No Princess von Yinjian ================================================================================ Kapitel 9: Das Problemkind -------------------------- „Na wie geht’s, Gevatter Wolf?“ Mirai ließ Annas Hand los und lief schnurstracks zum Käfig. Anscheinend belustigte ihn die Ansicht und anscheinend war der Riesenwolf das schon gewohnt. Gelangweilt schnaubte er aus, sodass er ein paar Staubschwaden vom Boden löste. „Immer noch der alte Griesgram, hm?“ Der Wolf schaute den Affenkönig nun genervt an. Seine Schnauze hätte mit Leichtigkeit um Mirais Kopf gepasst, doch anscheinend machte er keine Anstalten, zu kämpfen. Er wandte den Blick ab und richtete ihn nun auf Anna. „Oh, das? Das ist meine Freundin.“ grinste Mirai nun. „Komm her.“ Anna folgte Mirais Aufforderung erneut ohne zu Hinterfragen, bis sie einige, wenige Meter vor dem Käfig stehen blieb. Der Wolf war gigantisch. Mirai war schon groß gewesen, doch alleine im Sitzen war der Wolf zwei Köpfe größer als er. „Ist sie nicht hübsch?“ lachte Mirai nun und legte seine Hand wieder um ihren Rücken auf ihre Schulter. „Vielleicht heirate ich sie bald.“ fügte er neckisch hinzu. Der Wolf machte ein Geräusch, als würde er husten und begann dann hämisch zu hecheln. „Du glaubst wohl nicht, dass ich mal eine Braut haben werde?“ fragte Mirai nun giftig und griff mit seiner freien Hand nach den Barthaaren des Wolfes. Das „Lächeln“ des Wolfes verschwand und er begann erneut zu knurren, nur diesmal um einiges gefährlicher. Anna spürte, wie sich ihr ganzer Körper anspannte. „Aber ich bin nicht nur hier, um anzugeben...“ Mirai ließ den Wolf los und Anna spürte, wie auch sein Griff ihr gegenüber lockerer wurde. Er drehte das Mädchen behutsam um, sodass sie mit dem Rücken zum Wolf stand. Dann zog er Top etwas runter, um ihren Rücken komplett zu entblößen. Anna spürte den heißen Atem des Wolfes auf ihrem Rücken. Sie bekam Gänsehaut. Plötzlich hörte man, wie ein ohrenbetäubendes Bellen die Stille unterbrach. Der Wolf war, so gut es in dem für ihn zu kleinen Käfig ging, auf alle vier Pfoten gesprungen und bellte wie verrückt Annas Rücken an. Anna wäre fast vor Schreck weggesprungen, doch Mirais Arm hatte sich gegen ihren Bauch gedrückt und hielt sie davon ab. Er begann zu lachen. Es war ein wildes, verrücktes und triumphierendes Lachen, das fast das Bellen des Wolfes übertönte. Anna wurde heiß und kalt zugleich. Das Bellen des Wolfes erstarb, man hörte nur noch das wilde Lachen des Affenkönigs. „Was willst du?“ Die Stimme des Wolfes war so tief, man könnte meinen, es wäre reiner Bass. Sie drang bis zu Annas Brustkorb vor, wo der Druck auf ihr lastete und es ihr schwer machte, zu atmen. Die Krallen des Wolfes bohrten sich vor Zorn in den Boden. „Ich muss dir also nicht erst erklären, dass das unsere Königin ist, ja?“ „Natürlich nicht...“ erneut brummte die Bassstimme so tief, dass Anna fast mit bebte. „Ich will, dass ihr verschwindet. Aus dem Wald und aus dieser Gegend. Und ich will euch nie wieder sehen.“ Mirais Stimme klang immer noch angriffslustig, doch nun lag ein Tonfall dabei, als würde er es todernst meinen. „Und natürlich wirst du sterben müssen.“ „Du hast schon meine Jungen getötet. Ich habe keinen Grund weiter zu leben, wenn ich nicht mal mein Rudel beschützen kann.