und kam nicht umhin, beim Anblick leise zu lachen. Wie albern das aussah! Mit dem Hund zusammen war es wirklich eng geworden, aber er machte sich immerhin gut auf den Fotos, obwohl man nur Augen und Ohren des Stofftieres sehen konnte, da es auf Janes Schoß gesessen hatte. "Ah, so groß bist du doch nicht", sagte Aiden und deutete mit der Hand die Höhe von Janes Kopf etwa bei seiner Schulter an. „Die Enge dürfte dir nichts ausgemacht haben.“ „Groß genug für dich“, schmollte sie, woraufhin er ihr nur zuzwinkerte. "Das gefällt mir am besten." Aiden deutete auf das Foto, auf dem sie die Backen aufgeplustert hatte. Jane schmunzelte nur leicht. Ja, da sah sie wirklich ziemlich albern aus. Sie konnte nur hoffen, dass er das Foto irgendwo verstauen würde und nicht auf die Idee kam, es im Zirkel oder womöglich sogar Eldric zu zeigen. Nicht auszudenken, welche Reaktionen das bei den Leuten auslösen würde. Immerhin hatte sie erst vor wenigen Wochen Lucas zurechtgewiesen, weil das unmögliche Gerücht herumgegangen war, dass sie etwas mit einem Vampir am Laufen hatte. "Wieso wolltest du aber Fotos mit mir schießen? Ich hatte irgendwie mit... hm ... dem Eid-Abschluss oder etwas dergleichen gerechnet”, wollte die junge Frau wissen, nachdem sie die Bilder einsteckte und wieder weiterging. Dabei entdeckte sie einen Stand mit Süßigkeiten und steuerte diesen an, um die Auswahl zu betrachten und entschied sich schließlich für Schoko-Früchte am Stiel. Der Vampir zögerte kurz, bevor er antwortete: "Ich habe dir doch schon gesagt, dass mir nichts an diesem Pakt liegt. Wenn du dich dafür entscheidest, soll es zu deinem Besten und aus deinem freien Willen heraus sein." Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und sah in den blassgrauen Herbsthimmel. "Außerdem wäre das eine ziemlich große Sache für so einen Spaß, oder? Etwas Vergleichbares wäre… Keine Ahnung, den ganzen Tag deine Hand halten dürfen oder so was", überlegte er weiter und sah aus dem Augenwinkel zu ihr. Die Brünette aß ihre Schokofrüchte und hob die Augenbrauen. Nun, da hatte er irgendwie Recht. Für so ein kleines Spiel wäre es schon ziemlich dreist gewesen, wenn er so eine Forderung gestellt hätte. Die Erkenntnis, dass er die ganze Situation nicht ausgenutzt hatte, ließ sie unwillkürlich lächeln. Damit hatte er ihr mal wieder bewiesen, wie geradlinig und ehrlich er war. "Den ganzen Tag meine Hand halten?", wiederholte Jane um sich von dem Thema abzulenken, und da sie diesen Vorschlag beziehungsweise Vergleich für ziemlich absurd hielt. "Das wäre zwar eine ziemliche Folter für mich, doch ich sähe keinen Vorteil und Nutzen für dich dabei." Sie biss von einer Schokoerdbeere ab und leckte sich flüchtig, aber genüsslich über die Unterlippe, da dort ein wenig von der teilweise geschmolzenen Süßigkeit geklebt hatte. Seufzend, mit einem schmalen Lächeln, rieb er sich den. "Tja, das wäre dann deine Strafe fürs Verlieren. Immerhin müsstest du dann den ganzen Tag noch enger mit mir zusammen sein, statt mich los zu werden", saugte er sich eine Erklärung aus den Fingern. Sie konnte sich schon denken, dass ihr Begleiter noch mehr dazu zu sagen gehabt hätte, wollte es aber eigentlich gar nicht wirklich wissen. Ihr Blick schweifte über die Gegend, während sie aufaß, wobei sie die Geisterbahn entdeckte und sie nicht anders konnte, als zu grinsen. "Wie wäre es damit?", schlug die Vampirjägerin vor und deutete auf die Attraktion, nachdem sie den Stiel weggeworfen und sich Gedanken dazu gemacht hatte, wie ihr Begleite wohl da drin reagieren würde. Allein die Vorstellung, einen Vampir in ein Spukhaus mitzuschleppen, war grotesk, aber überaus amüsant. Sie stellten sich in die Schlange und es dauerte eine ganze Weile, bis sie in ein Zweier-Gefährt einsteigen und losfahren konnten. Ob er sich wohl erschrecken oder sogar lustige Laute von sich geben würde? Irgendwie konnte sie sich das nicht vorstellen, doch wäre es bestimmt höchst unterhaltsam, solche Reaktionen von ihm zu sehen. Leider wirkte Aiden nicht, als habe er Angst, aber ein paar Mal zuckte er doch zusammen, als plötzlich eine Vorrichtung losging oder ihr Wagen sich drehte. Dann lachte er aber jedes Mal wieder. Auch Jane fürchtete sich nicht, sondern erschrak lediglich ab und zu, wenn irgendetwas plötzlich und unerwartet geschah. Schließlich hatte sie, dank ihres Nebenjobs, mit viel gruseligen Geschöpfen zu tun und viel entsetzliche Dinge gesehen, obwohl die Geisterbahn schon ganz gut gemacht war, wie sie zugeben musste. "Hätte ich keinen allzu ungewöhnlichen Nebenjob, dann würde ich sicher irgendwie Schiss kriegen", kommentierte die Vampirjägerin die ganze Aufmachung und während sie sich ebenfalls ein wenig zurücklehnte. "DU kannst Angst haben?", fragte Aiden seine Begleiterin, als hätte sie ihm gerade erzählt, der Himmel sei Grün. Zwar hielt sich die Vampirjägerin regelmäßig für unverwundbar und unbesiegbar, doch wusste sie nur zu gut, dass sie alles andere als furchtlos war. Zwar kam es nicht so oft vor, wie bei wahrscheinlich anderen Frauen, doch es gab Situationen, in denen sie Angst verspürte. Dementsprechend verdrehte die Brünette die Augen, als sie den kleinen Ausruf ihres Begleiters vernahm. Bevor sie allerdings eine schnippische oder schlagfertige Antwort geben konnte, spürte sie, wie Aiden sich neben ihr ein wenig anspannte. Sie wollte fragen, was los war, doch. im nächsten Moment öffnete sich schon eine Geheimtür auf Janes Seite des Wagens und ein Mann sprang johlend auf sie beide zu. In der Hand hielt er etwas, das erschreckend überzeugende Kettensägengeräusche von sich gab, natürlich aber nur eine Attrappe war. Jane zuckte erschrocken zusammen, als der Angestellte neben ihr auftauchte und griff instinktiv nach Aidens Arm, nachdem sie sogar zu ihm gerutscht war, um einen gewissen Abstand zwischen sich und dem Verkleideten zu bringen. Dann fuhren sie aber schon weiter und der Mann verschwand hinter der nächsten Biegung. "Oh Mann...! Das hat sogar mich erschreckt", meinte sie kopfschüttelnd und ließ wieder von ihrem Begleiter ab, um sich durch die Haare zu fahren. Dabei dachte sie gar nicht groß darüber nach, dass sie ihm eben so nah gewesen war oder ihn berührt hatte. So sehr es die Vampirjägerin auch abstreiten mochte, so war es mittlerweile ziemlich normal für sie geworden. Aiden lachte, als sie ihn wieder losließ und wuschelte ihr durch die Haare. "Keine Angst, solange ich da bin, tut dir schon keiner was", neckte er sie grinsend, was ja irgendwie sogar der Wahrheit entsprach. "Ach ja? Obwohl du hier eigentlich das wahre Monster hier bist?", entgegnete sie leicht schmunzelnd. Wenn die Darsteller und Besucher gewusst hätten, dass gerade ein Vampir in der Geisterbahn saß, dann wären sie bestimmt allesamt schreiend rausgerannt. Da der größte Teil der Menschheit jedoch glaubte, dass solche Wesen bloß aus der Fantasie entsprungen und dementsprechend nicht real waren, würde es wohl nie soweit kommen. Es sei denn, ihr Begleiter würde sich plötzlich dazu entscheiden, seine wahre Identität zu offenbaren. „Gut, ich muss mich korrigieren; niemand außer mir wird dir etwas tun", antwortete er mit im dunkeln leuchtenden Katzenaugen. „Übrigens hättest du mich ruhig vorwarnen können“, beschwerte sie sich, während die Fahrt weiterging. „Du hast den Mann doch gerochen, oder?“ Aiden lachte nur leise, doch das war Antwort genug. Deshalb hatte er sich einen Moment vor dem ‚Überfall‘ kurz angespannt und sofort wieder entspannt; er hatte die ‚Gefahr‘ gewittert, war sich aber gleich klar geworden, dass alles in Ordnung war und es zu der Attraktion gehörte. Wenig später fuhren die beiden Fahrgäste nach draußen und das helle Licht schien ihnen entgegen, sodass Jane kurzzeitig die Augen zusammenkneifen musste, um sich wieder daran zu gewöhnen. Gemeinsam mit dem Vampir stieg die junge Frau aus und begann damit, mit ihm durch den Park zu schlendern und sich umzusehen. "Wo wollen wir als Nächstes hin?", fragte Jane an Aiden gewandt, da sie ihn entscheiden lassen wollte. "Willst du in dieses ´Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!`-Labyrinth? Das klingt recht amüsant“, schlug er vor, wobei Jane sich wunderte, dass er diese Sendung kannte. Ab und zu sah er zwar mit ihr und ihrer Mutter fern, aber da weder sie noch Elizabeth dieses Format mochten, fiel es ihr schwer, sich vorzustellen, wann Aiden das Konzept aufgeschnappt haben sollte. Allerdings hatte sie nichts gegen die Attraktion, sodass sie sich auf den Weg dorthin machten. Davor mussten sie eine Weile warten, bis sie von einer Angestellten in einen Einführungsraum mit Bänken geführt wurden. Eine Frau erklärte dort die Spielregeln: "Diese Attraktion ist als Labyrinth aufgebaut, durch das ihr auf verschiedenen Wegen kommen könnt. Ihr arbeitet in Zweierteams zusammen, um goldene Sterne zu finden, die in der Anlage versteckt wurden. Um an manchen Stellen weiter zu kommen, müsst ihr verschiedene Aufgaben bewältigen. Wie draußen schon gesagt wurde, könnt ihr dabei dreckig oder nass werden. Elektronische Geräte könnt ihr in den Spinden ablegen, damit nichts kaputtgeht.