Schwarzer Komet von Yosephia (Drachengesang und Sternentanz - Teil 1) ================================================================================ Kapitel 24: Der Pfad, auf dem sie gerettet wurden ------------------------------------------------- Ein leises Stöhnen riss Chelia aus den behutsamen Endzügen ihrer Meditation. Sie schlug die Augen auf und erblickte auf dem gegenüberstehenden Sessel Totomaru. Der Wächter des Feuers saß mit ihr im Raum der Reinigung und hatte jetzt angestrengt die Augen geschlossen. Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt, die ihn auf einmal viel älter wirken ließen. „Totomaru…“ Unsicher löste Chelia ihre Meditationshaltung auf und setzte ihre Füße auf den Boden, zögerte jedoch, sich zu erheben und zu Totomaru zu gehen. Sie wollte dem Älteren irgendwie helfen, aber sie wusste, dass sie das nicht konnte. So wie Totomaru ihr nicht helfen konnte, die Windmagie zu reinigen. Aber sie hatte noch nie erlebt, dass der Feuermagier solche Schwierigkeiten bei seiner Aufgabe gehabt hatte. Seine Hände verkrampften sich, gruben sich wie Klauen in die Leinenhose. Die Schultern sackten weiter nach vorn, dass Chelia befürchtete, Totomaru würde gleich zu Boden fallen. „Totomaru“, versuchte sie es noch einmal, aber wieder erhielt sie keine Reaktion. Und dann warf der junge Mann den Kopf in den Nacken und stöhnte angestrengt auf. Ihm standen Schweißperlen auf der Stirn und seine Gesichtszüge zuckten nun unkontrolliert. Ohne noch mal darüber nachzudenken, sprang Chelia auf die Beine und verließ den Raum der Reinigung. So kurz nach einer Reinigung konnte sie mit ihrer Windmagie nicht den ganzen Turm durchsuchen, weshalb sie an der Treppe für einen Moment in Panik geriet. Von unten aus der Küche hörte sie Meister Warrod und seine Schülerin Beth, die Meldegängerin des Turms der Ewigkeit. Die Beiden unterhielten sich laut über Eichen und Birken und wie unterschiedlich sich diese anscheinend manipulieren ließen. Anhand des Essengeruches vermutete Chelia, dass auch Lisley in der Küche war, und dann hörte sie auch Yuri einen trockenen Kommentar einwerfen, als Warrod und Beth über irgendetwas lachten. Natürlich war es möglich, dass die Unsterbliche Kaiserin auch in der Küche oder noch weiter unten in der Bibliothek war, aber Chelia entschied sich dafür, zuallererst im Arbeitszimmer zu suchen. Sie hechtete die Wendeltreppe hinauf und nahm dabei immer zwei Stufen auf einmal. Auf dem Stockwerk mit den Privatquartieren der Unsterblichen hielt sie sich nicht auf, sondern eilte weiter nach oben. Ohne sich damit aufzuhalten, anzuklopfen, stieß Chelia schließlich die schwere Eichenholztür zum Arbeitszimmer auf – und platzte mitten in eine Besprechung zwischen der Kaiserin, Meister Zeref, General Erza und den Assassinen Jellal und Urtear. Letztere sprach gerade. „Meinem Kontaktmann ist völlig unklar, um wem es sich bei dem Opfer in Malba gehan-“ Die Assassine mit den langen, schwarzen Haaren und den durchdringenden, roten Augen unterbrach sich und drehte sich langsam zu Chelia herum, um diese prüfend zu mustern. Ihre Ähnlichkeit zu ihrer Mutter war unübersehbar, selbst die langen Haare im Gegensatz zu Urs kurzen konnten nichts daran ändern. Es war Monde her, dass Chelia sie gesehen hatte. Urtear war als Assassine oft auch in den Nachbarländern unterwegs. Insbesondere in Bosco, wo aller Verhandlungen der Kaiserin zum Trotz immer noch Sklaverei herrschte. „-gehandelt hat“, schloss Urtear und trat dann wieder zurück neben die anderen beiden Besucher. Jellal hatte blaue Haare und eine auffällige Tätowierung auf der rechten Gesichtshälfte, die seinen ehemaligen Status symbolisierte. Solche Muster kannte Chelia noch aus Cait Shelter, wo gelegentlich noch einige Kulturüberbleibsel aus Edolas auftauchten, allerdings hatte sie sich nie genug dafür interessiert, um herausfinden zu wollen, was sie bedeuteten. Dass sie auch ein Statussymbol waren, hatte sie sich zusammen gereimt, nachdem sie Totomaru mal nach seiner Tätowierung gefragt hatte, die zwar völlig anders aussah und aus einem anderen Kulturkreis stammte, aber eine ähnliche Funktion hatte. Genau wie Urtear trug Jellal eine schwarze, eng anliegende Lederrüstung. Am Rücken trug er einen Falchion, dessen Griff über die rechte Hüfte ragte. Über dem Herzen steckten drei Wurfmesser in einem Holster. Wahrscheinlich trug Jellal noch an einem Dutzend weiterer Stellen Messer und Dolche. Es zeugte vom grenzenlosen Vertrauen der Kaiserin, dass Jellal seine Waffen nicht ablegen musste, wenn er den Turm der Ewigkeit betrat. Neben ihm stand General Erza Scarlet, wie immer mit mustergültiger Haltung, die langen, roten Haare zu einem strengen Zopf geflochten, damit sie nicht störten. Sie trug ihre lederne Alltagsrüstung, an deren Schulterplatten ein schwerer Umhang mit Goldborte hing, der ihren Rang anzeigte, und an ihrer Hüfte hing ein Langschwert, dessen Knauf vom Wappen der Kaiserlichen Armee geziert wurde. Die Kaiserin saß hinter ihrem großen Schreibtisch, hinter ihr wie ein Schatten Meister Zeref, der wie immer seine dunkle Robe trug und sich nicht im Geringsten anmerken ließ, was er von Chelias ungebührlichem Auftritt hielt. „Chelia, was ist los?