Love me like a Drama, Boy von AugustDaemon ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7   Jacek   Das Spiel machte mich wahnsinnig! Wirklich. Wer hatte diesen Scheiß erfunden? Wie in Trance (und auf Speed) hämmerte ich auf das Display meines Telefons ein. Schneller und immer schneller flogen die schwarzen Vierecke über den Bildschirm. Qualmten meine Daumen? Keine Ahnung. Ich hatte keine Zeit zu schauen. „Jago was-?“ „Lass mich in Ruhe! Ich breche grade meinen High-Score bei Luise.“ Mir war egal, wer mich da einfach sprach. Außerdem passte die Stimme nicht zu dem ‚Jago‘. Die Stimme hatte mich noch nie so genannt. Verdammt! Dank der abdriftenden Gedanken und der zu hohen Geschwindigkeit vertippte ich mich und der rot Blinkende Bildschirm zeigte mir, dass ich verloren hatte. Ganz knapp. Nur gefühlte 10000 Punkte hinter dem Erstplatzierten (vermutlich Ostasiaten). „Musste das sein? Ich hatte es fast! Ich war nur sooooo kurz davor neuer Klaviermeister zu werden.“ Missmutig stopfte ich das Telefon in meine Tasche und warf Noah einen bösen Blick zu. „Ja… Du weißt schon, dass erstens, dieses Spiel nicht wirklich was mit Klavierspielen zu tun hat und zweitens, das Lied nicht Luise sondern ‚für Elise‘ heißt. Oder?“ Ja, ja du Vollidiot. Zerstöre meine Illusionen. Tse. „Was weißt du schon…“ „In diesem Fall? Mehr als du.“ Sein selbstsicheres Grinsen kotzte mich an. Als wüsste der Kerl irgendwas besser als ich. Na gut, vielleicht wusste er eher wie man Klimmzüge hinbekam ohne sich alles zu zerren, als ich, aber sonst…. „Ach ja? Dann demonstrier doch dein Können Picasso…“ Vielsagend deutete ich zum Klavier in der Ecke. Das Ding hatte, wie das gesamte Auditorium, schon bessere Zeiten gesehen. Mit dem Kommentar: „Picasso war Maler…“ und genervtem Augenrollen setzte er sich tatsächlich in Bewegung, entstaubte die vergilbten Tasten und… Haute mich um. Da zerstörte er, mit einfachem Tastendrücken mein gesamtes Weltbild. Mir doch egal wer Picasso war… aber ein Kerl wie er, der Klavier spielen konnte? Wie konnte das sein? Wie… …und diese Finger… Die dürften gerne auch mal was anderes spielen…. Aus. Pfui. Hol die Gedanken aus der Gosse und konzentrier dich! „Wieso kannst du das?“ Ich konnte es nicht verhindern genervt zu klingen. Andere Leute, die irgendwelche Talente hatten die mich neidisch machten? Ging gar nicht! „Hatte sechs Jahre lang Klavierunterricht“, brummte er nicht gerade begeistert und ließ schließlich die letzten Töne des Liedes ausklingen. „Warum hast du aufgehört?“ Nein Jago, reiß dich zusammen. Andere Leute haben auch Talent. Manchmal sogar mehr als du. Das ist ganz normal. Du musst nicht grün werden. Denk nur dran, dass er dafür eine schauspielerische Nullnummer ist… Ach nein… er hatte sich ja gebessert… Mist. „Klang gut“, gab ich wiederwillig zu und merkte, wie der Hass auf ihn und sein Talent plötzlich verpuffte. „Mit dem Lied? Weil es zu Ende war. Mit den Klavierstunden?... Tja…“ Vielsagend hielt er die Finger in die Höhe und wackelte damit. „Hast du dir die mal angesehen?“ Ja hatte ich und meine Gedanken wanderten schon wieder gen Gosse. Die Teile waren aber auch Fantasie anregend… Ungerührt meines vermutlich belämmerten Ausdrucks redete er weiter. „Diese Pranken sind nicht unbedingt die Hände eines Konzertpianisten…“ Oder Gynäkologen, fügte ich in Gedanken an, musste jedoch zugeben, dass ich auch als Frau nichts gegen solche Finger hätte… wenn sie denn nur warm wären… Herr Gott noch eins… Aus. Pfui. Ab in deine dunkle Ecke… Ehe meine Gedanken noch weiter ungewollte Bahnen einschlagen konnten, kamen auch die anderen Jungs der Theater-AG mit Felicitas im Schlepptau ins Auditorium. Ohne viel Federlesen eröffnete Feli die Probe und sah auch dieses Mal davon ab uns als Einheit üben zu lassen. Was die Frau sich dabei dachte? Wer wusste das schon… Künstler….   „Noah…“ knurrte ich leise als wir vorm provisorischen Altar –besser bekannt als Stuhl- standen, vor dem er soeben heroisch Freiwald hätte niederstrecken sollen. Dieser stand jedoch irgendwo abseits und ließ sich vom Kurfürsten berieseln und lobpreisen. „Ja…?“, fragte der Blonde unsicher, während er mit seinen kalten, schwitzigen Fingern meine festhält. „Du schaust schon wieder als hättest du Stuhlbeschwerden… und deine Hände fühlen sich an wie ein toter Fisch. Hast du Angst?