Nur mit dir, für dich von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 28: Kopfzerbrechen -------------------------- Oscar saß nach dem Abendmahl in ihrem Sessel vor den Kamin, hüllte sich in einer Decke ein und starrte gedankenverloren in die Flammen. Man hatte ihr gesagt, André sei mit Graf von Fersen ausgeritten. Aber was wollte denn von Fersen von ihrem Geliebten? Von alleine wäre André mit ihm nicht mitgekommen. Und wie lange dauerte es, bis er zurückkommen würde? Es waren schon Stunden vergangen, bald würde Mitternacht sein und er war immer noch nicht da! Ob sie in ein Wirtshaus gegangen waren? Das wäre nicht gerade klug! Wenn die Bürger den Grafen erkennen würden, würden sie sie alle beide zusammenschlagen und herausschmeißen! Oscar drückte sich der Brustkorb zusammen. Sie erinnerte sich noch genau an einen Abend vor einigen Jahren, als sie und André in einer Schlägerei verwickelt waren, weil Robespierre sie als Kommandant der königlichen Garde verraten hatte. Dies erzürnte die Gäste und so begann die Schlägerei.   Zum Glück hatte man sie nicht als Frau erkannt, hatte André dann später auf dem Heimweg gesagt. Was meinte er als Frau? Damals hatte Oscar darüber keinen Gedanken verloren. Aber jetzt umso mehr. Was hätte man mit ihr gemacht, wenn man sie als Frau erkannt hätte?   Die weiche Wolldecke rutschte Oscar von der Schulter ab und es fröstelte sie etwas. Oscar schob die Decke zurück, ohne sich darüber bewusst zu sein. Sie hatte schon von Schändungen gehört und war in dieser Hinsicht froh, wie ein Mann erzogen worden zu sein. Hätten es aber diese Männer auch gewagt so etwas mit ihr zu tun? War es das, was André damit gemeint hatte? Wo blieb er nur?!   Oscar verging fast vor Sorge um ihn. Und da war noch etwas! Dieser Robespierre, soweit sie sich an jenen Abend erinnerte, war in Begleitung von Bernard Chatelet. Das war alles noch vor dem schwarzen Ritter und Oscar hätte nie gedacht, diesen Journalisten noch einmal zu begegnen. Sie hatte ihn gehengelassen, weil André es so wollte und für ihn hatte sie sogar ihren Vater angelogen. Aber zu welchen Preis?   Rosalie hatte Bernard geheiratet und er hörte mit dem schwarzen Ritter auf. Und warum wollte André ihn nicht dem Richter übergeben? Etwa, weil er selbst dem dritten Stand angehörte und daher das einfache Volk besser verstand als sie, Oscar Francois de Jarjayes? Sie verstand es doch auch und dessen Leid ging an ihr auch nicht vorbei! Aber ihr kam so vor, als würde André sich besser damit auskennen als sie, die eigentlich selbst manche Adlige nicht ausstehen konnte und ihnen am liebsten den Hals umdrehen würde! Entgegen ihren Prinzipien, ein stolzer Kommandant der königlichen Garde zu sein, fühlte sie sich nicht mehr so wie früher. Ein Kommandant zu sein, war eher ein Privileg, eine Pflicht, die sie sich nicht ausgesucht hatte. Das wurde ihr auferlegt, ohne sie zu fragen. Wenn es nach ihr ginge, hätte sie alles anders gemacht!   Sie hätte sich lieber selbst von einem einfachen Soldaten in den höheren Rang hochgearbeitet, aber das war ihr nicht vergönnt. Man hatte sie gleich mit vierzehn Jahren in die Uniform eines Kapitäns gesteckt und nach binnen wenigen Jahren, beförderte sie man zum Kommandanten. Wie ungerecht gegenüber den anderen, die Jahrzehnte dafür brauchten und sich den höheren Posten mit viel Mühe erkämpften müssten!   