Selbstbetrug von LennStar ================================================================================ „Ah, wie langweilig!“, beschwerte sich Shiro bei ihrem Bruder, auf dessen Schoß sie saß. „Jetzt mach mal halblang“, meinte Sora mit einer Grimasse und zeigte auf den Stapel Bücher neben ihrem Bett. „Du hast noch die halbe Bibliothek vor dir, die wir von Jibril bekommen haben.“ „Da ist nichts interessantes mehr dabei. Die Hälfte der Bücher sind nur Romane oder Berichte über das Wetter und die Ernte.“ „Aber das ist wichtig, Shiro! Vielleicht hat sich das Wetter ja aufgrund von Schwüren geändert. Und die Romane erzählen viel über den psychischen Zustand eines Volkes.“ Shiro gähnte. „Es ist trotzdem langweilig. Es soll etwas passieren. Warum fangen wir nicht mit den Warbeasts an?“ „Shiro, niemand möchte eher in des Tierohrenmädchen-Paradies als dein Bruder, aber wir müssen nunmal darauf warten, dass die Warbeasts den ersten Schritt machen. Dank der Aufzeichnungen von Stephs Großvater sind wir ein gutes Stück voran gekommen, aber einladen müssen die Warbeasts uns schon noch. Keine Sorge, es kann nicht mehr lange dauern.“ Shiro brummte etwas, dann runzelte sie die Stirn. „Was ist eigentlich mit Steph? Ich habe sie schon den den ganzen Tag nicht gesehen. Auch gestern nur beim Frühstück.“ Sora blickte von seinem Handyspiel auf. „Du hast Recht, Schwesterchen. Es ist eigenartig still.“ „Steph verheimlicht uns was, Sora. Einen heimlichen Liebhaber.“ Lachend hob Sora seine Schwester von seinem Schoß und setzte sie vor dem Bett ab. „Der war gut. Doch du hast Recht, nachsehen kann nicht schaden. Lass uns was Lustiges mit Steph anstellen.“ Doch es war gar nicht so einfach, die Enkelin des dummen Königs zu finden. Die neuen Herrscher mussten sich durch das halbe Schloss fragen nur um zu erfahren, dass Stephanie Dola allein an einen unbekannten Ort gegangen war. „Langsam werde ich neugierig auf diesen nicht vorhandenen Liebhaber“, meinte Sora leicht verärgert. „Mal überlegen. Steph scheint uns aus dem Weg zu gehen… probieren wir es mal da.“ Die beiden gingen hinunter in den Keller, den sie bis vor kurzem noch statt der königlichen Gemächer benutzt hatten. Als Stubenhocker ersten Grades waren ihnen die riesigen, hellen Räume zwar immer noch etwas unangenehm, aber als regierendes Königspaar konnten sie wirklich nicht in einem Kellerloch ohne Fenster hausen, das machte einen schlechten Eindruck. Steph nahm sicherlich an, dass sie dort unbeobachtet war. Sora riss die Tür auf. „Aha!“ Enttäuscht stellte er fest, dass in dem Raum niemand war, und das nachdem er so triumphierend die Tür aufgerissen hatte. „Hier liegen ein paar Briefe und Bücher“, sagte Shiro und sah sich das Papier an. „Und ein Kartenspiel“, fügte ihr Bruder hinzu. Er sah sich die Karten genau an und grinste. „Und, hast du herausgefunden, wo sie steckt, Shiro?“ Shiro nickte. „Sie macht etwas dummes.“ „Es ist immerhin die original Steph, von der wir hier reden!“, rief Sora lachend. Sie hatten sich in ein altes, verlassenes Haus geschlichen und lauschten nun einer Versammlung von etwa einem Dutzend Leuten, unter ihnen Stephanie. „Ich glaube immer noch, wir sollten zuerst mit ihnen reden“, warf ein alter Mann mit meterlangem Bart gerade ein. „Sie haben viel erreicht und vielleicht haben sie ja einen guten Plan.“ „Den haben sie nicht!“, widersprach Stephanie gereizt. „Ich habe euch doch schon hundert Mal erklärt, sie nehmen das alles nicht ernst! Ich gebe gerne zu, dass sie hervorragende Spieler sind, aber ein Angriff auf die Warbeasts ohne irgendwas zu wissen, ist einfach Wahnsinn!“ Sora schüttelte betrübt den Kopf. Zumindest etwas Vertrauen hatte er sich doch inzwischen verdient, oder? „Wahnsinn ist es zu glauben, du könntest dich vor uns verstecken, Stephanie Dola!