Gemeinsam allein von Nimmerella ================================================================================ Kapitel 1: Die Straße ist kein zu Hause --------------------------------------- Es war mitten in der Nacht, als er auf einmal eine Wärme spürte, die nicht von ihm ausging. Langsam öffnete er die Augen und sah zum Ursprung dieser Wärme. Es war Ruffy. Sein kleiner Bruder war zu ihm ins Bett gekrochen und sah ihn ängstlich an. „Hey, was ist denn Ruff?“, fragte der Ältere der beiden Brüder. Sein Gegenüber fing leicht an zu weinen und vergrub sein Gesicht an seiner Brust. Ace kannte dieses Verhalten. Er strich seinem Bruder über den Kopf und lauschte. Zwei laute Stimmen waren zu hören, die sich wieder mal anschrien. Es waren die Stimmen ihrer Mutter und die ihres Chefs. Die Brüder waren in ihrem gemeinsamen Zimmer. Es gab nur zwei Betten, die gegenüber voneinander an den Wänden standen und eine Kommode unter dem völlig verdreckten Fenster, in der ihre Kleidung lag. Auch der Rest des Zimmers war vollkommen schmutzig und es roch muffig. Das Geschrei der Erwachsenen war nun verstummt und nach nicht langer Zeit konnte man das Stöhnen ihrer Mutter hören. Ace zog seinen Bruder nun komplett unter seine Decke und zog ihn in seine Arme, damit er das nicht auch noch hören musste. Er summte das Schlaflied, was seinen Bruder immer zum schlafen brachte und es dauerte nicht allzu lange, da hörte das Beben auf und er begann regelmäßig zu atmen. Ace hasste seine Mutter dafür, wie sie Ruffy immer wieder verängstigte. Der Kleine verstand das alles noch nicht so richtig. Er wiederrum verstand das meiste sehr wohl, da er keinen großen Bruder hatte und so schneller erwachsen werden musste. Natürlich war er noch immer ein Kind, aber er fühlte sich verantwortlich für seinen Bruder. Seine Mutter machte keinen hehl daraus, dass sie beide nur jeweils ein Unfall mit einem Kunden gewesen waren. Sie waren nur Halbgeschwister und ihre Väter wussten nichts von ihnen, aber das war auch gut so. Wer wollte schon ein Kind von einer Nutte. Er wusste, was sie beruflich tat, auch wenn nie darüber geredet wurde. Er war ja nicht dumm. Nach einer Weile verstummten die Geräusche der beiden Erwachsenen im Nebenzimmer und die Haustür war zu hören, wie sie ins Schloss fiel. Der Chef war gegangen. Der Geruch von Zigarettenrauch kroch unter der Tür hindurch und der sommersprossige Junge rümpfte die Nase. Er mochte diesen Geruch einfach nicht, würde sich nie daran gewöhnen. Nach einer Weile schlief auch er mit Ruffy im Arm ein. Ein Poltern gegen die Tür riss ihn wieder aus dem Schlaf. „Ace mach gefälligst Frühstück, ich hab keine Zeit für euch, ich muss zur Arbeit“, erklang der Ruf ihrer Mutter. Ein Seufzen entfuhr dem Älteren und so richtete er sich vorsichtig auf. Ruffy hatte zum Glück meist einen tiefen Schlaf und so hatte er auch jetzt den Ruf seiner Mutter nicht gehört. Der Kleine versuchte immer Anerkennung und Aufmerksamkeit von seiner Mutter zu bekommen, aber vergebens. Sie behielt die beiden nur um das Kindergeld einzustreichen, sonst würde sie nicht über die Runden kommen, dank ihrem Drogenkonsum. Der Junge verließ das Zimmer und ging kurz ins Bad. Die Lampe an der Decke flackerte und in der Badewanne lagen ungewaschene Klamotten. Auch hier war es dreckig. Die eigentlich weißen Fliesen wiesen einige Flecken auf, die verschiedensten Ursprung hatten und nur die Ecke am Waschbecken war sauber, wo ihre Mutter ihre Schminksachen aufbewahrte. In ihrem Beruf war Aussehen eben alles. Seufzend ging er zur Toilette und ging dann in die Küche. Auch hier triefte es vor Dreck. Auf dem Küchentisch lagen Essensreste von mehreren Tagen und ein Aschenbecher, der vor Asche und Zigarettenstummeln schon überquoll. Die Küche bestand nur aus einer