“, fragte die Kaiserin mit ihrer ruhigen, bedächtigen Stimme und ihre jugendliche Stirn wurde von einer tiefen Sorgenfalte durchzogen. Die Windmagierin vergaß zum ersten Mal, sich anständig zu verbeugen. Ihre Hände ballten sich zu zitternden Fäusten. „Totomaru… Er ist im Raum der Reinigung. Etwas stimmt nicht mit ihm“, würgte sie hervor. Ohne weitere Nachfragen kam die Kaiserin um den Tisch herum. Erza und die beiden Assassinen gingen sofort respektvoll in die Knie, was mit einem knappen Nicken beantwortet wurde. „Hab’ Dank für deine Mühen, Urtear. General Scarlet, entsendet eine Kompanie nach Malba und lasst die Festung von Avatar besetzen. Jellal, Urtear, ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr ebenfalls dorthin aufbrechen würdet, um mehr über dieses Opfer heraus zu finden – und im Idealfall auch etwas über den aktuellen Aufenthaltsort der Drachenreiter. Wenn ihr könnt, holt sie ein und bittet sie hierher. Aber ich erwarte, dass ihr Vorsicht walten lasst. Ich würde es nicht gerne sehen, wenn die Trauung im Herbst verschoben werden müsste.“ „Eure Majestät…“ Jellals Miene blieb ruhig, aber Urtear neben ihm erlaubte sich ein leises Grinsen und blickte an ihrem Kollegen vorbei zu Erza, die verlegen mit dem Fuß scharrte. Mit dem Anflug eines Lächelns nickte die Kaiserin ihnen noch einmal zu, ehe sie sich an Chelia wandte und dieser bedeutete, voraus zu gehen. Ohne noch mal zu warten und sich zu vergewissern, wer ihr alles folgte, drehte die Windmagierin sich wieder um und eilte die Treppen wieder nach unten und zurück in den Raum der Reinigung. Sie war erleichtert, als sie sah, dass Totomaru noch aufrecht sitzen konnte. Allerdings war sein Gesicht nun schweißüberströmt und sein Atem ging schwer. Die Kaiserin trat an Chelia vorbei zu ihm und strich mit leuchtender Hand über seine Stirn, während Meister Zeref neben Chelia am Eingang des Raums stehen blieb. Der Feuermagier schien die Berührung nicht einmal zu bemerken. Als die Kaiserin die Hand wieder sinken ließ und zurück trat, bekam Chelia es mit der Angst zu tun. „Ihr müsst ihm doch irgendwie helfen können!“ „Er steckt mitten im Reinigungsprozess. Nur ein anderer Feuermagier könnte ihm helfen“, sagte Meister Zeref ruhig, während die Kaiserin bedauernd den Kopf schüttelte. „Aber Ihr dürft ihn nicht im Stich lassen“, protestierte Chelia lautstark. Nur vage war sich Chelia bewusst, dass sie sich hier mehr als nur ungebührlich verhielt, aber sie konnte sich nicht beruhigen. Totomaru war ihr Freund, ihr Leidensgefährte – und nun war sie dazu verdammt, tatenlos zu zusehen?! „Hab’ Vertrauen, Chelia“, sagte die Kaiserin mit einem verständnisvollen Lächeln. „In all den Jahren habe ich kaum einen Feuermagier getroffen, der es mit Totomaru aufnehmen könnte. Er wird das hier schaffen.“ Chelia presste die Lippen aufeinander. Natürlich war Totomaru ein großartiger Magier, aber sie hatte dennoch Angst. Als Totomaru überraschend die Augen aufriss und nach Luft schnappte, zuckte sie zusammen. Die Kaiserin war sofort zur Stelle, als er nach vorne fiel. Sie war nicht stark genug, um ihn zurück in den Sessel zu drücken, stattdessen schwächte sie seinen Sturz ab und ließ ihn behutsam zu Boden gleiten. Chelia eilte an seine Seite, half, ihn auf den Rücken zu drehen und suchte nach Anzeichen für Schäden, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie diese aussehen könnten, waren sie doch nicht einmal bei Ur sichtbar, die schon viel länger als Totomaru und Chelia zusammen als Wächterin tätig war. Totomarus Körper war so heiß, dass er in der milden Kühle des Raums dampfte, und zitterte vor Erschöpfung, aber seine Augenlider flatterten und er drehte sachte den Kopf, um die drei anderen Wächter erkennen zu können. „Totomaru, was ist passiert?