TOXIC von eternal-shiva ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Kapitel 6   Man trägt viel im Herzen, was man nie einem anderen Menschen mitteilen kann.   - Greta Garbo     An diesem Abend saßen sie beide in Victors Zimmer. Wie kleine Kinder beim Spielen saßen sie am Boden und versuchten krampfhaft Pläne zu schmieden. Die Eingangstür des Anwesens war aus stabilen Metall und durch ein elektrisches Zahlenschloss gesichert – da keiner der Beiden sich in der Tiefe mit Elektronik und Technik auskannte, schied ein Überbrücken oder Kurzschließen der Anlage aus. Auch fehlte es an der technischen Ausstattung um allein den Versuch zu wagen, sich in das System zu hacken.   Zudem hatten sie leider kein Tutorial zur Hand, damit sie überhaupt einen Plan hätten wie man so etwas machte – bei dem Glück, dass sie hatten würde eher noch alles in die Luft fliegen.   „Du hast es schon einmal raus geschafft Victor, wie hast du das das geschafft?“ fragte Drake. Vielleicht könnten sie darauf einen Plan aufbauen.   „Das war nachdem wir… eine kleine Auseinandersetzung hatten… Ich wartete bis er wieder zurückkam und die Tür öffnete, und stieß ihn mit aller Kraft zur Seite. Ich nutzte den Überraschungsmoment und konnte fliehen. Doch das wird uns kein zweites Mal gelingen. So etwas passiert ihm nicht ein zweites Mal. Es war einfach deprimierend. Drake verfiel in grüblerisches Seufzen.   *   Victor deprimierte es, dass er nicht hilfreicher war. Nicht dass er je besonders kräftig oder sportlich gewesen wäre – aber seine momentane Verfassung war mehr als schlecht. Körperlich wie geistig. Er war auf einem Auge blind, hatte sicher die eine oder andere Prellung. Panik- und Angstzustände die ihn regelrecht lähmten. Und er hatte keine Ahnung was für Nebenwirkungen dieses Zeug hatte, mit dem er von Angel immer wieder ruhig gestellt wurde. In letzter Zeit fühlte sich sein Körper manchmal so taub an, doch er wollte Drake nicht damit beunruhigen. Drake machte sich so schon ständig genug Sorgen um ihn.   Auf einmal hatte er eine verrückte Idee – nein, je länger er darüber nachdachte umso weniger irre kam sie ihm vor. Doch er hatte keine Garantie, ob sie überhaupt funktionieren würde. Aber er musste nach jedem Strohhalm greifen, den er finden konnte.   „Drake, ich habe eine Idee. Aber sie ist riskant…“ Sein Gegenüber spitzte die Ohren, während er an einem seiner zahlreichen Piercings drehte. Der Rotschopf seufzte resigniert. „…Im Endeffekt ist alles was wir tun können riskant. Also gut, schieß los mit deinem verrückten Plan.“ Victor sah Drake entschlossen in seine wachen, grünen Augen.   „Ich muss mit Angel, nein… muss versuchen mit Chris zu reden.“ Drake spuckte fast sein Wasser quer über den Boden, welches er gerade getrunken hatte. Hustend entgegnete er nur „Das ist … wirklich verrückt.“   Victor zuckte mit den Schultern und antwortete nur erstaunlich entspannt: „Angel ist … einfach nur gestört. Er ist ein Psychopath und scheint eine gespaltene Persönlichkeit zu haben. Früher war er nicht so - ich weis nicht, was diesen krassen Wandel damals ausgelöst hatte, doch vor kurzem nachdem er…“ Victor wurde von der Vergangenheit eingeholt. Er würde sicher nicht sagen, dass er unter Drogeneinfluss sich willig unter Angel im Bett gewälzt hatte. Das sein Körper ihm nicht gehorcht hatte und sich in völliger Ekstase befanden hatte, als sie Sex hatten. Diese Geheimnisse würde er irgendwann mit ins Grab nehmen.   Drake beobachtete ihn genau, und schien irritiert über seine Sprechpause. Victor vermutete, dass der junge Mann vor ihm schon ahnte, dass Angel weit mehr tat als er selbst zugab.   Victor schüttelte den Kopf um seine wirren Gedanken abzuwerfen – er musste sich konzentrieren.   „Nicht so wichtig.