“ Ein paar Leute standen auf, um ihre Handys und Kameras abzulegen. Jane und Aiden hatten das vorher schon getan, auch der Stoffhund war weggeschlossen worden. „Wenn euch eine Aufgabe zu schwer oder zu eklig ist, könnt ihr einen anderen Weg suchen. Falls ihr gar nicht weiterkommt, sind auf dem Gelände überall Kameras angebracht. Winkt einfach, wenn ihr Hilfe braucht, dann holt euch einer von uns.“ Die kurzhaarige Frau zog eine Kiste hervor, in der sich beim Öffnen einige Handschellen offenbarten. „Um es ein bisschen spannender zu machen, werden wir euch Handschellen anlegen, für die natürlich ein Schlüssel versteckt wurde - aber den müsst ihr euch verdienen. Alles verstanden?" Als alle nickten, strahlte sie und reihte ihre Kunden in einer Reihe auf, die immer zu zweit oder zu dritt in den Parcours gelassen wurden. Bevor die Teams eingelassen wurden, wurde ihnen eine Armfessel angelegt, die Aiden etwas skeptisch betrachtete, als er mit Jane in der Anlage war. Während sie gingen, reizte das Metall unangenehm ihre Haut. Daraufhin seufzte die Brünette leise auf und nahm kurzerhand ohne Erklärungen Aidens Hand, um ihre Finger locker mit seinen zu verschränken. Sie dachte nicht groß darüber nach, sondern ging unbehelligt weiter. Welchen Unterschied machte es denn schon, wieder Händchen zu halten? Einmal mehr oder weniger würde sie keineswegs umbringen und angesichts der Tatsachen war es deutlich angenehmer. Aiden warf ihr zwar einen Blick zu, sagte aber nichts dazu. "Wo lang? Und sollen wir den Schlüssel suchen oder gleich die Sterne?", fragte der Vampir, als sie sich entschlossen hatten, eine wackelige Hängebrücke zu ihrer Rechten zu passieren. Die junge Frau dachte kurz nach, entdeckte am Ende der Brücke allerdings zwei Glasboxen mit jeweils einem Loch. Bei genauerem Hinsehen, konnte man feststellen dass sich in der einen Kiste unzählige Mehlwürmer und in der anderen Regenwürmer befanden. "Ich denke, wir suchen gleich die Sterne. Es bietet sich gerade an", schlug die Vampirjägerin vor und deutete auf die Glasboxen, während sie unbeeindruckt über die wackelige Brücke ging. Schließlich hatte sie bei der Ausbildung zur Jägerin schon deutlich schlimmere körperliche Tätigkeiten vollbracht. Bei den Kisten angekommen, erblickte die Brünette eine Karte, auf der die Aufgabe stand: Man musste reingreifen und jeweils einen Stern herausfischen. Während im Hintergrund immer wieder lautes Gekreische oder Geheule zu hören war, griff Jane ohne Umschweifen in die Kiste. Immerhin hatte sie keine Angst vor Insekten. Wenige Momente später, nachdem die Mehlwürmer abgeschüttelt waren, hielt sie schon einen goldenen Stern in der freien Hand. Sie schielte zu ihrem Partner, der die Aufgabe ebenfalls abschloss. Sein Stern war ganz nach hinten in die Kiste gerutscht, sodass er etwas wühlen musste, aber schließlich hatte auch Aiden die Trophäe. Leicht angewidert wischte er die Hand an der Hose ab. "Was Menschen alles für Geld tun...", grummelte er, dann ging es schon weiter, wieder Hand in Hand. "Sie hätten lieber ein Grusellabyrinth daraus machen sollen, mit irgendwelche Statisten, die uns verfolgen oder uns so lange festhalten, bis wir gewisse Aufgaben und Rätsel gelöst haben", meinte die junge Frau, während sie weiterging und über das Spiel nachdachte. Es hatte einen gewissen Thrill, doch irgendwie traf es nicht ihren Geschmack - was wohl an den eher dümmlichen Prüfungen lag. "Ich weiß nicht, ob Statisten so eine gute Idee wären. Nicht, dass du dich wieder erschreckst", konnte Aiden sich nicht verkneifen, Jane aufzuziehen. Irgendwie hatte die junge Frau damit gerechnet, dass ein Seitenhieb seinerseits bezüglich ihrer Reaktion in der Geisterbahn kommen würde. Dementsprechend überraschte sie seine Aussage keineswegs und sie kam nicht umhin, nur den Kopf leicht zur Seite zu neigen und ihn gespielt tadelnd anzusehen. Vor einer Gabelung blieben sie stehen und mussten sich für eine Richtung entscheiden. Je nachdem, wie diese ausfiel, würde wohl eine andere Prüfung auf sie warten. "Rechts oder links?", wollte die junge Frau vom Vampir wissen. Er entschied sich für den rechten Weg, an dessen Ende sie an einen künstlichen Flusslauf gelangten, der von zwei frei schwingenden Planken überspannt wurde. An Seilen über dem Konstrukt baumelten Sterne, an die man nur kam, wenn man geschickt balancierte und sich strecke. Gleichzeitig musste man den Arm ausgestreckt halten, weil man sonst seinen Partner ins Wasser beförderte. "Soll ich zwei runter holen oder schaffst du das?", fragte er, da die Sterne doch recht hoch hingen und sie nicht so groß war. "Ich schätze, es ist einfacher, wenn du das übernimmst", erwiderte Jane leise grummelnd, bevor sie ihm folgte. Das war wohl keine gute Idee gewesen war, denn zu zweit war es natürlich schwieriger, das Gleichgewicht zu halten. Das sahen sie aber erst ein, als Aiden sich schon mit einem Fuß im knapp knietiefen Wasser befand. Danach ging Jane auf der für sie vorgesehenen Planke, er sammelte zwei Sterne ein und ging weiter. "Klasse", seufzte er, weil er nicht gerade ein tolles Gefühl war, ein nasses Hosenbein und vor allem nasse Socken in den Schuhen zu haben. Immerhin hatten sie bereits je zwei Sterne von zehn zu sammelnden. Auch Jane war nicht begeistert von ihrem nassen Hosenbein. "Ich glaube, wir sollten uns daran machen, diese Handschellen loszuwerden. Anbetracht der vorherigen Aufgabe, wäre es von Vorteil, nicht angekettet zu sein", schlug die Vampirjägerin vor und blickte zum unfreiwilligen Metallschmuck an ihren Händen. Natürlich wusste sie, dass der Vampir diese ohne weiteres aufbrechen konnte, doch wäre das erstens Zerstörung von Eigentum und zweitens alles andere als der Sinn der Sache. Sie waren nicht die einzigen, die ein wenig durchnässt waren. Tatsächlich kam ihnen ein Paar entgegen, das nicht nur feuchte Hosen, sondern insgesamt ziemlich klamme Bekleidung vorzuweisen hatte. Na, so dumm hatten sie sich wohl gar nicht angestellt, und ein wirkliches Problem war die Nässe nicht, da es ziemlich warm war. Wahrscheinlich war der Vergleich aber ein wenig unfair, immerhin waren weder Aiden noch Jane der durchschnittliche Freizeitparkbesucher. Nach einigen Metern standen die beiden vor einem dunklen Eingang, der in ein Tunnelsystem führte und vor dem ein Tisch mit einer kleinen Taschenlampe stand. Ohne zu zögern trat die Brünette ein und sah sich mit der schwachen Lichtquelle um, wobei sie kaum etwas entdecken konnte. Nach einer Weile erkannte sie allerdings eigenartige Fäden, die aussahen wie Spinnenweben. Bei genauerer Betrachtung konnte sie jedoch sehen, dass es keine Spinnweben, sondern weißer Faden war, der künstlich an den Wänden angebracht wurde. Dabei erkannte die Jägerin relativ schnell, dass sich an den Fäden Schlüssel befanden. Wie fand man nun aber heraus, welche Schlüssel der Richtige war? Um auf die Lösung zu kommen, betrachtete Jane die Handschellen genauer und konnte eine eingravierte acht erkennen. "Siehst du einen Schlüssel mit einer Acht?", wollte sie an Aiden gewandt wissen, da er im Dunkeln sehen konnte. Um ihr nicht den Spaß zu verderben, so vermutete die Jägerin, hatte er ihr die Führung überlassen. Es dauerte zwar ein wenig, bis sie den entsprechenden Schlüssel hatten, doch ging es danach relativ schnell und sie konnten die Handfesseln abmontieren und getrennt das dunkle Tunnelsystem verlassen. Allerdings wartete kurz darauf schon die nächste Aufgabe: Über einem Teich hing ein Seil mit zwei Sternen dran. Dieser war allerdings so hoch, dass man nur heran kam, wenn der eine den anderen hochhob oder die Leiter imitierte. Letzteres würde sich allerdings als schwierig erweisen, wenn man keinen allzu großen Gleichgewichtssinn besaß, da über den Teich nur eine schmale, halterlose Brücke führte. "Schon wieder Wasser… Hoffentlich haben die einen Föhn am Ende des Parcours…", murmelte Aiden mehr zu sich selbst, als er zu Jane trat und ihr auffordernd die Hand hinhielt. "Wenn du dich auf meine Schultern setzt, müsstest du hinkommen, oder? So müssen wir nicht auf der Brücke herum turnen." Der Gedanke, sich auf seine Schulter zu setzen, war ziemlich befremdlich. Immerhin konnte er sie doch einfach hochheben, oder? Nun, womöglich war das keine allzu gute Idee, wenn man bedachte, dass der ganze Parcours mittels Kameras überwacht wurde. Die Angestellten hätten sich trotz Aidens Größe und Statur sicher trotzdem gewundert, hätte er sie herumgetragen wie eine Puppe. So ließ sich Jane mit einem eigenartigen Gefühl auf seine Schultern setzen. Die Hängebrücke war zum Glück nicht ganz so wackelig wie die Planke bei der letzten Prüfung. Der Vampir ging langsam, weil er nicht riskieren wollte, sein "Gepäckstück" vornüber ins Wasser zu schmeißen, aber schließlich waren sie unter dem Stern. "Kommst du hin?", fragte er, als sie sich etwas verrenkte, um an das Seil zu kommen. Als sie den Stern hatte, machte sie einen Ruck, weil ihre Körperspannung nachließ. Aiden konnte das aber noch mit einem Ausfallschritt ausgleichen, sodass sie nicht noch mal im Nassen landeten, dann verließen sie den Teich und er ließ Jane vorsichtig runter. Als sie schließlich von ihrem Begleiter runterklettern