Im Salon ging leise die Tür auf und wieder zu. Oscar schreckte aus ihren Gedanken hoch und sah sich im Sessel nach hinten um. Sie atmete erleichtert auf, als sie Andrés Statur erkannte. „Wo warst du so lange? Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“   „Das tut mir leid.“ André ging zu ihr und nahm Platz im Sessel nebenan. „Ich war mit Graf von Fersen unterwegs. Er hat mich zu einem Ausritt eingeladen.“   „Das habe ich gehört. Sophie hat euch aus dem Tor reiten sehen.“ Oscar ließ ihn nicht aus den Augen und musterte sein seitliches Profil im gelben Feuerschein ausgiebig. Er trug äußerlich keine Verletzungen, was sie noch mehr beruhigte. „Aber was wollte denn von Fersen von dir? Das verstehe ich nicht.“   André lehnte sich zurück, schloss die Augen und erzählte die kurze Unterhaltung mit dem Grafen. Oscar sagte nichts, sie hörte ihm nur aufmerksam zu. „...dann war ich in einem Gasthof. Ich wollte mir nur ein Glas Bier gönnen und habe dabei einen Söldner Namens Alain kennengelernt. Ein lebenslustiger Kerl...“, beendete André seine Erzählung und öffnete die Augen.   „Ich habe es mir schon gedacht, dass du vielleicht in einen Gasthof einkehren würdest.“ Oscar lehnte sich in ihrem Sessel zurück und verstummte für eine kurze Weile. Stille legte sich zwischen sie und nur das prasselnde Feuer im Kamin hörte man leise knistern. Es war warm und angenehm. Jedem gingen eigene Gedanken durch den Kopf. „André?,“ unterbrach Oscar flüsternd die Stille.   „Hmmm?“, verlautete André ohne seine Lippen zu bewegen.   „Ich überlege das Garderegiment zu verlassen...“   „Aber wieso?“ überrascht fuhr André mit seinem Kopf auf und schaute verständnislos zu ihr.   „Ich will keine Zierpuppe mehr am Hofe sein“, erklärte ihm Oscar betont: „Ich will ein neues Leben beginnen. Zusammen mit dir. Aber ich werde weiter wie ein Mann auftreten. Für eine Frau wie mich ist es einfach sicherer.“   „Oscar...“ André glaubte sich verhört zu haben. Was hatte sie sich denn da schon wieder ausgedacht? Wozu war dieser Sinneswandel gut? Und wie stellte sie sich das überhaupt vor? Als wäre das alles ganz einfach! Die Königin würde sie doch niemals gehen lassen!   André war noch mehr überrascht, als Oscar ihm am nächsten Abend nach ihrem Dienst über ihre Entlassung mitteilte. „Aber wie hast du das geschafft?!“, fragte er sie baff, während sie sich im Zimmer nebenan umzog.   „Ihre Majestät wollte erstmals den Grund wissen, aber ich bat sie, meine Gründe mir selbst zu überlassen und versicherte ihr weiterhin meine Treue. Das hat sie anscheinend milde gestimmt und sie gab mir dann später ihre schriftliche Erlaubnis.“   „Und wie geht es mit dir nun weiter?“, hörte Oscar seine fragliche Stimme aus dem Salon. Sie richtete noch den Kragen ihres Hemdes und ging zu ihm hinaus. „Das weiß ich noch nicht. Ihre Majestät wird mir morgen Bescheid geben. Aber eins weiß ich genau: Ich werde mich niemals von dir trennen!“   „Und ich werde dir folgen, wo auch immer du hingehst.“ André rührte es immer wieder, wenn sie ihm so etwas offen sagte. Er kam nicht umhin, Oscar in seine Arme zu schließen und sie zu küssen.   Oscar gewährte es ihm für einen kurzen Wimpernschlag. Um diese Tageszeit war es noch zu früh und zu gefährlich, für solche Innigkeit. Das wussten sie alle beide und trennten sich schon nach wenigen Sekunden. In den Jahren ihrer heimlichen Liebe, wurde es schon beinahe zu einem Ritual zwischen ihnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)