Primrose ~ Blooming Doubts von BakaOtakuFish ================================================================================ Kapitel 10: Verunsicherung -------------------------- „Bist du dir ganz sicher? Das sieht aus, als hättest du jemanden abgestochen.“ Zweifelnd begutachtete Hikari den ersten Pinselstrich an der kalkweißen Wand. Das dunkle Rot passte nicht wirklich zu den Möbeln, die er sich vor kurzem noch ausgesucht hatte. Taichi runzelte nur die Stirn und entgegnete: „Bist du zum Streichen gekommen oder zum Palavern?“ Sie zog einen Flunsch. Der genervte Tonfall passte ihr gar nicht. „Ich wollte dich nur vor einem schwerwiegenden Fehler bewahren. Aber wer nicht will, der hat schon.“ Beleidigt streckte sie ihm die Zunge heraus und tunkte das Malutensil zurück in den Farbeimer, um ihre „Bluttat“ fortzuführen. „Keine Sorge. Ich war mir noch nie in meinem Leben so sicher wie mit dieser Farbe!“ „Glaub ihm bloß kein Wort, Kari. Genau denselben Satz hat er bei unserer Verlobung gebracht.“ Mit ihrem Kommentar nahm Mimi, die soeben das Zimmer betrat, ihm jeglichen Wind aus den Segeln. Der vermeintliche Grund seines Auszuges war ja sein Studium, da die Wohnung näher an der Uni lag. So lautete zumindest die Version, die Tai seiner Schwester verkaufte. Dass Mimi Tachikawa die Hauptschuld daran trug, ahnte sie nämlich bis vor kurzem noch nicht. Sie und Taichi waren schon seit drei Jahren ein Paar. Da sie aber blöderweise mit ihrer Familie in den USA lebte, kamen sie um eine anstrengende Fernbeziehung nicht drum herum. Eigentlich klappte das auch über einen langen Zeitraum hinweg erstaunlich gut, weshalb alle dachten, an diesem Zustand würde sich so schnell nichts ändern. Bei einem ihrer letzten Besuche hatte der Student aber die Backen zusammengekniffen und ihr einen romantischen Heiratsantrag gemacht. Der Moment, in dem sie wusste, dass sie nach Japan zurück wollte. Hier entstand also keine luschige Studenten-WG, sondern das traute Heim eines jungen Liebespaares, das auf dem besten Wege in ein geregeltes und stinknormales Leben war. Zuerst hätte Kari wieder explodieren können. Wie Yolei es vor einigen Wochen noch so treffend formulierte: > Den spannendsten Teil enthältst du mir vor! < Aber so wie sie ihren Bruder kannte, war es ihm schlicht und ergreifend ungenehm, so detailreich über seine Gefühle zu reden. „Hat aber Wirkung gezeigt“, schnaubte der Wuschelkopf und deutete auf den Ring an ihrem Finger. „Wie du meinst. Aber du solltest nicht so garstig zu Kari sein. Sie hilft schließlich freiwillig und könnte es sich ganz schnell anders überlegen.“ Bestätigend nickte sein jüngeres Ebenbild ihm auf Mimis Worte hin zu. Frauen… Die schlossen sich immer zu einem aufgeregten Haufen zusammen, gegen den er absolut keine Chance hatte, egal was er sagte. Wurde allerhöchste Zeit, dass seine Unterstützung endlich eintraf. „Meine Güte, wo bleiben denn Matt und T.K? Die sind echt spät dran…“ Zu diesem besonderen Anlass ließ es sich sein bester Freund nicht nehmen, ihm bei der Renovierung ein wenig unter die Arme zu greifen und hatte sich und seinen Bruder für den Nachmittag angekündigt. Hikari wurde leicht nervös. Seit dem Treffen, dem Takeru ohne großherrliche Erklärungen fernblieb, waren mittlerweile drei Wochen vergangen. In dieser Zeitspanne hatten sie eher sporadisch Kontakt zueinander. Auf ihre Frage hin, ob alles bei ihm in Ordnung sei, antwortete er mit einem klaren ‚Ja’. Es sei nur eine Nichtigkeit gewesen, die ihm dazwischenkam und es hätte sich von selbst geklärt. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass das eine Lüge war und er sie nicht beunruhigen wollte. So genau konnte sie das selbst nicht beschreiben, aber er benahm sich seltsam. Immer wenn sie sich trafen, lag eine gewisse Spannung in der Luft, die sich nicht wirklich definieren ließ. Ursprünglich war Kari sogar mal der Gedanke kommen, sie wäre an seinem komischen Verhalten schuld. Am Tag zuvor war sie bei ihm zu Besuch und kaum ein paar Stunden später fing das alles an. Die Türklingel riss sie aus ihren wilden Fantasien heraus. Mimi klopfte ihrem Verlobten auf die Schulter und schubste ihn Richtung Tür. „Da sind sie doch schon, also reg dich nicht auf. Sei froh, dass dir überhaupt jemand hilft!