Gegenlicht von Blaubeere20 ================================================================================ Kapitel 1: Gegenlicht --------------------- Ryou lag in seinem Bett, es war bereits 2 Uhr Morgens. Er hatte seinen Pijama an, sein Laptop war aus, seine Türe war geschlossen und sein Rucksack war für den kommenden Schultag gepackt. Es war still - alles, was man hören konnte, war das Geräusch der vorbeifahrenden Autos, da das Fenster gekippt war. Diese Töne waren das Einzige, was seine Ohren wahrnehmen konnten. Kalter Wind machte sich im Zimmer breit, Ryou jedoch scherte es nicht. Es ist kälter in mir drinnen, dachte er sich. Es ist einige Zeit verstrichen, seitdem Bakura verschwand. Er fühlte sich so leer und zerbrochen, dieses Gefühl machte ihn krank. Er aß oder schlief nicht mehr regelmäßig seit dem Vorfall. Er verbrachte die Tage nur noch mit Vermissen. Er fühlte sich unvollständig. Obwohl Bakura schlechte Absichten hatte und dazu nicht gerade der Freundlichste war, glaubte Ryou immer daran, dass er gar nicht so böse war, wie es alle Menschen sagten. Immerhin übernahm der Geist immer nur dann die Kontrolle über Ryous Körper, wenn er entweder müde oder in Schmerzen war. Der Geist gab ihm die Illusion von Geborgenheit, als würde er ihn wie jemand Wichtiges behandeln. Bakura war alles, das Ryou je hatte - und er hatte ihn verloren. Niemand ist komplett schlecht, Ryou konnte an nichts Anderes mehr denken, als an den Geist des Ringes. Es hielt ihn wach, es machte ihn wahnsinnig. Ich war ihm sehr wohl wichtig, der weißhaarige Junge begann, ein paar Tränen zu vergießen. Wie jede Nacht seit damals, schrieb er einen Brief an den Geist. Er sammelte alle fertigen Briefe auf seinem Schreibtisch. Es war ein Chaos, da waren über 100 Briefe. Manchmal, wenn er Bakura mehr vermisste, als üblich, schrieb er sogar bis zu vier Briefen in einer Nacht. Manche waren mit Tinte geschrieben, manche mit Bleistift und andere mit Kugelschreibern. Aber die Farbe war immer schwarz. Er nahm seine Füllfeder und begann, seine Gefühle niederzuschreiben: Geliebter Geist, es ist eine weitere einsame Nacht ohne dich. Ich denke, es ist Brief Nummer 189 aber ich bin mir nicht sicher.Aber auch wenn du alle 188 gelesen hättest, würdest du immer noch nicht verstehen, wie sehr ich dich vermisse. Weißt du, alle hassten dich und sie sagen es ist besser so, dass du gegangen bist. Aber für mich... für mich ist es ein Albtraum, der mir das Herz ausreißt. Es fühlt sich so an, als wäre mein Herz rausgerissen worden, ja. Es fühlt sich so an, als wärst du mein Herz. Und nun ist da nur ein leerer Platz da - ich kann die Leere fühlen. Seitdem du weg bist, fühle ich. Ich fühle und ich fühle und ich fühle. Zu viel. Bist du okay, geht es dir gut? Brauchst du wen, brauchst du mich? Ist es dunkel dort, fürchtest du dich? Nein, du hast dich niemals gefürchtet. Du hast immer dein Ding durchgezogen und hast niemandem erlaubt, es dir auszureden. Du warst mutig, du warst intelligent, du warst mein Anker. Du hast mich am Grund gehalten, du hast mich weitermachen lassen. Du warst immer da für mich - auch wenn es auf eine andere Art war. Ich wusste schon immer, dass du an der Stelle warst, wo mein Herz ist. Aber nun nicht mehr. Ich war mehr, als nur ein Körper für dich. Da bin ich mir sicher. Du hast nur Kontrolle über mich eingenommen, wenn ich entweder in Schmerzen war oder schlief. Ich weiß, du würdest es nie zugeben. Du bist sarkastisch, du bist gierig und du bist ungeduldig. Aber du findest Dinge schnell heraus, du hast