Das Medaillon der Götter von federfrau (NaNoWriMo Projekt November 2015) ================================================================================ Kapitel 1: Vorbereitungen ------------------------- Eigentlich war es ein Tag wie jeder andere auch. Vielleicht nicht ganz, da heute ihr sechzehnter Geburtstag war. Ansonsten aber war alles wie immer. Latoya lächelte. Noch nicht einmal eine einzige Vision, hatte sie bisher gehabt und dabei war es schon Nachmittag. Das war äußerst ungewöhnlich, hatte sie doch fast jeden Tag welche und das seit sie denken konnte. Allerdings war das Fehlen der Visionen heute gut denn in wenigen Stunden würden alle ihre Freunde da sein um gemeinsam mit ihr ihre Volljährigkeit zu feiern. Wie lange hatte Latoya diesen Tag herbei gesehnt! Von nun konnte Rina, ihre Mutter, ihr nicht mehr vorschreiben was sie zu tun und lassen hatte. Und das allerbeste war: Sie durfte sogar endlich alleine ohne Begleitung in die Hauptstadt. Darauf freute sie sich ganz besonders. Nun konnte sie sich alleine die Paraden und Feste ansehen und musste Rina nicht jedes Mal anflehen mit ihr hin zu gehen. Sogar heiraten war nun möglich ohne das Einverständnis ihrer Mutter... „Latoya! Du hast Besuch!“, schallte auf einmal die Stimme von Rina. Latoya runzelte die Stirn. Es war unüblich, dass die Gäste kamen ehe das Fest anfing. Sehr unüblich. Latoya seufzte leise, dann ging sie zu ihrer Mutter. „Wer...?“, sie wollte noch mehr fragen, ließ es jedoch bleiben als sie sah wer da breit grinsend neben Rina stand. „Toban!“, ein Freudenschrei entwich Latoya. Toban war ihr Cousin. Der älteste von zwei Söhnen, der Schwester von Latoyas Mutter. Toban und Latoya waren gemeinsam aufgewachsen und sie beide verband eine tiefe Freundschaft. Dass er sieben Jahre älter war als sie hatte bisher niemals ein Problem dargestellt. Im Gegenteil. Wenn es etwas getan hatte, dann eher ihre Freundschaft unterstützt. Latoya musterte ihren Cousin. Wann auch immer sie ihn sah, sah er auch jetzt überaus attraktiv aus. Seine dunkelbraunen, halblangen Locken reichten ihm bis knapp auf die Schultern. Seine grünblauen Augen funkelten Latoya übermütig, sowie auch amüsiert, an. Latoya liebte seine Augen. Sie wusste, je nachdem wie er gelaunt veränderte sich die Farbe von ihnen. Ein Umstand, der ihr es stets leichtgemacht hatte herauszufinden wie er gelaunt war. Jetzt hatte er definitiv sehr gute Laune. Aber um das zu wissen bedurfte es keiner großen Menschenkenntnis. Das würde sogar ein Blinder erkennen, dachte Latoya. Sie ließ ihren Blick weiter wandern. Auf der Uniform die er trug, war an der Schulter das Wappen von Aranica, ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln auf dunkelblauem Grund. Darunter angebracht waren das Rangabzeichen und das Abzeichen welches anzeigte welcher Einheit Toban angehörte. Nämlich der Stadtwache. Latoya wusste, dass Toban, trotz seiner guten Stellung noch nicht zufrieden mit sich war. Sein großes Ziel war es in der persönlichen Reitereinheit des Königs zu dienen. Latoya war sich mehr als sicher, dass er es irgendwann auch erreichen würde. „Was ist los? Werde ich nicht von dir begrüßt?“, fragte Toban Latoya neckend. Diese überbrückte nun auch die letzten paar Schritte die zwischen ihnen lagen und umarmte ihn stürmisch. „Ich hab dich so vermisst!