“ Als ihr Blick zu Hikari wanderte, verzog sie erschrocken das Gesicht. „Hey, du tropfst!“ Tatsächlich hatte sich zu den Füßen des Mädchens eine kleine Pfütze gebildet, da sie den frisch getunkten Pinsel einfach mit der Spitze runterhängen ließ, während sie so überlegte. „Ich hab euch doch gesagt, es sieht nach Massenmord aus, wenn ihr alles in Rot streicht!“ „Ja… deshalb sollte die Farbe auch ursprünglich an die Wand und nicht auf den Boden, Schätzchen“, grinste ihre zukünftige Schwägerin. „Hallo, ihr beiden!“ Freudig winkte ihnen Sora entgegen, mit deren Erscheinen keine von ihnen rechnete. Würde Yamato etwas mehr von diesen „Gefühlsduseleien“ halten, wäre er mit Sicherheit auch schon mit ihr verlobt. Da man aber seine Zeit brauchte, um aus einem harten Kerl wie ihm einen Romantiker zu machen, führten sie eben solange eine normale Beziehung miteinander. „Sora! Das ist ja eine schöne Überraschung!“ Strahlend fielen sich die Mädchen um den Hals und drückten sich ganz fest. Hikari begrüßte den Neuankömmling mit einem fixen Küsschen links – Küsschen rechts und steuerte direkt Takeru an, der im Flur stand und der hitzigen Diskussion von Taichi und Yamato lauschte. Kaum trafen diese Kerle aufeinander, gab es wieder Anlass, damit die Fetzen flogen. „Ohje, worum geht’s denn?“ Mit einem kurzen Seitenblick vergewisserte er sich, dass es Hikari war, die neben ihm zum Stehen kam und zuckte dann mit den Schultern. „Gute Frage. Nach dem Händeschütteln hab ich irgendwie den Faden verloren. Ich glaub, sie reden über die Möbelmontage. Und dass Tai zu lange mit den Renovierungsarbeiten getrödelt hat“, erklärte der Teenager und seufzte leise. Die Streithähne waren auch nur glücklich, wenn sie sich gegenseitig die Köpfe einschlugen. Vergnügt kicherte Kari und nahm ihren besten Freund bei der Hand. „Dann machen wir uns mal unauffällig aus dem Staub und verziehen uns ins Hinterzimmer. Da haben wir wenigstens unsere Ruhe!“ Ehe er auf die Idee kam, Widerworte zu geben, zog sie ihn hinter sich her in den hintersten Winkel der Wohnung. Für diesen Raum stand etwas ganz Besonderes auf dem Plan und sie wusste, dass sie dadurch eine Weile mit T.K. allein sein konnte. „Du bist doch sicher so nett und hilfst mir dabei, nicht wahr?“ ~ „Ich hoffe doch schwer, das hier wird nicht das Schlafzimmer…“ Zweifelnd sah der Blonde über seine Schulter, bekam aber nur das Signal zurück, weiterzumachen. „Das hat alles seine Richtigkeit, keine Sorge. Außerdem wird das nicht das Schlafzimmer sondern Mimis Arbeitszimmer.“ „Mimi bekommt ein Arbeitszimmer?“ Jetzt war’s ganz mit dem Jungen vorbei. Er legte sein Malwerkzeug beiseite und musterte seine Mitschülerin prüfend. Damit löste sich das Rätsel, warum er diese Wand gerade knallig Pink strich. Aber wozu brauchte die zukünftige Hausherrin denn ein Arbeitszimmer, wenn sie momentan sowieso in einem Bekleidungsgeschäft jobbte? Für Taichi hätte sich das doch viel eher angeboten. „Ich glaube auch, sie meinte einen Hobbyraum. Aber mir hat sie es als Arbeitszimmer verkauft“, fügte Kari hinzu. Skeptisch drehte er sich wieder um und wandte sich der liegen gebliebenen Arbeit zu. Die machte sich ja nicht von allein. „Wieso habt ihr eigentlich Sora mitgebracht?“ Sie wusste selbst nicht ganz, warum sie das fragte. Wahrscheinlich, um die anhaltende Stille so lange wie möglich zu durchbrechen. Da lag wieder diese Spannung zwischen ihnen, die ihr so unerträglich vorkam. Im Affekt fing man dann schon mal an, blödsinniges Zeug zu reden. „A-Also nicht dass ich ein Problem damit hätte. Nur mal so aus Interesse.“ „Matt hat ihr am Telefon davon erzählt und als sie das gehört hat, wollte sie unbedingt mitkommen. Sie hat übrigens Schokomuffins gebacken, für die Pause nachher“, erwähnte er so nebenbei. Schokomuffins. Bei dem Wort lief ihr schon das Wasser im Munde zusammen. Und Sora besaß durchaus großes Talent, wenn’s um typischen Hausfrauen-Kram ging. Da gehörte Backen wohl oder übel dazu. Bei ihren Treffen zum ersten August brachte sie jedes Mal eine andere Leckerei mit und immer übertraf sie sich wieder. Diese Stärkung für die harte Arbeit würde ihre aufgebrauchten Kraftreserven im Nu wieder auffüllen. Aus irgendeinem Grund konnte sich Hikari gar nicht so richtig darüber freuen. Denn auch heute wirkte Takeru so einsilbig. Als wäre er mit den Gedanken eigentlich ganz woanders. „Du, Keru?