“, fragte die Kaiserin sanft und ging neben dem Bosco in die Knie. „Drei Magien…“, stöhnte Totomaru erschöpft und kniff die Augen zusammen. Seine Stimme war heiser, kaum verständlich. „Drei Magien…“, murmelte er noch einmal, dann erschlaffte sein Körper. Für einen Moment bekam Chelia es schon wieder mit der Angst zu tun und sie wollte bereits die Hand nach dem Älteren ausstrecken, aber Meister Zerefs Hand an ihrer Schulter ließ sie innehalten. Sie hob den Blick zu dem Schattenmagier auf, der beruhigend den Kopf schüttelte. „Er ist nur ohnmächtig. Sieh’, er atmet noch.“ Als sie seinem Fingerzeig folgte und sah, dass sich Totomarus Brustkorb hob und senkte, wäre sie vor Erleichterung beinahe in Tränen ausgebrochen. Zitternd stieß Chelia die Luft aus und strich sich über das Gesicht. Es war alles wieder in Ordnung, ermahnte sie sich selbst. Totomaru würde sich schon wieder holen. Keiner von ihnen war in Lebensgefahr. Noch nicht zumindest – denn dieser Vorfall konnte unmöglich harmlos gewesen sein. Chelia wünschte sich, ihr würde endlich jemand erklären, was hier in letzter Zeit los war! Als sie sich wieder gefasst hatte, blickte sie zur Kaiserin auf. „Was meinte er damit?“ Zu ihrer Überraschung schüttelte die Unsterbliche ratlos den Kopf. „Das wird er uns hoffentlich sagen können, wenn er wieder bei Bewusstsein ist.“ Alles, woran Sting denken konnte, bevor die Flammen über ihn herein brachen, war, dass Rogue, Minerva und den Exceed nichts passieren durfte. Er durfte sie nicht verlieren. Sie waren seine Familie und sie hatten womöglich schon Yukino verloren… Die Hitze, die ihn umgab, war grauenhaft. Ihm brach sofort der Schweiß aus und durch seine geschlossenen Lider erkannte er dennoch Röte. Aber der erwartete Schmerz auf seiner Haut blieb aus. Weder roch er verbrannte Haut, noch hörte er die Schmerzensschreie der Anderen. Überrascht riss er die Augen auf und erkannte, dass er in einer Art Blase saß, die über den halben Saal reichte, während sie sich mit einer zweiten überlappte, die noch bis zum Ende des Beratungstischs reichte, wo zu Stings unendlicher Erleichterung Minerva und Rogue standen, Beide mit je einem Exceed im Arm und mit bleichen Gesichtern. Im Zentrum seiner Blase erblickte Sting Natsu, der die Arme mit nach außen gerichteten Handflächen zu beiden Seiten ausgestreckt hatte. Auch Natsu schwitzte, aber das Zittern seines Körpers verriet, dass dem nicht die Hitze zugrunde lag. Er hielt die Flammen zurück, erkannte Sting. Feuermagie funktionierte grundlegend anders als Licht- und Schattenmagie – oder auch Windmagie, die Sting durch Rufus auch zumindest ein bisschen kannte. Natsu hatte es Sting damals kaum anders erklären können, als dass sich Feuermagie anfühlte, als würde man ein wildes Tier bändigen, was auch tatsächlich auf zweierlei Arten ablaufen konnte: Mit Gewalt oder mit Gefühl. Trotz der Andersartigkeit seiner eigenen Magie erkannte Sting, dass Natsu – ausgerechnet Natsu, für den Feuermagie so selbstverständlich wie Atmen war – hier Gewalt anwenden musste. Im Zentrum der zweiten Blase stand derselbe riesige Löwe, in den Loke sich vor etwas mehr als einem halben Mond verwandelt hatte, als die Opfer des Angriffs auf Heartfilia besungen worden waren. Er hatte alle vier Pranken fest auf den Boden gestemmt, die beeindruckenden Krallen gruben sich sogar ein Stück in den Sandstein. Das gewaltige Maul des Löwen war aufgerissen und schwere Atemzüge ließen den Körper beben, während von der Mähne unablässig Funken abgingen, die sich gegen die gegnerischen Flammen zu wenden schienen. Lucy stand neben dem Löwen und hielt Lokes Langschwert im Arm. Auch ihr stand der Schweiß auf der Stirn und ihr Blick zuckte hin und her, was Sting dazu veranlasste, sich auch endlich umzusehen. Die anderen Mitglieder der Reisegruppe hockten und saßen innerhalb der beiden Blasen. Romeo hatte schützend beide Arme um Wendy geschlungen und Juvia hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Gray und Lyon schienen Schwierigkeiten beim Atmen zu haben. Zwischen ihnen kniete Meredy, je eine Hand auf der Schulter eines Fullbuster-Bruders, und in ihren grünen Augen konnte Sting zum ersten Mal, seit er die Assassine kennen gelernt hatte, einen ganzen Sturm an Gefühlen erkennen. Weil er ihnen nicht zu helfen wusste, blickte Sting wieder zu Minerva und Rogue. Letzterer bemühte sich, seine Exceed zu beruhigen, die sich ängstlich wimmernd an ihn klammerte. Minerva jedoch war an den Rand der Blase getreten. In einem weiteren Anflug von Panik eilte Sting an ihre Seite, um sie aufzuhalten, aber er erkannte, dass sie nicht weiter gehen wollte, sondern nur in eine bestimmte Richtung blickte. Erst da fiel es ihm wieder ein. Mit einem schweren Schlucken blickte Sting in die Ecke der Halle, wo zuvor die Schreiber so hart gearbeitet hatten, aber keine der beiden Blasen reichte so weit. Beinahe hätte Natsus Blase nicht einmal bis zu Sting gereicht, weil er so nahe bei der Tür gestanden hatte. Wäre sie nur um zwei Schrittlängen kleiner gewesen… „Wir müssen etwas unternehmen!