Love you like you do von Marron ================================================================================ Kapitel 6: ----------- „Ach ja, die liebe Presse. Unser bester Freund und gleichzeitig unser schlimmster Feind“, brummelte Schneider leise vor sich hin. Wakabayashi nickte und seufzte. „Warum ist das eigentlich so? Warum muss man ber jeden Schritt von uns berichten? Wir spielen doch einfach nur Fußball!“ Tsubasa wusste, dass er leicht genervt klang. „Tja, das ist so ein Mysterium, welches sich Popularität nennt“, meinte Schneider, „Und sie wollen für sich selbst wissen, dass wir auch nur Menschen sind. Über jemand anderes zu lästern lenkt von den eigenen Problemen ab, oder macht sie zumindest kleiner.“ Tsubasa seufzte kellertief. „Und warum lassen sie uns nicht einfach in Ruhe und kümmern sich um diejenigen, die ihre Kameras und Aufmerksamkeit wollen?“ „Weil die sich nur inszenieren wollen und niemand will sowas sehen. Alle wollen doch heute hinter die offizielle Fassade blicken und einen Makel finden. So sind wir Menschen eben“, fügte der Deutsche seinen Worten von eben an. Wakabayashi schüttelte den Kopf. „Du hast vielleicht eine schlechte Meinung von den Menschen, Karl!“ Der Blonde seufzte auf und erwiderte leise: „Ich hab es bei meinem Vater erlebt. Er war eigentlich nur Trainer, total frei von Skandalen. Aber als er einen anderen Verein trainieren wollte, flogen plötzlich Steine durchs Fenster und die Presse bezeichnete ihn als Verräter. Meine Eltern haben sich sogar eine Weile lang getrennt, weil meine Mutter den Terror nicht ausgehalten hat und mein Vater nicht von seinem Standpunkt abweichen wollte.“ Betroffen schwiegen die beiden Japaner und blickten auf die Tischdecke vor sich. „Das war übrigens kurz vor der U-16. Erst danach haben die beiden sich wieder vertragen.“ „Deswegen wolltest du damals so unbedingt gewinnen?“, fragte Genzo leicht schockiert. Schneider nickte. „Ja, in der Hoffnung, dass meine Mutter versteht, wie wichtig uns der Fußball ist.“ „Oh, so war das damals also“, murmelte der Keeper daraufhin. „Schon gut, ich bin drüber hinweggekommen. Und ihr habt verdient gewonnen.“ „Ja, aber nicht ohne Tsubasa. Da wären wir gar nicht so weit gekommen.“ Wakabayashi lachte leise und Schneider grinste, als sie sahen, dass dieses Lob dem Mittelstürmer peinlich war. „Ach, hört auf damit. Das waren wir alle gemeinsam.“ Er sah weg. „Klar“, nickte Wakabayashi, „Und ich will die Leistung der anderen auch nicht kleiner machen, aber du hast die Mannschaft zusammen gehalten. Du hast uns entschlossen sein lassen.“ Schneider nickte und fügte hinzu: „Ohne dich wäre Genzo gar nicht erst nach Deutschland gegangen, oder nicht? Das hast du in Gang gesetzt, sei nicht so bescheiden.“ In Tsubasas Wangen machte sich der dunkle Farbton breit, der jedem sagte, dass er rot wurde. „Oh, lasst uns bitte von etwas anderem reden, ja? Ihr macht mich verlegen!“, meinte er lauter, als unbedingt nötig war. Der Keeper und der Stürmer lachten leise. „Na, sieh mal einer an, wer da am lautesten ist?! Hattest du nicht gerade erst gemeint, wir sollten leiser sein?“ Der Mittelstürmer funkelte sie an. „Wie wär's, wenn der Herr gleich ganz still ist?“ Jetzt lehnte Schneider sich verblüfft zurück. „Hoh, immer langsam mit den jungen Pferden. War doch nur ein Witz.