No Princess von Yinjian ================================================================================ Kapitel 41: Kleine Geheimnisse ------------------------------ Langsam öffnete Anna ihre Augen. Es war wieder warm. Zuerst wusste sie nicht, wo sie war. Das Zimmer war dunkel, auch draußen war es finstere Nacht. Es schneite heute nicht. Das Mädchen erhob sich ein Stück weit und sah sich um. Das war nicht ihr Zimmer. Als sich etwas unter ihr rührte schaute sie zu dem Mann, der ihr als Matratze gedient hatte. Akira schlief. Wieder war sie hier – oder immer noch? Unbewusst suchte sie nach ihrem Wecker. Welcher Tag war heute? Sie konnte nichts finden. Müde rieb sich das Mädchen über die Augen, gähnte und streckte sich. Sie fühlte sich, als hätte sie Ewigkeiten geschlafen. Einige Minuten lang saß sie im Bett und starrte aus dem Fenster. Nachdem sie von Akira runter geklettert war, legte sie ihre Arme auf ihren angewinkelten Knien ab und fragte sich, was passiert war. Warum war sie hier? Warum hatte sie nichts an? Ihre Brüste pressten sich an die von der Decke verdeckten Knie. Eine kleine Berührung an ihrem Rücken ließ sie zusammen zucken. Erschrocken drehte sie ihr Gesicht nach hinten und sah, dass Akira ihren Rücken musterte. Er sagte nichts. Seine goldenen Augen ruhten auf den feinen, schwarzen Linien, die er vorsichtig nach zeichnete. „Wie geht’s dir?“, fragte er schließlich leise ohne aufzuhören. „Gut.“, antwortete Anna knapp und legte ihren Kopf auf ihren Armen ab. „Kannst du nicht schlafen?“, fügte er hinzu und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Anna schwieg. Langsam dämmerte es ihr wieder – sie hatte Fieber gehabt und wurde von den anderen umsorgt, während sie Akira in seinem Bett genervt hatte. Sie schmunzelte kurz. „Bin irgendwie aufgewacht.“, erklärte sie. „Leg' dich wieder hin.“, murmelte der Junge und gähnte erschöpft. „Du klaust mir die Decke.“. „Sorry.“, sie zog die Decke mit sich, als sie sich in Akiras Arme legte und ihren Kopf auf seine Brust ausruhte. Der Mond schien hell diese Nacht – seit wann hatten sie nicht mehr den Schutz der Wolken? Dabei fiel ihr ein … „Vor ein paar Wochen habe ich mit Tsuki gesprochen.“ „Ja, Mirai hat es mir schon erzählt. Der Kleine hat echt Nerven.“ „Es war ganz lustig.“, kicherte das Mädchen leise und boshaft. „Er wurde echt wütend. Irgendwie süß.“. Akira sagte nichts dazu. Schließlich sah Anna auf und sah, dass er die Augen wieder geöffnet hatte. Er starrte nachdenklich an die Decke. „Was ist los?“ Sie konnte nicht anders, als sich zu sorgen. Es war schwierig zu ahnen, über was er gerade nach dachte. Es war schon immer so gewesen. Sein Arm, den er um Anna gelegt hatte, zog sie etwas näher an sich. Er drückte sie. Sein anderer Arm wanderte um sie herum und langsam begann er, Annas Hals zu streicheln. Er drehte sich ihr zu. Seine Finger hinterließen warme Spuren auf ihrer Haut, ein leichtes Prickeln. Sie wanderten zu ihrem Gesicht, streichelten über ihre Wange, ihre Stirn. „Du hast kein Fieber mehr.