“, rief Lucy über das Brüllen des Feuersturms hinweg. „Loke und Natsu können das nicht ewig machen!“ Tatsächlich hatte Sting den Eindruck, dass Lokes Blase allmählich schrumpfte. War das überhaupt normales Feuer? Irgendwie kam es Sting zu zielgerichtet vor und es hatte sich auch viel zu schnell ausgebreitet. „Juvia, kannst du genug Wasser beschwören?“, fragte Natsu mit zusammen gebissenen Zähne, die Stirn vor Anstrengung gerunzelt. Endlich ließ die Wassermagierin ihre Hände sinken und richtete sich auf. Ihre Augen flackerten einen Moment, dann nickte sie grimmig. „Juvia versucht es.“ Vor Sting sackte die Blase eine Schrittlänge ein, weshalb der Lichtmagier seine Fürstin wieder weiter ins Zentrum der Blase zog, und Loke begann zu zittern, aber keiner von ihnen sagte etwas, um Juvia anzutreiben. Sting führte Minerva noch näher zu Natsu und auch die Anderen rappelten sich auf, um vom Rand der Blase fortzukommen. Nun endlich breitete Sting die Arme aus, um Lector aufzufangen, der aus Minervas Armen heraus gesprungen war. Sanft strich er über den Kopf des jungen Exceed und blickte zu Loke und Lucy, die sich nicht vom Fleck gerührt hatten. Woran auch immer es lag, Lokes Blase schrumpfte immer schneller und der Löwe ging zitternd in die Knie. „Lucy, komm’ hier rüber!“, krächzte Gray so laut er konnte. Trotz der Hitze war sein Gesicht bleich vor Angst. Trotz des lauter werdenden Brüllens des Feuers musste die Blonde ihn gehört haben, aber sie reagierte nicht. Der Sonnenlöwe knurrte wütend und drehte den mächtigen Kopf, um seine Schutzbefohlene anzusehen, doch die blickte stur zurück und legte die Hände auf die zitternden Flanken des Geistes. Sting überlegte, auf die Beiden zu zugehen, aber Minerva hielt ihn zurück. In ihren Augen erkannte er etwas, was ihn sehr verwirrte. Verständnis. Für Lucy? Ehe Sting es hinterfragen konnte, riss Juvia auf einmal die Arme hoch. Dem Augenschein nach geschah nichts, aber in der Ferne vermeinte Sting ein Zischen zu vernehmen. „Haltet euch irgendwo fest“, presste Juvia hervor, die Augen zur Konzentration geschlossen und die Arme zitternd. „Das Wasser wird schnell kommen und Juvia kann euch nicht schützen.“ Festhalten? Es gab hier nichts, woran sie sich festhalten konnten. Sie befanden sich mitten im Raum und der Besprechungstisch war bereits zusammen gebrochen, weil er zur Hälfte den Flammen ausgeliefert war. Stings Blick huschte über den Boden auf der Suche nach Fugen, in die er seine Rebmesser schlagen könnte, aber die Sandsteinplatten waren viel zu dicht nebeneinander gesetzt. Und das Zischen wurde lauter… „Runter!“, rief Romeo über das Brüllen der Flammen. Während alle Anderen untätig geblieben waren, hatte er sich neben Juvia gekniet und hielt einen Arm bereit, um die Wassermagierin aufzufangen. „Wenn das Wasser euch von den Beinen reißt-“ Sting erfuhr nicht, was der Jüngere noch darüber zu sagen wusste. Mit einem gewaltigen Donnern schlugen die Wassermassen das Tor der Halle auf und fluteten den Raum. Sting drückte Lector in Minervas Arme und zog die Dunkelhaarige dann an sich, Lector schützend zwischen ihnen eingequetscht. Dann wurden sie von den Fluten erfasst. Der Aufprall des wütenden Wassers auf seinen Beinen war so stark, dass Sting das Gefühl hatte, seine Glieder würden darunter zerbrechen. Bevor es tatsächlich so weit kommen konnte, wurden sie unter ihm fort gerissen und er stürzte gemeinsam mit Minerva zu Boden, nur um fortgespült zu werden. Das Wasser wirbelte sie Beide gnadenlos herum. Mehrmals stieß Sting sich den Kopf und er war sich nicht sicher, ob das Gegenstände oder Menschen waren. Dann prallte er mit dem Rücken so hart gegen eine Wand, dass er aufschrie und im nächsten Moment Wasser schlucken musste. Das Wasser presste Minerva und Lector gegen ihn, drückte ihn immer härter gegen die Wand, bis er das Gefühl hatte, als würde sein Rückgrat unter der Gewalt nachgeben… Wie lange dieses Martyrium andauerte, wusste Sting im Nachhinein nicht zu sagen. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, aber genauso abrupt, wie ihn das Wasser getroffen hatte, verschwand es auch wieder und ließ ihn nach Luft schnappend und zitternd am Boden liegen. Seine Augen brannten wegen des Wassers, weshalb Sting sie lieber noch zukniff. Um sich herum hörte Sting den keuchenden Atem seiner Kameraden und das unschuldige Plätschern und Tropfen von Wasser. „Der Wahnsinn, Juvia!