Primrose ~ Blooming Doubts von BakaOtakuFish ================================================================================ Kapitel 1: Der letzte Sommer ---------------------------- Mit ein paar etwas ungeschickten Handgriffen faltete Taichi das Papier vor sich, das eigentlich dazu vorgesehen war, Mathematikformeln darauf zu verewigen. Hin und her ging die Knickerei, bis das Gebilde vom Äußeren her an ein Akkordeon erinnerte. Aber auch dafür wurde es letztendlich nicht zweckentfremdet. Stattdessen begann er wild damit herumzuwedeln und sich Luft zuzufächern, die er an diesem brennend heißen Sommernachmittag nur allzu gut gebrauchen konnte. Einen prickelnden Ersatz für die kaputte Klimaanlage gab der kleine Fetzen aber trotzdem nicht ab. „Wenn du nur rumspielst, kommst du auch nicht schneller vorwärts. Deine Aufgaben machen sich schließlich nicht von allein“, tadelte ihn Yuuko, die nach kurzem Anklopfen das Zimmer betrat und ein Glas mit eiskaltem Eistee vor seiner Nase abstellte, mit der er zuvor auf die Tischplatte gesunken war. „Das ist nicht fair“, presste er gequält heraus, „Ich schwitze hier über meinen Arbeiten und Kari macht sich da draußen ein schönes Leben.“ Er schnaubte verächtlich bei dem Gedanken daran, dass seine kleine Schwester jetzt an irgendeinem See mit ihren Freunden planschte und sich eine Abkühlung gönnte. Seine Mutter schüttelte nur verständnislos den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Gönn es ihr doch. Das sind schließlich ihre letzten Sommerferien. Außerdem ist Camping eine ganz wundervolle Sache.“ Ihr verträumter Blick glitt hinaus aus dem Fenster. „Dein Vater und ich waren in unserer Jugend auch so oft campen. Hach… ist schon ewig lange her und doch immer wieder eine freudige Erinnerung.“ Die Schwärmereien ignorierend, rollte Taichi mit den Augen und schaute hinüber auf den Bilderrahmen, der seinen rechtmäßigen Platz auf dem Schreibtisch besaß. Darin befand sich das Foto, das er am Tag der Einschulung von den Digirittern der zweiten Generation geschossen hatte. Das lag nun schon knapp drei Monate zurück und durch den immer schwerer verständlichen Schulstoff kam es nur noch selten vor, dass die Gruppe Zeit fand, sich miteinander zu vergnügen. Da kamen die Ferien gerade recht, obwohl sie alle befürchteten, Daisukes mangelnde Leistung in der letzten Klausur würde ihm noch einige Wochen Sommerunterricht bescheren. Wie er da noch drum herum kam, konnte sich zwar niemand so wirklich erklären, aber es wurde als gottgegeben hingenommen und sich darüber gefreut. So fiel ihre Wahl einstimmig auf einen Campingurlaub in der Digiwelt, den sie bereits vor zwei Tagen angetreten waren. Beleidigt knabberte der Brünette an seinem Bleistift herum, dessen Ende von Bissspuren bereits total zerstört war und fragte sich, warum er jetzt nicht auch mit seinen Freunden spielte. Yuuko hingegen fragte sich, warum er nicht eher die Kekse verspeiste, die sie ihm eben hingestellt hatte und er das harte Stück Holz vorzog. Wahrscheinlich bekam er die Anwesenheit dieser Leckereien einfach nur nicht mit, weil sie schon abgekühlt waren und nicht mehr so herrlich dufteten wie vorhin, als sie sie aus dem Ofen holte. Auf der anderen Seite war das wohl aber einfach nur reiner Selbsterhaltungstrieb von ihm, wusste er doch zu genau, dass von selbstgebackenen Delikatessen wie diesen hier eine toxische Wirkung ausging, wenn seine Mutter die Finger im Spiel hatte. Er seufzte resigniert und entschloss sich dann doch dazu, seinen vorangegangenen Versuch von vorhin wieder aufzunehmen, nahm sich den Taschenrechner zu Hilfe dafür. „Vielleicht schick ich ihr nachher einfach eine Mail und frage mal, wie’s so läuft.