Spüle, die mit Geschirr vollgestellt war, dass abgespült werden musste, einem Kühlschrank, einem Herd mit zwei Platten und einer Mikrowelle. Als erstes holte er sich einen Müllsack und schmiss alles hinein, was auf dem Tisch lag und leerte auch den Aschenbecher. Die Tüte stellte er in den Flur, um sie nachher mit runter zu nehmen. Er ging zur Spüle nahm seich einen Hocher, damit er ran kam und spülte alles ab und räumte es weg. Seine Mutter kümmerte sich hier um gar nichts, aber er wollte nicht, dass Ruffy und er hier im Dreck versanken, was wohl so kommen würde, wenn er nicht selber dafür sorgte, dass hin und wieder aufgeräumt wurde. Danach machte er für sich und Ruffy Frühstück. Es bestand nur aus ein wenig Brot und Marmelade, die er noch fand. Vieles im Kühlschrank war schlecht, sodass er auch dies noch in die Tüte für den Müll stopfte. Er war gerade dabei die Brote fertig zu machen, als sein kleiner Bruder in die Küche kam. Er rieb sich die Augen und sah sich um, suchte wohl nach Mama. „Sie ist bei der Arbeit“, sagte er nur tonlos zu ihm. Der Kleine nickte und setzte sich an den Tisch und nahm sich ein geschmiertes Brot und begann zu essen. Nachdem sie gefrühstückt hatten wuschen sie sich am Waschbecken im Bad und zogen sich um. Eigentlich müsste Ace schon längst zur Schule gehen, aber seine Mutter meldete ihn nicht an und verbat es ihm, da er sich um seinen kleinen Bruder kümmern sollte. Wäre dieser nicht, würde er schon längst nicht mehr hier sein, das war ihm klar. So ging er mit Ruffy nach unten und brachte den Müll weg, bevor sie in den Park gingen. Das war sein Lieblingsort. Hier war es friedlich und er konnte endlich frische Luft atmen, ohne immer diesen Gestank der muffigen und verqualmten Wohnung in der Nase zu haben. Er war nicht wie die anderen Kinder. Während Ruffy auf dem Spielplatz spielte, saß er am Teich, hatte seine Knie angezogen und seinen Kopf darauf abgelegt. Er beobachtete das Wasser und die Enten und Schwäne, die darin umher schwammen. Dabei bemerkte er nicht, dass ihn ein Mann mit roten Haaren und Strohhut beobachtete, der etwas abseits auf einer Bank saß und Zeitung las. Als der Nachmittag anbrach holte Ace seinen Bruder vom Klettergerüst und ging mit ihm zurück nach Hause. Ihre Mutter würde bald wieder da sein und sie rastete jedes Mal aus, wenn sie erfuhr, dass sie draußen gewesen waren. Eigentlich wollte sie es nicht, aber das war ihm herzlich egal, da er es einfach nicht aushielt in dieser Drecksbude. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, da fünf Minuten später auch schon die Wohnungstür aufsprang und ihre Mutter hinein kam. Sie war gerade mal 29 Jahre alt. Sie schminkte sich mit grellen und auffälligen Farben. Ihre schmutzig blonden Haare trug sie offen und ihr Kleid, war sehr kurz und ließ nicht viele Fantasien offen, wie es ihr Chef immer betonte. Sofort erkannte er an ihren Augen, dass sie mal wieder Drogen genommen hatte. Das war nicht gut. In diesem Zustand schlug sie um sich, schrie sie an und im schlimmsten Fall verbrannte sie sie mit ihrem Feuerzeug. So drückte er Ruffy ins Zimmer und schloss die Tür, auch wenn er sich wehrte. Seine Mutter sah ihn an und grinste fies. „Mein Sohn, sei ein Schatz und bring Mama ein Bier aus dem Kühlschrank“, säuselte sie und ließ sich auf den Küchenstuhl fallen. Er schenkte ihr nur einen finsteren Blick und holte das Bier, nicht aus Angst vor ihr, sondern in der Hoffnung, sie würde nicht ausrasten und eventuell Ruffy schlagen. Sie trank das Bier und rauchte gleich ein paar Zigaretten hintereinander. „Du musst einkaufen, es ist nichts mehr im Kühlschrank außer Bier“, sagte er nach einer Weile tonlos. Sie sah auf und schon konnte er ihre Wut sehen. Im nächsten Moment saß er rücklings auf dem Boden und hielt