eine andere Sicht, was Dinge betrifft, du hast eine andere Art, mit Dingen umzugehen. Du bist etwas Besonderes. So, die Tränen fließen bereits. Ich schätze, es ist Zeit, diesen Brief zu beenden. Ich vermisse dich. Die Füllfeder landete am Grund, Ryou weinte sehr stark. "Ich hoffe, ich bin immer noch besonders für dich", er versuchte, die Tränen wegzuwischen, aber sie rollten immer wieder erneut über sein Gesicht. Er fühlte sich hilflos. Er konnte nichts tun. Ryou wollte nur eine letzte Chance, um Bakura zu umarmen und ihm zu sagen, wie viel er ihm bedeutete. Er wollte, dass er es weiß. "Ich hoffe, du liest die Briefe", er konnte nicht mehr richtig sprechen. "Ich wette, ich sehe gerade schrecklich aus", sagte er, knippste das Licht an und sah in den Spiegel. Doch irgendetwas war anders; seine Schulter sahen breiter aus, seine Haare waren länger und er war generell etwas größer. Er starrte gegen das Glas und bemerkte, dass sein Spiegelbild nicht weinte. Ryous Augen weiteten sich und er presste seine Hände gegen das kalte Glas. Sein Atem wurde flacher. "Geist", flüsterte er und wollte durch den Spiegel in die andere Welt gelangen. Die beiden waren getrennt. "Ryou", es war Bakura. "Ich hoffe, du bist nicht sauer auf mich", die Stimme des Geistes war schwach und unstabil, er hörte sich erschöpft an. "Wieso sollte ich wütend sein? Ich will dich nur zurück!", Ryous Augen wässerten. Er sah das Spiegelbild an und fragte sich, ob er halluzinierte. Oder war es etwa ein Traum? Wenn es ein Traum war, wusste Ryou nicht, ob es ein Albtraum war oder nicht. "ICH WILL DICH ZURÜCK!", Ryou schrie und schlug gegen das Glas. "Shhht", Bakura versuchte, seinen Schützling zu beruhigen - er wusste genau, wie sich das anfühlte. Er wusste genau, was der Kleine durchmachte - es war genau dasselbe für ihn. Er vermisste die zartere Version von ihm jeden Tag und jede Nacht. Manchmal weinte er sogar. Doch das wollte er Ryou verschweigen. Er wollte nicht, dass er sich um ihn sorgte. Bakura war gefangen in einer Welt, wo es kein Licht gab. Nur wenn Ryou nach Mitternacht in den Spiegel sah, konnte er seinen Geist sehen. Er war immer da, doch Ryou machte nie das Licht an, so konnte er den Unterschied zwischen seiner Erscheinung und dem Spiegelbild nie feststellen. Bakura hatte öfter den Namen seines Schützlings gefüstert, doch dieser dachte immer, es sei reine Einbildung.Bakura wurde immer ignoriert. Aber er gab nie auf. Und endlich wurde er bemerkt. "Hast du meine Briefe gelesen?", Ryou presste seine Nase gegen das Glas. "Nein. Welche Briefe?", fragte der Geist. Der Junge stand sofort auf und schnappte sich einen. Er atmete tief ein und aus. Das war sein Wunsch - er wollte Bakura wissen lassen, wie viel er ihm bedeutete. Er wollte, dass er die Briefe liest, die er schrieb. Und nun ergab sich endlich die Chance dazu. Der schlimmste Gedanke, den Ryou immer hatte, war, dass Bakura verschwand, ohne zu wissen, wie viel er seinem Ryou bedeutete. Wie er ihn durch schwere Tage führte. Wie er ihm half, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Wie er die Lücke in seinem Herzen füllte. Bakura klopfte von der anderen Seite gegen das Glas, er wollte ebenfalls durchbrechen. Er hatte nicht einmal erwähnt, dass er Ryou vermiste, aber er tat es. Er hatte nur eine andere Art, Gefühle zu zeigen. Er wollte seinen Schützling umarmen. Ryou hielt einen der Briefe in der Hand und begann zu lesen, während sich ein Lächeln auf seinen Lippen formte: "Geliebter Geist". Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)