konnte und wieder Boden unter den Füssen hatte, atmete die junge Frau erleichtert auf. "Wenn man bedenkt, dass du einfach hättest hochspringen können, war das ziemlich umständlich", kommentierte sie die Aufgabe, bevor sie sich mit ihm auf den weiteren Weg begab. "Für uns sind die Anforderungen halt etwas zu niedrig, da müssen wir es spannender machen… Wolltest du nicht sowieso mal wieder in den Zirkel, um zu trainieren?", fiel ihm ein, dass sie vor ein paar Tagen mal etwas in der Art erwähnt hatte. Jane nickte und dachte darüber nach, wann wohl der beste Zeitpunkt wäre, während sie weiterliefen. Sie diskutierten schon, ob sie sich verlaufen hatten und umkehren sollten, als sie an eine Plattform kamen, an der ein recht gelangweilter Parkangestellter lehnte. "Ihr könnt hier nur mitmachen, wenn ihr die Handfessel gelöst habt… Ah, so weit seid ihr schon", stellte der Mitarbeiter mit einem Blick auf ihre Handgelenke fest und löste sich endlich von seiner Wand, um ein paar Sicherheitsgurte zur Hand zu nehmen. Dabei kam Jane nicht umhin, leicht zu schmunzeln, als sie sah, mit welchem (nicht vorhandenen) Elan der Mitarbeiter auf die Teilnehmer wartete. "Wenn ihr es versuchen wollt, müsst ihr euch an dem Seil runter zur nächsten Plattform schwingen. Von da aus führt ein Parcours zu den nächsten Sternen. Wollt ihr?" Die beiden sahen sich an, worauf sich fast synchron ein kleines Grinsen auf ihren Lippen bildete. Na, das hörte sich doch vielmehr nach Janes Geschmack an als Mehlwürmer. Sie ließen sich von dem Mann erklären, wie die Sicherheitsgurte richtig angelegt wurden, dann sprang Aiden als erster, wofür er sich mit vollem Gewicht ins nichts fallenlassen musste. Jane ließ sich befestigen und sprang dem Vampir hinterher ohne mit der Wimper zu zucken. Von Angst war keine Spur zu sehen, viel mehr durchfuhr sie ein Rausch und sie grinste breit, während sie in rasanter Geschwindigkeit nach unten schoss. Etwa dreißig Meter vor dem Ende bremste die Konstruktion automatisch ab, sodass die Passagiere sicher auf der Plattform landeten. "Glaubst du, wir können das nochmal machen?", fragte Aiden begeistert, als Jane bei ihm angelangte. "Nun, ich hätte nichts dagegen", erwiderte die Brünette, während sie sich abschnallte. "Wenn ihr noch mal hochklettert, sicher", sagte ein zweiter Guide belustigt, der gerade auf sie zugetreten war, dann zeigte er ihnen, wo sie lang mussten. Der Parcours stellte sich als eine Art Hochseilgarten heraus, in dem man sich in verschiedenen Arten fortbewegen musste, zum Beispiel von Seil zu Seil schwingen, über wackelnde Bretter balancieren und dergleichen. Das Ganze war für Jane alles andere als schwierig, da sie seit ihrer Jugend auf ein sehr hartes Training hatte absolvieren müssen. Betrachtete man die Aufgaben aber aus Sicht eines Normalsterblichen, dann wäre es wohl kompliziert und alles andere als verwunderlich, wenn man mehrere Anläufe benötigte. Die beiden schafften in Rekordzeit den Durchgang und erreichten das Hindernis, auf dem der Stern gelagert war. Aiden hatte seinen Spaß, als er an einem glattpolierten Baumstamm hochkletterte, um ihre Trophäen zu besorgen. Das hätte man auch einfacher haben können, indem man Sprossen benutzte, die ins Holz gelassen waren, aber der Vampir schaffte es auch so und kehrte mit einem Sprung aus knapp drei Metern sicher neben seine Begleitung zurück. Während Aiden kletterte, hatte Jane ihm belustigt zugesehen und schüttelte leicht den Kopf, als er wieder bei ihr war. "Als Äffchen würdest du dich ziemlich gut eignen", meinte sie zu seiner akrobatischen Einlage, womit sie indirekt auf seine 'Schoßhündchennatur' ansprach. Dabei kam sie nicht umhin, zum absurden Zeitpunkt zurückzudenken, an dem sie ihn gefragt hatte, was er beim Befehl 'Spring!' tun würde. Bei den aufkommenden Erinnerungen, konnte sie gar nicht anders, als kurz zu lachen. Bei geeigneter Gelegenheit würde sie das vielleicht sogar einmal austesten... "Ein Stern noch", stellte Aiden gut gelaunt fest, als sie sich wieder auf den Weg machten, um den Hochseilgarten zu verlassen. Es war ziemlich offensichtlich, dass ihm diese letzte Aufgabe Spaß gemacht hatte. Die letzte Prüfung war allerdings wieder recht stumpfsinnig, da man dafür, nachdem man durch einen niedrigen Tunnel gekrabbelt war, in einer Nische voller Moder nach den Sternen suchen musste. Anspruchsvoller war da schon, den Ausgang wieder zu finden, aber nach einer Weile erreichten die beiden das Ende der Attraktion und wurden als erste aus ihrer Gruppe zurückbegrüßt. Inzwischen waren ihre Kleider wieder leidlich trocken und sie konnten sich angenehmer Weise die Hände nach der Aktion mit dem Schleim waschen. Während sie sich säuberten, kam eine Parcours-Mitarbeiterin auf sie zu und übergab ihnen die Handschellen mit dem Schlüssel. "Da ihr die Ersten wart, bekommt ihr als Preis die Handschellen. Viel Spaß damit", wünschte die junge Frau und drückte Jane die Handfesseln in die Hand, bevor sie sich zurückbegab, damit sie sich um die anderen Teilnehmer kümmern zu können. "Ein höchst.... interessanter Preis. Willst du die Dinger?", wollte die Vampirjägerin wissen, als sie ihren Plüschhund wiederhatte. Ihr Begleiter lachte leise, als sie neben den Handschellen noch ihr Stofftier in den Armen hielt, eine einfach verrückte Mischung. "Man weiß nie, wofür es mal gut sein wird", meinte er schulterzuckend, als sie die Attraktion wieder verließen, in der sie eine ganze Weile zugebracht hatten. In dieser Zeit hatte der Himmel zugezogen und alles deutete auf den Wolkenbruch hin. Noch ehe sie sich umsehen und für eine weitere Bahn entscheiden konnte, fielen die ersten Regentropfen, sodass die junge Frau innehielt und nach oben blickte. Na toll, da waren sie gerade eben trocken geworden und nun schien es, als ob sie gleich wieder nass werden würden. "Wir sollten uns beeilen und Unterschlupf suchen", schlug Jane vor und ging mit etwas schnelleren Schritten los. Wie auf Stichwort donnerte es und es dauerte kaum eine weitere Minute, bis es wie aus Kübeln schüttete und die Besucher des Parks durch die Gegend rannten, um sich möglichst schnell unterstellen zu können. Kurzerhand zog Aiden seine Jacke aus, um sie über sie beide zu halten, während Jane und er einen sicheren Unterschlupf suchten. Da sie nicht die einzigen waren und es nicht übermäßig viele überdachte Attraktionen gab, stellte sich das aber als schwer heraus. "Sollen wir gehen?", fragte Aiden, als sie schon eine Weile gesucht hatten. Nachdem es so heftig geregnet hatte, würden die meisten Bahnen wohl erstmal sowieso geschlossen bleiben, und sie waren bereits eine ganze Weile hier. Also beschlossen sie, den Park zu verlassen. Sie waren allerdings schon ziemlich durchweicht, als sie Janes Auto eine Weile später erreichten. Aiden packte seine pitschnasse Jacke auf den Rücksitz, als Jane losfuhr. "Das war jetzt ein unrühmliches Ende", lachte er, dann sah er sie neugierig an. "Ich hoffe, du hattest trotzdem Spaß?" "Es war eine willkommene Abwechslung", antwortete die Brünette. Mal wieder konnte sie nicht einfach nur 'Ja' oder 'Nein' sagen. Auf der Heimfahrt ließ der Regen kaum nach, sodass es wohl gut gewesen war, dass sie den Park verlassen hatten. Sie brauchten länger als für die Anfahrt, aber schon auf dem kurzen Weg vom Auto ins Haus waren sie bereits wieder nass. Jane beschloss, ein Bad zu nehmen, und ließ warmes Wasser in die Wanne, um einer Erkältung vorzubeugen. Nach einiger Zeit begab sie sich mit einer heißen Tasse Tee ins Wohnzimmer, wo sie sich auf der Couch niederließ und wie gewohnt die Nachrichten im Fernsehen verfolgte. Neben irgendwelchen Unfällen, Überfällen und sonstigen, unbedeutenden Geschehnissen auf der Welt gab es keine ungewöhnlichen Ereignisse, die Janes Interesse weckten. Auch die Tatsache, dass ihr vampirischer Mitbewohner sich neben ihr niederließ, war inzwischen selbstverständlich für Jane. Er erkundigte sich, ob sie wüsste, wo Elizabeth war, dann schwiegen sie einträchtig. Janes Augen wurden mit der Zeit deutlich schwerer und ihr Körper bekam die Erschöpfung zu spüren, die der Tag im Freizeitpark mit sich brachte. Sicher, die war fitter als die meisten, doch sie waren viel herumgelaufen und hatten sich besonders bei der Dschungel-Attraktion sportlich betätigt. Deshalb wurde sie von Müdigkeit übermannt, sodass sie neben dem Vampir einschlief und ihr Kopf wie von selbst seitlich auf dessen Schulter landete. Die junge Frau schlief ruhig und machte keine Anstalten, aufzuwachen - selbst dann nicht, als ihr ständiger Begleiter auf sie einsprach und sie wecken wollte. Stattdessen seufzte sie kurz und lehnte sich an ihn. Hätte sie ihr eigenes Verhalten bemerkt, wäre sie höchst alarmiert gewesen, schließlich sprach es von großem Vertrauen, nicht nur neben einem Vampir einzuschlafen, sondern mit diesem zu kuscheln. So sehr die Brünette behauptete, Aiden kein bisschen zu mögen oder ertragen zu können, so sehr widersprachen ihre Handlungen dem Gesagten. Würde sie sich in seiner Nähe kein bisschen wohlfühlen, wäre sie niemals in der Lage gewesen, so tiefenentspannt neben ihm zu schlafen oder sich irgendwie an ihn zu lehnen. Doch