“, durchbrach Natsu das Schweigen. Seine Stimme war nur ein heiseres Stöhnen, aber Sting vermeinte dennoch, ein anerkennendes Lächeln aus den Worten heraus zu hören. Als von Juvia keine Antwort kam, schlug Sting die Augen auf und stemmte sich mühsam auf einen Ellenbogen, um nach der Wassermagierin zu sehen. Minerva wand sich unter seinem anderen Arm hervor und richtete sich langsam auf. Ihre Frisur hatte sich aufgelöst und ihre Tunika klebte am Körper. An der linken Wange hatte sie einen hässlichen Kratzer und der linke Ärmel ihrer Tunika war zerrissen und brachte eine lange Schürfwunde zum Vorschein. Eine Bewegung an seiner Brust ließ Sting nach unten blicken. Lector war ebenso durchweicht wie alle Anderen und blinzelte benommen, aber als Sting vorsichtig über seinen Kopf strich, hob er den Blick und lächelte müde. Erleichtert zauste der Wüstennomade das Kopffell des Exceed, ehe er wieder zu Minerva hoch sah, welche ihn ihrerseits besorgt musterte. „Bist du okay?“, fragte sie Sting mit heiserer Stimme. „Ich war noch nie so nass in meinem Leben, aber ansonsten geht es mir gut, glaube ich“, antwortete er träge und richtete sich mit Lector in seinen Armen in eine sitzende Position auf. „Ich wusste auch vorher schon, dass du nicht badest“, schoss Minerva sogleich eine Spitze ab. Ganz automatisch reagierte Sting mit einem Schmollen und sah sich nach seinem Partner um, um sich seiner Unterstützung zu versichern. Ihm gefror das Blut in den Adern, als er Rogue nicht sofort entdecken konnte. Rogue konnte doch nicht…? War er etwa…?! Nein! Nicht auch noch er! Nicht Rogue! Ein Schlag mit der Handkante auf seiner Stirn ließ ihn aufblicken. Minerva hockte wieder direkt vor ihm und deutete mit einem Zeigefinger nach links, von wo sich Rogue näherte. Seine Haare hatten sich ebenfalls aus dem Band gelöst und an der Stirn hatte er eine Platzwunde, sein Gang wirkte noch etwas wackelig und er war natürlich genauso nass wie alle Anderen – aber er lebte! Zitternd stemmte Sting sich in die Höhe und eilte zu seinem Partner – oder eher schwankte zu ihm. Er fühlte sich so kraftlos, dass er beinahe gegen Rogue geprallt wäre, wenn dieser nicht den freien Arm um ihn geschlungen hätte, mit dem er nicht die noch immer zitternde Frosch an sich drückte. Der starke Arme legte sich erstaunlich fest um Stings unteren Rücken und drückte ihn an einen nassen Körper und dann küsste Rogue ihn. Auf einmal fühlten sich Stings Beine noch viel wackeliger an. Die Lippen seines Partners schienen ihn regelrecht zu verschlingen, hielten ihn gefangen, nahmen ihn in Besitz. Und es war ein gutes Gefühl. Voller Hingabe schlang Sting seinerseits den freien Arm um Rogues Hals und erwiderte den leidenschaftlichen Kuss, zu dem es unter normalen Umständen nie vor den Augen Anderer gekommen wäre. Erst ein vernehmliches Räuspern unterbrach die Beiden. Minerva stand neben ihnen. In ihren olivgrünen Augen funkelte es amüsiert, aber dahinter verbarg sich eine Weichheit, die sie selbst gegenüber Sting selten offenlegte. Nur weil er die Fürstin schon so viele Jahre kannte, konnte Sting die feinen Anzeichen erkennen und er reagierte ganz instinktiv mit einem warmen Lächeln, obwohl Minerva ihn gestört hatte. Jeder Andere hätte sich wahrscheinlich noch einmal versichert, ob es ihnen gut ging, aber Minerva verlegte sich auf einen geschäftsmäßigen Tonfall, als sie das Wort erhob: „Wir sollten den Anderen helfen.“ Erst jetzt wurde Sting sich bewusst, dass seine Freunde teilweise noch am Boden lagen, und er löste sich schuldbewusst von seinem Partner, um sich dem Ersten zu zuwenden, der in seiner Nähe lag. Gray, Lyon und Meredy waren bereits wieder auf den Beinen und kümmerten sich um Juvia, die bewusstlos in Grays Armen hing. In Grays Miene lag beinahe Ehrfurcht, während er auf die Wassermagierin hinab blickte. Wahrscheinlich war es das erste Mal, dass er Juvia bemerkt hatte, und unter anderen Umständen hätte Sting sich über diesen Idioten lustig gemacht. So jedoch widmete er seine Aufmerksamkeit Natsu, der es nur in eine sitzende Position geschafft hatte und noch immer schwer atmete. „Bist du verletzt?“, fragte Sting und setzte Lector auf seine eigenen Beine, um Natsu stützen zu können, als der vornüber zu kippen drohte. „Ich glaube nicht“, murmelte der Feuermagier matt. Er schien sogar Mühe zu haben, die Augen offen zu halten, aber noch schaffte er es irgendwie, wach zu bleiben. „Wie geht es Lucy und Loke?