Ein Meer aus Taschentüchern von Goetterspeise (Sakura & Ino) ================================================================================ Kapitel 1: Krankenbesuch ------------------------ Langsam aber sicher kämpfte die Mittagssonne sich durch die dicken, dunklen Wolken hindurch. Die letzten drei Tage hatte es fast durchgehend geregnet, weshalb die Straßen und Wege von großen Pfützen gesprenkelt waren. Sakura musste einige Male die Seite wechseln, um mit ihren Schuhen nicht in eine von ihnen zu treten und zog unterwegs den roten Mantel enger um ihren Körper. Der Wind war noch genauso stark wie die vergangenen Tage, da änderten auch die angenehmen Strahlen der Herbstsonne nichts daran. Es war deshalb nicht weiter verwunderlich, dass kaum eine Handvoll Leute ihren Weg kreuzten. Viele saßen wahrscheinlich lieber zuhause und tanken einen Tee oder hatten sich mit Freunden in Cafés verabredet, deren Duft von Kaffee und frischem Gebäck in ihre Nase stieg. Wie gerne würde sie sich jetzt auch einfach in eins dieser kleinen gemütlichen Geschäfte setzten und mit etwas Heißem die Kälte in ihren Gliedern vertreiben. Aber das ging nicht! Sie hatte eine Mission zu erledigen und was wäre sie für eine Kunoichi, wenn sie sich wegen einer solchen Kleinigkeit wie dem schneidenden Wind, der ihr bis unter die Haut ging, davon abhalten lassen würde? Sakura biss die Zähne zusammen, umschloss die Tüte in ihrer rechten Hand fester und beschleunigte ihren Schritt. Sie wich einer recht großen Pfütze aus, bog noch einmal um eine Ecke und stand dann vor einigen leeren Podesten in unterschiedlichen Größen. Inos Mutter musste die Blumen, die sich dort sonst in dunklen Eimern befanden, vor dem Wind und dem Dauerregen in Sicherheit gebracht haben, was auch die geschlossene Eingangstür um diese Uhrzeit implizierte. Mit einem leichten Ruck gegen diese öffnete sie sich und ein leises Klingeln ertönte. Sakura stieg augenblicklich der Duft von ungefähr fünfzig verschiedenen Blumen in die Nase und sie lief beinahe gegen ein großes Arrangement aus gelben, roten und orangen Rosen. »Ah, Sakura«, ertönte die Stimme von Inos Mutter, die schnell auf sie zugelaufen kam. »Verzeih die Unordnung hier, aber momentan fehlt uns einfach der Platz im Lager, weil wir so viele Bestellungen haben und nach draußen können wir leider auch nichts stellen, weil keine Befestigung gegen den Wind ankam ankommt. Aber komm erst mal rein und wärm dich auf.« Schief grinsend über diesen Schwall an Worten schlängelte Sakura sich durch die am Boden stehenden Töpfe und Eimer und kam schließlich direkt vor Inos Mutter zum Stehen. »Guten Tag.« Sie verneigte sich höflich. »Ich hoffe es ist okay, dass ich unangemeldet vorbeigekommen bin? Shikamaru meinte, es sei schlimm und Sai traut sich momentan nicht irgendetwas zu ihrem Zustand zu sagen. Darum hab' ich einfach mal ein paar Sachen mitgebracht, die hoffentlich helfen.« Bei diesen Worten hob Sakur die Tüte bis zu ihrer Brust nach oben und schenkte ihrem Gegenüber ein freundliches Lächeln. »Das ist wirklich lieb von dir. Ja, die Arme ist völlig am Ende. Sie will niemanden sehen und sich von keinem helfen lassen. Nicht mal mich mit ihrem Lieblingstee wollte sie in ihrem Zimmer sehen.« Ein Augenrollen unterdrückend, verhärtete sich Sakuras Lächeln und sie lachte ironisch. Das konnte wirklich heiter werden. »Geh einfach gleich durch. Und du kennst sie ja, lass dich also bitte nicht von ihrer schlechten Laune aufhalten.« »Niemals.