This Great And Little Gift von Arianrhod- ([NaLu | Lucy vs. Jude]) ================================================================================ 2. Special, in dem Natsu guten Rat findet, auch wenn er ihn nicht wirklich gesucht hat -------------------------------------------------------------------------------------- Zum wiederholten Male rutschte Natsu der Schraubenzieher ab, weil er einfach zu hastig und unkonzentriert an die Sache heranging. Wütend starrte er auf die starrköpfige Radmutter, die sich einfach nicht lösen lassen wollte, dann fuhr er herum und schleuderte den schweren Schraubenzieher in die Ecke. „Verdammte Scheiße!“ Klirrend und polternd sprang das Werkzeug zweimal vom Betonboden ab, ehe es noch ein, zwei Meter schlitterte und dann zum Liegen kam. Um noch einen drauf zu setzen, trat Natsu heftig gegen den knallroten Eimer, der in der Nähe stand und jetzt davonsprang, während er seinen Inhalt hinausschleuderte. Ein Regen von Staub, Dreck und Materialresten ging über den Boden nieder. „Pass nur auf, dass du hier nicht zur Arbeitsgefährdung beiträgst.“, bemerkte eine tiefe Stimme hinter ihm, der Tonfall so trocken wie die Wüste. „Außerdem wirst du das alles wieder aufkehren müssen.“ Natsu zog einen Flunsch und drehte sich zu dem Sprecher um, einem großen, schwarzen Mann mit breiten Schultern und einem fragenden Lächeln auf den sonst so grimmig wirkenden Gesichtszügen. Neben seinem linken Auge zog sich eine halbmondförmige Narbe entlang, das ihm etwas Draufgängerisches verlieh. Er hatte kurzgeschnittenes, schwarzes Haar und scharfe, bernsteinfarbene Augen, denen wenig entging. Unter seinem Arbeitsoverall, mit dem Logo der Dragon’s Garage auf der Brusttasche, zeichneten sich beeindruckende Muskeln ab und der Stoff spannte über seinen breiten Schultern. In seinen riesigen Pranken hielt er einen Löffel und eine halbierte Kiwi, die wohl einen Snack für Zwischendurch darstellen sollte. Pantherlily war nur ein paar Jahre älter als Natsu und studierte halbtags an der Magnolia Universität irgendwas Soziales. Während der anderen Hälfte seiner Zeit arbeitete er für Igneel, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen – er hatte niemanden, der ihn unterstützte, und die staatliche Finanzspritze reichte hinten und vorne nicht. „Hey.“, grüßte Natsu nach einem viel zu langen Moment und starrte betrübt auf die Sauerei, die er angerichtet hatte. Lily hatte natürlich recht – sein Vater würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, wenn er diesen Saustall sehen würde. Igneel achtete zumindest in seiner geheiligten Werkstatt darauf, dass alles zumindest halbwegs sauber war. Mit einem schweren Seufzen stellte er den Eimer wieder aufrecht hin, ehe er sich nach Kehrschaufel und Besen umsah. Pantherlily stand schweigend daneben und löffelte seine Kiwi aus. Allerdings war es eine Art wartendes, geduldiges Schweigen, nicht, als wäre er nur noch aus Schaulustigkeit oder Gehässigkeit hier. „Willst du reden?“, fragte er dann ins Blaue hinein und Natsu dachte an den Grund für seine miese Laune, die schon seit Tagen anhielt – außergewöhnlich für ihn, das musste er selbst zugeben. „Nein.“, antwortete er trotzdem und fügte hinzu: „Ich hab mich mit Lucy gestritten.“ Lily sagte nichts, also führte Natsu weiter aus: „Ziemlich heftig, so schlimm war es noch nie.“ Absolut nicht. Meistens war es Lucy selbst, die ein paar Stunden nach einem Streit zu ihm kam, um allen Ärger wieder mit einem vernünftigen Gespräch aus der Welt zu schaffen und Natsu hatte nie ein Problem damit, sich darauf einzulassen. Er war jedes Mal selbst froh, wenn sie den Zwist aus der Welt schaffen konnten. Aber diesmal war es anders und Lucy war so bockig und halsstarrig, dass er seinen Kopf aus lauter Frust gegen die Wand knallen wollte. Stattdessen schlurfte er los um Kehrschaufel und Besen zu holen. Als er zurückkam, hatte Lily den Schraubenzieher auf der Motorhaube abgelegt und hockte seine Kiwi löffelnd auf dem umgedrehten Eimer. „Komm, setzt dich. Das ist ja nicht mit anzusehen.