“ „Bitte?“ „Guck nicht wie Durchfall. Wir hatten das ganze schon mal. Stell dir einfach vor ich bin Gulasch mit Klöße….“ „Du riechst aber gar nicht wie Gulasch und Klöße“, protestierte er. Jeder getretener Welpe hätte den Blick, den er dabei drauf hatte, nicht besser hinkriegen können. Konnte er sich bitte zusammenreißen? Natürlich roch ich nicht nach seinem Lieblingsessen. „Benutz schließlich kein Eau de Gulasch…“, murre ich ihm entgegen und fordere ihn weiter mit genervten Blicken auf sich endlich am Riemen zu reißen. „Schmeckst du wenigstens danach?“ „Hä?“ Ungläubig wollte ich von Noah zurückweichen, doch der hielt mich immer noch mit seinen toten-Fisch-Händen fest. Wie in Zeitlupe konnte ich beobachten wie verschiedene Denkprozesse in seinem Hirn abliefen und er Stück für Stück mit seinem Gesicht auf mich zukam. Der würde doch wohl nicht? „Ieeeh!“ Ich verzog angeekelt das Gesicht, als er mir mit seiner Zunge über die Wange leckte und mit dem Kopf schüttelte. „Hmm… Nee“, machte er beinahe traurig, ehe er meine Hände losließ und auf seine Anfangsposition zurück ging. Verdattert schaute ich ihm hinterher. Was zur Hölle…? Hatte seine Mutter ihm was ins Frühstück gemischt? Hatte Nowak ihm illegale Substanzen eingeflößt? (Welche er vermutlich gar nicht besaß. Pascha war ein Weichei was das Zeug anging. Vor allem, wenn er daran dachte wie Boris ihm den Arsch versohlte sollte er solches Zeug intus haben.) Oder war der Kerl schizophren und heute zeigte sich der Noah der keine Hemmungen hatte? Würde mich nicht verwundern.   Der Rest der Zeit floss zäh dahin, bis Felicitas die Probe beendete und und versprach, das wir morgen alle zusammen üben würden, da sie bei den einzelnen Gruppen bereits gute Fortschritte gesehen hatte. Ob sie die Mädchen genauso einen Mist machen ließ? Hoffentlich! Die durften gerne genauso oder gar noch mehr leiden. „Morgen nach der Probe?“ Noah ließ sich schwungvoll auf den Platz neben meiner Tasche fallen, in welcher ich gerade wühlte. Erst wanderte eine Augenbraue fragend nach oben, dann die zweite. Bitte was? „Morgen nach der Probe hätte ich Zeit. Müssten aber bei dir üben. Falls du willst“, konkretisierte er und mein Verdacht auf Schizophrenie bestätigte sich immer mehr. Oder er hatte einen Zwilling/ Klon von dem niemand etwas wusste und sie wechselten sich ab… „Klar. Hab Zeit. Training fällt flach für mich. Und bei mir ist keiner da. Wenn wir bis neun fertig sind ist es kein Problem.“ Nickend stand er auf und verschwand. „Was war mit dem los? Sollte er nicht genervt sein? Oder sich wenigstens vor Extraproben drücken?“ Auch Paul und den anderen schien das merkwürdige Verhalten aufgefallen zu sein. „Wer weiß…“ Schulterzuckend griff ich nach meiner Tasche und verließ das Auditorium.     Noah   Nachdem ich so blöd, bzw. verzweifelt gelangweilt war, saß ich nun zum Freitag, nach einer Nerven aufreibenden Theaterprobe mit Jacek im Bus. Zum Glück erreichten wir seine Haltestelle kurze Zeit später, sodass wir dem nachmittäglichen Andrang entgehen konnten. Es war nicht unbedingt ein Traum, wie eine Sardine zwischen anderen, verschwitzten und genervten Fahrgästen zu stehen und mehr als einmal eine Tasche, einen Schuh oder Ellenbogen ins Kreuz oder sämtliche andere erreichbare Körperteile zu bekommen. Mit Jago zu kuscheln war auch nicht unbedingt mein Traum. Wobei er der einzige war, der weder genervt noch verschwitzt war oder mir irgendwelche blauen Flecken bereitete. -„Du riechst gut. Was ist das?“, brach es aus mir heraus, als wir die Haltestelle hinter uns ließen und endlich wieder freier atmen konnten. Irritiert blinzelte er mich an. „Weichspüler? Keine Ahnung…“ Testweise schnupperte er an seinem Shirt, zuckte jedoch nur mit den Achseln und ging schließlich voraus.   Die engen Straßen waren rechts und links mit Autos vollgeparkt. Teilweise standen die Fenster der Altbauten offen und beschallten die Straße mit diversem TV und Kinderlärm. Der Brünette grüßte eine ältere Dame, die am Unkraut gießen war, ehe er mich durch die Tür in den zweiten Stock lotste. Ich wartete brav vor der Tür, während der andere den Briefkasten leerte. Leises Fluchen wehte durchs Treppenhaus während er verzweifelt mit dem Schloss des Blechkastens kämpfte. Schlussendlich siegte er, anscheinend. Wenn sein leises ‚endlich‘ und die knarzenden Treppenstufen etwas zu bedeuten hatten.   „Hi… Wer bist du denn?“ Eine piepsende Stimme ließ mich zusammenfahren. Große Augen schauten mich von oben herab an, jedoch nur bis das zierliche Persönchen die letzten Stufen herunter kam und vor mir inne hielt. Eine schwer bepackte Sporttasche über die dünnen Schultern geworfen. „Noch nicht volljährig Lisa“, knurrte Jacek unfreundlich, als er die letzten Stufen zu uns nach oben nahm und die Blonde böse anfunkelte. „Wie schade…“ Noch einmal musterte mich diese Lisa wie ein hungriges Tier, schritt dann jedoch schulterzuckend ans uns vorbei, als wäre nichts gewesen. „Ich bin aber volljährig…“ protestierte ich, worauf hin Jago mir den bösen Blick zuwarf. „Ich weiß“, presste er aus zusammengepressten Zähnen hervor. „Und wenn du willst, dass sie es auch weiß und dich in ihre Höhle schleppt, um ihren Spaß mit dir zu haben, dann sag es so laut, dass sie es auch weiß!“ Ungeduldig ruckelte er an der Wohnungstür bis diese unter leisem fluchen aufsprang. Ich hielt unterdessen lieber meine Klappe. Lisa war zwar nicht unbedingt hässlich, dennoch musste es nicht unbedingt sein, dass sie zurück kam und mich… „Kommst du?!“ „Was?“ Abwartend starrte er mich an, während er die Tür aufhielt. War der Blick gruselig? Oh, ja. Definitiv. Schlimmer als Pascha… ob die zwei dasselbe Seminar besucht haben?   Wir hatten die Wahl zwischen Jago zugestelltem Zimmer und dem Wohnzimmer. Ich weiß nicht warum wir uns ausgerechnet für ersteres entschieden haben. Vielleicht weil Textlernen nervig war und sein Bett wesentlich bequemer wirkte als die Couch. Oder weil es hier sicherer war. Im Wohnzimmer gab es einen Balkon. Hier nicht. Ein Element mit dem er mir wehtun könnte beseitigt. Dafür lagen hier zig Tausende mehr rum. Verdammt. Hatte die Sache wohl nicht ganz so durchdacht wie erwartet. „NOAH!“ Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich mich am Kissen festkrallen musste, um nicht vom Bett zu fallen. Da gab ich wohl ein sehr männliches Bild ab… wenn Jagos Grinsen mich nicht ganz täuschte. „Was?“ „Hör auf zu träumen und lern den Text. Wir sind nicht aus langerweile hier. Ich könnte meinen Freitagnachmittag besser verbringen.“ Ich auch… Na gut. Eigentlich nicht. Pascha hatte Training und… „Du hast nichts Besseres zu tun. Normalerweise hättest du Training, kannst wegen deiner Nase aber nicht hin und diene Freundinnen haben schon irgendwas ohne nicht geplant gehabt.“ Eine gefühlte Ewigkeit lang starrte er mich mit diesem Gruselblick, aus gewitterwolkengrauen Augen, an. (Ernsthaft jetzt: warum konnten das alle besser als ich?) Dann jedoch zuckte er mit den Schultern und schaute zurück auf das Skript. „Was auch immer, Sherlock. Akt 2 Szene 4. Du hast mich grade zu eurem Lagerplatz gebracht…“ Krampfhaft überlegte ich was ich sagen musste, doch ich hatte keine Ahnung. Ich war versucht auf mein Skript zu schielen. Ein fliegendes Stofftier hinderte mich daran. Butterweich das Teil und unglaublich flauschig… außer die Nase. Die war steinhart. Und genau damit musste er mich natürlich treffen… „Das wird blau…“ „Heul doch“, murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart und beobachtete ungemein Amüsiert die ich das dumme Stofftier tätschelte. Gott es war so kuschelig und weich und herrlich und… Hallo Vagina. Lange nicht gesehen… Widerwillig legte ich das seltsame Fledermaus-Etwas zur Seite und überlegte erneut. „Versuch es mit Akt 3 Szene 11. Die Wachen verlassen das Lager, mit mir im Schlepptau.“ „Tja Jungs. Das war’s dann wohl. War eine schöne Zeit aber… wir ziehen weiter“, versuchte ich mein Glück und war froh, dass er nicht noch mehr Stofftiere zum Werfen in Reichweite hatte. „Sicher… Frag Feli ob sie es für dich so umschreibt… Dann muss ich Freiwald selbst in den Arsch treten und meinen Mann äh… meine Frau stehen. Macht die große Künstlerin bestimmt mit.