sie bekam weder ihr eigenes Verhalten noch die Reaktion ihres Mitbewohners darauf mit, denn Jane schlummerte friedlich an Aidens Seite. Kapitel 21: Mylady ------------------ Aiden, den das Wetter irgendwie an ein schlechtes Omen erinnerte, war nach ihrem Ausflug noch ein wenig in seinem Zimmer geblieben und hatte den Regen beobachtet, der die Straße in einen Sturzbach verwandelte. Nach einer Weile schüttelte er aber den Kopf, raffte sich auf und ging Jane suchen, die im Wohnzimmer fernsah. Kommentarlos ließ er sich neben ihr nieder. Wie normal es in letzter Zeit geworden war, Zeit miteinander zu verbringen… Aiden warf einen Blick zu seiner Sitznachbarin und fragte sich, was sie tun würde, wenn er ihr von seinen Erkenntnissen bezüglich Nathaniel erzählen würde. Zu Beginn ihrer Bekanntschaft hätte sie nicht gezögert, ihn zu töten, das wusste er – sie hatte ja noch nicht mal so einen triftigen Grund wie den Mord an ihrem Vater gebraucht, um Aiden umbringen zu wollen. Doch jetzt hatten sie mehr Zeit sich besser kennengelernt, zusammengearbeitet und waren dabei, sich anzufreunden. Es fiel Aiden schwer, sich vorzustellen, dass Jane so einfach die Hand gegen ihn erheben würde. Doch das konnte natürlich genauso gut Wunschdenken sein, geboren aus seinen Gefühlen für die junge Frau. Diese entwickelten sich in eine Richtung, die den Vampir beunruhigte. Vor allem seit Halloween drifteten seine Gedanken immer öfter in eine unangebrachte Richtung, so sehr er sich wieder und wieder vorsagte, dass sie noch ein Kind war im Vergleich zu ihm und dass er schon mal eine Beziehung mit einer Menschenfrau versucht hatte, die genau an dieser Andersartigkeit gescheitert war. Wenn sie ihn nur nicht genau hier geküsst hätte vor nicht mal zwei Wochen... Weil er gerade daran gedacht hatte, wie sie sich zu ihm gebeugt hatte, um die Lippen auf seine zu legen, zuckte Aiden zurück, als er plötzlich den Kopf seiner Sitznachbarin an der Schulter hatte. "Jane...? Willst du nicht ins Bett gehen...?", fragte er verlegen, als er merkte, dass sie einfach nur eingenickt war und sonst nichts passieren würde. Was hatte er denn gerade bitte erwartet? Jane wachte jedoch nicht auf, auch nicht, als er sie nochmal ansprach, und schließlich gab Aiden auf. Er versuchte noch eine Weile, sich auf das Fernsehprogramm zu konzentrieren, beschloss dann aber, die junge Frau ins Bett zu bringen. Vorsichtig hob er sie hoch, trug sie in ihr Zimmer und strich eine Strähne aus ihrem Gesicht, nachdem er sie ins Bett gelegt hatte. Wahrscheinlich war sie erschöpft von ihrem Ausflug. "Gute Nacht", flüsterte er, dann zog er sich leise zurück. Die Nacht schlug Aiden sich in seinem Zimmer um die Ohren, obwohl er lieber draußen gewesen wäre. Er hörte Elizabeth nach Hause kommen, hatte aber kein Bedürfnis, mit ihr zu sprechen. Die Ärztin hätte gemerkt, dass etwas in ihm vorging, und er wollte nicht, dass sie Jane nochmal auf ihn ansetzte. Gott, dieses Gespräch im Waschkeller… Er wollte gar nicht daran denken. Schließlich ging die Hausherrin zu Bett und Stunden später flaute endlich der Regen ab. Sobald es trocken war, verließ er das Haus und kehrte erst am Vormittag zurück. Jane wartete schon, um mit ihm zur Uni aufzubrechen, wo sie einen ruhigen Tag verbrachten. Als die Studenten abends zurückkehrten, bereitete die Hausherrin bereits das Abendessen vor. Aiden begrüßte sie und unterhielt sich höflich mit Elizabeth, wobei er sich jedes Mal zwingen musste, ihr in die Augen zu sehen. Es fiel ihm so schwer, mit ihr zu reden, seit er wusste, dass er ihren Mann getötet hatte, viel schwerer als bei Jane. Das mochte daran liegen, dass er die Tochter für robuster hielt als die Mutter oder daran, dass Jane ihn von Anfang an nicht hatte ausstehen können, während Liz ihm gegenüber immer freundlich gewesen war. Er kannte den Grund nicht, aber es machte ihm zu schaffen. Von allen Lebewesen dieser Erde hatte er am wenigsten Recht darauf, so offen von den McCollins-Damen behandelt zu werden, und doch hatten sie ihn hier aufgenommen, Elizabeth war bemüht, mehr über ihn zu erfahren und es ihm angenehm zu machen und Jane verbrachte sogar ihre Freizeit mit ihm. Es gefiel Aiden, bei ihnen zu leben, und er schämte sich dafür. Jane war direkt in ihr Zimmer gegangen, um ihre Sachen abzulegen, während ihre Mitbewohner sich unterhielten, und kehrte jetzt zurück. Als sie wenig später zum Abendessen am Tisch saßen, fiel ihr wohl etwas ein, denn sie wandte sich an ihren Haus-Vampir. "Ich werde heute im Zirkel trainieren", informierte die Vampirjägerin ihren Mitbewohner, ehe sie ihrer Mutter etwas vom Auflauf auf einen Teller tat, den sie ihr reichte. "Kommst du mit oder hast du schon etwas Anderes vor?“ Der Vampir musste leicht schmunzeln, egal, was die sonstige Situation war. Ob Jane überhaupt bewusst war, wie es aussah, wenn sie ständig mit ihm an ihrer Seite in der unterirdischen Stadt auftauchte? Die Gerüchte, was ihre ´Beziehung` betraf, hatten sich zwar wohl nach Janes resoluter Klarstellung verlaufen. Dass er aber ihr Partner war oder werden könnte, stellte sich durch ihr Verhalten schon ziemlich deutlich dar. Immerhin war er selbstständig kein Zirkelmitglied und hatte prinzipiell nichts dort unten zu suchen. Da er aber mitkommen wollte, sah er davon ab, Jane durch diese Tatsache zu reizen, sondern sagte einfach, dass er noch nichts anderes vorhatte und sie gerne begleiten würde. So machte er sich fertig und saß wenig später neben seiner Mitbewohnerin im Auto. "Übrigens gibt es dort auch Parcours und Trainingsgeräte für Vampire. Du könntest dich dort also austoben", erklärte sie Aiden, womit sie seinen Gedanken von ihrer ´Zusammengehörigkeit` auf professioneller Ebene nur noch weiter unterstützte. Mit einem schlecht verhohlenen Grinsen nickte er. "Gute Idee. Aber darf ich das überhaupt? Immerhin bin ich kein Mitglied des Zirkels", erinnerte er sie trotzdem, immerhin war es schon ungewöhnlich genug, dass man seine Anwesenheit dort unten zuließ, obwohl er keinen Auftrag mit Jane erledigte. "Klar. Bisher hat niemand etwas gesagt. Sollte es Probleme geben, werde ich mich einmischen. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass es einen gewissen, älteren Herren freuen wird, wenn man dich dort herumturnen sieht", erwiderte sie, nachdem sie kurz fragend die Stirn gerunzelt hatte. Mal wieder eröffneten Janes Beziehungen zum Anführer des Zirkels ihr - Und somit wohl auch Aiden - gewisse Vorteile. Nun, in diesem Fall würde er sich sicher nicht beschweren, und zu sehen, wie Jane jemanden zusammenstauchte, der versuchte, ihn zu verscheuchen, hätte sicherlich etwas. Bei dem Gedanken grinste er, hielt sich jedoch mit Kommentaren zurück, als Jane parkte und sie sich auf den Weg zum Zirkel machten. Sie betraten gemeinsam den Aufzug, der sie unter die Oberfläche brachte, sodass sie direkt den großen Sport- beziehungsweise Trainingsplatz ansteuern konnten. Wie es aussah, hatte Aiden sich wirklich mal wieder zu viele Gedanken gemacht, denn niemand hielt ihn auf, als er mit seiner Partnerin (Ob sie sich jetzt selbst als solche sah oder nicht) das weitläufige Trainingsgelände betrat, auf dem bereits einige Zirkelmitglieder verschiedener Rassen trainierten. Wie er bereits erwartet hatte, erregte seine Anwesenheit ein bisschen Aufmerksamkeit, aber er ignorierte sie, als er Jane, die sich im Gehen das Haar zu einem Pferdeschwanz hochband, zu ihrem Trainingsbereich begleitete. "Kann ich dir irgendwie helfen?", erkundigte er sich, während er die offensichtlich für den menschlichen Gebrauch gedachten Geräte begutachtete. Andere Teams trainierten bereits zusammen, die Frage war nur, ob sie bereit war, ihn so offen in ihre Vorbereitungen mit einzubeziehen. Am letzten Nachmittag hatte ihre Zusammenarbeit auf einer ähnlich spielerischen Ebene ziemlich gut geklappt. Aber wenn sie das nicht wollte, wäre es ok, dann würde er eben mit den anderen anwesenden Vampiren sprechen und die für seine Art ausgelegten Vorrichtungen benutzen, die ihn sehr interessierten. Doch Jane deutete auf einen speziellen Parcours für gemischtrassige Teams, der über die ganze Länge des Trainingsplatzes führte. Dieser beinhaltete zwei Laufstrecken, mit unterschiedlichen, teilweise plötzlich auftauchenden Hindernissen. Der Clue dabei war allerdings, dass gewisse Barrieren nur mit der Hilfe des Partners überwunden werden konnten. Dazu musste der eine zum Beispiel einen Schalter betätigen, der an einem Seilende in einer unglaublichen Höhe befand oder sich hinter einer Mauer versteckte. Wenn man wollte, konnte man die Zeit stoppen, wobei die Zeit erst angehalten wurde, wenn beide Personen das Ziel erreicht hatten. "Lust, das auszuprobieren?", wollte die Brünette wissen. Wie man schon bei ihrem Besuch im Freizeitpark gemerkt hatte, war so etwas genau sein Ding, sodass Aiden selbstverständlich zustimmte. Die beiden begaben sich an den Startpunkt, wo sie etwas warten mussten, bis zwei andere Teams fertig wurden, dann kam bereits der Startschuss für sie. Der Anfang von Aidens Strecke führte unter einem Stacheldraht durch, bevor er auf einer scheinbar leeren Fläche landete. Erst, nachdem