“, forderte er den Jugendlichen auf und deutete auf die geschlossene Werkzeugkiste, neben die er seinen improvisierten Hocker gestellt hatte. Natsu verzog das Gesicht; er wusste, was das zu bedeuten hatte. Trotzdem kam er der Aufforderung nach und ließ sich neben dem Älteren auf die Kiste fallen. Dann musste er zumindest noch nicht kehren; das hasste er. „Worum geht’s?“, hakte Lily dann nach, sein Tonfall neutral, damit Natsu die Wahl hatte, ob er antworten wollte. „Vielleicht kann ich dir helfen.“ „Das bezweifle ich.“, murmelte der Schüler und fuhr sich frustriert durch die Haare. Selbst Lily würde sich an Lucy in ihrer jetzigen Haltung die Zähne ausbeißen. „Es ist nur… Wir… Lucy…“, druckste er herum, ehe er völlig verstummte. Von dem Baby wollte er Lily eigentlich nichts erzählen. Bis jetzt wussten tatsächlich nur Gray und Erza Bescheid und vielleicht Loke, je nachdem, wie viel Lucy ihm erzählt hatte. Nicht einmal sein Vater hatte eine Ahnung! Er mochte Lily, würde ihn sogar als Freund bezeichnen, aber so nah standen sie sich dann doch wieder nicht. „Du kannst auch um das drumrum reden, was du für dich behalten willst.“, half der Student ihm aus und Natsu kratzte sich an der Stirn. Dann zuckte er mit den Schultern und begann: „Ich war vor ein paar Tagen mal in der Villa, um ihr … Naja, halt so. Es war mitten in der Nacht und es war so gemütlich, also hat sie erlaubt, dass ich bleibe. Am nächsten Morgen hat ihr Vater uns erwischt und er ist komplett aus der Haut gefahren. Er hat mich sogar geohrfeigt.“ Natsu runzelte die Stirn bei der Erinnerung daran und rieb sich unwillkürlich die Wange. Tatsächlich war der Schock über die Tat das Schlimmste daran gewesen, der Schmerz war rasch wieder verklungen. Während diverser Kampftrainings und -turniere hatte er schon weit härtere Schläge eingesteckt und hin und wieder sogar gegen den Kopf. Aber dass Jude ihn überhaupt geschlagen hatte… Lucy war nicht er. Er wusste, dass sie zäh war und auch einstecken konnte, wenn es sein musste. Sie würde alles aushalten, was das Leben ihr entgegenschleuderte, davon war Natsu überzeugt. Es war einfach ihre Art, auf den ersten Blick so liebenswürdig und herzlich, aber darunter lag etwas Unerbittliches, hart wie Stahl, das man ihr gar nicht zutraute. Aber Natsu wollte eigentlich gar nicht, dass es sein musste. Er wollte sie beschützen und vor allem Übel bewahren. Zwar hatte sie ihm deutlich erklärt, dass Jude sie nicht anrühren würde, aber schlussendlich war ihr Urteilsvermögen getrübt. Sie hatte öfter Tomaten auf den Augen, wenn es um ihren Vater ging, als es Natsu lieb war. Was, wenn sie sich irrte? Und warum nahm sie eigentlich nur Jude in Schutz und nie ihn? Das war auch so ein Ding, dass er ihr im Moment übelnahm. Immer hieß es, dass sie aufpassen mussten, damit Jude sie nicht sah, dass Jude das nie erlauben würde, dass Jude etwas dagegen hätte, dass Jude nicht es nur gut meinte, dass Jude… Die Liste war endlos und sie fand immer einen Weg, ihn zu beschützen. Aber wenn er und Natsu sich doch einmal trafen und die Fetzen flogen, war sie verdächtig still. Und Natsu war nicht dumm, er bemerkte sehr wohl, wenn er beleidigt wurde, auch wenn Jude so tat, als wären seine Worte zu groß für den dummen, geistlosen Bengel aus der Arbeiterschicht. Was wiederum eine weitere Beleidigung war. Natsu war schon klar, dass er kein Genie war, niemals Doktor oder sowas werden würde und sich in der Schule mehr anstrengen könnte, aber deswegen war er noch lange kein Trottel! Aber das Schlimmste war immer, dass Lucy stets stumm danebenstand und ihn nicht in Schutz nahm. Wäre es