sich eine Hand an die Wange. Sie hatte ihn geohrfeigt, wie so oft. Er blieb nicht sitzen sondern rappelte sich gleich wieder auf. „Einkaufen? Du spinnst wohl! Ich hab für so was kein Geld, sieh zu wie du was bekommst, dann klau eben was“, schrie sie ihn an und drückte dann die Zigarette an seinem Oberarm aus. Das Gefühl der Glut auf seiner Haut war sehr schmerzhaft, doch er unterdrückte den Schrei, der ihm auf den Lippen lag. Nur für seinen kleinen Bruder war er so stark. Feuer war ihm verhasst, er wollte nicht, dass andere Menschen solche Qualen erlitten wie er, wenn sie ihn mal wieder verbrannte. Sie kramte in ihrer Tasche herum und zog eine Spritze hervor und setzte sich wieder einen Schuss. Heroin war gefährlich, dass wusste auch schon der 8-Jährige, aber dennoch nahm sie dieses Zeug täglich zur Hand und in seinem Inneren hoffte er inständig, dass sie bald daran sterben würde, nur damit er Ruhe vor ihr hatte. Schnell ergriff er die Gelegenheit und wandte sich ab. Er ging ins Zimmer, wo noch immer Ruffy quengelte und gesellte sich zu ihm. „Was ist los Ace, warum schreit Mama wieder?“, fragte der schwarzhaarige ihn. „Sie hatte einen harten Tag bei der Arbeit, alles ist gut. Sie ruht sich jetzt aus“, sagte er und lächelte, auch wenn es ihn Überwindung kostete. Er spielte mit Ruffy, damit er nicht auf die Idee kam zu ihrer Mutter zu gehen. Sie beide trugen einige Narben von der Behandlung ihrer Mutter und er wollte, dass es bei dem 3-Jährigen nicht so viele wurden wie bei ihm. Gegen Abend jedoch rief sie nach Ace und er ging nach einem kurzen Blick zu Ruffy, der noch immer spielte. Sie lag nun in ihrem Zimmer auf dem Bett und sah fern. „Los mach mal was zu Essen“, befahl sie herablassend. „Geht schlecht, wenn nichts im Kühlschrank ist“, antwortete er nur trotzig und verschränkte die Arme. Gerade als sie wieder loslegen wollte kam sein Bruder herein und rannte zu Mama. Er versuchte noch ihn festzuhalten, aber es gelang nicht. „Mama, guck mal was ich...“, begann der 3-Jährige und schon im nächsten Moment bekam er eine Ohrfeige gefolgt von einer fliegenden Bierflasche, die ihn am Kopf traf. Er ging zu Boden und weinte. Schnell trat sein großer Bruder zu ihm und nahm ihn in den Arm. „Lass Ruffy in Ruhe! Er hat dir nichts getan, verdammt“, blaffte er sie an und erhob sich zusammen mit seinem Bruder. Dadurch, dass sie oft nicht viel zu essen im Haus hatten war er sehr leicht und der Sommersprossige konnte ihn ohne weitere Probleme tragen. „Ihr Mistgören, ihr versaut mir noch mein ganzes Leben!“, schrie sie nun völlig in Rage. Ace wollte gerade anfangen zu schreien, als es gegen die Wohnungstür donnerte und die Stimme ihres Chefs erklang. Blitzschnell rannte Ace in das Zimmer von ihm und Ruffy und schloss die Tür von innen ab. Dieser Mann war noch viel schlimmer, als Mutter, das wusste er genau. Ruffy weinte noch immer, sodass er ihn auf sein Bett setzte und sich den Kopf ansah. Es war zum Glück nur eine Beule nichts weiter. Das Geschreie ertönte aus dem Schlafzimmer. Diesmal war es lauter als sonst und vor allem der Mann schrie aus Leibeskräften. Dann konnte man etwas zerbrechen hören und ein paar dumpfe Schläge. Stille. Ein paar hastige Schritte und die Wohnungstür fiel ins Schloss. Auch Ruffy war still geworden, als der Streit begonnen hatte. Aber diesmal war etwas anders, das wusste der 8-Jährige. Normal raste Mama weiter vor Wut, außer sie hatte wiedermal Sex mit dem Chef. „Bleib hier Ruff, ich hol dir was zum kühlen“, sagte er und ging hinaus. Natürlich holte er erst mal nichts, er wollte vorerst wissen was los war. Leise schlich er zum Schlafzimmer aus dem noch immer der Fernseher zu hören war. Er presste sich neben die Tür an die Wand und lugte vorsichtig hinein. Seine Mutter lag auf dem Boden