« Mit diesen Worten ging Sakura an Inos Mutter vorbei und folgte dem einzig möglichen Weg nach hinten. Sie durchquerte das Lager, welches an den Wänden mit Kartons vollgestopft war und auf dessen langem Tisch in der Mitte ungefähr sieben zusammengestellte Blumensträuße standen. Wie Inos Mutter diesen Berg alleine bewältigen konnte war wirklich ein Wunder. Am anderen Ende des Raumes angelangt, öffnete Sakura die Tür zum Treppenhaus und stieg die steilen Stufen in die Wohnung über dem Laden hinaus. Inos Tür war die letzte im Gang, mit einem großen, weißen Schild auf dem in lila Buchstaben Inos Name stand. Ein Überbleibsel aus Kindertagen, aber Sakura hatte ihres bis heute auch noch nicht entfernen können. Ein Schmunzeln schlich sich auf ihre Züge. Es verschwand aber sofort wieder als sie nach der Klinge griff, ein paar Mal tief ein- und ausatmete und dann ohne zu klopfen die Tür öffnete. Ino lag in einem Meer aus weißen Taschentüchern und starrte mit glasigen Augen an die Decke. Wartend darauf, dass der nächste Hustenanfall sie überkam. Ihr war kalt, trotz der drei Decken, die ihre Mutter ihr gebracht hatte und sie spürte jedes Gelenk, jeden Knochen in sich. Der noch so kleinste Atemzug tat ihr weh und zu schlucken traute sie sich kaum, aus Angst vor den Schmerzen, die es auslösen würde. Momentan schmerzte sowieso alles, egal was sie tat oder eben nicht. Das Kribbeln in ihrem Hals kündigte langsam aber stetig einen erneuten Hustenanfall an und sie versuchte vergebens den Reiz zu unterdrücken. Aufbäumend überkam es sie und sie spuckte völlig frustriert den Schleim in eines ihrer Taschentücher, das sie danach achtlos neben sich legte. Zwischenzeitlich war sie bei der Farbe Grün angekommen und verspürte nicht den Drang zu überprüfen, ob dies noch immer der Fall war. »Ich hasse das!«, fluchte sie leise, erkannte ihre Stimme kaum wieder, so rau war sie und drehte sich zur Seite. Sie umschlang ihren Oberkörper mit ihren Armen und zog die Knie an, wobei eine der drei Decken verrutschte, weshalb sich eine Gänsehaut auf ihrem Körper ausbreitete. Schnell zog sie den dicken Stoff wieder über sich und schloss die Augen, nur um ein paar Sekunden später laut niesen zu müssen. Ein weiteres Taschentuch landete im Meer um sie herum. Anschließend fuhr sie sich durch ihre schweißverklebten Haare. Es war die Hölle und sie konnte nichts weiter tun, als sich damit abzufinden und zu warten, bis das Fieber sank, die Entzündung ihren Körper verließ und sie aufstehen konnte, ohne einen so gewaltigen Schwindelanfall zu bekommen, dass er ihre Beine einknicken ließ. Dabei wünschte sie sich im Moment wirklich nicht viel. Nur ein heißes Bad, Musik und Sonne. Jene Sonne, die sie durch ihre zusammengezogenen Vorhänge aussperrte und so nur gedämpfte Strahlen, in denen die Staubpartikel tanzten, wahrnahm. Aufzustehen und den Stoff zur Seite zu schieben gelang ihr aber ebenfalls nicht, also suhlte sie sich weiterhin in ihrem Selbstmitleid und den benutzten Taschentüchern. Wie sie sich dafür hassen würde, sobald sie wieder gesund war. Murrend, weil sie es in keiner Position lange aushielt, drehte sie sich wieder auf den Rücken, gewährte dem Hustenreiz sich zu entfalten und zog anschließend die Decken über ihren Kopf. »Du brauchst dich vor mir gar nicht zu verstecken.« Diese Stimme, dieser Ton. Ino riss die Augen auf, setzte sich senkrecht auf, weshalb die Laken von ihrem Kopf und Oberkörper fielen und starrte ihre beste Freundin an. »Was willst du hier?!«, fragte sie gereizt. Der Schwindel setzt wieder ein und sie fiel zurück in ihre Kissen. »Ich wollte dich besuchen. Alle anderen trauen sich nämlich nicht.« »Gut so. Ich will niemanden sehen!