“ Die Stimme des Wolfes klang resigniert, lebensmüde und fast sogar traurig. Genau die Gefühle, die Anna gerade nicht teilen konnte. Sie griff nach Mirais Arm, der sie festhielt, und stieß ihn beiseite. „Was meint er mit 'Du hast schon meine Jungen getötet'? Ich dachte, er hat deine gefressen?“ Blanke Wut spiegelte sich in ihren Wörtern wieder und der muskulöse Arm, den sie festhielt, gab langsam unter ihren Fingernägeln nach. Mirai zog ihn aus ihrem Griff und zischte kurz auf. Ihre Nägel hinterließen rote Kratzer auf ihm. Wütend keifte er zurück: „Natürlich mussten wir das machen, er hat ja auch unsere getötet! Sogar gefressen!“ Anna holte aus, doch bevor ihre Hand seine Wange traf, hatte sich seine schon um ihr Handgelenk gelegt. All die Muskeln waren nicht nur für Schau – es tat weh. „Misch dich nicht ein.“ zischte er leise und mit einer barschen Bewegung schleuderte er Annas Hand wieder weg. Doch Anna gab nicht nach. „Natürlich mische ich mich ein! Du willst mich als Druckmittel benutzen, um die Wölfe zu vertreiben. Okay! Dagegen hab' ich nichts. Aber wenn du mir erzählen willst, dass du die gleichen barbarischen Methoden benutzt und hilflose Jungen abschlachtest, kannst du nicht mit meiner Hilfe rechnen!“ fauchte sie und ihre Stimme wurde immer lauter. Die Affen, die bisher schweigsam in den Baumkronen saßen, fingen nun an, wie wild zu schreien. Die Luft war gefüllt mit Wut und Frustration. „Du hast nicht das Recht, dich mir hier zu widersetzen!“ rief Mirai nun, noch lauter, und der Affenchor stimmte mit in sein Gebrüll ein. Anna starrte Mirai an. Ihre Brust bebte. Adrenalin rauschte durch ihr Blut. Ihr Rücken wurde heiß. Sie wandte sich den Affen zu. „RUHE!“ Ihre Stimme hallte mit so einer Boshaftigkeit durch die Lichtung, dass alle Geräusche starben und es zur erneuten Ruhe kam. Das Fell des Wolfes hatte sich aufgestellt. Auch Mirai hatte jeden Muskel seines Körpers angespannt. Die Affen verstummten in Angst. Anna packte Mirai am Shirt und zog den Jungen an sich ran, bis ihre Nase auf seiner lag. Sie schaute ihm in die Augen. Sie musste wissen, was er vor hatte. In diesem Moment konnte sich Mirai nicht wehren. Wie paralysiert ließ er sich zu ihr ziehen. Ihre Augen, die sonst der Farbe eines wolkenfreien Himmels erinnerten, wurden blass wie Eis. Er spürte die Hitze, die ihre Wangen ausstrahlten. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie sich ihre Brust unter dem leichten Top schnell hob und senkte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sie ihn plötzlich los ließ und sich von ihm abwandte. Statt ihn noch eines Blickes zu würdigen, ging sie auf den Wolf zu. Die Stämme, die ihn gefangen hielten, waren noch breiter als sie selbst. Der große Kopf des Tieres, der sie vor Minuten noch eingeschüchtert hatte, war nun nur noch weniger Zentimeter von ihr entfernt. Sie legte ihre Hand auf seine Schnauze, die kurz weg zuckte, sich dann aber der Berührung hin gab. Auch ihm schaute sie für ein paar Sekunden in die Augen. Dann seufzte das Mädchen. „Tut mir Leid, dass ich gebrüllt habe.“ meinte sie nach einigen Sekunden beschämten Schweigens. Mirai verstaute seine Hände wieder in die Hosentaschen. Er schien zu schmollen. „Besser ist.“ meinte er grimmig. „Ich will, dass du etwas für mich tust.“ fuhr Anna nun fort. „Ich möchte, dass du den Wolf frei lässt. Wir gehen zu seinem Rudel.