neben dem Bett. Sie bewegte sich nicht und in ihren Haaren waren tiefrote Flecken zu sehen. Am Boden bildete sich eine Pfütze aus Blut. Er kam hervor und ging näher ran. Er beobachtete sie genau und erkannte was los war. Sie war tot, erschlagen von ihrem Chef. Neben ihr lagen Scherben von einer der Bierflaschen und an der Nachttischlampe klebte ihr Blut. Er war geschockt über den Anblick, weniger darüber, dass seine Mutter tot war, mehr darüber, wie sie dar lag. Blutüberströmt und völlig unnatürlich verdreht. Sein Schreck dauerte nicht lange an. Er ging zur Kommode und durchwühlte eine Schublade. Hier bewahrte sie immer das Geld auf. Er fand es und steckte es ein, danach durchwühlte er noch ihre Handtasche und fand noch ein wenig mehr. Er ging hinaus und schloss die Tür des Schlafzimmers. Wieder im Zimmer von ihm und Ruffy angekommen, nahm er ihre Rucksäcke und stopfte Klamotten hinein. „Ace was machst du da?“, fragte sein Bruder auf einmal. „Wir gehen Ruffy, Mama ist weg und wird nicht wieder kommen“, sagte er und sah ihn sanft an. Tränen bildeten sich in den Augenwinkeln des 3-Jährigen. Schnell zog er ihn in seine Arme und legte eine Hand auf seinen Kopf. „Das ist besser so, sie hat uns doch nie gewollt und ich bin bei dir, für immer“, sagte er sanft und strich dem Jungen durchs Haar. Irgendwie mussten sie verhindern ins Heim zu kommen. In ihrer Nachbarschaft war ein Waisenhaus und die Zustände dort waren mindestens genau so schlimm wie die hier zu Hause. Nachdem alles eingepackt war und sie ihre Jacken angezogen hatten gingen sie hinaus. Ace zog die Wohnungstür hinter sich ins Schloss. Den Schlüssel hatte er in der Küche liegen lassen. In ein paar Tagen würde die Leiche ihrer Mutter gefunden werden und da es keine Bilder von ihnen gab und er die Ausweise von sich und Ruffy bei sich trug, würde sie niemand suchen. Zum Glück war es Frühling und so hatten sie erst einmal ein paar Monate vor sich, in denen man ohne weiteres draußen schlafen konnte. Sie gingen zunächst in den Park, um sich etwas zu erholen. Ruffy war schnell abgelenkt und spielte wie so oft auf dem Spielplatz mit den anderen Kindern zusammen. Ace saß nun auf der Bank und überlegte, wie es mit ihnen weiter gehen sollte. Mit dem Geld was er mitgenommen hatte würden sie ein oder zwei Monate genug zu essen kaufen können. Aber danach müssten sie improvisieren. Es würde schwer werden, das wusste der 8-Jährige, aber alles war besser, als bei ihrer Mutter zu leben. Das Einzige was sie ihnen hatte bieten können, war ein Dach über dem Kopf und da war es ihm doch lieber draußen zu sein. Eine Weile beobachtete er seinen Bruder, wie er ausgelassen spielte. Es war für ihn schön ihn so zu sehen, allerdings versetzte es ihm auch einen Stich. Auch er hätte gerne mal so ausgelassen und ohne viele Sorgen im Kopf gespielt, aber das war nie der Fall gewesen, besonders nicht seit dem er geboren wurde. Er liebte ihn und war froh, dass er da war, aber genau so wollte er ihn beschützen und ihm die Kindheit ermöglichen, die ihm schon so früh genommen wurde. Aufgrund dessen verstand sich Ace nicht mit den gleichaltrigen, die so sorgenlos jeden Tag erlebten. Sein Tag begann immer mit Sorgen und Kummer und diese hörten auch nicht in der Nacht auf, wenn Ruffy mal wieder weinend in sein Bett gekrochen kam. Er sah auf die Armbanduhr, die er seiner Mutter abgenommen hatte und beschloss, dass es Zeit wurde etwas einzukaufen und dann ein Quartier für die Nacht zu suchen. Er rief nach dem 3-Jährigen, der auch gleich zu ihm kam und nahm ihn bei der Hand. „Wir gehen jetzt einkaufen, worauf hast du denn Lust?“, fragte er ihn und lächelte dabei. „Schinkenbrot!