“, flüsterte er und Anna konnte nichts anderes tun, als zu nicken. Seine Hand fand den Weg zu ihrem Kinn und hob es an, damit er sie küssen konnte. Es war ein kurzer, liebevoller Kuss, nicht mehr als ein Hauch, dennoch spürte das Mädchen sofort, wie eine Gänsehaut ihren Nacken betäubte. Durch den Spalt ihrer Wimpern konnte sie erkennen, wie goldene Augen sie musterten. Es war fast gruselig, wie eindringlich er sie ansah. Anna wurde etwas nervös. Erneut legten sich seine Lippen auf ihre. Ihre Finger berührten die warme Schulter, die sich ihr zuwandte, hielten sich daran fest. Der leichte Druck auf ihrem Mund wurde stärker. Er wusste, wie er sie dazu bringen konnte, ihren Mund zu öffnen. Seine Zunge war weich und warm, als sie in ihren Mund eindrang. Man schmeckte einen Hauch Zahnpasta. Anna schloss die Augen. Die Arme, die um sie herum lagen, zogen sie noch enger an den warmen Körper. Ihre Brüste wurden an den muskulösen Brustkorb gepresst. Dann begannen seine Lippen zu wandern. Er küsste ihre Wange, ihre Nase, ihr Ohr. Sie fanden ihren Nacken und Anna spürte, wie sich vorsichtig Zähne in ihrem Hals versenkten. Er leckte über die Haut, saugte daran. Ein merkwürdiges Prickeln betäubte ihre Zehe, je länger er an ihrem Hals saugte. Ihre Hände verkrampften sich. Seine Hand streichelte nicht mehr ihre Wange, sie wanderte über ihren Rücken, über ihren Po bis hin zu ihrem Oberschenkel, wo sie dann für eine kurze Zeit verharrte, bis sie das Bein anhob und es über Akiras Beine legte. Der plötzliche Freiraum zwischen ihren Beinen machte das Mädchen nur noch nervöser. Seine linke Hand streichelte weiterhin die Unterseite ihres Oberschenkels, während seine rechte ihren Hinterkopf umfasste, als er ihren Hals küsste. Sie wusste nicht einmal, was sie tun sollte – es war zu viel. Sie hatte das Gefühl in seinen Berührungen zu ertrinken. Sie konnte sie nicht ertragen. Andererseits wollte sie auch nicht, dass er aufhörte. Seine Hand wanderte wieder Zentimeter für Zentimeter hoch – sein Zeigefinger zeichnete den Rand ihrer Unterwäsche nach. Vorsichtig lüftete sie kurz den Rand des Stoffes über ihrem Po. Das Gefühl, wie der Stoff sich löste und für eine Millisekunde ihre Schamregion freilegte ließ Anna für einen kurzen Moment den Atem anhalten. Sein Mund tastete ihren Nacken und ihre Schultern ab, bis seine Küsse schließlich auf ihrem Schlüsselbein nieder prasselten. „Akira...“, seufzte Anna leise, doch ihre Hände waren nicht stark genug, um ihn von sich wegzudrücken. Automatisch lehnte sich das Mädchen zurück, als seine Hand, die bisher nur an ihrem Hinterkopf geruht hatte, nun den Rücken hinab wanderten. Das Gefühl von seinem Mund auf ihrer Brust war unbekannt, angsteinflößend und süchtig machend. Seine Zunge glitt über die Wölbung ihrer Brust, als wollte er die Form nach zeichnen, bis seine Lippen ihren Nippel umfassten und diesen küssten. Sanft biss er hinein und Anna konnte nicht anders, als ein kleines Stöhnen auszustoßen. Sofort drückte Akira sie noch fester an sich. Er vergrub sein Gesicht in ihrer Brust und leckte über die erregte Brustwarze, wie in Trance. Erneut flüsterte sie ihren Namen, wollte, dass er aufhörte, konnte es jedoch nicht sagen. Seine Hand hatte ihren Weg unter den feinen Stoff ihrer Unterwäsche gefunden und massierte ihre Pobacke. Sie war nicht naiv. Es brauchte nur eine Bewegung. Sein Finger glitt unter dem Höschen den Po hinab und strich über die Feuchte, die sich allmählich zwischen ihren Schenkeln breit machte. Anna holte erneut tief Luft. „Akira.. Hör auf.“, flüsterte sie ihm leise zu. Ihre Finger hatten das Stadium des Zitterns erreicht. Seine Küsse waren wie eine furchtbare, süße Qual. Ihr Nippel tat fast weh, so sensibel war er mittlerweile. Er löste seine Lippen von ihm und küsste erneut ihr Schlüsselbein. Seine Hand verließ ihre Unterwäsche und legte sich auf ihre Hüfte, wo sie vorsichtig die zarte Haut streichelte. Anna traute sich nicht, ihn anzusehen. Ihre Hände hatten den Weg zu ihrem Gesicht gefunden und versteckten es vor seinen Blicken. Dann spürte sie seine Lippen auf ihren Fingern. Zuerst den Ringfinger, dann den Mittelfinger, den Handrücken. Die Hand, die auf ihrem Rücken geruht hatte, griff nun nach ihrer und zog sie vorsichtig vom Gesicht. „Wovor versteckst du dich?