er sich kurz umgeblickt hatte, sah er über sich ein frei hängendes Seil, das etwa drei Meter über ihm baumelte. Er duckte sich leicht, bekam das Ende zu fassen und hangelte sich empor, bis er an einen Kopf gelangte. Dieser setzte eine Mauer auf Janes Bahn in Bewegung, die deren Weg blockiert hatte. Er wartete, bis sie das Hindernis überwunden hatte, dann schaukelte er ein wenig an dem Seil hin und her, bis er über ihrer Bahn war, und ließ sich auf die wieder ansteigende Mauer fallen. Nach dieser etwas angeberischen Stunt-Einlage folgte er Jane, die inzwischen einen kleinen Vorsprung hatte. Er grinste entschuldigend, als sie ungeduldig zu ihm zurück blickte, weil sie bereits ein Hindernis für ihn beseitigt hatte, aber nicht weiter kam, bis er dieses passiert hatte. Na gut, dann eben keine Spielchen. Der nächste Teil der Übung war für Aiden schon deutlich unangenehmer, da die Übungsgeräte scheinbar zumindest zum Teil mit Silber ausgekleidet waren. Es war nicht so, dass er richtige Schmerzen hatte, mehr wie ein latenter Kopfschmerz, der ihn ablenkte, als er in einer komplizierten Vorrichtung fünf Meter über dem Boden eine fünfzehn Meter lange Strecke zurücklegte. Dabei musste er zusätzlich Jane für eine gewisse Zeit an genau der richtigen Stelle halten, damit sich der Rest des Weges öffnete. Jedenfalls war Aiden froh, als er dieses Gerät hinter sich lassen und silber-frei weiter machen konnte. Da er den Rest des Parcours ein wenig ernster nahm, meisterten sie auch diesen ziemlich gut. Trotzdem grinste er breit, als sie am Endpunkt angelangt waren und er sogar ein bisschen außer Atem geraten war. "Das macht Spaß", zeigte er dann doch wieder seine fehlende Seriosität, den Blick zurück auf den Hindernislauf gerichtet, als würde er ihn gleich nochmal durchgehen wollen. Etwas atemlos wandte sich Jane an ihren ständigen Begleiter, wobei sie schmunzelte und sich die Haare hinters Ohr strich. "Die ändern den Parcours einmal die Woche. Genügend Spaß wäre von daher also vorhanden", erklärte sie ihm, ehe sie ein wenig zur Seite ging, da gleich hinter ihnen ein weiteres Team folgte und sie nicht im Weg stehen wollte. Während sie das folgende Paar beobachtete, die das ganze natürlich routinierter angingen als Jane und Aiden, schnappte die junge Frau sich eine Flasche Wasser und trank einen großen Schluck davon. Während sie dem anderen Team zusahen, fragte Aiden, ob es so einen Kurs für Solo-Jäger gab, wie dieser aufgebaut war, ob die Schwierigkeit schwankte und dergleichen mehr. Man merkte ihm deutlich an, dass er sich in diesem Bereich des Zirkels wohl fühlte, was in den anderen Gegenden, die er bisher gesehen hatte, nicht der Fall gewesen war. Sowohl im Rüsthaus als auch im Hauptquartier und sogar in der Einkaufsmeile hatte er sich sehr dicht bei seiner Begleitung gehalten, aber hier streunte er ein wenig herum, um sich alles anzusehen. Dabei wurde er von zwei Vampiren abgefangen, die ihn neugierig befragten, wie zur Hölle er es geschafft hätte, Jane dazu zu bringen, mehr als das Nötigste mit ihm zu reden. „Das frage ich mich ehrlichgesagt auch“, gestand er schmunzelnd, und die beiden lachten. „Sie sind natürlich alle störrisch und glauben, sie hätten die Weisheit mit dem Löffel gefressen“, seufzte der brünette, weibliche Vampir. „Aber was man so hört, soll dieses Exemplar besonders halsstarrig sein. Aram wollte sie mal irgendwas administratorisches fragen, und sie muss sich einfach umgedreht haben und gegangen sein, ohne zu antworten, nur, weil er ein Vampir ist.“ „Unhöfliche Kinder. Man fragt sich wirklich, wieso Eldric sich so etwas bieten lässt“, stimmte ihr schwarzhaariger, männlicher Artgenosse zu. In Gedanken bei seinem Gespräch mit dem Zirkeloberhaupt, beobachtete Aiden seine Partnerin, die gerade Bankdrücken machte. Die beiden hatten Recht, mit dem, was sie über Jane sagten, doch zudem war sie zielstrebig, selbstsicher, (meistens) intelligent, unabhängig, mutig und aufopfernd. Sie wusste, was sie wollte, und wie sie es bekommen konnte. Dass sie dabei anderen auf den Schlips treten konnte, war ihr eben egal. Natürlich konnte sie ein unglaublich verwöhntes Gör sein, doch das war wohl ihrer Jugend geschuldet. Insgesamt war Jane, zumindest in Aidens Augen, eine durchweg faszinierende Frau. Als die anderen Vampire ihn fragend ansahen, zuckte er nur lächelnd die Schultern, meinte: „Ich kann nicht für Eldric sprechen“, und wechselte das Thema. Als würde er über sein 'Frauchen' lästern, pf... Dieses gesellte sich wenig später wieder zu ihm, deutete auf eine abgeschlossene Anlage und verlangte: „Lass uns das machen.“ Ein kurzer Blick zeigte dem breit grinsenden Aiden, dass es sich um eine Paintball-Arena handelte. Das wurde ja immer besser! Er verabschiedete sich von seinen Gesprächspartnern, um mit der Jägerin zu dem gesonderten Bereich zu gehen, vor welchem sie Helme und Schutzbrillen bekamen. Um sich nicht die Kleidung zu ruinieren, nahm er die Schutzausrüstung, die ihm gegeben wurde, dann ließ er sich kurz die Funktion der Spielzeugwaffe erklären und schon fand er sich zusammen mit seiner Partnerin und vier anderen Teams auf dem Platz wieder. Auf der Anlage roch es betäubend nach dem Schweinefett, mit dem die Farbpatronen gefüllt waren. Aiden rümpfte die Nase, als er sich hinter eines der Hindernisse duckte und darauf wartete, dass es losging. Er fragte sich flüchtig, ob der Gestank beabsichtigt so stark war, um es Vampiren schwerer zu machen, ihre Gegner zu wittern, dann ertönte das laute Signal und er lauschte auf Geräusche, die andere Teilnehmer machten. Er nahm eine winzige Bewegung wahr und duckte sich in die andere Richtung weg. Vorsichtig blickte er um seinen Heuhaufen und erspähte die Kante eines Helmes. Ohne wirklich mit einem Treffer zu rechnen legte er an, zielte bedächtig und feuerte. Wie erwartet traf er nicht, aber immerhin brachte er so das Spiel ein wenig in Fahrt. Die Helmkante verschwand wieder, dafür huschte ein anderer Spieler schattenhaft über das Gelände. Aiden folgte ihm mit den Augen, blieb aber, wo er war, da er durch das Sichtfeld des Helms hätte laufen müssen. Stattdessen suchte er nach einer geeigneteren Stelle, um die Lage zu überblicken, und wich auf dem Weg dorthin mit einer Rolle seitwärts ein paar Geschossen aus. Seinem Grinsen nach zu schließen hätte man meinen können, das hier wäre ein lustiges Brettspiel, aber als er einem Gegner von hinten ins Kreuz schoss, revidierte das dieses Bild irgendwie. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Jane einen Gegner erledigte, konnte sie aber selbst nicht treffen, ohne sich anderen Spielern zu offenbaren, also blieb er lieber erstmal in Deckung und wartete auf einen besseren Moment. Ganz in der Nähe spielte sich ein Schusswechsel ab, der Aiden tiefer in den Schutz seines Plastikquaders zurückweichen ließ. Fasziniert sah er zu, wie bunte Farbpatronen umherflogen, zu schnell für Menschenaugen, doch für ihn geraden noch zu sehen. Kurz darauf entfernte sich eine enttäuschte Jägerin vom Spielfeld. Er sah der Frau einen Moment zu lange nach und hätte das fast damit bezahlt, selbst erwischt zu werden. Gerade noch konnte er sich hinter ein zylinderförmiges Kunststoffhindernis retten, das er austestend ein wenig anhob. Es war zwar schwer, ließ sich aber bewegen. Mal wieder zögerte er kurz, aber es hatte ja niemand gesagt, dass man das Spielfeld nicht mit einbeziehen durfte. Also fing er an, den Zylinder vorwärts zu rollen, erst langsam, dann schneller, je mehr Fahrt er aufgenommen hatte. Dabei klatschten einige Geschosse gegen das Hindernis, konnten ihr Ziel logischerweise aber nicht erreichen. Aiden sprang hinter dem Zylinder weg und ließ sich auf einen Heuballen krachen, hinter dem ein sichtlich erboster weiblicher Vampir hervor sprang, den er bei der Gelegenheit gleich mal abfeuerte. Der Heuballen war nur noch ein Häufchen Stroh, was hoffentlich keinen Ärger geben würde. Seine Schuldgefühle hielten sich aber in Grenzen und flauten völlig ab, als kurz darauf das letzte Mitglied eines anderen Teams das Spielfeld verlassen musste, nachdem Jane ihn getroffen hatte. Jetzt waren sie also alleine. Ein Grinsen schlich sich auf seine Züge, das nicht mit dem sonstigen, warmen Lächeln zu tun hatte, dass er Jane gegenüber anschlug. Das Spiel und wer am Ende gewann war ihm völlig egal, aber er liebte die Herausforderung. Und Jane war tatsächlich eine Herausforderung, wenn sie richtig bewaffnet war. "Du kannst noch aufgeben, weißt du", schlug er ihr über das Spielfeld hinweg laut vor, wofür gleich mal ein Schuss in seine Richtung abgegeben wurde. Das hieß wohl nein. "Dass ich nicht lache! Du weißt ganz genau, dass du keine Chance gegen mich hast, wenn es darum geht, mit Waffen zu kämpfen!", rief sie ihm laut entgegen, scheinbar nicht beeindruckt davon, dass er hier ohne weiteres die Einrichtung demolierte. Den Rücken an die Holzwand gepresst, schlich er sich zum Rand des Versteckes und witterte, was jedoch wegen des Fettes schwer war. Sie würden wohl oder übel aus ihrer jeweiligen Deckung kommen müssen, sonst saßen sie hier noch den ganzen Tag. Um wenigstens eine bessere Position zu haben, hechtete er von der Wand weg zu den Resten des Heuballens und dem Zylinder. Mit den Augen suchte er die Umgebung ab und da, endlich, nahm er ihren Geruch ganz schwach wahr. Ohne nochmal nachzudenken, feuerte er einfach drauf los und nach kurzem Zögern erwiderte Jane die Salve aus ihrem Versteck. Es war unmöglich, zu sagen, wer wen zuerst getroffen hatte. Als ihre Projektile leer waren, waren sie beide völlig eingesaut mit bunten Farbkleksen und zumindest Aiden strahlte übers ganze Gesicht. Sie verließen die Anlage wieder und gaben die dreckige Schutzkleidung ab. "Hier können wir echt öfter herkommen", sagte er begeistert, bevor sie ein paar Strategien durchgingen, die beim Kampf hätten nützlich sein können, immerhin war das gerade nicht nur ein Spiel, sondern Training gewesen – obwohl es Aiden dafür vermutlich ein bisschen zu viel Spaß gemacht hatte. Sie diskutierten noch, als über das Feld hinweg jemand: „Jane!