« Sakura lachte gutgelaunt und kam um das Bettgestell herum. Sie zog ihre Regenjacke aus, legte diese auf die Kommode zu ihrer rechten und kniete sich anschließend neben Ino und ihrem Meer aus Taschentüchern auf die Matratze. »Du wirst mich allerdings nicht so schnell los«, antwortete sie endlich und stellte die Tüte neben sich ab. Sie hörte, wie Ino abfällig schnaubte und unterdrückte den Drang ihr zu erklären, dass sie als Iryounin eigentlich am besten wissen sollte, was man in solchen Situationen tat. Und das war ganz sicher nicht einsam und verlassen hier im Dunkeln zu sitzen und die Welt hassen. »Also, wie fühlst du dich?« Sakura nahm sich vor, nicht aus der Haut zu fahren und Ino zu behandeln, wie jeden anderen ihrer Patienten auch. »Sieh mich an, dann weißt du es.« Ino Stimme war kaum ein Flüstern und ihr Ton triefte nur so vor Selbstmitleid. »Hab' ich doch längst.« Sakura zwinkerte ihr halb ironisch zu und lächelte sie gutmütig an. Erneut schnaubte Ino und drehte sich von ihr weg. Sakura sah, wie sich Inos Körper plötzlich zusammenzog und musste mit ansehen, wie ihre beste Freundin sich die Seele aus dem Leib hustete. Kein schöner Anblick. Nachdem sie sich beruhigt hatte, ihr Atem ging nach wie vor sehr schnell, wandte sie sich doch wieder zu Sakura und sah diese mit einem fiebrigen Blick an. »Ich hasse das. Ich schwitze, meine Nase ist rot, die Augen unterlaufen und feucht, meine Stimme hört sich an wie die eines alten Mannes und mir tut alles weh.« Sie schloss ihre Augen und legte den linken Arm über diese. »Töte mich, bitte!«, flüsterte sie. Sakura konnte nur belustigt den Kopf schütteln. »Du brauchst deinen Schlaf und Ruhe. Darum bleibe ich auch nicht lange.« Ein Husten unterbrach Sakuras Rede. »Ich hab' dir nur eine Kleinigkeit zusammengemischt und denke, das könnte dir helfen.« Bei diesen Worten wandte sie sich endlich ihrer Tüte zu und fischte eine rechteckige Schachtel heraus. »Ich will den Mist nicht. Das schmeckt immer so schrecklich«, fuhr Ino sie an, ließ endlich ihren Arm wieder von ihrem Gesicht fallen und warf Sakura einen wütenden Blick zu. »Du stellst dich noch schlimmer an, als Sasuke, wenn er erkältet ist.« Sakura wollte gar nicht so hart klingen, aber es machte sie einfach wütend, dass sich jemand, der es wissen sollte, nicht helfen lassen wollte. »Halt die Klap- hatschi!« Sakura reichte ihr ein Taschentuch und wartete ungeduldig darauf, bis Ino dieses ebenfalls neben sich legte und so ihre Sammlung erweiterte. Sie öffnete die Schachtel und holte zwei graue, kleine Kugeln aus dieser. »Hier. Eine isst du jetzt und die andere später. Am besten in drei Stunden, falls du dann aber schlafen solltest, ist es auch noch okay, wenn es sich nach hinten verschiebt.« Da Ino nicht nach der Medizin griff und Sakuras hochgezogene Augenbrauen einfach ignorierte, schob diese sich näher an das Kopfende des Bettes und hob ihren Arm soweit, dass ihre Hand mit der Kugel nur ein paar Zentimeter über Inos Lippen schwebte. »Vergiss es. Das stinkt schon so furchtbar.« »Einen scheiß tut es. Du kannst ja nicht mal riechen!« Langsam riss ihr wirklich der Geduldsfaden. »Mach jetzt den Mund auf und kau. Oder ich zwing dich dazu.« Sie machte Andeutungen mit der anderen Hand, Ino mit dem Kreuzgriff gewaltsam die Lippen zu trennen – was sie natürlich niemals getan hätte. Es reichte allerdings, um in ihrer Patientin Angst aufsteigen zulassen, sodass diese gehorsam den Mund öffnete und sich die bittere Kugel hineinlegen ließ. »Brav. Und schön kauen.« Ino nickte heftig und folgte dieser Anweisung ohne Murren. Sakura nickte zufrieden, bevor sie erneut in die Tüte griff und eine runde Dose herausholte, die sie öffnete. Inos Augen weiteten sich, während sie schluckte. »W-was ist das?