“ Tsubasa sah ihn kurz an und grinste dann. „Ich hab auch nur Spaß gemacht. Noch nie von Ironie gehört?“ „Och, jetzt hast du uns aber erwischt!“, prustete Wakabayashi los. „Hey, ich muss gleich gehen. Hab noch ein Spezialtraining mit meinem Vater“, meinte Schneider dann nach einer behaglichen Stille, „Aber sowas wie heute sollten wir wiederholen.“ „Ja!“, grinste Tsubasa. „Unbedingt“, stimmte der Keeper zu. Damit ging der Deutsche seiner Wege und lies zwei Japaner zurück, die für den Rest des Tages noch keinen Plan hatten. „Und jetzt? Wohin sollen wir?“, fragte Tsubasa. Wakabayashi zuckte mit den Schultern. So endete es damit, dass sie ohne besonderes Ziel durch die Stadt schlenderten. Wenn ein oder zwei Mutige sie erkannten und um Autogramme oder Ähnliches baten, bekamen sie diese auch, doch meistens wurden sie in Ruhe gelassen. Diese Eigenschaft der Leute, sie nicht zu sehr zu belagern, wenn sie nicht auf dem Platz standen, war merkwürdig, aber angenehm. Es konnte natürlich dadurch bedingt sein, dass sie schon eine Weile hier wohnten und die Menschen sich daran gewöhnt hatten, sie hier zu sehen. Als Tsubasa beim vierten Sportgeschäft stehen blieb und die Kinderfußbälle betrachtete, musste der Keeper lachen. „Willst du deinen Sohn so früh wie möglich fördern?“ „Man weiß nie. Ich möchte ihm natürlich alles beibringen, aber ich will ihn auch nicht beeinflussen. Er soll selbst entscheiden, was er mal machen möchte.“ „Du redest, als wäre dein Sohn fast schon erwachsen. Lass ihn doch erst einmal ein Teenager werden. Oder zumindest sicher genug auf seinen Beinen,um mehr als zehn Schritte hintereinander zu machen, bevor du ihm einen Ball unter die Nase hälst!“ Der Jüngere grinste zustimmend und schüttelte dann den Kopf. „Ich bin total verrückt, oder?“ „Nein“, widersprach Genzo sanft, „Du bist nur total vernarrt in deinen Sohn. Das ist doch süß.“ „Und du?“, fragte er nun, „Willst du keine Kinder?“ Der Keeper verzog das Gesicht und schüttelte betont langsam den Kopf. „Nein“, erwiderte er, als täte es ihm leid, „Das war nie etwas für mich. Ich habe schon recht früh beschlossen, keine Kinder zuhaben.“ „Wieso denn das?“, wollte Tsubasa wissen und zog die Augenbrauen hoch. „Verschiedenes“, war die ausweichende Antwort. Ihm wurde klar, dass er zu neugierig gewesen war und seine Nase mal wieder in Dinge steckte, die ihn nichts angingen. „Verstehe schon“, murmelte er und sah weh. Er hatte kein Recht, nach Wakabayashis Leben zu fragen, jede Kleinigkeit wissen zu wollen. Manche Dinge wollte man einfach nicht erzählen. So setzten sie ihren Weg schweigend fort und Tsubasa kaufte keinen Kinderfußball. Er nahm sich auch vor, das Thema vor dem Keeper nicht mehr zu erwähnen. Es vergingen einige Wochen, in denen Sanae sich nicht meldete. Tsubasas Gefühle deswegen waren immer wieder anders, aber er blieb dabei, dass sie den ersten Schritt machen sollte. Einerseits machte er sich Sorgen, andererseits wollte er ihr die Zeit geben, die sie zu brauchen schien. Sprechen wollte er nicht darüber er wollte Genzo nicht noch mehr mit seinen Problemen belasten; Es war schon unglaublich freundlich von dem Älteren, dass er seinen Freund bei sich wohnen lies, da wollte er diese Geduld nicht unnötig strapazieren. Außerdem fürchtete er, wenn er auf der Straße landete und doch mit einem Hotel vorlieb nehmen musste, etwas darüber in der Zeitung lesen zu