“, rief. Es war eine Jägerin, etwas jünger als Jane – Aiden schätzte sie auf 18 oder 19 – mit kurzen, roten Haaren voller Gel, die auf das Team zulief und ihre Kollegin begrüßte, bevor sie dem Vampir eher knapp zunickte. „Hast du gerade Zeit? Ich hätte etwas, über das ich unter vier Augen mit dir sprechen müsste.“ Die Brünette zögerte kurz, ehe sie nickte. An Aiden gewandt sagte sie: „Tob dich ruhig weiter aus“, dann folgte sie der Jüngeren ein gutes Stück über die offene Trainingsanlage. Er schmunzelte, als Jane ihn ´entließ`, folgte aber ihrem Vorschlag und sah sich auf eigene Faust noch ein wenig um. Er unterhielt sich mit ein paar Leuten, blieb dann aber stehen, um einen Übungskampf zwischen zwei Vampiren zu beobachten, der einen großen Teil des Trainingsplatzes beanspruchte. Man sah den Kontrahenten an, dass sie wussten, was sie taten und höchst konzentriert vorgingen. Zusammen mit einem kleinen Publikumskreis sah Aiden zu, wie die Kontrahenten sich durch die Gegen warfen, als wögen sie nichts, und wieder aufsprangen, als wäre es eine kleine Ungeschicklichkeit, zehn Meter ungebremst über den Boden zu schlittern. Das war etwas, das er mit seiner Partnerin nicht machen könnte, und er brannte darauf, sich einen Artgenossen zu suchen und sich mit ihm oder ihr zu messen. Dazu kam es allerdings nicht, denn der Kampf der beiden Vampire wurde beendet, indem einer von ihnen den anderen am Bein packte, sich ein paar Mal um sich selbst drehte und ihn wie einen Diskus quer über den Platz schleuderte. Dabei prallte das ´Wurfgeschoss` mit voller Wucht gegen eine Säule, welche ein ungesundes Knacken vernehmen ließ. Der geschleuderte Vampir sah etwas verwirrt aus der Wäsche und wurde von ein paar Kollegen aus dem Weg gezogen, als die Säule sich bedrohlich in seine Richtung neigte. Aiden, der das ganze eher interessiert als besorgt verfolgt hatte, ließ den Blick etwas schweifen - Und erstarrte, als er sah, wer genau in Fallrichtung der Säule stand. Jane. Noch bevor sich irgendein Gedanke geformt hatte, rannte er bereits los, ohne zu wissen, was er tun wollte, nur sicher, dass er etwas tun musste, um Jane zu beschützen. Genauso gedankenlos löste sich der Schrei aus seiner Kehle. "Mylady!", rief er, als die Säule mit einem dumpfen Dröhnen auf dem Boden aufschlug. Ohne anzuhalten lief er durch den aufgewirbelten Staub und sah, Gott sei Dank, Jane unversehrt auf sich zu stapfen. Es war ihr dank ihres hervorragenden Trainings wohl gelungen, noch rechtzeitig zur Seite zu springen. Das Ganze war jedoch so knapp gewesen, dass sich sämtliche Anwesenden in der Sporthalle nach ihnen umsahen und nach und nach mit bleichen Gesichtern auf den Ort des Geschehens zuströmten. Stimmen riefen nach einem Arzt, doch Aiden sah, dass die Jägerin unversehrt war. "Bist du in…?", fing er trotzdem an, als sie vor ihm stand, wurde jedoch von ihrer scharfen Frage plötzlich unterbrochen. Der Aufruhr um sie herum ignorierend zischte die Vampirjägerin wütend: "Was hast du gesagt?" "In Ordnung?", fuhr der Vampir sichtlich verwirrt fort, da er gar nicht gemerkt hatte, was er da in seinem Schreck gerufen hatte. Erst, als er darüber nachdachte, zuckte er schuldbewusst zusammen und sah zur Seite. Unbehaglich verschränkte er die Arme vor der Brust, der ganze Körper war angespannt, eine reine Abwehrhaltung. "Ich habe mir nur Sorgen um dich gemacht", erwiderte er ausweichend. Er wollte nicht darüber reden, dieses Thema war gerade in Bezug auf Jane so sensibel und er vertraute sich selbst nicht, nicht schon wieder wütend zu werden. Sie war offensichtlich bereits geladen, und er wusste ja, dass sie es drauf hatte, bei ihm gewisse Hebel umzulegen. "Das ist auch nicht wichtig. Geht es dir gut?", beharrte er auf seiner Frage. "Nenn mich nie wieder so. Ich bin nicht sie", ignorierte die Vampirjägerin mit schneidendem, eisigem Unterton in ihrer Stimme Aidens Versuche, das Thema zu wechseln. Er kam nicht mehr dazu, noch etwas zu sagen, bevor andere Zirkelmitglieder sich um sie versammelten und ihre Anteilnahme beziehungsweise Neugierde bekundeten. Es war sogar ein Sanitäter geholt worden, der Jane gegen ihren Willen zwang, sich zu setzen, um sie zu untersuchen. In dem Aufruhr wurde Aiden immer weiter abgedrängt, bis er schließlich am Rande einer aufgeregten Gruppe stand, die sich um seine Partnerin scharte. Stimmen wirbelten durcheinander, die beiden Vampire entschuldigten sich mehrmals, man beklagte die schlechte der Bauart der Säule und die Unvorsichtigkeit der jungen Jägerin, doch das alles brandete über einen teilnahmslosen Aiden hinweg. Aus dem Kontext erschloss er zwar, dass seine Partnerin in Ordnung war, aber diese Erkenntnis beruhigte ihn im Moment wenig. Schweigend wartete er ab, während ihre Kollegen sich um die junge Frau scharten, die den Unfall als Lappalie abtat, was er selbstverständlich nicht gewesen war. Sie hätte sterben können, Herrgott nochmal... Aiden selbst blieb, entgegen seines immensen Drangs, einfach abzuhauen. Er wollte sie nicht sehen und daran erinnert werden, dass sie eben nicht Jane Grey war, dass sie eben nicht zu ihm gehörte und das nie tun würde. Aber er wollte eben auch sicher gehen, dass sie nach dem Zwischenfall sicher nach Hause kam und sich kein verspäteter Schock einstellte. Wortlos schüttelte Aiden den Kopf, als Jane fragte, ob er noch bleiben wollte, also verließen sie den Zirkel und fuhren nach Hause. Dort angekommen sprach er nicht, wie es sonst seine Art gewesen wäre, das Problem offen an, sondern zog sich auf sein Zimmer zurück, sobald es die Höflichkeit zuließ. Er hielt es einfach nicht mehr in Janes Nähe aus, aber die Einsamkeit machte es nicht besser. Auf seinem Bett sitzend presste er die Handflächen gegen seine Schläfen und wippte vor und zurück, alles nur, um die Gedanken loszuwerden, die sich mit aller Macht in sein Bewusstsein drängten, Gedanken, mit denen er sich auseinanderzusetzen jetzt schon seit Monaten vermied. Wie erwartet hatte schon das Anschneiden dieses sensiblen Themas Aiden unruhig gemacht, wenn nicht sogar wütend. ´Mylady`… Wie hatte er so dumm sein können, sie mit dieser altertümlichen Anrede anzusprechen? Aber es war ja nicht so, als hätte er Jane im normalen Gesprächsverlauf so genannt oder würde es ständig tun. Er hatte es einfach nicht kontrollieren können in seiner Angst um sie... Vielleicht machte es das umso schlimmer, offenbarte dieses Verhalten doch, dass er sie unterbewusst immer noch mit seiner Geliebten in Verbindung brachte, während er ihr oberflächlich etwas anderes vorgespielt hatte. Diese Kritik an sich selbst wollte er aber im Moment nicht zulassen, weil es viel einfacher war, wütend auf Janes Selbstgerechtigkeit zu sein, als sich für etwas zu entschuldigen, das er seiner Meinung nach sowieso nicht ändern konnte. ´Ich bin nicht sie.` Das wusste er. Er wusste es, und doch war er aus schlechtem Gewissen gegenüber Lady Jane noch hier. Er benutzte Jane McCollins, um sein eigenes Versagen zu kompensieren. Wie sonst hätte er erklären können, dass er sich zwischen sie und jeden tödlichen Feind warf, ohne darüber nachzudenken, wie das für ihn selbst ausgehen könnte? Das war bei dem jungen Vampir in der Disco so gewesen, bei Richard, bei der Vampir-Mutter und zuletzt an Halloween. Er hätte sterben können, jedes einzelne Mal, und er hatte nicht eine Sekunde gezögert, sich für Jane zu opfern. Aber sie war nicht seine Geliebte. Sie war so halsstarrig, stolz und verschlossen, dass er sie manchmal am liebsten geschüttelt hätte, und das, wo es ihm hätte egal sein können, so lange sie ihn bleiben ließ. Aiden Schultern sackten ein wenig in sich zusammen, als er sich den Zusammenhang dieser kleinen Tatsache, dieses ´Sie, in all ihren Unterschieden zu meiner Jane, ist mir nicht egal`, vor Augen führte. Bisher hatte er nicht darüber nachgedacht, weil er die beiden Frauen gedanklich so sehr vermischt hatte, aber als er jetzt bewusst auf eine Differenzierung achtete, wurde ihm klar, dass er sie als eigenständige Person schätzte. Er mochte ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstständigkeit, ihm gefiel ihre Geradlinigkeit und Zielstrebigkeit und er fand ihre Fähigkeit, sich selbst über ihre eigenen Gefühle