“, sagte sie vorwurfsvoll. „Ja ich weiß. Ich dich auch“, meinte Toban. Er schob Latoya, nach der Umarmung, ein wenig von sich um sie besser betrachten zu können. Ihre langen, dunkelbraunen Haare hatte sie, in einem wohl verzweifelten Versuch sie zu bändigen, zusammen gebunden. Trotzdem hingen ihr gut sichtbar einige Strähnen ins Gesicht. Ihre Augen funkelten übermütig und im Moment wirkte Latoya auf ihn geradezu wie ein Leuchtfeuer. Das Kleid, welches sie gerade trug war weinrot und aus groben Leinen gewebt. Für die Feier hatte sie sich also noch nicht umgezogen. Aber wäre das der Fall gewesen, hätte ihre Mutter sie wohl auch kaum ihn treffen lassen, überlegte Toban. Ganz sicher war er sich darüber allerdings auch nicht, denn seine Freundschaft zu Latoya war schon immer, und das wusste hier jeder, besonders gewesen. Oft war es sogar so, dass sie sich auch ohne Worte verstanden und in ihren Handlungen ergänzten. „Wie lange bleibst du dieses Mal?“, riss Latoya Toban plötzlich aus seinen Gedanken. Er sah sie zerknirscht an. „Leider nur heute“, Toban verzog das Gesicht. „Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein?“, erkundigte Latoya obwohl sie es besser wusste. Toban seufzte. „Es tut mir Leid. Wirklich“, versicherte er ihr. „Du warst das letzte Mal vor vier Monaten hier und jetzt bist du wieder da, pünktlich zu meiner Volljährigkeitsfeier aber willst nicht bleiben?“, es klang bitter, wusste Latoya doch darum kümmerte sie sich nicht. Toban sollte ruhig merken, dass sie enttäuscht war. "Hör mal", setzte Toban schließlich an "ich wäre auch gerne dabei aber...“, er brach ab, als er bemerkte wie sie ihn ansah. „Dann bleib doch einfach! So viel Ärger würdest du dir doch bestimmt nicht einhandeln, oder? Außerdem wirst du, so wie ich dich kenne, ansonsten ein schlechtes Gewissen haben und darauf habe ich keine Lust. Ebensowenig wie du vermutlich“, wandte Latoya energisch ein. Toban seufzte resigniert. „Vermutlich wird es zu verkraften sein“, gab er zu. Natürlich hätte er auch lügen können, aber darin war er noch nie besonders gut gewesen. Vor allen Dingen nicht Latoya gegenüber. Und sie hatte Recht. Er würde ein richtig schlechtes Gewissen haben, wenn er sie jetzt einfach wieder verlassen würde. Abermals seufzte Toban. „Na schön. Aber kurz nach Sonnenaufgang reite ich zurück in die Stadt“, stellte er klar. Latoya nickte breit grinsend. „Danke Toban. Du bist der Beste! Wirklich!“, versicherte sie ihm. Toban verzog das Gesicht. „Ich werde dich bei gegebener Zeit nochmal daran erinnern, wenn du das Gegenteil von mir denkst“, murmelte er möglichst missmutig. Gelingen tat es ihm jedoch nicht besonders gut. Der Tag, den sie mit Toban verbrachte, verging schneller als Latoya gedacht hatte. „Ich glaube, so langsam wird es Zeit für dich“, meinte Toban mit Blick zum Himmel, welcher sich langsam aber sicher rot färbte. Latoya nickte. „Wir sehen uns dann später, ja?“, fragte sie. Toban nickte ebenfalls. „Ja, das habe ich dir doch gesagt. Also geh jetzt und mach dich schick“, entgegnete er amüsiert. „Das habe ich vor. Und beschwere dich ja nicht, wenn nachher auch andere Männer mit mir tanzen wollen“, Latoya lachte. Toban dagegen verdrehte die Augen. „Mit dir Zausel? Du hast ja wirklich ganz schön große Hoffnungen!“, witzelte er und fing sich dafür einen unsanften Stoß in die Rippen ein.„Bis später“, verschmitzt sah Latoya Toban an, drückte ihm ein Kuss auf die Wange und ließ ihn damit einfach stehen. Toban konnte nicht anders als ihr verdutzt hinterher zu sehen. „Du bist spät dran!“, wurde Latoya, kaum dass sie wieder zuhause war, von Rina begrüßt. „Ja ich weiß, aber...“, sie wollte noch mehr sagen, doch Rina fiel ihr ins Wort. „Das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist, dass du nachher halbwegs präsentabel aussiehst“, stellte sie klar und musterte ihre Tochter. „Ich denke wir fangen am besten mit deinen Haaren an. Hoffen wir mal, dass wir sie heute wenigstens einigermaßen gebändigt bekommen. Leicht wird das jedenfalls nicht“. Latoya nickte. Dann fügte sie sich in die Anweisungen die Rina ihr gab. „Wie es aussieht werden wir diese Nacht doch noch hier verbringen. Das heißt du kannst dich noch ein wenig ausruhen bevor es zurück in die Stadt geht. Allerdings so wie es aussieht nur du“, redete Toban auf seinen jungen Fuchswallach ein während er ihn absattelte. „Heißt das, dass die Kleine dich überredet hat zu ihrer Volljährigkeitsfeier zu bleiben?