For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky von Morwen ================================================================================ Kapitel 52: Dorian (gekürzte Fassung) ------------------------------------- „Ihr lächelt immer noch“, stellte der Eiserne Bulle fest, nachdem sie die Frostgipfel hinter sich gelassen und das Flachland erreicht hatten. „... mmh?“, machte Dorian, der so tief in Gedanken versunken war, dass er nicht sofort begriff, dass die Bemerkung ihm galt. „Aufregende Nacht gehabt?“, bohrte der Qunari weiter und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. Dorian gab ein Schnauben von sich. „Ich wüsste nicht, was Euch das angeht“, entgegnete er. „Hmm.“ Der andere schwieg für einen Moment. Dann zuckte er mit den Schultern und sagte: „Wie Ihr wünscht. Ich habe meine Antwort eh schon.“ Dorian sah ihn fragend an. „Ich habe nichts gesagt.“ „Das braucht Ihr auch nicht.“ Der Qunari grinste. „Euer Gesicht sagt mir alles, was ich wissen muss.“ „Oh, zum–! Geht jemand anderen behelligen!“, erwiderte Dorian scharf und schickte mehrere kleine Blitze in die Richtung des Eisernen Bullen, der jedoch nur lachte, bevor er ihn endlich in Ruhe ließ und ein Stück vorausritt, um Blackwall Gesellschaft zu leisten. Als er wieder allein war, stieß Dorian ein Seufzen aus. Er gab es ungern zu, aber der Qunari hatte Recht. Seitdem sie die Himmelsfeste verlassen hatten, wanderten seine Gedanken immer wieder zu dem Mann zurück, den er dort zurückgelassen hatte – und zu ihrer letzten gemeinsamen Nacht...   Wie am Abend zuvor war Dorian der erste von ihnen, der zum Turm zurückkehrte. Vor der Tür zögerte er jedoch. Cullen hatte nicht Unrecht gehabt – mittlerweile musste sich herumgesprochen haben, dass der Kommandant seine Nächte nicht länger allein verbrachte. Doch noch war es nicht zu spät, noch konnte Dorian diese Liaison für nichtig erklären, bevor sie Konsequenzen für sie hatte, die sich nicht mehr rückgängig machen ließen. Doch wollte er das wirklich? Cullen hatte deutlich gemacht, dass er kein Problem damit hatte, mit ihm gesehen zu werden, und Dorian... Dorian genoss sie, diese Offenheit. Nicht in der Dunkelheit der Nacht in Cullens Zimmer schleichen zu müssen oder sich in abgelegenen Teilen der Festung mit ihm zu treffen, wo niemand sie zusammen sehen konnte... Nicht, dass das nicht auch seine Reize gehabt hätte, aber es machte immer so viel Arbeit, eine Beziehung im Geheimen zu führen, und Dorian war mittlerweile zu alt und hatte zu viel Selbstwertgefühl, um sich damit zufriedenzugeben und nicht mehr zu verlangen. Sein ganzes Leben lang hatte er sich nach einem Liebhaber gesehnt, der zu ihm stand, warum begann er also ausgerechnet jetzt, wo er ihn gefunden hatte, zu zweifeln...? Dorian schüttelte den Kopf, dann griff er nach der Türklinke und trat ein.   Unter einem wolkenlosen Himmel breiteten sich die endlosen, blumenbedeckten Weiten von Orlais wie ein bunter Teppich vor ihnen aus. Dorian schloss für einen Moment die Augen, während er den Duft der zahllosen wilden, in Blüte stehenden Pflanzen einatmete. Er verstand plötzlich, wieso sich so viele orlaisianische Soldaten und Flüchtlinge nach ihrer Heimat sehnten. Der Anblick der grünen Hügel, die gelegentlich bewaldet oder von kristallklaren Bächen durchzogen waren, war wie Balsam für die Seele. Selbst die Miene der Inquisitorin, die seit ihrem Aufbruch am frühen Morgen konzentriert und angespannt wirkte, glättete sich etwas, und hin und wieder lächelte sie sogar, wann immer einer ihrer Begleiter eine ungezwungene Bemerkung machte. Als sie an diesem Abend ihr Lager aufschlugen, herrschte eine lockere Stimmung unter den Männern und Frauen, und selbst Dorian ließ sich dazu hinreißen, für eine Weile mit ihnen am Feuer zu sitzen und ihren Erzählungen zu lauschen. Für einen Moment fühlte er sich wieder an die Zeit nach ihrer Flucht aus Haven erinnert, als sie noch eine Gemeinschaft gewesen waren, die in eine ungewisse Zukunft geblickt hatte. Wie viele Monate seitdem doch vergangen waren und wie viel sich in dieser Zeit geändert hatte...   