« Panik lag in ihrer Stimme. Das Fieber drehte eindeutig ein wenig an ihrem Verstand – oder aber sie traute Sakura keinen Millimeter über den Weg. »Das wird dich schon nicht umbringen. Ist nur Vaseline. Die hilft gegen deine ausgetrocknete Haut auf der Nase und die spröden Lippen. Willst du das selbst machen, oder soll ich?«, fragte sie in einem Tonfall, den sie normalerweise nur bei Kleinkindern benutzte. Ino nieste, woraufhin ein erneuter Hustenanfall folgte und zog die Decke bis unter ihr Kinn. »Kannst du mich nicht einfach leiden lassen?« »Es ist Vaseline! Die tut gar nichts, außer zu fetten.« »Und stinken. Sie stinkt nach Plastik und Kunststoff.« Ah ja. »Ino deine Nase ist nach wie vor so zu, dass du immer noch nichts riechen kannst. Also stell dich bitte nicht so an.« Ein Grummeln war zu hören und Sakura nahm dieses einfach als Einverständnis dafür, dass sie ihrer besten Freundin die Fettcreme auftragen durfte. »Beiß mich aber ja nicht.« »So tief bin ich dann auch noch nicht im Fieberwahn.« Erneutes Niesen. Ino fasste sich etwas unkoordiniert an die Stirn und seufzte. »Wie hoch ist dein Fieber eigentlich?« Sakura hätte zu Beginn ihres Krankenbesuchs nichts lieber getan, als Ino genauer zu untersuchen. Ihr war allerdings bewusst gewesen, dass diese eine genauere Überprüfung niemals zu gelassen hätte. Weshalb Sakura nichts anderes übrigblieb, als sich auf das zu verlassen was sie sah und was Ino ihr mitteilte. »Vorhin lag es bei 39,2°.« »Dann lasse ich deiner Mama eine Kräutermischung da, die sie dir als Tee bringen soll und sage ihr, dass sie sich von deiner schlechten Laune ja nicht aus dem Zimmer scheuchen lassen soll, bis du alles getrunken hast.« Wie gern würde sie ein wenig mehr nachhaken, sie untersuchen und so präzisere Mixturen vorzubereiten, als die Breitbandmedikamente. Sie seufzte leise und beendete ihre Arbeit mit der Vaseline. »Lässt du mich jetzt bitte wieder allein?«, fragte Ino ungeduldig und richtete sich ein wenig auf. »Zick mich jetzt ja nicht an. Ich will dir nur helfen.« »Das hast ...« Hustenanfall, Taschentuchverbrauch, »... du getan und jetzt darfst du gehen.« Sakura biss sich auf die Unterlippe, ballte ihre Hände zu Fäusten und atmete ein paar Mal tief durch, bevor sie ein gekünsteltes Lächeln aufsetzte. »Wie du möchtest. Ich komme morgen aber wieder vorbei. Und das ist eine Drohung.« »Ja, ja.« Ino rutsche wieder nach unten und zog die Decken noch ein Stück höher, sodass ab der Nasenspitze abwärts nichts mehr zu sehen war. Sakura gefiel es nicht, ihre beste Freundin allein zu lassen. Aber es hatte einen Grund, warum sich nie jemand traute, ihr einen Krankenbesuch abzustatten. Ino hasste es, wenn man sie so sah. Ihre Haare waren zerzaust und fettig, die Lippen wegen des Ein- und Ausatmens durch den Mund spröde und dunkle Schatten lagen unter ihren sonst so strahlend blauen Augen. Es war der Anblick, den sie niemandem zumuten wollte und für welchen sie sich ein wenig schämte. Dies und die Tatsache, dass das Meer aus Taschentüchern nicht gerade sonderlich appetitlich aussah. »Also dann.« Sakura griff nach ihrer Tüte, legte die Schachtel mit den Kugeln auf Inos Nachtkästchen und griff anschließend nach ihrem Mantel. »Wir sehen uns morgen.« Schweigen. Sakura lief langsam um das Bett herum zur Tür. Sie wollte Ino genügend Zeit geben, um sich daran zu erinnern, was sie zum Abschied eines Krankenbesuchs immer sagte. Sie öffnete bereits die Tür, als sie hinter sich ein Rascheln vernahm und doch noch einmal stehen blieb. Wartete. »Ich hasse dich!«, rief Ino ihr gedämpft durch die Decken mit ihrer Altmännerstimme nach. Sakura drehte sich im Türrahmen um und antwortete: »Ich hab' dich auch lieb.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)