“ Sting blickte wieder auf und an Romeo und Wendy vorbei, die sich um Libra kümmerten, deren Wunden durch den Wasserdruck teilweise wieder aufgerissen zu sein schienen. Das Reisegepäck, das sie zuvor einfach neben dem Besprechungstisch abgelegt hatten, war ebenfalls an die Wand gespült worden, aber irgendwie hatte Romeo es bereits geschafft, die Tasche wieder hervor zu kramen, die Wendy nun brauchte. Dann erkannte Sting Orgas bullige Gestalt – eine weitere Welle der Erleichterung durchflutete ihn, als er sah, dass sein alter Kampfgefährte wohlauf war. Er kniete am Boden und zog aus einem der Reisebündel eine durchnässte Decke, um sie über Loke auszubreiten. Bevor der Stoff herunter fiel, erkannte Sting noch, dass der Feuergeist nackt war. Anscheinend hatte die Kleidung die drastische Verwandlung des Mannes nicht mitgemacht. Zu Lokes anderer Seite kniete Lucy, welcher die Haare wirr ins Gesicht hingen. „Ist alles in Ordnung mit Euch?“, erhob Minerva das Wort und stakste auf die andere Fürstin zu. „Mit mir ja, dank Loke und Meister Nanagear“, antwortete Lucy mit einem matten, aber aufrichtigen Lächeln. „Euer Rüstungsmeister war schnell genug bei uns, um Loke und mich zu schützen, als das Wasser uns gegen die Wand gedrückt hat.“ Sting spürte, wie Natsu bei diesen Worten erleichtert die Luft ausstieß und dann einfach erschlaffte. Behutsam ließ er den Feuermagier in eine bequemere Liegeposition gleiten und sah sich nach irgendetwas um, womit er Natsus Kopf stützen konnte, während er gleichzeitig weiter die ungleichen Fürstinnen beobachtete. „Euer Schild und Schwert hat meinen Männern und mir das Leben gerettet, man könnte also sagen, dass wir quitt sind“, sagte Minerva und bot der Blonden die Hand an, um sie auf die Beine zu ziehen, was diese vertrauensvoll annahm. „Minerva…“ Sting drehte den Kopf und erkannte Rufus – wieder fiel ihm ein Stein von Herzen. Den sonst so eleganten Windmagier so aufgelöst zu sehen, war fast noch ungewohnter als Minerva mit offenen Haaren. Das deutlichste Zeichen für seine Sorge war jedoch die Tatsache, dass er in der Gegenwart Außenstehender so vertraut mit der Fürstin sprach. Normalerweise wahrte er die offiziellen Anreden, wenn sie nicht unter sich waren. „Hörst du das?“ Erst jetzt bemerkte Sting in der Ferne ein seltsames Brummen. Er musste sich genau darauf konzentrieren, um zu erkennen, dass dieses Brummen aus vielen hundert Stimmen bestand, die jammerten und schrien und wimmerten. Vereinzelt hörte er sogar das Wort Wüstenlöwin heraus. „Euer Volk sorgt sich um Euch“, stellte Lucy fest, nachdem sie einige Herzschläge lang gelauscht hatte. „Für die Menschen auf dem Platz muss es ein schrecklicher Anblick gewesen sein, als Euer Palast auf einmal in Flammen aufgegangen ist.“ Ruckartig nickte Minerva und straffte die Schultern. Ihr Befehlston war schneidend. „Ich kümmere mich darum. Orga, du kommst mit mir. Rufus, ich brauche einen Lagebericht. Ich will wissen, ob wirklich der gesamte Palast betroffen ist und ob noch jemand überlebt hat. Sting, Rogue… ihr sucht Dobengal.“ Die Erwähnungen des ehemaligen Taschendiebs presste schon wieder Stings Herz zusammen. Auch wenn Dobengal ihn andauernd ärgerte, sie hatten Seite an Seite gegen den Usurpator gekämpft. Dobengal war ihr erster Verbündeter gewesen, als Sting und Minerva nach Sabertooth gekommen waren, er hatte ihnen mehrfach das Leben gerettet, hatte ihnen Verstecke gezeigt. Auf einmal fragte Sting sich voller Gram, ob er dem Jüngeren überhaupt jemals dafür gedankt hatte… „Levy und Gajeel.“ Lucys Stimme war kaum mehr als ein entsetztes Hauchen, aber es genügte, um Sting zusammenzucken zu lassen. Seine Eingeweide verknoteten sich noch mehr. Gajeels Eisenmagie konnte wohl kaum etwas gegen diese Feuersbrunst ausgerichtet haben. Sofern Levy also nicht irgendein Ass im Ärmel gehabt hatte… „Wir kümmern uns um Loke, geh’ mit Sting und Rogue mit, Lucy“, meldete sich Wendy zu Wort und stand auf, während Romeo noch einen Verband an Libras Arm erneuerte. Dankbar drückte Lucy die Schulter der Jüngeren, dann wandte sie sich Sting zu, der Natsu noch einen Klaps auf die Schulter gab, auch wenn dieser das gar nicht mehr mitbekommen konnte, und sich ebenfalls erhob. Rogue vertraute Frosch Lectors Obhut an und schloss sich ihnen an. Gray hielt noch immer Juvia im Arm und flößte ihr Wasser aus seiner Feldflasche ein. Lyon sammelte mit Meredy die Ausrüstung wieder ein, die von Juvias Flut davon gespült worden war. Als sie zu dritt durch die Gänge des Sandpalastes schritten, offenbarte