zu täuschen, eher niedlich als frustrierend. Und dann waren da noch die kleinen Dinge, wie sie sich durchs Haar fuhr, wenn sie gestresst war, wie sie grinste, wenn etwas nach ihrer Nase lief, aber vor allem ihr Lächeln. Viel zu genau sah er ihr erstes, ehrlich gemeintes Lächeln vor sich, noch vor ihrer ersten gemeinsamen Jagd, als er ihr erzählt hatte, dass er für sie aufgehört hatte zu Töten. Und seither hatte alleine der Gedanke, sie zufrieden zu stellen, sie stolz zu machen, ihn bei der Jagd auf Kurs gehalten, sogar, als nicht sicher war, ob sie jemals wieder miteinander sprechen würden. Er hatte wirklich keinen Menschen mehr getötet, für sie. Der Druck von Aidens Handballen an seinen Schläfen wurde stärker, aber er konnte diese Erkenntnis nicht unterdrücken. Er mochte Jane McCollins. Mit einem tiefen Atemzug versuchte er, diese Tatsache nüchtern zu betrachten. Das war nicht schlimm. Im Gegenteil, eigentlich war es sogar natürlich, dass er Sympathien für jemanden entwickelte, der aussah wie die Liebe seines Lebens. Wenn er es schaffte, es bei freundschaftlicher Zuneigung zu belassen, wäre doch wohl alles in Ordnung. Und was, wenn er das nicht konnte? So sehr er dagegen ankämpfte, er musste immer weiter darüber nachdenken, und er kam zu dem Schluss, dass sich absolut nichts ändern würde. Sie hatte selbst gesagt, dass sie sich im besten Fall an ihn ´gewöhnen` könnte, und diesen Zustand hatten sie, wenn auch nur unterbewusst, bereits erreicht. Und selbst wenn er gar nicht mehr wünschen wollte, so stellte sich ihm unweigerlich die Frage, ob dieser Zustand ihm auf Dauer genügen würde. Er konnte ja jetzt schon kaum aufhören, daran zu denken, wie ihre Lippen auf seinen geschmeckt hatten, wie ihr Körper sich an seinem angefühlt hatte... Und dann waren da immer noch die Tatsachen, dass er sowohl ihren Vater getötet hatte, als auch potentiell gefährlich für sie war. Ihr Blut hatte er, wenn auch nicht aus freiem Willen, ein Mal gekostet - Wer sagte, dass es nicht wieder passieren würde? In einem Moment der Schwäche könnte er das Kostbarste zerstören, das er im Moment besaß - Wobei er damit nicht sie als Person meinte, sondern ihre bloße Gegenwart. Das zu Hause, das sie ihm gegeben hatte, die Freundschaft und das geregelte Leben. Aber früher oder später würde sie Logan erhören. In letzter Zeit waren die beiden Studenten sich nähergekommen, und Aiden hielt es nur noch für eine Frage der Zeit, bis der junge Mann den Mut aufbringen würde, Jane seine Gefühle zu gestehen. Fraglich war, ob sie dasselbe empfand. Wobei der Vampir glaubte, dass sie ihren Kommilitonen mochte, es sich bisher nur nicht eingestanden hatte. Immerhin hatte sie unter Einfluss des Vampirgiftes von ihm phantasiert. Aber selbst wenn es nicht Logan wäre, würde irgendwann ein anderer kommen. Irgendein Mensch würde schon gut genug für sie sein, denn der wäre frei von dem Makel, den Aiden sich für eine andere Frau selbst aufgebürdet hatte. Sein eigener Tod und der Tod ihres Vaters. Die beiden Makel an sich selbst, die er nicht mal für Jane beseitigen könnte. Und dann war da noch, dass er sie gar nicht wollen durfte, wie er mit schneidend schlechtem Gewissen feststellte. Er schämte sich wahnsinnig, erst jetzt darauf zu kommen, aber wie kam er überhaupt auf die anmaßende Idee, ein Mädchen zu wollen, das seiner richtigen Frau das Gesicht ´gestohlen` hatte? Es war, als hätte er sich in ihre Schwester verl... Aiden verbat sich selbst, dieses Wort auch nur zu denken. Er mochte Jane, das war alles. Punkt. Und er brachte sie damit in Gefahr. Je länger er hier blieb, desto größer war nicht nur die Gefahr, dass er die Kontrolle über sich selbst verlor, sondern auch die, dass andere Vampire auf seine Verbindung zu ihr aufmerksam wurden. Sie lebte sowieso schon gefährlich genug, aber jetzt, wo sich langsam herum sprach, dass sie enger miteinander zu tun hatten - Denn die Gerüchte stoppten sicher nicht an dieser Aufzugtür zum Zirkel - Stieg von Minute zu Minute die Gefahr, dass jemand es speziell wegen ihm auf sie absehen könnte. Er war keine feste Größe in London, hatte kein Revier, weil er nicht dauerhaft hier lebte, und so gesehen war er für die ansässigen Vampire natürlich eine Bedrohung. Immerhin hätte er auf die Idee kommen können, jemandem sein Jagdgebiet abspenstig zu machen. Da er an nichts hing, außer an diesem Menschenmädchen und vielleicht noch an ihrer Mutter, wären sie das einzige Druckmittel gegen ihn. Er sollte sowieso nicht mehr hier sein, dachte Aiden, zuerst nur resigniert wie schon die letzten Monate über immer Mal wieder, doch dann, angestachelt von seinem sowieso schon nervösen Gemüt, mit wachsender Panik. Inzwischen hielt er sich bereits fast neun Monate in London auf. Ein dreiviertel Jahr, und alleine in den letzten drei Monaten hatte er sich auffällig verhalten wie ein bunter Hund. Wie er schon festgestellt hatte; die Gerüchte würden nicht im Zirkel aufhören, und niemand könnte sagen, wer letztendlich von seinem Aufenthalt in der Hauptstadt erfuhr. Schon seit einer Weile war er unruhig durch das Zimmer gestromert, doch bei diesem Gedanken beschleunigten Aidens Schritte sich nochmal. Hatte er wirklich über vier Jahrhunderte lang auf der Flucht gelebt, um sich jetzt wegen einer lächerlichen, winzigen, unerhörten Schwärmerei festnageln zu lassen? Er konnte nicht zulassen, dass er sich fast ein halbes Jahrtausend an sein Leben geklammert hatte und es jetzt verlor wegen irgendeines Mädchens. Nein. Egal, was er für Jane empfand oder sich einbildete, für sie zu empfinden. Denn es konnte gar nichts sein, er gehörte einer anderen, so lange er lebte. Das ´für immer`, das er Jane Grey geschworen hatte, hatte er genau so gemeint gewesen. Viel zu lange schon hatte er sich von dem Schein der Wiedergeburt seiner Geliebten dazu verleiten lassen, in der Stadt zu verweilen. Und das, wo es so einfach war. Er musste gehen. Das war sein Schicksal in dieser Existenz - Denn, da hatte Jane schon Recht gehabt, auch wenn er es vor ein paar Wochen nicht hatte hören wollen; konnte man es wirklich ´Leben` nennen, wenn man weder ein zu Hause hatte, noch Personen, die einem etwas bedeuteten? In diesem Moment der Melancholie vergaß Aiden völlig, dass er inzwischen ja zumindest zwei Menschen hatte, die ihm wichtig waren. Vielleicht verdrängte er es, weil er nicht das Gefühl hatte, es wert zu sein, ein Teil des Lebens dieser beiden Frauen zu sein. Trotz allem, was er ihnen angetan hatte, hatten sie sich ein glückliches Leben aufgebaut. Woher nahm er das Recht, sich in dieses zu schleichen wie ein Parasit? Seine vorige Aufregung war wie weggespült von der plötzlichen Leere, die er empfand, als er seine Wanderung durch das Zimmer beendete und träge den Koffer unter dem Bett hervorzog, den er vor einigen Wochen leer hierher gebracht hatte. Quälend langsam legte er alles, was er mit Jane gekauft hatte und was sich sonst so angesammelt hatte in das Behältnis. Als er fertig war, starrte er entsetzt auf den winzigen Inhalt seines ganzen Lebens. Seine ganze Persönlichkeit passte in einen mittelgroßen Reisekoffer... An der Tür hielt er kurz inne, aber es war so spät, dass die Hausbewohnerinnen schon zu Bett gegangen waren. Lautlos, so, wie er hier aufgetaucht war, schlich er sich aus dem leeren Zimmer. Er wagte nicht mal einen letzten Blick auf Janes Zimmertür, war sie es doch gewesen, die ihn bei seinem letzten Beinahe-Aufbruch durch ihre bloße Anwesenheit aufgehalten hatte. Hätte er es doch schon damals über sich gebracht, sie endlich in Ruhe zu lassen. Sie wäre froh, ihn los zu sein, das hatte sie letztens erst wieder gesagt. Im Erdgeschoss überlegte er kurz, Jane und Elizabeth einen Brief dazulassen, aber ihm fielen keine Worte ein, die seinen Dank gebührend ausdrücken oder seinen langen Aufenthalt in ihrem Haus entschuldigen könnten. Also legte er einfach den Schlüssel, den sie ihm geliehen hatten, auf den verwaisten Küchentisch, bevor er mit seinem Koffer in die Nacht verschwand, nicht sicher, wo er überhaupt hin wollte, nur mit der Gewissheit, dass er hier nicht bleiben konnte. Aiden war sich noch immer nicht sicher, wo er hin sollte, als er in der Underground Richtung Flughafen saß. Seine Gedanken kreisten wirr in alle Richtungen, die er sich in den letzten Stunden zusammengereimt hatte, so lange, bis keine davon mehr Sinn machte, aber das änderte nichts an dem übermächtigen Verlangen, einfach weg zu kommen. Vor Erschöpfung war er auf dem Sitz der U-Bahn eingeschlafen und erwachte erst kurz vor der Endstation aus seinen wirren Träumen. Ziemlich benebelt wankte er durch das verhältnismäßig leere Terminal zum Schalter, wo eine schlecht gelaunte weil übernächtigte Angestellte ihn mürrisch fragte, wo er denn hin wolle. Wenn er das mal gewusst hätte... Kapitel 22: Lass es dir eine Lehre sein --------------------------------------- Der unschöne, und beinahe unglückliche Vorfall im Vampirjäger-Zirkel beschäftigte Jane mehr, als sie Aiden zeigte. Die Tatsache, dass Aiden sie unter einer eher altertümlichen Bezeichnung gerufen hatte, führte ihr mal wieder deutlich vor Augen, wie sehr er ihre eigenständige Person mit der