“ „Mhm?“ „Hab ich irgendwas falsch gemacht?“ Sofort unterbrach er seine Tätigkeit und schaute sie überrascht an. Erst bei genauerem Hinsehen bemerkte er den traurigen Ausdruck in ihren rehbraunen Augen. „Wovon redest du?“ „Du bist seit meiner letzten Übernachtung so komisch…“, druckste sie unsicher herum, kratzte nebenbei an einem Farbkleckser auf ihrem Arm herum, „Auf einmal hast du kaum noch Zeit für mich, obwohl noch Ferien sind und wenn wir uns dann mal treffen, bist du so nachdenklich und abweisend. Ich hab gedacht, es wäre vielleicht meine Schuld…“ Der plötzliche Druck auf ihren Schultern veranlasste sie dazu, den Blick zu heben. Er stand direkt vor ihr und sah sie todernst an. „Schlag dir das bitte ganz schnell wieder aus dem Kopf. Du bist wirklich die Letzte, die mir Kummer bereitet, das kannst du mir glauben. Tut mir leid, wenn ich dir Sorgen gemacht habe, das wollte ich nicht. Weißt du, ich war in den letzten Wochen sehr in die Schularbeiten vertieft und habe nebenbei noch an dem Manuskript geschrieben. Deshalb haben wir nicht so viel miteinander unternommen.“ Im Nachhinein könnte Takeru sich ohrfeigen für seine Nachlässigkeit. Natürlich entging dem feinen Gespür seiner Freundin nicht, dass seine Laune am Nullpunkt angelangt war und er seit seiner Entdeckung neulich an etwas zu knabbern hatte. Nun dachte sie doch tatsächlich, es sei ihre Schuld gewesen… So ein Mist. Nie im Leben wollte er sie beunruhigen. „Wirklich?“ Bedenklich zog sie die Brauen hoch. Die Nummer schien sie ihm nicht ganz abzunehmen. „Du weißt, dass du jederzeit mit mir reden kannst, wenn dich was bedrückt, ja, Keru? Ich bin immer für dich da!“ Er lächelte leicht und zog sie in seine Arme. Ihr so nahe sein zu können, entspannte ihn. Trotz des unwohlen Gedanken an seine heimlichen Gefühle. In diesem Moment war es das Richtige. „Na klar weiß ich das. Es ist alles gut, keine Angst, Hika.“ Eine Weile standen sie da, schmiegten ihre Körper ungeachtet der sommerlichen Hitze draußen aneinander und genossen diese enge Vertrautheit, bis er sich von ihr löste und in die Hände klatschte. „Was hältst du davon, wenn wir einen Ausflug machen als Entschädigung? Nur wir und die Digimon. So als krönenden Abschluss, bevor die Schule wieder losgeht.“ „Einen Ausflug?“, wiederholte sie fragend. „Lass dich einfach überraschen. Ich bin sicher, dir wird’s gefallen. Also, was sagst du?“ Gespannt wartete er ihre Reaktion ab. Hatte er damit ihre Zweifel vertrieben und sie davon überzeugt, dass alles bestens war? „Ich freu mich drauf!“ Gegen Abend machten sich die Geschwister Takaishi-Ishida schon früh auf den Heimweg. Die halbe Wohnung war gestrichen – Von Prinzessinnen-Pink bishin zum mörderischen Rot war vieles dabei, was wohl genau den Geschmack des Paares traf, das dort Ende nächster Woche einzog. Yamato musste schon jetzt los, da er heute mit dem Abendessen an der Reihe war und seinen Vater nur ungern warten lassen wollte. Er schuldete ihm noch eine Mahlzeit und wie er eben so war, blieb er auf Schulden nicht lange sitzen. Zwar hätte er Sora gern noch nach Hause gebracht, doch die weigerte sich schlichtweg. Zu lange war ihre letzte Begegnung mit Mimi her – Zu viel gab es, was getratscht werden musste. Taichi würde sich schon um sie kümmern, da war der Hobbymusiker sich sicher. Was seinen kleinen Bruder allerdings mit hierher verschlug, konnte er sich noch nicht ganz erklären. „Willst du auch mitessen, T.K? Warst schon lange nicht mehr zu Besuch.“ Bislang lief der Jüngere stumm neben Matt her, die Hände in den Hosentaschen vergraben und den Boden fixierenden. Er kaute auf seiner Unterlippe herum, war er sich doch nicht sicher, ob er das Thema wirklich anschneiden sollte. „Das trifft sich ganz gut. Ich wollte sowieso fragen, ob das möglich wäre.“ „Hast schon Sehnsucht nach meinen Kochkünsten, was, Kleiner?“, lachte Matt, was Takeru dazu verleitete, in seiner Bewegung inne zu halten und stehen zu bleiben. „Stimmt was nicht?“ „Wir müssen uns dringend unterhalten. Es gibt da etwas, was du wissen solltest…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)