“ Er zwang sich zu einem optimistischen Gesicht. „Auf jeden Fall habe ich ihn kurz gesehen. Für ein paar Sekunden. Er war... wieder Chris. Er war verstört und verängstigt über das was er getan hatte. Ich glaubte wirklich… dass ich eine Geist sehen gesehen hatte. Doch dann war er auch schon wieder fort und ‚Angel‘ war ziemlich … sagen wir mal höflich… angepisst – er ärgerte sich regelrecht darüber dass Chris… da war. Ihn für diesen kurzen Moment verdrängt hatte. Er hatte mich komplett ignoriert und zog zornig davon. Ich glaube das war, bevor er dich… in dem Gang angegriffen hatte…“   „Ha, da hatte ich wohl einfach ein scheiß Timing für meine Erkundungstour, was?“ scherzte Drake. Drake verzog sein Gesicht – er schien an den Moment zurück zu denken als Angel ihn fast erstochen hätte, wenn Victor ihn nicht aufgehalten hätte. „Ich… hoffe dass ich ihn irgendwie wieder zum Vorschein bringen kann. Ich weis nicht wie, aber ich muss es versuchen. Zumindest so lange, dass ich ihn hoffentlich überzeugen kann uns zu helfen. Denn…. Ich weiß dass zumindest Chris … nicht so ein Mensch ist… oder war…“   Drake schaute ungewohnt finster drein. „Dann heißt das also, das unsere momentan beste Chance der Kerl ist, der uns hier her gebracht hat? Beziehungsweise seine eigentliche Persönlichkeit?“ „Ja… irgendwie… schon.“ Victor bereute es, Drake von dieser Idee erzählt zu haben. Je länger er sah wie der sonnengebräunte junge Mann vor ihm darüber nachdachte, umso lächerlicher und an den Haaren herbeigezogen fand er seine eigene Idee.   Doch Drake nickte. Auf Victors Erstaunen antwortete er nur „ Ich vertraue dir. Wenn du glaubst, dass es eine Möglichkeit sein könnte – dann werden wir es verdammt nochmal versuchen.“   Er schlang die Arme um seine angewinkelten Beine „Aber… ich glaube nicht dass ich dir dabei irgendwie helfen kann. Du wärst auf dich allein gestellt. Ich will nicht dass dir etwas passiert. Und ich will nicht… dass noch einem Freund von mir etwas zustößt. Ich hasse es, dass ich nichts tun kann außer untätig zuzusehen.“ Victor hatte nicht geahnt dass Drake sich so fühlte. Dass das Gefühl, nichts ausrichten zu können so an ihm zerrte. Und doch… war er wahnsinnig glücklich. Drake sorgte sich um ihn. Er sah in ihm einen Freund. Einen guten Freund. Sie kannten sich noch nicht lange – aber anscheinend hatte sich doch etwas zwischen ihnen entwickelt, was zumindest Freundschaft war. Wenn Drake ihn immerhin als Freund sah, war es ihm mehr als genug – es war mehr als er zu hoffen gewagt hatte.   Victor suchte gerade nach den richtigen Worten um seinem Freund zu antworten   Das metallische Knarzen einer Tür durchriss die Stille des Anwesens. Angel musste zurück sein.   Victor atmete tief durch und blickte Drake an. ‚Es ist mir inzwischen eigentlich egal, was mit mir geschieht. Ich… will nur dass... du aus diesem Alptraum entkommen kannst.‘ Es war einfach die Realität. Er hatte jegliche Hoffnung verloren gehabt. Und dann traf er Drake. Er schenkte ihm neue Hoffnung und Mut. Obwohl er ihn eigentlich hassen müsste, weil er ihn in eine solch furchtbare Situation gebracht hatte, tat er das nicht. Er schenkte ihm so oft eines seiner verschmitzten Lächeln, beruhigte ihn mit einer sanften, fast schon liebevollen Berührung. Er war einfach ein wunderbarer Mensch, und Victor war dankbar, dass er ihn hatte kennen lernen dürfen.   Es wäre sinnlos es weiterhin zu leugnen – er war bis über beide Ohren verliebt. In einen Jungen, den er erst kennengelernt hatte und eigentlich kaum kannte – und viel jünger war als er selbst. Anscheinend hatte er sich darauf spezialisiert, sein Herz an die Menschen zu verlieren, die entweder dem Wahnsinn verfielen oder bei denen er nie eine Chance haben könnte. Victor stand auf und lächelte Drake an ‚…wenn ich dich beschützen kann… ist das genug für mich… wenn du von hier entkommen kannst… schließe ich sogar einen Pakt mit dem Teufel.‘   Victor umklammerte nervös seine Arme. Doch die Entschlossenheit stand ihn seinem zarten Gesicht geschrieben. „Ich werde gehen und mein Glück versuchen. Drück mir die Daumen.“ Gerade als Victor einige Schritte zur Zimmertür gegangen war, wurde er an seinem Handgelenk festgehalten. Drake schlang von hinten seine Arme um die schmalen Schultern, legte seinen Kopf seitlich an Victors Nacken. Victor stieg aufgrund der überraschenden Nähe das Blut in die Wangen und ein wohliger Wärmeschauer durchzog seinen Körper. 