“ „Das kann nicht dein Ernst sein!“ erneut fing Mirai an zu schreien, auch die Affen schienen mit der Aufforderung unzufrieden zu sein und begannen, frustriert aus ihren Verstecken zu kreischen. Anna erhob nicht erneut die Stimme, stattdessen funkelte sie Mirai mit einem Blick an, der kein „Nein“ zuließ. „Oh mein Gott.“ flüsterte Mirai nun hasserfüllt und begann, die Tür des Käfigs zu öffnen. „Er rennt weg, sobald er frei ist. Oder noch besser: Er tötet uns alle.“ grummelte er. „Ich hoffe, du bist dir dessen bewusst!“ fauchte er Anna an. Doch diese stand einfach nur da und schaute zu, wie Mirai und ein paar größere Affen, die sich nun trauten, zu helfen, die Seile lösten. Die Käfigtür öffnete sich und zum Erstaunen (fast) aller Anwesenden machte der Wolf keine Anstalten, irgendjemanden anzugreifen, geschweige denn zu fressen. Mirai sah verwirrt aus. Mit einem schwer einzuschätzenden Blick sah er zu, wie der Wolf aus dem Käfig trottete. Nun, da er frei war, war die Größe überwältigend. Sogar Anna, die anscheinend die Situation im Griff hatte, ging zögerlich einen halben Schritt zurück. Der Wolf musste bis um die drei Meter groß sein. Das Mädchen schaute kurz den Riesen an, ging dann aber zu Mirai und griff seine Hand. Eine Sekunde lang hätte er diese am liebsten beiseite geschlagen und wäre gegangen, hätte er nicht gemerkt, dass die Hand immer noch zitterte. Widerwillig wickelten sich seine Hände um die kleine, Schweiß bedeckte Hand. Wie konnte sie so cool aussehen, wenn sie solche Angst hatte? Es trieb ihn in den Wahnsinn. Vor allem ihre nächsten Worte. „Bring uns zu den anderen Käfigen.“ murmelte das Mädchen leise und erneut seufzte Mirai genervt. Warum machte er das? Warum gehorchte er ihr? Hier war ER der König. Schroff zog er an ihre Hand und ging weiter die Lichtung hinunter. Der Wolf folgte schweigend. Das Geräusch des Aufschlags seiner Pfoten hallte dumpf durch die Bäume hindurch. Sein Kopf verschwand hier und da hinter Blättern. Schweigend liefen die drei, gefolgt von den Affen natürlich, für eine halbe Stunde durch den Wald. Dieser erstreckte sich anscheinend sehr viel weiter, als Anna anfangs vermutet hatte. Immer mehr sah man am Rand des Pfades violette Blumen aus dem Boden sprießen. Der Wolf stieß ab und zu angeekelt Luft aus der Nase. Einmal trafen seine Nasentropfen Annas Rücken, der nun wieder mit ihr Jacke verhüllt war, hinterließ jedoch trotzdem ein ekelhaftes Gefühl. „Wir sind da.“ Mirai ließ Annas Hand los. Er war immer noch genervt, doch das interessierte die Blondine gerade herzlich wenig. Erneut eröffnete sich eine Lichtung vor ihr, in der ein Käfig stand. Dieser war kleiner und umringt von den selben, violetten Blumen, die sie auf dem Hinweg schon gesehen hatte. In diesem Käfig waren vier kleine Wolfsjungen. Beim Anblick der Welpen lief der große Wolf an den Menschen vorbei und schnüffelte am Käfig herum. „Du hast mit den Blumen ihren Duft überdeckt...“ k0nurrte nun die tiefe Bassstimme wieder. Die Welpen reckten sich der großen Schnauze ihres Alphatiers entgegen und fingen an, zu heulen und zu wimmern. „Du hast sie nicht getötet...“ „Natürlich nicht.“ Mirai rümpfte beleidigt die Nase. Als Anna ihm in die Augen gesehen hatte, konnte sie genau dieses Bild sehen. Das Bild von den Welpen im Käfig, umringt von Blumen. Auch sie gesellte sich nun zu den Tieren. „Silver.