“ Mit diesen hochtrabenden Worten trat Sora aus seinem Versteck. Sein überlegendes Lächeln ließ die versammelten Menschen an ihrem Platz gefrieren. „Und Wahnsinn ist es, sich uns entgegenzustellen, Steph!“, fügte Shiro hinzu. „Wie… wie kommt ihr hierher?“ „Zu Fuß.“ Sora breitete die Arme aus. „Wir haben den ganzen weiten Weg nur getan, weil wir uns um dich gesorgt haben.“ Shiro drehte sich zu ihrem Bruder um. „Lügner. Du wolltest Steph einen Streich spielen.“ „Ach, war das so? Na egal. Steph!“, schrie er plötzlich. „Dein Mangel an Glauben ist erschütternd. Hast du es immer noch nicht verstanden? Leerzeichen verliert nie!“ „Leerzeichen seid ihr beide. Und wer sagt euch, dass ihr immer beide zusammen spielen dürft?“ „Hast du die zehn Schwüre vergessen, Steph?, fragte Shiro verwundert. „Was haben die zehn Schwüre damit zu tun?“ Sora tat verzweifelt. „Man sollte denken, sie hat sich inzwischen ein paar Gedanken über die Schwüre gemacht.“ „Dabei haben wir ihr so viele Hinweise gegeben.“ „Wovon redet ihr zwei?“ „Der Spieleinsatz ist, was beide Seiten als gleichwertig empfinden. So lautet die Regel. Ganz egal was es ist, solange wir nicht zusammen teilnehmen können, empfinden es weder Shiro noch ich als gleichwertig. Stimmts, Schwester?“ „So ist es! Wenn du das noch immer nicht verstanden hast, bist du eine wirkliche, echte Dumm-Steph!“ Stephanie stieß eine Reihe von Verwünschungen aus. „War das gut so, Brüderchen?“, fragte Shiro leise. „Perfekt wie immer. Zeit zum Zuschlagen.“ „Siehst du Stephanie, wir werden immer zusammen kämpfen. Und selbst wenn nicht, wer sollte einen von uns schon schlagen?“ Stephanie hielt in ihren Verwünschungen inne und ein gefährliches Glitzern trat in ihre Augen. „Mit anderen Worten, wenn es jemandem gelingt, einen von euch einzeln zu schlagen, gebt ihr zu nicht perfekt zu sein? Dann gebt ihr zu, nicht auf alles vorbereitet zu sein, was die Warbeasts machen können?“ Sora zuckte mit den Schultern. „Sollte es jemandem gelingen, mich zu schlagen, bin ich gerne bereit, noch mal über meinen Plan nachzudenken und ihn falls nötig auszusetzen.“ „Das heißt, auch wenn ich dich schlage, in einem Spiel meiner Wahl?“, fragte Stephanie und Sora stöhnte innerlich. Sie war noch immer so durchschaubar wie ein leeres Glas. „Wenn du mich schlägst“, antwortete Sora herablassend „ganz egal unter welchen Bedingungen, überlasse ich dir die Entscheidung ob wir die östliche Vereinigung angreifen oder nicht.“ „Einverstanden!“ Argwöhnisch schielte Stephanie zu Sora hinüber. Nach ersten Erfolgen hatten sie jetzt einen ziemlichen Gleichstand. Steph war irritiert und ein wenig verängstigt. Eigentlich sollte Sora am Boden liegen und winseln, aber abgesehen von seinem versteinertem Gesicht gab es keine Anzeichen von der Panik, die ihn sonst befiel, wenn er wie jetzt von seiner Schwester getrennt war. Ganz im Gegensatz dazu hatte sich Shiro sofort in einen wimmernden Ball verwandelt, ganz so, wie Stephanie es erwartet hatte. Das erst Mal hatte sie fast einen Herzinfakt bekommen, als sie die beiden so gesehen hatte. Und eigentlich hatte sie ja Mitleid mit dem Mädchen… Reiß dich zusammen, Stephanie, schalt sie sich und schüttelte den Kopf, um sich von diesen Gedanken zu befreien. Sie musste sich konzentrieren. Sora war mindestens so schwer zu besiegen, wie sie befürchtet hatte. Obwohl ihm die Trennung von Shiro enorm zusetzen musste, und obwohl Steph die Karten gezinkt und lange geübt hatte, waren sie gleichauf. Sie konnte sich keinen Fehler leisten. Es ging um die Zukunft der gesamten Imanity! Sie hatten nur noch wenige Karten auf der Hand. Jetzt kam es darauf an… „Ich nehme die hier“, sagte Sora und streckte die Hand aus. Als seine Finger die Kreuz sieben berührten und langsam aus Stephanies Fingern zogen, wandelte sich sein angespanntes Gesicht in ein Grinsen. „Mein Sieg, Dumm-Steph“, flüsterte er. Er legte die Karte vor sich auf den Boden und drei der vier aus aus seiner Hand daneben. „Vier Siebenen!