Cullen ließ nicht lange auf sich warten. Kaum hatte Dorian sich ausgezogen und nach seiner Lektüre vom Vorabend gegriffen, als sich im Zimmer unter ihm auch schon die Tür öffnete. Eine seltsame Vorfreude breitete sich in ihm aus, während er den Geräuschen des anderen lauschte, als dieser seine Rüstung ablegte und noch ein letztes Mal die Berichte auf seinem Schreibtisch durchging, bevor er schließlich die Leiter zu seinem privaten Zimmer hinaufstieg. „... Dorian!“, sagte Cullen überrascht und errötete, als er ihn auf seinem Bett liegen sah, nackt bis auf eine kurze Unterhose, die deutlich mehr von seiner Anatomie preisgab, als sie verhüllte. Dorian schenkte ihm ein anzügliches Lächeln und legte sein Buch beiseite, bevor er Cullen einladend die Hand hinhielt. „Schön, dass du beschlossen hast, mir Gesellschaft zu leisten, ich war schon kurz davor, wieder zu gehen“, meinte er mit einem Augenzwinkern. Cullen gab ein Husten von sich, um seine Verlegenheit zu überspielen, bevor er sein Hemd auszog und sich zu Dorian auf das Bett setzte. „Erst müssen wir reden“, sagte er leise. Dorian starrte ihn einen Moment lang an, dann seufzte er und drehte sich auf die Seite, den Kopf auf die Hand gestützt. „Ich hatte befürchtet, dass du das sagen würdest“, entgegnete er resigniert. „Nun gut, was ist es?“ Cullen senkten den Blick und schwieg einen Moment. „Ich möchte mich entschuldigen“, sagte er dann. Dorian zog verwirrt die Augenbrauen hoch. „... warum das?“ Cullen sah ihn an und Dorian sah einen Anflug von Schmerz in seinen hellbraunen Augen. „Ich habe mich heute unmöglich benommen“, gestand er, „indem ich ohne dein Einverständnis Entscheidungen für dich getroffen habe, sowie deine eigenen Entscheidungen angezweifelt habe.“ Dorian war für einen Augenblick so sprachlos, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Überrascht starrte er Cullen an. „Es tut mir aufrichtig leid, Dorian“, fuhr der andere leise fort. „Und ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Ich will, dass so etwas die absolute Ausnahme bleibt, und nicht zur Normalität in unserer Beziehung wird.“ Er griff nach Dorians Hand und presste einen Kuss auf seine Fingerknöchel. „Dafür schätze ich dich und dein Meinung zu sehr.“ Dorian wollte eine wegwerfende Geste machen und sagen: Schon gut, es ist bereits vergessen. Doch als er sich Cullens Worte noch einmal durch den Kopf gehen ließ, erkannte er, dass der andere Mann Recht hatte. Er hatte Dorians Wünsche ignoriert und er hatte sich unangemessen verhalten. Dorian war nur so daran gewöhnt, dass seine Liebhaber seine Bedürfnisse ignorierten, dass er in jenem Moment nicht weiter darauf eingegangen war, auch wenn es für einen kurzen Augenblick wehgetan hatte, dass auch Cullen so mit ihm umgegangen war. Doch anders als alle anderen vor ihm hatte Cullen erkannt, wie unangebracht sein Verhalten gewesen war, und nicht nur das – er hatte sich dafür entschuldigt. Das Konzept war Dorian so neu, dass er sich erst einmal daran gewöhnen musste. „Es ist mir wichtig, dich als gleichberechtigten Partner an meiner Seite zu wissen“, sagte Cullen, während er sanft mit dem Daumen über seinen Handrücken rieb. „Und ich möchte, dass du hier bist, weil du es willst, und nicht weil du denkst, du wärst es mir schuldig.