“ertönte auf einmal eine dröhnende Stimme. Toban musste sich nicht umdrehen um zu wissen wem sie gehörte. Er wusste es auch so. „Falls du von Latoya redest, dann ja Vater“, antwortete Toban missmutig. „Du bist schlecht gelaunt“, stellte Tobans Vater fest. „Nein, bin ich nicht“, entgegnete Toban genervt. „Doch bist du. Und ich frage mich warum. Schließlich versteht ihr beide euch wirklich gut. Also was ist los?“, erkundigte sein Vater sich. „Muss ich dir das wirklich erklären Ranef?“, wollte er wissen. Ranef zuckte mit den Schultern. „Müssen tust du gar nichts. Dennoch würde ich mich darüber freuen. Außerdem wäre es wohl kaum angebracht, wenn du mit einem solchen Gesicht wie du jetzt eines machst auf ihrer Volljährigkeitsfeier auftauchst. Das wäre nicht nur unhöflich sondern würde ihr wahrscheinlich auch den Abend ruinieren. Du bist ihr bester Freund. Also bemühe dich wenigstens ein bisschen. Schließlich ist dies ein wichtiger Abend für sie“, redete Ranef auf Toban ein. Der verzog das Gesicht. „Ja. Schon gut. Aber bitte lass deine Moralpredigt nicht noch ausführlicher werden“, bat Toban seinen Vater. „Sehr schön“, Ranef grinste. „Dann mach dass du hier fertig wirst. Deine Mutter und ich wollen in zehn Minuten los. Und wir gehen auf jeden Fall. Mit oder ohne dir“, stellte er klar. „Geht ruhig schon einmal ohne mich. Ich muss da nämlich noch was erledigen...“, entgegnete Toban. „Du wirst mir wohl nicht verraten was, oder?“, fragte sein Vater. „Allerdings“, Toban grinste. „Denn das geht weder dich noch die anderen an. Außer vielleicht Latoya selbst“. Dann sah er Ranef auffordernd an. „Schon gut. Ich verschwinde schon wieder. Auch wenn ich zugeben muss, dass es mich wirklich interessieren würde, was du dir da hast einfallen lassen“, brummte Ranef vor sich hin. Tobans Grinsen wurde noch ein Stück ein breiter. „Ob du davon erfährst liegt ganz allein bei Latoya. Sie soll darüber entscheiden, wenn sie davon weiß und das bleibt mein letztes Wort. Also: Wir sehen uns dann nachher auf dem Fest“, sagte Toban. „Ja, bis gleich“, verabschiedete Ranef sich sehr zu Tobans Erleichterung. Kaum dass Ranef gegangen war, griff Toban in eine seiner Satteltaschen und zog einen kleinen ledernen Beutel hervor. Er war der Einzige, der den Inhalt kannte. Zumindest wenn man mal von seinem besten Freund Meril aus der Stadt absah. Er hatte ihn schließlich auch darin bestärkt das hier durchzuziehen und das Geschenk gemeinsam mit ihm ausgesucht. Alleine hätte er das vermutlich nicht geschafft. Geschweige denn sich dazu überreden können. Wenn er wieder in der Stadt zurück war musste er sich wirklich nochmal ordentlich bei Meril bedanken. Toban atmete tief durch. Konnte er das hier wirklich durchziehen? Er war kein Feigling. Bei weitem nicht. Aber wenn es um Latoya ging, dann neigte sein Verstand dazu anders zu handeln als er es eigentlich sollte. Aber ein Zurück gab es nun nicht mehr. Denn wenn er jetzt doch noch umkehren würde, würde Latoya dies ihm nie verzeihen. Und er sich selbst, da war er sich ganz sicher, noch weniger. Er würde es also machen. Vorsichtig schob Toban den Beutel in seine Hosentasche, hing seinem Pferd noch einen Beutel Heu hin und ging dann ins Wohnhaus um sich umzuziehen. Der Abend konnte kommen. Und je eher er begann desto früher würde er auch enden. Vielleicht. „Bist du dir wirklich sicher, dass ich so gehen kann?