“ Er klang so ernst, ich war fast gewillt es wirklich zu tun. Doch dann rollte er schlicht mit den Augen und signalisierte mir, dass ich aufhören sollte dämlich zu sein. Zu dumm nur das ich den Mist nicht ansatzwese so ernst nahm wie er. Theater war nicht meine Welt. Texte lernen war nicht meine Welt. Das alles war nicht meine Welt… konnte er das nicht sehen? „Kann ich du Muschi. Das ist aber keine Ausrede. Es geht bei der ganzen Sache schließlich nicht um dich“, zischend rutschte er auf dem Bett zu mir heran. Was war das bitte gewesen? In welchem Film war ich gelandet? In welcher Parallelwelt? Konnte er Gedanken lesen? Unmöglich… aber wie konnte er sonst… „Guck nicht so. Du denkst laut.“ Ächzend schwang er sich vom Bett und ließ mich alleine in seinem Zimmer zurück. Mir war definitiv nach aufspringen und wegrennen zu Mute. Dann sollte mir der ganze Scheiß am Arsch vorbei gehen. Ging ich halt auf eine Militärschule. Konnte nicht so schlimm sein. Hatte schließlich nur noch dieses Jahr hinter mich zu bringen. Bevor ich meinen mentalen Fluchtversuch in die Tat umsetzten konnte, kam Jago zurück und streckte mir diverse bunte Zettel entgegen. „Was…?“ „Essen. Ich nehme an du hast genauso Kohldampf wie ich… Also such dir was aus damit ich bestellen kann ehe mein Magen mich von innen auffrisst.“   In Ermangelung besserer Ideen entschied ich mich für Pizza. Da er nichts dagegen sagte, nahm ich an, dass er einverstanden war. Kurz musterte er die Karte, von der ich mir die Pizza ausgesucht hatte, ehe er sich sein Telefon schnappte und die Bestellung kurz angebunden aufgab. „So…. und jetzt noch mal. Akt 4 Szene 2. Bis das Essen da ist, hast du die Stelle hoffentlich in deinem Blondinenhirn gespeichert.“ Und tatsächlich. 20 Minuten später hatte er es geschafft mir wenigsten diese Szene in den Kopf zu hämmern. War an sich nicht so schwer. Rache schwören. Die Kumpane überzeugen, dass sie für meine große Liebe ausziehen und eine Hochzeit vereiteln müssen. Und natürlich ungefragt das Anwesen der von Hagens stürmen. Was mir immer noch unlogisch erschien, da nie mehr als sechs Schauspieler im Stück genannt wurden (und wovon wir wiederum nicht einmal ansatzweise alle abdecken konnten!) und die gegen die ganzen Wachen nie eine Chance hätten. Aber wer war ich schon, um Kunst zu kritisieren.   Die Türklingel errettete mich und während Jago dem Pizzamann die Tür öffnen ging, verschwand ich nach nebenan ins Bad. Die Cola die er so aufreizend neben seinem Bett hatte stehen lassen wollte das Licht der Welt erneut erblicken… Da die Pizza schon meinen Namen rief und mein Magen verdächtige Geräusche von sich gab beeilte ich mich, anstatt zu trödeln und Fliesen zu zählen wie ich es sonst gerne tat. Ich war schon fast dabei auf den Flur hinaus zu stürmen, als ich Jago mit finsterer Miene und einen Kerl –vermutlich doch nicht der Pizzamann- im Türrahmen erblickte. Keiner der beiden schien mich zu beachten. Die Stimmung im Flur war unangenehm zähflüssig. Eigentlich mein Schlagwort zurück ins Bad zu verschwinden oder in Jagos Zimmer zu huschen. Doch entgegen besseren Wissens blieb ich stehen und beobachtete die Szene. Der Kerl in der Tür strich sich nervös die dunkelblonden Locken aus der Stirn. „Jago… ich…“ Die relativ tiefe Stimme des Lockenkopfes zitterte leicht. Der arme Kerl sah aus als würde er gleich an Herzversagen sterben. Langsam fragte ich mich wer er war. Ein heimlicher Verehrer? Würde er dem Brünetten gleich seine unsterbliche Liebe gestehen? „Es tut mir leid. Okay? Das mit Anne… Du weißt wie meine Eltern sind. Sie würden nie verstehen, dass ich…“ Er brach ab und schluckte schwer. Sein Gestammel machte für mich nur bedingt Sinn. „Du weißt das ich dich gern hab… können wir nicht einfach weiter machen wie bisher? Anne ausblenden? Bitte….“ „Wie süß…“ Jagos ruhige, fast schon gerührte Stimmlage passte nicht zu seinem Blick. Selbst von der Haustür aus schaffte er es mich frösteln zu lassen. Dabei bedachte er nicht mal mich mit diesem Blick. „Heißt das…?“ Hoffnungsvoll schaute der Blonde zum ersten Mal wirklich auf. Zuvor hatte er es nur geschafft, seinem Gegenüber Löcher in den Brustraum zu brennen. „Nein, Christopher… Das heißt: verschwinde und zieh jemand anderen in diese Scheiße mit rein, aber nicht mich. Ich hab eindeutig genug davon!“ Schon während er sprach und diesem Christopher eindeutig das kleine Herz ein Stückchen brach, schon er diesen rückwärts aus der Wohnung, um ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Unsanft? Vielleicht… „Jac…“ kam es leise durch die geschlossene Wohnungstür. „Verschwinde endlich!