'Drake… wenn du so etwas tust… wie soll ich da… dich nicht lieben?'   „Du... solltest das nicht tun… ich… bringe dich nur in Gefahr.“ „Das ist mir egal.“ Drake löste sich von ihm – nur um Victor dann zu sich zu drehen und ihm tief in seine eisblauen Augen zu blicken. Naja, zumindest in sein Rechtes, dass ihn sehen konnte. Er strich Victor über seine linke Wange. Victor schmiegte sich regelrecht in diese Berührung, doch er tadelte sich innerlich. Der Blick des Jüngeren war voller Schmerz und Sorge. Victor konnte nicht anders als weiche Knie zu bekommen wenn Drake ihn so ansah.   ‚Nein… hör auf… Du darfst das nicht...‘ Er schloss die Augen und konnte Drakes heißen Atem spüren. Er… war so nah. Doch Victor zuckte bei dem Gedanken was geschehen würde zusammen, wenn Angel sie so sehen würde. Und dann lies Drake von ihm ab. Und doch schien es, als würde er ihn nicht gehen lassen wollen – er strich mit seiner Hand über eine der widerspenstigen Haarsträhnen, die sich aus Victors Zopf befreit hatten. Er seufzte kurz, doch er sah ein dass Victor gehen musste.   „… Versprich mir nur dass du vorsichtig sein wirst…“ mit diesen Worten zog er sich zurück, seine Augen waren voller Sorge. Victor biss sich auf die Lippen und drehte sich weg. Hastig eilte er aus dem Zimmer, lies die Person die ihm so teuer geworden war einfach stehen. Er lehnte an der Zimmertür, die hinter ihm ins Schloss gefallen war. Er griff an seine Brust, denn sein Herz klopfte so laut, dass Drake es bestimmt gehört haben musste. Der Schwarzhaarige fühlte sich, als hätte er fast eine Grenze überschritten die er nie übertreten durfte.   'Drake… bitte mich nicht dir Versprechen zu geben, bei denen ich nicht weiß ob ich sie halten kann…'   Victor atmete tief durch. Er musste sich beruhigen. Er musste sich konzentrieren – denn er hatte etwas, das er tun musste. Das nur er tun konnte. Und so schritt er den langen Flur entlang um sich seinem Peiniger zu stellen.   *   Drake hätte sich selbst ohrfeigen können. 'Mann! Bist du bescheuert?! Was.. was hast du dir da eben dabei gedacht?!' Er vergrub sein Gesicht in den Handflächen, während er versuchte seine Gedanken zu ordnen.   Er hatte den Gedanken nicht ertragen können, Vic gehen zu lassen. Ihn regelrecht in die Arme von Angel zu treiben. Er verfluchte seine eigene Unfähigkeit irgendetwas tun zu können. Das Einzige, das er die ganze Zeit nur tun konnte war Victor zu vertrauen und das tat er auch. Doch er wollte ihn beschützen. In dieser kurzen Zeit hatte Victor es geschafft sich in sein Herz zu schleichen. Drake lachte auf als er an die erste Begegnung am Waldrand dachte. Hätte er gewusst was geschehen würde, hätte er damals einfach Victors Hand nicht losgelassen und wäre mit ihm fortgerannt. Er und seine Freunde wären schon irgendwie wieder nach Hause gekommen.   Doch es war eigentlich egal was er sich wünschte gemacht zu haben. Denn an der grausamen Realität würde es nichts ändern.   Und nun? Er hatte ihn beinahe geküsst. Und Victor… hätte es scheinbar durchaus zugelassen – wenn nicht die Gefahr durch Angel so allgegenwärtig wäre. Der Schwarzhaarige wusste wahrscheinlich nicht, was für eine Anziehungskraft er auf ihn ausübte. Drake wollte ihm nah sein. Er weckte in ihm seinen Beschützerinstinkt und er konnte sich kaum zurückhalten wenn Victor ihn immer so sanft anlächelte. Er wollte für ihn so viel mehr sein. Er wollte...   „Ha… das… ist wirklich… mies...“ flüsterte Drake vor sich her. Und dabei bezog er sich weniger auf das Gefühl in seiner Brust als auf die gesamte Situation. Er liebte Victor. So sehr. Und er war sich sicher dass dies Angel auch nicht entgangen war. Angel, den Victor in diesem Moment konfrontieren wollte. Und das andere 'Ich' in diesem Wahnsinnigen, das Victor noch immer nicht loslassen konnte.   Drake hatte das Gefühl dass seine Brust sich zusammenschnürte. Schweren Herzens konnte er nur lauschen bis er Victors Schritte nicht mehr hören konnte.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)