“, flüsterte er ihr liebevoll zu. Sie konnte sein Lächeln hören. Sie wusste nicht, wovor sie sich versteckte – es war einfach nur so peinlich. Sie schämte sich. Die Hand, die ihre festhielt, führte sie zu seinem Mund. Er küsste ihre Handfläche, die Fingerkuppe des Ringfingers, dann des kleinen Fingers. „Wieso machst du das?“, fragte sie schließlich, kurz davor vor Scham zu sterben. „Weil ich es will.“, antwortete er knapp und küsste die Spitze des Zeigefingers. „Wieso…?“, fragte sie erneut. Die Küsse stoppten. Akira streichelte mit seinem Daumen über ihren Handrücken und legte seine Stirn an ihre. Vorsichtig küsste er ihre Nase. Er legte seine Wange wieder ins Kissen und schaute sie mit seinen goldenen, leicht leuchtenden Augen an. Seine Finger hielten weiterhin ihre Hände, streichelten sie. „Ich will, dass du mir gehörst. Mir alleine.“, flüsterte er endlich. Annas Herz hüpfte so stark gegen ihre Kehle, dass es schwierig war zu atmen. Sie starrte ihn an. „Ist das schlimm?“. Nein, es war überhaupt nicht schlimm. Tatsächlich wollte ein Teil von Anna das sogar. Ihr Blick fiel auf die Hände der beiden, die fest ineinander verschlungen waren. Seine Finger hatten sich zwischen die Lücken ihrer geschlängelt und hielten sie fest. „Nein...“, murmelte sie beschämt und leicht überrascht von ihrer Antwort. Akira lächelte. Es war das süßeste, liebevollste Lächeln, dass sie je auf ihm gesehen hatte. „Du weißt, was ich dir damit sagen will, ja?“, fragte er sie leise und führte sein Gesicht wieder an ihres. Tatsächlich war es für Anna gerade schwierig, überhaupt zu denken. Seine Lippen, die nur wenige Zentimeter von ihren entfernt waren, stahlen jegliche Aufmerksamkeit von ihr. „Nein ...“, gab sie wahrheitsgemäß zu. Sie zogen sie magisch an. Vorsichtig beugte sich Anna vor und küsste die sanften Lippen des kleinen Teufels, der sie in ihren Armen hielt. Auch Akira schien sich nicht zurück halten zu wollen. Seine Hände umfassten wieder ihren Rücken, drückten sie an sich, während er ihren Kuss empfing. Dann löste er sich von ihren Lippen und versenkte sein Gesicht wieder in ihrem Nacken. Er holte tief Luft und atmete sie seufzend wieder aus. Seine Finger kraulten ihr liebevoll den Nacken, während seine andere Hand immer noch ihren Körper an sich drückten. Sein Herz schlug so kräftig gegen seine Brust, dass es Anna sogar an ihrer spürte. Sein Blick ruhte auf ihrem Haar, das sich durch sein Kraulen in leichten Bewegungen auf der Matratze verteilte. Ihre Hände fuhren in leichten Bewegungen über seinen Rücken. Es kitzelte fast, wenn sie ihn so berührte. Er wollte sie darauf ansprechen, wusste aber nicht, wie. Er wollte es ihr erklären, doch ihm fehlten die Worte. Wenn er dachte, die richtigen gefunden zu haben, hörte sie bereits alle möglichen Antworten von ihr. Es machte ihn nervös, machte ihm Angst. „Du weißt, egal, was passiert, ich passe auf dich auf, oder?“, flüsterte er ihr leise zu. „Ja.“ „Auch wenn du dich nicht für mich entscheidest...“ „Akira...“ „… selbst dann werde ich auf dich aufpassen, okay?