“ Ungehalten schrie Jago die Tür an, ehe er wütend dagegen schlug und schließlich das Gesicht in den Händen vergrub, um tief durchzuatmen. Das war nun aber eindeutig ein Zeichen zu verschwinden… Oder um mich bemerkbar zu machen und so zu tun als hätte ich nichts gesehen bzw. gehört. Sein Liebesleben, gescheitert oder nicht, ging mich nun wirklich nichts an. Auch wenn ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, dass er so etwas besaß. Für mich war er der Kerl der sich nur um Theater scherte. So wie Pascha die Freundinnen wechselte wie seine Unterwäsche… Dieser Christopher passte nicht in mein Bild von ihm. Dieser Freund… Ex-Freund, machte Jago menschlicher. Als wäre er wie wir anderen auch. „Hey… Habt ihr irgendwo Handtücher?“ Erschrocken fuhr der Brünette zusammen, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, ehe er eifrig nickte und irgendwas von Schrank unterm Waschbecken murmelte. Das erneute Türklingeln bewahrte mich davor, wirklich noch einmal zurück ins Bad zu gehen und so zu tun als ob.   Dieses Mal hatte er vorsichtshalber die Gegensprechanlage betätigt, um sicher zu stellen, dass es wirklich der Pizzamann war und kein weiterer ungebetener Gast. Der gelangweilt aussehende Lieferjunge reichte ihm drei Pizzaschachteln, nahm sein Geld entgegen und verschwand ohne großes Trara. Vielleicht schreckte Jago ihn ab. Er wirkte nicht so, als vertrüge er zurzeit menschliche Gesellschafft. Hurra. Ich Glückspilz…   Jacek   Ich versuchte mich zu sammeln als der Liefertyp die Treppen hochschlurfte. Chris hatte mir gerade noch gefehlt. Musste das heute sein? Oder überhaupt? Konnte er nicht weiter einen auf heile Welt machen und mich verdammt noch eins in Ruhe lassen? Noahs Anwesenheit machte das Ganze nicht besser. Hatte er es mitgekriegt? Er ließ sich nichts anmerken, falls es so war. Dafür war ich ihm mehr als dankbar. Vielleicht würde ich ihn deshalb nicht mehr allzu sehr quälen… also heute. Falls er sich nicht daneben benahm.   In der Küche stellte ich unsere beiden Pizzen auf den Tisch. Die Dritte schob ich mitsamt dem Karton in den kalten Backofen. Noah quittierte die Aktion mit einem Fragenden Blick, sagte jedoch auch hierzu nichts. Eigentlich hatte ich ja fest mit einem Kommentar á la ‚die ist doch noch warm‘ oder ‚zum Backen macht man den Karton aber ab‘ gerechnet, aber nichts da. Er blieb ganz der brave Junge, suchte uns sogar Teller und Besteck heraus. Wie zur Hölle aß der bitte Liefer-Pizza? Kurz darauf demonstrierte er es mir… Er packte seine Pizza tatsächlich Stückeweise auf den Teller und benutzte Messer und Gabel. Sollte er sich jetzt blöd vorkommen oder ich? Immerhin musste ich neben ihm wirken wie ein unzivilisierter Urmensch. Direkt aus dem Karton und mit Fingern die fetttriefende Pizza essen sah nicht elegant aus. Wirkte aber wesentlich natürlicher… fand ich. Doch er schwieg sich über meine Essgewohnheiten aus und ich sagte nichts zu seiner. Ich wollte gar nicht wissen, wer ihn so verzogen hatte.   Er hatte gerade einmal zwei Stücke geschafft –ich bereits vier- als sein Telefon losschepperte. „Ja?“, begrüßte er den Anrufer ganz unspektakulär. „Samstag?“-„Eigentlich nicht….“- Wirklich?“ Sein Gesicht hellte sich plötzlich auf. „Engel. Sag ich doch schon immer.“ Die Gesprächsfetzen ergaben nur wenig Sinn für mich, weshalb ich mich weiter über das fettige Stück Teig hermachte und versuchte leise zu sein. „Dann bis morgen“, beendete Noah kurze Zeit später das Gespräch, warf mir einen entschuldigenden Blick zu und aß schweigend und gesittet weiter. Viel zu gut erzogen. Kein anderer hätte so geguckt weil es ihm leid tut, wenn er angerufen wird und einfach ran geht. Selbst beim Essen nicht.   „Du Jago…“ Ich hob kurz den Blick um zu signalisieren, dass er meine Aufmerksamkeit hatte. „Warum nennen dich alle ‚Jago‘? So recht passt das doch gar nicht mit Jacek zusammen…“ Ich wies ihn nicht darauf hin, dass er mich ebenfalls so nannte. Seit wann eigentlich? Nannte er mich schon immer so? Nein… eigentlich nicht… Seltsam… „Hab vor zwei Jahren den Iago aus Shakespeares Othello gespielt. Ist seitdem so hängen geblieben. Selbst die Leute die nicht in der Theater-AG sind haben sich das Jago angewöhnt. Einige Lehrer sind auch immer wieder erschrocken wenn ich meinen richtigen Namen auf die Arbeit schreibe…“, klärte ich den Blonden Schulterzuckend auf und stopfte mir das letzte Stück des knusperigen Randes in den Mund. „Hast du keinen Spitznamen?