“, rief Stephanie erschrocken. Ihre Augen huschten über die bereits vor ihnen liegenden Karten. Nirgendwo eine Sieben. Die Zahlenkarten gaben nur halb so viele Punkte, deshalb hatte sie nicht darauf geachtet, aber bei einem Quadro… „Die hier kannst du gerne haben. Damit hast du zusammen mit dem Pott sechszehn Punkte mehr. Meine Siebenen zählen 21 Punkte. Ich habe also insgesamt mit einem Punkt Vorsprung gewonnen.“ Sora drehte sich um und rief laut „Es ist vorbei, du kannst wieder zu mir kommen, Shiro!“ „Bruder!“ Mit Tränen der Wiedersehensfreude kam Shiro um die Ecke gerannt und sprang in die Arme von Sora, der ihr über das Haar strich und sie voller Liebe knuddelte. Stephanie starrte immer noch ihre Karten an. Wie hatte das passieren können? Und dann mit einem Punkt… das konnte kein Zufall sein! Stephanie knallte die Karten auf den Tisch. „Du hast betrogen, Sora!“, rief sie wütend. Sora riss in gespielten Entsetzen die Augen auf. „Ich? Niemals! Wie kommst du auf die Idee?“ „Ein Punkt ist viel zu knapp, das hast du mit Absicht gemacht! Da ist irgendein Trick dahinter!“ Sora lachte. „Das kann ich nicht abstreiten.“ „Du gibst also zu, geschummelt zu haben?“, fragte Stephanie triumphierend. „Ich würde niemals betrügen und zum Beispiel die Karten manipulieren, so wie du es getan hast!“ Stephanie lief rot an. „Du… du hast es gewusst?“ „Ja. Dadurch wurde es viel einfacher, dich zu besiegen. Ich hätte natürlich trotzdem gewonnen, aber durch Shiros Abwesenheit war ich so gestresst, dass ich es nicht mit absoluter Sicherheit so dicht hätte machen können. Du hast mir sehr geholfen mit den gezinkten Karten, danke!“ An die Zuschauer des Spiels gerichtet, die er wohl endgültig von seinem Können überzeugt hatte, erklärte er: „Kein Gegner ist so leicht zu besiegen wie einer, der sich seines Sieges bereits sicher ist, weil er in der Vergangenheit aufgrund seines vorbestimmten Spieles immer und immer wieder gewonnen hat. Das Gleiche wird auch mit der östlichen Vereinigung passieren. Die Warbeasts werden in uns leichte Beute sehen und wir werden sie in ihrem eigenen Spiel schlagen, indem wir ihre Selbstsicherheit und ihre gezinkten Karten gegen sie verwenden.“ Er wandte sich an Stephanie. „Steh auf, es ist Zeit nach Hause zu gehen. Ich habe Hunger, und ich will heute unbedingt mit dir zusammen zurück gehen.“ Durch ihre Tränen hindurch blinzelte Stephanie Sora verständnislos an. Noch hatte sie nicht die wahre Bedeutung ihres Spieleinsatzes verstanden. „Bruder, du bist ein Genie!“, meinte Shiro auf dem Rückweg, auf dem Stephanie immer wieder erstaunte Blicke einfing. „Nicht wahr?“ Sora grinste und winkte der ein Stück weit hinter ihnen stehenden Stephanie zu. „Komm schon, beeil dich, oder ich fange wieder an zu rennen!“ Das Mädchen mit dem hochrot gewordenen Kopf stieß ein paar Flüche aus, aber sie konnte nicht anders. Die Befolgung der Spieleinsätze war absolut. „Du wirst dich den Rest des Tages nur noch hüpfend fortbewegen und nie weiter als fünfzig Meter von mir entfernen können. Beim Hüpfen sind die Hände hinter dem Rücken verschränkt und bei jedem Hüpfer rufst du das Wort, das ich dir noch sagen werde.“ Stephanie waren die Bedingungen zwar merkwürdig vorgekommen, aber das Schlimmste, was sie sich verstellen konnte, war gezwungen zu werden, bis zur Erschöpfung zu springen. Ein kleiner Preis für das Überleben der Imanity. Aber dies hier… dass Sora wieder einmal ihre Würde so beschmutzen würde! Stephanie holte tief Luft und sprang hinter Sora und Shiro her. „Boing, Boing, Boing, Boing!“, rief sie, während ihre Brüste mit jedem Hüpfer auf und ab wippten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)