“ sagte sie nun auffordernd. Ihr Blick war auf die Welpen geheftet, doch der Alpha sah sie nun an. „Du wirst einen von ihnen mir geben.“ Nicht nur der Wolf, sondern auch Mirai, sah sie nun geschockt an. „WAS?“ Mirai klang aufgebracht und machte große Schritte auf sie zu. Anna war wieder aufgestanden. Der Wolf, der anscheinend auf den Namen „Silver“ hörte, seufzte genervt. „Ich habe sie gerade erst wieder. Warum sollte ich sie einem Menschen anvertrauen?“ fragte er verbissen. „Einem Menschen?“ entgegnete Anna nun kühl. „Du denkst wohl, deine Freiheit hat keinen Preis.“ Der Wolf beugte sich zu dem kleinen Mädchen hinunter. Die große Schnauze, die bisher keine Zähne gezeigt hatte, entblößte nun messerscharfe, weiße Reiszähne, die die Größe von Schwertern hatten. Affen rannten auf die Lichtung und begannen zu schreien, während sie sich vor und um Anna aufbäumten. Vielleicht stimmten sie Annas Entscheidung nicht zu und vielleicht waren sie auch enttäuscht und frustriert über Anna, die den Wolf hat gehen lassen, aber der Hass gegenüber dem Alpha war immer noch größer und tiefsitzender. Auch Mirai hatte sich, widerwillig und frustriert, schützend neben die Blondine gestellt. „Selbst mit diesen Affen hast du keine Chance, wenn du denkst, ich würde meine Jungen kampflos aufgeben.“ Der Wolf fletschte die Zähne. Einmal schnappen, dann wäre ihr süßer, kleiner Kopf weg gewesen. Anna schaute ihn eine Weile lang unbeeindruckt an. „Du verstehst mich falsch. Ich nehme eines deiner Jungen als mein Mündel auf. Es wird so lange bei mir sein, wie die Verhandlungen dauern.“ „Was für Verhandlungen?“ sagte der Wolf nun noch aggressiver als vorher. „Die Verhandlungen, die darüber entscheiden, ob ihr hier im Wald bleibt oder nicht.“ „Bitte?“ fragte Mirai nun schockiert und fuhr herum, um Anna an den Schultern zu packen. „Mirai. Sie haben keinen Platz. Kein Zuhause. Du musst doch wissen, wie sich das anfühlt.“ Und Mirai wusste es auch. Aber er wollte es nicht zugeben. „Das ist noch lange kein Grund, um sie dazu einzuladen, meine Freunde zu fressen.“ „Werden sie auch nicht, keine Sorge.“ Im Gegensatz zu Mirai, der nicht nur so aggressiv wie der Wolf klang, sondern auch noch leicht beängstigt, war Anna ruhig. Nicht gelassen, aber gefasst. „Passt auf.“ Sie löste sich aus Mirais Griff, ging zum Käfig, schaute kurz die Welpen an, und deutete dann mit dem Finger auf den einzigen weißen Wolf darin. „Er kommt mit uns. Der Rest geht mit Silver zurück zum Rudel. Wir werden sehen, dass wir eine Einigung finden können, was eurer beide Territorien angeht.“ „Ich teile mein Königreich nicht mit Kötern.“ fauchte Mirai. Der Alpha knurrte. „Wie gesagt, wir finden eine Einigung. Sobald wir etwas gefunden haben, schicke ich den Welpen zurück. Ich kann doch darauf vertrauen, dass du solange nicht angreifst, oder Silver?“ fragte das Mädchen nun charmant den Riesenwolf. Dieser schien kurz unzufrieden zu überlegen, bis er schließlich schnaubte. „Sein Name ist Beast.“ Die sonst so laute, basshaltige Stimme wurde plötzlich zu einem sanften Murmeln. Anna betrachtete kurz den Welpen, musterte ihn und schmunzelte dann: „Ich glaube, ich nenne ihn Shiro.“ „Mach, was du willst, Königin.