“ Natürlich hatte er keinen. Jeder nannte ihn nur Noah. Selbst Pascha nannte Noah schlicht Noah. „Nein…“, bestätigte er das was ich bereits wusste. Eine Frage brannte mir dazu dennoch auf der Seele. „Warum? Nur Langweiler haben keinen Spitznamen.“ Selbst unser Chemielehrer hatte einen Spitznamen! „…Danke auch…“, brummte der Langweiler missmutig und drohte mir mit der Gabel, auf der ein Stück Pizza steckte. Ja… nein… absolut nicht respekteinflößend. Pizza zivilisiert zu essen sollte gesetzlich verboten werden… „Solltest dir einen zulegen. Dann bist du auch kein Langweiler mehr. Nur nicht so einen blöden wie der Kowalski… Papa Pinguin ist absolut uncool… Auch wenn die Anspielung auf die Pinguine ganz witzig ist…“ brabbelte ich mehr zu mir selbst als zu Noah, der noch immer nicht viel netter dreinblickte.   Um kurz vor acht verabschiedete Noah sich schließlich mit der Erklärung, dass er seine Mutter besser aus den Fängen ihrer Buchclub-Freundinnen/Tratsch-Weiber/Wein-liebenden-Kolleginnen befreien sollte. Wirklich viel hatten wir nach dem Essen nicht mehr geschafft, doch ich hatte mir vorgenommen heute nett zu ihm zu sein. Auftrag erfüllt. Wenn er es bis zur nächsten Probe wieder vergessen hat würg ich ihm dafür doppelt eine rein, das kann er aber wissen. Und wenn ich dafür Pascha mit ins Boot holen musste….   Noah   Die Szene vom Vortag und vor allem Jagos mitgenommener Ausdruck verfolgten mich auch noch am nächsten Tag. Häuser und andere Autos ziehen schleppend an mir vorbei, während meine Mutter versucht das Lied im Radio mitzusingen. Gelingt ihr genauso wie mir immer. Gar nicht. Fast wünschte ich mir, dass sie nicht darauf bestanden hätte mich zu meinem Vater zu fahren. Bus fahren wäre in diesem Fall schneller gewesen. Selbst laufen erschien mir sinnvoller, als mich an verstopften Straßen und überfüllten Kreuzungen anstellen zu müssen.   Irgendwann schafften wir es dennoch in der Protz-Auffahrt vor der Protz-Villa zu halten. „Danke fürs fahren.“ Elegant wollte ich aus dem Auto springen und fliehen. Seit guten 15 Minuten hatte meine Mutter diesen irren Blick drauf, der nie irgendwas gutes bedeutete. Oder verwechselte ich das mit dem Blick, den sie immer dann aufsetzte, wenn sie ein schlechtes Gewissen hatte? Egal. War beides noch nie gut für mich gewesen. „Schon gut Schatz. Hast du deine Fahrkarte dabei? Oder brauchst du Geld für die Heimfahrt. Ich komm heute erst spät nach Hause. Du weißt ja dass Carmen immer…“ „Ja Mama. Ich hab alles dabei. Notfalls muss mein Vater mich halt fahren.“ Lieber würde ich laufen, doch ich verzichtete auf diesen Kommentar, damit meine Ma endlich Ruhe gab und weiter fuhr, um sich mit ihren Freundinnen zu vergnügen. Oder mit einem neuen Liebhaber… Wer wusste schon ob sie Carmen nicht nur als Vorwand nutzte. Sie kannte meine Abneigung dieser Person gegenüber zu gut und wäre so zu 100% sicher, dass ich nicht bei ihr anrief um die Geschichte abklären zu lassen. …. Außerdem…. Wer war bitte so gestört der eigenen Mutter hinterher zu spionieren? Ich hatte eindeutig besseres zu tun als mich in ihr Leben zu hängen. Solange sie nicht jede Woche einen neuen Kerl anschleppte, den ich ‚Papi‘ nennen sollte, war es mir so was von egal was sie trieb… oder mit wem… Oder… Aus. Nein. Ende. Eklig. „Viel Spaß. Und grüß Carmen schön.“ Von mir aus konnte sie der Frau auch noch ganz andere Sachen sagen, zum Beispiel das sie eine bl… „Noah? Kommst du? Wir warten schon. Papa wird ungeduldig!