“, er ließ sich nicht von ihren Einwänden abhalten. Sie schwieg. Ihre Hände hörten auf, ihn zu streicheln. Sie presste ihr Gesicht an seine Schulter und schloss die Augen. „Jede Sekunde mit dir hier, jeder Moment, jeder Atemzug, jeder Kuss, den ich von dir bekomme, will ich für immer erinnern. Und wenn ich sie irgendwann nicht mehr bekomme, habe ich diesen Moment, wo du bei mir in meinen Armen liegst und nur mir gehörst.“. Ihre Nägel versenkten sich in seiner Schulter. Sie hörte ihm zu und seine Worte taten weh. Wahrscheinlich machte sie sich gerade wieder Sorgen. Sorgen, dass er irgendwann nicht mehr bei ihr war. Dass das eventuell die letzte Nacht wäre, wo er sie so küssen würde. Sie war so durchschaubar und offensichtlich, dass es fast schwierig war, sie nicht dafür zu ärgern. „Willst du wieder Abstand?“, fragte sie leise, ihre Stimme war wieder dem Brechen nahe. Er hatte es geahnt. „Nein. Im Gegenteil.“, antwortete er ihr und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Heißer Atem stieß gegen seine Schulter, als würde sie erleichtert aufseufzen. „Wieso sagst du dann so etwas?“. Seine Finger vergruben sich in ihrem Haar und begannen, ihren Kopf zu kraulen. Wieso eigentlich? Akira schloss die Augen und dachte nach. Wenn er ihr erzählen würde, was er war, was gab ihm die Sicherheit, dass sie nicht das selbe sagen würde, wie Satoshi? Schon als ihr Shiki ihm diese Worte gesagt hat, waren sie verletzend gewesen. Würde Anna das selbe sagen, würde es ihm wahrscheinlich das Herz brechen. Satoshi hatte Recht. Shiro hatte Recht. Er war ein Feigling. Das einzige, was er tat, während Anna da lag und unter ihrem Fieber litt, war sie anzusehen und darauf zu warten, dass es ihr besser gehen würde. Aber er wusste, woran es lag, kannte den Grund, dass es ihr schlecht ging – er wusste, dass ihre Macht ihren Körper langsam aber stetig überragte. Er würde nicht mehr lange stand halten. Und bevor ihr Körper darunter zusammen brechen würde, würde es ihre Persönlichkeit. „Akira?“ Ihre Stimme war leise, besorgt. Sie brachte ihn zurück in sein Schlafzimmer, ins Bett, an ihre Seite. Sofort fuhr seine Hand auf ihren Oberarm und schoben sie ein bisschen von sich weg. Er wollte ihre Augen sehen. Sie waren strahlend blau, so wie immer, wenn auch etwas besorgt. Es gab ihr einen Hauch von Unschuld, wenn sie ihn so anblickte. Der Sadist in ihm musste schmunzeln. Es war süß, wenn sie so aussah. „Was ist los?“, fragte sie nun, deutlich wacher und klarer im Kopf. Trotzdem schien sie leicht verwirrt zu sein. Sein Handrücken berührte die warme, weiche Wange. Es war schwierig es auszusprechen, aber noch schwieriger sie dabei anzusehen. Tatsächlich wehrte sich sogar etwas in ihm dagegen – wahrscheinlich die Angst. Sein Herz klopfte so stark gegen seine Rippen, dass es fast weh tat. „Ich liebe dich.“. Alles setzte aus. Er hatte es einfach gesagt. Seine Atmung, sein Herzschlag, seine Bewegungen. Nichts bewegte sich mehr. Er starrte Anna an und sie starrte zurück. Das Blau in ihren Augen wurde noch heller, als sich ihre Wangen in ein tiefes Rosa tauchten. Was? Was? Was war das für eine Reaktion? War das normal? Ihre Augen wurden immer weiter, je mehr Anna sie aufriss. Angst kroch in Akira wieder hoch, legte sich unter seine Haut und piekste schmerzhaft gegen jede Faser seines Körpers. Plötzlich setzte Anna sich auf. Sie starrte auf die Bettdecke. Anscheinend war ihre nackte Haut gerade kein Problem für sie. Sie hob ihre Handflächen an, starrte auf die feinen Linien, die sich dadurch zogen, als könnte sie nicht glauben, dass sie wirklich hier war. Akira traute sich nicht, sich zu bewegen. „Ehrlich?“, fragte sie dann und er war sich nicht sicher, mit welchem Grad der Schockiertheit sie das aussprach. „Ja.