“ verhöhnte der Alpha Anna und begann, am Käfig herum zu nagen. Mirai setzte sich in Bewegung und begann, die Seile an diesem Käfig auch zu lösen. Einer nach dem anderen verließen die Jungen das Holzgefängnis, drei von ihnen schmiegten sich an ihren Vater. Nur Shiro blieb im Käfig zurück. Silver begann zu knurren und bellte den Käfig an, als würde er wollen, dass sich 'Beast' in Bewegung setzte. Doch der Kleine blieb mucksmäuschen still im Käfig sitzen. Anna beugte sich runter und krabbelte in den Käfig. In dieser Sekunde hätte Mirai am liebsten die Tür wieder zu geschlagen, doch beobachtete er sie lieber vorher noch ein bisschen. Sie streckte ihre zarten Ärmchen dem Baby entgegen. Dieses schien nicht interessiert. Seine großen, blauen Augen waren auf Anna fixiert und zeigten keinerlei Angst, Wut oder andere, jegliche Emotion. Silver schnaubte genervt. „Er schmollt. Er will nicht zu dir und den Affen.“ Anna begann zu lächeln. „Das macht ihn perfekt für uns.“ murmelte sie dem Welpen entgegen. Sie rutschte noch ein bisschen näher, legte ihre Hand unter seine Schnauze. Die Nase des jungen Wolfes zuckte kurz. Nach einer kleinen Pause leckte seine Zunge blitzschnell über ihre Finger. „Na also.“ Anna klang zufrieden mit sich. Ohne große Umstände packte sie sich den Welpen und klemmte ihn unter ihren Arm, um aus dem Käfig raus zu kommen. Sie spürte die Blicke aller Anwesenden auf sich. Die Affen schienen zögerlich und behutsam immer mehr Abstand zu ihr zu nehmen. Schmerzhaft nahm sie das in Kauf. Sie drückte Mirai den Welpen in die Hände und wandte sich an Silver. „Ich glaube, es wäre besser, wenn du auf meine Nachricht wartest. Ich muss erstmal alles mit ihm hier besprechen.“ Mit ihrer Hand deutete sie kurz in Mirais Richtung. Ohne ein weiteres Wort wandte sich der riesige Wolf ab, richtete sich auf und trottete los, gefolgt von den drei befreiten Jungen. „Du kannst alleine laufen, oder?“ Anna richtete sich an Shiro, der nun tonlos in Mirais Armen ruhte, auch wenn dieser ihn wie eine scharfgemachte Bombe hielt. „Okay.“ sagte das Mädchen zufrieden, nahm Mirai den Welpen ab und stellte ihn auf den Boden. „Du hast mir einiges zu erklären, junge Dame.“ Mirai schäumte vor Wut. Anna schluckte. Erst jetzt übermannte sie die Autorität des Affenkönigs wieder. Der Befehlshaber des Waldes. Sie setzte ein schräges Lächeln auf, es fiel ihr schwer, ihre gewohnte „Queen Attitude“ aufrecht zu erhalten. „Hmm… Ja.“ gab sie leise zurück. „Ich erklär's dir, wenn wir alleine sind.“ „Kein Problem.“ sagte Mirai kühl, dennoch spürte sie seinen Zorn in seiner Stimme. Erneut bildeten sich Schweißperlen in ihrem Rücken. Mit einem Rascheln, als würde eine Böe durch die Lichtung reißen, rannten die Affen in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Nur Anna, Mirai und ein nicht begeistert aussehender Wolfswelpe blieben zurück. Auch Anna begann in die Richtung zu laufen, aus der sie gekommen waren. „Ìch weiß, dass du das nicht wolltest.“ begann sie zurückhaltend. Ihr schlechtes Gewissen hielt sie davon ab, Mirai anzuschauen. Um mit Sicherheit nicht seinen Blick zu treffen, lief sie etwas vor. Shiro trottete hinter ihr her. „Aber du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe. Der Wolf, den du gefangen hast, heißt Silverback. Er war noch ein Welpe, als er aus Europa hierher verschifft wurde. Er sollte abgerichtet werden und als Wachhund gegen die Füchse auf Farmen eingesetzt werden. Aber seine Herren waren nicht zufrieden mit ihm, also wurde er ausgesetzt. Er wurde mit einem Seil im Wald festgebunden und verhungerte schließlich.