umgekehrt, wüsste Natsu schon, was für Worte er für die Person übrighätte, die Lucy so angriff, Vater hin oder her! Er öffnete den Mund, um Pantherlily im Brustton der Überzeugung zu erklären, was für ein Arsch Jude war, der seine Tochter nicht verdient hatte, als alles andere auch aus ihm herausplatzte. Es war wie ein Damm, der geöffnet worden war und den er jetzt nicht mehr schließen konnte. Aber es tat gut, sich alles von der Seele zu reden. Zudem es auch noch Pantherlily war, der ihm ein offenes Ohr schenkte. Er hatte eine Art an sich, die einfach Vertrauen, Gelassenheit und Souveränität ausstrahlte und das Gefühl vermittelte, dass man schon irgendwie alles hinkriegen würde, und besaß eine konzentrierte Aufmerksamkeit, die ihn einfach nur zuhören ließ, ohne Fragen, ohne Urteil, bis ans Ende der Geschichte. Igneel gegenüber hätte Natsu sich nicht so geöffnet, nicht mit der Gefahr, dass ihm das andere Geheimnis auch entschlüpfte, und Gray und Erza waren auch Lucys Freunde. Er wollte sie nicht damit hineinziehen und sie damit zwingen, eine Seite zu wählen. Das wäre nicht fair. „Das klingt ganz schön kompliziert.“, bemerkte Lily, als Natsu geendet hatte, und verschränkte die Arme vor der Brust, den Kopf nachdenklich schief gelegt. Die Reste der Kiwi und der Löffel lagen inzwischen neben ihm auf dem Boden. Ansonsten sagte er jedoch nichts weiter. Natsu ließ enttäuscht die Schultern sinken. Er hatte gehofft, Lily hätte einen Rat für ihn. „Schon klar.“, gab er zu. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Auf der einen Seite vermisse ich sie jetzt schon und es sind nur ein paar Tage vergangen. Auf der anderen Seite habe ich keine Lust, sie zu sehen. Außerdem bin ich immer noch sauer auf sie.“ Missmutig stützte er das Kinn auf seine Hände, die Ellbogen auf den überkreuzten Beinen abgestellt. Lily antwortete nicht, sondern runzelte nachdenklich die Stirn und Natsu verzog das Gesicht, ehe er ebenfalls in brütendes Schweigen verfiel. Er wusste einfach nicht, wie er das wieder geraderücken sollte und Geduld war noch nie seine Stärke gewesen. „Weißt du, du und Lucy seid euch in dieser Hinsicht erstaunlich ähnlich.“, erklärte Lily unvermittelt. Überrascht blickte Natsu auf. „Häh?“ Von was redete er? „Euer Vater ist alles, was euch jeweils noch von eurer Familie geblieben ist, und darum klammert ihr euch mit aller Macht an ihn. Nur sind Igneel und Jude sehr unterschiedliche Menschen mit sehr verschiedenen Weltbildern, Erziehungsmethoden und Wünschen.“ „Oh.“, machte Natsu betroffen. Wenn man es so betrachtete… Er verstand durchaus, wie es war, wenn nur noch so wenig übrig war, wenn man so viel schon verloren hatte… Vielleicht war das der Grund, warum das Baby ihm jetzt schon so wichtig war. Ein weiterer Teil seiner Familie, ein Puzzlestück in seinem Leben, das einfach hineinpasste, etwas von ihm und Lucy, das sie für immer verbinden würde. Er dachte an seine Mutter und ihre seidigen, himmelblauen Haare und ihr strahlendes, aber so seltenes Lächeln und der Schatten in ihren dunklen Augen. Er dachte an ihre eiskalte Hand an jenem Tag, als er sie in ihrem Bett gefunden hatte und sie aufwecken wollte. Nur hatte sie nie wieder die Augen geöffnet. Wenn er auch noch seinen Vater verlieren würde, würde seine Welt zusammenbrechen. Klar, sein Onkel war auch noch da, aber das war etwas völlig anderes und außerdem trieb er sich sowieso immer mit Ärzte ohne Grenzen im Ausland herum. Wie mochte es für Lucy sein? Sie hatte ihre Mutter auf eine andere, aber nicht weniger grausame Weise verloren und nun war auch für sie nur noch ihr Vater da. Ihre Eltern waren selbst bereits Waisen gewesen, als sie sich getroffen hatten, ohne Geschwister oder erweiterte Familie. Natsu hatte Layla Heartphilia nie gekannt, aber nach allem, was Lucy erzählte, musste sie eine