können. Und wenn die Zeitungen erst einmal darüber berichteten, würden seine Freunde auch davon erfahren und alle würden sich Sorgen machen um eine Sache, die gar nicht wirklich da war. Aber wenn er ehrlich war, dann gab es noch einen Grund, warum er so passiv blieb: Ihm gefiel es, mit Genzo zusammenzuwohnen. Er mochte es, dass sie beide morgens ungefähr zur selben Zeit wach wurden und er nicht auf jemanden Rücksicht nehmen musste, der vielleicht noch schlief. Ihm gefiel, dass sie stundenlang über Spiele und Techniken fachsimpeln konnten und er nicht darauf achten musste, in welchem Tonfall geantwortet wurde – Genzo war seinen Humor viel mehr gewohnt als Sanae. Tsubasa kam sich vor, als mache er Urlaub von der Realität. Seine Nerven beruhigten sich und er fand zu seiner alten Art zurück. Manchmal erwischte er sich selbst dabei, wie er einfach nur so vor sich hinsummte, weil ihm danach war. Selbst seine derzeitigen Teamkollegen hatten schon gesagr, dass er ausgeglichener wirkte. Er genoss die Zeit und nahm sich vor, mit der gesammelten Kraft für Sanae da zu sein, sobald sie sich meldete. Doch die Tage verstrichen und sie blieb stumm. Oft sah er sein Handy an und fragte sich, ob es gleich klingeln würde. Dann fand er krampfhaft Gründe, nicht einfach selbst anzurufen. Immer wieder sagte er sich, dass es dumm wäre, jetzt einfach nachzugeben. „Wenn du weiter so starrst geht das Ding noch in Flammen auf“, kommentierte Genzo seinen Blick nach einer weiteren Woche, in denen Sanae schweigsam blieb. Müde brummelte Tsubasa einen Laut, der seine schlechte Laune ausdrücken sollte und legte das Handy auf die Anrichte in der Küche. „Trotzdem. Ich dachte, nachdem ich jetzt auch mal wieder Daibu gesehen habe, denkt sie drüber nach.“ Tatsächlich hatte er sich auf den Weg zum Spielplatz gemacht, auf dem sein Sohn am liebsten war und Daibu hatte in der Sandkiste gesessen und fröhlich vor sich hin gebuddelt. Als er seinen Vater gesehen hatte, war jedoch alles andere vergessen gewesen und er hatte ihn lautstark gerufen. Erfreut war er auf seinen Sohn zugekommen und hatte ihn hochgehoben. Seine Frau hatte sich jedoch mit einem merkwürdigen Blick von ihm ferngehalten. Die beiden Männer der Familie Ozora hatten Zeit zusammen verbracht, ohne darauf einzugehen. Als er gegangen war, hatte sie ihm gewunken, sonst nichts. Er seufzte schwer und sah auf den leichten Verband, welcher mittlerweile die Hand des Keepers schmückte. Der Bruch verheilte gut und Genzo konnte die Hand schon geringfügig belasten, zum Beispiel, indem er seine Tasse herumtrug. Jetzt streckte er jene Hand aus und langte an Tsubasa vorbei. Er blickte über dessen Schulter auf das Display und schnaubte leise. Tsubasa spürte den Lufthauch am Hals, so nahe standen sie beieinander und ihm wurde bewusst, dass es für diese Stunde des Tages immer noch recht warm war. Es würde noch länger so bleiben, sie kamen auf den Sommer zu und es würde noch drei Monate dauern, bis Tsubasa erneut Vater werden würde – falls er überhaupt so bald von seiner Frau hören würde. Sie machte sich im Moment wirklich unsichtbar für ihn. „Es ist schon nach zehn Uhr. Sie wird sich nicht mehr melden. Lass uns schlafen gehen, ja? Du hast morgen ein Spiel gegen Misakis Mannschaft.“ Er nickte und folgte dem Keeper zum Schlafzimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)