“, schluckte er nervös und starrte auf den schmalen, bleichen Rücken. Die Wunden waren verheilt, dennoch zogen sich feine Linien durch ihre Haut. Es sah aus wie ein Nest von Schlangen, das geweckt wurde. Plötzlich drehte sie sich um. Tatsächlich hatte Akira zum ersten Mal das Gefühl, dass sie gar nicht so klein war. Sie zog die Bettdecke von Akira weg. „Was machst du?“, stieß er sofort überrascht auf und wollte sich umdrehen, doch Anna pinnte ihn mit einer Hand auf der Schulter auf die Matratze. Die Kraft und Bestimmtheit in ihrer Tat ließen keinerlei Gegenmaßnahmen zu. Tatsächlich wusste Akira nicht mal, ob er sich wehren wollte. Dann setzte sie sich auf seinen Po. Die schmalen Oberschenkel von ihr pressten gegen seine Seiten. Er fühlte, wie ihr Becken gegen seinen Körper drückte. Was zum Teufel ging hier vor? „Das ist der letzte Kuss, den du bekommst.“, flüsterte sie ihm ins Ohr und ein Schaudern fuhr über seinen gesamten Körper. Gänsehaut, so widerlig und gleichzeitig betörend, dass sie Akira einfach nur lähmte, wanderte von seinem Ohr seinen Rücken hinunter. Sofort umklammerte ihn das kalte Gefühl der Angst und Bedauern. Er bedauerte es, dass er ihr seine Liebe gestanden hatte. Er hatte versagt, oder? Der letzte Kuss, den er bekommen würde – wie würde er sich anfühlen? Würde er der schönste sein, den er jemals bekommen hatte? Oder der schlimmste, den er auf immer mit sich herum tragen musste? Es dauerte nicht lange, bis er ihre zarten Lippen auf seinem Rücken fühlte – direkt neben dem linken Schulterflügel, etwa auf Brusthöhe. Es war ein süßes, unbekanntes Kribbeln, als wäre ein Schmetterling auf seiner Haut gelandet, um sich kurz auszuruhen. „Der letzte, bis du mir gesagt hast, was du bist.“, fügte sie hinzu. Akira öffnete seine Augen wieder. Wann hatte er sie geschlossen? Er starrte auf das Kopfkissen, auf dem Anna vor wenigen Sekunden noch gelegen hatte. So nah war sie ihm gewesen. Doch jetzt verschwand das Gewicht von seinem Körper. Es verlagerte sich kurz auf der Matratze, ehe Anna komplett aus dem Bett gekrabbelt war. Akira richtete sich auf. Er wusste nicht, was er denken sollte, wusste nicht, was er fühlen sollte. Ungläubig starrte er Anna an, während sie zum Schreibtischstuhl ging und sich das frische Shirt überzog, das Shiro am Tag da gelassen hatte. Wie in Zeitlupe sah er, wie das Shirt Zentimeter für Zentimeter über ihren Oberkörper glitt und mit jedem weitern Stück, mit dem der Stoff ihre Haut bedeckte, bekam Akira das Gefühl, dass alles vorbei war. „Wo gehst du hin?“, fragte er leise. Er konnte immer noch nicht glauben, was sich da gerade abspielte. Als wäre er nicht einmal Teil der Geschichte, die sich hier entwickelte. „Ich geh' zu Shiro. Ich schlaf' ab sofort bei ihm.“, antwortete sie knapp, fast herzlos, als sie das Ende des Shirts runter zog. Dann sah sie für einige Sekunden noch Akira an. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er sah genau, dass sie über etwas nach dachte, doch das war eine der wenigen Male, in dem er nicht erraten konnte, was es war, was sie beschäftigte. Er konnte nicht erkennen, was sie über ihn dachte. Die Unsicherheit erdrückte ihn. Ein Großteil von ihm war auf die Zurückweisung vorbereitet, aber sie traf ihn trotzdem noch wie ein Schlag mit einem Baseballschläger. Als sie so vor dem Fenster stand mit ihrem zerzausten Haar, mit dem Mondschein auf ihrem Rücken, den leuchtend blauen Augen und dem feinen Lächeln, verliebte er sich gleich noch mal in sie. War es das letzte Mal, dass er sie so sehen würde? „Bis morgen.