“ Wie es lief? Eigentlich rundum perfekt. Schon kurz nach ihrer Ankunft hatten die Teenager ein lauschiges Plätzchen an einer Art Baggersee gefunden, das sie sofort in Beschlag nahmen. Es dauerte zwar dank Daisukes nicht vorhandenem Talent eine Weile, bis die Zelte aufgebaut waren und zur Überraschung der anderen überhaupt irgendwann standen, aber auch das bekam er irgendwie hin. Auf ihren Anführer war halt Verlass, auch wenn seine Lösungswege öfter mal sehr kreativ wurden. Die restliche Zeit verbrachten sie jeden Tag ähnlich. Da auch hier brennende Hitze vom Himmel fiel, hielt es sie natürlich nicht lange in ihren Klamotten und auf dem Festland. Wilde Wasserschlachten wurden sich geliefert, die die malerische Stille dieses eigentlich ruhigen Fleckchens Erde auf so unliebsame Art und Weise durchbrachen. Daran schien sich aber glücklicherweise niemand zu stören. Denn auch die Digimon tollten und spielten herum, darüber erfreut, endlich wieder in ihrer alten Heimat zu sein. So ausgelassen hatte man ihre Gruppe schon lange nicht mehr erlebt. Auch heute ließen sie wieder ihre Seelen baumeln, auch wenn es deutlich ruhiger zuging. Während Miyako auf der Decke lag und ein kleines Mittagsschläfchen in der strahlenden Sonne machte, baute Iori gar nicht weit weg mit Armadillomon eine Sandburg. Dank seiner großen Pratzen stellte sich das bepanzerte Digimon nur alles andere als gut dabei an, was sein Partner mit einer Engelsgeduld beobachtete und ihm dabei half, die eingestürzten Türme wieder zu errichten. „Brauchst du Hilfe, Kari?“ Mit einem gekonnten Sprung landete Gatomon auf dem Picknicktisch und überflog das wilde Gemetzel, das das Mädchen veranstaltete. „Danke, es geht schon“, lächelte sie und strich sich ein paar Haare hinters Ohr, die sich aus der Umklammerung ihres Zopfes gelöst hatten. Mit einer helfenden Hand wäre es sicherlich schneller gegangen, aber das war wohl kaum von Nöten. Einen prüfenden Blick über ihre Schulter werfend, erkannte sie noch im Augenwinkel, wie Takeru herzhaft gähnte und sich müde über die Lider fuhr. Scheinbar musste er sich also noch keinen Kampf mit dem weißen Hai an der Angel liefern. „Sieht so aus, als würde das mit dem Essen sowieso noch etwas dauern. Dann kann ich mir mit dem Obstsalat auch noch ein wenig Zeit lassen.“ Noch ein kurzer Schnipp, dann landete auch die letzte Erdbeere in der Schale. „Veemon, nach links!“ Auf seinen Befehl hin spurtete der blaue Drache drauflos und verpasste dem Ball eine harte Kopfnuss, die ihn wieder in die Höhe beförderte. Triumphierend schnalzte der Junge mit der Fliegerbrille auf dem Kopf mit der Zunge. „Den kriegt ihr nie!“ Doch da hatte er die Rechnung ohne die Schlagfertigkeit seines besten Freundes gemacht, der sich sofort zu helfen wusste. „Wormmon!“ „Klebenetz!“ Der klebrige Faden blieb an dem Geschoss haften und holte es auf den Boden der Tatsachen zurück, wo es mehr als lässig von Ken gefangen wurde. „Den kriegen wir nie? So viel dazu“, spottete er und konnte sich ein überlegenes Grinsen nicht verkneifen, als Davis förmlich die Kinnlade runterklappte. „Betrug, Betrug! Unter normalen Umständen hättet ihr den nicht mehr erwischt!“ Sein Protest stieß nur auf taube Ohren. „Du kannst dich ja rächen, wenn du den Mumm dazu hast.“ Herausfordernd funkelte Ken ihn an, bevor er ausholte und den Ball mit voller Wucht zurückkatapultierte. „Darauf kannst du wetten!“ Seufzend zog Takeru seinen Hut ein Stück weiter ins Gesicht, um dieses vor der erbarmungslosen Strahlen zu schützen. „Kein Wunder, dass hier nichts anbeißt. Bei der Geräuschkulisse würde ich mich auch in die andere Ecke des Sees verziehen. Ich sehe schwarz für unser Abendessen“, säuselte er und wunderte sich, dass prompt wie aufs Stichwort Ruhe hinter ihm einkehrte. Patamon, das bis jetzt friedlich neben ihm in der Sonne grillte, erhob sich und zog an seinem Ärmel, nach seiner Aufmerksamkeit ringend. „Sieh mal, Takeru!“ Dem Fingerzeig seines Genossen folgend, erstarrte der Blondschopf einen Moment und wandte sich wieder ab. „Wir haben nichts gesehen“, beteuerte er und tat so, als wäre das vor sich hinplätschernde Wasser auf einmal das Spannendste, was es hier zu sehen gab. Sobald gleich die Katastrophe losbrach, wollte er sich nicht als mitschuldig präsentieren, indem er einfach nur stillschweigend dabei zugesehen hatte, wie Daisuke und Veemon den vollen Wassereimer über der schlafenden Miyako auskippten. Sollte sie ihm mal schön selbst den Hals umdrehen – Sie war ja geübt darin. „Daisuke Motomiya!“, schrie sie prompt und sprang auf, „Wenn ich dich in die Finger kriege, mach ich Hackepeter aus dir!“ Wie ein aufgescheuchtes Huhn rannte sie hinter ihm her, immer darauf bedacht, es möglichst qualvoll zu machen, wenn sie ihn dann doch zu fassen bekam. Takeru schüttelte nur den Kopf und flüsterte seinem Digimon ein leises: „Sieh nicht hin“ zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)