“ Bianca stand in der Haustür und schaute mich abwartend an. Meine Mutter winkte ihr kurz, durch die geschlossene Scheibe, zu, ehe sie den Gang einlegte und zurück auf die Straße fuhr. „Komme schon…“ Als wäre dies das Stichwort stürmte meine kleine Schwester zurück ins Haus und kündigte mich an. Rita bedachte mich mit einem kleinen Lächeln, als sie mir Hemd und Haare richtete, ehe sie mich weiter zum Esszimmer gehen ließ. Fein säuberlich aufgereiht saßen alle am Esstisch. Wie jedes Mal. Eine perfekte Bilderbuch-Familie… Absolut zum kotzen… Im Vorbeigehen zog ich kurz an Rosas Pferdeschwanz –sie quittierte es mit einem Zahnlückengrinsen-, verwuschelte Biancas akkurat sitzende Mähe und ließ mich schließlich auf meinen angestammten Platz fallen. Wenn man den Stuhl ganz genau musterte konnte man schon den Abdruck meines Hinterns sehen, so eingesessen hatte ich ihn schon. „Du bist spät“, brummte mein Vater und blickte missmutig von seiner Rolex zu mir. Zu meinem Erstaunen ergriff Monica das Wort ehe ich dazu kam. „Hast du nicht gehört was im Radio gesagt wurde? Es war Stau.“ Sie schaute nicht zu mir, um sich ihre Vermutung bestätigen zu lassen, stattdessen straffte sie die Schultern und nahm dankend das Essen entgegen welches Rita begann aufzutragen.   Da stand der Grund meines Hierseins. Zu gerne hätte ich dieses dämliche Familienessen geschwänzt. Hatte mich schon richtig gefreut, als mein Vater Anfang der Woche angerufen hatte um Bescheid zu geben, dass der übliche Termin nicht klappt, da er arbeiten müsse. Aber dann musste Rita mich anrufen und mit Essen locken. Mit gutem Essen. Der einzige Grund warum ich hier war… Gut… vielleicht auch um die Mädchen zu sehen. „Es ist Samstag. Warum gibt es Sonntagsessen?“ Kam es natürlich von meinem Vater, als dieser auf seine Klöße stierte. Anstatt es einfach hinzunehmen –immerhin aß er die Dinger fast genauso gerne wie ich- musste er natürlich meckern. Noch eine Minute länger Starren und er würde bestimmt nach Rita rufen um die Sache aufklären und zur Not etwas anderes kochen zu lassen. Aus purem Prinzip. Klöße waren Sonntagsessen. Heute war kein Sonntag. Ende der Diskussion. Es war meinem Vater egal, ob es Verschwendung wäre oder ganz einfach völlig egal. (Herr Gott! Ich konnte jeden Tag Klöße essen!) Monica hielt ihn von alledem ab, indem sie streng zu ihm schaute, nebenbei ein Stück des Kloßes abschnitt, in die Soße tunkte und sich zum Mund führte, und ihm schließlich ein ‚Martin, halt den Mund und sei froh, dass Rita so nett ist das Lieblingsessen deines Sohnes zu kochen!“ Kein Raum für Widerworte. Mich wunderte es immer wieder, wie eine Frau wie sie es war, die letzte Wahl verlieren konnte. Gegen einen solchen Vollidioten…   Erst als uns Rita mit Nachtisch beglückte traute mein Vater sich den Mund zu öffnen. Das einzige Thema welches ihm einfiel war jedoch mein Fauxpas mit der gebrochenen Nase und der damit zusammenhängenden Strafe. „Läuft…“, antwortete ich schlicht und machte mich über den Pudding her. So wie ich meine Mutter kannte… „Tamara sagte mir, dass du sogar in deiner Freizeit dafür übst? Mit dem Jungen dem du die Nase gebrochen hast?“ …hatte sie ihm eh schon alles berichtet. In solchen Dingen mussten sie schließlich am gleichen Strang ziehen. Zwecks „gute Eltern sein“ und so… „Ja. Er findet zu Recht, dass ich kein schauspielerisches Talent besitze… also gibt er mir Nachhilfe, damit ich ihnen das Stück nicht versaue…“, bestätigte ich, ohne zu ihm aufzusehen. Handhabte er sicher nicht anders. Höchstwahrscheinlich las er nebenbei seine Mails und hörte bzw. schaute eh nicht hin. „Warum tust du das? Du scheinst nicht so als würde dir irgendwas am Theater liegen…“ Recht hatte er. Theater war noch nie mein Fall gewesen. War es immer noch nicht. Das Stück war… merkwürdig. Die Gruppe war zu klein und zum Teil unmotiviert. Die Lehrerin/Verfasserin des Textes war… gut… beließen wir es dabei. Theater war nicht meine Welt. Aber warum machte ich es dennoch mit? Mir könnte egal sein, was passiert. Selbst wenn ich mich blöd anstellte und es versaute… nicht mein Problem. Ich war da um meine Strafe abzusitzen und die Militärschule abzuwenden… warum also der Stress? …Keine Ahnung. Vielleicht fand ich Jago gruselig und hatte Angst, er würde meine Eingeweide opfern wenn ich ihm die Aufführung versaute… vielleicht war ich auch einfach nur bescheuert.   