Primrose ~ Blooming Doubts von BakaOtakuFish ================================================================================ Kapitel 5: Der eine Augenblick ------------------------------ Ein Lichtschein bahnte sich seinen Weg durch die zugezogene Gardine und fiel direkt auf das Gesicht des schlafenden Takeru. Wozu hing da überhaupt so ein Stofffetzen, wenn er seinen Zweck sowieso nicht erfüllte?! Grummelnd drehte er den Kopf, stellte dabei aber fest, dass sein Nacken unheimlich schmerzte. Eine Verspannung? Erst jetzt überredete er seine Augen dazu, ihren Dienst wieder aufzunehmen und ließ seinen Blick erstaunt über die Tischplatte wandern, auf der er mit dem Oberkörper lehnte. Als er sein aufgeschlagenes Notizbuch sah, erinnerte er sich wieder. Gestern waren sie aus der Digiwelt zurückgekehrt und erklärten ihren Urlaub offiziell für beendet. Er und Patamon hatten sich von den anderen verabschiedet und waren auf direktem Wege nach Hause gegangen. Takeru bedauerte sehr, wie schnell ihr Trip doch von einem schönen Erlebnis zu einer Erinnerung mutierte. Am liebsten wäre er noch wochenlang mit den anderen an diesem See geblieben und hätte sich am Lagerfeuer Geschichten erzählt. Allein schon der Gedanke daran ließ ihn unweigerlich lächeln. So viel Spaß hatten sie lange nicht mehr dank des Schulstresses. Was aus der Mutprobe geworden war? Kurz nachdem Miyako und Hikari ihr klärendes Gespräch beendeten, trudelten Takeru und Cody ein – Ganz ohne nennenswerte Zwischenfälle. Eine halbe Stunde Wartezeit später zeigten sie dann Gnade und begaben sich auf die Suche nach Daisuke und Ken, die sie im angrenzenden Talgebiet aufsammelten. Selbstverständlich pochte ihr Anführer darauf, es sei nicht seine Schuld gewesen und sie wollten nur ein wenig die grandiose Aussicht genießen. Man kam ja sonst nicht viel rum. Wer’s glaubte… Am darauf folgenden Morgen stand jedenfalls die Heimreise auf dem Plan. Den restlichen Tag über hatte er an diesem Tisch, über sein Büchlein gebeugt, verbracht und geschrieben. Wie er Hikari bereits erklärte, hatte sich das Schreiben zu seinem neuen Hobby entwickelt, mit dem er sich hin und wieder entspannte und von negativen Ereignissen ablenkte. Zumindest trauerte er dadurch nicht die ganze Zeit der Digiwelt hinterher, die er durch seine Worte und Formulierungen auf dem Papier wieder aufleben ließ. Das Ganze dauerte bis tief in die Nacht, weshalb ihm wohl irgendwann einfach die Augen zugefallen waren und sein Nacken jetzt so wehtat. Gähnend erhob sich der Blonde und streckte sich ausgiebig, während er den Vorhang beiseite schob und das Fenster öffnete. Die noch recht kühle Luft pfiff ihm entgegen. Nicht mehr lange und diese angenehme Brise würde in der brühenden Nachmittagshitze untergehen. Dieser Sommer war einer derer, wo man von Glück reden konnte, wenn der Kreislauf mitspielte. Er bevorzugte in der Regel milderes Wetter. Gerade bei diesen übertriebenen Temperaturen war er schnell aus der Puste, was man bei einer Sportskanone wie ihm kaum gewohnt war. Wo wir gerade von Sport sprachen… Eine kleine Runde Basketball im Hinterhof täte ihm sicherlich gut. Die Atmosphäre draußen musste er nutzen, um etwas gegen seinen steifen Nacken zu unternehmen. Still und heimlich zog Takeru sich eine Jogginghose und ein herumliegendes Shirt über und schlich aus seinem Zimmer, in der Hoffnung, Patamon nicht aus seinem tiefen Schlummer zu wecken. In der Wohnung, die noch halb im Schatten der Sonne lag, wurde man fast von der Stille erschlagen. Nichts Ungewöhnliches zu dieser Uhrzeit. Sein Weg führte ihn zunächst in die Küche, wo ihn eine am Kühlschrank klebende Notiz begrüßte. Wird spät heute. Essen steht im Backofen, musst es nur aufwärmen. Falls was sein sollte, bin ich auf dem Handy erreichbar. Hab dich lieb, Mama < Natsuko war eine viel beschäftigte Frau. Ihr Job als Journalistin spannte sie teilweise voll ein, weshalb es für ihren Sohn dazugehörte, ein gutes Stück auf sich allein gestellt zu sein. Er fühlte sich zwar oftmals einsam, aber natürlich hatte er Verständnis dafür. Als alleinerziehende Mutter war es eben nicht leicht. Wenn man sich nicht gerade zweiteilte, kam immer etwas zu kurz. Entweder die Arbeit oder die Familie. Im Falle der Takaishis traf wohl letzteres zu. Seufzend zerknüllte er den Zettel und versenkte ihn im Mülleimer. Wieder ein Abend, den er allein vor dem Fernseher verbrachte. Wenigstens leistete Patamon ihm dabei Gesellschaft. Auf seinen kleinen Freund konnte er eben immer zählen. „Na, was soll’s. Dann machen wir es uns schön gemütlich nachher. Davon lass ich mir nicht die Laune verderben“, sagte der Junge zu sich selbst und machte sich auf den Weg nach draußen. Beim Basketball konnte Takeru abschalten, ähnlich wie beim Schreiben. Das Geräusch des aufprallenden Balls auf dem Asphalt; sein rasendes Herz, dessen Pochen ihm in den Ohren klang. Sein Atem, der nur stoßweise ging und ihn in eine gewisse Hektik versetzte. All das spornte ihn an, trieb ihn zur Höchstleistung an. Mit schnellen Schritten schob er sich an den imaginären Gegnern vorbei, setzte zum Sprung an und erzielte einen direkten Volltreffer in den Korb. Keuchend stützte er sich auf den Knien ab und beobachtete den Ball dabei, wie er auf die vom Morgentau durchnässte Wiese rollte. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Was für ein überwältigendes Gefühl. Wie sehr er dieses Spiel doch liebte. Seine Verärgerung, der schmerzende Nacken, die Trauer über das Ende ihres Ausflugs… All das schien vergessen, in weite Ferne gerückt. Jetzt zählte nur dieser eine Augenblick, den er wie im Rausch erlebte. Obwohl er schon minutenlang herumtobte, war von Erschöpfung keine Spur zu sehen. Diese ausgezeichnete Kondition verdankte er dem Training, dem er über Jahre hinweg nachging. Das verschaffte ihm im Endeffekt auch den Posten als Kapitän seiner Schulmannschaft. Eine große Ehre für ihn. Konnte er es sich dann überhaupt leisten, zu schwächeln? Nicht dass ihn noch einer der jüngeren Teamkollegen überholte. „Takeruuu!“ Der Ruf seines Digimon holte ihn zurück in die Realität, wollte er doch eben in die nächste Runde starten. „Oh, Patamon. Hab ich dich geweckt?“, begrüßte er seinen Partner, der noch schlaftrunken zu ihm flatterte. Nuschelnd antwortete Patamon: „Du hast eine Nachricht. Davon bin ich wach geworden“ und machte es sich auf dem blonden Wuschelkopf gemütlich, nachdem er ihm sein Digiterminal übergab. Neugierig drückte Takeru ein paar Tasten auf dem Gerät und öffnete die eingegangene Textnachricht. Empfänger: Takaishi Takeru ; Yagami Hikari ; Ichijouji Ken Absender: Motomiya Daisuke Betreff: Sommerhausaufgaben Hallo Leute. Denkt ihr an unser Treffen nachher? Ich hab keine Lust, den ganzen Stapel Hausaufgaben allein zu machen. Yolei und Cody haben schon abgesagt, deswegen wollte ich mal bei euch nachfragen. Davis Ja, die Sommeraufgaben. Der Grund, weshalb es hunderten Schülern im Land regelmäßig die Ferien verhagelte. Sobald man den Begriff Schule in die hinterletzte Ecke seines Hirns verdrängte und sich an seiner neu gewonnenen Freizeit erfreuen wollte, stand man wieder vor diesem kleinen aber feinen Problem. Wahrscheinlich bereitete es den Lehrern eine unheimliche Genugtuung, ihren Schützlingen mit zusätzlicher Extraarbeit die Entspannung zu verderben. So fanden sich die Teenager jedes Jahr zu dieser Zeit bei einem von ihnen im Zimmer wieder, um eine gefühlte Ewigkeit über den Büchern zu kleben und den nicht enden wollenden Berg abzuarbeiten. Dieses Mal war Daisuke an der Reihe, den Gastgeber zu spielen, dabei war er immer derjenige, der sich am lautesten übers Lernen beschwerte. Das konnte man bei seinem nicht vorhandenen Verständnis für die Materie zwar gut nachvollziehen, dennoch zogen es seine Freunde vor, lieber still vor sich hin zu leiden, anstatt ins selbe Horn wie er zu stoßen. Es musste ja schließlich gemacht werden, da gab es keine Ausflüchte. Takeru wunderte sich über sich selbst. Bei der Vorstellung an das bevorstehende Treffen kam Vorfreude in ihm auf. Nicht unbedingt wegen der Bearbeitung ihrer Hausaufgaben, worauf er auch dankend hätte verzichten können. Aber das würde ihn von der heutigen Situation ablenken. Anstatt allein oben in der Wohnung zu sitzen und Trübsal zu blasen, unternahm er etwas mit den anderen. Und es würde eine ganze Weile dauern bei der Masse, wenn sie es überhaupt alles auf einmal schafften. „Hey, Patamon. Wollen wir Davis nachher einen kleinen Besuch abstatten?“ Interessiert hob das Bündel über ihm die Flügel an, mit denen es aufgeregt herumwedelte. „Oh ja! Als wir beim letzten Mal da waren, haben wir super leckere Kekse gekriegt!“, schwärmte es und wippte wild hin und her. Der junge Digiritter gab sich alle Mühe, nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, war sein kleiner Begleiter doch ganz schön schwer geworden. Ob das etwas mit seinem Süßigkeitenkonsum zu tun hatte? „Gut, wenn das so ist.“ Empfänger: Motomiya Daisuke Absender: Takaishi Takeru Betreff: Re: Sommerhausaufgaben Hey Davis, ich würde gerne kommen, aber Patamon lässt mich nur gehen, wenn es wieder die selbstgebackenen Kekse deiner Mutter zu essen gibt. Lässt sich doch bestimmt einrichten, oder? T.K. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)