“, lächelte sie und verschwand. Mirai starrte ihn an. Er sah noch schockierter aus, als Akira sich fühlte. Die beiden saßen im Wohnzimmer. Es war vier Uhr nachts. Nach zwei Stunden voller Gedanken im Kopf hatte sich der Rotschopf aufgerappelt und Mirai geweckt, um ihn ALLES zu erzählen – Satoshi, Shiro, Anna und das kleine Geständnis. Mirai, der gerade an seinem Sake nippte, war seit zehn Sekunden (mindestens) in seiner Position festgefroren und starrte seinen besten Freund einfach nur an. „Ich weiß.“, murmelte Akira und griff ebenfalls nach einem Glas. Mirai schluckte. „Du hast es getan...“, keuchte er und starrte nun in das Glas in seiner Hand, bevor er es in einem Zug leerte. Akira nickte. Er konnte immer noch nicht glauben, dass er es gesagt hatte. Er konnte nicht glauben, dass sie so reagieren würde. „Aber dass sie gesagt hat, dass es der letzte war, bis du ihr erzählst was du bist, ist doch gut oder nicht?“, murmelte der Affenkönig nun nachdenklich. War es wirklich so gut? „Eigentlich hat sie dir ja dann keinen Korb gegeben.“. Mirai hatte Recht. Akira musterte seinen besten Freund und konnte nicht zu einem anderen Schluss kommen. Trotzdem… „Wieso fühlt es sich dann so an?“, hörte er sich selbst sagen und dieses Eingeständnis versetzte ihm einen schmerzhaften Stich im Herzen. Es war wie ein Eingeständnis, dass er verloren hatte. Dass er alles verloren hatte. Schweigsam saßen die beiden für einige Minuten in dem großen Wohnzimmer. Akira wurde allmählich kalt. Seufzend zog er die Knie an und legte sein Kinn auf ihnen ab. „Wieso sagst du ihr eigentlich, dass du sie liebst, aber nicht, was du bist?“, wollte Mirai nun wissen. „Das ist ziemlich dämlich. Oder ist das etwa noch ein größeres Geheimnis als deine Gefühle für sie?“. Akira sah genervt zur Seite. Er wusste nicht mehr, warum er es ihr nicht gleich erklärt hatte. Vielleicht hätte er dann sofort ihre Antwort bekommen. „Ich kenne deine Geschichte und wir sind trotzdem Freunde. Ich glaube du unterschätzt Anna, wenn du wirklich denkt, dass sie sich wegen so etwas zurück hält.“. „Du lässt es klingen, als wäre es eine Nebensächlichkeit...“, zischte Akira nun verärgert und vergrub sein Gesicht in seinen Knien. „Ist es auch. Das einzige, was wirklich wichtig ist, sind ihre Gefühle für dich oder? Und wenn sie diese durch so etwas beeinflussen lassen, waren sie eh nur oberflächlich. Falls sie überhaupt welche für dich hat.“, fügte er grinsend als kleinen Seitenhieb hinzu. Doch was als Seitenhieb gemeint war, war in Wirklichkeit ein zielgerichteter Stich in sein Herz – der traf. Geknickt seufzte der Rotschopf, hob seinen Kopf wieder und exte sein Glas. Selbst oberflächliche Gefühle hätten ihm vielleicht schon gereicht. Es wäre besser, als Anna nie wieder in seinen Armen halten zu können. „Sorry.“, murmelte Mirai, der anscheinend gemerkt hatte, dass die Aussage Akira schwer getroffen hatte. „Wann willst du es ihr sagen?“, fragte er schließlich, doch Akira zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Hier ist immer so viel los – es ist schwierig, sie überhaupt noch alleine zu erwischen. Die ganze Zeit wird sie von Shiro oder Sho belagert und jetzt kommt auch noch Hikari dazu. Ich versteh' schon, dass sie quasi ihre „Kinder“ sind, aber findest du nicht, sie sind zu abhängig von ihr? Und wenn sie Zeit hat, geht sie in die Schule. Und da will ich es ihr ganz sicher nicht erzählen, nicht mit unseren Feinden hinter jeder Ecke.