wunderbare, liebenswerte, lebensfreudige Person gewesen sein, die viel zu früh gestorben war. Manchmal fragte er sich, was wohl geworden wäre, wenn sie nicht dieser Krankheit erlegen wäre. Wäre Jude umgänglicher? Hätte sie Natsu akzeptiert und ihren sturen Bock von einem Mann ebenfalls überzeugen können? Oder hätte Natsu Lucy überhaupt niemals kennen gelernt, weil sie nie auf seine Schule gekommen wäre? „Aber ich verstehe deinen Ärger durchaus und auch wenn ich glaube, dass noch mehr hinter eurem Streit steht, scheint der Frust mit Jude schon eine Weile da zu sein und ein ziemlicher Kernpunkt eures Problems.“, riss Pantherlilys Stimme ihn aus den Gedanken. „Das kannst du laut sagen!“, knurrte Natsu. Im Grunde seit dem Tag, an dem er den strengen Firmenchef zum ersten Mal getroffen hatte. Diese Begegnung war … nicht so gut verlaufen. „Aber du bist auch noch sauer auf sie?“ „Und wie.“ Erneut verzog Natsu das Gesicht und knirschte mit den Zähnen. Manchmal konnte er sich nicht einmal vorstellen, auf Lucy wütend zu sein. Momentan wusste er nicht, wie er damit aufhören konnte, auch wenn es wollte. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich vermisse sie.“ „Wenn man jemanden liebt, dann ist es schwer, von ihm getrennt zu sein.“, antwortete Lily weise. „Aber ich würde dir trotzdem vorschlagen, nicht mit ihr zu sprechen, bevor du dich nicht etwas beruhigt hast. Ansonsten könnte das den Streit zwischen euch vertiefen.“ „Außerdem ist sie eh abgehauen!“ Erza hatte es ihm vorhin gesagt, als sie Lucy nicht in der Villa vorgefunden hatte. Anscheinend hatte sie sich einfach nach Crocus verzogen. Mit ihrem Vater! Was wurde jetzt aus allen ihren schönen Plänen? Hargeon, die Ausflüge an den See, die gemeinsamen Touren und diverse andere Veranstaltungen, auf die er sich schon gefreut hatte? Und dann hatte Gray ihm auch noch eröffnet, dass er demnächst für ein paar Wochen auf so ein beschissenes Sommercamp ging! Das waren die miesesten Sommerferien, die er je gehabt hatte! Heftigster Streit mit der Freundin, sein bester Freund ließ ihn sitzen, alle tollen Pläne fielen ins Wasser und am Horizont tauchte das letzte Schuljahr auf, an dessen Ende die Prüfungen drohten. „Dann hast du ja Zeit, dir darüber klar zu werden, wie du die Themen mit ihr ansprichst – und welche überhaupt.“, sah Lily die Sache von der praktischen Seite, aber das hob Natsus Stimmung natürlich nicht besonders. Tolle Aussichten! „Wenn du einen Tipp willst, dann schreib dir alles auf, denn eines ist ganz wichtig.“ Eindringlich sah der Student auf ihn herunter, wie um zu sehen, ob Natsu ihm auch tatsächlich zuhörte und alle Worte auch verstand. „Du musst mit Lucy reden und dich mit ihr aussprechen. Ansonsten wird das immer zwischen euch stehen und sowas macht die beste Beziehung kaputt.“ Natsu schluckte und dachte an seine Lucy, ihre freundlichen braunen Augen, ihr liebenswürdiges Lächeln, ihre einnehmende, fröhliche Art, ihr goldenes Herz, in dem sie für so viele Leute Platz fand und insbesondere auch für ihn. Und wenn er eines wusste dann, dass er sie auf keinen Fall verlieren wollte. „Na schön.“, sagte er und irgendwie rollte ihm doch gerade ein Stein vom Herzen. Das war zumindest eine Richtung, etwas, dass er tun konnte, anstatt nur hier herumzusitzen und Trübsal zu blasen, auch wenn er noch nicht genau wusste, wie er das Ganze angehen sollte. Aber er würde schon einen Weg finden, das tat er immer. Trotzdem fügte er bockig hinzu: „Aber sie muss sich zuerst entschuldigen.“ Das würde ganz sicher nicht er sein! Nicht nach allem, was vorgefallen war! Pantherlily grinste, sammelte die Kiwischalen und den Löffel ein und klopfte ihm auf die Schulter, ehe er sich hochstemmte. „Ihr kriegt das schon gebacken. Vertraut euch einfach gegenseitig und redet miteinander.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)