bereits lang verstorbenen Neuntagekönigin in Verbindung brachte. Wen sonst hätte er mit „Mylady“ meinen sollen? Diese Erkenntnis traf sie härter als erwartet und hinterließ, auch wenn sie es nicht offen zugeben würde, einen sehr bitteren Nachgeschmack. Schließlich spielte die junge Frau schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, ihn zu ihrem offiziellen Partner zu machen - und sollte er annehmen, dann würde die Partnerschaft unter keinem guten Stern stehen, wenn er dies nur tat, weil er Lady Grey in ihr sah. Auf welchem Vertrauen würde die Zusammenarbeit basieren, wenn Aiden sie nicht einmal als diejenige ansah und erkannte, die sie eben war? Während der ganzen Fahrt vom Zirkel nach Hause, kreisten Janes Gedanken darum, wie und ob es überhaupt möglich wäre, unter diesen Umständen mit dem Vampir zusammenzuarbeiten - und ob es denn wirklich so schlimm wäre, wenn ein Teil von ihm noch immer ihre Vorfahrin in ihr sah. Der Fakt, das sie mittlerweile sogar nach Gründen suchte, die für einen Pakt sprachen, zeigte nur zu deutlich, wie sehr sie sich eine längerfristige und konstante Zusammenarbeit mit Aiden wünschte. War es denn so schlimm, wenn er nicht gänzlich sie als eigenständige Person sah, hinterfragte die junge Frau das Ganze, als sie das Anwesen betrat, wo sie sich in ihr Zimmer zurückzog. Solange sie gemeinsam Aufträge erledigen konnten, er sie bei der Verfolgung ihrer Absichten unterstützte und sogar beschützte, wäre es doch irgendwie möglich, darüber hinweg zu sehen und den Stolz zumindest soweit zu ignorieren, dass die ganze Sache nicht dem ursprünglichen Ziel im Weg stand. Außerdem war Aiden unter den potentiellen Partnern trotz offensichtlicher Mängel, wie seiner Versessenheit auf ihren Schutz, seinem Trauma bezüglich ihrer Ahnin und seinem Hang zum Stalking, mit einem Sechser im Lotto zu vergleichen, sodass es eigentlich dumm wäre, ihn nicht 'vertraglich' an sich zu binden. Welcher Jäger konnte denn von sich behaupten, einen beinahe 500 Jahre alten Vampir an seiner Seite zu haben, der einem fast bis ins kleinste Detail gehorchte und ziemlich pflegeleicht war? Natürlich hatte sie noch Eldric, doch aufgrund seiner Position im Zirkel und den entsprechenden Verpflichtungen, war es nicht möglich, ihn offiziell zum Partner zu ernennen. Zudem war es im Bezug zum Oberhaupt nicht wirklich nötig, dies zu tun, da er ihr ohnehin im Hintergrund half und ihr Wege freihielt. Allein auf der Jagd war es ihm nicht möglich, ihr unter die Arme zu greifen. In der Hinsicht war Aiden perfekt. Er würde den 'Kreis' vervollständigen und ihr somit einiges erleichtern... Noch bevor Jane es überhaupt bewusst denken konnte, war der Entschluss für eine permanente Zusammenarbeit mit Aiden gefasst und mit ihm der Plan, ihn am nächsten Tag darauf anzusprechen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Wie sie von ihrem Ärger darüber, dass er sie nicht als eigenständige Person wahrnahm, zu dieser Erkenntnis gelangt war, war Jane später schleierhaft, doch das tat nichts zur Sache. Fakt war, dass ihr Mitbewohner sie ihrem Ziel näherbringen konnte, und wenn es darum ging, den Mörder ihres Vaters zu ergreifen, war ihr jedes Mittel recht. Am nächsten Tag klopfte die junge Frau an die Tür des Gästezimmers, um Aiden ihren Entschluss mitzuteilen. Als niemand antwortete, trat sie hinein und fand... Nichts. Blinzelnd blieb sie in dem Raum stehen, der so ordentlich war, dass er fast leer wirkte. Nur der Stuhl, der nicht am Schreibtisch, sondern dem Fenster zugewandt platziert war, zeugte davon, dass hier jemand lebte. Jane hatte sich geistig so sehr auf das folgende Gespräch eingestellt, dass es sie irritierte, Aiden nicht vorzufinden, obwohl dieser womöglich einfach außer Haus war. Sich ein wenig über sich selbst ärgernd, ging sie in die Küche, um zu frühstücken. Dabei wurde der Vampir vorerst aus ihren Gedanken verbannt, denn Elizabeth kam strahlend auf sie zu. Hinter ihr stand ihr Laptop aufgeklappt auf der Küchentheke. „Liebes, ich habe ganz wundervolle Nachrichten!“, rief sie ganz aufgeregt. „Die Familie Ramos zieht wieder nach London. Diego hat mir gerade geschrieben.“ „Im Ernst?“, rief Jane und stürzte an den Computer, um die Nachricht mit eigenen Augen zu lesen. Als sie fertig war, war sie genauso aufgeregt wie ihre Mutter. Die Familien waren befreundet, solange Jane sich erinnern konnte – und dasselbe traf auf ihre Sprösslinge zu. Genau genommen war Gabriel Ramos in ihrer Kindheit Janes bester Freund gewesen, bis seine Familie wegen des Berufs des Vaters zurück nach Spanien gegangen war. Zwar hatten die jungen Leute Kontakt gehalten, doch waren Mails und gelegentliche Anrufe nicht dasselbe wie regelmäßige Gespräche. „Nächsten Monat kommen Sie schon, um ihr Haus anzusehen!“ „Ich weiß“, lächelte Elizabeth, immerhin hatte auch sie die Mail gelesen. „Ich freue mich schon, sie alle wiederzusehen – und du dich bestimmt besonders auf Gabe.“ „Wir können ja hier eine Wiedersehensparty schmeißen.“ Ihre Mutter sah ein wenig besorgt aus. „Oh, ich weiß nicht… Aiden fühlt sich doch bei Menschenansammlungen immer so unwohl… Vielleicht warten wir lieber, bis die Ramos eingezogen sind und eine Einweihungsfeier machen?“ „So, so – du denkst also zuerst an Aiden…“, neckte Jane. Von Anfang an war ihr aufgefallen, wie gut die Ärztin und der Vampir sich verstanden, und inzwischen fand sie die Vorstellung, die beiden könnten sich verlieben, gar nicht mehr so befremdlich. Klar, begeistert wäre sie nicht, doch sie war seit Jahren der Meinung, dass ihre Mutter zu hübsch war, um alleine zu bleiben. Und abgesehen von gewissen nervigen Eigenschaften war Aiden respektvoll, zuverlässig, gewissenhaft und hilfsbereit, Charaktereigenschaften, die ihn durchaus zu einer guten Partie machten. Doch Elizabeth überging die Stichelei ihrer Tochter amüsiert; sie hatten zuvor schon über dieses Thema gesprochen, und die Hausherrin war der Meinung, Aiden sei „nur ein guter Freund“, und es würde „komisch aussehen, wenn sie mit so einem jungen Kerl herumlaufen würde“. Davon, dass er genau genommen älter war als sie, wollte sie nichts hören. Die beiden Frauen schwelgten ein wenig in Erinnerungen, bis Elizabeth meinte: „Gabriel wird sich bestimmt gut mit Aiden verstehen.“ Da war Jane sich nicht so sicher, denn inzwischen wusste sie, wie der Vampir auf andere Männer reagierte. Doch sie hätte ihm gerne von den Neuigkeiten erzählt, sodass sie fragte, wo ihr Hausgast war. Elizabeth runzelte die Stirn. „Oh, ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Wie ungewöhnlich, dass er so lange unterwegs ist.“ „Der kommt schon wieder“, sagte Jane, obwohl eine Stelle ganz hinten in ihrem Magen unangenehm zwickte, und beendete ihr Frühstück. Doch als er sich Stunden später noch immer nicht blicken ließ, beschlich sie ein ungutes Gefühl und verstärkte sich, als sie ein nochmal in sein Zimmer ging und sah, dass gewisse Dinge verschwunden waren. Nicht, dass der Vampir Wert darauf gelegt hatte, dem Raum eine persönliche Note zu geben, doch so, wie sie es gerade vorfand, schien mehr zu bedeuten als einen Jagdausflug oder dergleichen. Unter normalen Umständen hätte sie nicht derart in die Privatsphäre ihres Gastes eingegriffen, doch als ihr ungutes Gefühl nicht nachließ und der Vampir selbst am späten Abend einfach nicht auftauchte, betrat sie erneut sein Zimmer. Eine Weile stand sie vor dem Schrank, starrte die weiß gestrichenen Türen an. Sie wollte nicht, dass ihr Gefühl sich bestätigte, sobald sie ihn öffnete, und wenn sie sich irrte und Aiden jemals herausfand, dass sie seine Sachen durchsucht hatte, wollte sie sein Gesicht gar nicht sehen. Doch es war bereits neun, und so lange war er noch nie ohne ein Wort weggeblieben. Schließlich gab sie ein ungeduldiges Geräusch von sich und riss die Schranktüren auf wie ein Pflaster von einer Wunde. Als sie die komplett leergeräumten Schränke entdeckte und bemerkte, dass der Koffer fehlte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Er war weg. Für einen Moment starrte sie regungslos gegen die hölzerne Wand des Kleiderschrankes vor ihr, ehe sie leise und mit einem Anflug von Galgenhumor zu lachen begann. Wie dumm sie doch gewesen war! Sie hatte tatsächlich geglaubt, dass sie einem dahergelaufenen Vampir vertrauen und mit ihm zusammenarbeiten konnte! Dabei hatte sie doch als kleines Kind nur zu schmerzhaft und deutlich mitbekommen, wie skrupellos diese blutsaugenden Bestien sein konnten. Wie war sie bloß auf den absurden Gedanken gekommen, dass er anders war als seine Artgenossen? Nur, weil er sich ruhig verhalten, auf einige ihrer Befehle gehört und sich so hartnäckig in ihr Leben gemischt hatte, um ein Teil davon zu werden? Weil er ihre Mutter gerettet und sie beschützt hatte? Tz. Wie naiv konnte sie denn eigentlich sein? Womöglich war das alles sogar ein Teil seines eigentlich perfiden Planes gewesen. Was immer das Motiv dahinter war, es war ihr eine - wenn auch schmerzliche - Lehre, deren Konsequenz sie noch lange begleiten würden. Sie würde sich hüten, seinesgleichen wieder Vertrauen entgegen zu bringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)