“, fragte Latoya und sah prüfend an sich herunter. Es war nicht so, dass sie sich unwohl fühlte. Nein, das war es nicht. Vielmehr unsicher. Irgendwie hatte sie gerade das Gefühl dass, wenn sie so auf ihr Fest gehen würde, die anderen sie auslachen würden. Aber vielleicht war das ja ganz normal. Vielleicht fühlten sich alle jungen Frauen so. Für diese war die Volljährigkeitsfeier schließlich schon immer bedeutender. Das nächste große Ereignis danach war die Hochzeit. Die anderen Geburtstage wurden eher in kleinem Rahmen mit dem engsten Teil der Familie und Freunde gefeiert. Das war schon immer Tradition in dieser Gegend in der sie lebte und aufgewachsen war. „Du bist wunderschön. Ich bin mir sicher Toban wird genau dasselbe zu dir sagen“, versicherte Rina ihrer Tochter. „Kann sein“, entgegnete Latoya. Sie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber ich glaube er ist mir böse“, überlegte sie nachdenklich. „Wieso das denn? Ihr habt euch doch nicht etwa gestritten?“, überrascht sah Rina Latoya an. „Natürlich nicht. Aber er wollte eigentlich sofort in die Stadt zurück reiten. Weil ich ihn überredet habe heute Abend zu bleiben wird er mit Sicherheit Ärger wegen mir bekommen“, meinte Latoya. Rina winkte ab. „Glaub mir: Wenn diese Nacht vorbei ist, ist es nicht der Ärger den er sich eingehandelt hat an den er sich später erinnern wird“, prophezeite sie Latoya. Diese runzelte die Stirn. „Das verstehe ich nicht. Wovon redest du?“, erkundigte sie sich. Rina lächelte geheimnisvoll. „Das wirst du schon selbst heraus finden müssen“, Rina zupfte eine Falte aus Latoyas Kleid. „Das Wichtigste ist jedoch, dass dir dieser Abend immer in guter Erinnerung bleibt denn er kommt nie wieder“. „Trotzdem. Ich würde mich wesentlich besser fühlen wenn ich wenigstens so ungefähr wüsste worauf ich mich vorzubereiten habe“, meinte Latoya. „Glaub mir, ich kenne das Gefühl. Aber darauf kann man sich nicht vorbereiten. Genauso wie auf so vieles anderes im Leben. Und jetzt komm. Wir, vor allem natürlich du, werden bestimmt schon sehnsüchtig erwartet“, versuchte Rina ihre Tochter aufzumuntern. „Du hast Recht“, stimmte Latoya ihr zu. „Also los“, dieses Mal schaffte sie es sogar trotz ihrer großen Aufregung zu lächeln. Prüfend sah Toban an sich herunter. Normalerweise lege er nicht besonders viel Wert auf Kleidung. Zumindest außerhalb seines Dienstes nicht. Was Kleidung anging war er eher praktisch veranlagt. So lange ihm die Sachen passten trug er sie auch. Das Aussehen kam meistens an zweiter Stelle. Doch heute würde er diese Gewohnheit mal ignorieren. Dummerweise waren die besten Sachen, die er dabei hatte, seine Uniform welche schon ein wenig staubig vom Ritt war. Da er jedoch nichts anderes hatte musste sie wohl herhalten. Toban seufzte. Irgendwie würde er diesen Abend schon hinter sich bringen, so viel war sicher. Fragte sich nur wie. Und sollte der Abend wirklich zum totalen Desaster werden gab es immer noch die Möglichkeit sich später zu betrinken. Obwohl er eigentlich jemand war der so gar nicht dazu neigte. Im Gegenteil. Meist war er derjenige, der seine Kumpel später aus den Wirtshäusern schleppte damit sie nicht Ärger von ihren Vorgesetzten bekamen. Auch was seine Kindheit hier im Dorf betraf war meist er der Vernünftige gewesen. Latoya dagegen neigte schon immer dazu die Dinge ohne nachzudenken anzugehen. Etwas was ihr oft nicht wenig Ärger eingebracht hatte. Doch gerade dieses impulsive mochte er so an Latoya. Was er ebenfalls sehr an ihr bewundern tat war, dass sie stets ihre Meinung vertrat. Egal wie sehr und wen sie damit vor den Kopf stieß. Er selbst hatte gar nicht den Schneid dazu. Noch einmal klopfte Toban den vermeintlichen Staub von seiner Uniform. Dann ging er runter zur Festwiese. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)