Noch bevor ich meinem Vater antworten konnte, klingelte sein Telefon und lenkte die Aufmerksamkeit meines Erzeugers von mir weg. Danke du Drecksteil. Monica formulierte in Gedanken wahrscheinlich einen anderen Satz mit ‚Drecksteil‘, wenn ihre Miene nicht täuschte. Hoffentlich irgendwas im Zusammenhang mit ‚ihm für quer in den Arsch stecken‘ oder Ähnliches. Mit jedem ‚mhm‘ meines Vaters wurde ihr Blick eisiger. „Wir waren mitten in einer Unterhaltung…“ Ein unterschwelliges Knurren schwang in ihrer Aussage mit, als mein Vater das Telefon in die Hosentasche schob und sich vom Tisch erhob. Den Nachtisch nicht einmal angerührt. Ein Glück ist er der arme Drops, der im selben Bett schlafen musste… außer sie hatte ihn mittlerweile in die Hundehütte umquartiert. Gedanklich. „Ich weiß. Tut mir leid, aber ich muss ins Büro. Es muss wohl einen Notfall geben.“ ‚Und das kann kein anderer regeln als du?‘ hing in Leuchtbuchstaben über dem Kopf meiner Stiefmutter. Ihre Augen sprühten funken und beinahe hoffte ich, dass mein Vater einfach in Flammen aufging deswegen. Tat er nicht. Stattdessen murmelte er irgendwas in die Runde. Eilte aus dem Esszimmer und kurz darauf hörte man sein Auto in der Garage starten und davon fahren. Monica rang sichtlich um Fassung. Entweder regte es sie wirklich auf, dass er einfach während des Essens verschwand oder… sie vermutete, dass der Notfall keiner auf Arbeit sei. „Ist irgendwas passiert?“ Fragend schaute sie von dem Löffel auf, den sie unablässig zwischen den Fingern drehte. „Bis jetzt nicht…“ Ihre Finger zitterten und drohten den armen Löffel ins Jenseits zu befördern. „Aber?“, musste ich einfach nachhaken. Auch wenn ich es besser wusste, als mich in fremde Angelegenheiten zu hängen. „Aber er weiß… dass ich ihm einmal aus der Scheiße gezogen hab… sollte es ein zweites Mal passieren, werde ich ihn so in den Dreck treten, dass er sich wünschte ohne Genitalien geboren worden zu sein…“ Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Ein nettes. Und mir war klar, dass sie erstens mit diesem ‚einmal‘ auf meine Entstehung anspielte und sie es zweitens todernst meinte. „Mama… Was sind Genitalien?“ Pudding hing Rosi im Mundwinkel, als sie ernst aufschaute. Bianca verdrehte die Augen, trat sie unterm Tisch ans Schienbein und flüsterte ihr zu, dass man so etwas nicht am Esstisch besprach. Monica stimmte ihre ältesten Tochter zu und entließ schließlich beide vom Tisch, als diese ihren Nachtisch verputzt hatten. Nun waren nur noch wir beide übrig. Seltsame Situation. Auch wenn es sich angenehmer anfühlte, als vermutet.   „Was führt ihr eigentlich auf?“ Monicas Frage traf mich unerwartet. Hätte drauf wetten können, dass auch sie schweigend den Raum verlässt und Rita schlussendlich die ist, mit der ich hier am meisten Zeit verbringen würde. „LoveStage“, vermutete ich und war mir nicht wirklich sicher. Keiner in meinem Umfeld nannte es so. „Noch nie gehört… von wem ist es?“ Sie klang ehrlich interessiert, anders als ich es von meinem Erzeuger gewohnt war. Der war ein schlimmerer Kulturbanause als ich. Falls das möglich war. Zu meinem Erstaunen ließ sie es damit nicht auf sich beruhen. Fragte stattdessen weiter, wann es aufgeführt wurde und wo und all solche Sachen, bis sie schließlich auch den kompletten Inhalt aus mir herausgequetscht hatte. Dann schwieg sie. Nippte an ihrem Tee, ohne Lippenstiftspuren am Tassenrand zu hinterlassen und schaute aus dem Fenster. Die Ruhe war nicht unangenehm wie sonst. Ich hatte zumindest nicht das Bedürfnis überstürzt aus dem Haus zu stürmen oder jemanden strangulieren zu wollen. Schließlich erhob sie sich vom Tisch, richtete sich Bluse und Hose –die trotz, dass sie zuhause war, verdächtig formell wirkten- und sagte schließlich, den Blick auf mich gerichtet: „Wenn ihr irgendetwas braucht… für die Aufführung… Egal was es ist… Gib mir Bescheid“ „Hm.“ „Ihre hohen Hacken klackerten auf dem Parkett. Den Türgriff in der Hand hielt sie inne, wandte sich erneut mir zu, ehe sie den Raum verließ. „Das ist mein Ernst, Noah. Wenn ihr irgendetwas brauchen solltet… weißt du wo du mich finden kannst.“ „Ich weiß.“ Damit saß ich alleine im großen Esszimmer, begutachtete das benutzte Geschirr und behielt im Endeffekt doch Recht. Die meiste Zeit in diesem Haus, verbrachte ich mit Rita. Wie immer. Auch heute. Mit zwei unterschieden: erstens: Monica hatte mehr meiner Zeit in Anspruch genommen als jemals zuvor und zweitens: saß ich heute nicht mehr auf der Anrichte der Küche, um Rita beim Spülen zuzusehen, sondern naschte hinter ihrem Rücken heimlich den restlichen Pudding.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)