sich das ganze Ausmaß der Schäden. Die teilweise jahrhundertealten Wandteppiche waren den Flammen zum Opfer gefallen, teilweise waren sogar die Haken, mit denen sie festgehalten worden waren, eingeschmolzen worden. Fresken waren vom Druck des Wassers von der Wand gespült worden. Türen waren verkohlt und aus den Angeln gerissen. Laternen zerschmolzen. Und zwischen all dem Chaos lagen auch noch die Leichen. Schon wieder musste Sting schwer schlucken. Das hier war sein Zuhause. Egal wie sehr er Wüstennomade geblieben war und wie oft er Ausflüge in die Wüste unternommen hatte, er hatte kein einziges Mal bereut, die Zuflucht zugunsten des Sandpalasts verlassen zu haben. In den Trümmern seines Zuhauses zu stehen, war beinahe unerträglich. Eine zaghafte Berührung an seinem Arm ließ ihn nach rechts blicken. Aufrichtige Anteilnahme und Bestürzung standen Lucy ins Gesicht geschrieben und sofort verspürte Sting ein schlechtes Gewissen. Auch Lucy hatte vor nicht einmal einem Mond in den Trümmern ihrer Heimatstadt gestanden und sie hatte ihren eigenen Vater zu Grabe getragen. Ihre Trauer musste noch immer frisch und qualvoll sein, dennoch war sie hier und versuchte zu helfen. Sie schlugen den direkten Weg zur Bibliothek ein, den Dobengal wahrscheinlich auch gewählt hatte. In Begleitung anderer nutzte er seine mysteriösen Geheimwege nie, von denen nicht einmal Minerva etwas wusste, obwohl sie ihre ersten acht Sommer hier im Sandpalast verbracht hatte. Die Bibliothek war in einem der größten Säle untergebracht, die dem Sandpalast angehörten. Sie hatte mehrere Stockwerke, welche an drei verschiedenen Stellen über enge Wendeltreppen zu erreichen waren. Die deckenhohen Regale waren hier immer wie ein Labyrinth angelegt gewesen. Sting wusste gar nicht, wie oft er hier, wo seine Nase wegen der vielen Gerüche von Pergament, Papyrus, Papier, Tinte und Holz überreizt war, gefühlte Ewigkeiten nach seinem Partner gesucht hatte. Doch nun war beinahe alles vernichtet. Die riesigen Regale aus Tamariskenholz mit den unzähligen Papyrusrollen und Einbänden waren fort. Die verschlossenen Schränke mit den riesigen Folianten, deren alleiniger Anblick Sting immer abgeschreckt hatte, waren verschwunden. Nur einige verkohlte Holzscheite waren an die nördliche Wand gespült worden. Nur langsam schritten Sting und die Anderen durch die Überreste des Raumes. Als sie auf eine Leiche stießen, keuchte Lucy neben Sting gepeinigt auf. Hastig schlang er einen Arm um ihre Schultern, um sie zu stützen. Es war Rogue, der sich ein Herz fasste und sich neben die Leiche kniete. Schließlich blickte er über seine Schulter zu ihnen: „Diese Person ist zu groß für Levy und zu klein für Gajeel. Das muss… einer der Bibliothekare gewesen sein.“ Trotz dieser Worte schniefte Lucy laut und schlug hastig die Hände vors Gesicht. Behutsam hielt Sting sie weiter fest. Er konnte sich vorstellen, was der Blonden durch den Kopf ging: Auch wenn dies hier nicht Levys oder Gajeels Leiche war, wie hoch standen die Chancen schon, dass die Beiden überlebt hatten? Stand es nicht eher zu erwarten, dass sie hier schon sehr bald auch auf ihre verkohlten Körper stoßen würden? Und überhaupt: Dieser Bibliothekar hier war tot! Genau wie die Schreiber in der Halle und die Bediensteten und Soldaten in den Gängen. Sting hatte nicht einmal alle ihre Namen gekannt, hatte teilweise noch nie mit ihnen gesprochen, aber… sie hatten alle hierher gehört. Sie hatten ihren Teil beigetragen, um Minerva zu unterstützen, waren denkende, fühlende Menschen gewesen. Womöglich hatten sie sogar in der Stadt Angehörige gehabt. Wie vielen Familien würde Minerva in den nächsten Tagen mitteilen müssen, dass ihre Lieben diesen Flammen zum Opfer gefallen waren? Als Rogue vor sie Beide trat, hob Sting den Blick. Sein Partner war bleicher als sonst, seine Miene so angestrengt ruhig, dass umso offensichtlicher war, wie aufgewühlt auch er war. Sting fragte sich, ob Rogue diesen Bibliothekar erkannt hatte. So viel Zeit, wie er hier verbracht hatte, hatte er sicher alle Bibliotheksdiener mit Namen gekannt. „Lucy, hast du eine Ahnung, wonach Levy gesucht haben könnte? Dann wüssten wir, wo wir zuerst suchen müssen.“ Rogue bemühte sich, seine Stimme ruhig zu halten, aber für Sting klang sie doch gepresst. Es brauchte einige Herzschläge und mehrere tiefe Atemzüge, bis Lucy sich weit genug beruhigt hatte, um mit krächzender Stimme antworten zu können: „Vielleicht in der Symbolikabteilung. Was Libra uns gezeigt hat, war kein richtiges Wappen.“ „Dann müssen wir zwei Stockwerke höher.