“ Dorian schluckte, er hatte plötzlich einen Kloß im Hals. „Darum habe ich heute Abend nur eine Frage an dich, Dorian...“ Ein warmer Ausdruck trat bei diesen Worten in Cullens honigfarbene Augen. „Was ist es, was du willst?“ Über seine Antwort musste Dorian nicht lange nachdenken. Er räusperte sich mehrmals, bevor er endlich mit rauer Stimme erwiderte: „Ich will dich.“   „Komm, Kleiner, trink was!“, rief der Eiserne Bulle gutgelaunt und klopfte Cole, der neben ihm saß, so überschwänglich auf die Schulter, dass es den jungen Mann fast nach vorn schleuderte. „Vielleicht wachsen dir dann endlich ein paar Haare auf der Brust.“ Cole sah ihn zweifelnd an. „Aber ich habe keinen Durst“, entgegnete er und rückte seinen Hut wieder zurecht, der nach vorn gerutscht war. „Und mir wird dann immer ganz komisch im Kopf. Außerdem bringt es die Stimmen zum Schweigen.“ Blackwall, der neben den beiden saß, grinste. „Klingt für mich nach zwei weiteren guten Gründen, es zu tun.“ Doch bevor der Qunari dem Jungen einen Weinschlauch in die Hand drücken konnte, mischte Dorian sich ein. „Lasst ihn in Ruhe“, sagte er genervt. „Cole hat nein gesagt.“ „... schon gut, schon gut.“ Der Eiserne Bulle zuckte mit den Schultern, bevor er den Schlauch an seine eigenen Lippen setzte und daraus trank. „Wann seid Ihr eigentlich die Stimme der Vernunft geworden?“, fragte er Dorian, nachdem er den Schlauch wieder abgesetzt hatte. Trotz des leichten Spottes in seiner Stimme schien er ernsthaft an einer Antwort interessiert zu sein. Dorian seufzte. „Seitdem ich meine Würde wiedergefunden habe“, entgegnete er. Dann erhob er sich. „Vielleicht solltet Ihr Euch auf die Suche nach der Euren machen“, fuhr er mit einem süffisanten Lächeln fort. „Ich bin mir sicher, sie vermisst Euch.“ Blackwall lachte auf. „Autsch.“ Dorian machte eine elegante Verbeugung. „Gute Nacht, die Herren.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und machte sich auf den Weg zu seinem Zelt. Doch schon nach wenigen Metern gesellte sich zu seiner Überraschung Cole zu ihm. „Danke“, sagte er. „Sie wollten nicht auf mich hören, doch sie haben auf Euch gehört.“ „Es war nicht der Rede wert“, meinte Dorian und sah den jungen Mann an. „Und es ist nicht akzeptabel, dass sie dich ignoriert haben. Wenn so etwas noch einmal vorkommen sollte, musst du deutlicher werden.“ Cole dachte über diese Worte nach. „Aber ich will ihnen nicht wehtun“, sagte er dann. „Sie sind meine Freunde.“ Doch Dorian schüttelte den Kopf. „In Momenten wie diesen geht dein eigenes Wohlbefinden vor, Cole“, sagte er. „Und mehr als einmal solltest du nicht nein sagen müssen.“ Er überlegte. „... du musst ihnen vielleicht nicht gleich den Arm brechen oder so“, fügte er dann hinzu. „Ich bin mir sicher, dir fallen noch andere Lösungen ein.“ „Ich werde es mir merken“, versprach Cole mit großem Ernst. Dann verschwand er wieder in der Dunkelheit, um... zu tun, was auch immer er tat, sobald es dunkel wurde. Vermutlich irgendwelchen armen Soldaten eine Heidenangst einjagen, indem er mit ihnen über ihre Alpträume sprach. Dorian hatte keine Ahnung. Als er sein Zelt schließlich erreichte, schälte er sich mit einem Seufzen aus seiner Kleidung, bevor er unter die Decke schlüpfte. Trotz der sommerlichen Temperaturen am Tag war es nachts noch immer sehr frisch, und es dauerte eine Weile, bis ihm unter der Decke warm geworden war. Und während er darauf wartete, dass ihn der Schlaf übermannte, vergrub er das Gesicht in dem Hemd von Cullen, das er am Morgen mitgenommen hatte, und sog seinen Geruch ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)