“, genervt goss er sich noch ein Glas ein. „Die einzige Zeit, die wir zusammen haben, ist wenn wir schlafen. Und ich glaub' nicht, dass sie noch einmal in mein Bett kommt, solange ich es ihr nicht erzähle.“. Mirai musste bei dieser Aussage kurz lachen, doch Akira schaffte es nicht einmal, ein Lächeln aufzusetzen. Seufzend trank er das nächste Glas aus. „Wie findest du Hikari eigentlich?“. Akira sah bei dieser Frage auf. „Wie kommst du darauf?“, erwiderte er überrascht vom Themawechsel. Mirai zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Du sprichst nie wirklich von ihr.“, erwiderte er und goss den beiden nach. Akira lehnte sich genervt zurück. „Sie ist süß.“, gab er schließlich zu und nippte an dem kühlen Getränk. „Ach, lüg' doch nicht. Schon als du sie das erste Mal gesehen hast, hab ich gesehen wie du dir dachtest: 'Irgendwann will ich auch so eine süße Tochter haben'. Du warst total hin und weg von ihr.“, grinste der Affenkönig schamlos. Erneut schien er direkt ins Schwarze getroffen zu haben: Ein kurzer Blick auf Akira offenbarte ihm ein Gesicht, das die selbe Farbe trug wie seine Haare. Mirai lachte kurz auf. „Pass auf. Zum Neujahr hin hab' ich mir überlegt, dass wir alle zu mir fahren. Wir werden ein richtiges Fest haben, Feuerwerk steigen lassen, der ganze romantische Quatsch halt. Shiro wird bei seiner Familie sein und ich rede mit Iori, dass er Sho im Auge behält. Hikari, Liam und Toki werden so begeistert von dem Wald sein, dass sie gar nicht auf die Idee kommen werden, euch beide zu stören.“. „Stören?“, erwiderte Akira verwirrt, „Wobei?“. „Wobei schon? Das wird die perfekte Gelegenheit sein, ihr alles zu erklären. Sieh' es als guten Jahresvorsatz an.“, erklärte Mirai schmunzelnd und Akira ließ sich seufzend im Sofa zurück sinken. „Was denn? Keine gute Idee?“, fragte der Affenkönig überrascht. „Doch. Schon.“. „Aber?“ „Nichts aber.“, brummte Akira und trank aus dem Glas. Einen Termin dafür auszumachen machte alles nur noch sehr viel realer. Es waren kaum noch zwei Wochen bis zu Silvester. Bisher hat nicht einmal das dreiviertel Jahr gereicht um Anna zu erzählen, was er war. Wie sollte er in zwei Wochen die richtige Erklärung finden? Für einige Sekunden lang schwiegen die beiden wieder. Akira starrte auf den erloschenen Karmin, ehe es ihm wieder einfiel: „Sie wollte mir auch etwas erzählen, wenn ich es ihr verrate.“, murmelte er gedankenversunken vor sich hin. „Was denn?“, fragte Mirai überrascht nach. „Wenn ich es wüsste, wäre es wohl kein Geheimnis mehr, du Iidot.“. Der Blondschopf lachte. „Ich kann's immer noch nicht glauben, dass du's durchgezogen hast.“, grinste er breit und hob sein Glas, um anzustoßen. „Es war in dieser Situation irgendwie angebracht.“, erklärte sich Akira stumpf. „Was für eine Situation?“ Als Akira sich im Schweigen hüllte, setzte sich Mirai auf. „Was für eine Situation?“, wiederholte er eindringlich neugierig. Akira sah leicht beschämt zur Seite, ehe er erzählte, was er mit Annas Körper angestellt hatte. Sofort stand Mirai auf und er war sich anscheinend nicht sicher, ob er seinen besten Freund schlagen oder umarmen sollte. Egal, was er wohl machen würde - Akira würde sich wahrscheinlich nicht wehren. Kraftlos ließ sich der Affenkönig wieder ins Sofa fallen. „Wenn ihr so weit gegangen seid...“, begann er mutlos und starrte an die Decke, „ist es wohl sehr offensichtlich, was ihr Geheimnis ist.“. Sofort sah Akira auf. „Was meinst du?“ „Es tut manchmal echt weh, wie dumm du bist.“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)