Im fremden Körper von Mondlichtkrieger (Auf dem Weg ins richtige Leben) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 01 - Narus Sicht ----------------------------------- ● ▬ ▬ ▬ ▬ Naru's Sicht ▬ ▬ ▬ ▬ ●   Was ist eigentlich, wenn ich mich in meinem Körper nicht wohl fühle? Wenn ich mich nicht zuhause fühle? Was ist, wenn ich diesen Körper verabscheue? Was würdet ihr mir raten, wenn ihr von all meinen Problemen wüsstet?   „Naru?“, hörte ich die Stimme meiner Mutter und seufzte. Ich betrachtete mich im Spiegel und schüttelte den Kopf. Das was ich da sah, das war nicht ich. Ich war nicht diese Person, die da im Spiegel zu sehen war. Durch einen stechenden Schmerz in meinem Unterleib wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und auch die Stimme meiner Mutter ertönte noch einmal. „Fräulein, komm endlich runter. Du musst in die Schule“, rief sie durch das ganze Haus. „Jaja, ich komme gleich“, gab ich hastig von mir und zog mir meinen Lieblingspullover an, der mir deutlich zu groß war, und eine Jeans, die nicht zu eng an meinem Körper lag. Meine Schultern schob ich nach vorn und ging etwas gebeugt aus meinem Zimmer, nachdem ich noch mein Handy in die Tasche gesteckt hatte. Den Rucksack trug ich lässig über meiner Schulter. Nachdem ich mir noch mein Pausenbrot genommen hatte, lief ich in den Flur und schlüpfte in meine Sneakers. „Bis dann“, murmelte ich leise, nahm meinen Haustürschlüssel und lief hinaus auf die Straße. Ich schaltete die Musik an und hörte sie, bis zu einem gewissen Punkt der Lautstärke, über Kopfhörer. Mir war egal, dass ich bei rot über die Ampel lief. Mir war egal, dass sich andere darüber aufregten, dass ich sie anrempelte. Mir war es egal, was andere über mich dachten. Aber eines war mir nicht egal… Mir war nicht egal, wie die Leute mich sahen. Mir war es nicht egal, wie sie mich wahrnahmen. Sie sollten mich so sehen, wie ich es wollte… Auch wenn sie es meist nicht so machten.   Der ganze Tag ist einfach nur eine Maskerade und ich habe keine Lust mehr auf dieses Versteckspiel. Versucht doch bitte alle einfach mich so zu sehen, wie ich es für richtig halte. Versucht mich zu verstehen. Versucht zu verstehen, wieso ich mich abgrenze, wieso ich gern allein bin und wieso ich nicht in irgendeine Schublade gesteckt werden will.   Der Schultag zog sich in die Länge wie Kaugummi und, als die letzte Stunde vorbei war, lief ich vom Schulgelände herunter und zündete mir genüsslich eine Zigarette an. Meine Mutter wusste gar nicht, dass ich rauchte und ich schob den Geruch immer auf meine Klassenkameraden, mit denen ich immer unterwegs war. Ich wollte nicht nach Hause und sah auf dem Weg in die Innenstadt einen neuen Friseur. Er hatte vor kurzem erst eröffnet und es war keine Menschenseele dort. „Hallo“, sagte ich und nahm allen Mut zusammen. „Meine Haare sollen deutlich kürzer werden.“ „Bist du dir wirklich sicher?“, erkundigte sich der Friseurmeister und ich nickte als Zeichen, dass ich mir vollkommen sicher war. „Wie kurz sollen sie denn werden?“ „Naja, so mindestens fünf Zentimeter sollen schon noch auf dem Kopf bleiben. Der Rest kann weg“, gab ich von mir. „Mein Freund hat Schluss gemacht und es muss einfach eine Veränderung her.“ Ich versuchte damit meine Handlung zu erklären, in der Hoffnung, ich würde keine weitere Frage deswegen gestellt bekommen. „Wie du willst. Wir fangen erst einmal mit dem Waschen an und dann sehen wir weiter“, lächelte der Friseur mich an und ich nickte erneut. Ich folgte ihm zu einem Waschbecken, wo er mir die Haare wusch. Meine Mutter meinte, es wäre eine Bestimmung solch schöne lange und blonde Haare zu haben. Doch ich fand es einfach nur grauenhaft. Ich wollte keine langen Haare haben. Ich wollte kurze Haare. Haare bei denen ich mit Gel spielen konnte. Ich schloss meine Augen und genoss die Behandlung mit dem warmen Wasser und der Kopfmassage, die ich gerade bekam. Nachdem er fertig war, brachte er mich zu einem Platz und legte mir ein Tuch um, damit meine Kleidung am Ende nicht voll mit Haaren waren.   Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, aber ich fühle mich nicht wohl. Wenn du mich nicht mit dem Namen ansprichst, den ich für richtig halte, dann tut es einfach nur weh. Es schmerzt in meinem Inneren und ich will einfach nur anfangen zu weinen. Ja, es ist schwer, dass du dich umgewöhnen musst, weil du mich seit Jahren anders kennst und doch, ist es so schwer? Ist es so schwer, sich selbst zu ermahnen?   Ich blicke in den Spiegel und begann zu grinsen: „Es ist perfekt.“ Meine Stimme strahlte meine Freude aus und ich stehe stürmisch auf und umarme meinen Friseur. „Danke. Genau so habe ich es mir vorgestellt.“ Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange, bezahle eilig und gab ein großzügiges Trinkgeld. „Bis zum nächsten Mal“, verabschiedete ich mich und ging hinaus auf die Straße. Ich lief noch ziemlich lang durch die Stadt und ging auf dem Weg nach Hause an einem Sportplatz vorbei. Es war das erste Mal, dass ich hier Personen sah, die trainierten. „Wirf uns mal den Ball wieder her“, hörte ich einen braunhaarigen Jungen zu mir rufen. Ich sah mich kurz um und sah den Ball neben mir liegen. Mit einem gekonnten Kick schoss ich den Ball wieder zu ihm und wollte weiter gehen, doch ich wurde erneut von der Stimme aufgehalten. „Ein guter Schuss! Willst du nicht mal zum Training vorbei kommen? Wir trainieren Montags, Mittwochs und Freitags! Immer so gegen 18 Uhr. Vielleicht hast du ja mal Lust und irgendwann mal Zeit hier her zu kommen!“ „Ich überlege es mir“, rief ich zurück und versuchte meine Stimme tiefer wirken zu lassen. Langsam setzte ich mich wieder in Bewegung und lief nach Hause. Meine Mutter war an der Arbeit und ich ging kurz am Kühlschrank vorbei, um mir ein Sandwich zu machen und mich dann im Wohnzimmer auf das Sofa fallen zu lassen. Mit einem kurzen Klick auf die Fernbedienung schaltete ich das Fernsehprogramm ein. Doch ich aß nicht wirklich etwas, stellte den Teller einfach nur neben mich und schloss die Augen. Es war mir egal, was andere dachten. Obwohl ich eigentlich wollte, dass sie dachten, ich wäre kein Mädchen. Der Junge vom Fußballplatz dachte wahrscheinlich, ich wäre einer von ihnen. Ich nahm mein Smartphone in die Hand und ging zu Google. Ich suchte nach einer guten Möglichkeit für mich, meine Brüste zu verstecken. Ich fand auch etwas und las mir einige Bewertungen, darunter auch Erfahrungsberichte, durch und überlegte, ob ich mir einfach mal etwas bestellen sollte. Es konnte am Ende nicht schlimmer werden, sondern nur besser. Ich suchte in den Unterlagen nach den Kontodaten von meiner Mutter. Ich müsste ihr nur das Geld zurück geben, dann dürfte es eigentlich in Ordnung sein. Die Daten eingegeben und auf „Kaufen“ gedrückt und jetzt hieß es für mich nur noch warten. Warten, dass das Paket ankam. Warten, dass ich endlich sehen konnte, wie es aussah.   Es ist für mich nicht leicht, mich zu verstecken. Es ist nicht leicht, zu sagen, was ich denke. Es ist nicht leicht, zu verbergen was ich wirklich will. Es ist die Angst, die mich davon abhält. Angst, dass ich zurückgewiesen werde. Angst, dass ich abgelehnt werde. Angst, dass ich weiter an diesem Punkt stehen bleibe. Angst, dass ich nicht voran komme. Angst, dass ich einfach nur ausgelacht werde.   Die Zeit verging schleppend bis ich nach Hause kam und den Zettel der Post im Briefkasten vorfand. Ich rannte natürlich am nächsten Tag nach der Schule augenblicklich zur Poststation und holte mein Paket ab. Auf dem Weg nach Hause grinste ich wie ein Honigkuchenpferd und hielt das Paket fest in meinem Arm. Dort angekommen schlich ich mich an meiner Mutter im Wohnzimmer vorbei und rannte die Treppen hinauf in mein Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)