“ „Interessiert mich nicht.“ Mirai klang immer noch genervt. Der Kommentar schmerzte Anna ein bisschen. „Jedenfalls ist das schon ein paar hundert Jahre her. Damals war hier noch überall Krieg. Die Toten bäumten sich, die verlorenen Seelen konnten nicht weiter, bla bla bla. Lange Rede, kurzer Sinn: Silver hat das ganze Böse in sich aufgenommen und kam als Wolfsdämon zurück. Er lebte in den Wäldern sehr weit nördlich von hier, gründete sein Rudel und lebte ganz zufrieden. Bis die Menschen wieder kamen und anfingen, die Wälder abzuholzen und ihm schließlich den Lebensraum raubten.“ Stille trat ein. Der Boden gab knirschend unter den Schritten der beiden nach. Anna traute sich immer noch nicht, Mirai anzusehen. Sie hatte einfach so über sein Territorium bestimmt, natürlich war er sauer. In seiner Position war es wahrscheinlich Hochverrat. Doch dann hielt sie etwas an ihrem Gürtel fest und hinderte sie daran, weiter zu laufen. „Das interessiert mich alles nicht.“ Mirais Stimme war gefährlich nahe. Sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken. Seine Hand glitt über ihren Rücken zu ihrer Hüfte. Mit einem leichten Druck bestimmte er ihr, sich umzudrehen. Als Anna das tat, hatten die großen Hände sich bereits auf ihre Hüfte gelegt. Sie waren sich so nahe, wie vorhin, als sie seine Gedanken gelesen hatte, doch diesmal war es anders. Ein gefährlich aufregendes Prickeln lag in der Luft und Anna spürte, wie ihre Lippen unter der Anspannung bebten. „Du hast nicht mal gefragt.“ hauchte Mirais Stimme und er klang nicht mehr wütend, nicht mal genervt, sondern, fast liebevoll. Merkwürdig liebevoll. Seine Hände wanderten von ihre Hüfte über ihren Po und drückten das Mädchen an seinen Körper. Anna schaffte es nicht, den Blickkontakt länger aufrecht zu erhalten, und blickte beschämt zur Seite. „Du hast dich nicht einmal entschuldigt.“ fuhr der Junge fort. Anna starrte Shiro an, der immer noch völlig unbeeindruckt da saß und ihren Blick erwiderte. „Tut mir Leid.“ sagte das Mädchen nun zögerlich und war beschämt darüber, wie leise und mädchenhaft ihre Stimme aus ihren Lippen hervor gepresst wurde. Kais Hand wanderte zu ihrem Kinn und zog daran, um ihren Blick wieder auf sich zu richten. „Ich verzeihe dir.“ sagte er und führte ihr Gesicht etwas an sich heran. Er war zu groß, er musste sich zu ihr beugen. „Aber deine Freiheit ist nicht umsonst.“ Ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen, als er Annas Worte missbrauchte. „Einen Kuss als Entschädigung, das wird’s tun.“ fügte er charmant hinzu und sah, wie sich Anna bei dem Gedanken quälte. Doch sie widersprach nicht. Als Anna sich auf die Zehenspitzen stellte, hatte sie Angst, ihre Füße würden nachgeben. Ihre Beine waren wie Wackelpudding. Sie hatte nie daran gedacht, irgendjemanden zu küssen. Als ihre Lippen Mirais Haut berührten, spürte sie, wie das Beben in ihnen abklang. Seine Haut war merkwürdig weich und warm. Als ihre Füße den Boden wieder fanden glühten ihre Wangen. „Das muss reichen.“ säuselte sie leise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)