“, rief der Kleine aus und sein großer Bruder musste lachen. So gingen sie in den nächsten Supermarkt und kauften einige Sachen, die sich auch ohne Kühlschrank eine Zeit lang hielten. An der Kasse wurden sie etwas schräg angesehen, da sie um diese Uhrzeit allein unterwegs waren, aber der Sommersprossige sagte kein Wort, packte die Einkäufe in seinen Rucksack und bezahlte. Zusammen gingen sei dann weiter. Ace sah sich aufmerksam um, nach kleineren Gassen oder Hinterhöfen, in denen sie unbemerkt bleiben würden. Es dauerte eine Zeit, bis Ace einen Zwischenraum zweier Häuser entdeckte, der für sie groß genug war und der Eingang aber so schmal war, dass kein Erwachsener hindurch passen würde. „Komm Ruff, hier rein“, sagte er freudig und schob den Kleinen zu der Nische. Dieser sah etwas ängstlich drein. „Keine Angst, ich bin ja bei dir“, munterte er den 3-Jährigen auf und kletterte nach ihm hinein. Der Eingang war zwar recht schmal, aber dahinter bildete sich eine größere Gasse, die uneinsichtig war. Hier würden sie ihre Ruhe haben und niemand würde sie hier überfallen können. In der Gasse lag viel Müll herum. Alte Pappkartons eine Metallwanne und einiges Holz. Da es noch hell war konnte man alles gut erkennen, aber abends würde es hier stock dunkel werden. Ace überlegte und begann alles etwas umzuräumen und Platz zu schaffen. Von innen stellte er an den Eingang ein paar der Holzbretter, die sie dann zur Nacht davor stellen konnten, um eine Art Tür zu haben. Die Pappkartons stellte er mit der Öffnung nach vorne hin und darin bereitete er eine Art Schlafstelle mit den Decken und dem Schlafsack, den er vorsorglich mitgenommen hatte. Ruffy beobachtete ihn dabei und sah etwas fragend drein. Ihm schien das alles nicht allzu geheuer, war er doch abends sein einigermaßen gemütliches Bett gewöhnt. „Müssen wir jetzt hier bleiben?“, fragte der Schwarzhaarige letztendlich seinen beschäftigten Bruder. „Wir bleiben jetzt hier, ja. Aber das wird schön, hier haben wir unsere Ruhe und das ist wie ein Campingausflug!“, sagte Ace mit freudigem Ton in der stimme, den er sich selber aufzwang. Auch ihm war das nicht besonders Geheuer, aber sie hatten keine andere Wahl, wenn sie nicht ins Heim wollten und dann vielleicht sogar getrennt werden würden. Die Metallwanne, die er in einer hinteren Ecke fand wollte er zum Waschen benutzen und würde sie bald mit Wasser auffüllen gehen, sobald es dunkel war. Ganz hinten in der Gasse war ein Gulli, den sie wohl oder übel als eine Art Toilette verwenden müssten, aber es gab schlimmeres. Alles in allem war diese Gasse ein guter Fund gewesen. Mit ein paar Steinen und Holz baute er eine kleine Feuerstelle und zog ein Feuerzeug heraus, was er ebenfalls seiner Mutter aus der Handtasche genommen hatte. Es dauerte nicht lange und das kleine Feuer brannte. „Ruffy, komm dem Feuer nicht zu nahe, sonst verbrannst du dich noch“, warnte er seinen kleinen Bruder der nickte und sich auf die Decken im Karton niederließ. Er zog sein Lieblingsstofftier aus seinem Rucksack und nahm es in den Arm. Leise weinte er dort, während Ace ihnen etwas zu essen machte. Gemeinsam aber schweigend aßen sie und warteten auf die Dunkelheit. Ace schlich mit der Wanne hinaus, während Ruffy schon schlief und füllte diese mit Wasser aus einer Regentonne, die er ein paar Straßen weiter in einem Hinterhof fand. Als er zurückkam war alles unverändert. Das Feuer brannte noch und der 3-Jährige schlief Seelig. Anstatt zu schlafen setzte er sich ans Feuer und sah in den Himmel hinauf. Nur einzelne Sterne waren zu erkennen, kein Wunder, immerhin waren sie in New York, wo auch nachts viele Lichter brannten. Inständig hoffte er sie würden das hier überstehen und schwor sich alles dafür zu tun. Dennoch stand eins fest, sie hatten nun kein zu Hause mehr, denn die Straße war nun mal keins. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)