“ Sie folgten Rogue zu einer der Wendeltreppen, deren Stufen noch glitschig waren. Sting lief am Ende der Gruppe, um ein Auge auf Lucy zu haben, deren Beine bei jeder Stufe wackelten. Doch jedes Mal, wenn Sting glaubte, doch zugreifen zu müssen, straffte die Fürstin die Schultern, schob das Kinn vor und zog sich am Geländer weiter nach oben. Zum wiederholten Mal war Sting beeindruckt von ihrer Zähigkeit. Sie waren schon am ersten Stock vorbei, als hinter ihnen ein gekrächzter Ruf erklang. „Lucy?!“ Die Gerufene wirbelte so schnell herum, dass sie gestürzt wäre, wenn Rogue von oben nicht nach ihrem Arm gegriffen hätte. Sting drehte sich herum und erkannte Gajeel und Levy, die aus dem ersten Stock zu ihnen aufblickten. Beide sahen ganz schön angeschlagen aus. Ihre Haare und Kleidung waren angesenkt und Levys rechter Arm wies eine hässliche Verbrennung auf. Doch im Großen und Ganzen waren sie wohlauf und Levys Arme schlossen sich fest um einen Einband mit dem nebulösen Titel Ein Blick durch den Wind. Vor Erleichterung kamen Lucy wieder die Tränen. Sie stolperte an Sting vorbei nach unten und zog die Magistra in ihre Arme. Der Anblick versetzte Sting einen Stich, denn er erinnerte ihn an Yukino und Dobengal. „Wie konntet ihr überleben?“, fragte Rogue und kam ein paar Stufen nach unten. „Levy hatte einen starken Feuerlacrima dabei“, erklärte Gajeel und zuckte schlicht mit den breiten Schultern. „Der, den du mir letztes Jahr für meine Lacrima-Studien mitgebracht hast, Lucy“, plapperte Levy offensichtlich aufgekratzt drauflos und zeigte ihnen einen ermatteten Stein, über dessen Oberfläche sich Risse zogen. „Ich weiß gar nicht, warum ich ihn überhaupt eingepackt habe, aber als Gajeel gesagt hat, dass er Feuer riecht, habe ich ihn in die Hand bekommen und aktiviert. Ich hatte keine Ahnung, was ich da mache, aber es hat funktioniert.“ „Ohne Juvias Wasser wäre es dennoch übel ausgegangen“, sagte Gajeel und deutete erklärend auf Levys Hand. „Wie geht es Juvia?“ „Sie ist erschöpft, aber ansonsten geht es ihr gut. Romeo, Gray und Lyon passen auf sie auf. Wendy päppelt sie, Natsu und Loke wieder auf“, antwortete Rogue. „Wisst ihr, wo Dobengal ist?“ „Er hat uns nur in die Bibliothek gebracht und meinte dann, hier könnte er uns nicht mehr weiter helfen.“ Sting versuchte, tief Luft zu holen und nicht an den naseweisen Taschendieb zu denken, den er damals eingefangen hatte. Er verspürte ein Stechen in der Brust und das Atmen fiel ihm schwerer. Rogues Hand auf seiner Schulter riss ihn zurück in die Gegenwart. Lucy und Levy hatten betroffen die Blicke gesenkt. Stings Blick fiel auf das Buch in Levys Armen. „Hat die Suche etwas gebracht?“ „Ja, aber das sollten alle hören. Besonders Fürstin Minerva“, erklärte die Magistra und Sting vermeinte, Angst aus ihrem Blick heraus zu lesen. Langsam stiegen sie wieder die Stufen hinunter und machten sich auf dem Weg zurück zum Saal. Das dumpfe Brummen des Stimmengewirrs draußen auf dem Platz hatte sich wieder etwas beruhigt. Minerva hatte es offensichtlich geschafft, die Flüchtlinge zur Vernunft zu bringen. Jetzt saß sie auf den zusammengebrochenen Überresten des Tisches. Die Steifheit ihres Rückens und die Ausdruckslosigkeit ihrer Miene verrieten Sting, wie betroffen seine Freundin in Wahrheit war. Als Sting und die Anderen zurückkehrten, huschte Minervas Blick über ihre kleine Gruppe. Ihre Nasenflügel bebten verräterisch, dann hatte sie sich wieder im Griff. „Es beruhigt mich, dass Ihr überlebt habt“, wandte sie sich an Gajeel und Levy. Letztere nickte zaghaft. „Leider wissen wir nicht, wo Euer Assassine war, als das Feuer ausgebrochen ist. Es tut mir von ganzem Herzen Leid…“ Minervas einzige Reaktion darauf war ein knappes Nicken. Müde ließ Sting sich neben ihr auf die Trümmer sinken und strich sich durch die Haare. Rogue blieb neben Sting stehen und legte diesem eine Hand auf die Schulter. Seine Ruhe half Sting, seine Trauer im Schach zu halten und die Fassung zu wahren. „Wie geht es den Dreien?“, fragte Lucy besorgt und kniete sich neben Wendy, die gerade Loke etwas einflößte. „Natsu und Juvia sind nur erschöpft, aber Loke macht auf mich den Eindruck, als wäre er vergiftet worden. Ich muss mich noch richtig darum kümmern“, erklärte die Heilerin. „Warum ist Loke so anfällig?“, fragte Gray besorgt und machte Gajeel Platz, der ihn anknurrte und Juvia an sich zog. „Weil das kein normales Feuer war. Nicht einmal ein normales Magiefeuer“, sagte Levy mit ernster Miene. „Es war das Feuer eines Dämons.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)